Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 29. Jan. 2015 - 5 Sa 459/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0129.5SA459.14.0A
bei uns veröffentlicht am29.01.2015

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Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 12. Juni 2014, Az. 6 Ca 808/13, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und einen Antrag auf Weiterbeschäftigung.

2

Der 1963 geborene Kläger ist geschieden und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Kündigung war lediglich ein Kind auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragen. Über abweichende persönliche Daten war die Beklagte nicht unterrichtet.

3

Der Kläger ist seit 01.02.1999 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern als Montageschlosser zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 3.475,49 beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie produziert in Z. im Werk W. [WS] und im Werk D. [DS] sowie im Saarland (B. [B]) Krane in unterschiedlicher Größe. Sie beschäftigt in den drei Produktionsstätten, die einen einheitlichen Betrieb bilden, ca. 1.800 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 02.12.2013 ordentlich zum 31.05.2014. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 19.12.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

5

Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass sich ihre Geschäftsleitung als Reaktion auf eine anhaltend schlechte Auftragslage entschlossen habe, die produzierten Stückzahlen auf 235 zu fertigende Geräte zu reduzieren. Dadurch seien die benötigten Fertigungsauftragsstunden auf 971.997 zurückgegangen, so dass ein Überhang an Arbeitskräften entstanden sei. Die Beklagte schloss am 01.11.2013 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Im Interessenausgleich ist ua. geregelt, dass aufgrund der reduzierten Auslastung, im Wesentlichen im Werk WS, eine Personalanpassung um max. 120 Vollzeitstellen (FTE) erforderlich sei. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, wurde der Abbau von Leiharbeit, das Auslaufenlassen befristeter Arbeitsverträge, die Altersteilzeit, die Qualifizierung zum Schweißer/Stahlbauschlosser sowie ein Freiwilligenprogramm vereinbart. Außerdem wurde den Arbeitnehmern die Möglichkeit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

6

Nach Ablauf der Annahmefrist für das Programm zum freiwilligen Ausscheiden am 25.11.2013 hörte die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2013 den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen, ua. des Klägers, an. In dieser Anhörung führte sie die individuellen Sozialdaten und Kündigungsfristen sowie aus ihrer Sicht die betrieblichen Gründe für die Kündigungen und die getroffene Sozialauswahl aus. Sie fügte der Anhörung auch eine Liste mit den Sozialdaten vergleichbarer Montageschlosser bei. Der Betriebsrat antwortete am 29.11.2013 abschließend, dass er keine Stellungnahme abgebe.

7

Mit Schreiben vom 07.11.2013, dass die Beklagte nach Abschluss des Freiwilligenprogramms am 29.11.2013 aktualisierte, erstattete sie bei der zuständigen Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts eine Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG. Sie fügte dieser Anzeige den Interessenausgleich (mit integrierter Stellungnahme des Betriebsrats), den Sozialplan und die Betriebsvereinbarung zum Freiwilligenprogramm bei.

8

Die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer führte die Beklagte nach folgendem Punkteschema durch:

9

Lebensalter

1 Punkt

für jedes vollendete Jahr,
bis maximal 59

Betriebszugehörigkeit

2 Punkte

für jedes vollendete Jahr

Unterhaltspflichten
Familienstand

5 Punkte

bei Heirat

Unterhaltspflichten
Kinder

10 Punkte

für jedes unterhaltsberechtigte Kind

Schwerbehinderung/
Gleichstellung

10 Punkte

ab einem GdB von 30

10

Bei einer nochmaligen Überprüfung der Sozialdaten fiel der Beklagten auf, dass bei einigen Mitarbeitern Abweichungen bei der Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder sowie des Familienstandes vorlagen. Daher aktualisierte sie ihre Vergleichsgruppenliste mit den korrigierten Sozialdaten nachträglich.

11

Für die Zwecke der Sozialauswahl fasste die Beklagte folgende Tätigkeiten in einer Vergleichsgruppe "Montageschlosser" zusammen:

12

"Montageschlosser 2, Montageschlosser 3, Montageschlosser 4. Ausleger, Montageschlosser 4, Montageschlosser 6 RDV, Abnahmemonteur 2, Montageschlosser 13 Versandm., Mechaniker 1 Repair Shop, TM Manufacturing Launch, Montageschlosser 5, Schlosser Farbgebung 1, Montage Reparaturteam WS, Ausb. Abnahmefahrer, Werkzeugausgeber, Qualitätsprüfer 1 WS."

13

Diese Tätigkeiten werden von gelernten Industriemechanikern bzw. Maschinenschlossern verrichtet. Der Kläger wurde als "Montageschlosser 13 Versandm." eingesetzt. Daher ordnete ihn die Beklagte der Vergleichsgruppe "Montageschlosser" zu. In dieser Gruppe baute die Beklagte insgesamt 65 Stellen ab. Sie bildete 4 Altersgruppen, um eine Erhöhung des Altersdurchschnitts zu verhindern bzw. abzumildern. Im Einzelnen:

14

Altersgruppe

ab Lebensalter

Anzahl
Mitarbeiter
vor Abbau

Anzahl
abgebauter
Stellen

Anteil
in %

1       

ab   0 Jahre

 1    

 0    

 0    

2       

ab 26 Jahre

 85     

23    

27,05 

3       

ab 41 Jahre

121     

34    

28,09 

4       

ab 56 Jahre

 30     

 8    

26,67 

Summe 

        

237     

65    

27,42 

15

Der Altersdurchschnitt lag im November 2013 bei 44,56 Jahren. Eine Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung hätte zu einem Altersdurchschnitt von 45,11 Jahren geführt. Aufgrund der Altersgruppenbildung betrug der Durchschnitt nach Abschluss der Maßnahme 44,79 Jahre.

16

Der Kläger erzielte eine Gesamtpunktzahl von 90 (Lebensalter 50, Betriebszugehörigkeit 30, ein Kind 10). Er findet sich damit auf Platz 27 innerhalb der Altersgruppe 3 der Sozialauswahlliste und gehört zu den 34 Arbeitnehmern, denen die Beklagte in dieser Altersgruppe gekündigt hat.

17

In der Altersgruppe 3 hat die Beklagte den Arbeitnehmer K. (geb. 1962, beschäftigt seit 01.08.2002, verheiratet, ein Kind), der 88 Punkte erzielt hat, als sog. Leistungsträger iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl ausgenommen, weil er über eine Zusatzqualifikation als Spritzlackierer verfügt.

18

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 12.06.2014 (dort S. 2 bis 17) Bezug genommen.

19

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

20

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 02.12.2013 nicht beendet worden ist,

21

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriemechaniker weiter zu beschäftigen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.06.2014 stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Der Entschluss der Beklagten, die Arbeitsplätze von insgesamt 65 Montageschlossern abzubauen, sei praktisch identisch mit der Kündigungsentscheidung. Die Beklagte hätte daher darlegen müssen, wie sich die Arbeitsmenge bzgl. der dem Kläger im Einzelnen obliegenden Tätigkeiten darstelle bzw. zukünftig entwickle und wie sie diese Tätigkeiten auf andere Arbeitnehmer, ohne diesen überobligatorische Leistungen abzuverlangen, verteilen wolle. Diesen Anforderungen werde der Vortrag der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte habe die Grundlagen für ihre Prognose, sie könne die Arbeitsmenge künftig ohne die 65 gekündigten Montageschlosser abdecken, nicht dargelegt. Es sei unstreitig, dass das verbliebene Personal überobligatorische Leistungen erbringe, entweder durch den Abbau von Minus- bzw. den Aufbau von Plusstunden auf ihren Arbeitszeitkonten oder durch die Leistung von Mehrarbeit an Samstagen und in Sonderschichten. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 17 bis 26 des erstinstanzlichen Urteils vom 12.06.2014 Bezug genommen.

25

Gegen das am 10.07.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 07.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 10.10.2014 verlängerten Begründungsfrist mit am 10.10.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

26

Die Beklagte macht geltend, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Ihr Auftragsbestand für die Werke WS und DS/B sei von 402 Geräten im Jahr 2010 nach ihrer Prognose zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung auf nur noch 235 zu fertigende Geräte im Jahr 2014 zurückgegangen. Aufgrund der unterschiedlichen Gerätetypen betreffe der Rückgang überwiegend das Werk WS, wo sie kleinere Krane (AC-Geräte) fertige. Die Zahl der zu fertigenden Geräte im Werk WS sei von 320 Geräten im Jahr 2010 auf nur noch 186 prognostizierte Geräte im Jahr 2014 zurückgegangen. Das Werk DS sei aufgrund der dort gefertigten Großkrane, die einen kleineren Markt bedienten und in hohem Maße von Einzelfertigung geprägt seien, vom Rückgang der Auftragslage weniger stark betroffen.

27

Aufgrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung habe sie die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihre Produktionskapazitäten in den Werken WS und DS/B dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf anzupassen. Dies führe zu einem deutlichen Rückgang der benötigten Fertigungsauftragsstunden je nach Abteilung von bis zu 48 % im Vergleich zum Januar 2010. Im Jahr 2010 habe sie über einen Personalbestand von 1.129 produktiven Mitarbeitern (973 eigene und 156 Leiharbeitnehmer) in den Werken WS und DS/B verfügt. Mit diesem Personalbestand könnten rund 1.354.800 Fertigungsstunden pro Jahr geleistet werden. Dies entspreche 1.200 Fertigungsstunden pro Mitarbeiter und Jahr. Ihre Planung für das Jahr 2014 habe zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung einen Bedarf an Fertigungsstunden in den Werken WS und DS/B von 971.997 vorgesehen, um die 235 im Plan vorgesehenen Geräte zu fertigen. Dies entspreche einer Mitarbeiterzahl von 834 produktiven Mitarbeitern bei durchschnittlich 1.165 Fertigungsstunden pro Mitarbeiter und Jahr. Das Werk WS habe derzeit (unter Berücksichtigung der ausgesprochenen Kündigungen) einen Personalbestand von 290 produktiven Mitarbeitern, das Werk DS von 558 Mitarbeitern. Insgesamt beschäftige sie derzeit 848 produktive Mitarbeiter. Unter Berücksichtigung einer vorgesehenen durchschnittlichen Fertigungsstundenzahl von 1.200 pro Mitarbeiter und Jahr gegenüber ihrer Prognose seien dies noch 38 Mitarbeiter mehr als erforderlich.

28

Überobligatorische Belastungen der verbleibenden Mitarbeiter sehe ihre Prognose nicht vor. Die vorgesehenen Fertigungsstunden seien von den Mitarbeitern innerhalb ihrer vertraglichen Arbeitszeit zu bewältigen. Die Reduktion des Beschäftigungsbedarfs bestehe auf Dauer. Ihre Prognose sei darauf ausgerichtet, einen auch in den Jahren 2014 und 2015 erwarteten schwachen Markt für die von ihr, insb. im Werk WS, gefertigten Geräte zu marktgängigen Preisen bedienen zu können. Eine signifikante Änderung dieser Prognose sei nicht in Sicht, in den Monaten Januar bis März 2014 habe sie lediglich 35 Geräte im Werk WS verkauft. Zur dauerhaften Auslastung dieses Werkes seien unter Berücksichtigung des aktuellen Personalbestandes, je nach Gerätetyp, rund 45 bis 50 Geräte erforderlich. Ihre Prognose sei hinsichtlich des erwarteten Personalbedarfs noch zu optimistisch gewesen.

29

Der sich aufgrund ihrer unternehmerischen Entscheidung ergebende Rückgang der Produktionszahlen wirke sich in den einzelnen Produktionsbereichen aufgrund des Produktmixes, der unterschiedlichen Bauteile und des Grades der Eigenfertigungstiefe verschieden stark aus. Im Einzelnen:

30

Im Bereich Assembly Boom im Werk WS, der für die Endmontage der Kranausleger für die fahrbaren AC-Kranmodelle verantwortlich sei, seien die benötigten Fertigungsauftragsstunden um 48 % zurückgegangen, konkret von 55.000 auf 28.500 Stunden jährlich. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Rückgang der Anzahl der zu fertigenden Krane insb. die AC-Modelle betreffe und in diesem Bereich ein hoher Grad an Eigenfertigung bestehe. Daher habe sie sich entschieden, die Abteilung von 43 auf 25 Arbeitsplätze (FTE) zu verkleinern, so dass 18 Arbeitsplätze (FTE) weggefallen seien. Da 2 Mitarbeiter bereits ausgeschieden seien, habe sie noch 16 Arbeitsplätze abzubauen. In diesem Bereich seien nahezu ausschließlich Montageschlosser (4. Ausleger) beschäftigt. Der Wegfall der Tätigkeiten aufgrund ihrer unternehmerischen Entscheidung habe nur diese Mitarbeitergruppe betroffen, so dass insg. 16 Montageschlossern (4. Ausleger) zu kündigen sei.

31

Im Bereich Assembly Crane im Werk WS, der für die Endmontage der Krantypen AC 40-AC 350 verantwortlich sei, seien die benötigten Fertigungsauftragsstunden um 41 % zurückgegangen, konkret von 180.000 auf ca. 103.000 Stunden jährlich. Daher habe sie entschieden, die Abteilung von 142 auf 92 Arbeitsplätze (FTE) zu verkleinern, so dass 50 Arbeitsplätze (FTE) weggefallen seien. Da 16 Mitarbeiter bereits ausgeschieden seien, habe sie noch 34 Arbeitsplätze abzubauen. Der Abbau betreffe die Gruppe der Montageschlosser 2, Montageschlosser 5 und das Montage-Reparaturteam.

32

Im Bereich Final Assembly im Werk WS, der für die Vorbereitung der Auslieferung an die Kunden verantwortlich sei, seien die benötigten Fertigungsauftragsstunden um 40 % zurückgegangen, konkret von 38.000 auf 23.000 Stunden jährlich. Daher habe sie entschieden, die Abteilung von 31 auf 23 Arbeitsplätze (FTE) zu verkleinern, so dass 8 Arbeitsplätze im Bereich Montageschlosser (FTE) weggefallen seien (Montageschlosser 13, Versandmitarbeiter). Da 4 Mitarbeiter bereits ausgeschieden seien, habe sie noch 4 Arbeitsplätze abzubauen.

33

Im Bereich Final Acceptance WS, der für die technische Prüfung und länderspezifische Freigabe (ua. Straßenzulassung) von AC-Kranen verantwortlich sei, seien die Fertigungsauftragsstunden um 44 % zurückgegangen, konkret von ca. 82.000 auf ca. 42.000 Stunden jährlich. Deswegen habe sie entschieden, die Abteilung von 72 auf 45 Arbeitsplätze (FTE) zu verkleinern. 12 der 72 Stellen seien Tätigkeiten "Abnahmemonteur 2", 2 der 72 Stellen seien Tätigkeiten "Ausb. Abnahmefahrer". Sie habe entschieden, diese 14 Stellen abzubauen, weil sie vom Rückgang der Produktion weit überdurchschnittlich betroffen seien. Die verbleibenden Arbeiten verteile sie auf höher qualifizierte Mitarbeiter mit der Qualifikation "Abnahmefahrer" und "Kransachkundiger". Dies sei ohne überobligatorische Belastungen möglich, da sie sich entschieden habe, trotz der erheblichen Verringerung der benötigten Fertigungsstunden keine Stellen im Bereich der 40 Kransachkundigen und nur 4 von 12 Stellen im Bereich Abnahmefahrer abzubauen, um die höherqualifizierten Mitarbeiter im Betrieb zu halten. Da 3 Mitarbeiter bereits ausgeschieden seien, habe sie noch 11 Arbeitsplätze "Abnahmemonteur 2" und "Ausb. Abnahmefahrer" abzubauen.

34

Im Werk DS/B fertige sie die großen Typen der fahrbaren AC-Krane und die noch größeren Gittermastkrane (CC-Geräte). Die Änderung im Produktmix führe zu einem Überhang von 10 Stellen (FTE) in der Abteilung Assembly im Bereich Montageschlosser (Bereiche Assembly DS und AC-Montage DS). Durch die Verringerung der Produktionszahl der dort gefertigten großen AC-Geräte (fahrbare Krane mit bis zu 12 Achsen und einer Traglast bis zu 1.000 Tonnen) reduziere sich der Personalbedarf im Bereich Montageschlosser. Die Unternehmensleitung habe die Entscheidung getroffen, diese 10 Stellen abzubauen. Da die 10 Mitarbeiter bereits ausgeschieden seien, sei hier kein weiterer Stellenabbau erforderlich.

35

Betriebsorganisatorisch habe sie ihre unternehmerische Entscheidung zur Verringerung der Produktionskapazitäten im Werk WS so umgesetzt, dass sie die bislang vorhandenen drei Montagelinien zu einer Montagelinie zusammengefasst habe. Sie habe in der Vergangenheit neben anderen Maßnahmen, ua. Kurzarbeit, den Spielraum der Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter (tarifliche Bandbreite von -70 bis +150 Stunden) in den vom Abbau betroffenen Bereichen ausgereizt. Da die Mitarbeiter in erheblichem Umfang Minusstunden angehäuft hätten, habe sie keine Möglichkeit mehr gehabt, flexibel auf Schwankungen in den benötigten Fertigungsstunden zu reagieren. Sie habe deshalb einen Produktionsplan aufgestellt, der für die ersten Monate des Jahres 2014 den Abbau der Minusstunden vorgesehen habe, damit sie auf das erwartete zyklische Absinken des Produktionsbedarfs in der zweiten Jahreshälfte unter Nutzung der Arbeitszeitkonten reagieren könne, um nicht erneut Kurzarbeit in Anspruch nehmen zu müssen.

36

Der Aufbau von sog. Flex-Stunden habe auf ihrer unternehmerischen Planung und nicht auf einer verfehlten Kalkulation beruht. Soweit sie Mehrarbeit angeordnet habe, sei dies darauf zurückzuführen, dass an Samstagen und Sonntagen laut Betriebsvereinbarung kein Aufbau von Flex-Stunden auf dem Arbeitszeitkonto erfolgen dürfe. Diese Zeit müsse vielmehr als Mehrarbeit vergütet werden. Es sei in begrenztem Umfang zu Samstagsarbeit gekommen, weil sie Auslieferungstermine auf Drängen der Kunden vorverlegt habe bzw. weil erforderliche Teile von Zulieferern zu spät geliefert worden seien. In den ersten Monaten des Jahres 2014 sei es außerdem zu einem nicht vorhersehbaren und in dieser Form ungewöhnlich häufigen Wechsel von Kunden bereits bestellter Krane gekommen. Deshalb habe sie Krane nach den Kundenspezifikationen umbauen müssen. Ein solcher Kundenwechsel habe in den ersten Monaten des Jahres 2014 etwa dreimal häufiger stattgefunden als üblich. Der Aufbau von Flex-Stunden und die Inanspruchnahme von Mehrarbeit habe sich insgesamt in einem sehr geringen Rahmen gehalten. Im Zeitraum von Dezember 2013 bis einschließlich Juli 2014 sei von den verbliebenden rund 340 Mitarbeitern in den vom Abbau betroffenen Bereichen im Durchschnitt ein Aufbau von Flex-Stunden von 2,32 Stunden sowie von 3,47 Überstunden pro Monat geleistet worden. Ein Durchschnitt von 5,79 Stunden pro Mitarbeiter und Monat, sei nicht erheblich. Auf den Zeitkonten der Mitarbeiter seien Ende Mai 2014 im Durchschnitt rund +12,5 Stunden aufgelaufen.

37

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10.10.2014 und vom 14.01.2015 Bezug genommen.

38

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

39

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 12.06.2014, Az. 6 Ca 808/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

40

Der Kläger beantragt,

41

die Berufung zurückzuweisen.

42

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 16.12.2014, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend. Er führt aus, die Beklagte habe auch zweitinstanzlich keine tragfähige unternehmerische Entscheidung vorgetragen, die geeignet sei, betriebsbedingte Kündigungen zu rechtfertigen. Sie sei ihrer eigentlichen Darlegungslast, nämlich eine Kausalitätskette zwischen der unternehmerischen Entscheidung zur Kapazitätsreduzierung und dem konkreten Wegfall an Beschäftigungsbedarf vorzutragen, nicht nachgekommen. Sie bediene sich stattdessen einem "Kunstgriff", indem sie hinsichtlich der Entwicklung der Produktionszahlen und der benötigten Mitarbeiter verschiedene Zeiträume vergleiche. So sei etwa im Bereich "Assembly Crane WS" nach der Prognose der Beklagten von 2010 bis 2014 die produzierte Stückzahl von 320 auf 186 Geräte zurückgegangen, dem stelle sie die Zahl der Mitarbeiter im Jahr 2013 und die nun angestrebte Zahl in 2014 gegenüber. Die Beklagte verschweige, die unbestrittene Tatsache, dass sie von November 2010 bis Dezember 2013 die Zahl der eigenen Mitarbeiter sowie der eingesetzten Leiharbeitnehmer um 595 reduziert habe. Durch den Vergleich verschiedener Zeiträume werde eine Kausalität für den Wegfall weiterer Arbeitsplätze suggeriert, die tatsächlich nicht bestehe.

43

Zudem stelle die Beklagte ausschließlich die Entwicklung in den vom Stellenabbau betroffenen Bereichen dar. Gerade das Werk DS/B, in dem die Beklagte mit 558 von 848 fast 2/3 ihrer produktiven Mitarbeiter beschäftige, werde praktisch nicht berücksichtigt. Sie beschränke sich auf die knappe Behauptung; dass dort ein Überhang von 10 Mitarbeitern im Bereich der AC-Krane bestehe.

44

Die Darlegung, in welchem Maß künftig Arbeit anfalle und wie das Arbeitsvolumen von den verbleibenden Mitarbeitern ohne überobligatorische Leistungen bewältigt werden könne, müsse betriebsbezogen erfolgen. Vom Stellenabbau der Beklagten sei nur die Herstellung der AC-Modelle betroffen, hier fast ausschließlich das Werk WS. Trotzdem müsse die Frage, welches Arbeitsvolumen von wie vielen Mitarbeitern erledigt werden solle, unter Einbeziehung des Werkes DS sowie der CC-Produktion beantwortet werden. Die Beklagte beschränke ihren Vortrag hingegen auf die vom Abbau betroffenen Bereiche. Zum kompletten Rest des Betriebes, ua. allen Abteilungen der CC-Produktion, den Stahlbau (W./St. DS und WS), die Lackiererei, Lagerhaltung, den Versuchs- und Prototypenbau, trage sie nichts vor.

45

Der Vortrag der Beklagten zum Wegfall von Arbeitsplätzen könne auch deshalb nicht überzeugen, weil sie die Leiharbeitnehmer nicht in ihre Berechnungen einbezogen habe. Die Beklagte habe im Jahr 2010 zusätzlich zum Stammpersonal 281 Leiharbeiter beschäftigt. Diese seien an der Produktion der 402 Geräte im Jahr 2010 genauso wie die Stammbelegschaft beteiligt gewesen. Die Beklagte trage vor, im Jahr 2010 mit 1.129 produktiven Mitarbeitern 402 Geräte hergestellt zu haben, im Jahr 2014 mit 848 produktiven Mitarbeitern voraussichtlich 235 Geräte. Eine Schlussfolgerung lasse sich hieraus nicht ziehen, denn neben den 1.129 eigenen Mitarbeitern seien im Jahr 2010 weitere 281 Leiharbeiter beschäftigt gewesen, im Dezember 2013 hingegen nur noch 31. Die bereits erfolgte Personalreduzierung sei demnach weit größer als von der Beklagten zugestanden, weil sie ihren Vortrag auf die Stammbelegschaft beschränke.

46

Zudem verlange die Beklagte der verbliebenen Belegschaft überobligatorische Leistungen ab. Es sei unstreitig, dass Überstunden geleistet und Zeitguthaben aufgebaut werden. Eine überobligatorische Leistung stelle jede Minute dar, die ein Arbeitnehmer über die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden hinaus arbeite. Dass tarifvertraglich ein Zeitguthaben bis zu 150 Plusstunden zulässig sei, ändere daran nichts. Samstagsarbeit sei in jedem Fall als überobligatorische Leistung zu qualifizieren. Die Ansicht der Beklagten, Überstunden in vertretbarem Umfang seien nicht relevant, sei unrichtig. Bei durchschnittlich 5,79 Stunden je Mitarbeiter und Monat sowie 834 produktiven Mitarbeitern, gestehe die Beklagte die Leistung von monatlich 4.829 Mehrarbeitsstunden zu. Dies entspreche rechnerisch bei 35-Wochen-Stunden immerhin 32 Vollzeitstellen.

47

Die Beklagte habe die Sozialauswahl nicht auf alle Arbeitnehmer ausgedehnt, insb. nicht auf die Bereiche CC-Geräte, Reparaturwerkstatt und Prototypenbau. Die Beklagte habe offensichtlich große Teile des Werks DS/B aus der Sozialauswahl herausgenommen. Da sie fast 2/3 der produktiven Mitarbeiter des Betriebs nicht in die Sozialauswahl einbezogen habe, sei diese grob fehlerhaft. Die Beklagte trage vor, dass 237 Mitarbeiter als Montageschlosser tätig gewesen seien, die sie zu einer Vergleichsgruppe zusammengefasst habe. Tatsächlich beschäftige sie weit mehr Arbeitnehmer. Von den 290 produktiven Mitarbeitern im Werk WS sei der ganz überwiegende Teil in verschiedenen Stadien der Montage, der Kontrolle und der Endabnahme als Schlosser beschäftigt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zugestanden, dass Schlosser des Werks DS/B, die mit der Arbeit an den großen AC-Geräten sowie den CC-Kranen beschäftigt werden, aus der Sozialauswahl ausgenommen worden seien.

48

Im Übrigen rüge er die Altersgruppenbildung der Beklagten. Die Beklagte habe faktisch nur drei Altersgruppen gebildet, weil sie keine "Zehnerschritte" vorgenommen habe. Die von der Beklagten gebildete Altersgruppe 1 umfasse tatsächlich nur 3 Jahrgänge, die Gruppe 2 und 3 jeweils 15 Jahrgänge und die Gruppe 4 letztlich nur 6 Jahrgänge, weil der älteste Montageschlosser 62 Jahre alt sei. Die Altersgruppe 1 (ab 0 Jahre) bestehe nur aus einem im Jahr 1990 geborenen Schlosser. Das Raster sei zu grob. Die Beklagte hätte vier Altersgruppen bilden müssen (25-34, 35-44, 45-55, 56-65), denn sie habe die Hauptlast des Personalabbaus den Montageschlossern zwischen dem 41. und 55. Lebensjahr auferlegt.

49

Schließlich sei auch die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe der Kündigung eine massiv geänderte Sozialauswahl zugrunde gelegt. Sie habe selbst vorgetragen, dass ihre Liste vielfach fehlerhaft gewesen und deshalb abgeändert worden sei. Die geänderte Fassung sei nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen. Der unstreitig nicht gekündigte Leistungsträger K. erscheine auf keiner Liste. Die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht nur alle im Bereich anderer Abteilungen wie der CC-Krane und den Werken DS und B tätigen vergleichbaren Arbeitnehmer nicht mitgeteilt, sie habe auch direkt im Bereich der AC-Geräte als Schlosser tätige Mitarbeiter nicht in die Sozialauswahl aufgenommen. Zum vorgetragenen Geschehensablauf, dass sie die unternehmerische Entscheidung der Kapazitätsanpassung erst nach Abschluss des Interessenausgleichs getroffen habe, sei der Betriebsrat ebenfalls nicht angehört worden.

50

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

51

Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).

B.

52

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 02.12.2013 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.05.2014 aufgelöst worden. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

I.

53

Die Kündigung der Beklagten ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Sie ist iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt.

54

1. Die Kündigung vom 02.12.2013 ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

55

a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein. Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre. In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (vgl. BAG 31.07.2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31 mwN, Juris).

56

b) In Anwendung dieser Grundsätze liegen im Streitfall dringende betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen.

57

aa) Die Beklagte hat - zusammengefasst - vorgetragen, dass sie als Reaktion auf die anhaltend schlechte Auftragslage die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die produzierten Stückzahlen zu reduzieren. Der damit einhergehende Rückgang der benötigten Fertigungsauftragsstunden habe zu einem Überhang an Arbeitskräften und der Notwendigkeit geführt, Stellen abzubauen.

58

Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht darin erschöpft, Personal einzusparen. Die Beklagte hat vielmehr im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, dass sie die Entscheidung getroffen, ihre Produktion zu drosseln und die Zahl der produzierten Geräte auf 235 zu reduzieren. Die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Denn zum Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe zukünftig erledigt werden soll. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (vgl. BAG 09.11.2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 37 mwN, DB 2007, 861).

59

Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung der Beklagten zur Drosselung der Produktion unsachlich, unvernünftig oder gar willkürlich gewesen sein soll, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, in welchem Umfang sich die anfallenden Fertigungsauftragsstunden seit dem Jahr 2010 entwickelt haben und dass von einem Anstieg des Bedarfs in absehbarer Zeit nicht auszugehen sei. Hierfür hat sie auch die wesentlichen Gründe angeführt, die in einem schwierigen Marktumfeld, notwendigen Modellumstellungen und Entscheidungen der Konzernspitze zu Produktionsverlagerung einzelner Modelle an andere Standorte liegen. Sie hat weiter vorgetragen, in welchem Umfang sich die Zahl der produzierten Geräte in den Werken WS und DS/B, insb. in dem vom Abbau besonders betroffenen Werk WS darstellt.

60

Die Beklagte hat - sowohl erstinstanzlich als auch in ihrer Berufungsbegründungsschrift - die Zahlen für den Gesamtbetrieb, dh. für die Werke WS und DS/B, aufgeführt und dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf im Gesamtbetrieb auf Grundlage ihrer Prognose in einem Umfang entfallen sei, der den vorgenommenen Personalabbau rechtfertige. Sie hat bereits erstinstanzlich detailliert dargestellt, welchen Personalbestand sie in der Produktion in WS und DS/B im Jahr 2010 hatte und welchen Personalbestand sie im produktiven Bereich nach ihrer Prognose im Jahr 2014 benötigte. Die von der Beklagten vorgetragene Personalstärke beinhaltete auch die Leiharbeitnehmer. Die vorgetragenen 1.129 produktiven Mitarbeiter -Stand Ende 2010 - setzen sich zusammen aus 973 eigenen und 156 Leiharbeitnehmern. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich umfassend vorgetragen, in welchem Umfang - heruntergebrochen auf den konkreten Arbeitsanfall in jeder Abteilung - sich der benötigte Arbeitsanfall in der Produktion reduziert.

61

Das Arbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten überspannt, denn die unternehmerische Entscheidung der Beklagten ist nicht "praktisch deckungsgleich" mit dem Kündigungsentschluss. Sie bezieht sich nicht auf den Abbau von Stellen bestimmte Mitarbeiter (bspw. durch den Abbau einer Hierarchieebene oder Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes oder die Änderung des Anforderungsprofils für Arbeitsplätze, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind) (vgl. hierzu BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23-25, NZA 2012, 1223).

62

Dass der Arbeitgeber regelmäßig zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muss, wenn die Organisationsentscheidung nahe an den Kündigungsentschluss herangerückt ist, ist weder Selbstzweck, noch dient es dazu, dass die Gerichte in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreifen können. Der Sinn eines solchen Vortrags besteht vielmehr darin, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Vermieden werden soll zum einen eine betriebsbedingte Kündigung, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals, insb. durch rechtswidrige Mehrarbeit bzw. Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer, führt. Verhindert werden soll zum anderen, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand genutzt wird, um einen Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die arbeitsvertraglichen Inhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (Stichwort: Austauschkündigung) (vgl. BAG 09.11.2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 44 mwN, DB 2007, 861).

63

Für eine solche missbräuchliche Ausübung des Kündigungsrechts sind im Streitfall keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten bezieht sich nicht auf bestimmte Mitarbeiter, sondern auf eine Reorganisation des gesamten Betriebs unter Einschränkung der Produktionskapazitäten. Die Beklagte brauchte deshalb nicht im Einzelnen die organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit ihrer Organisationsmaßnahme darzulegen.

64

Die gegen die Organisationsentscheidung der Beklagten vorgebrachten Argumente laufen überwiegend darauf hinaus, eigene Erwägungen des Klägers hinsichtlich der Berechnung des zukünftigen Beschäftigungsbedarfs und der Durchführbarkeit des Konzepts der Beklagten an die Stelle der “unternehmerischen” Überlegungen der Beklagten zu setzen. Damit lässt sich die Sozialwidrigkeit der Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht begründen. Das Gesamtkonzept der Beklagten ist nachvollziehbar. Die Beklagte hat eine konkrete Prognose über den zukünftigen Beschäftigungsbedarf angestellt.

65

bb) Die anfallenden Arbeitsaufgaben für Montageschlosser können vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden.

66

Im Streitfall liegen überobligationsmäßige Leistungen - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht bereits deshalb vor, weil ein Teil der verbliebenen Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigungen über die tarifvertragliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden hinaus - teilweise auch an Samstagen und Sonntagen - arbeiten musste. Es ist unstreitig, dass der einschlägige Tarifvertrag ein Jahresarbeitszeitkonto für die Arbeitnehmer regelt, das im Betrieb der Beklagten eine Bandbreite von 70 Minusstunden bis 150 Plusstunden aufweisen kann. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung dürfen jedoch Arbeitsstunden an Samstagen und Sonntagen nicht dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden; diese Stunden sind vielmehr als Mehrarbeitsstunden auszuzahlen.

67

Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie in der Vergangenheit trotz des gesunkenen Beschäftigungsbedarfs versucht habe, betriebsbedingte Kündigungen, ua. durch die Anordnung von Kurzarbeit und durch das "Ausreizen" der Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter in den vom Abbau betroffenen Bereichen zu vermeiden. Da die Arbeitnehmer in erheblichem Umfang Minusstunden angehäuft hätten, habe sie keine Möglichkeit mehr gehabt, flexibel auf Schwankungen in den benötigten Fertigungsstunden zu reagieren. Sie habe deshalb einen Produktionsplan aufgestellt, der für die ersten Monate des Jahres 2014 den Abbau der Minusstunden der verbliebenen Arbeitnehmer vorgesehen habe, damit sie auf das erwartete zyklische Absinken des Produktionsbedarfs in der zweiten Jahreshälfte unter Nutzung der Arbeitszeitkonten reagieren könne, um nicht erneut Kurzarbeit in Anspruch nehmen zu müssen. Für eine rechtswidrige Überforderung des verbliebenen Personals besteht angesichts dieser unternehmerischen Erwägungen kein Anhaltspunkt. Es gehörte zum Organisationsplan der Beklagten, die Arbeitszeitkonten aus dem Minusbereich herauszuführen, um wieder Flexibilität im Produktionsprozess zu gewinnen. Es steht einem kündigungsrechtlich erheblichen Wegfall des Arbeitsvolumens nicht entgegen, dass die Beklagte konzeptionell die Arbeitszeitkonten der verbliebenen Arbeitnehmer wieder auffüllen will, um zukünftig im Rahmen der tarifvertraglich zulässigen flexiblen Arbeitszeitregelung auf saisonbedingt auftretende Produktions- oder Auftragsschwankungen reagieren zu können (vgl. BAG 09.11.2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 45, DB 2007, 861). Hierin kommt kein dauerhaft erhöhter Personalbedarf zum Ausdruck, sondern lediglich das Bedürfnis zur ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit. Von einer überobligationsmäßigen Belastung wäre nur dann auszugehen, wenn schon die Prognose der Beklagten vorgesehen hätte, die Arbeitszeitkonten in einem Umfang mit Guthabenstunden zu füllen, dass mit einem Freizeitausgleich im zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum nicht gerechnet werden könnte. Hierfür besteht kein Anhaltspunkt.

68

Auch in der Leistung von Mehrarbeit an Samstagen und Sonntagen kommt kein ständig erhöhter Personalbedarf zum Ausdruck. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass sie einen Teil der verbliebenen Montageschlosser an Wochenenden zur Leistung von Mehrarbeit herangezogen hat. Die Mehrarbeit sei erforderlich gewesen, weil sie Auslieferungstermine auf Drängen der Kunden vorverlegt habe bzw. weil erforderliche Teile von Zulieferern zu spät geliefert worden seien. In den ersten Monaten des Jahres 2014 sei es außerdem zu einem nicht vorhersehbaren und in dieser Form ungewöhnlich häufigen Wechsel von Kunden bereits bestellter Krane gekommen.

69

In der Leistung dieser Überstunden, die erforderlich waren, um termingebundene Arbeiten abzuschließen, kommt kein ständiger Personalbedarf zum Ausdruck (vgl. APS/ Kiel 4. Aufl. KSchG § 1 Rn. 567 mwN). Soweit der Kläger aus der von ihm errechneten Summe der geleisteten Überstunden eine Beschäftigungsmöglichkeit für 32 Arbeitnehmer ermittelt, greift dieses Argument zu kurz. Wenn die Produktion bei Lieferverzögerungen nachgeholt werden muss, steht im Produktionsbetrieb der Beklagten nur eine begrenze Zahl an Arbeitsflächen zur Verfügung, um an den Kranen zu arbeiten. Um termingebundene Arbeiten abzuschließen, muss zwangsläufig auf Samstage und/oder Sonntage ausgewichen werden, ohne dass dies auf einen zu geringen Personalbestand zurückzuführen ist.

70

cc) Soweit der Kläger darauf abstellt, dass die Beklagte noch Leiharbeitnehmer einsetze, so dass sie ihn an deren Stelle hätte weiterbeschäftigen können, hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie im Bereich der CC-Produktion noch Leiharbeiter als Schweißer im Bereich Stahlbau beschäftige. Für die Arbeit als Schweißer komme der Kläger mangels Qualifikation nicht in Betracht. Im Interessenausgleich ist geregelt, dass die Beklagte 18 Schulungsplätze zur Verfügung stellt, damit sich Arbeitnehmer, die vom Wegfall ihres Arbeitsplatzes bedroht sind, als Schweißer/Stahlbauschlosser qualifizieren können. Der Kläger hat sich, innerhalb der Bewerbungsfrist bis zum 25.11.2013, nicht beworben. Er kann deshalb nicht verlangen, dass ihn die Beklagte als Schweißer beschäftigt.

71

2. Die aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG erklärte Kündigung vom 02.12.2013 ist nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl gemäß Abs. 3 der Vorschrift sozial ungerechtfertigt.

72

a) Die von der Beklagten vorgenommene Vergleichsgruppenbildung nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist nicht zu beanstanden.

73

aa) Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen, welche in demselben Betrieb beschäftigt sind. Es stellt einen groben Auswahlfehler dar, wenn die Sozialauswahl nur abteilungsbezogen durchgeführt wird, es sei denn, die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer sei auf die Abteilungen beschränkt (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 790/12 – Rn. 44 mwN, DB 2014, 781).

74

Die horizontale Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass die vom Wegfall des Arbeitsplatzes unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer auf einem vorhandenen Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich einsetzbar sind. Es kommt darauf an, ob diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sowie aufgrund ihrer gleichwertigen Tätigkeiten im Betrieb in der Lage sind, eine andersartige, aber gleichwertige Arbeit von anderen Arbeitnehmern nach einer (relativ) kurzen Einarbeitungszeit auszuüben (vgl. 19.12.2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 45 mwN, DB 2014, 781).

75

bb) Nach diesen Grundsätzen musste die Beklagte - anders als der Kläger meint - nicht alle in den Werken WS und DS/B beschäftigten Schlosser, die in verschiedenen Stadien der Montage, der Kontrolle und der Endabnahme von Kranen beschäftigt werden, in die Vergleichsgruppe "Montageschlosser" aufnehmen.

76

Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass sie die Sozialauswahl auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer in den Werken WS und DS/B erstreckt und Vergleichsgruppen gebildet hat. Eine dieser Vergleichsgruppen war die Gruppe "Montageschlosser". Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, dass sie nicht alle Arbeitnehmer aus den Bereichen CC-Geräte, Reparaturwerkstatt und Prototypenbau in der Vergleichsgruppe "Montageschlosser" zusammengefasst hat.

77

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht der Vortrag der Beklagten zur Vergleichsgruppenbildung aus, um zwischen den Montageschlossern, die im Gesamtbetrieb beschäftigt sind, näher zu differenzieren. Bei den CC-Geräten handelt es sich nach der Darstellung der Beklagten um technisch hochkomplexe Krane mit einer Traglast von bis zu 3.200 Tonnen und einer Masthöhe von bis knapp 200 m. Von diesen absoluten "Hightech"-Geräten fertige sie teilweise nur ein bis zwei Stück pro Jahr. Aus Sicht der Berufungskammer ist es sachlich einleuchtend, dass die Produktionsmitarbeiter, die Tätigkeiten im Bereich der CC-Geräte oder im Prototypenbau verrichten, nicht mit den Montageschlossern zu vergleichen sind, die -wie der Kläger - im Rahmen der Serienfertigung anhand von Zeichnungen vorgegebene Arbeitsschritte an den kleineren AC-Geräten ausführen. Hinzu kommt, dass die Monteure im Bereich der CC-Geräte eine Hydraulik-Zusatzausbildung benötigen, über die der Kläger nicht verfügt.

78

Der Hinweis des Klägers, er sei in der Lage, innerhalb einer für die Beklagte zumutbaren Einarbeitungszeit die Tätigkeiten an den CC-Geräten auszuüben, greift die Bildung der auswahlrelevanten Gruppe in nicht hinreichender Form an. Diese pauschale - und von der Beklagten bestrittene - Behauptung ist einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, dem Arbeitnehmer. Demnach war es Sache des Klägers, zu begründen, warum er mit allen Arbeitnehmern im Bereich CC-Geräte, Reparaturwerkstatt und Prototypenbau vergleichbar ist. Die bloße Behauptung, eine Vergleichbarkeit sei gegeben, reicht hierzu nicht aus (vgl. BAG 05.12.2002 - 2 AZR 697/01 - Rn. 31-32 mwN, NZA 2003, 849).

79

b) Die soziale Auswahl der Beklagten ist auch im Hinblick auf die Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden. Zwar kann die Bildung von Altersgruppen dazu führen, dass Arbeitnehmer gekündigt werden, die bei einer allein an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierten Sozialauswahl nicht zur Entlassung angestanden hätten. Diskriminierungsverbote werden dadurch aber nicht verletzt (vgl. ausführlich BAG 15.12.2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 52 ff, NZA 2012, 1044).

80

§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gestattet in Abweichung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, wenn dies zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet ist (vgl. BAG 19.07.2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26 mwN, NZA 2013, 86).

81

Danach begegnet die Altersgruppenbildung der Beklagten keinen Bedenken. Sie war zur Erhaltung der Altersstruktur geeignet, weil sie dazu führt, dass die bestehende Struktur gewahrt bleibt. Die Beklagte hat konkret zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auf die Altersstruktur der Belegschaft und damit verbundenen möglichen Nachteilen für den Betrieb vorgetragen. Der Altersdurchschnitt lag im November 2013 unstreitig bei 44,56 Jahren. Eine Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung hätte zu einem Altersdurchschnitt von 45,11 Jahren geführt. Aufgrund der Altersgruppenbildung betrug der Durchschnitt nach Abschluss der Maßnahme 44,79 Jahre.

82

Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte den Montageschlossern zwischen dem 41. und 55. Lebensjahr nicht die Hauptlast des Personalabbaus auferlegt. Sie hat in dieser Vergleichsgruppe vielmehr dafür gesorgt, dass die bisherige Verteilung der Montageschlosser auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden finden. Dadurch wird die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht. Es ist unstreitig, dass die Beklagte in der Altersgruppe 1 (jünger als 26 Jahre) nur einen Montageschlosser beschäftigt, dem sie nicht gekündigt hat. In der Altersgruppe 2 (26-40 Jahre) beschäftigte sie 85 Montageschlosser, hier baute sie 23 Stellen ab, was einem prozentualen Anteil von 27,05 entspricht. In der Altersgruppe 3 (41-55 Jahre) beschäftigte sie 121 Montageschlosser, hier baute sie 34 Stellen ab, was einem prozentualen Anteil von 28,09 entspricht. In der Altersgruppe 4 (ab 56 Jahre) baute sie von 30 Stellen 8 Stellen ab, was einem prozentualen Anteil von 26,67 entspricht. Die Beklagte hat damit sämtliche Altersgruppen innerhalb der Vergleichsgruppe proportional beteiligt. Die verhältnismäßige Betroffenheit der Gruppen war - in etwa - gleich.

83

Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte nicht verpflichtet, Altersgruppen von 25-34, 35-44, 45-55, 56-65 Jahren zu bilden. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt Gruppenbildungen im Rahmen von „Zehnerschritten“ als unbedenklich angesehen (vgl. BAG 12.03.2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 46, mwN, NZA 2009, 1023). Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder andere Zuschnitt der Altersgruppen das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt. Der Kläger verkennt, dass der Gesetzgeber dem Arbeitgeber das „Ob“ und das „Wie“ der Gruppenbildung überlässt. Er räumt ihm dabei einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein (vgl. BAG 24.10.2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 53 mwN, NZA 2014, 46), der vorliegend nicht überschritten worden ist.

84

c) Die soziale Auswahl erweist sich auch im Hinblick auf die beim Kläger konkret zugrunde gelegten Sozialdaten nicht als fehlerhaft. Einwendungen gegen das von der Beklagten zugrunde gelegte Punkteschema - an sich - hat der Kläger nicht geltend gemacht.

85

Der Kläger erzielte eine Gesamtzahl von 90 Sozialpunkten. Die Beklagte war nicht verpflichtet, ihm 10 Punkte mehr zuzurechnen, weil er nicht nur einem, sondern zwei Kindern, die in den Jahren 1999 und 2001 geboren sind, zum Unterhalt verpflichtet ist. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers war nur ein Kinderfreibetrag eingetragen. Der Beklagten war - unstreitig - nicht bekannt, dass der Kläger mehr als einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist. Der Arbeitgeber kann auf die ihm bekannten Daten vertrauen, wenn er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen (so ausdrücklich BAG 17.01.2008 - 2 AZR 405/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96). So liegt der Fall hier.

86

Die Beklagte musste sich nicht über die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder des Klägers erkundigen, denn grundsätzlich ist der Arbeitnehmer für die Unterrichtung des Arbeitgebers über Veränderungen seiner Personalien verantwortlich. Überreicht er - wie der Kläger - lediglich seine Lohnsteuerkarte, ohne den Arbeitgeber über davon abweichende persönliche Daten aufzuklären, muss er davon ausgehen, dass der Arbeitgeber sich auf die dort dokumentierten Daten verlässt (vgl. BAG 06.07.2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 21, NZA 2007, 266).

87

Der von der Beklagten aufgrund seiner Zusatzqualifikation als Spritzlackierer als Leistungsträger gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommene Arbeitnehmer K. hat 88 Punkte erzielt und damit lediglich zwei Punkte weniger als der Kläger. Die Beklagte hat den Montageschlosser K. zu Recht aus der Sozialauswahl herausgenommen, denn dessen Zusatzqualifikation als Spritzlackierer ist iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG als berechtigter betrieblicher Belang anzusehen. Er ist auch von ausreichendem Gewicht, weil der Punkteunterschied zwischen Herrn K. und dem Kläger nur marginal ist.

II.

88

Die Kündigung vom 02.12.2013 ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat nach dem Inhalt des Anhörungsschreibens vom 27.11.2013 hinreichend über die Kündigungsgründe unterrichtet.

89

Der Betriebsrat war sowohl über die Sozialdaten des Klägers, den Zeitpunkt der Kündigung, die Kündigungsfrist als auch über die für die Beklagte maßgebenden Kündigungsgründe und Auswahlüberlegungen hinreichend informiert. Die Anhörung unterliegt dem Grundsatz der subjektiven Determination. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die aus seiner Sicht für die Kündigung ausschlaggebenden Umstände mitteilen (st. Rspr. BAG 23.02.2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 21 mwN, NZA 2010, 1288).

90

Soweit der Kläger vorbringt, die Beklagte habe der Kündigung eine "massiv" geänderte Sozialauswahl zugrunde gelegt, ohne dem Betriebsrat die geänderte Fassung ihrer Auswahlliste vorzulegen, ist dies für die Beurteilung der Kündigung des Klägers ohne Belang. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sich bei einigen Arbeitnehmern nachträglich Abweichungen bei der Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder und des Familienstandes herausgestellt haben. Für den Kläger habe sich dadurch jedoch keine Änderung ergeben.

91

Soweit der Kläger beanstandet, die Beklagte habe den (nicht gekündigten) Leistungsträger K. weder auf der ursprünglichen noch der geänderten Sozialauswahlliste aufgeführt, übersieht er, dass die Beklagte eine gesonderte Liste angefertigt hat, die die Namen und die Sozialdaten der Arbeitnehmer enthält, die sie aus der Sozialauswahl herausgenommen hat. Die Gründe für deren Herausnahme sind in dieser Liste ebenfalls aufgeführt worden (zB. Auslauf Befristung, Aufhebungsvertrag, Leistungsträger, Betriebsrat/JAV, Versetzung lt. Interessenausgleich Anlage 1 und Anlage 2, Altersteilzeit). Auch diese Liste lag dem Betriebsrat vor.

92

Die Anhörung ist auch nicht inhaltlich ungenügend, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht die Sozialdaten aller Arbeitnehmer mitgeteilt hat, die sie nach Auffassung des Klägers in die Sozialauswahl hätte einbeziehen müssen. Die Beklagte ist subjektiv davon ausgegangen, dass sie eine fehlerfreie Vergleichsgruppenbildung nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgenommen hat. Der Arbeitgeber genügt vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determination seiner Mitteilungspflicht, wenn er die für ihn subjektiv erheblichen Auswahlüberlegungen darlegt. Er kommt seiner Unterrichtungspflicht erst dann nicht mehr nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellung unterbreitet (vgl. BAG 12.08.2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18, 19; NZA 2011, 460). Dies wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

III.

93

Die Kündigung ist nicht nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Die Beklagte hat vor Zugang der Kündigung eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet. Ihrem unstreitigen Vorbringen zufolge hat sie mit Schreiben vom 07.11.2013, das sie nach Abschluss des Freiwilligenprogramms am 29.11.2013 aktualisierte, bei der zuständigen Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts eine Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG erstattet. Sie fügte dieser Anzeige den Interessenausgleich (mit integrierter Stellungnahme des Betriebsrats), den Sozialplan und die Betriebsvereinbarung zum Freiwilligenprogramm bei. Verstöße gegen den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG erforderlichen Inhalt der Unterrichtung hat der Kläger nicht gerügt (vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG: BAG 18.01.2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31; NZA 2012, 817). Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

IV.

94

Die Beklagte hat die maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende gewahrt. Die Kündigung vom 02.12.2013 wirkte zum 31.05.2014.

V.

95

Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers fällt als uneigentlicher Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

C.

96

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat danach die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen, weil er in vollem Umfang unterlegen ist.

97

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 29. Jan. 2015 - 5 Sa 459/14

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
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Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 2011 - 18 Sa 77/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Jan. 2012 - 6 AZR 407/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Dez. 2011 - 2 AZR 42/10

bei uns veröffentlicht am 15.12.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. August 2009 - 11 Sa 320/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Aug. 2010 - 2 AZR 945/08

bei uns veröffentlicht am 12.08.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Mai 2008 - 20 Sa 1594/07 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Feb. 2010 - 2 AZR 656/08

bei uns veröffentlicht am 23.02.2010

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Juni 2008 - 12 Sa 244/08 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2013 - 16 Sa 1652/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung ihres Vertragsverhältnisses. Die Beklagte stützt sie auf betriebliche Erfordernisse und auf Gründe im Verhalten des Klägers.

2

Die im Jahr 2003 gegründete Beklagte betreibt Planung, Konstruktion und EDV-Anwendung im industriellen Anlagenbau. Ihr Sitz ist L. Der Kläger war ursprünglich einer ihrer zwei einzelvertretungsberechtigten, ab dem Jahr 2010 war er ihr alleiniger Geschäftsführer. Gesellschafter der Beklagten im Jahr 2010 waren die Ehefrau des Klägers und die Gemeinschaft der Erben des ursprünglichen Mitgeschäftsführers je zur Hälfte. Die Beklagte beschäftigt zwischen 50 und 60 Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat ist im Betrieb nicht gewählt.

3

Mit notariellem Vertrag vom 27. September 2010 verkauften die damaligen Gesellschafter - vertreten durch den Kläger - ihre Anteile an der Beklagten an die M GmbH (M) mit Sitz in S. Als „Basisbetrag für die Kaufpreisermittlung“ wurde eine Summe festgelegt, die auf einem von beiden Seiten angenommenen bestimmten Gewinn der Beklagten beruhte. Dem wiederum lagen eine Bewertung der Beklagten durch ihren damaligen kaufmännischen Leiter und ein Lagebericht des Klägers zugrunde. Nach Maßgabe einer im Vertrag vereinbarten „earn-out“-Klausel sollte ein Teil des Kaufpreises in seiner Höhe von der tatsächlichen künftigen Entwicklung der Beklagten abhängen.

4

In II. § 9 des Kaufvertrags wurde zur weiteren Tätigkeit des Klägers vereinbart:

        

„1.     

[Der Kläger] wird sein Geschäftsführeramt auf erste Anforderung des Erwerbers niederlegen.

        

2.    

[Der Kläger] sichert dem Erwerber und - im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter - dem Unternehmen zu, dass er mindestens bis zum 31.12.2012 weiterhin als Prokurist (Einzelprokurist) dem Unternehmen zur Verfügung steht, es sei denn …

        

3.    

Der bisherige Geschäftsführerdienstvertrag [des Klägers] mit allen zwischenzeitlich vorgenommenen Anpassungen und Zusatzvereinbarungen wird unter Beibehaltung aller darin festgelegten Konditionen und Arbeitszeitregelungen mit der Maßgabe fortgeführt, dass er sich zukünftig auf die Diensttätigkeit [des Klägers] als Prokurist bezieht. Ausgenommen hiervon ist der Zeitraum der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die nur noch für die Dauer von 9 Monaten gewährt werden wird. …

        

4.    

Des Weiteren wird zwischen dem Erwerber und [dem Kläger] vereinbart, dass dieser auch in seiner Stellung als Prokurist bis zum einvernehmlichen Abschluss der Earn-Out-Regelungen ein unbeschränktes Informations- und Einsichtsrecht in Bezug auf alle Angelegenheiten und Unterlagen des Unternehmens behält. ...“

5

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das operative Geschäft der Beklagten weiterhin leiten sollte.

6

Noch im September 2010 legte der damit betraute Steuerberater einen „geänderten Zwischenabschluss auf den 31. Juli 2010“ über die Beklagte vor. Aus ihm ergab sich ein Fehlbetrag von mehreren hunderttausend Euro. Nach dem Vorbringen der Beklagten beruhte dieser insbesondere darauf, dass hinter einem in Verantwortung des Klägers auf Aktivseite angebrachten Bilanzposten Forderungen standen, die sich größtenteils als nicht werthaltig erwiesen. Verhandlungen zwischen den Parteien des Kaufvertrags führten am 5. November 2010 zu einem Änderungsvertrag.

7

Mit Beschluss vom 18. November 2010 berief die M den Kläger als Geschäftsführer der Beklagten ab. Statt seiner wurden zwei ihrer eigenen Mitarbeiter - einer ihrer Geschäftsführer und ihr kaufmännischer Leiter - zu Geschäftsführern berufen. Der Kläger erhielt im Dezember 2010 Einzelprokura. In den Folgemonaten kam es zu Unstimmigkeiten und mehrfachen Klarstellungen über die internen Befugnisse des Klägers. Dieser wandte sich insbesondere gegen das Erfordernis einer von der Beklagten - wegen des konzernweit geltenden Vier-Augen-Prinzips - verlangten zweiten Unterschrift.

8

Nach dem berichtigten Jahresabschluss für 2010 betrug der Verlust der Beklagten über 2,1 Mio. Euro. Ab April 2011 übernahm die M bei ihr die betriebswirtschaftliche Federführung für den Bereich Finanzen und Controlling.

9

Mit Beschluss vom 9. Januar 2012 entzog die M dem Kläger intern die Prokura. Mit zwei weiteren Beschlüssen vom selben Tag berief sie mit Wirkung zum 11. Januar 2012 ihren eigenen Geschäftsführer als Geschäftsführer der Beklagten ab und bestellte statt seiner - als zweiten Geschäftsführer - einen anderen ihrer Mitarbeiter.

10

Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2012 und widerrief ihm gegenüber die Prokura. Zugleich stellte sie ihn - widerruflich - von seinen Arbeitspflichten frei.

11

Mit der vorliegenden Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Er hat die Ansicht vertreten, dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingten, hätten nicht vorgelegen. Die Beklagte habe eine einschlägige unternehmerische Entscheidung jedenfalls nicht vor Abgabe der Kündigungserklärung getroffen. Soweit sie behauptet habe, der neue Geschäftsführer habe seine - des Klägers - Aufgaben übernommen, sei das unrichtig. Er selbst sei nie „wirklich“ Mitglied der Geschäftsleitung der Beklagten, sondern eine von deren insgesamt sieben hierarchisch gleichberechtigten Führungskräften gewesen. Diese verträten sich trotz jeweils spezieller Aufgaben gegenseitig und seien untereinander austauschbar. Er sei zudem sozial schutzwürdiger als einige von ihnen. Zumindest habe die Beklagte ihm eine der zeitgleich ausgeschriebenen Stellen eines CAD-Konstrukteurs, eines Technikers/Konstrukteurs 2D/3D und eines Ingenieurs Anlagen- und Rohrleitungsplanung anbieten müssen. Andere Kündigungsgründe seien nicht gegeben. Seine Vertragspflichten im Rahmen der Bilanzerstellung und Kaufverhandlungen habe er nicht verletzt.

12

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Januar 2012 nicht aufgelöst worden ist.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, die M als ihre Gesellschafterin habe sich Anfang Januar 2012 dazu entschlossen, wieder einen Geschäftsführer zu bestellen, der vor Ort tätig sei und das operative Geschäft persönlich leite; die seinerzeit berufenen Geschäftsführer seien beide faktisch in S verblieben. Anlass für diese Entscheidung sei zum einen das Verhalten des Klägers gewesen, zu dem das Vertrauen verloren gegangen sei, zum anderen der Umstand, dass sich die „Konstruktion“ aus formell bestellten Geschäftsführern und einem wie ein Geschäftsführer tätigen Prokuristen nicht bewährt habe. Die Leitung des operativen Geschäfts durch einen „echten“ Geschäftsführer verbessere nicht zuletzt ihren Außenauftritt gegenüber den Kunden.

14

Der Kläger habe als Prokurist unverändert herausgehobene Leitungsaufgaben wahrgenommen. Er sei verantwortlich gewesen für die disziplinarische Führung der Vertriebsmitarbeiter, für die Steuerung des Vertriebs, insbesondere die Akquise von Neukunden und die Pflege des Altkundenbestands, für das Angebotswesen und die Überwachung der laufenden Projekte, für die Sichtung von Bewerbungen und das Führen von Vorstellungsgesprächen, für die Einstellung von Personal, die Überprüfung von Gehältern und Gehaltsanpassungen, für Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Kündigung von Mitarbeitern und für die Freigabe von Schulungsmaßnahmen im Rahmen des genehmigten Budgets. Sämtliche Mitarbeiter bis auf ihren kaufmännischen Leiter hätten an ihn berichtet. Der Kläger habe seine Aufgaben allerdings nicht sehr kompetent erfüllt, sondern häufig um Weisungen nachgesucht. Da er im Jahr 2011 einerseits zuviel Personal eingestellt, andererseits rechtswidrige Vorschläge zum Personalabbau unterbreitet habe, habe sie Einstellungen und Entlassungen ab August 2011 von der Zustimmung ihrer Geschäftsführer abhängig gemacht.

15

Die Aufgaben des Klägers hätten vom 10. bis 13. Januar 2012 der abberufene, von da an der neu bestellte Geschäftsführer übernommen. Mit ihren sechs Abteilungsleitern sei der Kläger hierarchisch nicht vergleichbar. Diese seien auch nicht untereinander austauschbar. Die im Internet ausgeschriebenen Stellen seien nicht wirklich zu besetzen gewesen. Die Ausschreibungen hätten der Marktbeobachtung gedient. Zudem verfüge der Kläger nicht über die geforderten Qualifikationen.

16

Im Übrigen sei die Kündigung durch Gründe im Verhalten des Klägers während der Kaufverhandlungen vom September 2010 bedingt.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes erweist sich die ausgesprochene Kündigung als durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Der Arbeitsplatz des Klägers ist durch die Übertragung seiner Aufgaben auf einen der Geschäftsführer der Beklagten entfallen. Auf mögliche Gründe in seinem Verhalten kommt es nicht an.

19

I. Die Klage ist nicht begründet. Die Kündigung vom 10. Januar 2012 ist rechtswirksam. Das gilt auch dann, wenn sie der sozialen Rechtfertigung nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes bedarf.

20

1. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist - nach Ablauf der Wartefrist - die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Der personelle Geltungsbereich des Gesetzes ist folglich auf Arbeitnehmer beschränkt. Ob der Kläger Arbeitnehmer ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

21

a) Der Status des Klägers als Arbeitnehmer steht nicht deshalb fest, weil ersichtlich sowohl beide Parteien als auch die Vorinstanzen vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen sind. Der Senat ist an die übereinstimmende Rechtsauffassung der Parteien nicht gebunden. Die Gerichte können auch zu Gunsten einer Partei von deren Rechtsmeinung abweichen (BAG 11. Dezember 2007 - 1 ABR 73/06 - Rn. 28). Das Landesarbeitsgericht wiederum hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers auswiesen und Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO auslösten. Zwar hat es in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt: „Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz unstreitig Anwendung. Der Kläger ist seit mehr als sechs Monaten als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt …“. Darin liegt jedoch keine den Senat hinsichtlich des Arbeitnehmerstatus bindende Tatsachenfeststellung.

22

aa) Dies ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil konkrete Tatsachen, die einer entsprechenden rechtlichen Beurteilung zugrunde lägen, nicht explizit festgestellt worden sind. Die Parteien können bestimmte Tatsachen durch allgemein gebräuchliche, einfache rechtliche Ausdrücke in den Rechtsstreit einführen, wenn diese den Teilnehmern des Rechtsverkehrs geläufig sind und das Vorliegen entsprechender tatsächlicher Umstände mit ihnen in Verbindung gebracht wird. Die Parteien lösen auch auf diese Weise eine Erklärungspflicht der Gegenseite gemäß § 138 Abs. 2 ZPO aus(BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 13, BAGE 124, 323; BGH 19. März 2004 - V ZR 104/03 - BGHZ 158, 295; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 138 Rn. 2). Im Gebrauch des betreffenden Rechtsbegriffs durch das Landesarbeitsgericht kann dann die komprimierte Feststellung der mit ihm regelmäßig verbundenen Tatsachen iSv. § 559 Abs. 2 ZPO zu erblicken sein.

23

bb) Es muss nicht entschieden werden, ob dies für die Begriffe „Arbeitsverhältnis“ und „Arbeitnehmer“ in Frage kommt. Im Streitfall ist nicht zu erkennen, dass der Kläger den Ausdruck „Arbeitnehmer“ zur Beschreibung seines Rechtsstatus je in diesem tatsächlichen Sinne gebraucht hätte. Sein dienstrechtlicher Status spielte in seinen Schriftsätzen keine spezifische Rolle. Die Beklagte hatte keinen Anlass, der Verwendung des Arbeitnehmerbegriffs durch den Kläger entgegenzutreten. Unter dieser Voraussetzung kommt dem Gebrauch der Rechtsbegriffe in den Urteilsgründen des Landesarbeitsgerichts Bindungswirkung iSv. § 559 Abs. 2 ZPO nicht zu.

24

b) Materiell-rechtlich ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13; 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 13). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist nach § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann(BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe mwN, BAGE 115, 1). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhalten im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des betreffenden Falls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich dabei aus dem wirklichen Geschäftsinhalt, nicht aus der Bezeichnung ihres Vertragsverhältnisses durch die Parteien (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 19).

25

aa) Grundlage der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien waren ursprünglich der „Geschäftsführervertrag“ vom 13. August 2003 und das „Protokoll zur Gesellschafterversammlung“ vom 31. Januar 2006. Nach § 1 Nr. 1 des Vertrags führt der Kläger die Geschäfte der Beklagten mit der erforderlichen Sorgfalt „nach Maßgabe der Gesetze, dieses Vertrages und des Gesellschaftsvertrages“. Nach Nr. 2 der Abrede ist der Kläger als Geschäftsführer „in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei“. In § 6 heißt es: „Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Kann der Geschäftsführer seinen Jahresurlaub nicht nehmen, weil die Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, so ist der Urlaubsanspruch abzugelten. Die Urlaubsabgeltung bemisst sich nach der Höhe des Festgehalts“. Dies sind Regelungen, die den „Geschäftsführervertrag“ vom 13. August 2003 prima facie als Dienstvertrag iSv. § 611 BGB und nicht - was rechtlich möglich wäre(EuGH 11. November 2010 - C-232/09 - [Danosa] Slg. 2010, I-11405; BAG 26. Mai 1999 - 5 AZR 664/98 - zu III 1 der Gründe) - als Arbeitsvertrag ausweisen.

26

bb) In § 9 Nr. 3 des Kaufvertrags vom 10. September 2010 wurde mit Blick auf die Person des Klägers vereinbart, dass „der bisherige Geschäftsführerdienstvertrag … unter Beibehaltung aller darin festgelegten Konditionen und Arbeitszeitregelungen mit der Maßgabe fortgeführt wird, dass er sich zukünftig auf die Diensttätigkeit [des Klägers] als Prokurist bezieht“. Lediglich der Lohnfortzahlungszeitraum sollte von zwölf auf neun Monate verkürzt sein. Nach § 9 Nr. 4 des Vertrags sollte der Kläger auch als Prokurist ein unbeschränktes Recht auf Einsicht in „alle Angelegenheiten und Unterlagen des Unternehmens“ behalten.

27

cc) Danach ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger von der Beklagten auch nach seiner Abberufung als Geschäftsführer nicht als „Arbeitnehmer“, sondern weiterhin auf der Grundlage eines Dienstvertrags als „freier Dienstnehmer“ beschäftigt wurde. An seinem Tätigkeitsbereich, seinen Aufgaben und im äußeren Ablauf seiner Arbeit hat sich aufgrund des Wechsels vom Geschäftsführer zum einzelvertretungsberechtigten Prokuristen offenbar nichts geändert. Die Parteien wollten übereinstimmend - das hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt -, dass der Kläger weiterhin das operative Geschäft der Beklagten leite. Das sollte er ersichtlich sowohl in fachlicher als auch in dienstrechtlicher Hinsicht zu unveränderten Bedingungen tun können, also auch als Prokurist gleichsam „organschaftlich“. Die spätere Vorgabe, für bestimmte rechtsgeschäftliche Erklärungen eine zweite Unterschrift einzuholen, gilt nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten auch für die höchste Leitungsebene. Aus dem bisherigen Parteivortrag erschließt sich nicht, worin dennoch die für den Arbeitnehmerstatus erforderliche persönliche Abhängigkeit des Klägers liegen und wie sie rechtlich begründet worden sein sollte. Seine gehobenen Aufgaben kann man sowohl als Arbeitnehmer als auch als freier Dienstnehmer wahrnehmen. Für die Annahme, die Parteien hätten (konkludent) vereinbart, der Kläger solle unabhängig vom materiell-rechtlichen Status in jedem Fall wie ein Arbeitnehmer behandelt werden, zumindest Kündigungsschutz genießen, fehlt es gleichermaßen an tatsächlichen Grundlagen.

28

2. Der objektiv zutreffende dienstrechtliche Status des Klägers kann für das Ergebnis dahinstehen. Die Klage ist auch dann unbegründet, wenn der Kläger mit seiner Abberufung als Geschäftsführer oder aufgrund späterer Abreden wie ein Arbeitnehmer zu behandeln sein sollte. Die Kündigung der Beklagten vom 10. Januar 2012 hat ein mögliches Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst. Zwar gilt dann das Kündigungsschutzgesetz. Die Kündigung ist jedoch iSv. § 1 Abs. 2 des Gesetzes sozial gerechtfertigt.

29

a) Auf ein Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 3 seiner Vorschriften das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Der Kläger war seit über acht Jahren bei der Beklagten beschäftigt, wenn die Zeit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer mitgerechnet wird; als Prokurist war er es zumindest seit über einem Jahr. Die Beklagte beschäftigte zu Beginn des Jahres 2012 mindestens 50 Arbeitnehmer.

30

b) Die Kündigung vom 10. Januar 2012 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen.

31

aa) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 17, BAGE 133, 240; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 d dd der Gründe). Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO; 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24).

32

bb) Danach war die Kündigung vom 10. Januar 2012 durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt, das einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstand. Bei Zugang der Kündigungserklärung war die Prognose berechtigt, spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am Jahresende 2012 werde ein Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers nicht mehr bestehen; das ist ausreichend.

33

(1) Der Beschäftigungsbedarf muss bei Zugang der Kündigung nicht schon tatsächlich entfallen sein. Für die Wirksamkeit der Kündigung genügt es, dass jedenfalls die Entwicklungen, die für den künftigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit maßgeblich sind, zu diesem Zeitpunkt feststehen, also abschließend geplant sind, und dass die Erwartung berechtigt ist, sie würden sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert haben (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 17, 18, BAGE 133, 240). In diesem Sinne muss der betreffende Kausalverlauf zwar noch nicht beendet, aber bei Kündigungszugang doch bereits in Gang gesetzt worden sein.

34

(2) Hängt der Wegfall des Arbeitsbedarfs von unternehmerisch-organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers ab, die bei Zugang der Kündigung faktisch noch nicht umgesetzt worden sind, müssen folglich zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, diese Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen. Eine Kündigung, die erklärt wurde, ohne dass bei ihrem Zugang bereits festgestanden hätte, aufgrund welcher Maßnahme des Arbeitgebers es zum Arbeitsplatzverlust kommen werde, ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, sondern nur durch den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers bedingt. Der bloße Kündigungswille des Arbeitgebers wiederum ist kein Grund, der eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte. Dazu bedarf es eines Grundes außerhalb der Kündigung selbst, also eines Grundes, der dem Kündigungsentschluss seinerseits zugrunde liegt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss damit die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen soll, tatsächlich bereits getroffen worden sein (vgl. BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 16, 18; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 a und II 4 d dd der Gründe). Der Arbeitgeber muss schon in diesem Zeitpunkt endgültig und vorbehaltlos zur Vornahme einer Maßnahme entschlossen sein, die, wenn sie tatsächlich durchgeführt wird, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist den Arbeitsplatzverlust zur Folge hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 18; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240).

35

(3) Der fragliche Entschluss unterliegt keinem Formzwang. Auch bei einem mehrköpfigen Entscheidungsgremium, das letztlich nur gemeinsam entscheiden kann, bedarf es dazu in der Regel keines förmlichen Beschlusses. Es genügt, dass ein einzelnes Gremiumsmitglied den betreffenden Entschluss vorbehaltlos gefasst hat und - etwa aufgrund von Erfahrungswerten - fest damit zu rechnen war, die übrigen Mitglieder würden sich dem anschließen (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 d dd der Gründe).

36

(4) Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen. Zu diesen Tatsachen gehört der schon bei Kündigungszugang getroffene endgültige Entschluss zur Vornahme einer Maßnahme, die zu einem solchen Wegfall führen werde. Wie substantiiert der Vortrag zu erfolgen hat, hängt von der Einlassung des Arbeitnehmers ab. Zunächst genügt es, wenn der Arbeitgeber - zumindest konkludent - behauptet, er habe seine entsprechende Entscheidung schon vor Zugang der Kündigung getroffen. Wenn der Arbeitnehmer dies mit - in der Regel zunächst ausreichendem - Nichtwissen bestreitet, wird der Arbeitgeber nähere tatsächliche Einzelheiten darlegen müssen, aus denen unmittelbar oder mittelbar geschlossen werden kann, er habe die entsprechende Absicht bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig gehabt. Geht es dabei um den inneren Zustand einer einzelnen Person, wird sich das Gericht die Überzeugung von der Wahrheit der Behauptung - wie stets - nach § 286 ZPO bilden müssen. Wenn sich die innere Tatsache nicht in irgendeiner Weise nach außen manifestiert hat, wird es auf die genaue Darlegung des inneren Willensbildungsprozesses der betreffenden Person, die Schlüssigkeit ihrer Angaben und ggf. ihre Glaubwürdigkeit ankommen.

37

(5) Bei Zugang der Kündigung vom 10. Januar 2012 stand zu erwarten, dass der Bedarf an einer Weiterbeschäftigung des Klägers spätestens bei Ablauf der Kündigungsfrist Ende Dezember 2012 entfallen wäre.

38

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte die Beklagte am 9. Januar 2012 - schriftlich niedergelegt - beschlossen, dem Kläger die Prokura zu entziehen, den Geschäftsführer der M als ihren Geschäftsführer abzuberufen und statt seiner einen anderen Mitarbeiter der M als Geschäftsführer zu ernennen. Noch im Kündigungsschreiben vom 10. Januar 2012 stellte sie den Kläger von seinen Arbeitspflichten - wenn auch nicht dauerhaft unwiderruflich - frei.

39

(b) Damit hatte sich der Wille der Beklagten, dem Kläger die Befugnis zur internen Geschäftsleitung und zur Vertretungsbefugnis nach außen zu entziehen und einen neuen, stärker vor Ort präsenten und den Kläger funktional ersetzenden Geschäftsführer zu berufen, im Kündigungszeitpunkt bereits deutlich manifestiert. Mit der sofortigen Freistellung des Klägers hat die Beklagte zudem einen Teil ihres Konzepts mit Zugang der Kündigung unmittelbar umgesetzt.

40

(c) Das Landesarbeitsgericht hat ein Übriges getan und durch Vernehmung des abberufenen Geschäftsführers Beweis über die Behauptung der Beklagten erhoben, dieser und ihr zweiter Geschäftsführer hätten „Anfang Januar 2012 den Entschluss gefasst“, bei ihr „statt eines Prokuristen als Leitung des operativen Geschäfts wieder einen Geschäftsführer für die operative Leitung vor Ort einzusetzen“. Es hat sodann für wahr erachtet, dass eine solche unternehmerische Entscheidung in den ersten Januartagen 2012 tatsächlich getroffen worden ist. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger mit einer Verfahrensrüge nicht entgegengetreten.

41

(d) Der Beschluss der Beklagten, die Aufgaben des Klägers dem neu berufenen Geschäftsführer zu übertragen, ließ - wenn das Vorhaben tatsächlich umgesetzt würde - den Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers entfallen. Zwar würden nicht die Aufgaben des Klägers als solche wegfallen. Sie sollten mit dem neuen Geschäftsführer aber nicht einem anderen Arbeitnehmer übertragen werden - dies liefe auf eine regelmäßig unwirksame „Austauschkündigung“ hinaus, weil der Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern auf diese Weise nicht geringer würde -, sondern sie sollten in der Person des neuen Geschäftsführers künftig von einem „Nicht-Arbeitnehmer“ wahrgenommen werden. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, auch der neue Geschäftsführer sei dienstrechtlich in Wahrheit als Arbeitnehmer anzusehen - ungeachtet der Frage nach der Erheblichkeit solchen Vorbringens. Damit würde sich folglich der Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern verringern und der Arbeitsplatz des Klägers entfallen.

42

(e) Eine solche Entscheidung des Arbeitgebers ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die dem Arbeitnehmer durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 23, BAGE 145, 265). Dem Arbeitgeber ist es kündigungsschutzrechtlich nicht verwehrt, Tätigkeiten, die bisher von Arbeitnehmern geleistet wurden, künftig (echten) freien Mitarbeitern oder Mitgliedern seiner Vertretungsorgane, die keine Arbeitnehmer sind, zu übertragen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 1037/06 - Rn. 14, 30; 20. März 2003 - 8 AZR 97/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 105, 338). Dies war die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Absicht der Beklagten.

43

(f) Die Absicht und Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtsmissbräuchlich.

44

(aa) Eine unternehmerisch-organisatorische Entscheidung des Arbeitgebers hat die Vermutung für sich, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt. Rechtsmissbrauch ist die Ausnahme. Er ist deshalb - in aller Regel mit Hilfe von Indizien - vom Arbeitnehmer darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 1037/06 - Rn. 29 mwN).

45

(bb) Der Kläger hat in diesem Zusammenhang vorgebracht, in Wahrheit sei es der Beklagten nicht um eine neue Konzeption gegangen, die in ihrer Konsequenz zum Wegfall seines Arbeitsplatzes führe, sondern allein darum, ihn - den Kläger - „abzubauen“, gleich in welcher Funktion. Er sei der Beklagten „im Weg“ gewesen, insbesondere im Hinblick auf einen Schadensersatzprozess, den - unstreitig - ihre Alleingesellschafterin gegen ihn vor dem Landgericht führe.

46

(cc) Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht als erwiesen angenommen, der Beklagten sei es um die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben durch einen auch förmlich als solcher bestellten, vor Ort tätigen Geschäftsführer gegangen. Auf diese Weise habe sie ihrer unerwartet negativen wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2011 entgegenwirken wollen. Das Konzept, einen Prokuristen mit dem operativen Geschäft vor Ort und die meist ortsabwesenden Geschäftsführer mit vornehmlich überwachenden Aufgaben zu betrauen, habe sich aus Sicht der Beklagten nicht bewährt. Dem ist der Kläger mit zulässigen Verfahrensrügen nicht entgegengetreten.

47

(dd) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen rechtsmissbräuchliche Motive der Beklagten nicht erkennen. Deren Entscheidung, die Aufgaben des Klägers ihrem neu bestellten Geschäftsführer zu übertragen, beruhte auf sachadäquaten Erwägungen. Ihre zugleich bestehende, erkennbare Unzufriedenheit mit den Leistungen des Klägers stellt diese Beurteilung nicht in Frage. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch unter diesem Aspekt sei die Aufgabenübertragung nicht rechtsmissbräuchlich, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung der Beklagten wäre selbst dann sachbezogen und objektiv nachvollziehbar, wenn sie ihre Unzufriedenheit mit dem Kläger immerhin zum Anlass genommen hätte, ihr neues Konzept mit seiner Übertragung der Leitungsaufgaben auf die Geschäftsführerebene zu entwickeln und umzusetzen. Im Übrigen entsprach die beabsichtigte Konstruktion derjenigen, die noch gut ein Jahr zuvor mit dem Kläger selbst als Geschäftsführer bestanden hatte.

48

(g) Die Beklagte hat ihren Organisationsentschluss tatsächlich umgesetzt.

49

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat als Ergebnis seiner Beweisaufnahme festgestellt, der neu bestellte Geschäftsführer habe ab dem 11. Januar 2012 - einem Tag nach der Freistellung des Klägers - die Leitung des operativen Geschäfts der Beklagten vor Ort auch faktisch übernommen. Einzig dieser und nicht (zusätzlich) ein sonstiger Mitarbeiter habe von da an sämtliche Funktionen wahrgenommen, die bislang dem Kläger übertragen gewesen seien. Der Kläger sei dem entsprechenden, ins Einzelne gehenden Vorbringen der Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Die dagegen gerichtete Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Der Kläger hält dem Landesarbeitsgericht vor, es habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es seinen Vortrag übergangen habe, ihm seien sämtliche kaufmännischen Befugnisse, die Informationswege und das Controlling längst entzogen gewesen. Demgegenüber ist das Landesarbeitsgericht unter B. III. 1. a) cc) seiner Entscheidungsgründe gerade davon ausgegangen, der Kläger habe die kaufmännische Leitung der Beklagten nicht mehr inne gehabt. Es hat lediglich angenommen, er habe weiterhin die operative Verantwortung für deren Geschäfte getragen und wahrgenommen.

51

cc) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG weiterbeschäftigt werden. Das hätte vorausgesetzt, dass ein Arbeitsplatz zu gleichwertigen oder schlechteren Bedingungen tatsächlich frei gewesen wäre und er über die für die entsprechende Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügte (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 17 mwN). Das war nicht der Fall.

52

(1) Der Kläger hat sich in diesem Zusammenhang auf die von der Beklagten zu Ende des Jahres 2011 ausgeschriebenen Stellen berufen.

53

(2) Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass der Kläger - ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt besetzt werden sollten - für keine der drei Stellen die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besaß. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die verlangte Technikerausbildung bzw. das vorausgesetzte Studium des Maschinenbaus, der Verfahrens- oder der Versorgungstechnik. Mit Recht ist das Landesarbeitsgericht dabei - unausgesprochen - davon ausgegangen, dass es Sache des Arbeitgebers ist, das Profil neu zu besetzender Stellen und die mit ihm verbundenen Anforderungen an Ausbildung und Fähigkeiten der künftigen Stelleninhaber festzulegen.

54

(3) Die in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände des Klägers sind unbeachtlich. Dieser tritt den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO, sondern mit Ausführungen zum richtigen Verständnis des in den Ausschreibungen verwendeten Begriffs „bevorzugte Fähigkeiten“ und mit dem Vorwurf entgegen, die Beklagte habe nicht dargelegt, warum er in die Aufgaben nicht habe eingearbeitet oder entsprechend habe fortgebildet werden können. Zu beiden Punkten hatte er bis dahin Vortrag nicht gehalten. Mit beidem kann er in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden.

55

c) Die aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG erklärte Kündigung vom 10. Januar 2012 ist nicht wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl gemäß Abs. 3 der Vorschrift sozial ungerechtfertigt. Der Kläger, den nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG insoweit die Darlegungslast trifft, hat Fehler bei der Sozialauswahl nicht schlüssig aufgezeigt.

56

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei mit einem ihrer sechs Abteilungsleiter - den Mitgliedern des von ihm so bezeichneten „Führungskreises“ - wegen seiner hierarchisch deutlich höheren Stellung nicht vergleichbar.

57

bb) Dieses Vorbringen ist nach dem Inhalt des für die Befugnisse des Klägers weiterhin maßgebenden Geschäftsführervertrags, angesichts des Umstands, dass beide Parteien davon ausgingen, der Kläger solle das operative Geschäft der Beklagten weiterhin leiten, und des unwidersprochenen Vorbringens der Beklagten, sämtliche Mitarbeiter mit Ausnahme ihres kaufmännischen Leiters hätten an den Kläger berichtet, ohne Weiteres schlüssig und plausibel. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es sei unter diesen Umständen Sache des Klägers gewesen darzulegen, weshalb er sich in hierarchischer Hinsicht in Wirklichkeit vom Kreis der übrigen Führungskräfte nicht unterschieden habe. Das Vorbringen des Klägers lässt stattdessen jede konkrete Beschreibung der Aufgaben und Tätigkeiten vermissen, die er selbst und die die von ihm als vergleichbar angesehenen Mitarbeitern tatsächlich wahrgenommen haben.

58

d) Ob auch Gründe im Verhalten des Klägers die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen, kann dahinstehen.

59

II. Die Kündigung vom 10. Januar 2012 ist nicht aus Gründen außerhalb des KSchG unwirksam.

60

1. Unwirksamkeitsgründe aus § 242 BGB, die nicht schon von § 1 KSchG erfasst wären, oder solche aus §§ 134, 138 BGB sind nicht ersichtlich.

61

2. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 612a BGB gegeben. Die Kündigung ist keine Reaktion der Beklagten darauf, dass der Kläger ihr gegenüber seine Rechte ausgeübt hätte. Einen solchen Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht zu Recht verneint. Es fehlt bereits an schlüssigem Vorbringen des Klägers.

62

III. Nach § 97 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Alex    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte zur Zahlung von 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24. März 2010 - 1 Ca 2392/09 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/6, die Beklagte zu 5/6 und die Kosten der Revision haben der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns. Sie hat in Deutschland drei Produktionsstätten. In ihrem Werk O beschäftigte sie regelmäßig etwa 85 Arbeitnehmer.

3

Der im August 1954 geborene Kläger ist promovierter Chemiker und seit April 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Dezember 2006 ist er als „Betriebsleiter GUR“ Leiter der Kunststoffgranulat-Produktion in O. Anfang Februar 2007 wurde ihm zusätzlich die Leitung des gesamten Standorts übertragen. Laut § 1 des im Juni/Juli 2004 geschlossenen Anstellungsvertrags sieht ihn die Beklagte als leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG an. Seine Vergütung richtete sich nach einem unternehmensweit angewandten „Vertragsstufensystem für leitende Angestellte“. Danach bezog er ein Bruttomonatsgehalt von etwa 9.860,00 Euro, das sich aus einem Fixum und Bonuszahlungen zusammensetzte.

4

Im August 2009 stellte die Beklagte den Kläger unter Berufung auf anstehende seinen Arbeitsplatz betreffende Veränderungen von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. April 2010, „vorsorglich ... zum zulässigen Termin“. Der „vorsorglich“ zur Kündigung angehörte Betriebsrat des Werks O hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung liege nicht vor. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich gebliebenen Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere in O beschäftigte Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen. Auch habe die Möglichkeit bestanden, ihn auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz des „Forschungsleiters“ weiter zu beschäftigen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

        

4.    

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein „endgültiges“ wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, im September 2009 sei auf Konzernebene die - anschließend durch ihren Geschäftsführer umgesetzte - unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. In diesem Zusammenhang sei die globale Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement in O angesiedelt worden. An diese Funktion habe sie die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“; die Stelle habe sie mit Frau K besetzt, die zuvor Geschäftsführerin eines anderen Konzernunternehmens gewesen sei. Die andere Hälfte der Tätigkeiten habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger sei fachlich nicht in der Lage, die neu zugeschnittene Leitungsstelle auszufüllen. Er verfüge, anders als Frau K, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe, nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements. Außerdem sei die Stelle mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden, der sich in veränderten Berichtspflichten unmittelbar gegenüber dem Management der Beklagten und der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einem höheren „Gehaltslevel“ ausdrücke. Zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer solchen „Beförderungsstelle“ sei sie nicht verpflichtet.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich beantragt, an ihn 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten aus jeweils 8.427,00 Euro brutto seit dem 1. November 2010 und seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, das damit geforderte Gehalt für die Monate Oktober und November 2010 stehe ihm unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Beklagte hat gerügt, die Klageerweiterung sei unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zur Gehaltszahlung in beantragter Höhe verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - ausgenommen den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für die Monate Oktober und November 2010 angreift (I.). Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Kündigung vom 24. September 2009 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (II.). Die (Hilfs-)Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Endzeugnisses sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).

10

I. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gehaltszahlung, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Die Revision ist insoweit aus prozessualen Gründen erfolgreich. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verspätete und deshalb unzulässige Anschlussberufung. Das hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 7, MDR 2008, 159).

11

1. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung. Als solche ist sein Zahlungsbegehren deshalb zu behandeln; einer ausdrücklichen Bezeichnung als Anschlussberufung bedarf es dazu nicht (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 20, EzA BetrAVG § 16 Nr. 59; 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 42, BAGE 118, 211). Es genügt, dass schriftsätzlich klar und deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht wird, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils auch als Rechtsmittelbeklagter zu erreichen. Dazu reicht es, dass der Rechtsmittelbeklagte die Klage - wie im Streitfall mit Schriftsatz vom 19. November 2010 geschehen - erweitert. Einer Beschwer bedarf es für die Anschlussberufung grundsätzlich nicht (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11, AE 2009, 331).

12

2. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist(vgl. GK-ArbGG/Vossen Stand April 2012 § 64 Rn. 105; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106) - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen(BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

13

3. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.

14

a) Der betreffende Schriftsatz ist am 22. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am 26. Juli 2010 bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung weit mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden. Ein Fall des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegt nicht vor.

15

b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt. Dies konnte der Senat selbst im Wege des Freibeweises klären (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 17, NZA 2012, 691).

16

aa) Die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis setzt voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt (BA G 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

17

bb) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom 26. Juli 2010 den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Dies bezieht sich auf ein zugleich übermitteltes, vom Kläger in Kopie zur Senatsakte gereichtes gerichtliches Begleitschreiben vom 16. Juli 2010, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

        

„Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetzmuss die Berufung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung anliegender Berufungsbegründung b e a n t w o r t e t werden.

                 
        

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsbeantwortung nicht rechtzeitig vorgebracht, so lässt sie das Gericht nur zu, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Verspätung genügend entschuldigt wird.“

18

cc) Dieser Hinweis war mit Blick auf die Anschlussberufung ausreichend. Insoweit geht es vor allem um die Klarstellung, zu welchem Zeitpunkt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Gang gesetzt worden ist. Über die Möglichkeit der Anschließung als solche braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Ob das gerichtliche Schreiben eine hinreichende Belehrung über die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG und mögliche Folgen aus einer Versäumung der Beantwortungsfrist enthält, kann offenbleiben. Auf die Präklusionsregelung kommt es für die Frage, ob die Anschlussberufung frist- und formgerecht erhoben worden ist, nicht an. Überdies handelt es sich bei der Klageerweiterung als solche nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSv. § 67 ArbGG, sondern um den Angriff selbst(BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 12, BAGE 117, 370).

19

dd) Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob das gerichtliche Schreiben vom 16. Juli 2010 oder auch nur die Verfügung, mit der die Zustellung der Berufungsbegründung „mit Belehrung über die Frist gem. § 66 I 3 ArbGG“ veranlasst worden ist, vom Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet war. Das ist unschädlich. Der Hinweis hat von Gesetzes wegen „mit der Zustellung der Berufungsbegründung“ zu erfolgen (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Ein Tätigwerden des Gerichts bzw. seines Vorsitzenden in jedem Einzelfall ist damit nicht verlangt. Es reicht, dass der Hinweis auf allgemeine Anordnung hin durch die Geschäftsstelle erfolgt. Dieser obliegt ohnehin die Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem besteht hinsichtlich der Erteilung des Hinweises kein Ermessensspielraum; die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ist zwingend. Die Anschlussberufung war damit als unzulässig zu verwerfen.

20

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

21

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).

22

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92, 61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).

23

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

24

3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

25

a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

26

b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).

27

4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.

28

5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

29

a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen“, die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie“ Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.

30

b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.

31

c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.

32

d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.

33

aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70). Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch“ unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich konkreter vorzutragen.

34

bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“, auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“ folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer Stunde täglich verlangen konnte.

35

e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst. Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit“ hätte unterbleiben können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt“.

36

III. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag ist dem Senat nicht angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig entschieden. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

37

IV. Die Kosten der Berufungsinstanz und der Revision waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 23. Mai 2012 - 4 Sa 658/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie um Ansprüche des Klägers auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2. und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Monat August 2011.

2

Der 1960 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 2. Juni 1998 bei der Firma K GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) bzw. deren Rechtsvorgängerin als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Januar 2011 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2011 wurde er Insolvenzverwalter. Noch am 1. April 2011 schlossen der Beklagte zu 1. und der im Betrieb der Schuldnerin gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich. In § 2 Nr. 1 dieses Interessenausgleichs wird unter Bezugnahme auf eine Anlage 2 die bisherige Organisationsstruktur der Schuldnerin wiedergegeben. Demnach war die Schuldnerin in die Bereiche Verwaltung, Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup 1 und Channelgroup 2 gegliedert. Die Bereiche Channelgroup 1 und Channelgroup 2 umfassten die Produktion von Kugeln unterschiedlicher Größe. Der Kläger war der Channelgroup 2 zugeordnet.

3

Der Interessenausgleich lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 2   

        
        

Gegenstand der Betriebsänderung

        
        

…       

        
        

2.    

Personalstruktur/Altersstruktur

        
                 

Die Parteien stimmen überein, dass die Schaffung einer ausgewogenen und leistungsfähigen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt und für eine dauerhafte Erhaltung des Unternehmens erforderlich ist. Durch die Bildung von Altersgruppen wird die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur angestrebt, die einer Überalterung der Belegschaft entgegenwirkt und eine übermäßige Belastung jüngerer Arbeitnehmer/innen verhindert. In diesem Sinn werden zum Zweck der Restrukturierung folgende Altersgruppen gebildet

        
                 

Altersgruppe 1

0 - 44 Jahre

        
                 

Altersgruppe 2

45 - 49 Jahre

        
                 

Altersgruppe 3

50 - 54 Jahre

        
                 

Altersgruppe 4

55 - 59 Jahre

        
                 

Altersgruppe 5

ab 60 Jahre.

        
                 

Durch die Bildung von Qualifikationsgruppen wird die Schaffung einer leistungsfähigen Personalstruktur angestrebt, die die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Produktion im Dreischichtbetrieb ermöglicht durch den Einsatz von Mitarbeitern mit höherer Qualifikation und universeller Einsetzbarkeit.

        
        

3.    

Beschreibung der Betriebsänderung

        
                 

Die einzelnen Betriebsteile/Bereiche mit der Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer sowohl vor, als auch nach Durchführung der Betriebsänderung sind nachfolgender Übersicht zu entnehmen

        
                 

Betriebsteile/Bereich

Ist-Stand vor Betriebsänderung

Soll-Stand nach Betriebsänderung

                                            
                 

Verwaltung

9       

9       

                 

Instandhaltung

11    

7       

                 

Qualität

4       

4       

                 

Logistik

4       

4       

                 

Aircraft

11    

9       

                 

Härten

9       

9       

                 

Channelgroup 1

24    

19    

                 

Channelgroup 2

37    

26    

                                            
                 

Summe 

109     

87    

                                   
                 

Infolge dieser unternehmerischen Entscheidungen entfällt der Beschäftigungsbedarf für 22 Arbeitnehmer in vollem Umfang.

        
        

4.    

Struktur nach Betriebsänderung

        
                 

a)    

Die nach Umsetzung der Betriebsänderung bestehende Soll-Struktur mit den in den Bereichen tätigen Arbeitnehmern ist der

        
                          

Anlage 3

        
                          

zu diesem Interessenausgleich zu entnehmen. Der Personalbestand nach Reorganisation des Betriebes beläuft sich auf 87 Arbeitnehmer. Das Beschäftigungsbedürfnis für die darüber hinausgehenden 22 Arbeitnehmer entfällt mit Umsetzung der Reorganisation.

        
                 

b)    

Die aufgrund der oben dargestellten Situation von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer sind in

        
                          

Anlage 4

        
                          

zu diesem Interessenausgleich, die diesem als fester Bestandteil beigefügt ist, unter namentlicher Benennung aufgeführt. Diese Anlage ist von den Betriebsparteien gesondert unterzeichnet. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass es sich bei der Anlage 4 um eine Namensliste i. S. von § 125 InsO handelt. Die Namensliste ist im Rahmen einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieses Interessenausgleiches.

        
                          
        

§ 3     

        
        

Sozialauswahl

        
        

Zur Besetzung der sich aus der neuen Struktur des Betriebs ergebenden verbliebenen Arbeitsplätze und zur personellen Konkretisierung der von Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer wurde eine Sozialauswahl durchgeführt.

        
        

Hierfür wurden die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Bereichen sowie der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich festgelegt.

        
        

Von den Betriebsparteien wurden ferner die Arbeitnehmer definiert, die aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen und zur Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur als betriebsnotwendiges Personal zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit als auch der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs aus berechtigtem betrieblichen Interesse zwingend weiterbeschäftigt werden müssen. Diese Arbeitnehmer wurden ebenfalls aus der Sozialauswahl herausgenommen.

        
        

…“    

        
4

Der Interessenausgleich und die mit ihm verbundene Anlage 4 wurden von dem Beklagten zu 1. und Vertretern des Betriebsrats unterzeichnet. Die Anlage 4 umfasst 22 Namen. Unter ihnen befindet sich auch der Name des Klägers.

5

Mit Schreiben vom 1. April 2011 unterrichtete der Beklagte zu 1. den Betriebsrat über die beabsichtigten Kündigungen einschließlich der Kündigung des Klägers. Darin wird mitgeteilt, dass für die Sozialauswahl die Arbeitnehmer den Bereichen Verwaltung, Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup 1 und 2 zugeordnet wurden. Von insgesamt 61 Produktionsmitarbeitern in den zusammengefassten Channelgroups 1 und 2 seien 16 Maschinenbediener vom Personalabbau betroffen. Die Schichtführer und Einsteller würden zur Aufrechterhaltung der Produktion benötigt. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Betriebsrat hierzu keine Stellungnahme abzugeben. Er sehe das Anhörungsverfahren als abgeschlossen an. Ebenfalls unter dem 1. April 2011 zeigte der Beklagte zu 1. gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die beabsichtigten Entlassungen an. Schließlich erklärte der Beklagte zu 1. mit Schreiben vom 1. April 2011 gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2011. Die Kündigung wurde dem Kläger noch am selben Tag übergeben.

6

Am 5. April 2011 ging der Betrieb der Schuldnerin auf die Beklagte zu 2. über.

7

Mit seiner am 15. April 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat bestritten, dass die Massenentlassungsanzeige entsprechend § 17 Abs. 1 KSchG vor Zugang der Kündigungserklärung erfolgt ist. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Kündigung sei gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, da sie anlässlich des Betriebsübergangs erfolgt sei. Ein Erwerberkonzept, welches die Kündigung rechtfertigen könnte, habe nicht vorgelegen. Die Erwerberin habe vielmehr unmittelbar nach dem Betriebsübergang gegenüber den lokalen Medien erklärt, dass sie eine Aufstockung des Personals beabsichtige. Bei der Beklagten zu 2. bestehe auch tatsächlich Beschäftigungsbedarf.

8

Zudem sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft erfolgt. Die Einteilung der Produktionsmitarbeiter nach ihrer Tätigkeit in den verschiedenen betrieblichen Bereichen (zB Channelgroup 1 und 2; Härten; Instandhaltung) sei willkürlich. Die Produktionsmitarbeiter seien bereichsübergreifend nach wenigen Tagen Anlernzeit „universell einsetzbar“ und deshalb miteinander vergleichbar. In den Bereichen Channelgroup und Härten seien ungelernte Tätigkeiten verrichtet und die Mitarbeiter stets ausgetauscht worden. Auch die Unterscheidung nach der Qualifikation der Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen sei willkürlich vorgenommen worden. So seien im Bereich Channelgroup die Mitarbeiter R, W und H als angebliche Schichtführer aus der Sozialauswahl herausgenommen worden. Tatsächlich seien sie Maschinenbediener. Auch die Herausnahme des Mitarbeiters D sei nicht gerechtfertigt. Dieser weise keine besondere Qualifikation auf. Er (der Kläger) könne ebenso wie dieser Kollege als Springer tätig werden. Aufgrund seiner Qualifikation als Industriemechaniker und Informationselektroniker sei er in jedem Produktionsbereich und auch als Einsteller einsetzbar. Sein Arbeitsvertrag enthalte eine Versetzungsklausel. Die beabsichtigte Schaffung einer neuen Altersstruktur sei mit unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Es handle sich um eine unzulässige Altersdiskriminierung. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verstoße gegen Unionsrecht und sei daher nicht anzuwenden. Die große Bandbreite der Altersgruppe 1 führe hier zudem zu einer überdimensionalen Benachteiligung der älteren Mitarbeiter. Die vorgenommene Bildung der Altersgruppen sei weder hinsichtlich ihrer Veranlassung noch ihrer Ausgestaltung nachvollziehbar. Wäre die Sozialauswahl ordnungsgemäß betriebsbezogen und ohne Altersgruppenbildung erfolgt, so seien zumindest 30 benannte Arbeitnehmer im Produktionsbereich sozial weniger schutzwürdig als er und daher vorrangig zu kündigen. Selbst bei Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit seien zwölf benannte Kollegen weniger schutzwürdig.

9

Das Arbeitsverhältnis sei somit ungekündigt auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Diese sei verpflichtet, ihn weiterzubeschäftigen. Beide Beklagten seien zudem zur Zahlung des Annahmeverzugslohns für den Monat August 2011 verpflichtet.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

        

1.    

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1. vom 1. April 2011, dem Kläger ausgehändigt am 1. April 2011, zum 31. Juli 2011 nicht aufgelöst wurde.

        

2.    

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiterzubeschäftigen.

        

3.    

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat August 2011 2.788,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 1. September 2011 abzüglich ggf. auf Dritte übergegangener Ansprüche zu zahlen.

11

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die dem Kläger erst nach Anzeige der Massenentlassung übergebene Kündigung sei wirksam.

12

Ihr liege ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO zugrunde. Der Kläger habe die daraus folgende Vermutung dringender betrieblicher Erfordernisse für die Kündigung nicht widerlegt. Unter Beibehaltung der bisherigen Kostenstruktur sei eine Fortführung des Betriebs nicht möglich gewesen. Die Kündigungen seien Teil eines Erwerberkonzepts. Dementsprechend werde der Betrieb nach der Übernahme auch weitergeführt. Die vom Kläger angeführten Pressemitteilungen seien als unternehmerische Visionen unverbindlich zukunftsgerichtet.

13

Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Durch sie sei auf der Grundlage eines Sanierungskonzepts eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen worden, welche den Verkauf und den Betriebsübergang erst möglich gemacht habe. Schichtführer und Einsteller seien zur Aufrechterhaltung der Produktion benötigt und daher nicht gekündigt worden. Es sei zwingend notwendig gewesen, Mitarbeiter mit höherer Qualifikation und universeller Einsetzbarkeit zu halten. So sei im Bereich Channelgroup in der Altersgruppe 3 der Arbeitnehmer D als universell einsetzbarer Springer nicht in die Auswahl einzubeziehen gewesen. Die Mitarbeiter R, W und H seien höher qualifiziert als der Kläger.

14

Es liege auch keine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Die Altersgruppe 1 sei gebildet worden, da Mitarbeiter bis 25 Jahre gänzlich gefehlt hätten und Arbeitnehmer bis 44 Jahre stark unterrepräsentiert gewesen seien. Der Betrieb der Schuldnerin sei mit einem vergleichbaren Musterbetrieb der Branche abgeglichen worden. Dabei habe sich gezeigt, dass der Betrieb mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren stark überaltert gewesen sei. Da die Verjüngung des Betriebs beabsichtigt gewesen sei, hätten Beschäftigte in der Altersgruppe 1 nicht gekündigt werden sollen. Es sei daher nur konsequent, dass Kündigungen auch im Bereich der beiden Channelgroups in dieser Altersgruppe unterblieben seien, obwohl dort 42,62 % der Beschäftigten der Altersgruppe 1 zuzuordnen gewesen seien.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Sie rügt zu Recht eine Verletzung des § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann nicht angenommen werden, dass die soziale Auswahl im Hinblick auf das Ergebnis der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist. Die Beklagten haben nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen die vorgenommene Altersgruppenbildung erforderlich und die Beschränkung der Sozialauswahl auf die bisherigen Einsatzbereiche veranlasst war. Mangels hinreichender Feststellungen kann der Senat nicht selbst beurteilen, ob die streitgegenständliche Kündigung iSv. § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Die weiteren Klageanträge hängen davon ab. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

17

A. Die Kündigung vom 1. April 2011 ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt ist.

18

I. Es liegt ein formwirksamer Interessenausgleich mit Namensliste vor, der bei unveränderter Sachlage ( § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO ) die Rechtsfolgen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO auslöst. Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist gegeben. Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind(st. Rspr., vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17, BAGE 142, 339). Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Von 109 Arbeitnehmern sollte 22 gekündigt werden. Dies sind mehr als 10 % der Belegschaft. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.

19

II. Aufgrund der namentlichen Benennung des Klägers in der Namensliste des Interessenausgleichs (Anlage 4) wird nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung vom 1. April 2011 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Diese Vermutung wäre widerlegt, wenn der Kläger substantiiert dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen hätte, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169).Das Landesarbeitsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt ist. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

20

B.  Ob die Kündigung wegen grober Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist, kann noch nicht entschieden werden.

21

I. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 KSchG nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.

22

1. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eröffnet dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat weiter gehende Möglichkeiten bei der Sozialauswahl als § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Insbesondere muss die Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden und kann mit einem Interessenausgleich nach § 125 InsO angestrebt werden, eine ausgewogene Personalstruktur nicht nur zu erhalten, sondern erst zu schaffen(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 35, BAGE 142, 202). Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und ihre relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich lediglich auf grobe Fehler überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (st. Rspr., vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 26; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f., BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21 ; s. auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Sinn und Zweck des § 125 InsO gebieten eine weite Ausdehnung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs der groben Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl. Diese Bestimmung soll eine erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen fördern (BT-Drucks. 12/2443 S. 77) und Kündigungserleichterungen schaffen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 45, BAGE 142, 225). Die getroffene Auswahl muss sich mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das Auswahlverfahren zu beanstanden ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen (vgl. zB BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 34, BAGE 142, 339; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19 ).

23

2. Die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO kodifiziert einen Sonderfall der berechtigten betrieblichen Bedürfnisse iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG(BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (2) der Gründe). § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröffnet die Möglichkeit zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur die Auswahl innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen. Dies verstößt nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung (Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) und seine Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25, BAGE 142, 339; 15. Dezember 2011 -  2 AZR 42/10  - Rn. 46 ff., BAGE 140, 169). Gleiches gilt für eine Altersgruppenbildung in einem nach § 125 Abs. 1 InsO geschlossenen Interessenausgleich, die der Erhaltung der vorhandenen Altersstruktur dient(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30, BAGE 142, 225).

24

3. Die durch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO eröffnete Möglichkeit der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen verletzt das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung ebenfalls nicht. Sie ist durch das legitime Ziel der Sanierung eines insolventen Unternehmens gerechtfertigt. Das nationale Gericht hat aber die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung im Einzelfall zu prüfen.

25

a) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; unter legitimen Zielen sind dabei insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen. Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene haben sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum ( EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 50; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 60; 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 -  C-45/09  - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] aaO; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

26

b) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09  - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; 18. Juni 2009 -  C-88/08  - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 -  C-45/09  - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11  - Rn. 15 ). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt ( EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 , C-160/10  - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919 ; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] aaO).

27

c) Demnach liegt in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik vor, wenn die Sozialauswahl nach Altersgruppen dazu dienen soll, den Betrieb aus der Insolvenz heraus zu sanieren und ggf. verkaufsfähig zu machen. Damit wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Schuldners, also eines einzelnen insolventen Unternehmens, verbessert. § 125 InsO soll als Teil der Reform des Insolvenzrechts marktwirtschaftlich sinnvolle Sanierungen ermöglichen(BT-Drucks. 12/2443 S. 77; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 1). Das Ziel des Erhalts des Unternehmens kommt auch in § 1 Satz 1 InsO zum Ausdruck. Soweit durch eine Sanierung aus der Insolvenz heraus - und sei es auch nur vorübergehend - Arbeitsplätze erhalten werden, dient dies nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern auch dem der Gesamtbelegschaft und der Allgemeinheit. Die Leistungsfähigkeit von Betrieben und Unternehmen in ihrer Gesamtheit gehört zu den Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 31, BAGE 142, 225; ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 15b; MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 97; Uffmann SAE 2013, 1). Eine Altersgruppenbildung, die in einem auf § 125 InsO gestützten Interessenausgleich mit Namensliste den Bestand privatwirtschaftlicher Unternehmen zum Wohl aller am Wirtschaftsleben Teilhabenden sichern will, dient damit einem im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziel(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 62, BAGE 140, 169). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Erhalt einer bereits ausgewogenen Personal- und Altersstruktur zur Fortführung bzw. zum Verkauf des Unternehmens ausreicht oder ob eine solche Perspektive nur durch die Schaffung ausgewogener Strukturen im Rahmen einer Sanierung möglich wird. Gerade bei insolventen Unternehmen sind typischerweise tiefgreifende Reformen nötig. Die Altersgruppenbildung kann bei entsprechendem Reformbedarf ein angemessenes und erforderliches Mittel sein, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, die eine (zumindest teilweise) Fortführung des Unternehmens oder Betriebs ermöglicht.

28

d) Eines Vorabentscheidungsersuchens des Senats nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Welches Ziel eine nationale Regelung verfolgt, haben die Gerichte der Mitgliedstaaten zu prüfen (EuGH 21. Juli 2011 C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 71, Slg. 2011, I-6919). Ebenso obliegt es der Beurteilung durch die nationalen Gerichte, ob eine nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel im Sinne dieser Auslegung des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG durch den Gerichtshof der Europäischen Union dient. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetzgeber angesichts des bestehenden Ermessensspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind ( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 f., Slg. 2009, I-1569; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 67 f.).

29

Die konkrete Subsumtion, ob eine Altersgruppenbildung als Grundlage für einen nach § 125 InsO geschlossenen Interessenausgleich den vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten abstrakten Anforderungen an eine Rechtfertigung iSv. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genügt, ist damit Aufgabe des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts zuständig ist( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569). Das nationale Gericht hat daher unter Beachtung der Zielrichtung des nationalen Rechts, hier des § 125 InsO und des darauf basierenden Interessenausgleichs, und unter Berücksichtigung der Einbettung dieser Bestimmung in das nationale Kündigungsrecht zu prüfen, ob die Altersgruppenbildung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abstrakt und konkret ein legitimes Ziel verfolgt und dafür das angemessene und erforderliche Mittel ist.

30

4. Für diese Prüfung bedarf es entsprechender Darlegung des kündigenden Arbeitgebers, hier des Insolvenzverwalters. Die Arbeitsgerichte haben zu beurteilen, ob die Altersgruppenbildung im konkreten Interessenausgleich gemäß § 10 AGG gerechtfertigt ist.

31

a) Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ( §§ 1 bis 10 AGG ) sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, BAGE 128, 238).Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, wenn die Sozialauswahl bezogen auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis grob fehlerhaft iSd. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

32

b) Die Bildung von Altersgruppen bedeutet eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters iSd. § 1 AGG(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 49, BAGE 128, 238), die eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG mit der Folge der Unwirksamkeit gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AGG darstellen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 8 AGG oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen aber nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 AGG setzt die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 unionsrechtskonform um (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 26). Die Sanierung eines insolventen Unternehmens stellt aus den genannten Gründen auch ein legitimes Ziel gemäß § 10 Satz 1 AGG dar. Eine mit einer Altersgruppenbildung ggf. verbundene Benachteiligung älterer Arbeitnehmer kann vor diesem Hintergrund gerechtfertigt sein (aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 125 InsO Rn. 21a).

33

c) Der Gesetzgeber gibt eine Altersgruppenbildung weder in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG noch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO zwingend vor. Er überlässt dem Arbeitgeber/Insolvenzverwalter - bzw. den Betriebsparteien - das „Ob“ und das „Wie“ der Gruppenbildung und räumt dabei einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen und möglichen Nachteile deswegen im Einzelnen darlegen, wenn er sich wegen der Sicherung der Personalstruktur auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23 ). Jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 28, BAGE 142, 339; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 30).

34

d) Bei beabsichtigter Schaffung einer neuen Struktur gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO muss der Insolvenzverwalter demgegenüber vortragen, welche konkrete Altersstruktur die Betriebsparteien schaffen wollten und aus welchem Grund dies erforderlich war (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 57). Er ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Aus dem Vortrag muss ersichtlich werden, dass die vereinbarte Altersgruppenbildung zur Erreichung des Ziels der sanierungsbedingten Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur angemessen und erforderlich ist. Die Vorlage des Interessenausgleichs kann nur dann ausreichen, wenn in diesem die erforderlichen Angaben bereits enthalten sind. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen nicht. Sonst kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50). Das bloße Bestreben, das Durchschnittsalter der Beschäftigten zu reduzieren, ist für sich allein betrachtet kein legitimes Ziel (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BAGE 129, 181).

35

II. Die Beklagten sind dieser Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Die Revision rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten bezüglich der Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung verkannt und wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat.

36

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit und die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Bei der Frage nach der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Rahmen der sozialen Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers ( § 1 Abs. 3 KSchG ) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es wesentliche Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist. Dabei bezieht sich die Beschränkung des revisionsrechtlichen Prüfungsrahmens nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung, sondern auch auf die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen. Dies gilt in gleicher Weise im Anwendungsbereich des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO, der bei der Nachprüfung der sozialen Auswahl den weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der „groben Fehlerhaftigkeit“ verwendet(BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 mwN).

37

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur durch Altersgruppenbildung überhaupt erforderlich war. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Altersgruppen hat es nur darauf verwiesen, dass Mitarbeiter bis 25 Jahre gänzlich fehlten und das Durchschnittsalter aller Mitarbeiter bei 51 Jahren lag. Damit wurde auch die Bildung der Altersgruppe 1, dh. die Zusammenfassung der bis 44-Jährigen, gebilligt.

38

3. Der Vortrag der Beklagten lässt nicht erkennen, dass ein objektives Bedürfnis für die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur bestand.

39

a) Der Verweis auf das betriebliche Durchschnittsalter von 51 Jahren lässt vielmehr auf eine ausgewogene Struktur schließen. Geht man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren aus, so liegt das Alter von 51 Jahren nur knapp über dem Durchschnittsalter in einem Erwerbsleben (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50). Jedenfalls lässt sich aus diesem Altersdurchschnitt nicht ableiten, dass eine Verjüngung der Belegschaft zur Sanierung erforderlich ist. Dies gilt im Besonderen für den Bereich der Channelgroups, dh. der beiden für die Sozialauswahl zusammengefassten Produktionsbereiche, dem auch der Kläger zugeordnet wurde. Mit 61 von insgesamt 109 Mitarbeitern handelt es sich um den größten Bereich des Betriebs. Von diesen 61 fallen 26 Mitarbeiter in die Altersgruppe 1, dh. 42,62 % sind im Alter bis 44 Jahre.

40

b) Der von den Beklagten angeführte Vergleich mit einem „Musterbetrieb“ der Branche stellt für sich genommen keine tragfähige Begründung der Vorgehensweise dar. Eine Wunschvorstellung der Arbeitgeberseite kann als solche keine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen, anderenfalls wäre jeder Überprüfung der nach § 10 Satz 1 AGG anzuwendende objektive Maßstab entzogen. Zudem weist der fiktive Vergleich keinen Bezug zur konkreten Situation der Insolvenzschuldnerin auf. Es gibt insolvente Unternehmen, die (zB wegen besonderer technischer Fähigkeiten) sanierungsfähig sind, obwohl sie keine ideale oder zumindest durchschnittliche Struktur aufweisen. Umgekehrt existieren Schuldner mit einer beinahe mustergültigen Altersstruktur, die dennoch wegen der aktuellen Marktgegebenheiten keine Sanierungsperspektive haben. Die vereinbarte Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur bedarf der Erläuterung in Bezug auf ein konkretes Sanierungsvorhaben. Dabei sind wegen des praktischen Bedürfnisses zügiger Entscheidungen (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 50, BAGE 142, 225) keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es reicht beispielsweise aus, dass der Insolvenzverwalter innerbetriebliche Gründe, wie zB Kostenstrukturen, anführt oder die Probleme bei Gesprächen mit potentiellen Investoren oder Käufern schildert. Dabei kann auch die Altersstruktur vergleichbarer Unternehmen eine Rolle spielen (vgl. MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 97; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der InsO 4. Aufl. § 125 Rn. 70). Es muss aber ein Sanierungskonzept deutlich werden, nicht nur - wie hier - der pauschale Wunsch nach einer Verjüngung der Belegschaft. Ein solches Konzept haben die Beklagten bislang nicht verdeutlicht.

41

c)  Die Argumentation der Beklagten, wonach sich der Betrieb bei Ausscheiden der Älteren gleichsam von selbst „abgeschafft“ hätte, führt nicht weiter. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass ein sukzessives Ausscheiden durch entsprechende Neueinstellungen kompensiert werden kann.

42

III. Die Revision rügt auch begründet, dass die Auswahl unter den Produktionsmitarbeitern aus nicht hinreichend nachvollziehbaren Gründen in Abweichung vom Grundsatz der betriebsbezogenen Sozialauswahl getrennt nach den Bereichen Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup (1 und 2) vorgenommen wurde. Der Beklagte zu 1. hat insoweit seine Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG nicht erfüllt.

43

1. Auch in der Insolvenz ist eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl vorzunehmen. Hinsichtlich der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ist den Betriebspartnern durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO aber ein weiter Spielraum eingeräumt. Bezüglich des auswahlrelevanten Personenkreises besteht diese Einschätzungsprärogative ua. hinsichtlich der tatsächlichen Austauschbarkeit der Arbeitnehmer und der zumutbaren Dauer der Einarbeitungszeit. Eine Beschränkung der Vergleichbarkeit auf Arbeitnehmer, die ohne jegliche Einarbeitungszeit sofort austauschbar sind, ist in der Regel aber grob fehlerhaft.

44

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet im Insolvenzverfahren Anwendung mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich eine soziale Auswahl iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzunehmen hat(vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 112, 273; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 22b). Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen, welche in demselben Betrieb beschäftigt sind (st. Rspr. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 46; 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 23; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 16, BAGE 123, 1). Im Falle der Insolvenz können sich die Betriebspartner nicht bewusst über diese nicht zu ihrer Disposition stehende gesetzliche Grundbedingung der sozialen Auswahl hinwegsetzen und den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer enger oder weiter ziehen, als es das Kündigungsschutzgesetz in seiner Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht zulässt (vgl. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 22; Bichlmeier Anm. DZWIR 2006, 287). § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verändert nur den Prüfungsmaßstab. Eine abteilungsbezogene Sozialauswahl ist daher ein grober Auswahlfehler, wenn nicht die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer auf die Abteilungen beschränkt ist (vgl. auch ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 10).

45

b) Die horizontale Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass die vom Wegfall des Arbeitsplatzes unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer auf einem vorhandenen Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich einsetzbar sind. Es kommt darauf an, ob diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sowie aufgrund ihrer gleichwertigen Tätigkeiten im Betrieb in der Lage sind, eine andersartige, aber gleichwertige Arbeit von anderen Arbeitnehmern nach einer (relativ) kurzen Einarbeitungszeit auszuüben. Hierbei kann einem aktuellen Stand von Kenntnissen und Fähigkeiten erhebliche Bedeutung zukommen. Ein arbeitsplatzbezogener „Routinevorsprung“ hat bei der Frage der Vergleichbarkeit aber außer Betracht zu bleiben. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 114, 374; 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 18).

46

c) Es ist das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppen zu erfolgen hat (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33). Im Insolvenzverfahren kann bei Vorliegen eines Interessenausgleichs gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO die Sozialauswahl grob fehlerhaft sein, wenn bei der Bestimmung des Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die betrieblichen Interessen augenfällig überdehnt worden sind(BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb bbb der Gründe, BAGE 116, 213). Sprechen dagegen gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die - ggf. fehlerhaft - getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises, ist die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 21; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16 f.). Hinsichtlich der Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse ist den Betriebspartnern durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt; auch insoweit ist die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.

47

d) Ob eine Beschränkung des auswahlrelevanten Personenkreises auf sofort austauschbare Arbeitnehmer („unmittelbare Substituierbarkeit“) in verschiedenen Geschäftsbereichen in einem Interessenausgleich mit Namensliste grob fehlerhaft ist, hat das Bundesarbeitsgericht bislang offengelassen (vgl. BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb ccc (2) der Gründe, BAGE 116, 213). Im Regelfall wird grobe Fehlerhaftigkeit vorliegen, da die soziale Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer zu Gunsten der betrieblichen Interessen anderenfalls schon dann zurücktreten würde, wenn nur eine kurze Einarbeitungszeit von einigen Stunden oder einem Tag erforderlich wäre. Gerade bei niedrig qualifizierten Tätigkeiten mit kurzer Anlernzeit ist dies nicht zu begründen. Im Hinblick auf den Sanierungszweck einerseits und den zu beachtenden Schutz der Arbeitnehmer andererseits wird deshalb eine Regelung, welche die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer generell von der sofortigen Austauschbarkeit ohne jegliche Einarbeitungszeit abhängig macht, nur ausnahmsweise als nicht grob fehlerhaft anzusehen sein (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 37; vgl. auch Lindemann ZInsO 2006, 697). Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Betriebspartner davon ausgehen durften, dass die Sozialauswahl zu einer ernsthaften Gefährdung der betrieblichen Arbeitsabläufe führen würde, welche in der konkreten Situation des Schuldners die Sanierung gefährden würde. Geringfügige Störungen des Betriebsablaufs genügen nicht ( Zwinkmann Der Interessenausgleich über die Sozialauswahl in der Insolvenz nach § 125 InsO S. 126; aA MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 94). Den Betriebspartnern steht allerdings eine weite Einschätzungsprärogative ua. bei der Frage zu, welche Einarbeitungszeit im Einzelfall zumutbar ist (vgl. ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 11; MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 94).

48

2. Die Sozialauswahl ist aber auch dann, wenn grobe Fehlerhaftigkeit vorliegen würde, rechtlich nicht zu beanstanden, wenn durch den Interessenausgleich eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Dies bewirkt § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO (vgl. KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 24; Pakirnus DB 2006, 2742).

49

a) Der dort verwendete Begriff der Personalstruktur ist nicht mit dem der Altersstruktur gleichzusetzen und auf diesen zu beschränken. Er ist im Hinblick auf die Gesetzesbegründung, nach der dem Schuldner oder dem Übernehmer ein funktions- und wettbewerbsfähiges Arbeitnehmerteam zur Verfügung stehen soll (BT-Drucks. 12/7302 S. 172), in einem umfassenderen Sinn zu verstehen. Als weitere Aspekte einer Personalstruktur kommen deshalb auch die Ausbildung und die Qualifikation der Arbeitnehmer im Betrieb und damit die Bildung entsprechender Qualifikationsgruppen und -bereiche in Betracht (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (3) der Gründe; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 29; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 27; Nerlich/Römermann/Hamacher Stand März 2004 § 125 Rn. 55; Zwinkmann Der Interessenausgleich über die Sozialauswahl in der Insolvenz nach § 125 InsO S. 165; Uhlenbruck/Berscheid 13. Aufl. § 125 InsO Rn. 77). Dadurch wird in besonderer Weise der Sinn und Zweck des § 125 InsO deutlich, die erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen zu fördern und Kündigungserleichterungen zu schaffen(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 45, BAGE 142, 225). Neben der Berücksichtigung der Qualifikationen dürfen die Betriebsparteien daher auch die Funktionsfähigkeit eingespielter Teams berücksichtigen. Auch ist es dem Insolvenzverwalter möglich, mehrere Personalstrukturen geltend zu machen, bspw. gerichtet auf eine ausgewogene Altersstruktur und gerichtet auf bestimmte Qualifikationsgruppen (vgl. KR/Weigand § 125 InsO Rn. 35).

50

b) Das der Festlegung der Strukturmerkmale und der Gruppenbildung zugrunde liegende unternehmerische Konzept unterliegt lediglich einer Missbrauchskontrolle (vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (2) der Gründe). Die Betriebspartner verfügen insoweit über einen gerichtlich nur auf offensichtliche Sachwidrigkeit oder Willkür zu überprüfenden Beurteilungsspielraum (ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 14; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 29). Im Prozess hat der Insolvenzverwalter darzulegen, wie die Personalstruktur beschaffen ist und welche Struktur erreicht werden soll (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 InsO Rn. 30).

51

3. Verlangt der Arbeitnehmer die Angabe der Gründe, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben, ist die Darlegung der Vergleichsgruppenbildung Teil der Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG.

52

a) Diese besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer in eine Namensliste aufgenommen worden ist (BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb aaa der Gründe, BAGE 116, 213). Zwar trifft den Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlerhafte Sozialauswahl. Der Arbeitgeber ist jedoch auch in den Fällen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG auf dessen Verlangen die Gründe mitzuteilen, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Insoweit besteht eine abgestufte Darlegungslast. Als Konsequenz aus der materiellen Auskunftspflicht des Arbeitgebers folgt, dass er auf Verlangen des Arbeitnehmers im Prozess substantiiert die Gründe vortragen muss, die ihn zu seiner Auswahl veranlasst haben (BAG 20. September 2006 - 6 AZR 249/05 - Rn. 48). Erst nach Erfüllung der Auskunftspflicht trägt der Arbeitnehmer die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit ändert an der Verteilung der Darlegungslast nichts (BAG 17. November 2005 -  6 AZR 107/05  - aaO; Pakirnus DB 2006, 2742; Klocke DZWIR 2013, 358; Janzen AuR 2013, 203).

53

b) Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft (vgl. hierzu BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05  - Rn. 38 ), so kann der Arbeitnehmer beim Fehlen eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist sein Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend. Entsprechende Erwägungen gelten, wenn der Vortrag des Arbeitgebers Anhaltspunkte dafür bietet, er habe die Sozialauswahl - bei Berücksichtigung des Vortrags des Arbeitnehmers - grob fehlerhaft nicht auf vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt, und der Arbeitgeber es unterlässt, sein Vorbringen zu vervollständigen. Die aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG folgende subjektiv determinierte materielle Mitteilungspflicht des Arbeitgebers wird in dieser Konstellation ergänzt durch die prozessuale Erklärungspflicht nach § 138 ZPO. Ergibt sich aus der Mitteilung des Arbeitgebers, dass er Tatsachen, die objektiv erheblich sein können, in seine subjektiven Erwägungen nicht einbezogen hat, und trägt der gekündigte Arbeitnehmer nachvollziehbar vor, gerade aus diesen Tatsachen ergebe sich die grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl, so ist es eine Obliegenheit des Arbeitgebers, seinen Vortrag weiter zu substantiieren (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 48). Anderenfalls ist der dem Kenntnisstand des Arbeitnehmers entsprechende und ihm konkreter nicht mögliche Vortrag, soziale Gesichtspunkte seien in grob fehlerhafter Weise unberücksichtigt geblieben, als unstreitig anzusehen (vgl. BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05  - Rn. 39 ).

54

4. Dieser Auskunftspflicht ist der Beklagte zu 1. bislang nicht nachgekommen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

55

a) Aus dem Interessenausgleich ergibt sich nur, dass die Betriebsparteien die Arbeitnehmer entsprechend der betrieblichen Organisation abteilungsweise zugeordnet haben. Das Landesarbeitsgericht hat hiervon ausgehend angeführt, dass die Betriebspartner darauf abstellen durften, die vorhandenen Arbeitnehmerteams wegen deren Qualifikation und Effektivität möglichst beizubehalten. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass die Beklagten die vorgenommene Gruppenbildung in Bezug auf die Austauschbarkeit der Produktionsmitarbeiter nicht begründet haben, obwohl der Kläger vorgetragen hat, dass die Produktionsmitarbeiter „nach wenigen Tagen Anlernzeit universell einsetzbar“ waren, „wovon auch rege Gebrauch gemacht wurde“. In den Bereichen Channelgroup und Härten seien ungelernte Tätigkeiten verrichtet worden, die Mitarbeiter seien stets ausgetauscht worden. Diesem Vortrag sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Der Betriebsratsanhörung ist unter IV 1 b nur zu entnehmen, dass die Mitarbeiter im Bereich Aircraft wegen „Spezialkenntnissen“ und „Level-2-Prüfungen“ mit anderen Arbeitnehmern nicht vergleichbar wären. Die Austauschbarkeit der Beschäftigten in Channelgroup 1 und 2 mit den Produktionsmitarbeitern in den Bereichen Instandhaltung und Härten wird nicht thematisiert.

56

b) Auch bei Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien haben die Beklagten die Gruppenbildung damit nicht hinreichend begründet. Es wurde im Interessenausgleich zwar offensichtlich berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer auf ihren Arbeitsplätzen eingearbeitet sind und die Zusammenarbeit innerhalb der Bereiche etabliert ist. Sollte entsprechend dem Vortrag des Klägers die Austauschbarkeit der Produktionsmitarbeiter aber zumindest in den Bereichen Channelgroup 1 und 2, Instandhaltung und Härten ohne oder mit einer nur kurzen Einarbeitungszeit gegeben sein, so wäre die Beschränkung der Sozialauswahl auf die bisherigen Einsatzbereiche auch mit der Zielsetzung des Erhalts oder der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur nur bei Darlegung rechtfertigender Umstände zu begründen. Die Beklagten haben aber weder zur Frage der Einarbeitungszeiten als solcher noch zu sonstigen Kriterien, wie zB nicht hinnehmbarer Beeinträchtigungen des Produktionsablaufs bei Vornahme von Versetzungen, vorgetragen.

57

IV. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Sozialauswahl wäre ohne die Bildung von Altersgruppen und die Beschränkung auf die einzelnen Produktionsbereiche im Hinblick auf das Auswahlergebnis der Kündigung des Klägers grob fehlerhaft.

58

1. Sind die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von Altersgruppen nicht erfüllt, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Gleiches gilt für die Bildung abweichender Vergleichsgruppen in Bezug auf die betriebliche Struktur. Es ist zu prüfen, ob die soziale Auswahl dennoch im Auswahlergebnis bezogen auf den klagenden Arbeitnehmer nicht grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist(vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 59).

59

2. Die Sozialauswahl wäre hier bei Einbeziehung aller Produktionsmitarbeiter der verschiedenen betrieblichen Bereiche und ohne Altersgruppenbildung bezogen auf den Kläger im Ergebnis grob fehlerhaft.

60

a) Der Kläger hat vorgetragen, dass er aufgrund seiner Qualifikation auch in anderen Produktionsbereichen (Instandhaltung, Härten) tatsächlich einsetzbar wäre. Aufgrund der Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag sei er auch in allen Produktionsbereichen zu beschäftigen. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

61

b) Die Bildung sog. Qualifikationsgruppen innerhalb der verschiedenen Produktionsbereiche, dh. die Herausnahme der Schichtführer und Einsteller aus dem Kreis der zu Kündigenden, hat der Kläger als solche nicht beanstandet. Er hat nur angeführt, dass er selbst dem Kreis der Einsteller zuzuordnen wäre und die Arbeitnehmer R, W und H keine Schichtführer, sondern Maschinenbediener seien. Dies belege die willkürliche Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Qualifikationsgruppen. Das Landesarbeitsgericht hat die Qualifikationsgruppenbildung innerhalb einer bereichsbezogenen Vergleichsgruppe als nicht grob fehlerhaft bewertet, da die besser qualifizierten Arbeitnehmer zur Schaffung einer leistungsfähigen Personalstruktur und Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Produktion im Drei-Schicht-Betrieb entsprechend dem Interessenausgleich erforderlich seien. Es sei legitim, zur Erhaltung der Effektivität eines Arbeitsteams als Einsteller weiterhin die Mitarbeiter einzusetzen, die diese Tätigkeit bereits mehrjährig ausgeübt haben. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

62

c) Dennoch wäre eine Sozialauswahl bezogen auf die Produktionsmitarbeiter aller Bereiche und ohne Altersgruppenbildung mit Blick auf den Kläger im Ergebnis grob fehlerhaft.

63

aa) Der Kläger hat die sozial stärkeren Arbeitnehmer in der Berufungsbegründung benannt. Die Angaben decken sich mit der Anlage 2 zum Interessenausgleich („Ist-Struktur“) und der Anlage 1 zur Betriebsratsanhörung.

64

bb) Die grobe Fehlerhaftigkeit ergibt sich aus dem Vergleich mit den Kollegen der Altersgruppe 1. Die im Folgenden genannten Produktionsmitarbeiter sind sozial weitaus stärker als der seit 1998 beschäftigte Kläger, der 1960 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Diese Arbeitnehmer hätten nach dem Inhalt der Verfahrensakten, welcher der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 26), vorrangig gekündigt werden müssen:

65

(1) Im Bereich Channelgroup, dh. der nach dem Interessenausgleich maßgeblichen Vergleichsgruppe, ist Herr P (geb. 1969, verheiratet, keine Kinder, seit 1995 beschäftigt) nur drei Jahre länger beschäftigt, aber knapp zehn Jahre jünger und ohne Unterhaltsverpflichtung für Kinder.

66

(2) Im Bereich Härten ist Herr A (geb. 1971, verheiratet, zwei Kinder, seit 1999 beschäftigt) bei etwa gleicher Betriebszugehörigkeit als wesentlich jüngerer Kollege sozial weitaus stärker.

67

(3) Im Bereich Instandhaltung ist Herr B (geb. 1980, verheiratet, ein Kind, seit 1997 beschäftigt) ca. 20 Jahre jünger und trägt die Unterhaltspflicht für nur ein Kind. Herr S (geb. 1979, ledig, kein Kind, seit 1995 beschäftigt) ist gleichermaßen jünger und ohne Unterhaltsverpflichtung.

68

(4) Im Bereich Qualität ist Herr Q (geb. 1980, ledig, kein Kind, seit 1995 beschäftigt) offensichtlich sozial stärker.

69

C. Die Kündigung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unwirksam, so dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auch ohne die Prüfung der Sozialauswahl aufgehoben und der Klage stattgegeben werden müsste (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist folglich gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

70

I. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Im Falle eines Betriebsübergangs erstreckt sich die Vermutung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO auch darauf, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt( § 128 Abs. 2 InsO ).Der Kläger hat diese gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Die Revision führt auch keinen Angriff gegen die durch Bezugnahme auf die arbeitsgerichtliche Entscheidung wiedergegebene Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Kündigung betriebsbedingt zu Sanierungszwecken aufgrund eines Erwerberkonzepts erfolgte. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstößt eine Kündigung nicht gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang betriebsbedingt aufgrund eines Erwerberkonzepts oder zur Durchführung von Rationalisierungen - ggf. zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit - im Rahmen eines eigenen Sanierungskonzepts des Veräußerers erfolgt (BAG 20. September 2006 - 6 AZR 249/05 - Rn. 31; vgl. auch MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 192).

71

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG erklärt wurde(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11  - Rn. 31 , 37; 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 42; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 72). Das Arbeitsgericht hat zu dieser Frage Beweis erhoben. Die Beweisaufnahme ergab, dass die Kündigung dem Kläger erst nach Erstattung der Anzeige übergeben wurde. Das Landesarbeitsgericht legte dies ebenso wie das Arbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Hiergegen erhebt die Revision keine Rügen. Sonstige Fehler des Anzeigeverfahrens wurden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.

72

III. Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratsanhörung wie das Arbeitsgericht als ordnungsgemäß angesehen. Hiergegen erhebt die Revision keine Rüge. Ein Fehler ist auch nicht erkennbar.

73

IV. Entscheidend ist somit die Rechtmäßigkeit der getroffenen Sozialauswahl.

74

1. Mangels hinreichender Feststellungen kann der Senat nicht selbst beurteilen, ob und aus welchem Grund die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur hier trotz der dargestellten Bedenken veranlasst war. Folglich kann auch der Zuschnitt der konkreten Altersgruppen nicht beurteilt werden, da diese im Zusammenhang mit dem verfolgten Sanierungskonzept stehen. Den Beklagten ist gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zur entsprechenden Ergänzung ihres Vortrags zu geben, da sie ersichtlich bislang davon ausgingen, dass die Berufung auf den Interessenausgleich ausreicht und ein gerichtlicher Hinweis auf die Darlegungslast bezüglich der sanierungsbedingten Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung nicht erfolgte. Das Landesarbeitsgericht wird nach Stellungnahme der Parteien die Bildung von Altersgruppen nach § 10 AGG erneut beurteilen müssen. Ein willkürlicher Zuschnitt der Altersgruppen mit dem bloßen Ziel der Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer ist unangemessen und kann der gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30, BAGE 142, 225).

75

2. Hinsichtlich der nach den betrieblichen Bereichen vorgenommenen Sozialauswahl kann der Senat mangels entsprechender Feststellungen die Vergleichbarkeit der Produktionsmitarbeiter nicht beurteilen. Aus den genannten Gründen ist den Beklagten Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags zu geben.

76

3. Sollte es darauf ankommen, ob einzelne Arbeitnehmer zu Recht aus der Sozialauswahl herausgenommen wurden, wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass auch insoweit der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit anzuwenden ist. Dies betrifft auch die vom Kläger angeführten Mitarbeiter R, W und H, die angeblich unberechtigt als Schichtführer eingeordnet wurden. Bezüglich des Kollegen D hat das Landesarbeitsgericht bereits rechtsfehlerfrei entschieden, dass grobe Fehlerhaftigkeit nicht vorliegt. Die Sozialdaten weichen im persönlichen Bereich nur geringfügig von denen des Klägers ab. Herr Dang ist 1961 geboren, verheiratet und unterhaltspflichtig für zwei Kinder. Er ist aber bereits seit 1989 und damit ca. neun Jahre länger als der Kläger beschäftigt.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Reiner Koch     

        

    Hoffmann    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 23. Mai 2012 - 4 Sa 658/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie um Ansprüche des Klägers auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2. und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Monat August 2011.

2

Der 1960 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 2. Juni 1998 bei der Firma K GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) bzw. deren Rechtsvorgängerin als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Januar 2011 wurde über das Vermögen der Schuldnerin die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. April 2011 wurde er Insolvenzverwalter. Noch am 1. April 2011 schlossen der Beklagte zu 1. und der im Betrieb der Schuldnerin gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich. In § 2 Nr. 1 dieses Interessenausgleichs wird unter Bezugnahme auf eine Anlage 2 die bisherige Organisationsstruktur der Schuldnerin wiedergegeben. Demnach war die Schuldnerin in die Bereiche Verwaltung, Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup 1 und Channelgroup 2 gegliedert. Die Bereiche Channelgroup 1 und Channelgroup 2 umfassten die Produktion von Kugeln unterschiedlicher Größe. Der Kläger war der Channelgroup 2 zugeordnet.

3

Der Interessenausgleich lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 2   

        
        

Gegenstand der Betriebsänderung

        
        

…       

        
        

2.    

Personalstruktur/Altersstruktur

        
                 

Die Parteien stimmen überein, dass die Schaffung einer ausgewogenen und leistungsfähigen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt und für eine dauerhafte Erhaltung des Unternehmens erforderlich ist. Durch die Bildung von Altersgruppen wird die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur angestrebt, die einer Überalterung der Belegschaft entgegenwirkt und eine übermäßige Belastung jüngerer Arbeitnehmer/innen verhindert. In diesem Sinn werden zum Zweck der Restrukturierung folgende Altersgruppen gebildet

        
                 

Altersgruppe 1

0 - 44 Jahre

        
                 

Altersgruppe 2

45 - 49 Jahre

        
                 

Altersgruppe 3

50 - 54 Jahre

        
                 

Altersgruppe 4

55 - 59 Jahre

        
                 

Altersgruppe 5

ab 60 Jahre.

        
                 

Durch die Bildung von Qualifikationsgruppen wird die Schaffung einer leistungsfähigen Personalstruktur angestrebt, die die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Produktion im Dreischichtbetrieb ermöglicht durch den Einsatz von Mitarbeitern mit höherer Qualifikation und universeller Einsetzbarkeit.

        
        

3.    

Beschreibung der Betriebsänderung

        
                 

Die einzelnen Betriebsteile/Bereiche mit der Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer sowohl vor, als auch nach Durchführung der Betriebsänderung sind nachfolgender Übersicht zu entnehmen

        
                 

Betriebsteile/Bereich

Ist-Stand vor Betriebsänderung

Soll-Stand nach Betriebsänderung

                                            
                 

Verwaltung

9       

9       

                 

Instandhaltung

11    

7       

                 

Qualität

4       

4       

                 

Logistik

4       

4       

                 

Aircraft

11    

9       

                 

Härten

9       

9       

                 

Channelgroup 1

24    

19    

                 

Channelgroup 2

37    

26    

                                            
                 

Summe 

109     

87    

                                   
                 

Infolge dieser unternehmerischen Entscheidungen entfällt der Beschäftigungsbedarf für 22 Arbeitnehmer in vollem Umfang.

        
        

4.    

Struktur nach Betriebsänderung

        
                 

a)    

Die nach Umsetzung der Betriebsänderung bestehende Soll-Struktur mit den in den Bereichen tätigen Arbeitnehmern ist der

        
                          

Anlage 3

        
                          

zu diesem Interessenausgleich zu entnehmen. Der Personalbestand nach Reorganisation des Betriebes beläuft sich auf 87 Arbeitnehmer. Das Beschäftigungsbedürfnis für die darüber hinausgehenden 22 Arbeitnehmer entfällt mit Umsetzung der Reorganisation.

        
                 

b)    

Die aufgrund der oben dargestellten Situation von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer sind in

        
                          

Anlage 4

        
                          

zu diesem Interessenausgleich, die diesem als fester Bestandteil beigefügt ist, unter namentlicher Benennung aufgeführt. Diese Anlage ist von den Betriebsparteien gesondert unterzeichnet. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass es sich bei der Anlage 4 um eine Namensliste i. S. von § 125 InsO handelt. Die Namensliste ist im Rahmen einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieses Interessenausgleiches.

        
                          
        

§ 3     

        
        

Sozialauswahl

        
        

Zur Besetzung der sich aus der neuen Struktur des Betriebs ergebenden verbliebenen Arbeitsplätze und zur personellen Konkretisierung der von Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer wurde eine Sozialauswahl durchgeführt.

        
        

Hierfür wurden die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Bereichen sowie der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zwischen den Betriebsparteien einvernehmlich festgelegt.

        
        

Von den Betriebsparteien wurden ferner die Arbeitnehmer definiert, die aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen und zur Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur als betriebsnotwendiges Personal zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit als auch der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs aus berechtigtem betrieblichen Interesse zwingend weiterbeschäftigt werden müssen. Diese Arbeitnehmer wurden ebenfalls aus der Sozialauswahl herausgenommen.

        
        

…“    

        
4

Der Interessenausgleich und die mit ihm verbundene Anlage 4 wurden von dem Beklagten zu 1. und Vertretern des Betriebsrats unterzeichnet. Die Anlage 4 umfasst 22 Namen. Unter ihnen befindet sich auch der Name des Klägers.

5

Mit Schreiben vom 1. April 2011 unterrichtete der Beklagte zu 1. den Betriebsrat über die beabsichtigten Kündigungen einschließlich der Kündigung des Klägers. Darin wird mitgeteilt, dass für die Sozialauswahl die Arbeitnehmer den Bereichen Verwaltung, Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup 1 und 2 zugeordnet wurden. Von insgesamt 61 Produktionsmitarbeitern in den zusammengefassten Channelgroups 1 und 2 seien 16 Maschinenbediener vom Personalabbau betroffen. Die Schichtführer und Einsteller würden zur Aufrechterhaltung der Produktion benötigt. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Betriebsrat hierzu keine Stellungnahme abzugeben. Er sehe das Anhörungsverfahren als abgeschlossen an. Ebenfalls unter dem 1. April 2011 zeigte der Beklagte zu 1. gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die beabsichtigten Entlassungen an. Schließlich erklärte der Beklagte zu 1. mit Schreiben vom 1. April 2011 gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2011. Die Kündigung wurde dem Kläger noch am selben Tag übergeben.

6

Am 5. April 2011 ging der Betrieb der Schuldnerin auf die Beklagte zu 2. über.

7

Mit seiner am 15. April 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat bestritten, dass die Massenentlassungsanzeige entsprechend § 17 Abs. 1 KSchG vor Zugang der Kündigungserklärung erfolgt ist. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Kündigung sei gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, da sie anlässlich des Betriebsübergangs erfolgt sei. Ein Erwerberkonzept, welches die Kündigung rechtfertigen könnte, habe nicht vorgelegen. Die Erwerberin habe vielmehr unmittelbar nach dem Betriebsübergang gegenüber den lokalen Medien erklärt, dass sie eine Aufstockung des Personals beabsichtige. Bei der Beklagten zu 2. bestehe auch tatsächlich Beschäftigungsbedarf.

8

Zudem sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft erfolgt. Die Einteilung der Produktionsmitarbeiter nach ihrer Tätigkeit in den verschiedenen betrieblichen Bereichen (zB Channelgroup 1 und 2; Härten; Instandhaltung) sei willkürlich. Die Produktionsmitarbeiter seien bereichsübergreifend nach wenigen Tagen Anlernzeit „universell einsetzbar“ und deshalb miteinander vergleichbar. In den Bereichen Channelgroup und Härten seien ungelernte Tätigkeiten verrichtet und die Mitarbeiter stets ausgetauscht worden. Auch die Unterscheidung nach der Qualifikation der Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen sei willkürlich vorgenommen worden. So seien im Bereich Channelgroup die Mitarbeiter R, W und H als angebliche Schichtführer aus der Sozialauswahl herausgenommen worden. Tatsächlich seien sie Maschinenbediener. Auch die Herausnahme des Mitarbeiters D sei nicht gerechtfertigt. Dieser weise keine besondere Qualifikation auf. Er (der Kläger) könne ebenso wie dieser Kollege als Springer tätig werden. Aufgrund seiner Qualifikation als Industriemechaniker und Informationselektroniker sei er in jedem Produktionsbereich und auch als Einsteller einsetzbar. Sein Arbeitsvertrag enthalte eine Versetzungsklausel. Die beabsichtigte Schaffung einer neuen Altersstruktur sei mit unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Es handle sich um eine unzulässige Altersdiskriminierung. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verstoße gegen Unionsrecht und sei daher nicht anzuwenden. Die große Bandbreite der Altersgruppe 1 führe hier zudem zu einer überdimensionalen Benachteiligung der älteren Mitarbeiter. Die vorgenommene Bildung der Altersgruppen sei weder hinsichtlich ihrer Veranlassung noch ihrer Ausgestaltung nachvollziehbar. Wäre die Sozialauswahl ordnungsgemäß betriebsbezogen und ohne Altersgruppenbildung erfolgt, so seien zumindest 30 benannte Arbeitnehmer im Produktionsbereich sozial weniger schutzwürdig als er und daher vorrangig zu kündigen. Selbst bei Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit seien zwölf benannte Kollegen weniger schutzwürdig.

9

Das Arbeitsverhältnis sei somit ungekündigt auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Diese sei verpflichtet, ihn weiterzubeschäftigen. Beide Beklagten seien zudem zur Zahlung des Annahmeverzugslohns für den Monat August 2011 verpflichtet.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

        

1.    

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1. vom 1. April 2011, dem Kläger ausgehändigt am 1. April 2011, zum 31. Juli 2011 nicht aufgelöst wurde.

        

2.    

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionshelfer weiterzubeschäftigen.

        

3.    

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat August 2011 2.788,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 1. September 2011 abzüglich ggf. auf Dritte übergegangener Ansprüche zu zahlen.

11

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die dem Kläger erst nach Anzeige der Massenentlassung übergebene Kündigung sei wirksam.

12

Ihr liege ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO zugrunde. Der Kläger habe die daraus folgende Vermutung dringender betrieblicher Erfordernisse für die Kündigung nicht widerlegt. Unter Beibehaltung der bisherigen Kostenstruktur sei eine Fortführung des Betriebs nicht möglich gewesen. Die Kündigungen seien Teil eines Erwerberkonzepts. Dementsprechend werde der Betrieb nach der Übernahme auch weitergeführt. Die vom Kläger angeführten Pressemitteilungen seien als unternehmerische Visionen unverbindlich zukunftsgerichtet.

13

Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Durch sie sei auf der Grundlage eines Sanierungskonzepts eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen worden, welche den Verkauf und den Betriebsübergang erst möglich gemacht habe. Schichtführer und Einsteller seien zur Aufrechterhaltung der Produktion benötigt und daher nicht gekündigt worden. Es sei zwingend notwendig gewesen, Mitarbeiter mit höherer Qualifikation und universeller Einsetzbarkeit zu halten. So sei im Bereich Channelgroup in der Altersgruppe 3 der Arbeitnehmer D als universell einsetzbarer Springer nicht in die Auswahl einzubeziehen gewesen. Die Mitarbeiter R, W und H seien höher qualifiziert als der Kläger.

14

Es liege auch keine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Die Altersgruppe 1 sei gebildet worden, da Mitarbeiter bis 25 Jahre gänzlich gefehlt hätten und Arbeitnehmer bis 44 Jahre stark unterrepräsentiert gewesen seien. Der Betrieb der Schuldnerin sei mit einem vergleichbaren Musterbetrieb der Branche abgeglichen worden. Dabei habe sich gezeigt, dass der Betrieb mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren stark überaltert gewesen sei. Da die Verjüngung des Betriebs beabsichtigt gewesen sei, hätten Beschäftigte in der Altersgruppe 1 nicht gekündigt werden sollen. Es sei daher nur konsequent, dass Kündigungen auch im Bereich der beiden Channelgroups in dieser Altersgruppe unterblieben seien, obwohl dort 42,62 % der Beschäftigten der Altersgruppe 1 zuzuordnen gewesen seien.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Sie rügt zu Recht eine Verletzung des § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann nicht angenommen werden, dass die soziale Auswahl im Hinblick auf das Ergebnis der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist. Die Beklagten haben nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen die vorgenommene Altersgruppenbildung erforderlich und die Beschränkung der Sozialauswahl auf die bisherigen Einsatzbereiche veranlasst war. Mangels hinreichender Feststellungen kann der Senat nicht selbst beurteilen, ob die streitgegenständliche Kündigung iSv. § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Die weiteren Klageanträge hängen davon ab. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

17

A. Die Kündigung vom 1. April 2011 ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt ist.

18

I. Es liegt ein formwirksamer Interessenausgleich mit Namensliste vor, der bei unveränderter Sachlage ( § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO ) die Rechtsfolgen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO auslöst. Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist gegeben. Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind(st. Rspr., vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17, BAGE 142, 339). Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Von 109 Arbeitnehmern sollte 22 gekündigt werden. Dies sind mehr als 10 % der Belegschaft. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.

19

II. Aufgrund der namentlichen Benennung des Klägers in der Namensliste des Interessenausgleichs (Anlage 4) wird nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung vom 1. April 2011 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Diese Vermutung wäre widerlegt, wenn der Kläger substantiiert dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen hätte, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169).Das Landesarbeitsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt ist. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

20

B.  Ob die Kündigung wegen grober Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist, kann noch nicht entschieden werden.

21

I. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 KSchG nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.

22

1. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO eröffnet dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat weiter gehende Möglichkeiten bei der Sozialauswahl als § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Insbesondere muss die Schwerbehinderung nicht berücksichtigt werden und kann mit einem Interessenausgleich nach § 125 InsO angestrebt werden, eine ausgewogene Personalstruktur nicht nur zu erhalten, sondern erst zu schaffen(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 35, BAGE 142, 202). Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und ihre relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich lediglich auf grobe Fehler überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (st. Rspr., vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 26; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f., BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21 ; s. auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Sinn und Zweck des § 125 InsO gebieten eine weite Ausdehnung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs der groben Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl. Diese Bestimmung soll eine erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen fördern (BT-Drucks. 12/2443 S. 77) und Kündigungserleichterungen schaffen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 45, BAGE 142, 225). Die getroffene Auswahl muss sich mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das Auswahlverfahren zu beanstanden ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen (vgl. zB BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 34, BAGE 142, 339; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19 ).

23

2. Die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO kodifiziert einen Sonderfall der berechtigten betrieblichen Bedürfnisse iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG(BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (2) der Gründe). § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröffnet die Möglichkeit zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur die Auswahl innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen. Dies verstößt nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung (Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) und seine Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25, BAGE 142, 339; 15. Dezember 2011 -  2 AZR 42/10  - Rn. 46 ff., BAGE 140, 169). Gleiches gilt für eine Altersgruppenbildung in einem nach § 125 Abs. 1 InsO geschlossenen Interessenausgleich, die der Erhaltung der vorhandenen Altersstruktur dient(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30, BAGE 142, 225).

24

3. Die durch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO eröffnete Möglichkeit der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur durch Bildung von Altersgruppen verletzt das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung ebenfalls nicht. Sie ist durch das legitime Ziel der Sanierung eines insolventen Unternehmens gerechtfertigt. Das nationale Gericht hat aber die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung im Einzelfall zu prüfen.

25

a) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; unter legitimen Zielen sind dabei insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen. Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene haben sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum ( EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 50; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 60; 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 -  C-45/09  - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] aaO; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

26

b) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09  - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; 18. Juni 2009 -  C-88/08  - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-499/08  - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 -  C-45/09  - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11  - Rn. 15 ). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt ( EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 , C-160/10  - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919 ; 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] aaO).

27

c) Demnach liegt in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik vor, wenn die Sozialauswahl nach Altersgruppen dazu dienen soll, den Betrieb aus der Insolvenz heraus zu sanieren und ggf. verkaufsfähig zu machen. Damit wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Schuldners, also eines einzelnen insolventen Unternehmens, verbessert. § 125 InsO soll als Teil der Reform des Insolvenzrechts marktwirtschaftlich sinnvolle Sanierungen ermöglichen(BT-Drucks. 12/2443 S. 77; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 1). Das Ziel des Erhalts des Unternehmens kommt auch in § 1 Satz 1 InsO zum Ausdruck. Soweit durch eine Sanierung aus der Insolvenz heraus - und sei es auch nur vorübergehend - Arbeitsplätze erhalten werden, dient dies nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern auch dem der Gesamtbelegschaft und der Allgemeinheit. Die Leistungsfähigkeit von Betrieben und Unternehmen in ihrer Gesamtheit gehört zu den Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 31, BAGE 142, 225; ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 15b; MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 97; Uffmann SAE 2013, 1). Eine Altersgruppenbildung, die in einem auf § 125 InsO gestützten Interessenausgleich mit Namensliste den Bestand privatwirtschaftlicher Unternehmen zum Wohl aller am Wirtschaftsleben Teilhabenden sichern will, dient damit einem im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziel(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 62, BAGE 140, 169). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Erhalt einer bereits ausgewogenen Personal- und Altersstruktur zur Fortführung bzw. zum Verkauf des Unternehmens ausreicht oder ob eine solche Perspektive nur durch die Schaffung ausgewogener Strukturen im Rahmen einer Sanierung möglich wird. Gerade bei insolventen Unternehmen sind typischerweise tiefgreifende Reformen nötig. Die Altersgruppenbildung kann bei entsprechendem Reformbedarf ein angemessenes und erforderliches Mittel sein, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, die eine (zumindest teilweise) Fortführung des Unternehmens oder Betriebs ermöglicht.

28

d) Eines Vorabentscheidungsersuchens des Senats nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Welches Ziel eine nationale Regelung verfolgt, haben die Gerichte der Mitgliedstaaten zu prüfen (EuGH 21. Juli 2011 C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 71, Slg. 2011, I-6919). Ebenso obliegt es der Beurteilung durch die nationalen Gerichte, ob eine nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel im Sinne dieser Auslegung des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG durch den Gerichtshof der Europäischen Union dient. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetzgeber angesichts des bestehenden Ermessensspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind ( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 f., Slg. 2009, I-1569; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 67 f.).

29

Die konkrete Subsumtion, ob eine Altersgruppenbildung als Grundlage für einen nach § 125 InsO geschlossenen Interessenausgleich den vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten abstrakten Anforderungen an eine Rechtfertigung iSv. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genügt, ist damit Aufgabe des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts zuständig ist( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569). Das nationale Gericht hat daher unter Beachtung der Zielrichtung des nationalen Rechts, hier des § 125 InsO und des darauf basierenden Interessenausgleichs, und unter Berücksichtigung der Einbettung dieser Bestimmung in das nationale Kündigungsrecht zu prüfen, ob die Altersgruppenbildung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abstrakt und konkret ein legitimes Ziel verfolgt und dafür das angemessene und erforderliche Mittel ist.

30

4. Für diese Prüfung bedarf es entsprechender Darlegung des kündigenden Arbeitgebers, hier des Insolvenzverwalters. Die Arbeitsgerichte haben zu beurteilen, ob die Altersgruppenbildung im konkreten Interessenausgleich gemäß § 10 AGG gerechtfertigt ist.

31

a) Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ( §§ 1 bis 10 AGG ) sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, BAGE 128, 238).Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, wenn die Sozialauswahl bezogen auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis grob fehlerhaft iSd. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

32

b) Die Bildung von Altersgruppen bedeutet eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters iSd. § 1 AGG(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 49, BAGE 128, 238), die eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG mit der Folge der Unwirksamkeit gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AGG darstellen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 8 AGG oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen aber nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 AGG setzt die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 unionsrechtskonform um (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 26). Die Sanierung eines insolventen Unternehmens stellt aus den genannten Gründen auch ein legitimes Ziel gemäß § 10 Satz 1 AGG dar. Eine mit einer Altersgruppenbildung ggf. verbundene Benachteiligung älterer Arbeitnehmer kann vor diesem Hintergrund gerechtfertigt sein (aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 125 InsO Rn. 21a).

33

c) Der Gesetzgeber gibt eine Altersgruppenbildung weder in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG noch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO zwingend vor. Er überlässt dem Arbeitgeber/Insolvenzverwalter - bzw. den Betriebsparteien - das „Ob“ und das „Wie“ der Gruppenbildung und räumt dabei einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen und möglichen Nachteile deswegen im Einzelnen darlegen, wenn er sich wegen der Sicherung der Personalstruktur auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23 ). Jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 28, BAGE 142, 339; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 30).

34

d) Bei beabsichtigter Schaffung einer neuen Struktur gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO muss der Insolvenzverwalter demgegenüber vortragen, welche konkrete Altersstruktur die Betriebsparteien schaffen wollten und aus welchem Grund dies erforderlich war (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 57). Er ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Aus dem Vortrag muss ersichtlich werden, dass die vereinbarte Altersgruppenbildung zur Erreichung des Ziels der sanierungsbedingten Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur angemessen und erforderlich ist. Die Vorlage des Interessenausgleichs kann nur dann ausreichen, wenn in diesem die erforderlichen Angaben bereits enthalten sind. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen nicht. Sonst kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50). Das bloße Bestreben, das Durchschnittsalter der Beschäftigten zu reduzieren, ist für sich allein betrachtet kein legitimes Ziel (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BAGE 129, 181).

35

II. Die Beklagten sind dieser Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Die Revision rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten bezüglich der Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung verkannt und wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat.

36

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit und die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Bei der Frage nach der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte im Rahmen der sozialen Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers ( § 1 Abs. 3 KSchG ) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es wesentliche Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist. Dabei bezieht sich die Beschränkung des revisionsrechtlichen Prüfungsrahmens nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung, sondern auch auf die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen. Dies gilt in gleicher Weise im Anwendungsbereich des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO, der bei der Nachprüfung der sozialen Auswahl den weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der „groben Fehlerhaftigkeit“ verwendet(BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 23 mwN).

37

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur durch Altersgruppenbildung überhaupt erforderlich war. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Altersgruppen hat es nur darauf verwiesen, dass Mitarbeiter bis 25 Jahre gänzlich fehlten und das Durchschnittsalter aller Mitarbeiter bei 51 Jahren lag. Damit wurde auch die Bildung der Altersgruppe 1, dh. die Zusammenfassung der bis 44-Jährigen, gebilligt.

38

3. Der Vortrag der Beklagten lässt nicht erkennen, dass ein objektives Bedürfnis für die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur bestand.

39

a) Der Verweis auf das betriebliche Durchschnittsalter von 51 Jahren lässt vielmehr auf eine ausgewogene Struktur schließen. Geht man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren aus, so liegt das Alter von 51 Jahren nur knapp über dem Durchschnittsalter in einem Erwerbsleben (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50). Jedenfalls lässt sich aus diesem Altersdurchschnitt nicht ableiten, dass eine Verjüngung der Belegschaft zur Sanierung erforderlich ist. Dies gilt im Besonderen für den Bereich der Channelgroups, dh. der beiden für die Sozialauswahl zusammengefassten Produktionsbereiche, dem auch der Kläger zugeordnet wurde. Mit 61 von insgesamt 109 Mitarbeitern handelt es sich um den größten Bereich des Betriebs. Von diesen 61 fallen 26 Mitarbeiter in die Altersgruppe 1, dh. 42,62 % sind im Alter bis 44 Jahre.

40

b) Der von den Beklagten angeführte Vergleich mit einem „Musterbetrieb“ der Branche stellt für sich genommen keine tragfähige Begründung der Vorgehensweise dar. Eine Wunschvorstellung der Arbeitgeberseite kann als solche keine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen, anderenfalls wäre jeder Überprüfung der nach § 10 Satz 1 AGG anzuwendende objektive Maßstab entzogen. Zudem weist der fiktive Vergleich keinen Bezug zur konkreten Situation der Insolvenzschuldnerin auf. Es gibt insolvente Unternehmen, die (zB wegen besonderer technischer Fähigkeiten) sanierungsfähig sind, obwohl sie keine ideale oder zumindest durchschnittliche Struktur aufweisen. Umgekehrt existieren Schuldner mit einer beinahe mustergültigen Altersstruktur, die dennoch wegen der aktuellen Marktgegebenheiten keine Sanierungsperspektive haben. Die vereinbarte Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur bedarf der Erläuterung in Bezug auf ein konkretes Sanierungsvorhaben. Dabei sind wegen des praktischen Bedürfnisses zügiger Entscheidungen (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 50, BAGE 142, 225) keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es reicht beispielsweise aus, dass der Insolvenzverwalter innerbetriebliche Gründe, wie zB Kostenstrukturen, anführt oder die Probleme bei Gesprächen mit potentiellen Investoren oder Käufern schildert. Dabei kann auch die Altersstruktur vergleichbarer Unternehmen eine Rolle spielen (vgl. MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 97; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der InsO 4. Aufl. § 125 Rn. 70). Es muss aber ein Sanierungskonzept deutlich werden, nicht nur - wie hier - der pauschale Wunsch nach einer Verjüngung der Belegschaft. Ein solches Konzept haben die Beklagten bislang nicht verdeutlicht.

41

c)  Die Argumentation der Beklagten, wonach sich der Betrieb bei Ausscheiden der Älteren gleichsam von selbst „abgeschafft“ hätte, führt nicht weiter. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass ein sukzessives Ausscheiden durch entsprechende Neueinstellungen kompensiert werden kann.

42

III. Die Revision rügt auch begründet, dass die Auswahl unter den Produktionsmitarbeitern aus nicht hinreichend nachvollziehbaren Gründen in Abweichung vom Grundsatz der betriebsbezogenen Sozialauswahl getrennt nach den Bereichen Instandhaltung, Qualität, Logistik, Aircraft, Härten sowie Channelgroup (1 und 2) vorgenommen wurde. Der Beklagte zu 1. hat insoweit seine Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG nicht erfüllt.

43

1. Auch in der Insolvenz ist eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl vorzunehmen. Hinsichtlich der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ist den Betriebspartnern durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO aber ein weiter Spielraum eingeräumt. Bezüglich des auswahlrelevanten Personenkreises besteht diese Einschätzungsprärogative ua. hinsichtlich der tatsächlichen Austauschbarkeit der Arbeitnehmer und der zumutbaren Dauer der Einarbeitungszeit. Eine Beschränkung der Vergleichbarkeit auf Arbeitnehmer, die ohne jegliche Einarbeitungszeit sofort austauschbar sind, ist in der Regel aber grob fehlerhaft.

44

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet im Insolvenzverfahren Anwendung mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich eine soziale Auswahl iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzunehmen hat(vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 112, 273; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 22b). Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen, welche in demselben Betrieb beschäftigt sind (st. Rspr. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 46; 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 23; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 16, BAGE 123, 1). Im Falle der Insolvenz können sich die Betriebspartner nicht bewusst über diese nicht zu ihrer Disposition stehende gesetzliche Grundbedingung der sozialen Auswahl hinwegsetzen und den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer enger oder weiter ziehen, als es das Kündigungsschutzgesetz in seiner Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht zulässt (vgl. BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 22; Bichlmeier Anm. DZWIR 2006, 287). § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verändert nur den Prüfungsmaßstab. Eine abteilungsbezogene Sozialauswahl ist daher ein grober Auswahlfehler, wenn nicht die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer auf die Abteilungen beschränkt ist (vgl. auch ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 10).

45

b) Die horizontale Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass die vom Wegfall des Arbeitsplatzes unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer auf einem vorhandenen Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich einsetzbar sind. Es kommt darauf an, ob diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sowie aufgrund ihrer gleichwertigen Tätigkeiten im Betrieb in der Lage sind, eine andersartige, aber gleichwertige Arbeit von anderen Arbeitnehmern nach einer (relativ) kurzen Einarbeitungszeit auszuüben. Hierbei kann einem aktuellen Stand von Kenntnissen und Fähigkeiten erhebliche Bedeutung zukommen. Ein arbeitsplatzbezogener „Routinevorsprung“ hat bei der Frage der Vergleichbarkeit aber außer Betracht zu bleiben. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 398/04 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 114, 374; 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 18).

46

c) Es ist das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppen zu erfolgen hat (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33). Im Insolvenzverfahren kann bei Vorliegen eines Interessenausgleichs gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO die Sozialauswahl grob fehlerhaft sein, wenn bei der Bestimmung des Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die betrieblichen Interessen augenfällig überdehnt worden sind(BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb bbb der Gründe, BAGE 116, 213). Sprechen dagegen gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die - ggf. fehlerhaft - getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises, ist die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 21; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16 f.). Hinsichtlich der Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse ist den Betriebspartnern durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt; auch insoweit ist die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.

47

d) Ob eine Beschränkung des auswahlrelevanten Personenkreises auf sofort austauschbare Arbeitnehmer („unmittelbare Substituierbarkeit“) in verschiedenen Geschäftsbereichen in einem Interessenausgleich mit Namensliste grob fehlerhaft ist, hat das Bundesarbeitsgericht bislang offengelassen (vgl. BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb ccc (2) der Gründe, BAGE 116, 213). Im Regelfall wird grobe Fehlerhaftigkeit vorliegen, da die soziale Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer zu Gunsten der betrieblichen Interessen anderenfalls schon dann zurücktreten würde, wenn nur eine kurze Einarbeitungszeit von einigen Stunden oder einem Tag erforderlich wäre. Gerade bei niedrig qualifizierten Tätigkeiten mit kurzer Anlernzeit ist dies nicht zu begründen. Im Hinblick auf den Sanierungszweck einerseits und den zu beachtenden Schutz der Arbeitnehmer andererseits wird deshalb eine Regelung, welche die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer generell von der sofortigen Austauschbarkeit ohne jegliche Einarbeitungszeit abhängig macht, nur ausnahmsweise als nicht grob fehlerhaft anzusehen sein (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 37; vgl. auch Lindemann ZInsO 2006, 697). Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Betriebspartner davon ausgehen durften, dass die Sozialauswahl zu einer ernsthaften Gefährdung der betrieblichen Arbeitsabläufe führen würde, welche in der konkreten Situation des Schuldners die Sanierung gefährden würde. Geringfügige Störungen des Betriebsablaufs genügen nicht ( Zwinkmann Der Interessenausgleich über die Sozialauswahl in der Insolvenz nach § 125 InsO S. 126; aA MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 94). Den Betriebspartnern steht allerdings eine weite Einschätzungsprärogative ua. bei der Frage zu, welche Einarbeitungszeit im Einzelfall zumutbar ist (vgl. ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 11; MünchKommInsO/Caspers 3. Aufl. § 125 Rn. 94).

48

2. Die Sozialauswahl ist aber auch dann, wenn grobe Fehlerhaftigkeit vorliegen würde, rechtlich nicht zu beanstanden, wenn durch den Interessenausgleich eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Dies bewirkt § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO (vgl. KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 24; Pakirnus DB 2006, 2742).

49

a) Der dort verwendete Begriff der Personalstruktur ist nicht mit dem der Altersstruktur gleichzusetzen und auf diesen zu beschränken. Er ist im Hinblick auf die Gesetzesbegründung, nach der dem Schuldner oder dem Übernehmer ein funktions- und wettbewerbsfähiges Arbeitnehmerteam zur Verfügung stehen soll (BT-Drucks. 12/7302 S. 172), in einem umfassenderen Sinn zu verstehen. Als weitere Aspekte einer Personalstruktur kommen deshalb auch die Ausbildung und die Qualifikation der Arbeitnehmer im Betrieb und damit die Bildung entsprechender Qualifikationsgruppen und -bereiche in Betracht (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (3) der Gründe; Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 29; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 27; Nerlich/Römermann/Hamacher Stand März 2004 § 125 Rn. 55; Zwinkmann Der Interessenausgleich über die Sozialauswahl in der Insolvenz nach § 125 InsO S. 165; Uhlenbruck/Berscheid 13. Aufl. § 125 InsO Rn. 77). Dadurch wird in besonderer Weise der Sinn und Zweck des § 125 InsO deutlich, die erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen zu fördern und Kündigungserleichterungen zu schaffen(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 45, BAGE 142, 225). Neben der Berücksichtigung der Qualifikationen dürfen die Betriebsparteien daher auch die Funktionsfähigkeit eingespielter Teams berücksichtigen. Auch ist es dem Insolvenzverwalter möglich, mehrere Personalstrukturen geltend zu machen, bspw. gerichtet auf eine ausgewogene Altersstruktur und gerichtet auf bestimmte Qualifikationsgruppen (vgl. KR/Weigand § 125 InsO Rn. 35).

50

b) Das der Festlegung der Strukturmerkmale und der Gruppenbildung zugrunde liegende unternehmerische Konzept unterliegt lediglich einer Missbrauchskontrolle (vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 - zu B II 3 b bb (2) der Gründe). Die Betriebspartner verfügen insoweit über einen gerichtlich nur auf offensichtliche Sachwidrigkeit oder Willkür zu überprüfenden Beurteilungsspielraum (ErfK/Gallner 14. Aufl. § 125 InsO Rn. 14; KR/Weigand 10. Aufl. § 125 InsO Rn. 29). Im Prozess hat der Insolvenzverwalter darzulegen, wie die Personalstruktur beschaffen ist und welche Struktur erreicht werden soll (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 InsO Rn. 30).

51

3. Verlangt der Arbeitnehmer die Angabe der Gründe, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben, ist die Darlegung der Vergleichsgruppenbildung Teil der Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG.

52

a) Diese besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer in eine Namensliste aufgenommen worden ist (BAG 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - zu 2 c bb aaa der Gründe, BAGE 116, 213). Zwar trifft den Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlerhafte Sozialauswahl. Der Arbeitgeber ist jedoch auch in den Fällen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG auf dessen Verlangen die Gründe mitzuteilen, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Insoweit besteht eine abgestufte Darlegungslast. Als Konsequenz aus der materiellen Auskunftspflicht des Arbeitgebers folgt, dass er auf Verlangen des Arbeitnehmers im Prozess substantiiert die Gründe vortragen muss, die ihn zu seiner Auswahl veranlasst haben (BAG 20. September 2006 - 6 AZR 249/05 - Rn. 48). Erst nach Erfüllung der Auskunftspflicht trägt der Arbeitnehmer die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit ändert an der Verteilung der Darlegungslast nichts (BAG 17. November 2005 -  6 AZR 107/05  - aaO; Pakirnus DB 2006, 2742; Klocke DZWIR 2013, 358; Janzen AuR 2013, 203).

53

b) Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft (vgl. hierzu BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05  - Rn. 38 ), so kann der Arbeitnehmer beim Fehlen eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist sein Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend. Entsprechende Erwägungen gelten, wenn der Vortrag des Arbeitgebers Anhaltspunkte dafür bietet, er habe die Sozialauswahl - bei Berücksichtigung des Vortrags des Arbeitnehmers - grob fehlerhaft nicht auf vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt, und der Arbeitgeber es unterlässt, sein Vorbringen zu vervollständigen. Die aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG folgende subjektiv determinierte materielle Mitteilungspflicht des Arbeitgebers wird in dieser Konstellation ergänzt durch die prozessuale Erklärungspflicht nach § 138 ZPO. Ergibt sich aus der Mitteilung des Arbeitgebers, dass er Tatsachen, die objektiv erheblich sein können, in seine subjektiven Erwägungen nicht einbezogen hat, und trägt der gekündigte Arbeitnehmer nachvollziehbar vor, gerade aus diesen Tatsachen ergebe sich die grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl, so ist es eine Obliegenheit des Arbeitgebers, seinen Vortrag weiter zu substantiieren (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 48). Anderenfalls ist der dem Kenntnisstand des Arbeitnehmers entsprechende und ihm konkreter nicht mögliche Vortrag, soziale Gesichtspunkte seien in grob fehlerhafter Weise unberücksichtigt geblieben, als unstreitig anzusehen (vgl. BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05  - Rn. 39 ).

54

4. Dieser Auskunftspflicht ist der Beklagte zu 1. bislang nicht nachgekommen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

55

a) Aus dem Interessenausgleich ergibt sich nur, dass die Betriebsparteien die Arbeitnehmer entsprechend der betrieblichen Organisation abteilungsweise zugeordnet haben. Das Landesarbeitsgericht hat hiervon ausgehend angeführt, dass die Betriebspartner darauf abstellen durften, die vorhandenen Arbeitnehmerteams wegen deren Qualifikation und Effektivität möglichst beizubehalten. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass die Beklagten die vorgenommene Gruppenbildung in Bezug auf die Austauschbarkeit der Produktionsmitarbeiter nicht begründet haben, obwohl der Kläger vorgetragen hat, dass die Produktionsmitarbeiter „nach wenigen Tagen Anlernzeit universell einsetzbar“ waren, „wovon auch rege Gebrauch gemacht wurde“. In den Bereichen Channelgroup und Härten seien ungelernte Tätigkeiten verrichtet worden, die Mitarbeiter seien stets ausgetauscht worden. Diesem Vortrag sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Der Betriebsratsanhörung ist unter IV 1 b nur zu entnehmen, dass die Mitarbeiter im Bereich Aircraft wegen „Spezialkenntnissen“ und „Level-2-Prüfungen“ mit anderen Arbeitnehmern nicht vergleichbar wären. Die Austauschbarkeit der Beschäftigten in Channelgroup 1 und 2 mit den Produktionsmitarbeitern in den Bereichen Instandhaltung und Härten wird nicht thematisiert.

56

b) Auch bei Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien haben die Beklagten die Gruppenbildung damit nicht hinreichend begründet. Es wurde im Interessenausgleich zwar offensichtlich berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer auf ihren Arbeitsplätzen eingearbeitet sind und die Zusammenarbeit innerhalb der Bereiche etabliert ist. Sollte entsprechend dem Vortrag des Klägers die Austauschbarkeit der Produktionsmitarbeiter aber zumindest in den Bereichen Channelgroup 1 und 2, Instandhaltung und Härten ohne oder mit einer nur kurzen Einarbeitungszeit gegeben sein, so wäre die Beschränkung der Sozialauswahl auf die bisherigen Einsatzbereiche auch mit der Zielsetzung des Erhalts oder der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur nur bei Darlegung rechtfertigender Umstände zu begründen. Die Beklagten haben aber weder zur Frage der Einarbeitungszeiten als solcher noch zu sonstigen Kriterien, wie zB nicht hinnehmbarer Beeinträchtigungen des Produktionsablaufs bei Vornahme von Versetzungen, vorgetragen.

57

IV. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Sozialauswahl wäre ohne die Bildung von Altersgruppen und die Beschränkung auf die einzelnen Produktionsbereiche im Hinblick auf das Auswahlergebnis der Kündigung des Klägers grob fehlerhaft.

58

1. Sind die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von Altersgruppen nicht erfüllt, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Gleiches gilt für die Bildung abweichender Vergleichsgruppen in Bezug auf die betriebliche Struktur. Es ist zu prüfen, ob die soziale Auswahl dennoch im Auswahlergebnis bezogen auf den klagenden Arbeitnehmer nicht grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist(vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 59).

59

2. Die Sozialauswahl wäre hier bei Einbeziehung aller Produktionsmitarbeiter der verschiedenen betrieblichen Bereiche und ohne Altersgruppenbildung bezogen auf den Kläger im Ergebnis grob fehlerhaft.

60

a) Der Kläger hat vorgetragen, dass er aufgrund seiner Qualifikation auch in anderen Produktionsbereichen (Instandhaltung, Härten) tatsächlich einsetzbar wäre. Aufgrund der Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag sei er auch in allen Produktionsbereichen zu beschäftigen. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

61

b) Die Bildung sog. Qualifikationsgruppen innerhalb der verschiedenen Produktionsbereiche, dh. die Herausnahme der Schichtführer und Einsteller aus dem Kreis der zu Kündigenden, hat der Kläger als solche nicht beanstandet. Er hat nur angeführt, dass er selbst dem Kreis der Einsteller zuzuordnen wäre und die Arbeitnehmer R, W und H keine Schichtführer, sondern Maschinenbediener seien. Dies belege die willkürliche Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Qualifikationsgruppen. Das Landesarbeitsgericht hat die Qualifikationsgruppenbildung innerhalb einer bereichsbezogenen Vergleichsgruppe als nicht grob fehlerhaft bewertet, da die besser qualifizierten Arbeitnehmer zur Schaffung einer leistungsfähigen Personalstruktur und Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Produktion im Drei-Schicht-Betrieb entsprechend dem Interessenausgleich erforderlich seien. Es sei legitim, zur Erhaltung der Effektivität eines Arbeitsteams als Einsteller weiterhin die Mitarbeiter einzusetzen, die diese Tätigkeit bereits mehrjährig ausgeübt haben. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

62

c) Dennoch wäre eine Sozialauswahl bezogen auf die Produktionsmitarbeiter aller Bereiche und ohne Altersgruppenbildung mit Blick auf den Kläger im Ergebnis grob fehlerhaft.

63

aa) Der Kläger hat die sozial stärkeren Arbeitnehmer in der Berufungsbegründung benannt. Die Angaben decken sich mit der Anlage 2 zum Interessenausgleich („Ist-Struktur“) und der Anlage 1 zur Betriebsratsanhörung.

64

bb) Die grobe Fehlerhaftigkeit ergibt sich aus dem Vergleich mit den Kollegen der Altersgruppe 1. Die im Folgenden genannten Produktionsmitarbeiter sind sozial weitaus stärker als der seit 1998 beschäftigte Kläger, der 1960 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Diese Arbeitnehmer hätten nach dem Inhalt der Verfahrensakten, welcher der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 26), vorrangig gekündigt werden müssen:

65

(1) Im Bereich Channelgroup, dh. der nach dem Interessenausgleich maßgeblichen Vergleichsgruppe, ist Herr P (geb. 1969, verheiratet, keine Kinder, seit 1995 beschäftigt) nur drei Jahre länger beschäftigt, aber knapp zehn Jahre jünger und ohne Unterhaltsverpflichtung für Kinder.

66

(2) Im Bereich Härten ist Herr A (geb. 1971, verheiratet, zwei Kinder, seit 1999 beschäftigt) bei etwa gleicher Betriebszugehörigkeit als wesentlich jüngerer Kollege sozial weitaus stärker.

67

(3) Im Bereich Instandhaltung ist Herr B (geb. 1980, verheiratet, ein Kind, seit 1997 beschäftigt) ca. 20 Jahre jünger und trägt die Unterhaltspflicht für nur ein Kind. Herr S (geb. 1979, ledig, kein Kind, seit 1995 beschäftigt) ist gleichermaßen jünger und ohne Unterhaltsverpflichtung.

68

(4) Im Bereich Qualität ist Herr Q (geb. 1980, ledig, kein Kind, seit 1995 beschäftigt) offensichtlich sozial stärker.

69

C. Die Kündigung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unwirksam, so dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auch ohne die Prüfung der Sozialauswahl aufgehoben und der Klage stattgegeben werden müsste (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist folglich gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

70

I. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Im Falle eines Betriebsübergangs erstreckt sich die Vermutung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO auch darauf, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt( § 128 Abs. 2 InsO ).Der Kläger hat diese gesetzliche Vermutung nicht widerlegt. Die Revision führt auch keinen Angriff gegen die durch Bezugnahme auf die arbeitsgerichtliche Entscheidung wiedergegebene Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Kündigung betriebsbedingt zu Sanierungszwecken aufgrund eines Erwerberkonzepts erfolgte. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstößt eine Kündigung nicht gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang betriebsbedingt aufgrund eines Erwerberkonzepts oder zur Durchführung von Rationalisierungen - ggf. zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit - im Rahmen eines eigenen Sanierungskonzepts des Veräußerers erfolgt (BAG 20. September 2006 - 6 AZR 249/05 - Rn. 31; vgl. auch MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 192).

71

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG erklärt wurde(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11  - Rn. 31 , 37; 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 42; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 72). Das Arbeitsgericht hat zu dieser Frage Beweis erhoben. Die Beweisaufnahme ergab, dass die Kündigung dem Kläger erst nach Erstattung der Anzeige übergeben wurde. Das Landesarbeitsgericht legte dies ebenso wie das Arbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Hiergegen erhebt die Revision keine Rügen. Sonstige Fehler des Anzeigeverfahrens wurden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.

72

III. Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratsanhörung wie das Arbeitsgericht als ordnungsgemäß angesehen. Hiergegen erhebt die Revision keine Rüge. Ein Fehler ist auch nicht erkennbar.

73

IV. Entscheidend ist somit die Rechtmäßigkeit der getroffenen Sozialauswahl.

74

1. Mangels hinreichender Feststellungen kann der Senat nicht selbst beurteilen, ob und aus welchem Grund die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur hier trotz der dargestellten Bedenken veranlasst war. Folglich kann auch der Zuschnitt der konkreten Altersgruppen nicht beurteilt werden, da diese im Zusammenhang mit dem verfolgten Sanierungskonzept stehen. Den Beklagten ist gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zur entsprechenden Ergänzung ihres Vortrags zu geben, da sie ersichtlich bislang davon ausgingen, dass die Berufung auf den Interessenausgleich ausreicht und ein gerichtlicher Hinweis auf die Darlegungslast bezüglich der sanierungsbedingten Erforderlichkeit der Altersgruppenbildung nicht erfolgte. Das Landesarbeitsgericht wird nach Stellungnahme der Parteien die Bildung von Altersgruppen nach § 10 AGG erneut beurteilen müssen. Ein willkürlicher Zuschnitt der Altersgruppen mit dem bloßen Ziel der Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer ist unangemessen und kann der gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30, BAGE 142, 225).

75

2. Hinsichtlich der nach den betrieblichen Bereichen vorgenommenen Sozialauswahl kann der Senat mangels entsprechender Feststellungen die Vergleichbarkeit der Produktionsmitarbeiter nicht beurteilen. Aus den genannten Gründen ist den Beklagten Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags zu geben.

76

3. Sollte es darauf ankommen, ob einzelne Arbeitnehmer zu Recht aus der Sozialauswahl herausgenommen wurden, wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass auch insoweit der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit anzuwenden ist. Dies betrifft auch die vom Kläger angeführten Mitarbeiter R, W und H, die angeblich unberechtigt als Schichtführer eingeordnet wurden. Bezüglich des Kollegen D hat das Landesarbeitsgericht bereits rechtsfehlerfrei entschieden, dass grobe Fehlerhaftigkeit nicht vorliegt. Die Sozialdaten weichen im persönlichen Bereich nur geringfügig von denen des Klägers ab. Herr Dang ist 1961 geboren, verheiratet und unterhaltspflichtig für zwei Kinder. Er ist aber bereits seit 1989 und damit ca. neun Jahre länger als der Kläger beschäftigt.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Reiner Koch     

        

    Hoffmann    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. August 2009 - 11 Sa 320/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die im Dezember 1971 geborene Klägerin war seit August 1999 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiterin tätig.

3

Die Beklagte stellt Tiernahrung her. In ihrem Werk E beschäftigte sie zu Mitte des Jahres 2008 242 Mitarbeiter, davon 168 gewerbliche Arbeitnehmer im Rahmen der Produktion und einige mehr in der Werkstatt, im Lagerbereich sowie in der Qualitätsprüfung.

4

Im Juli 2008 beschloss die Beklagte, im Produktionsbereich 31 Stellen abzubauen. Am 24. Juli 2008 vereinbarte sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Sozialplan und eine „Auswahlrichtlinie gem. § 95 BetrVG“. Die Namensliste enthält die Namen von 31 zu kündigenden Arbeitnehmern, darunter den der Klägerin. Nach § 1 des Interessensausgleichs beruht der Wegfall der Arbeitsplätze auf einer „Linienoptimierung“ in verschiedenen Bereichen der Produktion - dies betrifft elf Mitarbeiter -, auf einer „Maschinenlaufzeitreduzierung“ aufgrund einer „Volumenreduzierung im Trockenbereich“ - dies betrifft acht Mitarbeiter - und auf dem Wegfall zweier Produkte, womit die Stilllegung zweier Maschinen und die „Volumenreduktion“ einer weiteren Maschine begründet wird - dies betrifft zwölf Arbeitnehmer.

5

Gemäß Nr. 2 der Auswahlrichtlinie ist die soziale Auswahl in mehreren Stufen zu vollziehen. Zunächst ist eine Vergleichsgruppenbildung vorzunehmen. Insoweit verständigten sich die Betriebsparteien darüber, dass „alle gewerblichen Arbeitnehmer im Sinne der Sozialauswahl vergleichbar“ seien. Außerdem bildeten sie vier Altersgruppen: Lebensalter 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre und über 55 Jahre. Die Belegschaft des gewerblichen Bereichs verteilte sich auf die Gruppen - aufsteigend - wie folgt: 23 %, 34 %, 32 %, 11 %. Daran anschließend ist nach der Richtlinie die - eigentliche - Sozialauswahl innerhalb der Altersgruppen nach einem Punkteschema durchzuführen. Dazu sind für die Betriebszugehörigkeit in den ersten zehn Dienstjahren je Dienstjahr ein Punkt, ab dem 11. Dienstjahr zwei Punkte (maximal 70 Punkte) und für jedes volle Lebensjahr ein Punkt (maximal 55 Punkte) in Ansatz zu bringen. Ferner sind für jedes unterhaltsberechtigte Kind (lt. Steuerkarte) vier Punkte, für den unterhaltsberechtigten Ehepartner vier Punkte und für alleinerziehende Mitarbeiter weitere vier Punkte anzurechnen. Die Schwerbehinderung ist bei einem GdB bis 50 mit fünf Punkten und bei jedem um zehn höheren Grad mit einem weiteren Punkt zu berücksichtigen.

6

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - zum 31. Oktober 2008.

7

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, betriebliche Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die im Interessenausgleich beschriebenen organisatorischen Maßnahmen seien nicht, jedenfalls nicht auf Dauer durchgeführt worden. Tatsächlich habe sich der Arbeitskräftebedarf im Jahr 2008 aufgrund der Einführung neuer Produkte sogar erhöht. Überdies beschäftige die Beklagte durchgängig eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern. Bei den mit ihnen besetzten Arbeitsplätzen handele es sich um „freie“ Arbeitsplätze, die die Beklagte vorrangig mit Stammarbeitnehmern habe besetzen müssen. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Entgegen den Vorgaben der Auswahlrichtlinie seien vergleichbare gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung beschäftigt seien, nicht in die Auswahl einbezogen worden. Die Altersgruppen seien willkürlich gewählt und auf ein bestimmtes Ergebnis der Sozialauswahl hin zugeschnitten.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie als Produktionsmitarbeiterin weiterzubeschäftigen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.123,70 Euro brutto abzüglich 1.182,60 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Klägerin habe die nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt. Die im Interessenausgleich dargestellten Maßnahmen, die auf einen Rückgang des Produktionsvolumens seit dem Jahr 2008 um mehr als 16 vH zurückzuführen seien, seien allesamt durchgeführt worden. Zwar habe sie die Herstellung der beiden im Interessenausgleich bezeichneten Produkte im Herbst des Jahres 2008 vorübergehend wieder aufgenommen. Dies sei jedoch auf einen nicht vorhersehbaren, temporären Produktionsengpass in einem französischen Schwesterwerk zurückzuführen gewesen; an ihrer Entscheidung, die Produktion der betreffenden Artikel in E dauerhaft einzustellen, habe sich dadurch nichts geändert. Leiharbeitnehmer beschäftige sie lediglich zur Abdeckung eines über das verbliebene Volumen von 137 Arbeitsplätzen hinausgehenden, nicht vorhersehbaren (Vertretungs-)Bedarfs. Sie sei nicht verpflichtet, eine eigene Personalreserve vorzuhalten. Die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die außerhalb des Produktionsbereichs tätigen gewerblichen Arbeitnehmer verfügten über eine andere - zumeist technische - Ausbildung und seien mit der Klägerin nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien nicht vergleichbar. Die Bildung von Altersgruppen sei legitim. Dadurch sei erreicht worden, die Altersstruktur im Produktionsbereich annähernd zu erhalten.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 28. Juli 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst. Sie ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG.

12

I. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Dies ist nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG jedenfalls zu vermuten, weil die Kündigung auf einer Betriebsänderung beruht und ihr ein Interessenausgleich mit Namensliste zugrunde liegt. Die Klägerin hat weder die gesetzliche Vermutung widerlegt, noch hat sie eine wesentliche Änderung der Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG als erfüllt angesehen, ohne dass die Revision hiergegen erhebliche Rügen erhoben hätte. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

14

a) Der Interessenausgleich vom 24. Juli 2008 sieht den Wegfall von 31 Arbeitsplätzen in „verschiedenen Bereichen der Produktion“ vor. Dies entspricht, bezogen auf die Gesamtzahl der im Betrieb E beschäftigten 242 Arbeitnehmer, einem Anteil von mehr als 10 vH der Belegschaft. Der Personalabbau, auf dem die Kündigung basiert, erfüllt damit die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnahmen ankäme( vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 3 a der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10).

15

b) Die Klägerin ist in der dem Interessenausgleich beigefügten, mit diesem fest verbundenen Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich genannt. Ihre Rüge, die der Namensliste zugrunde liegende Altersgruppenbildung widerspreche dem Gesetz, lässt die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unberührt. Die behauptete Rechtsverletzung führt nicht zur „Unwirksamkeit“ der Namensliste oder des Interessenausgleichs insgesamt (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; kritisch Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).

16

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt.

17

a) Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vor, kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO vorbringen, dass in Wahrheit eine Möglichkeit, ihn zu beschäftigen, weiterhin besteht. Dazu ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder er an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kann sich dabei eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ergeben. Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen besitzt, kann den Arbeitgeber eine (sekundäre) Darlegungslast treffen und die des Arbeitnehmers sich entsprechend mindern (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38 mwN, BAGE 124, 48). Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gleichwohl erst widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert behauptet und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht vorliegt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, aaO; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 24, aaO).

18

b) Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht.

19

aa) Die Klägerin hat, was den Wegfall von Arbeitsplätzen durch „Linienoptimierung“ anbelangt, nicht bestritten, dass die Beklagte im Kündigungszeitpunkt endgültig und ernsthaft entschlossen war, die Maßnahme durchzuführen. Sie hat lediglich in Abrede gestellt, dass die Organisationsentscheidung auf Dauer durchzuhalten sei. Sie hat behauptet, die Beklagte habe zwar versucht, die Anzahl der an den einzelnen Maschinen beschäftigten Mitarbeiter zu reduzieren, es habe sich jedoch „schnell gezeigt“, dass die Maschinen mit weniger Personal nicht zu bedienen seien. Deshalb setze die Beklagte Mitarbeiter in unverändertem Umfang an den Linien ein.

20

(1) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Vermutung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Es trägt dem Prognosecharakter der Kündigung nur unzureichend Rechnung. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht erst möglich, wenn der Arbeitsplatz tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht. Sie kann schon dann wirksam erklärt werden, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs die auf Tatsachen gestützte Vorausschau gerechtfertigt ist, dass jedenfalls zum Ablauf der Kündigungsfrist der die Entlassung erforderlich machende betriebliche Grund vorliegen wird (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240; 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 72, BAGE 120, 115). Stellt sich eine im Kündigungszeitpunkt berechtigterweise entwickelte Vorstellung des Arbeitgebers, es fehle spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, nachträglich als unzutreffend heraus, lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich unberührt. Eine im Kündigungszeitpunkt nicht absehbare Veränderung der betrieblichen Verhältnisse kann allenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch begründen (BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - aaO). Die Klägerin hätte deshalb aufzeigen müssen, aufgrund welcher Umstände eine Prognose der Beklagten, die unstreitig beabsichtigte Linienoptimierung sei durchführbar, von vornherein unvernünftig gewesen sein soll. Ihr Vorbringen schließt stattdessen eine für die Beklagte nicht vorhersehbare, von deren Prognose nachträglich abweichende Entwicklung nicht aus.

21

(2) Unabhängig davon kann anhand des Vortrags der Klägerin nicht nachvollzogen werden, wie viele Arbeitnehmer vor und nach Ablauf der Kündigungsfrist auf welchen Linien tatsächlich zum Einsatz kamen. Ohne eine entsprechende Konkretisierung ist es nicht möglich festzustellen, ob der Beschäftigungsbedarf in dem fraglichen Bereich tatsächlich unverändert geblieben ist oder sich, wie von der Beklagten behauptet, dauerhaft um 31 Arbeitsplätze verringert hat. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt, ist angesichts der Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unbegründet. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, zu einer Substantiierung ihrer pauschalen Behauptungen nicht in der Lage zu sein.

22

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin nicht überspannt, soweit es der Auffassung war, diese habe einen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs infolge der Reduzierung der Maschinenlaufzeit nicht widerlegt. Die Klägerin hat ausdrücklich zugestanden, dass es im Betrieb „zunächst“ zu einem Rückgang gekommen sei. Den Umstand, dass die beiden laut Interessenausgleich wegfallenden Produkte tatsächlich noch bis gegen Ende des Jahres 2008 im Werk E hergestellt wurden, hat die Beklagte mit vorübergehenden Produktionsengpässen in einem französischen Schwesterwerk erklärt, mit denen sie im Kündigungszeitpunkt nicht habe rechnen müssen. Dieser Behauptung ist die Klägerin ebenso wenig substantiiert entgegengetreten wie den Ausführungen der Beklagten, die betreffenden Produktionseinsätze hätten an ihrer - zwischenzeitlich endgültig umgesetzten - Entscheidung, die fraglichen Maschinen stillzulegen, nichts geändert.

23

cc) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist auch nicht durch den unstreitigen Einsatz von Leiharbeitnehmern widerlegt. Das Vorbringen der Klägerin lässt nicht erkennen, dass diese die Arbeit gekündigter Stammarbeitnehmer übernommen hätten und deshalb bloße Austauschkündigungen vorlägen (vgl. dazu BAG 26. September 1996 - 2 AZR 200/96 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 84, 209). Ebenso wenig hat sie das Vorhandensein „freier“ Arbeitsplätze iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgezeigt.

24

(1) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erstreckt sich nicht nur auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im bisherigen Arbeitsbereich des Arbeitnehmers, sondern auch auf das Fehlen der Möglichkeit, diesen anderweitig einzusetzen(BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 54, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 124, 48). Will der Arbeitnehmer sie widerlegen, muss er substantiiert aufzeigen, dass im Betrieb ein vergleichbarer Arbeitsplatz oder ein solcher zu schlechteren, aber zumutbaren Arbeitsbedingungen frei war. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

25

(2) Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers seien „freie“ Arbeitsplätze vorhanden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

26

(a) Werden Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von „Auftragsspitzen“ eingesetzt, liegt keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG vor. Der Arbeitgeber kann dann typischerweise nicht davon ausgehen, dass er für die Auftragsabwicklung dauerhaft Personal benötige. Es kann ihm deshalb regelmäßig nicht zugemutet werden, entsprechendes Stammpersonal vorzuhalten (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 4/04 - zu B IV 2 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 58; Moll/Ittmann RdA 2008, 321, 324).

27

(b) An einem „freien“ Arbeitsplatz fehlt es in der Regel außerdem, soweit der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als „Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigt. Das gilt unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Vertretungszeiten.

28

(aa) Es werden nicht „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG besetzt, wenn der Arbeitgeber einen etwa durch Krankheit oder Urlaub ausgelösten Vertretungsbedarf durch die (befristete) Einstellung von Arbeitnehmern abdeckt(BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154). Es bleibt der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren Entscheidung des Arbeitgebers überlassen, ob und für wie lange ein aus diesen Gründen vakanter Arbeitsplatz besetzt werden soll. Andernfalls könnte der Arbeitgeber gezwungen sein, mehr Arbeitsverhältnisse zu begründen, als er für zweckmäßig hält. Indessen ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Verhältnis der Anzahl der Arbeitskräfte zum Volumen der anfallenden Arbeit zu bestimmen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für krankheits- oder urlaubsbedingte Vertretungsfälle, sondern auch für längerfristig bestehende Vertretungszeiten wie die Elternzeit (vgl. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO). Der Arbeitsplatz eines schon beschäftigten, aber verhinderten Arbeitnehmers ist selbst dann nicht „frei“, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der Mitarbeiter nicht auf ihn zurückkehren wird (vgl. BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

29

(bb) Diese Überlegungen treffen gleichermaßen zu, wenn der Arbeitgeber zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgreift. Diese werden auch dann nicht auf „freien“ Arbeitsplätzen beschäftigt, wenn der Vertretungsbedarf regelmäßig anfällt. Andernfalls bliebe der Arbeitgeber nicht frei in seiner Entscheidung, ob er Vertretungszeiten überhaupt und - wenn ja - für welchen Zeitraum überbrückt.

30

(c) Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer dagegen, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss(vgl. HaKo-KSchR/Gallner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 661; Simon/Greßlin BB 2007, 2454, 2456; zum uneinheitlichen Meinungsstand für den Fall, dass die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf einer konzeptionellen Entscheidung des Arbeitgebers beruht: ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 275; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 134 Rn. 55; HaKo-KSchR/Gallner aaO; Reinhard in Thüsing/Laux/Lembke KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 739; Düwell/Dahl DB 2007, 1699; Gaul/Ludwig DB 2010, 2334; Hamann NZA 2010, 1211; Rost NZA Beil. 1/2009, 23, 26).

31

(3) Das Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet die Behauptung der Beklagten zu widerlegen, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zur Überbrückung von Vertretungszeiten ein.

32

(a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weisen die von der Klägerin vorgelegten Personaleinsatzpläne erhebliche Schwankungen hinsichtlich der Zahl der „Aushilfen“ auf. Für einzelne Tage - sowohl vor als auch nach Zugang der Kündigung - beläuft diese sich auf „Null“ oder gar einen negativen Wert. Dies spricht nicht gegen, sondern für die Behauptung der Beklagten, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung eines unsteten Arbeitskräftebedarfs ein. Die in der Personalplanung ausgewiesenen negativen Werte dürften zudem den Willen der Beklagten dokumentieren, bei Vertretungsbedarf vorrangig auf einen Arbeitskräfteüberhang aus dem Kreis der Stammbelegschaft zurückzugreifen.

33

(b) Die absolute Zahl eingeplanter Aushilfen mag - wie von der Klägerin behauptet - nach Ausspruch der Kündigung angestiegen sein. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Die Beklagte hat ihn mit einer erhöhten Zahl von Krankheitsfällen und einem damit verbundenen Produktivitätseinbruch erklärt. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die geeignet wären, diese Behauptung zu widerlegen. Vielmehr indizieren ihre eigenen Berechnungen, dass es sich bei dem zusätzlichen Beschäftigungsbedarf nicht um „freie“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG handelte. Hatte die Klägerin ursprünglich vorgetragen, die Beklagte benötige zur Aufrechterhaltung der Produktion durchgängig 134 Arbeitnehmer und unter Berücksichtigung der im Lager, Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung eingesetzten Mitarbeiter sowie durchschnittlich anfallender Krankheits- und planbarer Urlaubszeiten weitere 35, so geht sie in der Revision für den Produktionsbereich von einem regelmäßigen Arbeitskräftebedarf von 126 Arbeitnehmern, für das Lager und die übrigen Bereiche von einem Bedarf von weiteren zehn und von einem zusätzlichen, auf Vertretungstätigkeiten entfallenden Bedarf von 23 Arbeitnehmern aus. Daraus lässt sich kein Beschäftigungsvolumen ableiten, das den im Interessenausgleich veranschlagten Bedarf von 137 Arbeitsplätzen überstiege. Das von der Klägerin zusätzlich ermittelte Beschäftigungsvolumen betrifft Vertretungstätigkeiten und damit gerade keine „freien“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen der Klägerin gehen zumindest mangels Entscheidungserheblichkeit ins Leere.

34

3. Die Klägerin hat keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

35

a) § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG erfasst nur solche Änderungen, die bis zum Zugang der Kündigung eingetreten sind. Bei späteren Änderungen kommt allenfalls ein - von der Klägerin hier nicht erhobener - Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 39/00 - zu II 3 der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8). Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe einige der aufgrund des Interessenausgleichs bereits erklärten Kündigungen „zurückgenommen“, nachdem mehrere, nicht in der Namensliste benannte Arbeitnehmer ihre Bereitschaft erklärt hätten, freiwillig aus dem Betrieb auszuscheiden, zielt auf eine solche spätere Änderung. Entsprechendes gilt für die Behauptung, bereits während des Laufs der Kündigungsfrist habe sich gezeigt, dass die der Betriebsänderung zugrunde liegenden Organisationsentscheidungen nicht durchführbar seien.

36

b) Selbst wenn die in Rede stehenden Aufhebungsverträge geschlossen worden wären, bevor der Klägerin ihre Kündigung zuging, läge darin kein Fall des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG. Die Betriebsparteien haben die Möglichkeit einer einvernehmlichen „Trennung“ der Beklagten von Mitarbeitern, die nicht in der Namensliste genannt sind, unter § 2 des Interessenausgleichs bedacht und einer Regelung zugeführt. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, von dem § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG ausgeht, scheidet dann aus(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20 f., AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

37

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 KSchG. Ein grober Auswahlfehler liegt nicht vor. Die für die Kündigung mitursächliche Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist mit nationalem Recht und mit Unionsrecht zu vereinbaren.

38

1. Aufgrund der namentlichen Nennung der Klägerin in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 kann die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich nur auf grobe Fehler überprüft werden (st. Rspr., BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 60, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16).

39

2. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22). Nicht entscheidend ist, ob das gewählte Auswahlverfahren als solches zu Beanstandungen Anlass gibt (BAG 1 0. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - aaO; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 23, BAGE 120, 18).

40

3. Ein evidenter Auswahlfehler liegt hier nicht deshalb vor, weil die Beklagte gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und in der Qualitätsprüfung beschäftigt sind, nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen hat. Dadurch wurde der auswahlrelevante Personenkreis nicht grob verkannt.

41

a) Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Dies sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - zu B I 4 a aa der Gründe, BAGE 115, 92). Es geht darum, ob der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz desjenigen Arbeitnehmers übernehmen kann, den er für sozial weniger schützenswert hält und dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden soll (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO mwN).

42

b) Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG - die auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG besteht(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 5 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10) - erfüllt. Sie hat anhand vorgelegter Auswahllisten mitgeteilt, welche Arbeitnehmer mit welchen Sozialdaten sie bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt hat. Mit Blick auf die gewerblichen Mitarbeiter, die in den Listen nicht aufgeführt sind, hat sie vorgetragen, diese verfügten über eine Ausbildung als Schlosser oder Elektriker. Ihre Arbeitsaufgabe bestehe darin, die im Produktionsbereich eingesetzten Maschinen zu reparieren, und nicht darin, sie zu bedienen, wie es Aufgabe der Klägerin sei. Die Klägerin sei als Fachkraft für Lebensmitteltechnik nicht vergleichbar technisch geschult und nicht in der Lage, Störungen der Maschinen selbständig zu beheben.

43

c) Mit diesen Gesichtspunkten, die gegen eine arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit sprechen, hat sich die Klägerin nicht näher auseinandergesetzt. Sie hat sich ausschließlich auf die in der Auswahlrichtlinie getroffene Vereinbarung zur Vergleichsgruppenbildung berufen. Die Betriebsparteien hätten sich darin verbindlich über eine Vergleichbarkeit sämtlicher im Betrieb beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer verständigt. Damit hat die Klägerin eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht dargelegt.

44

aa) Gewerbliche Arbeitnehmer, die in anderen Bereichen als der eigentlichen Produktion beschäftigt sind, werden von der fraglichen Vergleichsgruppenregelung nicht erfasst. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarung. Ihr liegt - wie unter Nr. 2 der Richtlinie festgehalten - die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, alle Mitarbeiter „im gewerblichen Bereich“ verfügten über eine „prinzipiell vergleichbare Qualifikation“, an die Arbeitsplätze des betreffenden Bereichs seien „vergleichbare Anforderungen“ zu stellen. Angesichts des unter Nr. 1 bestimmten Anwendungsbereichs der Richtlinie, der sich ausdrücklich nur auf solche Kündigungen erstreckt, die „in Umsetzung der Personalanpassungsmaßnahme 2008 durchgeführt werden“, ist damit unter dem für die Vergleichsgruppenbildung maßgebenden „gewerblichen Bereich“ der eigentliche Bereich der Produktion zu verstehen. Allein in diesem sollte laut § 1 des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 der Personalabbau durchgeführt werden. Für dieses Verständnis spricht ferner der Umstand, dass die Betriebsparteien beim zeitgleichen Abschluss des Interessenausgleichs in diesen und die zu ihm erstellte Namensliste nur Arbeitsplätze in bzw. Namen von Mitarbeitern aus der Produktion aufgenommen haben. Ersichtlich haben sie nur diese als Arbeitsplätze im „gewerblichen Bereich“ iSd. Auswahlrichtlinie angesehen.

45

bb) Im Übrigen läge auch dann kein grober Fehler bei der Sozialauswahl vor, wenn die Auswahlrichtlinie in dem von der Klägerin befürworteten Sinne zu verstehen wäre. Zwar hätten dann auf ihrer Grundlage noch weitere Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Es bleibt den Betriebsparteien aber grundsätzlich unbenommen, Vereinbarungen über die personelle Auswahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs und Erstellung einer Namensliste - wieder abzubedingen. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über eine Auswahlrichtlinie hinweg, lässt dies die Maßgeblichkeit der Namensliste zumindest dann unberührt, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. Lingemann/Rolf NZA 2005, 264, 268; wohl auch Berkowsky Betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. S. 213). Im Übrigen sind die Betriebsparteien im Rahmen von § 1 Abs. 4 KSchG nicht berechtigt, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu bestimmen(BAG 15. Juni 1989 - 2 AZR 580/88 - zu B II 2 e bb der Gründe, BAGE 62, 116; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 359; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 696; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 1 Rn. 493). Die Klägerin hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass sie mit den außerhalb des Produktionsbereichs beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern vergleichbar war. Dem genügt ihr Vorbringen nicht, zumal sie insoweit eine „grobe Fehlerhaftigkeit“ iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG hätte aufzeigen müssen.

46

4. Die der Namensliste zugrunde liegende soziale Auswahl ist auch im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende „Punktesystem“ und die Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden. Zwar kann die Bildung von Altersgruppen dazu führen, dass Arbeitnehmer gekündigt werden, die bei einer allein an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierten Sozialauswahl nicht zur Entlassung angestanden hätten. Diskriminierungsverbote werden dadurch aber nicht verletzt.

47

a) Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gelten auch für den Ausspruch von Kündigungen. Sie sind im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung zu beachten. Eine Kündigung kann sozialwidrig sein, weil sie gegen ein im AGG näher ausgestaltetes Benachteiligungsverbot verstößt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28 ff., BAGE 128, 238). § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Die Norm zielt darauf ab, den Diskriminierungsverboten in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht bei Kündigungen dadurch Geltung zu verschaffen, dass sie im Rahmen der Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt werden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40, aaO).

48

b) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist das Lebensalter trotz des Verbots der Altersdiskriminierung neben den weiteren in der Bestimmung angeführten Kriterien bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Das führt zwar in der Tendenz zu einer Bevorzugung älterer und unmittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Diese Ungleichbehandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist aber sowohl durch § 10 Satz 1, Satz 2 AGG als auch durch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gerechtfertigt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 43 ff., BAGE 128, 238). Durch eine von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Bildung von Altersgruppen wiederum wird die andernfalls linear ansteigende Gewichtung des Lebensalters unterbrochen und zugunsten jüngerer Arbeitnehmer relativiert. Auch diese Methode der Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist - sofern sie nicht willkürlich oder tendenziös auf bestimmte Personen zielend erfolgt - mit AGG und Unionsrecht zu vereinbaren. Beides vermag der Senat ohne Vorabentscheidungsersuchen nach § 267 Abs. 3 AEUV zu entscheiden. Das für die Beurteilung der Vereinbarkeit des Regelungskomplexes der Sozialauswahl mit Unionsrecht maßgebliche Verständnis von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt.

49

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; unter legitimen Zielen sind dabei insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie können derartige Ungleichbehandlungen die Festlegung besonderer Bedingungen für die Entlassung einschließen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene haben sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17; 12. Oktober 2010- C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, aaO; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

50

Die Prüfung, ob eine nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dient, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des bestehenden Ermessensspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 49 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 12. April 2011 - 1 AZR 743/09 - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 42).

51

bb) Der Gerichtshof hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; vgl. auch BVerfG 24.Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15, NZA 2012, 202). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, aaO). Eine nationale Regelung, die das mit ihr angestrebte Ziel nicht genau angibt, ist nicht allein deshalb von einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehlt es an einer solchen Angabe, ist es allerdings wichtig, dass andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39, aaO; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 58, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9).

52

cc) Danach durften die Betriebsparteien das Lebensalter bei der Sozialauswahl durch die Bildung und sodann im Rahmen von Altersgruppen berücksichtigen. Die dem zugrunde liegenden Bestimmungen in § 1 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG sind unionsrechtskonform.

53

(1) Die durch § 1 Abs. 3 KSchG vorgegebene Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl verfolgt ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Ältere Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sollen bei einer betrieblich veranlassten Kündigung stärker geschützt werden (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 60, Slg. 2005, I-9981; BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 44, BAGE 128, 238). Diesen Zweck hat der Gesetzgeber zwar nicht unmittelbar in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG formuliert. Er kam aber deutlich in der für eine Übergangszeit (bis zu ihrer Aufhebung durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl. I S. 2742) geltenden Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG aF zum Ausdruck. Danach sollte eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl zulässig sein, sofern über die Auswahl „insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden“. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Lebensalter - jedenfalls im Zusammenhang mit einer durchzuführenden Sozialauswahl - als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen der Beschäftigten nach einer Kündigung verstanden wissen will.

54

(2) Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angemessen und erforderlich.

55

(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum ist zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen geeignet und erforderlich. Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46, BAGE 128, 238).

56

(aa) Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist letztlich unvermeidbar. Jede Aussage über sie muss sich an Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten ermittelt werden können. Nach aller Erfahrung sinken mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Einschätzung des Gesetzgebers, die sowohl § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als auch dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) zugrunde liegt und an die die Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen kollektiver Vereinbarungen gleichermaßen anknüpft, ist empirisch nicht zu bestreiten (vgl. dazu BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 23, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 44: für die Altersgruppenbildung in einem im Jahr 2007 abgeschlossenen Sozialplan; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 45a). Soweit hiergegen Bedenken erhoben wurden (Kaiser/Dahm NZA 2010, 473; Körner NZA 2008, 497), überzeugen diese im Ergebnis nicht. Sie stützen sich im Wesentlichen auf die Erwerbsbeteiligungsquote in der Gruppe der Menschen über 50 Jahre und auf eine mit anderen Altersgruppen vergleichbare Dauer der Erwerbslosigkeit. Für die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl kommt es aber nicht auf die allgemeine Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer an, sondern darauf, wie ihre Aussichten sind, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie den bisherigen im vorgerückten Alter verlieren (Hanau ZIP 2011, 1, 3). Hierüber gibt die Erwerbstätigenquote keinen hinreichenden Aufschluss. Darüber hinaus hängen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt häufig mit der Flexibilität des Arbeitssuchenden zusammen. Älteren Arbeitnehmern bereitet ein Arbeitsplatzwechsel mit den damit verbundenen Folgen erfahrungsgemäß mehr Schwierigkeiten als jüngeren. Selbst bei einer individuellen Chancenbewertung könnte dieser Umstand nicht außer Betracht bleiben (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46 mwN, BAGE 128, 238).

57

(bb) Die Maßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit Älterer im Arbeitsförderungsrecht (vgl. § 421f SGB III) und das an Arbeitgeber gerichtete Verbot aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7, § 1 AGG, bei Einstellungen sachwidrig nach dem Alter zu differenzieren, stellen gegenüber der Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl kein milderes Mittel dar. Entsprechende Förder- bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten helfen nicht darüber hinweg, dass älteren Arbeitnehmern tendenziell weniger Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit entgegengebracht wird. Sie sind nicht in gleicher Weise wie ein präventiv wirkender Kündigungsschutz geeignet, die faktisch ungünstigere Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen (vgl. ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 332; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 132).

58

(cc) Die mit der Berücksichtigung des Lebensalters einhergehende Ungleichbehandlung ist nicht deshalb generell unangemessen, weil neben sie noch das Auswahlkriterium der Dauer der Betriebszugehörigkeit tritt (MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 10 AGG Rn. 48; Jacobs/Krois Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; v. Hoff SAE 2009, 293, 296; aA wohl v. Roetteken AGG Stand 2009 § 10 Rn. 271). Zwar begünstigt auch dieses Kriterium tendenziell ältere Arbeitnehmer. Dies ist aber angesichts des mit ihm verfolgten rechtmäßigen Ziels, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu honorieren, sachlich gerechtfertigt. Die Berücksichtigung der Beschäftigungszeit führt damit auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer (für verhaltensbedingte Kündigungen vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 24 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38). Die Kumulation beider Kriterien kann zwar in Einzelfällen den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken. Eine solche Folge ist aber keineswegs zwingend. Vielmehr kann umgekehrt das Kriterium der Betriebszugehörigkeit das Gewicht des Kriteriums des Lebensalters sogar relativieren, wenn jüngere Arbeitnehmer über eine längere Zeit der Betriebszugehörigkeit verfügen als ältere Mitarbeiter.

59

(b) In gleicher Weise angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist die Relativierung der Bedeutung des Kriteriums des Lebensalters durch die Bildung von Altersgruppen.

60

(aa) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 4, Abs. 5 KSchG den Betriebsparteien - im berechtigten betrieblichen Interesse, zu dem auch dasjenige an der „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ zählt, bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises nach sachlichen Kriterien Altersgruppen bildet, die prozentuale Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt - mit der Folge, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb der Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensalters nur innerhalb der jeweiligen Altersgruppe auszuwirken vermag(grundlegend BAG 23. November 2000 - 2 AZR 533/99 - zu B III 4 der Gründe, BAGE 96, 306; seither st. Rspr., vgl. 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 53, BAGE 128, 238). Das kann bewirken, dass einem Arbeitnehmer, der wegen seines höheren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit ansonsten gleichen Sozialdaten allein durch die Zuordnung zu der anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält.

61

(bb) Die nach nationalem Recht zulässige Altersgruppenbildung dient auf diese Weise der Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben, dient damit zugleich der Beteiligung aller Generationen und Lebensalter an den notwendig gewordenen Entlassungen, verhindert die einseitige Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer und sichert deren berufliche Eingliederung. Sie erhält eine vorhandene Mischstruktur und einen Erfahrungsaustausch in den Betrieben, bewirkt eine Vielfalt auch auf dem Arbeitsmarkt und dient damit - alle Aspekte gemeinsam betrachtet - einem legitimen sozialpolitischen Ziel.

62

(aaa) Die unterschiedlichen Vorzüge des jeweiligen Alters können im Betrieb nur dann erfolgreich ausgenutzt werden, wenn langfristig Arbeitnehmer verschiedener Lebensalter zusammenwirken. Unter diesem Aspekt dient die Altersgruppenbildung zwar auch den - durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG verfassungsrechtlich geschützten - Wettbewerbsinteressen des jeweiligen Unternehmens(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9). Gleichwohl liegt der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur nicht etwa ausschließlich im individuellen Arbeitgeberinteresse (aA wohl Däubler/Bertzbach/Brors AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 109 ff.). Die aufgezeigten Vorteile einer altersgemischten Struktur liegen vielmehr mit Blick auf die Förderung des Erfahrungsaustauschs und der Innovation in den Betrieben sowohl im Interesse der Gesamtbelegschaft (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238; eingehend Spinner RdA 2008, 153, 159) als auch im Interesse der Allgemeinheit insofern, als leistungsfähige Betriebe und Unternehmen in ihrer Gesamtheit zu den Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems gehören (vgl. Fahrig DB 2010, 1460, 1461; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 137 f.). Für die Funktionsfähigkeit der Bereiche der Lehre und Forschung und des öffentlichen Dienstes hat der Gerichtshof dies anerkannt. Er hat in der Zusammenarbeit verschiedener Generationen einen Beitrag zur Qualität der ausgeübten Tätigkeiten, insbesondere durch die Förderung des Erfahrungsaustauschs erblickt und darin ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik gesehen (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 ua. - [Georgiev] Rn. 46, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 19 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Für den Bereich der Privatwirtschaft gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nichts grundlegend anderes (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 43 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9). Auch soweit der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben den Bestand privatwirtschaftlicher Unternehmen zum Wohl aller am Wirtschaftsleben Teilhabenden sichern will, dient er einem im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziel.

63

(bbb) Unabhängig davon steht die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht für sich, sondern ist eingebettet in das Gesamtkonzept der Sozialauswahl(Stenslik Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287). Während § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung trägt, wirkt die durch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Altersgruppenbildung der damit verbundenen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben sicherzustellen, werden so zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung und stimmt mit dem Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2000/78/EG überein (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 63 bis 65 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 68, Slg. 2010, I-47; v. Hoff SAE 2009, 293, 297; Linsenmaier RdA Sonderbeil. 5/2003, 22, 29). Zugleich hindert die Altersgruppenbildung sowohl zugunsten einer angemessenen Verteilung der Berufschancen jüngerer und älterer Arbeitnehmer als auch im Interesse der Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, dass eine Vielzahl von Personen gleichen Alters zur gleichen Zeit auf den Arbeitsmarkt drängt (vgl. Fahrig BB 2010, 2569, 2571; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Linsenmaier aaO). Auch bei diesen Belangen handelt es sich um legitime Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG.

64

(cc) Näherer Erörterungen dazu, in welchem Rangverhältnis hinsichtlich Priorität und inhaltlichen Gewichts die mit dem Regelungskomplex der Sozialauswahl verfolgten Allgemeininteressen zu den gleichzeitig betroffenen individuellen Arbeitgeberinteressen stehen, bedarf es nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Ziel auch dann iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legitim sein, wenn neben ihm zugleich ein anderes verfolgt wird. Die Ziele können dabei zusammenhängen oder hierarchisch geordnet sein (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 44, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20).

65

(dd) Die Altersgruppenbildung ist ein angemessenes und erforderliches Mittel, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten. Ein milderes Mittel, den Schutz älterer Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit und schützenswerte Interessen jüngerer Arbeitnehmer an Teilhabe am Berufsleben in wirtschaftlich prekären Situationen in einen angemessen Ausgleich zu bringen, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht ersichtlich. Es ist auch nicht unangemessen oder widersprüchlich, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Bildung von Altersgruppen nicht zwingend vorschreibt, sondern sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ der Gruppenbildung dem Arbeitgeber - ggf. gemeinsam mit dem Betriebsrat - ein Beurteilungs- und Gestaltungsermessen einräumt. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 24, aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238).

66

c) Die im Streitfall der Namensliste zugrunde liegende Punktetabelle und Altersgruppenbildung begegnen auch in ihrer konkreten Ausgestaltung keinen durchgreifenden Bedenken.

67

aa) Die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzusehenden sozialen Gesichtspunkte sind bei der Auswahl berücksichtigt worden. Die in der Punktezuteilung in Nr. 2 der Auswahlrichtlinie zum Ausdruck kommende Gewichtung der Sozialdaten ist in sich ausgewogen und verleiht keinem einzelnen Sozialdatum ein unangemessenen hohes und dadurch in der Regel ausschlaggebendes Gewicht. So ist etwa die Beschäftigungszeit ab dem 11. Dienstjahr mit zwei Punkten gegenüber dem Lebensalter stärker gewichtet. Auch berücksichtigt die Zuteilung von jeweils vier Punkten für jedes unterhaltsberechtigte Kind und unterhaltsberechtigte Ehepartner hinreichend die typischen Interessen junger Familien (ähnlich BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 41 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

68

bb) Ob die Betriebsparteien berechtigt waren, die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber Kindern von einer entsprechenden Eintragung in die Lohnsteuerkarte abhängig zu machen (zur Problematik BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68; Spinner RdA 2008, 153, 156), kann hier dahinstehen. Selbst wenn zu Lasten der Klägerin und entgegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der auf objektiv bestehende familienrechtliche Unterhaltspflichten abstellt, ein Kind unberücksichtigt geblieben sein sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Bei Berücksichtigung eines weiteren Kindes hätte die Klägerin eine lediglich marginal höhere Gesamtpunktzahl erreicht als der erste nicht gekündigte Arbeitnehmer. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wären die Auswahlkriterien weiterhin „ausreichend“ berücksichtigt. Die Klägerin erhebt gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts in der Revision keine Einwände mehr.

69

cc) Die Art der Altersgruppenbildung erweist sich als angemessen und erforderlich. Wie anhand der vorgelegten Auswahllisten nachzuvollziehen, hätte die Beklagte ohne die Altersgruppenbildung mehr als die Hälfte ihres Personalbestands in der Gruppe der 25 bis 35 Jahre alten Arbeitnehmer eingebüßt. Im Altersbereich bis zu 30 Jahren hätte die Belegschaft fast keine Mitglieder mehr gehabt. Die Betriebsparteien haben die Altersgruppen beginnend mit dem Alter von 25 Jahren in Zehn-Jahres-Schritten gebildet und daran ausgerichtet den bisherigen Altersaufbau der Belegschaft im Produktionsbereich berücksichtigt. Den Darlegungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass dabei vergleichbare Arbeitnehmer außer Betracht gelassen worden wären. Die Beteiligung der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Kündigungen hatte nach der Auswahlrichtlinie gleichmäßig-proportional zu erfolgen. Dass hiervon abgewichen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, die den Schluss zuließen, es sei der Beklagten darum gegangen, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, liegen nicht vor. Eines näheren Vorbringens der Beklagten zu den betrieblichen Nachteilen einer ohne Altersgruppenbildung durchgeführten Sozialauswahl bedurfte es angesichts der Anzahl der Entlassungen nicht.

70

III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung für den Monat November 2008. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 mit Ablauf des 31. Oktober 2008 aufgelöst worden.

71

IV. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.

72

V. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Sieg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 2011 - 18 Sa 77/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie. Die Klägerin war seit 1978 in ihrem Betrieb in A als Sekretärin beschäftigt.

3

Am 10. Juli 2009 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Danach sollten wegen der Teilstilllegung und Verlagerung einzelner Bereiche von insgesamt 1.820 Arbeitsplätzen 70 im gewerblichen, 30 im Angestelltenbereich sowie im Bereich Engineering weitere 28 Arbeitsplätze entfallen. Die gewerblichen Arbeitsplätze sollten sogleich abgebaut werden. Hierfür wurde eine von Arbeitgeber und Betriebsrat unterschriebene Liste mit den Namen von 70 zu kündigenden Arbeitnehmern mit dem Interessenausgleich fest verbunden. Nach Ziffern 2 und 4 des Interessenausgleichs sollte die Kündigung der übrigen Arbeitnehmer im dritten Quartal 2009 erfolgen. Die insoweit einschlägige Namensliste, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet, wurde mit Datum vom 20. August 2009 erstellt und von Arbeitgeber und Betriebsrat unterschrieben.

4

Ziffer 3 des Interessenausgleichs lautet:

        

„Arbeitgeber und Betriebsrat haben sich bei der Sozialauswahl, bei der sie die gesetzlichen Kriterien gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zugrunde gelegt haben auf ein Punkteschema und auf die Bildung von Altersgruppen zur Aufrechterhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur geeinigt.

        
        

Altersgruppen

        
                 

bis 35 Jahre

        
                 

36 bis 45 Jahre

        
                 

46 bis 62 Jahre

        
        

…       

        
        

Die Sozialauswahl der zu kündigenden Beschäftigten erfolgt nach folgendem Punkteschema:

        
        

Lebensalter:

für jedes vollendete Lebensaltersjahr je

1 Punkt

        

Betriebszugehörigkeit:

für jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit bis 10 Jahre

1 Punkt

                 

ab dem 11. Jahr

2 Punkte

        

Unterhaltspflicht:

Ehegatte

4 Punkte

                 

und pro Kind lt. Steuerkarte

4 Punkte

        

Schwerbehinderung:

ab einem Grad der Behinderung von mind. 50 % und Gleichgestellte, § 2 Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 68 Abs. 2 SGB IX

4 Punkte

                 

je weitere 10 % Grad der Behinderung über 50 %

1 Punkt

5

Die Klägerin wurde der Gruppe der „Sekretärinnen in der Entwicklung“ zugeordnet. Zu dieser Vergleichsgruppe gehörten folgende Mitarbeiterinnen:

        

Name, Vorname

Gebdat.

Eintrittsdatum

GB    

Kinder

Steuerklasse (D)

Sonst. Unter-haltspflichten

Punktzahl 2

Altersklasse

Bemerkungen

        

K       

… 1983

31.08.2005

0       

0       

…       

0       

29    

AK (0-35)

§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG

        

W       

… 1982

30.08.2001

0       

0       

…       

0       

35    

AK (0-35)

Elternzeit

        

G       

… 1976

09.08.1993

0       

0       

…       

0       

54    

AK (0-35)

Elternzeit

        

Ko    

… 1965

01.01.1988

0       

0       

…       

0       

76    

AK (36-45)

        
        

Kl    

… 1965

09.04.1985

0       

2       

…       

0       

90    

AK (36-45)

        
        

S       

… 1957

01.10.1978

0       

0       

…       

0       

102     

AK (46-52)

        
        

Gr    

… 1956

26.01.1976

50    

0       

…       

0       

112     

AK (46-52)

        
6

Nach der unternehmerischen Planung sollten in dieser Gruppe zwei Vollzeitstellen abgebaut werden. Die Arbeitnehmerinnen W und G befanden sich in Elternzeit und wurden deshalb aus der Gruppe der zu kündigenden Arbeitnehmer ausgenommen. Ferner nahm die Beklagte Frau K aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Sozialauswahl heraus. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bedurfte es zur Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten verhandlungssicherer Englischkenntnisse, über welche diese Mitarbeiterin verfügte.

7

Mit Schreiben vom 27. August 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats ordentlich zum 31. März 2010.

8

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat geltend gemacht, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Auch sei der Beschäftigungsbedarf nicht entfallen. Zudem sei die Sozialauswahl nicht korrekt durchgeführt worden. Die Beklagte beschäftige auch in Bereichen außerhalb der Entwicklung Sekretärinnen, die in ihre Vergleichsgruppe hätten einbezogen werden müssen. Die Altersgruppenbildung sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Sie sei zudem grob fehlerhaft, da die Beklagte gleich große Alterskorridore hätte bilden müssen und die Arbeitnehmerin K aus der Sozialauswahl nicht hätte herausnehmen dürfen. Sie selbst sei im Vergleich mit dieser als deutlich schutzwürdiger anzusehen.

9

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 27. August 2009 zum 31. März 2010 nicht beendet wird.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf die Vermutungswirkung der Namensliste berufen. Die Betriebsparteien seien bei Abschluss des Interessenausgleichs vom Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für zwei Sekretärinnen im Bereich „Entwicklung“ ausgegangen. Die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Sekretärinnen außerhalb des Bereichs „Entwicklung“ seien mit der Klägerin nicht vergleichbar. Sie seien sämtlich in eine andere Vergütungsgruppe eingestuft und müssten entsprechend ihrer Tätigkeit verhandlungssicheres Englisch beherrschen. Die Altersgruppenbildung sei zulässig. Ohne sie hätte sich die Altersstruktur im Betrieb deutlich verschlechtert. Das hätte die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, die Vorbereitung des „Generationenwechsels“, den Wissens- und Qualitätstransfer und die Beibehaltung der sozialen Strukturen gefährdet. Die Bänder der Altersgruppen orientierten sich an den Erfolgsaussichten der betroffenen Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt.

11

Die Sozialauswahl habe sie im Verhältnis der Anzahl der Beschäftigten der jeweiligen Altersgruppen zur Gesamtzahl der einzubeziehenden Beschäftigten der Vergleichsgruppe vorgenommen. Altersgruppe 1 habe einen Anteil von etwa 43 vH, die Altersgruppen 2 und 3 von jeweils etwa 28,5 vH gehabt. Die beiden zu kündigenden Arbeitnehmerinnen seien grundsätzlich die eine der Gruppe 1, die andere der Gruppe 2 zu entnehmen gewesen. Da in Gruppe 1 aufgrund der besonderen Umstände keine zu kündigende Arbeitnehmerin verblieben sei, sei aus den Gruppen 2 und 3 die jeweils weniger schutzwürdige Arbeitnehmerin und damit auch die Klägerin betroffen gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht als wirksam ansehen. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Sache ist auch nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif.

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Streitfall gem. § 1 Abs. 5 KSchG vermutet wird und die soziale Rechtfertigung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Die Kündigung ist aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt und die Klägerin ist in einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich namentlich bezeichnet.

15

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind erfüllt.

16

a) Die Kündigung ist aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt.

17

aa) Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gelten als Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 1 BetrVG die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile. Auch ein bloßer Personalabbau ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel kann eine Betriebseinschränkung sein, wenn eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Richtschnur dafür, wann erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG. Für Großbetriebe wird diese Staffel eingeschränkt. Dort ist eine Betriebseinschränkung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erst bei einem Personalabbau von 5 vH der Gesamtbelegschaft gegeben(BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu C III 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; 7. August 1990 - 1 AZR 445/89 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 27). Maßgebend ist die Gesamtzahl der Arbeitnehmer, die voraussichtlich betroffen sein wird. Dies gilt auch, wenn die Personalabbaumaßnahme in mehreren „Wellen“ erfolgt. Liegt zwischen diesen ein Zeitraum von nur wenigen Wochen oder Monaten, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass die Entlassungen auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruhen (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 - zu B II 1 a bb der Gründe, BAGE 117, 296; 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - aaO).

18

bb) Danach ist im Streitfall die Gesamtzahl von 128 Kündigungen maßgebend. Der Interessenausgleich vom 10. Juli 2009 sah von Beginn an zwei Phasen des Personalabbaus vor, so dass eine einheitliche unternehmerische Planung vorliegt. Die Zahl von 128 entspricht bei im Betrieb insgesamt beschäftigter 1.820 Arbeitnehmer einem Anteil von etwa 7 vH der Belegschaft. Der Personalabbau, auf dem die Kündigung beruht, erfüllt damit die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG, ohne dass es noch auf zusätzlich beschlossene Einzelmaßnahmen ankäme.

19

b) Die Klägerin ist in der dem Interessenausgleich beigefügten Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer vom 20. August 2009 namentlich genannt. Die Liste genügt dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB.

20

aa) Die Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 KSchG treten nicht nur ein, wenn die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, unmittelbar im Text des Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind, sondern auch, wenn Interessenausgleich und Namensliste zwar zwei textlich separate Schriftstücke, aber gleichwohl eine einheitliche Urkunde bilden, die insgesamt dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB genügt(vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68). Wird die Namensliste getrennt von dem Interessenausgleich erstellt, reicht es dafür aus, dass im Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste verwiesen wird, die erstellte Namensliste - ebenso wie zuvor der Interessenausgleich - von den Betriebsparteien unterschrieben worden ist und die Liste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich Bezug nimmt (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - aaO). Ferner wahrt sogar eine nicht unterschriebene Namensliste als Anlage die Schriftform, wenn die Unterschrift unter dem Interessenausgleich sie als dessen Teil noch deckt. Das ist der Fall, wenn der Interessenausgleich selbst unterschrieben ist, in ihm auf die Anlage ausdrücklich Bezug genommen wird und Interessenausgleich und Anlage schon bei dessen Unterzeichnung mit einer Heftmaschine körperlich derart miteinander verbunden waren, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich war (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - aaO; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 33, 37, aaO; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 422/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 9). Es ist nicht erforderlich, dass Interessenausgleich und Namensliste zeitgleich unterzeichnet werden. Der Interessenausgleich kann, um die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen, vielmehr noch nach seinem Abschluss zeitnah um eine Namensliste ergänzt werden(BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - Rn. 24, BAGE 130, 182; 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).

21

bb) Diesen Anforderungen werden Interessenausgleich und Namensliste im Streitfall gerecht. Der Interessenausgleich vom 10. Juli 2009 enthält in Ziffern 2 und 4 einen Verweis auf eine noch zu vereinbarende und zu unterzeichnende Namensliste. Die von den Betriebsparteien gesondert erstellte und am 20. August 2009 unterzeichnete (zweite) Namensliste ist mit „Namensliste Interessenausgleich Phase 2“ gekennzeichnet. Das genügt im Streitfall den Anforderungen an einen Rückbezug. Durch diese Kennzeichnung ist unmissverständlich auf den Interessenausgleich vom 10. Juli 2009 mit seinen zwei Entlassungswellen Bezug genommen worden. Die Ergänzung des Interessenausgleichs um eine weitere Namensliste etwa sechs Wochen nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs ist noch als zeitnah anzusehen (vgl. BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - Rn. 23, BAGE 130, 182).

22

c) Dem Eintritt der Vermutungswirkung steht nicht entgegen, dass die Namen der insgesamt zu kündigenden Arbeitnehmer nicht auf einer einzigen, einheitlichen Liste aufgeführt waren. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsänderung in mehreren „Wellen“ erfolgt und die Betriebsparteien für jeden Abschnitt eine abschließende Einigung über sämtliche in diesem zu kündigenden Arbeitnehmer herbeigeführt haben, stellen auch „Teilnamenslisten“ eine ausreichende Basis für die Wirkungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG dar(BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu C III 5 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).

23

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, die Vermutung für den Wegfall der zwei Arbeitsplätze im Sekretariatsbereich zu widerlegen. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

24

II. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Auswahl der Klägerin sozial grob fehlerhaft ist. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Sozialauswahl sei unter Berücksichtigung der von den Betriebsparteien vereinbarten Altersgruppen vorzunehmen gewesen. Es hat die an die Zulässigkeit einer Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu stellenden Anforderungen verkannt.

25

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht bereits deshalb unzulässig, weil dabei das Lebensalter als Auswahlkriterium berücksichtigt wird. Dies ist unabhängig von einer Altersgruppenbildung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegeben. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen, verstößt auch nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 28 ff.; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

26

2. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gestattet in Abweichung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, wenn dies zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet ist (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 29; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Daran fehlt es im Streitfall.

27

a) Ob die Beklagte im Hinblick auf das berechtigte betriebliche Interesse ihrer Darlegungslast genügt hat, ist nicht unzweifelhaft, kann aber dahinstehen.

28

aa) Der Arbeitgeber muss, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auf die Altersstruktur der Belegschaft und damit verbundenen möglichen Nachteilen für den Betrieb konkret vortragen(BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238).

29

bb) Im Streitfall ist der Schwellenwert gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG bezogen auf die insgesamt zu entlassenden Arbeitnehmer zwar überschritten. Die Gesamtbelegschaft von 1.820 Mitarbeitern wurde um 128 Mitarbeiter reduziert. Bezogen auf die Anzahl von zwei Arbeitnehmern, die in der Vergleichsgruppe der Klägerin zu entlassen waren, war der Schwellenwert des § 17 KSchG mit Blick auf die Anzahl aller Arbeitnehmer im Betrieb hingegen bei weitem nicht erreicht. Ob die Erleichterung bei der Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses auch in einem solchen Fall gerechtfertigt ist, ist vom Bundesarbeitsgericht bislang nicht entschieden worden (offengelassen in BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 -). Sie kann auch im Streitfall dahinstehen.

30

b) Die Altersgruppenbildung war hier zur Erhaltung der Altersstruktur in jedem Fall ungeeignet. Eine Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG war deshalb nicht gerechtfertigt.

31

aa) Eine Altersgruppenbildung ist zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft nur geeignet, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibt. Dafür muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden finden. Dadurch wird die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss deshalb eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der Altersstruktur muss die Folge der proportionalen Beteiligung sämtlicher Altersgruppen auch innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Es ist das Kennzeichen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb von Vergleichsgruppen zu erfolgen hat (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33).

32

bb) Diesen Mindestanforderungen an eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen genügt die von der Beklagten getroffene Auswahl der Klägerin nicht. In der Vergleichsgruppe, der die Klägerin angehört, war eine proportionale Beteiligung aller Altersgruppen bereits deshalb nicht möglich, weil bei drei Altersgruppen nur zwei Arbeitnehmer zur Kündigung anstanden. Danach konnten allenfalls zwei Altersgruppen überhaupt an den Entlassungen beteiligt werden. Dies musste notwendig zu einer Verschiebung der Altersstruktur führen. Dementsprechend haben die ausgesprochenen Kündigungen in der Vergleichsgruppe der Klägerin zu einem Absinken des Altersdurchschnitts um 3,3 Jahre geführt.

33

III. Liegen danach die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von Altersgruppen nicht vor, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Eine Prüfung, ob sie auch dann nicht grob fehlerhaft ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht vorgenommen. Der Senat vermag dies aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht selbst zu beurteilen. Diese lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob die Herausnahme der Mitarbeiterin K grob fehlerhaft war.

34

1. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn eine evidente, ins Auge springende erhebliche Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt(BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das gewählte Auswahlverfahren als solches Anlass zu Beanstandungen gibt (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 23, BAGE 120, 18).

35

2. Bei der erneut anzustellenden Prüfung, ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft war, wird das Landesarbeitsgericht deshalb die folgenden Grundsätze zu beachten haben.

36

a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die Sozialauswahl vergleichbare Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Aus dem Umstand, dass das Gesetz dafür ein betriebliches Interesse nicht ausreichen lässt, sondern fordert, dieses müsse „berechtigt“ sein, folgt, dass ein betriebliches Interesse auch „unberechtigt” sein kann. Nach dem Gesetz sind danach dem betrieblichen Interesse entgegengesetzte Interessen denkbar, die einer Herausnahme von sog. Leistungsträgern aus der Sozialauswahl entgegenstehen können. Bei den gegenläufigen Interessen kann es sich angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der Sozialauswahl statuiert, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Diese sind im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG demnach gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme von Leistungsträgern abzuwägen. Je schutzbedürftiger dabei der sozial schwächere Arbeitnehmer ist, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - BAGE 123, 20). Diese Abwägung hat im konkreten Vergleich zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22).

37

b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die Möglichkeit störungsfreier Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten der Sekretärinnen im Bereich „Entwicklung“ als betrieblichen Belang angesehen hat. Ob dieser im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch „berechtigt“ ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung gegen die sozialen Interessen der Klägerin im konkreten Vergleich mit Frau K als derjenigen Arbeitnehmerin ab, die die Beklagte wegen ihrer Englischkenntnisse aus der Sozialauswahl herausgenommen hat.

38

aa) Der Unterschied der sozialen Schutzbedürftigkeit von Frau K und der Klägerin ist erheblich. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung 52 Jahre alt und ca. 31 Jahre im Betrieb beschäftigt. Frau K war mit 26 Jahren nur halb so alt und gehörte dem Betrieb erst rund vier Jahre zu. Dementsprechend kam die Klägerin unter Anwendung der Regelungen des Interessenausgleichs auf 102, Frau K lediglich auf 29 „soziale“ Punkte.

39

bb) Angesichts dieses erheblichen Unterschieds bedarf es gewichtiger betrieblicher Interessen, um eine Herausnahme von Frau K aus der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu rechtfertigen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, es bedürfe zur notwendigen Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten „verhandlungssicherer“ Englischkenntnisse, bietet keine hinlängliche Grundlage für die Beurteilung, ob es sich hierbei um einen betrieblichen Belang von ausreichendem Gewicht handelt. Zweifel hieran könnten deshalb bestehen, weil die Sekretärinnen der Vergleichsgruppe, der die Klägerin angehört, nach eigenem Vortrag der Beklagten die englische Sprache generell nicht verhandlungssicher beherrschen müssen und daher niedriger eingruppiert sind als die übrigen Sekretärinnen im Betrieb. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb festzustellen haben, wie sich die Zusammenarbeit mit der Vorgesetzten im Einzelnen gestaltet hat, insbesondere in welchem zeitlichen und inhaltlichen Umfang eine Kommunikation erfolgt ist. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zur Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten „verhandlungssichere“ Englischkenntnisse in nennenswertem Umfang jedenfalls bei einer der mehreren zu ihren Untergebenen zählenden Sekretärinnen erforderlich waren, wird es weiter zu prüfen haben, ob allein Frau K oder auch andere, nicht gekündigte Arbeitnehmerinnen der Abteilung über diese Kenntnisse verfügten. Im ersten Fall käme dem betrieblichen Belang ein größeres Gewicht zu als im zweiten.

40

IV. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

41

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). An die Mitteilungspflicht sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96).

42

2. Danach ist die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt.

43

a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigungsgründe seien im Anhörungsschreiben zwar nur grob dargestellt. Darüber hinaus sei aber auf die Darlegung der Gründe in den einzelnen Verhandlungsterminen zum Interessenausgleich, welche die Beklagte im Einzelnen vorgetragen habe, Bezug genommen worden. Das pauschale Bestreiten der Klägerin sei angesichts dessen unzureichend.

44

b) Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand. Der Betriebsrat war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowohl über die Person der Klägerin und den Zeitpunkt der Kündigung als auch über die für die Beklagte maßgebenden Kündigungsgründe hinreichend informiert. Die Beklagte hat schon erstinstanzlich ausführlich zum Inhalt der Gespräche zwischen ihr und dem Betriebsrat vorgetragen, die sich auch auf das betriebliche Interesse an der Weiterbeschäftigung von Frau K erstreckt hätten. Die Klägerin hat diesen Vortrag bis zum Schluss der Berufungsinstanz nicht substantiiert bestritten.

45

Soweit die Klägerin in der Revision vorbringt, es sei nicht ersichtlich, in welcher Form die Beklagte dem Betriebsrat ihre abschließende Interessenabwägung dargelegt habe, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die von der Beklagten erläuterte Herausnahme von Frau K aus der Sozialauswahl impliziert im Ergebnis eine entsprechende Interessenabwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determination nicht erforderlich.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung aufgelöst wurde.

2

Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit Oktober 1998 als Werkzeugmacher bei der Schuldnerin, der T GmbH & Co. KG, beschäftigt. Die Schuldnerin war ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie.

3

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Der Beklagte und der im Betrieb der Schuldnerin gebildete Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Der von beiden Betriebsparteien auf jeder Seite unterzeichnete Interessenausgleich lautet auszugsweise:

        

II. Kündigungen/Freistellungen

        

1. …   

        

… Zwischenzeitlich ist es gelungen, einen Betriebserwerber zu finden, mit dem in Kürze ein Kaufvertrag wirksam werden kann. Der Betriebserwerber ist jedoch nur in der Lage, das Ziel, den Standort H langfristig zu erhalten, zu erreichen, wenn hohe Einsparungen realisiert werden, um die Kosten dem tatsächlichen, um 30 % gesunkenen Umsatzvolumen anzupassen. … Die Restrukturierung der Beschäftigungsstruktur ist durch entsprechenden Personalabbau zu erreichen.

        

Es wurde ein tatsächlicher Beschäftigungsbedarf für ca. 460 Arbeitsplätze am Standort H ermittelt. Die ursprünglich in H bestehenden ca. 604 Arbeitsplätze wurden vor und in der Insolvenz, insbesondere durch Auslaufen befristeter Arbeitsverträge, auf aktuell ca. 509 Arbeitsplätze reduziert. Der nun noch erforderliche Abbau von Arbeitsplätzen durch entsprechenden Personalabbau soll durch den Ausspruch von 48 betriebsbedingten Beendigungskündigungen nach Abschluss eines entsprechenden Interessenausgleichs erfolgen. Hinzu kommt, dass gegenüber zwei Arbeitnehmern verhaltensbedingte Kündigungen ausgesprochen werden bzw. worden sind, deren Arbeitsplätze (Produktionshelfer) ebenfalls nicht wieder besetzt werden.

        

2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat sind sich darüber einig, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebes nur möglich ist, wenn die Anzahl der Mitarbeiter auf etwa 460 reduziert wird. Daher ist es erforderlich, die Arbeitsverhältnisse mit den nachfolgend aufgeführten Mitarbeitern aus betriebsbedingten Gründen zum nächstzulässigen Termin im Sinne des § 113 InsO zu kündigen. Die nachfolgende Auflistung stellt die Namensliste im Sinne von § 125 InsO dar.

        

…       

                 
        

44    

St    

S       

        

…       

                 
        

3. Der Betriebsrat wurde über die für die Sozialauswahl relevanten Merkmale aller Mitarbeiter der Gesellschaft unter Vorlage von Personallisten unterrichtet. Die dem Betriebsrat überreichten Personallisten enthalten unter anderem Angaben zur Person und zu den Sozialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung).

        

4. Die Parteien haben nachstehende Auswahlrichtlinie gem. § 1 Abs. 4 KSchG i. V. m. § 95 BetrVG vereinbart, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind:

                 
        

Lebensalter

        

Für jedes vollendete Lebensjahr 1 Punkt

        

Maximal 55 Punkte

                 
        

Betriebszugehörigkeit

        

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit 1 Punkt

        

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab

        

dem 11. Beschäftigungsjahr 2 Punkte

        

Maximal 70 Punkte

                 
        

Unterhaltspflichten

        

Verheiratet 8 Punkte

        

Je Kind 4 Punkte

                 
        

Schwerbehinderung

        

Schwerbehinderung im Sinne der §§ 85 ff. SGB IX bis zu einem Grad der Behinderung von GdB 50 oder Gleichstellung 5 Punkte

        

je 1 weiterer Punkt pro 10 GdB mehr

                 
        

Als Stichtag für die Berechnung wurde der 01.02.2010 zugrunde gelegt.

        

…       

        

III. Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG

        

1. Bei den Verhandlungen über den Interessenausgleich und der Erstellung der Namensliste lagen dem Betriebsrat die Sozialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG sämtlicher Arbeitnehmer vor. Mit der Erstellung der Namensliste ist gleichzeitig das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zur Kündigung der in der Namensliste genannten Arbeitnehmer eingeleitet worden. Die Erörterungen, die zur Erstellung der Namensliste geführt haben, sind gleichzeitig die förmlichen Informationen des Betriebsrats über die Kündigungsgründe gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dies wurde dem Betriebsrat vor Beginn der Verhandlungen über den Interessenausgleich mitgeteilt.

        

Der Betriebsrat hatte Gelegenheit, über die beabsichtigten Kündigungen zu beraten.

        

…       

        

Der Betriebsrat gibt folgende abschließende Stellungnahme ab:

        

Den Kündigungen widerspricht der Betriebsrat nicht. Der Betriebsrat betrachtet das Anhörungsverfahren damit als abgeschlossen.

        

…       

        

IV. Information und Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG

        

1. Dem Betriebsrat wurden im Sinne des § 17 KSchG die zweckdienlichen Auskünfte wie folgt erteilt:

        

a) Gründe für die geplanten Entlassungen: Siehe Ziffer II. 1. dieses Interessenausgleichs

        

b) Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer: Siehe Namensliste in Verbindung mit der überreichten Personalliste

        

c) Zahl und Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer: Gemäß der überreichten Personalliste

        

d) Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen: Siehe Ziffer II. 2. dieses Interessenausgleichs

        

e) Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen: Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung

        

2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat haben die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern.

        

3. Der Betriebsrat gibt folgende Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 ab:

        

Der Betriebsrat hat sich ausführlich mit den geplanten Entlassungen befasst und ist der Auffassung, dass die geplanten Entlassungen unvermeidbar sind, und sieht keine andere Möglichkeit, damit zumindest die danach noch vorhandenen Arbeitsplätze erhalten werden können.

        

…“    

5

Der Kläger ist unter Nr. 44 der Namensliste benannt. In dem Interessenausgleich wurden 51 Vergleichsgruppen gebildet. Die Betriebsparteien bildeten für drei der 51 Vergleichsgruppen fünf Altersgruppen (bis 24 Jahre, 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre, ab 55 Jahre). Der Kläger war neben 21 weiteren Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe Nr. 10 „Instandhalter Mechanik/Werkzeugbau“ zugeordnet. Er gehörte der Altersgruppe 35 bis 44 Jahre an. Für die Vergleichsgruppe Nr. 10 waren folgende Kündigungen geplant:

        

Altersgruppe

Beschäftigte Arbeitnehmer

Kündigungen

        

Bis 24 Jahre

1       

0       

        

25 bis 34 Jahre

4       

1       

        

35 bis 44 Jahre

7       

1       

        

45 bis 54 Jahre

8       

2       

        

Ab 55 Jahre

2       

0       

6

Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis gekündigt. In seiner Vergleichs- und Altersgruppe wies der Kläger nach dem Punkteschema der Auswahlliste mit 51 Punkten zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y mit 49 Punkten auf.

7

Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 11. Februar 2010 gegenüber der Agentur für Arbeit H die Entlassung von 48 Arbeitnehmern an. Die Agentur für Arbeit H teilte dem Beklagten unter dem 18. Februar 2010 mit, die angezeigten 48 Entlassungen könnten mit der geplanten Wirkung in der Freifrist durchgeführt werden, die sich an die am 11. März 2010 endende Regelsperrfrist anschließe. Die Massenentlassungsanzeige sei am 11. Februar 2010 wirksam geworden.

8

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2010 zum 31. Mai 2010.

9

Der Kläger hat sich mit seiner am 25. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Unterrichtung des Betriebsrats und die Massenentlassungsanzeige für nicht ordnungsgemäß gehalten. Die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft. Das folge schon daraus, dass der Beklagte mit seinem Kündigungsentschluss von der Auswahlrichtlinie abgewichen sei. Er habe nicht das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Y gekündigt, der nach dem Punkteschema sozial am stärksten gewesen sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass es erforderlich gewesen sei, Altersgruppen zu bilden, um eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten oder zu schaffen. Weshalb nur für drei Vergleichsgruppen Altersgruppen gebildet worden seien, sei ebenso wenig ersichtlich. Ferner seien die Arbeitsverhältnisse vergleichbarer Arbeitnehmer in der „Instandhaltung Mechanik/Werkzeugbau“ nicht gekündigt worden, obwohl die Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genossen hätten. Dabei handle es sich um die ehemaligen Auszubildenden B und Sh, die erst im Januar 2010 einen Arbeitsvertrag erhalten hätten. Auch der frühere Leiharbeitnehmer Bi habe erst im Dezember 2009 einen Arbeitsvertrag mit dem Beklagten geschlossen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Februar 2010 nicht beendet wurde.

60    

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die soziale Auswahl sei objektiv nicht grob fehlerhaft. Ihm habe bei Abweichungen bis zu zehn Sozialpunkten nach dem übereinstimmenden Willen der Betriebsparteien ein Beurteilungsspielraum zugestanden, obwohl die Auswahlrichtlinie einen solchen nicht ausdrücklich erkennen lasse. Dieser Beurteilungsspielraum sei bei einem Abstand von nur zwei Sozialpunkten nicht überschritten. Die Betriebsparteien hätten ferner angenommen, der Kläger sei aufgrund seiner Arbeitsleistung und Arbeitsmoral am ehesten entbehrlich gewesen. Dieser Umstand sei in den Interessenausgleichsverhandlungen erörtert worden. Die Altersgruppenbildung sei nicht zu beanstanden.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte gegen die im Interessenausgleich enthaltene Auswahlrichtlinie verstoßen habe. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht darüber entscheiden, ob die Kündigung wirksam ist. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

A. Der beklagte Insolvenzverwalter ist nach wie vor passiv legitimiert. Es ist nicht festgestellt, ob und ggf. wann es nach Zugang der Kündigung zu einem Betriebsübergang kam. Selbst wenn der Betrieb der Schuldnerin veräußert worden sein sollte, wäre der Beklagte noch immer passiv legitimiert. Der betriebsveräußernde Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, bleibt für die gerichtliche Klärung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auch nach dem Betriebsübergang passiv legitimiert. §§ 265, 325 ZPO sind in einem solchen Fall entsprechend anzuwenden(vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 21; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 114, 362).

15

B. Der Senat kann aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Mai 2010 beendete.

16

I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO bejaht. Es hat auch zutreffend erkannt, dass die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Die Kündigung ist aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt. Der Kläger ist in einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich namentlich bezeichnet. Es steht jedoch noch nicht fest, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 den Vorgaben der § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genügt oder ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist.

17

1. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

18

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

19

aa) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.

20

(1) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind. Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17).

21

(2) Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Betrieb H, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Zahl von 509 Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 48 Arbeitnehmer von den (beabsichtigten) Kündigungen betroffen, wie sich aus Nr. II 1 Abs. 4 Satz 3 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 ergibt. Die Namen der 48 zu kündigenden Arbeitnehmer finden sich in der Namensliste, die in Nr. II 2 des Interessenausgleichs integriert ist. Die Mindestbeschäftigtenzahl von 500 Arbeitnehmern und der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG von mindestens 30 zu Entlassenden waren damit erreicht.

22

bb) Die in den Interessenausgleichstext einbezogene und vom Beklagten und vom Betriebsrat unterzeichnete Namensliste weist den Namen des Klägers unter Nr. 44 aus.

23

b) Der Kläger hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Er hat dazu nichts vorgebracht. Die Vermutung, dass die Kündigung betriebsbedingt ist, ist erst dann widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169).

24

c) Der Kläger hat nicht behauptet, die Sachlage habe sich nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich iSv. § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO geändert. Eine wesentliche Änderung der Sachlage ist nur anzunehmen, wenn im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass die Geschäftsgrundlage entfallen ist. Das ist zu bejahen, wenn nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebsparteien oder eine von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 38; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 32). Darauf hat sich der Kläger nicht berufen.

25

2. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann nicht angenommen werden, dass die soziale Auswahl grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

26

a) Die soziale Auswahl kann nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und ihre relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich lediglich auf grobe Fehler überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (st. Rspr., vgl. für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f., BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21; s. auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Die getroffene Auswahl muss sich mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, ob das Auswahlverfahren zu beanstanden ist (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 39 mwN, aaO).

27

b) Diesen Anforderungen wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.

28

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte die Auswahlentscheidung zulasten des Klägers getroffen habe, obwohl er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Y hätte kündigen müssen, der zwei Sozialpunkte weniger aufgewiesen habe. Die im Interessenausgleich enthaltene, als Betriebsvereinbarung einzuordnende Auswahlrichtlinie iSv. § 95 BetrVG lege die Auswahlkriterien als Rechtsnorm verbindlich fest und lasse keine Ausnahmen zu. Die Betriebsparteien hätten gerade nicht nur eine Vorauswahl getroffen und dem Arbeitgeber die abschließende Beurteilung des Einzelfalls überlassen. Es komme daher nicht auf die abweichende Bewertung der Betriebsparteien in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 an.

29

bb) Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht alle wesentlichen Umstände.

30

(1) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltenen Regelung um eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, also um eine Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt.

31

(a) Der Senat kann offenlassen, ob der gesamte Interessenausgleich in diesem besonderen Fall der Verbindung von Auswahlrichtlinie und Namensliste zugleich die Rechtsnatur einer Betriebsvereinbarung aufweist.

32

(aa) Die Betriebsparteien können einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie auch als Betriebsvereinbarung schließen (vgl. zu einem solchen Fall BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 4, BAGE 128, 238; Lingemann/Beck NZA 2009, 577, 578).

33

(bb) Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroffenen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Besonderen von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Auswahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind.

34

(b) Der Qualifikation von Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG iVm. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass sich die Bestimmung auf eine konkrete Massenkündigung bezieht. Ein Punkteschema für die soziale Auswahl ist auch dann eine nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie, wenn der Arbeitgeber es nicht generell auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur auf konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will(vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 32, BAGE 120, 115; 6. Juli 2006 - 2 AZR 442/05 - Rn. 30; grundlegend 26. Juli 2005 - 1 ABR 29/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 115, 239; abl. Lingemann/Beck Anm. AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 87 zu 4; Quecke RdA 2007, 335, 336 ff.).

35

(2) Es kann dahinstehen, ob die in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltene Auswahlrichtlinie wirksam ist, obwohl sie neben den von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten sozialen Gesichtspunkten der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten auch die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu beachtende Schwerbehinderung und die Gleichstellung von Arbeitnehmern mit schwerbehinderten Menschen berücksichtigt. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil der Namensliste in Nr. II 2 des Interessenausgleichs zumindest in weiten Teilen die Auswahlrichtlinie in Nr. II 4 des Interessenausgleichs zugrunde liegt, die beiden Regelungskomplexe also miteinander verknüpft sind. Jedenfalls dürfen zusätzliche Faktoren über die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten Gesichtspunkte hinaus nicht berücksichtigt werden(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Sonst wird der gemilderte Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht ausgelöst (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 28, BAGE 120, 18). Allenfalls kommt eine Ergänzung in der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in Betracht, wenn sich die ergänzenden Faktoren unmittelbar auf die Grunddaten beziehen(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Wird unterstellt, dass die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung die Wirksamkeit der Auswahlrichtlinie nicht hindert, ist nicht erkennbar, dass sie gegen Diskriminierungsverbote des AGG verstößt oder in ihrer konkreten Ausgestaltung zu beanstanden ist.

36

(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verfolgt das Ziel, ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, besser zu schützen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist unionsrechtskonform(vgl. näher BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 52 mwN; 28. Juni 2012 -  6 AZR 682/10  - Rn. 24 ; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 48 ff. mwN, BAGE 140, 169).

37

(b) Die Auswahlrichtlinie ist unter der Voraussetzung, dass die Frage der von ihr berücksichtigten Schwerbehinderung und der Gleichstellung dahingestellt bleibt, auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden.

38

(aa) Die Betriebsparteien haben dem Lebensalter kein unangemessen hohes Gewicht beigemessen. Dass sie die Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Alter ab dem elften Beschäftigungsjahr stärker gewichtet haben, ist mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar und wird vom Kläger nicht gerügt.

39

(bb) Der Wirksamkeit des Punktesystems steht nicht entgegen, dass es keine abschließende Einzelfallbetrachtung des Beklagten vorsieht. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG idF des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) muss der Arbeitgeber die im Gesetz ausdrücklich bezeichneten Grunddaten berücksichtigen. Ob er darüber hinaus andere Gesichtspunkte einbeziehen darf, ist dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen. Der Arbeitgeber braucht neben den im Gesetz vorgeschriebenen Kriterien jedenfalls keine weiteren Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ein Punktesystem muss deshalb keine individuelle Abschlussprüfung mehr vorsehen (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 29 mwN, BAGE 120, 137).

40

(3) Wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung von Arbeitnehmern für die Wirksamkeit der Auswahlrichtlinie unschädlich ist, kommt ihr auch die Wirkung der § 1 Abs. 4 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu. Sie privilegiert den Arbeitgeber hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs. Ist in einer Betriebsvereinbarung iSv. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann diese Gewichtung nach § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Sie ist grob fehlerhaft, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt, einzelne Sozialdaten also überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter Bedeutung berücksichtigt wurden. Darüber hinaus bindet sich der Arbeitgeber selbst an die in der Auswahlrichtlinie getroffene Bewertung (vgl. BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; 5. Juni 2008 -  2 AZR 907/06  - Rn. 19).

41

(4) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch außer Acht gelassen, dass die Betriebsparteien die in der Auswahlrichtlinie vorgenommene Bewertung (teilweise) revidieren konnten, indem sie nicht den Arbeitnehmer Y, sondern den Kläger in die Namensliste unter Nr. II 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 aufnahmen.

42

(a) Die Betriebsparteien können Vereinbarungen über die personelle Auswahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, ist die Namensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie - wie hier - von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 45, BAGE 140, 169; Lingemann/Rolf NZA 2005, 264, 268).

43

(b) Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlergebnis grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit ist weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr weist der Arbeitnehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Auswahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfügigen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begründen(vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 28). Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spielraum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein(vgl. für § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32).

44

c) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die soziale Auswahl im Hinblick auf das Auswahlergebnis der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

45

aa) Das Landesarbeitsgericht wird Feststellungen zu der Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer B, Sh und Bi treffen müssen. Es wird aufgrund dieser Feststellungen zu würdigen haben, ob die Auswahl des Klägers im Verhältnis zu diesen Arbeitnehmern im Ergebnis grob fehlerhaft ist, weil der auswahlrelevante Personenkreis offensichtlich zu eng gezogen wurde.

46

bb) Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Prüfung der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl davon auszugehen haben, dass die Sozialauswahl nicht unter Berücksichtigung der von den Betriebsparteien vereinbarten Altersgruppen vorzunehmen war. Die Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG war in der Vergleichsgruppe des Klägers nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten oder zu schaffen.

47

(1) Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Auffassung des Klägers ist eine Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht bereits deshalb unzulässig, weil das Lebensalter als Auswahlkriterium berücksichtigt wird. Das ist unabhängig von einer Altersgruppenbildung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegeben. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen, verstößt auch nicht gegen § 7 Abs. 1 und 2 iVm. §§ 1, 3 AGG sowie das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und seine Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. etwa BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25; 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10  - Rn. 28  ff.; 15. Dezember 2011 -  2 AZR 42/10  - Rn. 46 ff., BAGE 140, 169).

48

(2) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG erlaubt iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO abweichend von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, um eine ausgewogene Personalstruktur des Betriebs zu erhalten oder zu schaffen, wenn das im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

49

(a) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG oder § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO den Betriebsparteien -, bestimmte Arbeitnehmer im berechtigten betrieblichen Interesse von der Sozialauswahl auszunehmen(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 11). Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises Altersgruppen nach sachlichen Kriterien bildet, die prozentuale Verteilung auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt. Folge ist, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur in den Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensalters lediglich innerhalb der jeweiligen Altersgruppe auswirkt. Das kann dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der wegen seines höheren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit im Übrigen gleichen Sozialdaten allein durch die Zuordnung zu einer anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60 mwN, BAGE 140, 169; s. auch 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30; Krieger/Reinecke DB 2013, 1906, 1910). Ein berechtigtes betriebliches Interesse ist nur anzunehmen, wenn die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung tatsächlich geeignet ist, eine ausgewogene Personalstruktur zu sichern (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11  - Rn. 29 ).

50

(b) Nach diesen Grundsätzen war die Altersgruppenbildung in Vergleichsgruppe Nr. 10 „Instandhalter Mechanik/Werkzeugbau“ nicht geeignet, die bisherige Altersstruktur zu bewahren. Die Altersstruktur verschob sich in dieser Vergleichsgruppe, weil die unterste und die höchste Altersgruppe nicht von Kündigungen betroffen waren (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 32).

51

(c) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Betriebsparteien vereinbaren können, die Altersstruktur zu verbessern (bejahend LAG Rheinland-Pfalz 11. März 2010 - 10 Sa 581/09 - zu II der Gründe; in dem anderen Zusammenhang des legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG offengelassen von BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 49 f.). Die Altersgruppenbildung in der Vergleichsgruppe des Klägers war nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu schaffen.

52

(aa) Der Arbeitgeber muss, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen für die Altersstruktur der Belegschaft und damit verbundenen möglichen Nachteilen für den Betrieb konkret vortragen.

53

(aaa) Der Gesetzgeber gibt eine Altersgruppenbildung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zwingend vor. Er überlässt dem Arbeitgeber - bzw. ggf. den Betriebsparteien - das „Ob“ und das „Wie“ der Gruppenbildung. Er räumt dem Arbeitgeber bzw. den Betriebsparteien dabei einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen und möglichen Nachteile der Gruppenbildung deswegen im Einzelnen darlegen, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23 ).

54

(bbb) Jedenfalls dann, wenn die Zahl der Kündigungen in einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Zahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen dem Arbeitgeber Erleichterungen zugute. In diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  28; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 30; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10  - Rn. 65, BAGE 140, 169; 6. November 2008 -  2 AZR 523/07  - Rn. 54 , BAGE 128, 238 ).

55

(bb) Eine solche Indizwirkung scheidet im Streitfall aus. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG war zwar hinsichtlich der insgesamt zu entlassenden Arbeitnehmer überschritten. Die Gesamtbelegschaft von 509 Arbeitnehmern wurde um 48 Arbeitnehmer verringert. Bezogen auf die Zahl von vier Arbeitsverhältnissen, die in der Vergleichsgruppe des Klägers zu kündigen waren, war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG aber bei Weitem nicht erreicht. Die Vergleichsgruppe weist weniger Kündigungen (vier) als Altersgruppen (fünf) auf (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 35).

56

(cc) Ob die Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppenbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch dann zu erleichtern ist, wenn einer der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur im Gesamtbetrieb, aber nicht in der Vergleichsgruppe erreicht ist, kann auf sich beruhen. Die Altersgruppenbildung war hier jedenfalls nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur herbeizuführen (vgl. für die Sicherung der Altersstruktur BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 31; s. auch 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  29). Der Beklagte ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen.

57

(aaa) Er hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Altersstruktur die Betriebsparteien schaffen wollten, dh. ob sie den Altersdurchschnitt senken oder erhöhen wollten. Zudem hätte der Beklagte die Gründe dafür nennen müssen. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen nicht. Sonst kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50).

58

(bbb) Sollten die Betriebsparteien eine Verjüngung der Altersstruktur angestrebt haben, hätte das die Kündigung einer überproportional hohen Zahl älterer Arbeitnehmer in den höheren Altersgruppen der Vergleichsgruppe Nr. 10 vorausgesetzt. Das ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal in dieser Vergleichsgruppe die höchste Altersgruppe der beiden Arbeitnehmer ab Vollendung des 55. Lebensjahres nicht von Kündigungen betroffen war.

59

(3) Sind danach die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von Altersgruppen nicht erfüllt, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die soziale Auswahl dennoch im Auswahlergebnis nicht grob fehlerhaft ist. Die getroffene Auswahl muss sich gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das Auswahlverfahren zu beanstanden ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen (vgl. zB BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  34; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09  - Rn. 19 ).

60

II. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Revision kann nicht nach § 561 ZPO zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seinem Lösungsweg konsequent - keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat erlauben zu beurteilen, ob die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) und die Massenentlassungsanzeige des Beklagten (§ 17 KSchG) ordnungsgemäß waren. Der Kläger hat diese formellen Unwirksamkeitsgründe gerügt.

61

1. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Prüfung zu beachten haben, dass der Arbeitgeber die Pflichten aus §§ 111, 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 KSchG gleichzeitig erfüllen kann. Er muss dabei hinreichend klarstellen, welche Verfahren durchgeführt werden sollen (vgl. nur BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 mwN).

62

2. Aus Nr. II 3, Nr. III 1 Abs. 1 und Nr. IV 1, 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleichsverfahren zugleich die Unterrichtungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sowie die Beratungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erfüllt werden sollten.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Augat    

        

    Cl. Peter    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Juni 2008 - 12 Sa 244/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen mit bundesweit ca. 58 Niederlassungen, sog. Vertriebsdirektionen. Sie unterhält an ihrem Sitz in H eine Hauptverwaltung(sog. zentraler Innendienst). In den Vertriebsdirektionen beschäftigte sie neben Außendienstmitarbeitern sog. Außendienstpartner (ADP), die jeweils unter der Leitung eines Außendienstpartner-Koordinators (ADP-Ko) standen. Deren Aufgabe war es, den Außendienst und den Vertriebsdirektor mit vor Ort zu erledigenden Verwaltungs- und Bürotätigkeiten zu unterstützen (sog. dezentraler Innendienst).

3

Der im April 1957 geborene Kläger ist ausgebildeter Versicherungskaufmann. Er ist seit 1973 bei der Beklagten tätig. Dabei war er zeitweise als Kundenberater eingesetzt. Zuletzt war er in der Vertriebsdirektion M, der etwa 80 Arbeitnehmer zugeordnet sind, als Außendienstpartner beschäftigt. Nebenberuflich ging er einer Außendiensttätigkeit auf Provisionsbasis nach. Er war außerdem bis zuletzt stellvertretender Vorsitzender des für die Vertriebsdirektion M gewählten Betriebsrats.

4

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das private Versicherungsgewerbe Anwendung. Nach § 4 des Manteltarifvertrags in der maßgebenden, seit 1. Januar 2006 geltenden Fassung(MTV) richtet sich die Vergütung der Angestellten des Innendienstes nach der Eingruppierung ihrer Tätigkeit in Gehaltsgruppen. Demgegenüber legt § 19 MTV für die Angestellten des Werbeaußendienstes ein Mindesteinkommen fest, auf das - soweit nichts anderes vereinbart ist - verdiente Provisionen anzurechnen sind.

5

Ein für die Angestellten des Innendienstes abgeschlossenes Rationalisierungsschutzabkommen(RSchA) in seiner maßgebenden, seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung enthält in seinem § 5 Regelungen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes. Nach § 7 Abs. 1 des Abkommens bedarf es zur Abgruppierung des Arbeitnehmers einer Änderungskündigung. Nach § 7 Abs. 2 hat der Arbeitgeber bei Mitarbeitern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und mindestens zehn Jahre ununterbrochen dem Unternehmen angehören, „im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung nach billigem Ermessen eine Gehaltssicherung zu treffen“ und ist „eine niedrigere tarifliche Eingruppierung“ nicht zulässig.

6

Die in den Vertriebsdirektionen beschäftigten Außendienstpartner waren ursprünglich in die Gehaltsgruppe VI MTV, die Koordinatoren in die Gehaltsgruppe VII MTV eingruppiert. Im Zuge einer Verlagerung von Verwaltungsaufgaben nach H wurden die Stellen im Jahr 2004 neu bewertet und jeweils um zwei Gehaltsgruppen herabgestuft. Aus diesem Anlass schloss die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine besondere, über § 7 RSchA hinausgehende Vereinbarung zur Gehaltssicherung.

7

Nachdem der Kläger zunächst sein Einverständnis mit der beabsichtigten Umgruppierung angezeigt hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 8. Juli 2004 mit, dass sie wegen des Widerspruchs einiger örtlicher Betriebsratsmitglieder entschieden habe, die „mit einem Sonderkündigungsschutz nach dem BetrVG … versehenen Mitarbeiter“ für die Dauer des besonderen Kündigungsschutzes nicht „abzugruppieren“. Die zugleich erbetene ausdrückliche Zustimmung zur sofortigen einvernehmlichen Umgruppierung wurde vom Kläger verweigert. In der Folgezeit bezog er unverändert Vergütung nach der Gehaltsgruppe VI MTV bei einem Bruttomonatsverdienst von 3.305,20 Euro.

8

Im Jahr 2007 entschied die Beklagte, ihren „dezentralen Innendienst“ zum 30. September 2007 bundesweit „zu schließen“ und dadurch etwa 300 Stellen abzubauen. Damit einhergehend beschloss sie, einen Teil der zuvor in den Vertriebsdirektionen ausgeführten Verwaltungstätigkeiten auf unterschiedliche Bereiche der Hauptverwaltung zu verlagern. Ein anderer Teil der Aufgaben, wie „Standardbürotätigkeiten“ zur Unterstützung des Vertriebsdirektors und „einfachste Büro- und Logistikarbeiten“, sollte spätestens ab 1. Oktober 2007 an einen externen Dienstleister vergeben werden. Sonstige Verwaltungstätigkeiten sollten ersatzlos entfallen.

9

Am 26. März 2007 vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan, der ua. Regelungen über eine vorübergehende Verdienstsicherung beim Wechsel in den Werbeaußendienst enthält.

10

Mit Schreiben vom 29. März 2007 unterrichtete die Beklagte den Kläger über die anstehenden Veränderungen in seinem Arbeitsbereich. Zugleich bat sie um Mitteilung, ob er Interesse an einer möglichen Beschäftigung auf einem von mehreren in dem Schreiben genannten Arbeitsplätzen habe, ua. in einem Schadenszentrum oder im Außendienst. Für den Fall, dass er weder ein „eventuelles Arbeitsplatzangebot“, noch ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags annehme, stellte sie eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht.

11

Durch Schreiben vom selben Tag bekundete der Kläger sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung „im organisierenden Außendienst in der Vertriebsdirektion M“. Zugleich verwies er auf seine Bereitschaft, „über die Modalitäten einer Weiterbeschäftigung zu verhandeln“, soweit es zum endgültigen Wegfall des Arbeitsplatzes kommen sollte.

12

Der mit Schreiben vom 15. Juni 2007 nach § 102 BetrVG angehörte Betriebsrat der Vertriebsdirektion M war der Auffassung, die gegenüber dem Kläger beabsichtigte Beendigungskündigung bedürfe seiner Zustimmung nach § 103 BetrVG. Im Übrigen widersprach er der Kündigung mit der Begründung, der Kläger könne eine Tätigkeit als „Außendienstmitarbeiter/Organisationsleiter“ in der Vertriebsdirektion übernehmen.

13

Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 2008. Ab 1. Oktober 2007 stellte sie den Kläger von seiner Arbeitsleistung frei.

14

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG lägen nicht vor. Jedenfalls sei die Beklagte ihrer Pflicht, ihn in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen, nicht nachgekommen. Geeignete Arbeitsplätze seien vorhanden gewesen, etwa die Stelle eines Bezirksdirektors oder die zum 1. Juli 2007 - unstreitig - neu geschaffene, mit einem anderen Arbeitnehmer besetzte Stelle einer „Nachwuchsführungskraft“. Zumindest hätte ihm die Stelle eines Agenturleiters im werbenden Außendienst angeboten werden müssen. Dabei habe er Anspruch auf eine dauerhafte Gehaltssicherung, der ihm sowohl auf der Grundlage der geltenden betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen wie auch nach § 15 KSchG zustehe.

15

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Juni 2007 nicht aufgelöst worden ist.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 KSchG seien mit der Stilllegung des „dezentralen Innendienstes“ erfüllt. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers in der Vertriebsdirektion M sei aus betrieblichen Gründen nicht möglich. Dort bestünden nur noch Arbeitsplätze, die - verglichen mit seiner zuletzt ausgeübten, nach der Tarifgruppe IV MTV zu bewertenden Tätigkeit - höherwertig seien. Das gelte insbesondere für die übertariflich dotierten Stellen des Bezirksdirektors und der „Nachwuchsführungskraft“. Diese Stellen seien zudem mit Führungsaufgaben verbunden bzw. auf eine dahingehende Qualifizierung gerichtet. Für die Stelle eines Agenturleiters ergebe sich die Höherwertigkeit aus der Möglichkeit, bis zu 7.500,00 Euro zu verdienen. Solche Stellen habe sie dem Kläger nicht anbieten müssen. Unabhängig davon fehle ihm die erforderliche Eignung. Seiner Beschäftigung auf der Stelle eines Agenturleiters stehe zudem entgegen, dass er nicht bereit sei, die Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen auszuüben.

17

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Juni 2007 aufgelöst worden ist.

19

I. Die Revision ist nicht deshalb begründet, weil die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unwirksam wäre.

20

1. Da es sich bei der auf § 15 Abs. 5 KSchG gestützten Kündigung um eine ordentliche Kündigung handelt, hat die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zu erfolgen(BAG 3. April 1987 - 7 AZR 65/86 - zu B I der Gründe; KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 95). Einer Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG bedarf es nicht(Senat 18. September 1997 - 2 ABR 15/97 - zu C II 2 a der Gründe, BAGE 86, 298).

21

2. Für die Anhörung des Betriebsrats zu einer auf § 15 Abs. 5 KSchG gestützten Kündigung gelten die allgemeinen, zu § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers ist subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die aus seiner Sicht für die Kündigung ausschlaggebenden Umstände mitteilen(st. Rspr., zuletzt Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 34, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 59, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; jeweils mwN). Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreleitende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN aaO).

22

3. Danach ist die Betriebsratsanhörung nicht zu beanstanden.

23

a) Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 15. Juni 2007 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Dabei hat sie sowohl dessen Tätigkeit als Außendienstpartner als auch die für seine Vergütung relevanten Gesichtspunkte mitgeteilt. Sie hat ausgeführt, dass die Stelle ihrer Auffassung nach einem „Stellenendwert nach der Tarifgruppe 40“(= Gehaltsgruppe IV MTV) entspricht, der Kläger aber weiterhin nach der „Tarifgruppe 60“ (= Gehaltsgruppe VI MTV) vergütet werde, weil er „beim Umgruppierungsprozess im Jahre 2004 aufgrund seines Betriebsratsmandats nicht abgruppiert“ worden sei. Ferner hat sie den Betriebsrat über die ihrer Auffassung nach vorliegende Stilllegung einer Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG informiert und sich dabei auf die Schließung des „dezentralen Innendienstes“ durch Verlagerung, Fremdvergabe und Wegfall der bisher von den Außendienstpartnern wahrgenommenen Aufgaben bezogen.

24

b) Entgegen der Auffassung der Revision wurde der Betriebsrat auch über das Fehlen von Möglichkeiten zur(Weiter-)Beschäftigung des Klägers ausreichend unterrichtet.

25

aa) Das gilt zunächst für die Möglichkeit, den Kläger iSv. § 15 Abs. 5 KSchG in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Die Beklagte hat mitgeteilt, die Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz der Vertriebsdirektion M scheide aus. Dabei hat sie sowohl auf das Fehlen vergleichbarer Arbeitsplätze als auch darauf verwiesen, dass der Kläger keine Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz verlangen könne. Dies bezog sich ersichtlich auf sämtliche in der Vertriebsdirektion noch vorhandenen Arbeitsplätze. Es bedurfte deshalb keiner näheren Ausführungen zu der Möglichkeit, für den Kläger einen besetzten Arbeitsplatz „freizumachen“. Selbst wenn die Beklagte lediglich freie und nicht auch „freizumachende“ Arbeitsplätze berücksichtigt hätte, läge darin allenfalls eine objektiv und nicht auch eine subjektiv unvollständige Anhörung des Betriebsrats.

26

bb) Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Betriebsrat über freie Arbeitsplätze in den Schadenszentren zu unterrichten. Dabei handelt es sich um Arbeitsplätze außerhalb der Vertriebsdirektion M, bezüglich derer die Beklagte der Ansicht war, dem Kläger fehle es an der erforderlichen Eignung und am Interesse. Besteht aus Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb genügt er den Anforderungen des § 102 Abs. 1 BetrVG regelmäßig durch einen entsprechenden(konkludenten) Hinweis (Senat 17. Februar 2000 - 2 AZR 913/98 - zu 2 c der Gründe, BAGE 93, 366; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus einem Betriebsratsmandat des Arbeitnehmers ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 185b; KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93).

27

II. Die Revision ist begründet, weil die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seine Entscheidung nicht tragen. Ob die Kündigung gemäß § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 4 KSchG wirksam ist, lässt sich noch nicht beurteilen.

28

1. Es steht schon nicht fest, dass es sich bei dem bisherigen Arbeitsbereich des Klägers um eine Betriebsabteilung handelte.

29

a) Eine Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG ist ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, auch wenn dieser in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs besteht(Senat 12. März 2009 - 2 AZR 47/08 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 63 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 63; 2. März 2006 - 2 AZR 83/05 - Rn. 15, BAGE 117, 178; 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 4 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141).

30

b) Von dieser Begriffsbestimmung ist erkennbar zwar auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, der Kläger habe im sog. dezentralen Innendienst gearbeitet, der als Betriebsabteilung der Vertriebsdirektion M „einzustufen sei“. Es handele sich „um einen räumlich und organisatorisch abgegrenzten Teil des Betriebes M, in dem Außendienstpartner unter der Leitung von sogenannten Koordinatoren mit eigenen Betriebsmitteln (z. B. PC) den Zweck verfolgten, Verwaltungs- und Büroarbeiten für den Außendienst und die Vertriebsdirektoren zu erbringen.“

31

Für eine solche Annahme fehlt es aber an konkreten tatsächlichen Feststellungen. Das Landesarbeitsgericht beschränkt sich, wie die Revision mit Recht beanstandet, im Kern auf eine Wiederholung der abstrakten Merkmale des Begriffs „Betriebsabteilung“. Welche konkreten, fallbezogenen Umstände seine Schlussfolgerung rechtfertigen, bleibt weitgehend offen. Insbesondere fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, die erkennen ließen, worin die angenommene räumliche und organisatorische Abgrenzung der Gruppe der Außendienstpartner von anderen Arbeitsbereichen der Vertriebsdirektion M bestanden haben soll. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Sachvortrag der Parteien. Zwar hat die Beklagte - unwidersprochen - schriftsätzlich geltend gemacht, der Arbeitsplatz der Außendienstpartner habe sich „in der Vertriebsdirektion M“ befunden, während die Mitarbeiter des Außendienstes von ihrem häuslichen Arbeitsplatz aus tätig seien. Diesen Ausführungen ist aber nicht zu entnehmen, ob die behauptete räumliche Trennung zugleich auf den sog. „organisierenden Außendienst“, bestehend aus dem Vertriebsdirektor, den Betriebsdirektoren und der „Nachwuchsführungskraft“, zutraf. Entsprechendes gilt mit Blick auf den von der Arbeitsgruppe verfolgten „Hilfszweck“ der „Unterstützung“ des Vertriebsdirektors und der Außendienstmitarbeiter durch „Erbringung von Verwaltungstätigkeiten“. Auch daraus ergibt sich keine hinreichend klare Abgrenzung der Arbeitsaufgaben der Außendienstpartner von denjenigen der übrigen Mitarbeiter der Vertriebsdirektion, die es gerechtfertigt erscheinen ließe, von einer Verselbstständigung dieser Einheit im Sinne einer Betriebsabteilung zu sprechen. Immerhin hat der Kläger vorgetragen, zumindest zu einem Anteil von 10 vH habe seine Tätigkeit in der(direkten) Kundenberatung bestanden, soweit Kunden nämlich persönlich in der Vertriebsdirektion vorgesprochen oder telefonisch Nachfrage gehalten hätten; die Gegenstände der Beratungen seien allumfassend und nicht anders gestaltet gewesen, als sie von einem Außendienstmitarbeiter zu erledigen gewesen wären. Der Hinweis der Beklagten auf ausschließlich von der Gruppe der Außendienstpartner genutzte PCs genügt nicht, um davon auszugehen, diese hätten ihre Verwaltungstätigkeit mit eigenen Betriebsmitteln erbracht. Es ist, wie die Revision zu Recht rügt, schwer vorstellbar, dass sich die Außendienstpartner nicht noch weiterer Betriebsmittel bedient haben sollten.

32

2. Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass es sich bei der Arbeitseinheit der Außendienstpartner um eine Betriebsabteilung handelte, lassen die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht die Annahme zu, die Beklagte habe diese Einheit iSv. § 15 Abs. 5, Abs. 4 KSchG stillgelegt. Zwar kann die Übertragung eines Teils der Aufgaben der Außendienstpartner auf in H beschäftigte Arbeitnehmer bei gleichzeitiger „Fremdvergabe“ eines weiteren Teils von Aufgaben und dem Wegfall bestimmter restlicher Tätigkeiten zur Stilllegung der Betriebsabteilung im Sinne einer dauerhaften Auflösung der betreffenden betrieblichen Einheit geführt haben. Im Hinblick auf die „Fremdvergabe“ bisher durch die Außendienstpartner verrichteter Aufgaben bedarf es aber einer sorgfältigen Prüfung, ob von einer Stilllegung oder nur von einer Verkleinerung dieses Bereichs auszugehen ist(zur Abgrenzung vgl. BAG 17. November 2005 - 6 AZR 118/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 64). Ersteres wiederum setzt - um die Gefahr einer Austauschkündigung auszuschließen - voraus, dass die „Fremdvergabe“ tatsächlich zur Aufgabe der Arbeitgeberstellung der Beklagten bei der Erledigung der betreffenden Arbeiten geführt hat (vgl. Senat 18. September 2008 - 2 AZR 560/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 89 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 162; KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 81). Dazu fehlt es an ausreichendem Vortrag. Die Beklagte macht lediglich geltend, zur Durchführung einzelner, weiterhin in der Vertriebsdirektion zu verrichtender „Vertriebsunterstützungs- und Logistikprozesse“ werde künftig „über eine externe Dienstleistungsgesellschaft (DLG) in jeder Vertriebsdirektion eine Stelle für Vertriebsunterstützung eingerichtet“; zusätzlich würden „über diese DLG“ je Vertriebsdirektion „zwei 400-Euro-Kräfte eingesetzt“. Ob und ggf. in welcher Weise sie selbst Einfluss auf die Ausführung dieser Aufgaben nimmt, erschließt sich daraus nicht.

33

3. Ebensowenig lässt sich abschließend beurteilen, ob es der Beklagten möglich war, den Kläger iSv. § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG in eine andere Abteilung der Vertriebsdirektion M zu übernehmen.

34

a) Anders als die Revision meint, fehlt es insoweit nicht schon an einlassungsfähigem Sachvortrag der Beklagten. Angesichts des engen Ausnahmetatbestands des § 15 Abs. 5 KSchG ist zwar der Arbeitgeber verpflichtet, von sich aus alle denkbaren Übernahmemöglichkeiten eingehend zu prüfen und Umfang und Ergebnis der Prüfung im Prozess substantiiert darzulegen(BAG 25. November 1981 - 7 AZR 382/79 - zu III 1 der Gründe, BAGE 37, 128; KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 134). Dieser Darlegungslast ist die Beklagte aber mit ihrer Behauptung nachgekommen, in der Vertriebsdirektion M sei kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden gewesen, da sämtliche dort verbliebenen Tätigkeiten als höherwertig anzusehen seien. Dem konnten sowohl das Gericht als auch der Kläger entnehmen, wie die Beklagte ihre Prüfpflichten wahrgenommen hat und zu welchem Ergebnis sie gelangt ist. Soweit der Kläger diesen Behauptungen entgegen getreten ist, hat die Beklagte ihr Vorbringen durch konkreten Vortrag ergänzt und damit ihre Substantiierungspflicht (§ 138 Abs. 2 ZPO) erfüllt.

35

b) Ausgehend von den Erklärungen des Klägers in der Berufungsverhandlung vom 13. Juni 2008 beschränkt sich die Prüfung einer bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf die Frage, ob der Kläger auf die Stellen des Bezirksdirektors, der „Nachwuchsführungskraft“ oder des Agenturleiters iSv. § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu übernehmen war. Der Kläger hat zu Protokoll erklärt, er berufe sich für eine Weiterbeschäftigung ausschließlich auf die genannten Positionen.

36

c) Bei dieser Prüfung ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, davon auszugehen, dass nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG in der Regel keine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, dem Mandatsträger zur Vermeidung einer Kündigung die Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten. Das gilt selbst dann, wenn das Betriebsratsmitglied das Anforderungsprofil einer solchen Beförderungsstelle erfüllt.

37

aa) § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber, dem Mandatsträger eine möglichst gleichwertige Stellung anzubieten. Der gleichwertige Arbeitsplatz in der anderen Abteilung muss - anders als im Fall des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG - nicht frei sein. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung seines Direktionsrechts oder ggf. durch Kündigung für den Mandatsträger freizumachen(Senat 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - zu B I 3 a der Gründe, BAGE 101, 328; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 494/99 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 96, 78). Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in der anderen Abteilung nicht vorhanden, ist der Arbeitgeber nach dem ultima-ratio-Grundsatz verpflichtet, dem Mandatsträger, bevor er ihm gegenüber eine Beendigungskündigung erklärt, die Beschäftigung auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz anzubieten und hierzu ggf. eine Änderungskündigung auszusprechen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 83/05 - Rn. 20, BAGE 117, 178; 28. Oktober 1999 - 2 AZR 437/98 - zu II 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 44 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 48).

38

bb) Teilweise wird die Auffassung vertreten, die nach § 15 Abs. 5 KSchG bestehende Übernahmepflicht sei nicht auf gleich- oder geringerwertige Arbeitsplätze beschränkt. Bei Fehlen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten erstrecke sie sich auch auf höherwertige Arbeitsplätze. Um dem Betriebsratsmitglied im kollektiven Interesse die Beschäftigung zu sichern, sei danach zu fragen, ob der Mandatsträger aufgrund seiner fachlichen Qualifikation in der Lage sei, einen Arbeitsplatz in einer anderen Betriebsabteilung zu besetzen.Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sei der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, dem Betriebsratsmitglied den höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten (LAG Rheinland-Pfalz 13. November 2007 - 1 Sa 914/06 - Rn. 27, LAGE KSchG § 15 Nr. 20; Houben NZA 2008, 851, 855).

39

cc) Diese Auffassung überzeugt nicht. Gegen eine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Betriebsratsmitglied auf eine höherwertige, dh. eine Beförderungsstelle zu „übernehmen“, sprechen der Rechtscharakter des § 15 KSchG als nur bestandssichernde Bestimmung und das Verbot, Betriebsratsmitglieder wegen ihres Amtes zu begünstigen(im Ergebnis bspw. auch AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 62; KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 127; HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 124; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1713; APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 185b; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 15 Rn. 47; HWK/Quecke 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 64).

40

(1) Im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Beförderungsstelle anzubieten(Senat 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d cc der Gründe, BAGE 95, 350; 7. Februar 1991 - 2 AZR 205/90 - zu B II 3 d der Gründe, BAGE 67, 198). Etwas anderes kann nur in Ausnahmefällen gelten (vgl. dazu Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 16).

41

(2) Für die Übernahmepflicht nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG gelten insoweit keine Besonderheiten.

42

(a) Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzesmaterialien(vgl. die amtliche Begründung zur Vorläuferregelung des § 13 Abs. 2 und 3 KSchG 1951, RdA 1951, 58, 65) lassen sich Anhaltspunkte für eine weitergehende Pflicht des Arbeitgebers entnehmen.

43

(b) Nach ihrem Sinn und Zweck schränkt § 15 KSchG die Kündigungsbefugnisse des Arbeitgebers insbesondere im Interesse der personellen Kontinuität des Betriebsrats ein. Das Kollegialorgan Betriebsrat soll nach Möglichkeit vor einer personellen Auszehrung geschützt werden. Den Arbeitgeber trifft nach § 15 Abs. 5 KSchG die Pflicht, das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand zu sichern und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für eine angemessene Weiterbeschäftigung des Mandatsträgers zu sorgen(Senat 2. März 2006 - 2 AZR 83/05 - Rn. 17, BAGE 117, 178; 17. März 2005 - 2 ABR 2/04 - zu B II 4 d aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59). Bestandsschutz bedeutet grundsätzlich Erhaltung des Arbeitsverhältnisses mit den bestehenden vertraglichen Verpflichtungen. Er verpflichtet den Arbeitgeber nicht, den Arbeitnehmer zu für diesen deutlich günstigeren als den vereinbarten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Für ein solches - eingeschränktes - Verständnis der Übernahmepflicht spricht der vom Gesetzgeber angestrebte Ausgleich zwischen dem Interesse der Belegschaft an der Amtskontinuität des Betriebsrats einerseits und den berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers sowie seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit andererseits(vgl. Senat 18. September 1997 - 2 ABR 15/97 - zu C II 2 a der Gründe, BAGE 86, 298). Dieser Ausgleich würde gestört, wenn es nicht der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers überlassen bliebe zu entscheiden, welche Hierarchieebenen er einrichtet, welches Anforderungsprofil er für die höherwertigen Stellen festlegt und welche Arbeitnehmer er für geeignet hält, die betreffenden Aufgaben wahrzunehmen(vgl. Kiel FS Kreutz S. 211, 221).

44

(c) Hinzu kommt, dass Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG wegen ihrer Tätigkeit nicht begünstigt werden dürfen. Das gilt nach § 78 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG auch für ihre berufliche Entwicklung. Auf eine solche Begünstigung liefe es hinaus, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsratsmitglied nur wegen der Stilllegung einer Betriebsabteilung eine Beförderungsstelle anzubieten. Damit würde der Mandatsträger eine Rechtsposition erlangen, die ihm bei ungefährdetem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zugestanden hätte. Zudem bliebe der Arbeitgeber an die neuen vertraglichen Vereinbarungen auch über die Dauer des Sonderkündigungsschutzes hinaus gebunden. Für eine so weitreichende Besserstellung des Mandatsträgers bietet das Ziel der Sicherung der Amtskontinuität keine hinreichende Grundlage.

45

(d) Dazu stehen die Entscheidungen des Senats zum Verhältnis von § 78 Satz 2 BetrVG und § 15 KSchG im Fall einer(Massen-)Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung (vgl. Senat 7. Oktober 2004 - 2 AZR 81/04 - zu II 6 der Gründe mwN, BAGE 112, 148; 29. Januar 1981 - 2 AZR 778/78 - zu II 4 der Gründe, BAGE 35, 17) nicht im Widerspruch. Dort ging es - anders als im vorliegenden Fall - nicht um die Frage, ob die Auslegung des Begriffs der „Übernahme“ zu einer auf Dauer angelegten Besserstellung des Betriebsratsmitglieds führen kann.

46

d) Die Heranziehung von § 5 RSchA führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 RSchA hat der Arbeitgeber dem von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer, sofern dessen Weiterbeschäftigung an seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist, eine Beschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz - vorrangig im selben Betrieb - anzubieten. Wenn auf diesem Weg die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht gesichert werden kann, greifen die Verpflichtungen des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 3 und Abs. 4 RSchA zur Weiterbeschäftigung auf einem „geeigneten und zumutbaren“ Arbeitsplatz ein. Aus dem Stufenverhältnis der Regelungen folgt, dass es sich bei diesem „zumutbaren Arbeitsplatz“ um einen im Vergleich zu der bisherigen Stelle des Arbeitnehmers geringerwertigen Arbeitsplatz handelt. Dies wird bestätigt durch § 5 Abs. 8 RSchA, der auf den „angebotenen, geringer bewerteten Arbeitsplatz“ abstellt und für den Fall der Annahme eines solchen Angebots vorsieht, dass eine spätere Bewerbung des Arbeitnehmers auf einen - seiner früheren Stelle - gleichwertigen Arbeitsplatz unter bestimmten Voraussetzungen bevorzugt zu berücksichtigen ist.

47

e) Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indessen nicht die Annahme, die vom Kläger bezeichneten Stellen des „Bezirksdirektors“ und der „Nachwuchsführungskraft“ seien im vorstehenden Sinne als höherwertig anzusehen. Den Entscheidungsgründen lässt sich schon nicht hinreichend deutlich entnehmen, worauf es diese Annahme stützt. Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Positionen seien deutlich höher dotiert als die bisher vom Kläger verrichtete Tätigkeit und dieser erfülle ihr Anforderungsprofil nicht. Beides hat der Kläger bestritten. Mit Recht hat er zudem geltend gemacht, die Gleich- bzw. Höherwertigkeit der fraglichen Stellen sei ausgehend von seiner Eingruppierung in die Gehaltsgruppe VI MTV zu beurteilen. Dies folgt, ohne dass es dabei auf die Frage der tarifgerechten Bewertung der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit ankäme, aus § 7 Abs. 1 RSchA iVm. den aus Anlass der Stellenneubewertung abgegebenen Erklärungen der Parteien. Nach § 7 Abs. 1 RSchA war für eine Abgruppierung im Zusammenhang mit der im Jahr 2004 durchgeführten Rationalisierungsmaßnahme eine Änderungskündigung oder - nach Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung - Einvernehmen erforderlich. Eine Änderungskündigung hat die Beklagte nicht erklärt, sodass offenbleiben kann, ob diese mit Rücksicht auf § 15 Abs. 1 KSchG zulässig gewesen wäre. Seine Zustimmung zur Herabgruppierung hat der Kläger ausdrücklich verweigert.

48

f) Der Senat vermag zudem nicht abschließend zu beurteilen, ob die Beklagte dem Kläger ggf. ein Angebot zur Weiterbeschäftigung als Agenturleiter unterbreiten musste.

49

aa) Das Landesarbeitsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass dem Kläger bei Übernahme einer solchen Tätigkeit keine dauerhafte Entgeltsicherung zusteht und die Beklagte daher nicht verpflichtet war, ihm eine Beschäftigung zu einer solchen Bedingung anzubieten.

50

(1) Die Beklagte zahlt ihren im werbenden Außendienst beschäftigten Agenturleitern nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein monatliches Festgehalt in Höhe von 1.780,00 Euro zzgl. variabler Vergütungsbestandteile.

51

(2) Ein Anspruch des Klägers auf Beibehaltung des von ihm zuletzt nach der Gehaltsgruppe VI MTV bezogenen Gehalts ergibt sich nicht aus den Regelungen in II. 1.2.1 des „Sozialplans zum Handlungsprogramm ‚Neue Volksfürsorge’“. Dagegen spricht, dass die Vergütung der Mitarbeiter im werbenden Außendienst(Angestellte im Sinne des Teils III des MTV) nicht einem tariflichen Entgeltschema folgt. Im Hinblick darauf kann nicht von einem Einsatz „auf einer niedriger bewerteten Stelle“ gesprochen werden, an den die nach dem Sozialplan vorgesehene Entgeltsicherung anknüpft. Im Übrigen haben die Betriebsparteien unter I. 1.2.7 des Sozialplans für den Wechsel in den (Werbe-)Außendienst ein in sich geschlossenes Regelungssystem vereinbart. Nach Ablauf einer bestimmten Frist sollte sich die Vergütung erkennbar nur nach den für den werbenden Außendienst geltenden Regelungen richten.

52

(3) Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 4 des Abschlussprotokolls zum Sozialplan. Danach bleibt den Außendienstpartnern eine ihnen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 30. Januar 2004 zustehende Gehaltssicherung erhalten. Ob sich der Kläger darauf überhaupt berufen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Auch das Abschlussprotokoll sieht jedenfalls für den Wechsel in den Außendienst in Nr. 11 eigenständige Regelungen zur Verdienstsicherung vor, die nach drei Monaten auslaufen.

53

(4) Ein Anspruch auf Entgeltsicherung folgt auch nicht aus § 7 Abs. 2 RSchA oder § 15 Abs. 5 KSchG.

54

Der persönliche Geltungsbereich des RSchA beschränkt sich nach seiner Präambel auf Arbeitnehmer, die als Mitarbeiter des Innendienstes unter Teil II des MTV fallen. Anknüpfungspunkt für die Entgeltsicherung gemäß § 7 Abs. 2 RSchA ist dabei die „Abgruppierung“ eines Arbeitnehmers und damit dessen veränderte Einstufung in die tarifliche Entgeltordnung. Dies zeigt, dass die Bestimmung für einen Wechsel vom Innendienst in den Werbeaußendienst, für den ein Entgeltschema nicht besteht, keine Geltung beansprucht.

55

§ 15 KSchG gewährt dem Mandatsträger zwar Bestandsschutz, nicht aber Arbeitsentgeltschutz für den Fall, dass er auf einen Arbeitsplatz übernommen wird, für den schlechtere oder völlig andere Bedingungen gelten.

56

bb) Das bedeutet nicht, dass die Beklagte davon absehen durfte, dem Kläger zur Vermeidung einer Beendigungskündigung die Weiterbeschäftigung als Agenturleiter zu üblichen Bedingungen im Rahmen einer Änderungskündigung anzubieten.

57

(1) Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jede mögliche Beschäftigung, die er ihm nicht kraft seines Direktionsrechts zuweisen kann, von sich aus, ggf. mittels Änderungskündigung anbieten(KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 128). Eine Änderungskündigung darf nur in „Extremfällen” unterbleiben, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte, ein derartiges Angebot vielmehr beleidigenden Charakter gehabt hätte. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter ggf. erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen annimmt oder nicht (st. Rspr., vgl. Senat 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II 4 c der Gründe, BAGE 114, 243). Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer „Extremsituation” ist das Verhalten des Arbeitnehmers nach Ausspruch einer Beendigungskündigung und während des Kündigungsschutzprozesses. Beruft er sich nicht zeitnah auf eine ihm bekannte Beschäftigungsmöglichkeit, spricht vieles dafür, dass er selbst keine zumutbaren Weiterbeschäftigungsperspektiven mehr sieht und der Arbeitgeber ein entsprechendes Änderungsangebot nicht unterbreiten musste. Dies indiziert, dass der Arbeitnehmer das betreffende Angebot schon vor Ausspruch der Kündigung nicht - auch nicht unter Vorbehalt - angenommen hätte (Senat 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 46, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - aaO). Diese Grundsätze finden auch im Rahmen von § 15 Abs. 5 KSchG Anwendung(KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 128).

58

(2) Danach erscheint fraglich, ob die Äußerung des Klägers, er verlange im Fall einer Beschäftigung als Agenturleiter eine Entgeltsicherung, so verstanden werden kann, dass er keinesfalls bereit sei, diese Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen zu übernehmen. Dagegen spricht, dass er sich bereits in seinem unmittelbar auf die Güteverhandlung vom 16. August 2007 folgenden Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 darauf berufen hat, die Beklagte habe ihm ein entsprechendes Angebot zumindest im Wege einer Änderungskündigung unterbreiten müssen. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass seine Protokollerklärung lediglich der Bekräftigung seines Rechtsstandpunkts dienen sollte, ihm stehe eine solche Entgeltsicherung zu. Hinzu kommt, dass der Kläger zwischenzeitlich ein ihm im Wege der vorsorglichen Änderungskündigung unterbreitetes Angebot zur Beschäftigung als Agenturleiter zu üblichen Bedingungen unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hat.

59

(3) Sollten sich über die Prozesserklärungen des Klägers hinaus keine weiteren Tatsachen feststellen lassen, aus denen sich klar und deutlich ableiten ließe, dass er ein entsprechendes Änderungsangebot noch nicht einmal unter Vorbehalt angenommen hätte, kann von der Entbehrlichkeit einer Änderungskündigung nicht ausgegangen werden. Es kommt dann darauf an, ob der Beklagten - wie von ihr geltend gemacht - eine Übernahme des Klägers auf einen solchen Arbeitsplatz aus anderen Gründen nicht möglich war.

60

III. Da der Senat die erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht selbst treffen kann, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zunächst zu prüfen haben, ob die Arbeitseinheit, in der der Kläger beschäftigt war, die Voraussetzungen einer Betriebsabteilung iSv. § 15 Abs. 5 KSchG erfüllt. Dazu bedarf es weiteren Sachvortrags der Beklagten, der vorab Gelegenheit zu geben sein wird, ihn nachzuholen. Ggf. wird sich das Landesarbeitsgericht sodann mit den weiteren Punkten zu befassen und dafür die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Dr. Roeckl    

                          

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Mai 2008 - 20 Sa 1594/07 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Die Klägerin ist seit 1993 bei der Beklagten tätig. Die Beklagte nimmt im Auftrag des Bundesfinanzministeriums Aufgaben des Immobilienmanagements im ländlichen Raum der fünf neuen Bundesländer wahr. Sie ist in verschiedene Niederlassungen gegliedert. In Mecklenburg-Vorpommern bestehen Niederlassungen in Schwerin/Rostock, mit Geschäftsstellen in Schwerin und Rostock, und in Neubrandenburg. In den Geschäftsstellen Schwerin und Rostock sowie der Niederlassung Neubrandenburg waren Betriebsräte gewählt worden; am Sitz der Beklagten besteht ein Gesamtbetriebsrat.

3

Die Klägerin arbeitete ursprünglich als Gruppenleiterin im Bereich „Außenstellen Rostock“ mit „Dienstort Rostock“. Später wurde sie in Rostock als Referentin weiterbeschäftigt. Gemeinsam mit drei weiteren Referenten bearbeitete sie den Bereich „Bad Doberan“.

4

Die Beklagte beschloss im Jahr 2003, wegen rückläufigen Auftragsvolumens die Zahl ihrer Geschäftsstellen zu reduzieren und Personal abzubauen. Am 15. Dezember 2003 vereinbarte sie mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. In ihm ist unter § 5 geregelt, dass Versetzungen entweder auf freiwilliger Basis oder im Rahmen von vereinbarten Zumutbarkeitskriterien erfolgen sollen. Ein Versetzungsangebot gilt ua. dann als zumutbar, wenn der Fahrweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Wohnung zur Arbeitsstätte maximal 1 ½ Stunden je Weg beträgt (§ 6 Abs. 3 des Interessenausgleichs). Der Interessenausgleich wurde am 20. Januar 2005 ohne inhaltliche Änderungen neu gefasst.

5

Im Februar 2004 beschloss die Beklagte, die Geschäftsstelle Rostock zum 31. Dezember 2007 zu schließen. Mit Wirkung zum 1. April 2005 ordnete sie den Bereich „Bad Doberan“ dem neuen Arbeitsbereich „Verkauf/Verpachtung Güstrow/Bad Doberan“ in der Geschäftsstelle Schwerin zu. Wegen der örtlichen Nähe sollten die Bad Doberan betreffenden Aufgaben zunächst weiter von Rostock aus erledigt werden. Mit Schreiben vom 2. März 2005 erhielt die Klägerin die Bestätigung, dass sie ab 1. April 2005 als Referentin in der Gruppe „Verkauf/Verpachtung Güstrow/Bad Doberan der Niederlassung Schwerin/Rostock, Geschäftsstelle Schwerin, Standort Rostock tätig“ sei. Alle anderen vertraglichen Regelungen sollten weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Die Klägerin bestätigte mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis.

6

Im Juni 2005 entschied die Beklagte, die restlichen Aufgaben der Geschäftsstelle Rostock zum 1. Januar 2008 auf die Niederlassung Neubrandenburg zu übertragen. Mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte sie am 30. Januar 2006 in Ergänzung der bestehenden Regelungen einen weiteren „Interessenausgleich/Auswahlrichtlinie“. Nach dessen § 1 wurden „im Zuge der Schließung der Geschäftsstelle Rostock“ der Geschäftsstelle Schwerin 11,5 und der Niederlassung Neubrandenburg 19 „Vollzeitäquivalente“ zugewiesen. In dem „Interessenausgleich/Auswahlrichtlinie“ heißt es unter §§ 4 und 5:

        

„§ 4   

        

Für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle Rostock findet das folgende Verfahren im Rahmen von § 5 des Interessenausgleichs vom 15.12.2003 Anwendung:

        

Die B wird diesen Mitarbeitern entsprechend den nachfolgenden Auswahlrichtlinien (vgl. § 5) einen Arbeitsplatz an dem neuen Standort (Niederlassung oder Geschäftsstelle) zur Weiterbeschäftigung schriftlich anbieten (=’Versetzung’), der ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Funktion und ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend zumutbar ist. Der Arbeitgeber wird bei dieser Versetzung eine Ankündigungsfrist einhalten, die mindestens einen Monat länger ist als die individuelle, vertraglich vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfrist des Mitarbeiters; je nach dem, welche der beiden genannten Fristen länger ist.

        

Die B wird die Mitarbeiter auffordern, innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung zu erklären, ob sie der Versetzung zustimmen.

        

Sofern die Mitarbeiter sich nicht innerhalb der o.g. Frist zu einer einvernehmlichen Versetzung per ergänzender arbeitsvertraglicher Vereinbarung bereit erklären, kann die B, soweit sie dies für erforderlich hält, unter Wahrung der gesetzlichen und vertraglichen Kündigungsfristen Änderungskündigungen mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung an dem neuen Standort aussprechen. Hierauf wird die B die Arbeitnehmer in der Mitteilung über die Versetzung hinweisen.

        

§ 5     

        

Die Betriebsparteien sind darüber einig, die vor Ausspruch einer Änderungskündigung erforderliche Sozialauswahl, d.h. die Frage, welchen austauschbaren Mitarbeitern der Geschäftsstelle Rostock im Rahmen einer Änderungskündigung ein Arbeitsplatz in Schwerin resp. Neubrandenburg anzubieten ist, auf Grundlage der nachfolgend im Rahmen einer Auswahlrichtlinie i.S.d. §§ 95 BetrVG, 1 Abs. 4 KSchG festgelegten und gewichteten sowie auf die besondere Situation der zukünftig gegebenenfalls auszusprechenden Änderungskündigungen angepassten Sozialauswahlkriterien vorzunehmen:

        

Die Auswahlrichtlinie legt die folgenden Kriterien und Bewertungen zugrunde:

        

1.    

Für jedes vollendete Lebensjahr

1,0 Punkte

        

2.    

Für jedes vollendete Jahr der Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit

1,0 Punkte

        

3.    

Für jede unterhaltsberechtigte Person (Ehegatte, Kinder, etc.,)

5,0 Punkte

        

4.    

Für jedes im Haushalt lebende Kind vom 13. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

10,0 Punkte

        

5.    

Für jeden pflegebedürftigen Angehörigen i.S.d. § 61 SGB XII oder betreuungsbedürftiges Kind (bis Vollendung des 12. Lebensjahres) im Haushalt

20,0 Punkte

        

6.    

Für die Fahrtzeitdifferenz zwischen dem Wohnort und der alten Arbeitsstätte und dem Wohnort und der Niederlassung Neubrandenburg pro zusätzliche Fahrminute (einfache Fahrt) (ermittelt nach Falk.de-Routenplaner, Schnellster Weg, PKW mittel)

0,15 Punkte

        

7.    

Für eine Schwerbehinderung von 50% oder i.S.v. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte Mitarbeiter

5,0 Punkte

                 

Für jeden um 10% erhöhten Behinderungsgrad

2,0 Punkte

        

Die Summe dieser Punktwertung wird für alle Mitarbeiter in Rostock, die potentiell von einer Änderungskündigung betroffen sind, ermittelt. Je höher die ermittelte Punktzahl ist, desto schützenswerter ist der von der Schließung betroffene Mitarbeiter, d.h. umso schwerwiegender streitet die Sozialauswahl für ein Versetzungsangebot nach Schwerin. Je geringer die Gesamtpunktzahl eines Mitarbeiters ist, desto eher ist ihm die Versetzung an den weiter entfernten Standort Neubrandenburg zuzumuten.“

7

Anfang März 2006 bewarb sich die Klägerin auf eine für Schwerin ausgeschriebene Stelle. Das Angebot der Beklagten, sie dort bis 31. Dezember 2007 bei Einverständnis mit einer späteren Versetzung nach Neubrandenburg weiter zu beschäftigen, lehnte sie ab. In der Folgezeit schrieb die Beklagte insgesamt 7 Referentenstellen für Schwerin (einschließlich der vorgenannten Stelle) und 8 Referentenstellen für Neubrandenburg aus. 12 der bisher in Rostock tätigen 15 Referenten einschließlich der Klägerin bewarben sich für eine Tätigkeit in Schwerin. Die Beklagte ermittelte anhand von Fragebögen die Sozialdaten der Rostocker Mitarbeiter und erstellte auf deren Grundlage eine Auswahlliste. Mit Schreiben vom 13./14. Juli 2006 unterbreitete sie den Rostocker Referenten Angebote zur einvernehmlichen Weiterbeschäftigung an den Standorten Schwerin bzw. Neubrandenburg. 13 Mitarbeiter nahmen das Angebot an. Die Klägerin, die eine Gesamtpunktzahl von 84,10 erzielte, lehnte die angebotene Weiterbeschäftigung in Neubrandenburg ab. Die geringste Punktzahl eines Arbeitnehmers, der ein Versetzungsangebot nach Schwerin erhalten hatte, belief sich auf 86,65 Punkte.

8

Nach Zustimmung des Betriebsrats Neubrandenburg zur beabsichtigten „Versetzung“ hörte die Beklagte mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 den Betriebsrat der Geschäftsstelle Rostock zur beabsichtigten Änderungskündigung der Klägerin verbunden mit dem Hinweis an, es sei beabsichtigt, das ihr mit Schreiben vom 13. Juli 2006 angetragene Änderungsangebot erneut zu unterbreiten. Zugleich beantragte sie die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung nach Neubrandenburg. Der Betriebsrat Rostock äußerte sich nicht.

9

Mit Schreiben vom 6. November 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 und bot der Klägerin ab 1. Januar 2008 eine Tätigkeit als Referentin „Verkauf/Verpachtung“ in der Niederlassung Neubrandenburg bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen an.

10

Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen. Sie hat Änderungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, sie sei von der Schließung der Geschäftsstelle Rostock nicht betroffen, da „Ihre“ Stelle bereits nach Schwerin verlagert worden sei. Die Auswahl sei fehlerhaft und sozial unangemessen. Der Gesamtbetriebsrat sei für die im Interessenausgleich vereinbarte Auswahlrichtlinie nicht zuständig gewesen. Die Auswahlkriterien seien teils sachwidrig, teils willkürlich gewichtet. In die Auswahlentscheidung hätten auch die vergleichbaren Schweriner Referenten miteinbezogen werden müssen. Auch habe die Beklagte unzutreffende Angaben der Rostocker Mitarbeiter zu ihren Sozialdaten ungeprüft übernommen und keine Einzelfallbewertung vorgenommen. Die Anhörung des Betriebsrats sei fehlerhaft. Die Beklagte habe ihn nicht über die Sozialdaten der in die Auswahlentscheidung einbezogenen Referenten unterrichtet.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 6. November 2006 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht: Aufgrund der Schließung der Geschäftsstelle Rostock seien die dortigen Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Das Änderungsangebot sei verhältnismäßig. Einer Sozialauswahl habe es nicht mehr bedurft. Entsprechend dem Interessenausgleich habe sie sich mit 13 der 15 Referenten über eine einvernehmliche Versetzung nach Schwerin bzw. Neubrandenburg vorab verständigt. Sämtliche Stellen in Schwerin seien demnach zum Kündigungszeitpunkt besetzt gewesen, es seien nur noch die beiden Stellen in Neubrandenburg offen gewesen. Die Stellenbesetzungen in Schwerin seien nicht treuwidrig, sondern auf der Grundlage der Auswahlrichtlinie erfolgt. Deshalb habe sie den Betriebsrat auch nicht über die Sozialdaten und die Sozialauswahl unterrichten müssen. Unabhängig davon habe dieser eine Übersicht der ermittelten Gesamtpunktzahlen der Rostocker Referenten erhalten; ihm seien auch die einzelnen Sozialdaten bekannt gewesen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Zwar ist die Änderungskündigung nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat aber auf der Basis seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß § 2 iVm. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt sei. Es steht noch nicht fest, dass die Beklagte der Klägerin ein verhältnismäßiges, zumutbares Änderungsangebot unterbereitet hat. Dementsprechend war das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO)und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15

I. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Änderungskündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam.

16

1. Die Beklagte hat mit dem in Rostock gebildeten Betriebsrat die zuständige betriebliche Interessenvertretung nach § 102 BetrVG angehört. Die Feststellungen und Würdigung des Landesarbeitsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Klägerin greift dieses Ergebnis auch nicht an.

17

2. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die Gründe der Änderungskündigung unterrichtet (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

18

a) Bei einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen (Senat 27. September 2001 - 2 AZR 236/00 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 99, 167). Dabei ist die Mitteilung der Kündigungsgründe nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „subjektiv determiniert“. Der Arbeitgeber muss nur die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 115b). Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, ist die Anhörung zwar ordnungsgemäß erfolgt, dem Arbeitgeber ist es aber verwehrt, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (bspw. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 34, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8; 11. Oktober 1989 - 2 AZR 61/89 - zu II 2 b, c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64). Der Arbeitgeber kommt seiner Unterrichtungspflicht erst dann nicht mehr nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellung unterbreitet (Senat 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50).

19

b) Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist die Mitteilung über die Überlegungen des Arbeitgebers zur Sozialauswahl grundsätzlich Bestandteil der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Auswahl nach sozialen Kriterien, hat er die in seine Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer und deren Sozialdaten, die Auswahlkriterien und seinen Bewertungsmaßstab anzugeben. Nicht ausreichend sind pauschale, schlag- oder stichwortartige Angaben (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 1026/94 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 81, 199). Dabei genügt er seiner Mitteilungspflicht, wenn er die für ihn subjektiv erheblichen Auswahlüberlegungen darlegt. Ergibt sich aus seiner Auskunft, dass er nicht alle nach dem Gesetz maßgeblichen Sozialdaten oder ungeeignete Kriterien berücksichtigt hat oder dass die von ihm beachteten Kriterien im Kündigungsschutzprozess bei objektiver Würdigung noch einer weiteren Konkretisierung bedürfen (Senat 30. Juni 1988 - 2 AZR 49/88 - zu II 2 b der Gründe, RzK III 1 b Nr. 12), kann die Unterrichtung gleichwohl ausreichend sein, wenn für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber eine Sozialauswahl für überflüssig gehalten hat, etwa weil nach dessen Ansicht kein mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer vergleichbarer Mitarbeiter (mehr) vorhanden sein soll oder weil er allen Arbeitnehmern kündigen will (vgl. Senat 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - zu II 4 b bb der Gründe, BAGE 110, 331; Senat 27. September 2001 - 2 AZR 236/00 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 99, 167; KR-Etzel 9. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62j mwN).

20

c) Daran gemessen ist die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß.

21

aa) Die Beklagte hat ihren Kündigungsentschluss dahingehend erläutert, dass sie eine soziale Auswahl bei der beabsichtigten Änderungskündigung der Klägerin für entbehrlich halte, weil sie bereits zuvor mit 13 der in Rostock beschäftigten 15 Referenten eine verbindliche Verständigung über eine einvernehmliche Versetzung erzielt habe und nur noch zwei Referenten zur Änderungskündigung angestanden hätten. Nach dem mit dem Betriebsrat abgestimmten Verfahren seien daher im Kündigungszeitpunkt die für Schwerin ausgeschriebenen Stellen besetzt gewesen und sei nur noch eine Versetzung der Klägerin (und eines Kollegen) nach Neubrandenburg im Wege der Änderungskündigung in Betracht gekommen.

22

bb) Die Annahme der Klägerin, diese subjektiven Erwägungen seien nur „vorgeschoben“, um dem Vorwurf einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung zu entgehen, ist unberechtigt. Zwar hatte sich die Beklagte im Streitfall zunächst auf eine ordnungsgemäß durchgeführte Auswahl unter Einbeziehung sozialer Gesichtspunkte berufen und erst auf Rüge der fehlerhaften Unterrichtung des Betriebsrats ihre jetzige Position eingenommen. Dieser Vortrag zu den Gründen ihres Kündigungsentschlusses war der Beklagten jedoch nicht abgeschnitten. Dies gilt um so mehr und erscheint bei Anwendung eines subjektiven Maßstabs nachvollziehbar als sich ihre Argumentation an den Regelungen zu §§ 4, 5 des Interessenausgleichs vom 30. Januar 2006 orientiert, nach denen den betroffenen Arbeitnehmern vorab Angebote zur einvernehmlichen Versetzung unter „entsprechender“ Anwendung der vereinbarten Kündigungsauswahlrichtlinie zu unterbreiten waren. Erst in einem zweiten Schritt sollte - ausnahmsweise - eine Änderungskündigung ausgesprochen werden.

23

cc) Die ihren Kündigungsentschluss bestimmenden Umstände hat die Beklagte dem Betriebsrat ausreichend mitgeteilt. Im Anhörungsschreiben vom 2. Oktober 2006 hat sie als betrieblichen Anlass für die Kündigung die Schließung der Geschäftsstelle Rostock genannt und den Betriebsrat über ihre Absicht unterrichtet, der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Referentin in Neubrandenburg anzubieten. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ein zuvor unterbreitetes Angebot einer befristeten Beschäftigung auf einer Referentenstelle in Schwerin und das Versetzungsangebot vom 13. Juli 2006 eingegangen ist, verweist sie zwar darauf, dass diese - durch die Klägerin abgelehnten - Angebote „die Regeln der Sozialauswahl gemäß § 5 der Vereinbarung zum Interessenausgleich/Auswahlrichtlinie“ berücksichtigten. Mit daran anschließendem Hinweis auf eine zwischenzeitlich getroffene Entscheidung zur Besetzung der für Schwerin ausgeschriebenen Stellen hat sie aber zugleich ihren Standpunkt verdeutlicht, dass es zu dem Änderungsangebot keine Alternative mehr gegeben habe und andere Beschäftigungsmöglichkeiten zwischenzeitlich ausgeschlossen seien.

24

dd) Zu Unrecht rügt die Revision, die Beklagte hätte dem Betriebsrat die Sozialdaten der anderen Referenten mitteilen müssen. Die Beklagte konnte aufgrund der ihrer Ansicht nach gebotenen Trennung der nach §§ 4, 5 des Interessenausgleichs abzugebenden Erklärungen vertretbar davon ausgehen, dass es solcher Angaben nicht bedürfe, weil nunmehr keine Sozialauswahl mehr stattzufinden brauche.

25

Auch war sie nicht verpflichtet, dem Betriebsrat von vorneherein solche Umstände mitzuteilen, die ein treuwidriges Verhalten oder eine Umgehung des Kündigungsschutzes einschließlich einer vorzunehmenden Sozialauswahl objektiv auszuschließen vermochten. Lediglich wenn und soweit sie dies zum Gegenstand ihres Kündigungsentschlusses gemacht hätte, könnte sich etwas anderes ergeben (vgl. Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 1026/94 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 81, 199).

26

d) Andere Mängel des Anhörungsverfahrens sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht.

27

3. Ob die Beklagte darüber hinaus das Mitbestimmungsverfahren zur Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG beim Betriebsrat Rostock ordnungsgemäß durchgeführt hat, kann dahingestellt bleiben. Es ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung, dass im Kündigungszeitpunkt eine Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung vorliegt (Senat 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 15, NZA 2010, 1235; 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 74, 291).

28

II. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Basis seiner bisherigen Feststellungen die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht als sozial gerechtfertigt iSv. § 2 iVm. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG ansehen. Zwar liegen im Kündigungszeitpunkt betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in Rostock entgegenstanden. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Änderungsangebots hat das Berufungsgericht jedoch einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt.

29

1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrunds darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist vor allem zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und dem Arbeitnehmer bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde(st. Rspr. des Senats, zuletzt 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 17 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 13 f., AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141). Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies für die Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar werden, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (Senat 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 2 Nr. 76; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14 mwN, aaO).

30

2. Aufgrund der Schließung der Geschäftsstelle Rostock und der Verlagerung der Aufgaben in die Geschäftsstelle Schwerin und in die Niederlassung Neubrandenburg lag an sich ein dringendes betriebliches Erfordernis vor.

31

a) Dringende betriebliche Erfordernisse zur Änderung der Arbeitsbedingungen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG sind gegeben, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist(Senat 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzA KSchG § 2 Nr. 69; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 188). Eine Änderung des Beschäftigungsbedarfs kann sich insbesondere aus innerbetrieblichen Umständen als Folge einer Organisationsentscheidung ergeben (Senat 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 21, aaO; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - Rn. 16, BAGE 115, 149). Eine Organisationsentscheidung kann ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt(Senat 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Solche Organisationsentscheidungen unterliegen im Kündigungsschutzprozess nur einer eingeschränkten Missbrauchskontrolle darauf hin, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf sind (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - Rn. 17, aaO; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - zu B I 3 der Gründe, aaO).

32

b) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO)hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Geschäftsstelle Rostock zum 31. Dezember 2007 zu schließen und die bisher dort verrichteten Tätigkeiten nach Schwerin und Neubrandenburg zu verlagern. Diese Aufgabenverlagerung ist grundsätzlich geeignet, eine betriebsbedingte Änderungskündigung zu rechtfertigen (Senat 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 c aa der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41).

33

c) Von diesen Veränderungen war die Klägerin betroffen. Ihr Arbeitsplatz befand sich seit Beginn ihrer Tätigkeit in Rostock. Dies entsprach der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung zum Dienstort Rostock. Die im Jahr 2005 erfolgte verwaltungstechnische Anbindung der von der Klägerin besetzten Stelle an die Niederlassung Schwerin - wie im Schreiben vom 2. März 2005 dokumentiert - änderte daran nichts; die den Bereich Bad Doberan betreffenden Aufgaben wurden weiterhin aufgrund entsprechender Organisationsentscheidung der Beklagten in Rostock erledigt. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten sind mit der Schließung der Geschäftsstelle Rostock entfallen.

34

d) Dass die Entscheidung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht vollständig umgesetzt war, steht dem nicht entgegen. Die Organisationsentscheidung hatte mit dem Beschluss zur Schließung der Geschäftsstelle, dem Abschluss des Interessenausgleichs vom 30. Januar 2006 und den bereits getroffenen Versetzungsvereinbarungen im Kündigungszeitpunkt hinreichend greifbare Formen angenommen (zuletzt bspw. Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 23, RDG 2008, 234; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 1 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99).

35

e) Der Beklagten kann auch nicht entgegen gehalten werden, sie hätte ihre Struktur so organisieren können, dass die Klägerin weiterhin ihre Arbeit von Rostock aus hätte erledigen können. Das liefe auf eine unzulässige Zweckmäßigkeitsüberprüfung der getroffenen Organisationsentscheidung hinaus (Senat 21. Februar 2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 3 d der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 45).

36

3. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen, dass die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen verhältnismäßig und zumutbar waren. Dieses Ergebnis wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.

37

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass eine Weiterbeschäftigung in der Geschäftsstelle Schwerin für die Klägerin objektiv günstiger und weniger belastend wäre als eine Tätigkeit in Neubrandenburg.

38

b) Einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit des Änderungsangebots im Hinblick auf Beschäftigungsmöglichkeiten in Schwerin steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte mit anderen Referenten bereits endgültig über deren dortige Weiterbeschäftigung verständigt hatte.

39

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich ein Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten, etwa durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen (Rechtsgedanke des § 162 BGB; vgl. Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - zu III 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121; 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d ee der Gründe, BAGE 95, 350). Er hat es nicht in der Hand, eine Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG dadurch zu vermeiden, dass er zunächst einen freien Arbeitsplatz besetzt und später eine Beendigungskündigung wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausspricht. Erfolgen die Besetzung einer freien Stelle und die Kündigung aufgrund eines einheitlichen Entschlusses, sind bei Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen des § 1 KSchG beide Erklärungen des Arbeitgebers als Einheit zu würdigen. Dies gilt nicht nur für die Prüfung anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen, sondern auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG(vgl. Senat 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - aaO; 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu II 3 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Ein treuwidriges, weil rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn für den Arbeitgeber bereits zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar war (Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121).

40

bb) Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welchen Arbeitnehmer er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt(Senat 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77; vgl. auch Senat 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - Rn. 41 mwN, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141). Entsprechendes gilt, wenn sich der Arbeitgeber in Kenntnis anstehender Kündigungen zur Besetzung freier Arbeitsplätze im Betrieb oder Unternehmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG entschließt.

41

cc) Diese Grundsätze finden auch bei einer Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG. Auch bei ihr kann sich der Arbeitnehmer auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu ihn weniger belastenden Arbeitsbedingungen berufen (KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 101 f.). Dass es dabei nicht um das „Ob“ einer Kündigung, sondern das „Wie“ der Änderungen der Arbeitsbedingungen geht, entbindet den Arbeitgeber jedenfalls dann nicht von einer analog zu § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmenden sozialen Auswahl, wenn für eine Weiterbeschäftigung - objektiv und eindeutig - unterschiedliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen, zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl günstigerer Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren und deshalb eine personelle Auswahl zu treffen ist. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Grundsatz, wonach Kündigung und Änderungsangebot im Fall der Änderungskündigung eine innere Einheit bilden, unvereinbar (Senat 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).

42

dd) Von diesen allgemeinen Erwägungen ist das Landesarbeitsgericht zwar ausgegangen. Es hat aber den Prüfungsmaßstab unzutreffend angewandt. Es hätte die Auswahlrichtlinie nicht mit der Begründung für maßgeblich halten dürfen, sie habe lediglich zur Festlegung von Zumutbarkeitskriterien für die einvernehmlichen Versetzungen gedient. Es hätte sie vielmehr einer uneingeschränkten Prüfung nach § 1 Abs. 3 und 4 KSchG unterziehen müssen. Dies ergibt sich aus dem objektiven Zusammenhang zwischen den vorgezogenen Änderungsangeboten und der anschließenden Änderungskündigung. Den Erklärungen lag der einheitliche Entschluss der Beklagten zugrunde, die Arbeitsbedingungen der in Rostock tätigen Referenten den veränderten Strukturen anzupassen. Die Beklagte beabsichtigte von vorneherein, die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen notfalls durch Änderungskündigung herbeizuführen. Das ergibt sich deutlich aus ihrem Schreiben an die Rostocker Mitarbeiter, das mit dem Hinweis versehen war, dass das Beschäftigungsangebot „zur Vermeidung einer Änderungskündigung“ unterbreitet werde.

43

(1) Zwar ist für Änderungskündigungen die Aufstellung von Auswahlrichtlinien nach § 1 Abs. 4 KSchG grundsätzlich möglich(hM, vgl. nur ErfK/Oetker 10. Aufl. § 2 KSchG Rn. 52; KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 103c; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 2 Rn. 79; zur Anwendbarkeit von § 1 Abs. 5 KSchG bereits Senat 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Dabei sind die Betriebsparteien aber an die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).

44

(2) Dies gilt auch für ein der Änderungskündigung vorgeschaltetes Auswahlverfahren. Nur so lässt sich verhindern, dass die Regelungen zur Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen umgangen werden und der gesetzliche Kündigungsschutz für den einzelnen Arbeitnehmer abgeschwächt wird.

45

ee) Die vorliegende Auswahlrichtlinie genügt nicht den Voraussetzungen, unter denen nach § 1 Abs. 4 KSchG die Bewertung der sozialen Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob sie wirksam vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossen werden konnte - wofür vieles spricht, da der für die Sozialauswahl maßgebende kündigungsschutzrechtliche Betrieb sich in zwei Geschäftsstellen gliederte, die betriebsverfassungsrechtlich als selbständige Betriebe nach § 4 BetrVG galten(vgl. Gaul/Lunk NZA 2004, 184, 186). Sie verwendet jedenfalls Kriterien, die auch bei einer Sozialauswahl im Zusammenhang mit Änderungskündigungen nach § 2 iVm. § 1 Abs. 3 KSchG nicht berücksichtigt werden dürfen.

46

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Sozialauswahl bei einer Änderungskündigung nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung - unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht - um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes geht, ist bei der sozialen Auswahl vielmehr darauf Bedacht zu nehmen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirkt. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar gewesen wäre (vgl. Senat 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64 - insoweit zu § 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vom 19. Dezember 1998; 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 73, 151; BAG 13. Juni 1986 - 7 AZR 623/84 - zu II 2 der Gründe, BAGE 52, 210). Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konnten dabei auch andere als die in § 1 Abs. 3 KSchG nF genannten Kriterien Beachtung finden(vgl. bspw. 13. Juni 1986 - 7 AZR 623/84 - aaO). Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, 3002) sind nunmehr allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung bei der sozialen Auswahl maßgebend. Zwar sind diese für die besondere Situation einer Änderungskündigung oft nicht aussagekräftig genug (bspw. Senat 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64). Auf eine Heranziehung zusätzlicher Faktoren und Kriterien muss aber wegen der klaren gesetzlichen Regelung verzichtet werden. Es kommt allenfalls eine Ergänzung im Rahmen der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 KSchG in Betracht, soweit die ergänzenden Faktoren einen unmittelbaren Bezug zu diesen Grunddaten haben(Fitting 25. Aufl. § 95 Rn. 25; KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 103b; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 2 Rn. 65; Gaul/Lunk NZA 2004, 184, 185).

47

(2) Diesen gesetzlichen Vorgaben genügt die hier angewandte Auswahlrichtlinie nicht.

48

Nach § 5 Nr. 5 der Auswahlrichtlinie wird die Pflegebedürftigkeit von im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Angehörigen oder die Betreuungsbedürftigkeit von Kindern bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs unabhängig vom Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung mit jeweils 20 Punkten berücksichtigt. Das ist mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vereinbar. Die Norm geht von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen aus (ganz hM, bspw. HaKo-Gallner 3. Aufl. § 1 Rn. 780; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 1087; jeweils mwN). Es besteht nach geltender Gesetzeslage kein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass ein anderer Mitarbeiter demjenigen Arbeitnehmer, der sich zur Pflege eines hilfsbedürftigen Menschen entschlossen hat oder in seinem Haushalt ohne gesetzliche Unterhaltsverpflichtung ein minderjähriges Kind betreut, in der Sozialauswahl nachzustehen hätte (vgl. APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 724).

49

ff) Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass bei der Abgabe des Änderungsangebots soziale Auswahlgesichtspunkte nicht ausreichend beachtet wurden und das Angebot aus diesem Grund unverhältnismäßig und der Klägerin unzumutbar war.

50

Der von der Beklagten im Prozess vorgelegten Punktetabelle ist zwar zu entnehmen, dass bei keinem der 15 Referenten die Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen im Haushalt Berücksichtigung gefunden hat. Es ist aber nicht auszuschließen, dass bei der Berücksichtigung von im Haushalt lebenden Kindern unter 12 Jahren keine Differenzierung nach Unterhaltspflichten erfolgt ist. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin die Richtigkeit der Angaben ihrer Kollegen zu den Sozialdaten angezweifelt hat. Dem wird das Landesarbeitsgericht weiter nachgehen müssen.

51

III. Ob bei der Besetzung der für Schwerin ausgeschriebenen Stellen die sozialen Gesichtspunkte iSv. § 1 Abs. 3 KSchG gleichwohl ausreichend berücksichtigt worden sind und deshalb jedenfalls der Klägerin im Ergebnis ein verhältnismäßiges und zumutbares Änderungsangebot von der Beklagten unterbreitet wurde, wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben.

52

1. Dabei wird es berücksichtigen müssen, dass der Mangel der Auswahlrichtlinie nicht zwingend zur Fehlerhaftigkeit der konkreten Auswahlentscheidung führt. Diese kann gleichwohl ausreichend iSv. § 1 Abs. 3 KSchG sein, wenn sich der betreffende Fehler auf das Ergebnis der sozialen Auswahl nicht ausgewirkt hat. Der Beklagten muss deshalb die Darlegung ermöglicht werden, dass im Ergebnis soziale Gesichtspunkte iSv. § 1 Abs. 3 KSchG ausreichende Berücksichtigung gefunden haben(Senat 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 33, BAGE 120, 18). Dies erscheint im Streitfall nicht ausgeschlossen. Die in der Auswahlrichtlinie vorgenommene Gewichtung der Grunddaten zueinander ist dabei mit Blick auf § 1 Abs. 3 KSchG und die Intention der Änderungskündigung nicht zu beanstanden. Die im Verhältnis zu den Unterhaltspflichten geringere Gewichtung selbst einer langjährigen Betriebszugehörigkeit kann sich daraus rechtfertigten, dass die Dauer der Beschäftigung - anders als etwa das Lebensalter und die Unterhaltspflichten - bei einer örtlichen Versetzung nur eine untergeordnete Rolle spielt.

53

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wegstrecken und Wegezeiten bei der Auswahl Berücksichtigung finden konnten. In dieser Hinsicht hat die Klägerin - unstreitig - die zweithöchste Punktzahl von allen Referenten erreicht. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass ihr dieser Umstand im Ergebnis zum Nachteil gereicht hat.

54

3. Das Landesarbeitsgericht wird darüber hinaus zu berücksichtigen haben, dass es der Beklagten selbst bei Unkenntnis des Betriebsrats über die maßgebenden Sozialdaten der Rostocker Referenten nicht verwehrt ist, sich auf eine iSv. § 2 iVm. § 1 Abs. 3 KSchG ausreichende Sozialauswahl zu berufen. Der Arbeitgeber, der bei einer durchgeführten Sozialauswahl bestimmte Arbeitnehmer übersehen oder nicht für vergleichbar erachtet und deshalb dem Betriebsrat die für die soziale Auswahl (objektiv) erheblichen Umstände zunächst nicht mitgeteilt hat, ist grundsätzlich berechtigt, seinen Vortrag im Prozess zu ergänzen, ohne dass darin ein nach § 102 BetrVG unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen läge(vgl. Senat 7. November 1996 - 2 AZR 720/95 - zu B III 2 der Gründe mwN, RzK III 1 b Nr. 26).

55

4. Sollte es noch darauf ankommen, wird das Landesarbeitsgericht davon ausgehen können, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, die schon zuvor in Schwerin beschäftigten Referenten in die Sozialauswahl einzubeziehen. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass sich das Direktionsrecht der Beklagten auf die Zuweisung einer Tätigkeit in Rostock beschränkt habe. Unabhängig davon hat die Klägerin keine, schon zuvor in Schwerin tätigen Referenten benannt, die statt ihrer eine Änderungskündigung hätten erhalten müssen.

        

    Eylert    

        

    Gallner    

        

    Berger    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Niebler    

                 

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1991 als Konstrukteurin im Betrieb Z der Schuldnerin, in dem ein Betriebsrat gebildet war, beschäftigt. Dort waren etwa 110 Mitarbeiter tätig. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aalen - Insolvenzgericht - vom 1. Juni 2009 (- 3 IN 91/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 10. Juni 2009 stellte der Beklagte die Produktion in Z ein und stellte alle Arbeitnehmer mit Ausnahme von sechs Beschäftigten, die insolvenzspezifische Tätigkeiten verrichteten, mit Wirkung vom 11. Juni 2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Werbende und produzierende Tätigkeiten wurden im Betrieb Z seitdem nicht mehr entfaltet, Aufgaben für Konstrukteure waren nicht mehr vorhanden.

2

Am 24. Juni 2009 einigte der Beklagte sich mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste. Dieser lautet auszugsweise wörtlich:

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleiches, dass er bereits im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen über die zu berücksichtigenden Kündigungsgründe und zur Sozialauswahl … erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

... Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

…       

        

§ 8 Unterrichtung nach § 17 KSchG

        

Der Betriebsrat erklärt hiermit, rechtzeitig und umfassend gemäß § 17 KSchG über die anzeigepflichtigen Maßnahmen unterrichtet worden zu sein. Der vorliegende Interessenausgleich ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 Absatz 3 KSchG125 InsO) sowie § 20 Absatz 1 und 2 KSchG.“

3

Am 24. Juni 2009 ging um 13:24 Uhr der vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, der den am 24. und 25. Juni 2009 urlaubsbedingt abwesenden Vorsitzenden vertrat, unterschriebene Interessenausgleich in eingescannter Form per E-Mail bei der Schuldnerin ein. Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 25. Juni 2009, das dort per Telefax um 12:37 Uhr einging, der Agentur für Arbeit die geplante Massenentlassung an. Diesem Schreiben fügte er ein ausgedrucktes, von ihm unterzeichnetes Exemplar des ihm vom Betriebsrat per E-Mail übersandten Interessenausgleichs bei. Aufgrund eines Büroversehens nahm er im Anschreiben auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug. Die Kündigungserklärungen vom 25. Juni 2009 gab der Beklagte noch am selben Tag gegen 15:45 Uhr zur Post. Der Klägerin ging die Kündigung am 26. Juni 2009 zu.

4

Die Klägerin hat am 17. Juli 2009 Kündigungsschutzklage erhoben. In der Ladung zum Gütetermin erteilte das Arbeitsgericht den Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG wie folgt:

        

„Die klagende Partei wird darauf hingewiesen, dass nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können (§ 6 KSchG).“

5

Erstinstanzlich hat die Klägerin lediglich gerügt, der Betrieb der Schuldnerin sei nicht dauerhaft stillgelegt worden. Mangels formgerecht unterzeichneten Interessenausgleichs habe sich der Beklagte auch nicht auf die Rechtswirkungen aus § 1 Abs. 5 KSchG berufen dürfen. Erst in der Berufungsinstanz hat die Klägerin Rügen hinsichtlich der Betriebsratsanhörung und der Wahrung der Pflichten des Beklagten aus § 17 KSchG erhoben. Die Massenentlassungsanzeige sei bereits deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil im Anschreiben an die Agentur für Arbeit ein falsches Datum des Interessenausgleichs genannt worden sei. Der Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass er der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG nachgekommen sei. Der Interessenausgleich habe der gesetzlichen Schriftform nicht genügt und darum nicht die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit ersetzen können.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht aufgelöst wurde.

7

Der Beklagte hat seinen Antrag auf Klageabweisung darauf gestützt, dass es auf den formal wirksamen Abschluss des Interessenausgleichs für die Ersetzungswirkung nicht ankomme.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt, so dass sich die Klägerin nach Abschluss der ersten Instanz nicht auf weitere Rügen berufen könne. Ohnehin habe der Beklagte seine Pflichten aus § 102 BetrVG und § 17 KSchG nicht verletzt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG verkannt. Weil Anhaltspunkte für weitere Unwirksamkeitsgründe vorgelegen hätten, habe es eines konkreten Hinweises des Arbeitsgerichts zu § 102 BetrVG und § 17 KSchG bedurft. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen dazu, dass die Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß erstattet sei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.

10

I. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG wirksam. Die dem zugrunde liegenden Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht gemäß § 561 ZPO bindend festgestellt. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision nicht.

11

II. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin mit der Rüge des Unwirksamkeitsgrundes des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nach § 6 Satz 1 KSchG ausgeschlossen ist, weil sie diese Rüge erstmals in der Berufungsinstanz erhoben hat.

12

1. Nach § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen, sofern er innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat. § 6 Satz 1 KSchG ist damit eine Präklusionsvorschrift(Eylert NZA 2012, 9, 10; Raab RdA 2004, 321, 329).

13

Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 6 Satz 1 KSchG dem „meist nicht rechtskundigen“ Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, auch nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG noch andere Unwirksamkeitsgründe in den Prozess einzuführen, auf die er sich zunächst nicht berufen hat. Zugleich wollte er diese Rügemöglichkeit auf die Zeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz beschränken, um dem Arbeitgeber alsbald Klarheit über den Bestand oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verschaffen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Allerdings führt seit der Neufassung des § 4 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) die Rüge einer Unwirksamkeit der Kündigung unter weiteren rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu einem Wechsel im Streitgegenstand, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags, so dass an sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess im Rahmen der geltenden Präklusionsbestimmungen weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben könnte. Unabhängig davon, dass § 6 Satz 1 KSchG insoweit redaktionell missglückt(so BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84) bzw. misslungen ist (Eylert NZA 2012, 9; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 364; Quecke RdA 2004, 86, 101; Bayreuther ZfA 2005, 391, 398), ist diese Regelung von den Gerichten zu achten (Bader NZA 2004, 65, 69; Raab RdA 2004, 321, 329). Der Arbeitnehmer muss deshalb aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Satz 1 KSchG alle weiteren Unwirksamkeitsgründe spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend machen. Geschieht dies nicht, ist er mit dieser Rüge grundsätzlich ausgeschlossen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 10, 16, BAGE 124, 367; vgl. auch 4. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - Rn. 19, EzA KSchG § 6 Nr. 3 für die auf § 6 KSchG verweisende Bestimmung des § 17 Satz 2 TzBfG; aA KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 18a; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 14 ff.; Quecke RdA 2004, 86, 102; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392).

14

2. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin in der Ladung zum Gütetermin entsprechend dem Wortlaut des § 6 Satz 1 KSchG darauf hingewiesen, dass sie sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen kann. Damit hatte es seiner Pflicht aus § 6 Satz 2 KSchG genügt. Eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts, die Klägerin auf etwaige Unwirksamkeitsgründe, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht hätten kommen können, hinzuweisen, bestand nach dieser Bestimmung nicht.

15

a) Über Anlass und Inhalt der Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Der Zweite Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. November 2007 (- 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367) lediglich angenommen, dass ein ausreichender Hinweis an den Kläger dadurch erfolgt sei, dass das Arbeitsgericht eindeutig festgestellt habe, andere Unwirksamkeitsgründe habe der Kläger erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Der Siebte Senat hat in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 (- 7 AZR 252/10 - Rn. 21, EzA KSchG § 6 Nr. 3)ausdrücklich offengelassen, nach welchen Maßstäben sich die Hinweispflicht des Arbeitsgerichts richtet. In der Entscheidung vom 16. April 2003 (- 7 AZR 119/02 - BAGE 106, 72, 78) hat der Siebte Senat die Hinweispflicht nach § 17 TzBfG, § 6 KSchG aF nicht als verletzt angesehen, weil das Arbeitsgericht weder den Klageanträgen noch der Klagebegründung noch sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür habe entnehmen können, dass die letzte vereinbarte Befristung unwirksam gewesen sein könnte.

16

b) Nach hM in der Literatur muss ein Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG erfolgen, wenn andere Unwirksamkeitsgründe als die bisher gerügten erkennbar in Betracht kommen(Eylert NZA 2012, 9, 11; KR/Friedrich 9. Aufl. § 6 KSchG Rn. 31; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 6 KSchG Rn. 6; APS/Hesse 4 Aufl. § 6 KSchG Rn. 22; Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 47 hält das „Erfragen“ derartiger Anhaltspunkte in bestimmten Fällen für erforderlich). Bei Vorliegen solcher Umstände soll ein Hinweis auf einen konkreten, im einzelnen vom Gericht zu benennenden Unwirksamkeitsgrund erfolgen (vgl. Eylert aaO, der einen konkreten Hinweis des Arbeitsgerichts verlangt, wenn aufgrund des Tatsachenvorbringens der Parteien die Möglichkeit eines bislang noch nicht ausreichend vorgetragenen Unwirksamkeitsgrundes vorliegt; nach KR/Friedrich aaO hat das Gericht zB auf die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hinzuweisen). Andere Stimmen in der Literatur halten einen umfassenden Hinweis in Form eines „juristischen Einkaufszettels“ (so polemisch Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365) auf alle möglichen Unwirksamkeitsgründe für erforderlich (Bader NZA 2004, 65, 69).

17

c) Diese Auslegungen gehen jedoch über den Normgehalt des § 6 Satz 2 KSchG hinaus. Nach dieser Bestimmung soll das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer „hierauf“, also darauf, dass er nach § 6 Satz 1 KSchG weitere Unwirksamkeitsgründe (nur) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend machen kann, hinweisen. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein weitergehender Wille des Gesetzgebers. Danach soll der meist nicht rechtskundige Arbeitnehmer, der bei Klageerhebung oft nicht alle Unwirksamkeitsgründe kennt, die Möglichkeit haben, später andere Gründe in den Prozess einzuführen. „Hierauf“ soll ihn das Gericht hinweisen (BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Mehr verlangt § 6 Satz 2 KSchG nicht. Deshalb reicht der bloße Hinweis des Arbeitsgerichts auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG zur Wahrung der Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG aus.

18

3. § 6 KSchG führt allerdings in vorstehender Auslegung zu einer nicht unerheblichen Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers. Als Präklusionsvorschrift steht § 6 Satz 1 KSchG im Spannungsverhältnis zwischen den Geboten zur Rechtsschutzgewährung und der Wahrung des rechtlichen Gehörs sowie der anzustrebenden materiellen Richtigkeit der zu treffenden Entscheidung einerseits und der Befolgung der vom Gesetzgeber angeordneten Beschleunigung und Konzentration des Streitstoffs schon in erster Instanz andererseits.

19

a) Es liegt grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob für die Rechtsverfolgung mehrere Instanzen bereitgestellt werden, unter welchen Voraussetzungen diese angerufen werden können und wie weit die Prüfungsbefugnis des jeweils zuständigen Gerichts reicht (vgl. BVerfG 24. Januar 2005 - 1 BvR 2653/03 - BVerfGK 6, 1, 3 für § 531 Abs. 2 ZPO nF). Die Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts durch § 6 KSchG steht deshalb mit dem Justizgewährungsanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang.

20

b) Der Gesetzgeber kann auch das rechtliche Gehör im Interesse der Verfahrensbeschleunigung durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Allerdings führen Vorschriften wie die des § 6 Satz 1 KSchG dazu, dass einer Partei Vorbringen abgeschnitten werden kann, das zu einem anderen Ausgang des Prozesses geführt hätte. Wegen dieser einschneidenden Folgen für den Anspruch auf rechtliches Gehör müssen solche Vorschriften Ausnahmecharakter haben. Ihre Anwendung durch die Fachgerichte unterliegt einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn durch die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung nicht stattgefunden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dagegen gewahrt, wenn die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich in den ihr wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302; 30. Januar 1985 - 1 BvR 876/84 - BVerfGE 69, 145, 149).

21

c) Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts bei der Anwendung von Präklusionsvorschriften verlangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen „strikt“ eingehalten werden (BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218). Für die Präklusionsvorschrift des § 277 Abs. 2 ZPO stellt der Bundesgerichtshof hohe Anforderungen an die von diesen Vorschriften verlangte gerichtliche Belehrung über die Folgen einer Fristsäumnis. Es müsse dem Beklagten unmissverständlich klar gemacht werden, welcher Nachteil ihm bei Nichteinhaltung der Frist entstehe. Die formularmäßige Mitteilung des Gesetzeswortlauts reiche dabei nicht aus. Die Belehrung müsse vielmehr dem Beklagten sinnfällig vor Augen führen und ihm völlig klar machen, dass er sich gegen die Klage nur innerhalb der gesetzten Frist zur Klagerwiderung verteidigen könne, dass ihm bei Versäumung der Frist im Allgemeinen jegliche Verteidigung abgeschnitten sei und er den Prozess vollständig verlieren werde (st. Rspr. seit BGH 12. Januar 1983 - IVa ZR 135/81 - BGHZ 86, 218, 224 f.). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht für die Vorschrift des § 56 Abs. 2 ArbGG angeschlossen(BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 362/97 - EzA ArbGG 1979 § 56 Nr. 2).

22

d) Diese Anforderungen an die Belehrung über die Rechtsfolgen einer Versäumung einer gesetzten Frist können nicht auf die Hinweispflicht des § 6 KSchG übertragen werden. Zur Erfüllung dieser Pflicht reicht angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Bestimmung vielmehr ein Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG aus. Im Unterschied zu § 277 Abs. 2 ZPO und § 56 Abs. 2 ArbGG sieht § 6 Satz 2 KSchG nur eine Hinweis-, nicht aber eine Belehrungspflicht vor. Auch bei strikter Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen ist daher eine Belehrung über die Folgen einer verspäteten Einführung von Unwirksamkeitsgründen in den Kündigungsschutzprozess nicht erforderlich, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG zu genügen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 6 KSchG ausdrücklich einen „Hinweis“ als ausreichend angesehen und keine Belehrung verlangt(BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Ohnehin ist jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG 5. Mai 1987 - 1 BvR 903/85 - BVerfGE 75, 302).

23

e) Jedenfalls einen weder anwaltlich noch gewerkschaftlich vertretenen Arbeitnehmer muss das Arbeitsgericht auf den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 KSchG hinweisen, obwohl § 6 Satz 2 KSchG nur eine Sollvorschrift ist(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 21, BAGE 124, 367). Unabhängig davon, ob solche „prozessualen Sollvorschriften“ von den Gerichten grundsätzlich zu befolgen sind (in diesem Sinne Bader/Bram/Kriebel Stand Oktober 2010 § 6 KSchG Rn. 48), ist der zwingende Hinweis auf den Inhalt des § 6 Satz 1 KSchG in diesem Fall verfassungsrechtlich geboten. Das Verfahrensrecht dient der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber auch gerechter Entscheidungen. Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, hat er diese Befugnisse so auszulegen und anzuwenden, dass es nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz kommt (BVerfG 27. September 1978 - 1 BvR 361/78 - BVerfGE 49, 220, 225).

24

4. Der Arbeitnehmer hat auch bei dieser Auslegung des § 6 Satz 2 KSchG in einer mit Art. 103 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Weise Gelegenheit, sich in den ihm wichtigen Punkten im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Sache zu äußern und sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen. § 6 Satz 2 KSchG kann insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist auch die Gesamtheit der prozessualen Pflichten des Arbeitsgerichts, in die diese Bestimmung eingebettet ist. In der Gesamtschau mit den neben der Hinweispflicht des § 6 Satz 2 KSchG bestehenden Hinweis- und Fragepflichten des Arbeitsgerichts gemäß § 139 ZPO und dem von den Gerichten zu beachtenden Grundsatz „iura novit curia“ genügt § 6 Satz 1 KSchG den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Präklusion.

25

a) Hinweise des Arbeitsgerichts auf konkrete Unwirksamkeitsgründe sind, wie ausgeführt, unter dem Gesichtspunkt des § 6 Satz 2 KSchG nicht geboten. Das gilt auch dann, wenn im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens deutlich wird, dass Unwirksamkeitsgründe in Betracht kommen, auf die sich der Arbeitnehmer bisher nicht berufen hat. Die Pflicht zu derartigen Hinweisen kann sich allerdings aus der in § 139 ZPO geregelten materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts ergeben, etwa wenn nicht hinreichend deutlich wird, ob eine Partei sich mit ihrem Vorbringen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund berufen will. Aus § 139 Abs. 2 ZPO ergibt sich die Pflicht zum Führen eines Rechtsgesprächs. Darin muss das Gericht unter anderem dann auf einen Gesichtspunkt hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn eine Partei diesen Gesichtspunkt erkennbar übersehen hat (BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37, ZTR 2007, 502).

26

b) Darüber hinaus hat das Gericht Unwirksamkeitsgründe, deren Vorliegen sich aus dem Vortrag einer der Parteien ergibt, von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln ist ein Klageantrag - unter Beachtung des Streitgegenstands - unter allen aufgrund des Sachvortrags der Parteien in Betracht kommenden rechtlichen Gründen zu prüfen (iura novit curia). Auch unter Geltung der Dispositionsmaxime, wie sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt, ist es nicht in das Belieben des Klägers gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften er sein Begehren stützen will. Er bestimmt mit seinem Antrag vielmehr lediglich den Streitgegenstand, die rechtliche Subsumtion ist Aufgabe des Gerichts (vgl. BSG 20. Oktober 2010 - B 13 R 63/10 B - Rn. 22, SozR 4-1500 § 153 Nr. 11 für das sozialgerichtliche Verfahren). Seit dem 1. Januar 2004 ist, wie ausgeführt, Streitgegenstand der nach § 4 KSchG erhobenen Klage die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung als solche unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten mit Ausnahme der Wahrung der Schriftform. Wenn sich demnach aus dem Sachvortrag der Parteien - auch des Arbeitgebers als Beklagtem - ergibt, dass die Kündigung unter einem bisher von keiner Partei ausdrücklich angeführten rechtlichen, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage erfassten Gesichtspunkt unwirksam ist, muss sich der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich darauf berufen, um im Rechtsstreit unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu obsiegen (vgl. Eylert NZA 2012, 9, 10; Bayreuther ZfA 2005, 391, 392; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 365; Bader NZA 2004, 65, 69). Lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Gegners kann vor einer entsprechenden Entscheidung ein Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO auf seine Rechtsauffassung geboten sein.

27

5. Der Klägerin war die Rüge einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG in der Berufungsinstanz abgeschnitten. Das Arbeitsgericht hat, wie ausgeführt, seiner Hinweispflicht nach § 6 Satz 2 KSchG genügt. Mit dem Hinweis, dass „nur“ bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden könnten, ist es über die Hinweispflicht sogar hinausgegangen. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht, das erstinstanzliche Urteil sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das Arbeitsgericht die ihm nach § 139 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt habe(zu den Anforderungen an die Darlegung eines solchen Verfahrensverstoßes im Berufungsverfahren BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18). Daher kann dahinstehen, ob das Arbeitsgericht Anlass zu einem solchen Hinweis gehabt hätte.

28

III. Auch die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Erstattung der Massenentlassungsanzeige durch den Beklagten erhobenen Rügen verhelfen der Klage nicht zum Erfolg.

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1. Der Senat hat bisher offengelassen, ob Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die den Arbeitgeber aus § 17 KSchG treffenden Pflichten die Unwirksamkeit der Kündigung ist oder ob es dem Arbeitgeber lediglich verwehrt ist, die Kündigung zu vollziehen(zuletzt ausführlich mit Nachweisen zum Streitstand 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; differenzierend je nach konkretem Fehler des Arbeitgebers bei der Massenentlassungsanzeige Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074). Folgte man dem zweiten Ansatz, wäre § 6 KSchG auf die Rüge des § 17 KSchG nicht anzuwenden(in diesem Sinne Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 363). Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen seiner Hilfsbegründung ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte die Pflichten aus § 17 KSchG, die auch für den Insolvenzverwalter gelten(BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - aaO; vgl. auch EuGH 3. März 2011 - C-235/10 ua. - Rn. 55, NZA 2011, 337), jedenfalls nicht verletzt hat. Die Rechtsfolge einer Verletzung der Pflichten aus § 17 KSchG kann deshalb weiter offenbleiben.

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2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, der Beklagte habe gegen seine Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber bei anzeigepflichtigen Entlassungen dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über die in dieser Vorschrift genannten Umstände zu unterrichten.

31

a) Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG(st. Rspr. zuletzt BAG 24. Februar 2005 - 2 AZR 207/04 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 20 = EzA KSchG § 17 Nr. 14). Steht die Anzeigepflicht fest, hat der Arbeitgeber auf die konkrete Rüge des Arbeitnehmers die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens darzulegen und zu beweisen (ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 40; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 125 Rn. 115).

32

b) Verstöße gegen den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG erforderlichen Inhalt der Unterrichtung hat die Klägerin nicht hinreichend gerügt.

33

aa) In § 8 des Interessenausgleichs hat der Betriebsrat erklärt, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügte zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht(aA unter Berufung auf BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074, die jedoch übersehen, dass im dortigen Revisionsverfahren Fehler des Arbeitgebers im Konsultationsverfahren nicht Gegenstand von Revisionsangriffen waren). Der Interessenausgleich und das Konsultationsverfahren beziehen sich zwar auf dieselbe mitbestimmungspflichtige Angelegenheit und sind eng miteinander verwoben. Es handelt sich jedoch nicht um ein einheitliches Verfahren. Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist der Arbeitgeber deshalb nicht von der Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entbunden, die Unterrichtung des Betriebsrat unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG im Rahmen eines Interessenausgleichsverfahrens(vgl. dazu BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - Rn. 71, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).

34

Soweit allerdings die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (KR/Weigand aaO; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 142 Rn. 25; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073).

35

bb) Die Revision rügt, dem Betriebsrat sei entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht mitgeteilt worden, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst seien.

36

(1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine solche fehlerhafte Unterrichtung in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen ohnehin alle Arbeitnehmer entlassen werden sollen, für den Arbeitgeber nachteilige Rechtsfolgen nach sich zieht (verneinend Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1074; vgl. auch ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 36). Die Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, „konstruktive Vorschläge“ zu unterbreiten(KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56 unter Bezug auf Art. 2 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - MERL). Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, kann dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für diese Prüfung durch den Betriebsrat haben und sich der Fehler nicht zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken.

37

(2) Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn erst auf eine konkrete Rüge der Klägerin in den Tatsacheninstanzen hin hätte der Beklagte darlegen müssen, inwieweit er den Betriebsrat über die betroffenen Berufsgruppen informiert hat. Die Klägerin hat aber in den Tatsacheninstanzen nicht konkret gerügt, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht nachgekommen sei, sondern dies erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Darum kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte, wie im Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 angedeutet, die Massenentlassungsanzeige dem Betriebsrat hat zukommen lassen, aus der sich die betroffenen Berufsgruppen ergaben, und ob dies den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KSchG genügen würde.

38

c) Soweit die Revision die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs im Zusammenhang mit den Pflichten des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rügt, verhilft ihr auch dies nicht zum Erfolg.

39

aa) Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt allerdings nur die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Der Interessenausgleich macht diese schriftliche Unterrichtung nicht entbehrlich (Linck in HK-InsO 6. Aufl. § 125 Rn. 41; vgl. auch Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1072).

40

bb) Die Klägerin stellt im Zusammenhang mit ihrer Rüge der Nichteinhaltung der Schriftform nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nur auf die fehlende Schriftform des Interessenausgleichs selbst ab. Auf diesen kommt es im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 KSchG jedoch nicht an. Maßgeblich ist die Schriftform der Unterrichtung selbst. In dem von ihm unterzeichneten Unterrichtungsschreiben vom 25. Juni 2009 hat der Beklagte auf eine Liste der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer und die „Anlage zur Anzeige von Entlassungen“ verwiesen. Beide Unterlagen sind ausweislich des Schreibens diesem beigefügt gewesen, befinden sich jedoch nicht in der Akte. Im Übrigen hat der Beklagte im Unterrichtungsschreiben auf den Interessenausgleich Bezug genommen. Ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB einzuhalten ist(so KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20, 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 wollen das Schriftformerfordernis „etwas weiter auslegen“ und die Unterrichtung per Fax oder E-Mail ausreichen lassen), kann dahinstehen. Darum kann ebenfalls offenbleiben, ob der Beklagte bejahendenfalls mit seiner Verfahrensweise nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ die erforderliche Einheit der Urkunde gewahrt hat, weil die Anlagen in der Haupturkunde so genau bezeichnet worden waren, dass eine zweifelsfreie Zuordnung möglich war, so dass die Unterzeichnung der beigefügten Anlagen selbst zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform nicht erforderlich war (vgl. BGH 29. September 2004 - VIII ZR 341/03 - zu II 2 a der Gründe, ZMR 2004, 901; grundlegend BGH 30. Juni 1999 - XII ZR 55/97 - BGHZ 142, 158, 161). Dazu wäre ein Abgleich mit den im Unterrichtungsschreiben in Bezug genommenen, nicht in der Akte befindlichen Anlagen erforderlich gewesen. Insoweit fehlt es jedoch an Revisionsangriffen der Klägerin. Darum kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen die Schriftform der Unterrichtung hätte, wenn der Betriebsrat wie hier eine Stellungnahme abgegeben hat (für eine Unschädlichkeit des Formverstoßes KR/Weigand aaO Rn. 65 mwN).

41

3. Entgegen der Ansicht der Revision hat der der Anzeige beigefügte Interessenausgleich mit Namensliste vom 24. Juni 2009 gemäß § 125 Abs. 2 InsO die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats ersetzt, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Original des Interessenausgleichs nur vom Betriebsrat unterzeichnet war und damit nicht dem Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 BetrVG genügte.

42

a) Bereits der Wortlaut des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 125 Abs. 1 InsO spricht dafür, dass der Interessenausgleich mit Namensliste bereits dann die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt, wenn er lediglich vom Betriebsrat unterzeichnet, aber noch nicht formwirksam iSv. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 125, 126 BGB geschlossen worden ist. § 125 Abs. 2 InsO stellt mit dem Verweis auf Abs. 1 dieser Bestimmung klar, dass die Ersetzungswirkung bereits dann eintritt, wenn der Interessenausgleich „zustande“ gekommen ist. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der den Interessenausgleich regelt, unterscheidet zwischen dessen Zustandekommen(„Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande“) - also der Einigung zwischen den Betriebsparteien - und dessen formgerechter Niederlegung („so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben“). Danach ist ein Interessenausgleich mit Namensliste bereits zustande gekommen, wenn er nicht in der gesetzlichen Schriftform niedergelegt worden ist. Er ist lediglich (noch) nicht wirksam (vgl. BAG 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 - BAGE 49, 160, 166 f.).

43

b) Auch nach Sinn und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG reicht es aus, wenn lediglich der Betriebsrat mit der Unterschrift unter den Interessenausgleich mit Namensliste dokumentiert hat, dass das Konsultationsverfahren abgeschlossen ist(vgl. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32).

44

aa) § 125 Abs. 2 InsO soll dem Insolvenzverwalter Massenentlassungen erleichtern. Die Vorschrift dient der Beschleunigung des Verfahrens bei Massenentlassungen und lässt es deshalb ausreichen, dass der Insolvenzverwalter seiner schriftlichen Anzeige der Massenentlassung eine Ausfertigung des Interessenausgleichs mit Namensliste beifügt. Die Norm bezweckt damit möglichst schnelle Sanierungen und will Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 22, EzA BertrVG 2001 § 26 Nr. 3). Mit diesen Zielen der Vereinfachung und Beschleunigung stünde es - insbesondere bei großen räumlichen Entfernungen zwischen dem Betriebssitz und dem Sitz des Insolvenzverwalters wie im vorliegenden Fall - nicht im Einklang, die Ersetzungswirkung erst dann eingreifen zu lassen, wenn der Interessenausgleich mit Namensliste nicht nur zustande gekommen ist, sondern auch der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt.

45

bb) Sinn und Zweck der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3 KSchG stehen dem nicht entgegen. § 17 KSchG dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarktes einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 248/10 - Rn. 27, EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3). Die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats soll gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Diesem Zweck ist bereits dann genügt, wenn der Anzeige ein allein vom Betriebsrat unterzeichneter Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt ist. Mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter einen solchen Interessenausgleich hat der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend dokumentiert und zum Ausdruck gebracht, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht. Er hat damit zugleich belegt, dass Kündigungen im aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich sind sowie soziale Maßnahmen beraten und ggf. getroffen worden sind (zu diesen Zwecken des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG vgl. KR/Weigand 9. Aufl. § 17 KSchG Rn. 8; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32). An diese Willensäußerung ist er gebunden (zur herrschenden Vertragstheorie und der Anwendbarkeit rechtsgeschäftlichen Vertragsrechts BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 37, BAGE 121, 168; 18. Februar 2003 - 1 ABR 17/02 - BAGE 105, 19, 27; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 13; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 36).

46

cc) Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 125 Abs. 2 InsO und des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG anhand des Wortlauts und des Zwecks der MERL gibt kein anderes Ergebnis vor.

47

(1) Die MERL enthält selbst keine Regelung, wonach der Anzeige der Massenentlassung eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung in einer bestimmten Form beigefügt werden muss. Aus Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL ergibt sich lediglich, dass die Anzeige der Massenentlassung alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter gemäß Art. 2 MERL enthalten muss.

48

(2) Der Senat ist nicht gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügen muss, wenn die Stellungnahme in Gestalt eines Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgt. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Gemeinschaftsrechts (zur Vorlagepflicht vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21). Sie betrifft nicht die Auslegung von Unionsrecht, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund einer unterbliebenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die unionsrechtliche Rechtslage klar ist und nur die Rechtslage nach nationalem Recht ungeklärt und umstritten ist(BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - aaO).

49

(3) Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. September 2009 (- C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 70, Slg. 2009, I-8163) folgt nichts anderes. Zwar können danach Kündigungen erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens erklärt werden, und die Klägerin nimmt an, das Konsultationsverfahren könne erst dann als abgeschlossen gelten, wenn der Interessenausgleich in der erforderlichen Schriftform vorliege, weil dieser nach dem Vortrag des Beklagten den Abschluss des Konsultationsverfahrens habe dokumentieren sollen. Das trifft jedoch nicht zu. Bereits mit der Unterschrift durch ein vertretungsberechtigtes Mitglied unter den Interessenausgleich mit Namensliste, an die der Betriebsrat, wie ausgeführt, gebunden war, hatte der Betriebsrat dokumentiert, dass aus seiner Sicht das Konsultationsverfahren abgeschlossen war.

50

(4) Der aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA KSchG § 17 Nr. 21) von der Revision gezogene Schluss, wenn bereits das Nachreichen einer Stellungnahme des Betriebsrats bei der Agentur für Arbeit gegen die MERL verstoßen könne, führe denklogisch die fehlende Einreichung einer Stellungnahme des Betriebsrats iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KSchG zu einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige, verfängt nicht. Wie ausgeführt, ist der nur vom Betriebsrat unterzeichnete Interessenausgleich mit Namensliste als Stellungnahme iSv. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 MERL anzusehen.

51

4. Der Umstand, dass im Anschreiben an die Agentur für Arbeit aufgrund eines Kanzleiversehens auf einen Interessenausgleich vom 2. Juni 2009 Bezug genommen worden ist, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige. Es handelt sich um ein offensichtliches Büroversehen, das keinen Einfluss auf die Prüfung der Agentur für Arbeit haben konnte. Der maßgebliche Interessenausgleich vom 24. Juni 2009 war der Anzeige an die Agentur für Arbeit beigefügt, so dass das Versehen offenkundig war.

52

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Uwe Zabel    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.