Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Sept. 2017 - 6 Sa 513/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0921.6Sa513.16.00
bei uns veröffentlicht am21.09.2017

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.11.2016 - 4 Ca 550/16 - abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.

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Der im Dezember 1958 geborene, getrennt lebende Kläger war seit 02. November 2009 bei der Beklagten, die ein Gerüstbauunternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern mit Ausnahme der Auszubildenden betreibt, bzw. bei deren Rechtsvorgängerin als Lagerist beschäftigt. Zu den Arbeitsaufgaben des Klägers gehörte hauptsächlich das Be- und Entladen von LKW mit Gerüstmaterial und dessen Ein- und Auslagern auf dem Lagerplatz der Beklagten.

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Im Juli und Oktober 2015 übernahm der Kläger, der über einen entsprechenden Führerschein verfügt, für die Beklagte auf deren Bitte einzelne LKW-Fahrten. Die Beklagte rechnete dem Kläger vor diesem Hintergrund mit der Lohnabrechnung Juli 2015 einen Betrag als Fahrgeld in Höhe von 75,00 Euro brutto und mit der Lohnabrechnung für Oktober 2015 einen Betrag als Zulage in Höhe von 50,00 Euro brutto ab.

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Am 14. Januar 2016 beauftragte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger über den Kollegen M, gemeinsam mit diesem einen Pritschenwagen der Firma in L abzuholen und auf den Lagerplatz nach W zu bringen. Der Kläger weigerte sich, die Fahrt durchzuführen. Die Beklagte erteilte dem Kläger wegen des Vorfalls unter dem 21. Januar 2016 eine schriftliche Abmahnung, wegen deren Inhaltes auf Bl. 27 d. A. verwiesen wird.

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Am 08. April 2016 wies der Seniorchef der Beklagten, der Vater des Geschäftsführers der Beklagten, den Kläger an, ein Firmenfahrzeug in einem Autohaus abzuholen. Der Kläger verweigerte auch diese Fahrt. Wegen des Inhalts einer ihm wegen des Vorfalls von der Beklagten unter dem gleichen Datum erteilten schriftlichen Abmahnung wird auf Bl. 28. d. A. verwiesen.

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Am 26. April 2016 kam es auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Kolonnenführer H., deren Einzelheiten zwischen den Parteien umstritten sind, insbesondere, ob der Kläger den Zeugen H. ausländerfeindlich beleidigt und bedroht hat. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge H. telefonierten im Anschluss an den Streit jeweils mit dem Geschäftsführer der Beklagten, wobei der Kläger das Telefongespräch mit den Worten „Ich hatte mich gerade mit deinem Ausländer“ begann und auf die Nachfrage, mit welchem, erklärte „mit deinem dreckigen Ausländer“.

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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis in der Folge mit Schreiben vom 29. April 2016, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, ordentlich zum 30. Juni 2016. Der Kläger hat gegen die Kündigung am 04. Mai 2016 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Trier erhoben.

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Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Abmahnungen seien zu Unrecht erteilt worden, da die Übernahme der streitigen Fahrten - wie jeweils ausdrücklich mitgeteilt - nicht zu seinen Aufgaben gezählt habe. Er habe für eine Fahrtätigkeit wegen der erhöhten Verantwortung eine Stundenlohnerhöhung verlangt und sei insbesondere nicht mit den einmaligen Zahlungen der Beklagten einverstanden gewesen. Deshalb habe er dem Seniorchef, mit dem er sich nicht einig geworden sei, die 75,00 Euro im Juli 2015 wieder auf den Tisch gelegt und gesagt, er könne hiervon einen trinken gehen. Er bestreite die Behauptung der Beklagten mit Nichtwissen, am 08. April 2016 hätten zwei Fahrer gefehlt und der LKW sei umgehend auf einer Baustelle benötigt worden. Am 26. April 2016 habe er den Mitarbeiter G. gebeten, er möge ihm den Gefallen tun, vom Zeugen H. an diesem Tag nicht benötigte Bohlen - gemeinsam mit dem Zeugen F. - wegzuräumen. Gerade als die beiden damit hätten anfangen wollen, habe der Zeuge H. sie angewiesen, mit ihm loszufahren, weshalb man in einen Streit geraten sei, in dessen Verlauf der Zeuge H. ihm gesagt habe, er solle die Bohlen selbst wegräumen. Schließlich habe er dem Zeugen H. gesagt, „wenn er ihn viel machten tue“, komme er heute Abend zu ihm nach Hause und dann werde das geklärt. Damit habe er gemeint, er habe die Sache in Ruhe bei einem Bier mit ihm besprechen und ihm die Lagerarbeit erklären wollen. Ausländerfeindlich beleidigt habe er den Zeugen nicht, auch nicht bedroht.

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Der Kläger hat zuletzt beantragt,

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es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. April 2016 - zugegangen am 29. April 2016 - nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe vertretungsweise im Falle krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheiten der vier Fahrer, Gerüstmaterial zwischen den Baustellen und dem Lageplatz transportiert. Der Kläger habe im Juli und Oktober 2015 einzelnen LKW-Fahrten übernommen und wie im Juli 2015 mit dem früheren Geschäftsführer mündlich vereinbart, hierfür eine Lohnzulage erhalten, die mit den Lohnabrechnungen Juli 2015 und Oktober 2015 jeweils abgerechnet worden sei. Der Kläger sei wegen der Arbeitsverweigerung am 14. Januar 2016 daher genauso berechtigt abgemahnt worden wie für die Arbeitsverweigerung am 08. April 2016, als er wegen des Fehlens von zwei Fahrern gebeten worden sei, mit zum Autohaus zu fahren, weshalb der LKW während des ganzen Arbeitstags nicht habe eingesetzt werden können. Der Kläger sei jedenfalls nach § 242 BGB verpflichtet gewesen, in der Notsituation die Fahrt zu übernehmen. Am 26. April 2016 habe der Zeuge H. den Kläger gebeten, einen Stapel Bretter nicht wegzuräumen, sondern auf dem Lagerplatz stehen zu lassen, weil er das Material am Folgetag noch brauche. Daraufhin habe der Kläger den Zeugen aufbrausend als „Scheiß Kanacken“ und „Blöden Albaner“ beschimpft, der ihm nichts zu sagen habe und ihn bedroht, er mache ihn platt, er wisse ja, wo er wohne. Kurz darauf habe der Kläger aufgebracht im Büro angerufen und erklärt, er werde sich von den Kolonnenführern keine Anweisungen mehr geben lassen. Der Zeuge H. habe mitgeteilt, er lasse sich nicht mit dem Tod drohen.

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Das Arbeitsgericht hat zu den Geschehnissen am 26. April 2016 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 07. Oktober 2016 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H., F., G. und E.. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht den Kläger nach § 141 ZPO befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07. Oktober 2016 (Bl. 64 ff. d. A.) verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit am 11. November 2016 verkündetem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nicht wegen Arbeitsverweigerung sozial gerechtfertigt, da die dem Kläger vorgeworfene „Arbeitsverweigerung“ vom 26. April 2016 - unabhängig von der Rechtfertigung der vorherigen Abmahnungen - nicht derart schwer gewogen habe, dass sie eine Kündigung habe rechtfertigen können. Auch wegen Beleidung habe die Kündigung nicht ausgesprochen werden können, da die von der Beklagten behaupteten ausländerfeindlichen Äußerungen nach der Beweisaufnahme nicht zur vollständigen Überzeugung der Kammer nach § 286 ZPO feststünden. Die Aussage des Zeugen H., der Kläger habe ihn als „Scheiß-Kanacken“ betitelt, sei nicht glaubhafter gewesen als die Aussage des aus Gründen der Waffengleichheit nach § 141 ZPO angehörten Klägers, der genauso glaubwürdig gewesen sei, wie der Zeuge H.. Es habe „Aussage gegen Aussage“ gestanden. Auch habe die Beklagte die behauptete Drohung des Klägers „Ich mach Dich platt, ich weiß ja, wo Du wohnst“ im Sinne einer ernst gemeinten Ankündigung, Leib und Leben oder Eigentum, zumindest jedenfalls den Hausfrieden des Zeugen H. in Gefahr zu bringen, nicht nachweisen können. Die von allen Zeugen bestätigte Aussage des Klägers im Streitgespräch in aufgebrachtem Zustand, er komme zum Zeugen nach Hause, er wisse ja, wo dieser wohne, sei der Kammer eher als „leere“ Drohung „im Palaver“ erschienen, zumal der Kläger zuvor wegen körperlicher Aggressivität oder ähnlichen Konflikten nicht aufgefallen gewesen sei. Ohne vorherige Abmahnung könne ein derartiges Verhalten die Kündigung nicht rechtfertigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 85 ff. d. A. verwiesen.

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Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16. November 2016 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Dezember 2016 Berufung eingelegt und diese mit am 16. Januar 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

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Die Beklagte trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe ihrer Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 16. Januar 2017, hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf Bl. 130 ff. d. A. ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen vor,

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das Arbeitsgericht habe betreffend des Wegräumens des Gerüstbaumaterials am 26. April 2016 infolge fehlender Tatsachenfeststellungen verkannt, dass der Kläger die unstreitige Arbeitsanweisung des Kolonnenführers H., die Bohlen noch nicht wegzuräumen, nicht befolgt habe. Die Kolonnenführer seien gegenüber den Lageristen und den Gerüstbauhelfern weisungsbefugt (Zeugnis K M). Die beiden dem Kläger erteilten Abmahnungen seien auch wegen gleichartiger Pflichtverletzungen einschlägig, da es keinen Unterschied mache, ob der Geschäftsführer oder ein Kolonnenführer die Arbeitsanweisung erteilt habe. Die Kündigung sei auch nach einer Interessenabwägung wegen der innerhalb weniger Monate erfolgten und zu Betriebsablaufstörungen führenden Arbeitsverweigerungen gerechtfertigt gewesen. Wegen der weiteren Vorwürfe der ausländerfeindlichen Beleidigung und Bedrohung durch den Kläger weise das Urteil des Arbeitsgerichts einen gravierenden Fehler auf, weil es die Aussage des Klägers im Rahmen seiner nach § 141 ZPO durchgeführten Anhörung wie eine Zeugenaussage gewertet habe. Die Zeugen seien erneut zu vernehmen. Bei korrekter Verfahrensweise wäre das Arbeitsgericht zu der Feststellung gelangt, dass der Kläger den Zeugen H. in ausländerfeindlicher Weise beleidigt und ihn mit körperlicher Gewalt bedroht hat, weshalb sie sozial gerechtfertigt sei.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11. November 2016 - 4 Ca 550/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

23

Der Kläger verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 06. Februar 2017, auf die Bezug genommen wird (Bl. 153 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

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der Zeuge H. sei ihm und dem weiteren Lageristen gegenüber - anders als der Geschäftsführer, dessen Vater (der Seniorchef) und die Bauleiter - nicht weisungsbefugt (Zeugnis E., W). Er habe den Zeugen H. am 26. April 2016 nicht angewiesen, die Bohlen liegen zu lassen, sondern durch die Anordnung des Wegräumens der Bohlen lediglich seine Aufgabe als Lagerist erfüllt. Zum Führen des LKW sei er nach der fehlenden Einigung über die Vergütung hierfür nicht verpflichtet gewesen. Das Arbeitsgericht habe im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Kündigung nicht wegen Beleidigung und Bedrohung gerechtfertigt gewesen sei, nachdem die Zeugen F., G. und E. jeweils - anders als der Zeuge H. - die Behauptung der Beklagten nicht hätten bestätigen können und die Aussage des Zeugen H. ingesamt unglaubwürdig gewesen sei. Die Beklagte verhalte sich auch widersprüchlich, wenn sie behauptete, Beleidigungen zur Rechtfertigung einer Kündigung heranziehen wolle, jedoch keinerlei Konsequenzen ergriffen habe, als der Zeuge H. den Zeugen E. am 15. Juli 2016 im Rahmen einer Auseinandersetzung über Material am Hals gewürgt habe (Zeugnis E.).

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Die Berufungskammer hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 27. April 2017 in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2017 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Zeugen H. am 26. April 2016 ausländerfeindlich beleidigt und ihn zugleich bedroht durch Vernehmung der Zeugen H., F., G. und E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 209 ff. d. A. verwiesen.

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Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

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Die zulässige Berufung ist auch in der Sache erfolgreich.

28

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 16. November 2016 mit am 14. Dezember 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

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II. Die Berufung ist begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 29. April 2016 hat das das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum 30. Juni 2016 beendet. Nach erneuter Beweisaufnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. September 2017 steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist. Auf die Berufung der Beklagten war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

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1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der betriebliche Anwendungsbereich des KSchG gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG eröffnet ist. Auch hat der Kläger bei Kündigungsausspruch die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt.

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2. Die Kündigung war auf ihre soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu überprüfen, da der Kläger gemäß § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat. Dieser Überprüfung hält die Kündigung stand.

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2.1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung ua. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, jeweils zitiert nach juris).

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Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16; 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22).

34

Ferner muss die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile als billigenswert und angemessen erscheinen (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14; vgl. LAG Rheinland-Pfalz 19. Januar 2017 - 2 Sa 223/16 - Rn. 52, jeweils zitiert nach juris).

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2.2. Gemessen hieran ist die streitgegenständliche Kündigung, die die Beklagte auf verhaltensbedingte Gründe gestützt hat, gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

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2.2.1. Die Beklagte konnte ihre Kündigung allerdings nicht mit Erfolg auf eine Arbeitsverweigerung des Klägers am 26. April 2016 stützen.

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a) In den Fällen einer (beharrlichen) Arbeitsverweigerung oder eines längeren unentschuldigten Fehlens liegt regelmäßig eine erhebliche, kündigungsrelevante Arbeitspflichtverletzung (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 13, zitiert nach juris). Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage, handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29, 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 22; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32, jeweils zitiert nach juris). Liegt eine sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung vor, ist in aller Regel eine außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt anzusehen; die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern die beharrliche Arbeitsverweigerung voraussetzt, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Das Moment der Beharrlichkeit kann auch darin zu sehen sein, dass in einem einmaligen Falle der Arbeitnehmer eine Anweisung nicht befolgt, das muss dann aber z. B. durch eine vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden (vgl. BAG 21. November 1996 - 2 AZR 357/95 - mwN, Rn. 30, zitiert nach juris). Entscheidend ist aufgrund des Prognoseprinzips, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig weiter belastend auswirkt (vgl. BAG 21. November 1996 - 2 AZR 357/95 - Rn. 31, aaO).

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b) Ausgehend hiervon ist die Kündigung nicht wegen einer Arbeitsverweigerung des Klägers sozial gerechtfertigt. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kolonnenführer H. befugt war, den Kläger am 26. April 2016 anzuweisen, die Bohlen, die nicht mehr aufgeladen werden konnten, im Lager liegen zu lassen und der Kläger sich geweigert hat, dieser berechtigten Weisung nachzukommen, indem er die Zeugen G. und F. angehalten hat, das Material wegzuräumen, ist diese Weigerung allein nicht geeignet, die verhaltensbedingte Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG zu begründen.

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aa) Es war für die Berufungskammer bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger am 26. April 2016 nicht lediglich eine Weisung des Kolonnenführers H. unbeachtet gelassen hat, sondern dass er die ihm übertragene Arbeit im dargelegten Sinne bewusst und nachhaltig nicht leisten wollte. Für die erforderliche Prognose einer Wiederholungsgefahr wäre eine vorangegangene erfolglose Abmahnung erforderlich gewesen, an der es vorliegend fehlt. Die dem Kläger unter dem 21. Januar 2016 und 08. April 2016 erteilten Abmahnungen waren nicht geeignet, eine derartige Prognose zu tragen, da die Beklagte zum Ausspruch der Abmahnungen mangels vertraglicher Verpflichtung des Klägers, die streitigen LKW-Fahrten zu übernehmen, nicht berechtigt war.

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(1) Die Beklagte war nicht befugt, den Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2016 abzumahnen, weil er sich am 14. Januar 2016 geweigert hat, der ihm über den Kollegen M vom Geschäftsführers T erteilten Anweisung nachzukommen, einen Pritschenwagen in L abzuholen. Der Kläger war zur Durchführung von LKW-Fahrten nicht verpflichtet. Der Kläger war bei der Beklagten unstreitig als Lagerist beschäftigt und als solcher hauptsächlich mit dem Be- und Entladen von LKW mit Gerüstbaumaterial und dessen Ein- und Auslagern auf dem Lagerplatz betraut. Demgegenüber gehört zu den vertraglichen Pflichten eines Lageristen regelmäßig nicht die Übernahme von LKW-Fahrten für die Arbeitgeberin. Dass die Beklagte dies selbst so gesehen hat, zeigt sich daran, dass sie dem Kläger in den Monaten Juli und Oktober 2015, als er auf Bitte der Beklagten vereinzelt Fahrten übernommen hat, für die über die übliche Tätigkeit des Klägers hinausgehenden Arbeiten eine zusätzliche Vergütung in Höhe von einmalig 75,00 bzw. 50,00 Euro hat zukommen lassen. Dass die Parteien eine abschließende Einigung getroffen hätten, wie der Kläger zukünftig für die Übernahme von - auch nur vereinzelten - Fahrten mit dem LKW generell vergütet werden sollte, vermochte die Berufungskammer indes auch dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Soweit sie erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 05. August 2016 geltend gemacht hat, der Kläger habe im Juli und Oktober 2015 einzelne LKW-Fahrten übernommen und ihr Seniorchef habe im Juli 2015 mit ihm vereinbart, dass er dafür die jeweils ausgekehrten Beträge erhalte, war nicht ersichtlich, dass diese - vom Kläger überdies bestrittene - Vereinbarung dauerhaft für künftige Fahrten des Klägers gelten sollte. Vor diesem Hintergrund konnte dahinstehen, inwieweit die zeitliche Eingrenzung der Behauptung der Beklagten, die die näheren Umstände der Vereinbarung nicht geschildert hat, ausreichend gewesen wäre, um der Berufungskammer die Durchführung einer Beweisaufnahme zu ermöglichen, nachdem der Kläger vorgetragen hat, er habe eine dauerhafte Lohnerhöhung gewünscht und - von der Beklagten nicht in Abrede gestellt - dem Seniorchef im Juli 2015 den Zulagenbetrag mit den Worten zurückgegeben, er könne davon einen trinken gehen.

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(2) Auch die Abmahnung vom 08. April 2016 erweist sich vor dem Hintergrund der fehlenden vertraglichen Verpflichtung des Klägers, LKW-Fahrten durchzuführen, als nicht wirksam. Der Kläger war insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Übernahme der Fahrt verpflichtet. Zwar darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in gewissen eng umgrenzten Fällen, etwa in Not- oder Ausnahmesituationen, auch ohne dessen Einverständnis eine vertraglich nicht geschuldete Tätigkeit zuweisen (vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 29 mwN, zitiert nach juris). Selbst wenn der Lastwagen, den der Kläger hätte abholen sollen, wegen dessen Weigerung den ganzen Tag im Autohaus stehen bleiben musste und nicht eingesetzt werden konnte, liegt ein derartiger eng umgrenzter Notfall, aufgrund dessen der Kläger zu überobligatorischem Einsatz zur Abwehr schwerwiegender Schäden hätte verpflichtet sein können, nicht vor. Angesichts des Vortrags der Beklagten, es sei zu dem Engpass deshalb gekommen, weil zwei der bei ihr beschäftigten vier Fahrer am 08. April 2016 gefehlt hätten, war für die Berufungskammer nicht ersichtlich, inwieweit es trotz vorausschauender Planung des Personalbedarfs aufgrund unvorhergesehener Umstände ausnahmsweise zu einem außergewöhnlichen Bedarf gekommen sein soll. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger am 08. April 2016 nicht zum ersten Mal eine Fahrt wegen eines Fahrerausfalls übernehmen sollte, bestanden insoweit berechtigte Zweifel am Bestand einer ausreichenden Personaldecke, so dass von einem unvorhersehbaren, von der Beklagten nicht zu verhindernden Notfall, der den Kläger nach § 242 BGB zur Übernahme von Tätigkeiten außerhalb seines Tätigkeitsbereichs verpflichtet hätte, nicht ausgegangen werden konnte.

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bb) Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten annimmt, dass der Kläger am 21. Januar 2016 und 08. April 2016 zu Recht wegen Arbeitsverweigerung abgemahnt worden wäre, kann die Weigerung des Klägers, der Anweisung des Kolonnenführers H. nachzukommen, die Bohlen auf dem Betriebsgeländer liegen zu lassen, die Kündigung nicht rechtfertigen. Allein das Auftreten eines Kompetenzstreites zwischen dem Kläger und dem Kolonnenführer H. (ohne Rücksicht auf die näheren Umstände der Auseinandersetzung) ließe die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls nicht als billigenswert erscheinen. Auch wenn zu Gunsten der Beklagten zweifellos deren berechtigtes Interesse zu Buche schlägt, dass im Betrieb Anweisungen von Vorgesetzten ausgeführt werden, ist im konkreten Fall nicht ersichtlich, dass es durch das - wie vom Arbeitsgericht formuliert - „Übermaß an Ordnungsbestreben“ des Klägers zu bleibenden Beeinträchtigungen von Rechtsgütern der Beklagten oder dem Eintritt eines finanziellen Schadens gekommen wäre. Vor diesem Hintergrund erweist sich ein Kündigungsausspruch wegen der Weigerung des Klägers allein, die Bohlen im Lager liegen zu lassen, angesichts dessen Alters und Betriebszugehörigkeitsdauer nach Auffassung der Berufungskammer als nicht angemessen.

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2.2.2. Der Kläger hat der Beklagten jedoch Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung gegeben, weil er den Zeugen H. im Rahmen der Auseinandersetzung am 26. April 2016 ausländerfeindlich beleidigt und zugleich massiv bedroht hat.

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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG an sich sozial rechtfertigen(BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45, 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - mwN, zitiert nach juris). Bei der Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) und ihrer möglichen Verletzung sind die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten(BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 46 mwN, zitiert nach juris). Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen; dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder als eine Schmähung darstellt (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 50, aaO, mwN).

45

Auch die Bedrohung eines Arbeitskollegen ist, wenn sie nachhaltig und ernsthaft erfolgt, eine derart schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, dass sie auch ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung berechtigen kann (vgl. LAG Düsseldorf 21. August 2008 - 5 Sa 240/08 - Rn. Rn. 45, LAG Düsseldorf 16. Juli 2003 - 12 Sa 690/03 - Rn. 7, jeweils zitiert nach juris). Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Bedrohungen ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen und Bedrohungen beeinträchtigt wird; er darf dabei auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (Hessisches LAG 21. August 2002 - 6 Sa 1391/01 - Rn. 57, vgl. zur Tätlichkeit: BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 900/95- Rn. 17, jeweils zitiert nach juris). Schon ein einmaliger tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen oder eine einmalige Drohung kann deshalb eine Kündigung rechtfertigen, auch wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, zu der Frage der Wiederholungsgefahr weitere Umstände vorzutragen (Hessisches LAG 21. August 2002 - 6 Sa 1391/01 - Rn. 57, vgl. zur Tätlichkeit: BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 900/95- Rn. 17, jeweils zitiert nach juris).

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b) Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

47

aa) Für die Berufungskammer steht nach erneuter Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2017 und Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO zur Überzeugung gemäß § 286 ZPO fest, dass der Kläger den Zeugen H. am 26. April 2016 ausländerfeindlich beleidigt und ihn zugleich in erheblichem Maß bedroht hat.

48

(1) Die Wiederholung der vom Arbeitsgericht durchgeführten Zeugenvernehmung war im Rahmen des der Berufungskammer nach § 398 Abs.1 ZPO zustehenden Ermessens ebenso geboten, wie die erneute Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO, da Anlass zu Zweifeln an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlich zum Vorwurf ausländerfeindlicher Beleidigungen festgestellten Tatsachen bestand. Das Arbeitsgericht hat den Kläger ausweislich der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils „aus Gründen der Waffengleichheit“ nach § 141 ZPO angehört und sein diesbezügliches Vorbringen im Rahmen der Beweisaufnahme wie eine Partei- oder Zeugenvernehmung gewertet, ohne dass dies gerechtfertigt gewesen wäre.

49

(1.1.) Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO aus Gründen der prozessualen Chancengleichheit zwingend erforderlich war. Kann in einem Zivilprozess eine Seite auf einen ihr nahestehenden Zeugen zurückgreifen, während die andere Seite an einem “Vier-Augen-Gespräch” lediglich allein beteiligt war, ist es aus Gründen der Waffengleichheit geboten, die Partei entweder selber im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören(vgl. BAG 22. Mai 2005 - 3 AZN 1155/06 - Rn. 16 f. mwN, 06. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - Rn. 32, BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - Rn. 11 ff.; jeweils zitiert nach juris). Ein derartiger Fall der „Waffengleichheit“ war vorliegend indes nicht gegeben, nachdem als Zeugen des streitigen Vorfalls die von der Beklagten benannten Zeugen H., G. und F. und der vom Kläger selbst benannte Zeuge E. zur Verfügung standen, die vom Arbeitsgericht auch vernommen worden sind.

50

(1.2.) Das Arbeitsgericht war im Rahmen der materiellen Prozessleitung allerdings auch außerhalb der Situation eines „Vier-Augen-Gesprächs“ berechtigt, den Kläger nach § 141 ZPO anzuhören. Hierbei hat es jedoch den klägerischen Angaben verfahrensfehlerhaft denselben Beweiswert zugebilligt, wie dem Ergebnis einer Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO. Eine Parteierklärung nach § 141 ZPO kann zwar als Inhalt der Verhandlung iSv. § 286 ZPO Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellung haben(vgl. Zöller-Greger ZPO 31. Aufl. § 141 Rn. 1, 1a). Auch ist das Gericht nicht gehindert, im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme einer Parteierklärung nach § 141 ZPO auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist, den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben(BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - Rn. 21; 8. November 1989 - I ZR 14/88 - Rn. 69, jeweils zitiert nach juris). Dennoch stellt die Parteianhörung nach § 141 ZPO im Gegensatz zur Parteivernehmung kein Beweismittel dar(vgl. BGH 08. November 1989 - I ZR 14/88 - Rn. 69, zitiert nach juris). Sie ist nicht Beweisaufnahme im Sinne einer Parteivernehmung (§§ 445-455 ZPO), weil sie nicht der Aufklärung eines streitigen Sachverhalts dient, sondern dem besseren Verständnis dessen, was die Partei behaupten und beantragen will(Zöller-Greger ZPO 31. Aufl. § 141 Rn. 1). Die Anhörung darf nicht so gewürdigt werden, als habe eine Parteivernehmung stattgefunden (OLG Zweibrücken 18. März 1997 - 5 U 4/96 - Rn. 15, zitiert nach juris; Ahrens, MDR 2015, 185 ff. (186)). Dies hat das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall, in dem sonstige Zeugen zugegen waren und insbesondere ein Zeuge vom Kläger selbst benannt worden ist, nicht berücksichtigt, indem es das Parteivorbringen des Klägers nach § 141 ZPO bis hin zur Prüfung von Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit wie die Aussage einer Partei oder eines Zeugen als Beweismittel gewertet und angenommen hat, es stehe „Aussage gegen Aussage“.

51

(2) Nach erneuter Vernehmung der Zeugen H., G., F. und E., sowie nach erneuter Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO steht für die Berufungskammer unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung gemäß § 286 ZPO fest, dass der Kläger dem Zeugen H. am 26. April 2016 anlässlich eines Kompetenzstreites massiv und ernsthaft damit gedroht hat, zu ihm nach Hause zu kommen, um ihm etwas anzutun und dass er ihn ausländerfeindlich beleidigt hat.

52

(2.1.) Alle Zeugen haben übereinstimmend, mit in sich und im Verhältnis zueinander widerspruchsfreien Aussagen glaubhaft bekundet, dass der Kläger dem Zeugen H. während der lautstarken Auseinandersetzung vom 26. April 2016 damit gedroht hat, er werde ihn zu Hause aufsuchen, was nur als massive Bedrohung verstanden werden konnte, auch wenn die von der Beklagten konkret behauptete Formulierung, der Kläger habe gesagt, „er mache den Zeugen platt“ nicht bestätigt worden ist. Der Zeuge H. hat angegeben, dass der Kläger im Rahmen des Streits, ob die Zeugen G. und F. die Bohlen vor der Abfahrt zur Baustelle mit dem Zeugen H. noch wegräumen oder sie liegen lassen sollten, zunächst den Zeugen G. angeschrieen hat und dann den Zeugen H. selbst, weshalb dieser sich letztlich in den LKW zurückgezogen hat, um eine Schlägerei zu verhindern, da der Kläger auf ihn zuging und ihn schlagen wollte. Weiter hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger ihm zum LKW gefolgt ist und gesagt hat, er wisse, wo der Zeuge, der der ja weg wolle, wohne, er komme dann zu ihm nach Hause. Im Rahmen der weiteren Vernehmung hat der Zeuge erläutert, dass der Kläger sehr aggressiv gewesen und es gut möglich sei dass er nach dem Rechtsstreit zu ihm nach Hause komme und etwas von ihm verlange, weshalb er Angst vor ihm habe. Auch der Zeuge G. hat bestätigt, dass der Kläger während des Streits sehr aggressiv aufgetreten ist, der Zeuge H. in den LKW eingestiegen ist, um eine Schlägerei zu vermeiden und dass der Kläger im Rahmen der sehr lauten Auseinandersetzung zum Zeugen H. gesagt hat, er wisse wo dieser wohne, was er so verstanden habe, dass der Kläger zum Zeugen H. nach Hause kommen werde, um ihm etwas anzutun. Der Zeuge F. hat ebenfalls bekundet, dass der Kläger den Zeugen H. ziemlich aggressiv und sehr laut mit den Worten bedroht hat, er wisse, wo der Zeuge wohne und er komme zum ihm nach Hause. Gleiches hat der vom Kläger benannte Zeuge E. bekundet. Damit haben alle Zeugen übereinstimmend, widerspruchsfrei und glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger den Zeugen H. anlässlich des Streits um Anordnungsbefugnisse im Lager in aggressiver Manier zur Durchsetzung seines Standpunktes lautstark gedroht hat, ihn zu Hause aufzusuchen, um die Auseinandersetzung, die der Zeuge H. durch Einsteigen in den LKW zu verhindern suchte, fortzusetzen, wobei die Drohung nach dem Eindruck der Zeugen H., G. und F. ohne weiteres dahin zu verstehen war, dass der Kläger den Streit tätlich fortzusetzen bereit war und der Zeuge H. davon ausgehen musste, dass der Kläger ihm etwas antun wolle. Dass auch der Zeuge E. dies nicht ausgeschlossen hat, lässt sich daran ersehen, dass er auf Nachfrage bekundet hat, der klägerische Satz könne „so oder anders“ verstanden werden. Davon, dass es sich um eine nicht ernst gemeinte Lappalie während eines Streites oder um branchentypischen Umgang im Gerüstbaugewerbe handelt, vermochte die Berufungskammer angesichts der Aussagen der Zeugen jedenfalls im Berufungsverfahren nicht auszugehen.

53

(2.2.) Die Zeugen H. und G. haben glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet, dass der Kläger den Zeugen H. in ehrverletzender Weise ausländerfeindlich beleidigt hat. Wenn auch auf Nachfrage so hat der unmittelbar betroffene Zeuge H. doch ausgesagt, dass der Kläger ihn als Scheißausländer und Kanacken bezeichnet hat. Auch der Zeuge G. hat - wenngleich unter Berufung auf seine fehlenden Deutschkenntnisse ohne genaue Erinnerung an die Einzelheiten des Wortlautes - ausgesagt, dass der Kläger irgendetwas mit Ausländer oder Albanisch gesagt habe, wozu im Rahmen der Auseinandersetzung keinerlei sachliche Veranlassung bestanden hat, was für die vom Zeugen H. geschilderte Beleidigung entsprechenden Inhaltes spricht. Der Zeuge E. konnte zwar keinerlei Beleidigungen bestätigen, hat dies jedoch selbst bereits erläuternd damit erklärt, dass zwischen ihm, der hinter der Halle arbeitete, und der ganzen Sache ja auch die Bohlen gewesen seien, so dass die fehlende akustische Wahrnehmung des Zeugen E. es jedenfalls nicht ausschließt, dass der Kläger den Zeugen H. ausländerfeindlich beleidigt hat. Dass sich der Zeuge F. an Beleidigungen nicht erinnern konnte, obwohl er sich in unmittelbarer Nähe der Auseinandersetzung befand, stand nicht in Widerspruch zu den glaubhaften Bekundungen der Zeugen H. und G.. Die Tatsache, dass der Zeuge sich an den bereits mehr als ein Jahr zurückliegenden Vorfall insoweit nicht erinnern konnte, bedeutet zum einen nicht zwangsläufig, dass er sich nicht wie von den beiden Zeugen H. und G. geschildert abgespielt hat. Zum anderen hat der Zeuge F. im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, er sei während der erstinstanzlichen Vernehmung sehr nervös gewesen und habe kaum etwas sagen können, und die Berufungskammer konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Zeuge auch im Rahmen der zweitinstanzlichen Vernehmung - wenn möglicherweise auch nicht mehr im gleichen Ausmaß, aber doch - noch unter dem Eindruck der aggressiven Auseinandersetzung auf dem Betriebsgelände stand. Schließlich spielte für die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung eine entscheidende Rolle, dass ausländerfeindliches Vokabular offensichtlich zum Wortschatz des Klägers zählt, nachdem dieser unmittelbar nach der Auseinandersetzung unstreitig gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt hat, er habe Streit mit dessen „dreckigem Ausländer“ gehabt, was sich zwanglos in das von den Zeugen H. und G. geschilderte Bild einfügt.

54

(2.3.) Die Berufungskammer hatte keine Veranlassung an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. Soweit die Aussagen der Zeugen sich im Wortlaut und teilweise in Nuancen inhaltlich von den Aussagen erster Instanz unterschieden stellte das ihre Glaubwürdigkeit nicht in Frage. Hinsichtlich des Zeugen F. ist dies bereits deshalb der Fall, weil dieser nachvollziehbar und ohne, dass die Berufungskammer Anlass hatte, von der Unrichtigkeit der Angabe auszugehen, mitgeteilt hat, während der erstinstanzlichen Vernehmung sehr aufgeregt gewesen zu sein. Der Zeuge H. hat auf Nachfrage auch zweitinstanzlich klargestellt, dass der Kläger auf ihn zugekommen sei und ihn habe schlagen wollen, auch wenn er nicht genau bekunden konnte, ob der Kläger die Hand erhoben hat oder ähnliches. Im Übrigen hat der Zeuge H. erst- und zweitinstanzlich übereinstimmend bekundet, dass er in den LKW gestiegen ist, um eine Schlägerei zu vermeiden und bei der Drohung des Klägers bereits im LKW saß. Dass der Zeuge G. erstinstanzlich davon gesprochen hat, der Kläger und der Zeuge H. hätten „Palaver, ein bisschen Palaver gehabt“, während er im Rahmen der zweitinstanzlichen Vernehmung von massiver Aggressivität berichtet hat, vermochte seine Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel zu ziehen, nachdem - anders als in erster Instanz - auf Antrag der Beklagten hinsichtlich der Zeugen H. und G. eine Dolmetscherin für die albanische Sprache zur Beweisaufnahme hinzugezogen worden ist und die Berufungskammer annimmt, dass dies jedenfalls der präziseren Wiedergabe der Geschehnisse zuträglich war. Inwieweit die Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hätten haben sollen, war für die Berufungskammer nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass die Beklagte ihre Kündigung auf die Aussagen der Zeugen stützte und die Zeugen noch im Betrieb der Beklagten beschäftigt sind, genügte ohne weitere Anhaltspunkte nicht für die Annahme, dass die Zeugen die Unwahrheit bekundet hätten.

55

(2.4.) Auch die Angaben des Klägers bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen waren, vermochten die Berufungskammer nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger den Zeugen H. am 26. April 2016 nicht massiv bedroht und ausländerfeindlich beleidigt hat. Der Kläger selbst, der sich zu den ausländerfeindlichen Beleidigungen nicht explizit erneut eingelassen hat, hat die Auseinandersetzung vom 26. April 2016 als „Eklat“ bezeichnet, was eher für als gegen die Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten spricht. Soweit er - wie bereits erstinstanzlich - behauptet hat, er habe mit der Bemerkung, er komme beim Zeugen H. vorbei, gemeint, dass er ihm dann bei einer Flasche Bier habe erklären wollen, wie die Lagerarbeit zu verrichten sei, hält die Berufungskammer dies für eine bloße Schutzbehauptung. Auch der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Auseinandersetzung mit dem Zeugen H. lautstark geführt worden ist und sich zugespitzt hatte, bis der Zeuge H. in den LKW stieg. Aus welchen Gründen vor diesem Hintergrund für den Kläger, der zuvor nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung vom 07. Oktober 2016 vor dem Arbeitsgericht noch niemals den Zeugen H. zu Hause besucht hatte, Veranlassung bestanden haben soll, ihm sachliche Erläuterungen in einem derartigen Rahmen anzubieten, erschloss sich der Berufungskammer nicht.

56

bb) Der festgestellte Sachverhalt ist geeignet die gegenüber dem Kläger ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs.2 KSchG sozial zu rechtfertigen, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedurft hätte.

57

(1) Der Kläger hat durch seine verbalen Entgleisungen gegenüber dem Zeugen H. seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB in grober Weise verletzt. Die ausländerfeindlichen Beleidigungen des Klägers, die den Zeugen H. erheblich in seiner Ehre verletzt haben, fallen als Formalbeleidigungen zweifellos bereits nicht unter den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Auch hat der Kläger den Zeugen ernsthaft und nachhaltig bedroht. Nach erneuter Beweisaufnahme im Berufungsverfahren steht fest, dass die Drohung des Klägers, den Zeugen H. zu Hause aufzusuchen, nicht lediglich im Streit dahingesagt war, sondern dass der Kläger den Zeugen, der sich der klägerischen Aggressivität zur Vermeidung einer handfesten Auseinandersetzung nur durch Ausweichen in den LKW zu erwehren wusste, auch ohne In-Aussicht-Stellung konkret benannter Tätlichkeiten noch nach seinem Rückzug massiv bedroht hat.

58

(2) Die Beklagte war nicht auf den Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel vor Kündigungsausspruch zu verweisen. Einer vorherigen Abmahnung bedurftes es angesichts der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers nach Auffassung der Berufungskammer nicht, da deren Hinnahme nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war. Der Kläger hat sich vorliegend nicht lediglich im Affekt während eines Streits eine ehrverletzende Beleidigung oder eine nicht ernst gemeinte Drohung gegenüber einem Arbeitskollegen zu schulde kommen lassen, sondern hat zur Durchsetzung seiner Auffassung von Kompetenzverteilung den seiner Meinung nach unwissenden Kollegen H. zunächst durch die Beleidigung in aggressiver Art und Weise ausländerfeindlich herabgewürdigt und ihn - nachdem er sich bereits zur Vermeidung einer Tätlichkeit zurückgezogen hatte - im Anschluss noch in seiner Unversehrtheit bedroht. Damit hat der Kläger, der noch während seiner Anhörung durch die Berufungskammer am 21. September 2017 die Auffassung vertreten hat, zu dem Streit sei es nur gekommen, weil der Geschäftsführer der Beklagten nicht in der Lage sei, seinen Mitarbeitern den Aufgabenbereich eines Lageristen zu erklären, zu erkennen gegeben, dass er Auseinandersetzungen nicht sachlich und in zivilisierter Art und Weise begegnet, sondern er auch Angriffe auf Kollegen nicht scheut, um seinen Standpunkt durchzusetzen. Angesichts der erheblichen Beeinträchtigung des Betriebsfriedens durch die Auseinandersetzung, in die auch die Mitarbeiter G. und F. hineingezogen worden sind, durfte der Kläger nicht damit rechnen, dass die Beklagte sein Verhalten hinnehmen würde. Da die Beklagte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht darauf zu achten hat, dass die Ehre und körperliche Unversehrtheit ihrer Arbeitnehmer nicht durch Angriffe eines einzelnen Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, war sie nicht verpflichtet, durch den vorrangigen Ausspruch einer Abmahnung das Wohl ihrer Mitarbeiter aufs Spiel zu setzen.

59

cc) Die Kündigung erweist sich auch in Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien als billigenswert und angemessen. Zu Gunsten des Klägers, der keine Unterhaltspflichten gegenüber Kindern hat, hat die Berufungskammer hierbei zwar berücksichtigt, dass der Kläger immerhin seit 2009 im Betrieb beschäftigt ist, ohne dass die Beklagte sich darauf berufen hätte, dass es bereits zuvor zu Beanstandungen im Bereich von Beleidigungen oder Bedrohungen anderer Mitarbeiter gegeben hätte. Auch hat der Kläger, der 1958 geboren ist, ein erhebliches Interesse an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes, nachdem Schwierigkeiten beim Auffinden einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit auf dem freien Arbeitsmarkt zu befürchten stehen. Demgegenüber stand das berechtigte Interesse der Beklagten daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen und Bedrohungen beeinträchtigt wird und die Ehre und körperliche Unversehrtheit der anderen Mitarbeiter unangetastet bleibt. Darüber hinaus war zu Gunsten der Beklagten die Schwere der Vertragspflichtverletzung des Klägers zu berücksichtigen, die sich keinesfalls mit einem branchenüblichen Umgangston oder betriebsüblichen Verhaltensmustern entschuldigen oder auch nur erklären lässt. Soweit der Kläger zuletzt eingewandt hat, die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie ihm gegenüber eine Kündigung ausspreche, während der Zeuge H., der am 15. Juli 2016 den Zeugen E. im Rahmen einer Auseinandersetzung sogar gewürgt habe, unbehelligt geblieben sei, vermochte dies eine andere Sichtweise - auch wenn die Behauptung als zutreffend unterstellt wird - nicht zu rechtfertigen, weshalb eine Beweisaufnahme entbehrlich war. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, zitiert nach juris) und das vom Kläger behauptete Geschehen sich danach ereignet hat. Ungeachtet dessen rechtfertigt der vom Kläger ins Feld geführte, einmalige Vorfall nicht die Annahme, die Beklagte dulde generell in ihrem Betrieb Tätlichkeiten, Drohungen und ausländerfeindliche Beleidigungen. Für das Gegenteil spricht im Übrigen, dass der Geschäftsführer der Beklagten nach Bekundungen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2017 im sich an die Auseinandersetzung anschließenden Telefonat auf die Bemerkung des Klägers zum „dreckigen Ausländer“ gesagt haben soll, der Kläger sei ein „dreckiger Deutscher“, was bezeugt, dass der Geschäftsführer dem Kläger mit dieser ironischen Bemerkung klar machen wollte, dass er die ausländerfeindlichen Bemerkungen des Klägers nicht toleriert. Auch wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass der branchenübliche Umgangston im Gerüstbaugewerbe rüder sein mag, als in anderen Branchen, ist das Verhalten des Klägers durch nichts gerechtfertigt. Die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen damit vorliegend in einer Gesamtschau die Interessen des Klägers an dessen Fortbestand.

B

60

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

61

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Sept. 2017 - 6 Sa 513/16

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Sept. 2017 - 6 Sa 513/16

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Sept. 2017 - 6 Sa 513/16 zitiert 22 §§.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Juli 2011 - 18 Sa 592/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 - 38 Ca 15552/10 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten und über Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1974 geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad von 70 anerkannt. Er war bei der Beklagten seit dem 31. Juli 2000 als Busfahrer beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug 2.100,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen im Konzernverbund der B (B) - einer Anstalt des öffentlichen Rechts - und führt für diese Fahrdienstleistungen durch, unter anderem im Linienbusverkehr mit Fahrzeugen der B. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

3

Der Kläger war seit dem Jahr 2001 wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt durchgängig seit dem 8. November 2007. In einem vorausgegangenen Rechtsstreit ist rechtskräftig entschieden, dass eine wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 27. März 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

4

Mit Schreiben vom 16. März 2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 19. März 2010 einer Untersuchung bei der Betriebsärztin der B zur Feststellung seiner Fahrdiensttauglichkeit nachzukommen. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr. In einem Personalgespräch erklärte er, seine Tauglichkeit sei bereits am 11. Dezember 2009 durch eine von ihm aufgesuchte Fachärztin festgestellt worden.

5

Mit Schreiben vom 24. März 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung und forderte ihn erneut zu einer Untersuchung zur Feststellung der Betriebsdiensttauglichkeit bei dem betriebsärztlichen Dienst der B am 30. März 2010 auf. Der Kläger nahm auch diesen Termin nicht wahr. Deshalb erteilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 8. April 2010 eine weitere Abmahnung und forderte ihn zur Wahrnehmung eines Termins beim betriebsärztlichen Dienst der B am 13. April 2010 auf. Der Kläger kam auch dieser Aufforderung nicht nach. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst mit Schreiben vom 20. April 2010. Nachdem der Kläger die fortbestehende Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nachgewiesen hatte, hielt sie an dieser Kündigung nicht fest. Sie beantragte beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung, welche dieses am 9. September 2010 erteilte. Mit Zustimmung auch des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 23. September 2010 zum 31. Januar 2011.

6

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben und Vergütungsansprüche für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Er hat gemeint, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe der Aufforderung zur Untersuchung nicht Folge leisten müssen, da es hierfür keine Veranlassung gegeben habe. Aufgrund der fachärztlichen Begutachtung vom 11. Dezember 2009 hätten keine Zweifel an seiner Fahrdiensttauglichkeit bestanden. Er habe auch Bedenken gegen eine Untersuchung durch die Betriebsärzte der B, da diese „im Lager der Beklagten“ stünden. Diese Zweifel habe er stets geäußert und angeboten, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen. Am 1. Juni 2010 habe er sich außerdem zu einer Untersuchung durch den Betriebsarzt bereit erklärt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.329,91 Euro brutto abzüglich 1.635,26 Euro netto nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für wirksam gehalten. Gemäß § 3 Abs. 4 des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin(TV-N) sei sie bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer wahlweise durch den Betriebs- oder den Vertrauensarzt untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sei. Es hätten berechtigte Zweifel bestanden, dass dies bei dem Kläger der Fall gewesen sei. Seiner Mitwirkungspflicht sei dieser trotz mehrfacher Abmahnung schuldhaft nicht nachgekommen. Die Betriebsärztin der B sei jedenfalls als Vertrauensärztin iSd. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen. Während der arbeitsmedizinische Dienst des TÜV für sie die betriebsärztlichen Aufgaben in Bezug auf die Regeluntersuchungen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) wahrnehme, führe der betriebsärztliche Dienst der B für sie die Einstellungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen durch. Zudem sei nach der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BO-Kraft) der Betriebsleiter berechtigt, jeden fachlich geeigneten Arzt mit der Feststellung der Eignung zu beauftragen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung der begehrten Vergütung unzulässig. Im Übrigen ist die Revision begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

A. Die Revision ist unzulässig, soweit mit ihr die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Zahlungsantrag angegriffen ist. Es fehlt an der erforderlichen Begründung.

12

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145). Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - aaO; 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 17, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312). Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, so dass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, worin die Entscheidung über den anderen unrichtig ist ( BAG 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1).

13

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Die Beklagte hat das Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt. Die Revisionsbegründung setzt sich lediglich mit der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 23. September 2010 auseinander. Auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Vergütung geht sie nicht ein und erhebt insoweit auch keine Rügen. Dessen hätte es aber bedurft. Bei dem Zahlungsantrag handelt es sich gegenüber dem Feststellungsbegehren um einen eigenständigen Streitgegenstand. Die Entscheidung über diesen hängt nicht notwendig von derjenigen über die Wirksamkeit der Kündigung ab. Die Kündigung wurde zum 31. Januar 2011 erklärt. Vergütungsansprüche hat der Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2011, mithin ausschließlich für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht.

14

B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann eine Verpflichtung des Klägers, sich der von der Beklagten geforderten Untersuchung bei dem betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, nicht verneint werden. Ob die Kündigung vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, steht noch nicht fest.

15

I. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

16

1. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

17

2. Auch der Verstoß gegen eine tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung auf Wunsch des Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, kann je nach den Umständen geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 103, 277; 6. November 1997 - 2 AZR 801/96  - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 142 = EzA BGB § 626 nF Nr. 171; Lepke NZA 1995, 1084, 1090 ; Bezani Die krankheitsbedingte Kündigung S. 72 f.). Die Beklagte macht hier die Verletzung einer solchen, sich aus § 3 Abs. 4 TV-N(idF vom 9. Mai 2006) ergebenden Mitwirkungspflicht des Klägers geltend. Nach dieser Bestimmung ist der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer durch den Betriebsarzt oder den Vertrauensarzt dahingehend untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.

18

II. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei - bei unterstellter Geltung des TV-N - nicht verpflichtet gewesen, den Aufforderungen der Beklagten zur Untersuchung bei der Betriebsärztin der B Folge zu leisten, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte konnte die betreffende Ärztin grundsätzlich als Vertrauensärztin mit der Begutachtung beauftragen. Die getroffene Wahl widerspricht - ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - nicht Grundsätzen billigen Ermessens.

19

1. Das Landesarbeitsgericht ist von der Anwendbarkeit des TV-N auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ausgegangen, ohne Feststellungen zu einer beiderseitigen Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder einer einzelvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrags getroffen zu haben. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. In der BO-Kraft (in der maßgebenden Fassung vom 16. November 2007) ist - anders als die Beklagte möglicherweise meint - keine Pflicht zur Mitwirkung der Arbeitnehmer an ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit geregelt.

20

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelte es sich bei der von der Beklagten zur Untersuchung des Klägers bestimmten Ärztin nicht um die Betriebsärztin der Beklagten, sondern um die von der B, dh. einem anderen Unternehmen bestellte Betriebsärztin. Die Beklagte hat damit nicht, wovon § 3 Abs. 4 Alt. 1 TV-N ausgeht, ihren eigenen Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt. Das sieht die Revision, die hiergegen keine Einwände erhebt, ersichtlich auch so.

21

3. Als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N kann der Arbeitgeber einen Arzt seines Vertrauens für die Untersuchung bestimmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um einen nach seinem Belieben von Fall zu Fall bestellten Arzt handelt, sondern - zumindest in größeren Unternehmen und Behörden - um einen solchen Arzt oder einen ärztlichen Dienst, der vom Arbeitgeber allgemein für derartige Begutachtungsaufgaben bestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 277). Hierbei kann es sich auch um einen Arzt handeln, der beim Arbeitgeber selbst angestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b cc der Gründe, aaO). § 3 Abs. 4 TV-N enthält insoweit ebenso wenig eine Beschränkung wie § 7 Abs. 2 BAT. Dafür, dass dem Begriff des Vertrauensarztes in § 3 Abs. 4 TV-N ein anderes Verständnis zugrunde läge, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Interessenlage ist grundsätzlich nicht anders als im Anwendungsbereich des BAT. Hinzu kommt, dass gemäß § 3 Abs. 4 TV-N - anders als nach § 7 Abs. 2 BAT - ausdrücklich der eigene Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt werden kann. Danach kann grundsätzlich auch ein Arzt, der bei einem mit dem Arbeitgeber rechtlich verbundenen Unternehmen angestellt oder von diesem als Betriebsarzt iSd. Arbeitssicherheitsgesetzes bestellt ist, Vertrauensarzt iSd. § 3 Abs. 4 Alt. 2 TV-N sein.

22

4. Die in § 3 Abs. 4 TV-N geregelte Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitwirkung an einer vom Arbeitgeber verlangten ärztlichen Untersuchung beeinträchtigt nicht übermäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Dieses schließt zwar die Freiheit der Arztwahl ein. Der Arbeitgeber kann die Mitwirkung des Arbeitnehmers aber zum einen nur aus gegebener Veranlassung, also nur bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters verlangen. Zum anderen steht es mit Blick auf die schutzwürdigen Belange des Arbeitnehmers trotz des Wahlrechts des Arbeitgebers nicht etwa in dessen Belieben, wer die Begutachtung durchführt. Die Auswahl hat vielmehr nach billigem Ermessen ( § 315 Abs. 1 BGB ) zu erfolgen. Macht der Arbeitnehmer rechtzeitig vor oder während der Begutachtung begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des begutachtenden Arztes geltend, so kann es je nach den Umständen allein billigem Ermessen entsprechen, dass der Arbeitgeber einen anderen Arzt mit der Begutachtung beauftragt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Mit dieser Einschränkung ist es zur Gewährleistung gleichmäßiger Untersuchungsstandards grundsätzlich interessengerecht, das Bestimmungsrecht dem Arbeitgeber einzuräumen. Eine übermäßige Beeinträchtigung berechtigter Belange des Arbeitnehmers liegt darin nicht. Dieser muss das Ergebnis nicht hinnehmen, es wäre vielmehr in einem gerichtlichen Verfahren vollumfänglich nachzuprüfen (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - aaO).

23

5. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, soweit es angenommen hat, die Beklagte habe im Grundsatz den betriebsärztlichen Dienst der B als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N bestimmen dürfen. Von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen wird hingegen die Würdigung, die Betriebsärztin der B sei im Streitfall deshalb nicht als Vertrauensärztin iSv. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen, weil der Kläger Bedenken gegen ihre Unvoreingenommenheit erhoben und angeboten habe, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen.

24

a) Das Landesarbeitsgericht meint zu Unrecht, es komme nicht darauf an, ob die Bedenken des Klägers gegen die Unvoreingenommenheit der Betriebsärztin der B berechtigt gewesen seien oder nicht. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht an dem von ihm bestimmten Arzt für die Untersuchung festzuhalten, kann sich nur dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer begründete Einwände gegen ihn erhebt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Aus der Luft gegriffene oder in der Sache unbeachtliche Bedenken gegen den vom Arbeitgeber bestimmten Arzt sind dagegen nicht ausreichend. So liegt gerade kein begründeter Einwand darin, der vom Arbeitgeber bestimmte Arzt stehe „in dessen Lager“, wie der Kläger geltend gemacht hat.

25

b) Ob der Kläger - rechtzeitig - andere, begründete Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder ausreichende Fachkunde der von der Beklagten bestimmten Ärztin geltend gemacht hat, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

26

III. Die angegriffene Entscheidung erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig noch ist die Sache zur Endentscheidung reif. Eine abschließende Beurteilung, ob die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, ist dem Senat - weil es an erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt - nicht möglich.

27

1. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht geprüft, ob für die von der Beklagten geforderte Untersuchung eine Veranlassung iSv. § 3 Abs. 4 TV-N gegeben war. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass eine solche Veranlassung bestand. Der Kläger war seit dem 8. November 2007 arbeitsunfähig erkrankt. Daraus konnten sich Zweifel ergeben, ob er zu der vertraglich geschuldeten Tätigkeit wieder in der Lage war. Diese Zweifel müssen nicht schon durch das vom Kläger vorgelegte fachärztliche Gutachten vom 11. Dezember 2009 ausgeräumt gewesen sein. Zum einen darf nach § 3 Abs. 4 TV-N grundsätzlich der Arbeitgeber den für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers seines Erachtens geeigneten Arzt bestimmen. Zum anderen bezieht sich das vom Kläger beigebrachte Gutachten ausschließlich auf eine Untersuchung des Leistungsvermögens gemäß Anlage 5 Nr. 2 und des Sehvermögens gemäß Anlage 6 Nr. 2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Eine solche verkehrsmedizinische Eignungsfeststellung sagt nichts über die Fähigkeit des Arbeitnehmers aus, die konkrete arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Die Begutachtung nach der FeV dient allein dem Nachweis der geistigen und körperlichen Eignung - einschließlich des Sehvermögens - für das Führen von Fahrzeugen bestimmter Klassen und die Personenbeförderung (vgl. § 48 Abs. 4 iVm. § 11 Abs. 9 und § 12 Abs. 6 FeV). Aus der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eines Busfahrers können sich aber weitere Anforderungen, wie etwa bei besonderen Belastungen aufgrund von Schichtdienst, ergeben.

28

2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. ferner zu prüfen haben, ob der Kläger rechtzeitig berechtigte Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder Fachkunde des betriebsärztlichen Dienstes der B für die Untersuchung nach § 3 Abs. 4 TV-N geltend gemacht hat. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger habe sich pflichtwidrig geweigert, den Aufforderungen der Beklagten nachzukommen, sich zur Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit der Untersuchung durch den betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, wird es unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Streitfalls eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, ob der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zumutbar war oder nicht. Hierbei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob der Kläger sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über seine Mitwirkungspflichten befand (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 103, 277) und ob er sich, wie von ihm behauptet, noch vor Ausspruch der Kündigung bereit erklärt hat, sich „vom Betriebsarzt“ untersuchen zu lassen, wie dieses Angebot ggf. zu verstehen war und ob es - sollte es nicht ihrem Verlangen entsprochen haben - der Beklagten zumutbar gewesen wäre, darauf einzugehen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

Tenor

I. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Oktober 2009 - 3 Sa 235/08 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnungen vom 3. August 2006 und 23. Oktober 2007 im Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 6. März 2008 - 16 Ca 5432/07 - richtet.

II. Auf die weitergehende Revision des Klägers wird das genannte Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts teilweise aufgehoben.

III. Auf die Berufung des Klägers wird das genannte Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29. November 2007 nicht aufgelöst worden ist.

IV. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

V. Der Kläger hat 4/5, der Beklagte hat 1/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher, zumindest aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat.

2

Der beklagte Landkreis ist nach Sächsischem Landesgesetz untere Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde. In seinem Auftrag werden die damit verbundenen Aufgaben teilweise von Kreisverbänden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) wahrgenommen. Der beklagte Landkreis selbst hat die angemessene Ausstattung und Einsatzfähigkeit des damit betrauten Personals und der benötigten Sachmittel sicherzustellen. Dazu werden ua. die Einsatzfahrzeuge und deren Ausstattung einmal jährlich auf ihre Funktionstauglichkeit hin überprüft.

3

Behördenintern war mit diesen Überprüfungen - neben sonstigen Aufgaben - seit Oktober 2003 der Kläger betraut. Der Kläger wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er war bei dem beklagten Landkreis und dessen Rechtsvorgänger seit dem 1. April 1995 beschäftigt, zuletzt als Sachbearbeiter im Ordnungsamt. Zum Zwecke der Überprüfungen hatte er die bereitgehaltenen Katastrophenschutzfahrzeuge persönlich zu inspizieren und die Vollständigkeit und Funktionstauglichkeit ihrer Ausstattung einschließlich der Funkausrüstung zu kontrollieren. Darüber hatte er Protokolle zu führen, die dem Regierungspräsidium als obere Aufsichtsbehörde vorzulegen waren. Über das Ergebnis der Inspektionen war neben dem Regierungspräsidium auch das Innenministerium zu informieren.

4

Der Kläger erfüllte seine Aufgabe nur unvollständig. Er hatte Überprüfungen ua. beim DRK G und DRK W durchzuführen. Im Jahr 2004 unterließ er die Kontrollen gänzlich. Im Jahr 2005 überprüfte er nur die Fahrzeuge des DRK G. Als das Regierungspräsidium im November 2007 die Ausbildung des Sanitätszugs beim DRK W kontrollierte, ergab sich, dass dort seit 2004 keine staatlichen Überprüfungen vor Ort mehr vorgenommen worden waren. Der Kreisverband hatte lediglich Eigenkontrollen durchgeführt, bei denen der Kläger nicht anwesend war. In den Jahren 2004 bis 2006 hatte er jeweils Kopien der Prüfprotokolle an den Kläger gesandt. An einem Prüftermin im September 2007 hatte der Kläger ebenfalls nicht teilgenommen. Er hatte dem DRK vorab teilweise schon ausgefüllte und abgestempelte Protokollvordrucke übersandt, in denen er die Ausstattung der Fahrzeuge als ausreichend und die Fahrzeuge selbst als einsatzfähig und in gutem Pflegezustand befindlich eingestuft und die er als „Prüfender“ bereits unterzeichnet hatte. Die Mitarbeiter des DRK hatten sie anschließend vervollständigt und an den Kläger zurückgesandt.

5

Von diesen Vorgängen erhielt der beklagte Landkreis aufgrund eines Schreibens des Regierungspräsidiums vom 16. November 2007 Kenntnis. Noch am selben Tag nahm er eigene Recherchen beim DRK G vor. Er erfuhr, dass auch dort im Januar 2007 eine Überprüfung stattgefunden hatte, bei der der Kläger nicht anwesend war. Dennoch waren die Prüfprotokolle von ihm als „Prüfendem“ unterschrieben worden. Für künftige Überprüfungen hatte der Kläger dem DRK G teilweise vorweg ausgefüllte und unterschriebene Blanko-Formulare bereits zukommen lassen.

6

Bei seiner Anhörung am 27. November 2007 räumte der Kläger die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein. Mit Schreiben vom selben Tage unterrichtete der Landkreis den Personalrat über seine Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der Personalrat teilte tags darauf mit, er stimme einer ordentlichen Kündigung zu, die Absicht zur außerordentlichen Kündigung nehme er zur Kenntnis.

7

Mit vier separaten Schreiben vom 29. November 2007 kündigte der beklagte Landkreis das Arbeitsverhältnis der Parteien zweimal außerordentlich fristlos, zweimal ordentlich jeweils zum 30. Juni 2008.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, Kündigungsgründe lägen nicht vor. Er hat vorgetragen, er sei - unstreitig - von Oktober 2004 bis Juli 2005 erkrankt gewesen. Das habe dazu geführt, dass er im gesamten Jahr 2005 nicht selbst habe Auto fahren dürfen. Zudem sei er durch schwere Erkrankungen seines Sohnes und seiner Schwiegermutter im Jahr 2006 und seiner Ehefrau im Jahr 2007 psychisch stark belastet gewesen. Vor einer Kündigung habe er abgemahnt werden müssen. Zwei Abmahnungen vom August 2006 und Oktober 2007 seien insoweit nicht einschlägig. Im Übrigen habe der beklagte Landkreis den Personalrat nicht hinreichend über entlastende Umstände unterrichtet.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die zwei außerordentlichen Kündigungen vom 29. November 2007 noch durch die zwei ordentlichen Kündigungen von diesem Tag aufgelöst worden ist;

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnungen vom 3. August 2006 und 23. Oktober 2007 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, der Kläger habe grob gegen seine Arbeitspflichten verstoßen. Mit seinem Verhalten habe er die erforderliche Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört. Eine Beschäftigung an anderer Stelle komme nicht in Betracht. Bei allen Tätigkeiten, die der für den Kläger einschlägigen Entgeltgruppe 9 der Anlage 3 zum TVÜ-VKA entsprächen, habe der jeweilige Stelleninhaber in der Regel selbständige Entscheidungen zu treffen und Aufgaben von nicht geringer Bedeutung zu erfüllen. Daraus folge mit Blick auf den Kläger eine dauernde Wiederholungsgefahr.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch eine außerordentliche Kündigung aufgelöst. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Die Revision ist unbegründet, soweit sich der Kläger auch gegen eine Auflösung durch fristgerechte Kündigung wehrt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2008 geendet. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung richtet.

13

I. Die Revision ist nicht wegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 ZPO - in vollem Umfang - begründet. Zwar hat das Landesarbeitsgericht über die Frage einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden. Darin liegt ein Besetzungsfehler nach § 547 Nr. 1 ZPO. Eine Rechtsverletzung iSv. § 73 ArbGG, § 547 Halbs. 1 ZPO ist aber vom Revisionsgericht wegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO nur zu beachten, wenn die Revision (auch) auf sie gestützt wird. Die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist keine in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Fortsetzung des Prozesses (BAG 28. September 1961 - 2 AZR 32/60 - BAGE 11, 276; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prüt-ting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 103). Erhebt der Revisionskläger die entsprechende Verfahrensrüge nicht, kommt es auf einen Verstoß gegen § 547 Nr. 1 ZPO nicht an. Dies gilt selbst dann, wenn gerade diese Rüge der Beschwerde, die gegen die Nichtzulassung der Revision geführt wurde, nach § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG zum Erfolg verholfen hat. Der Beschwerdeführer muss seine Rüge im anschließenden Revisionsverfahren nicht aufrechterhalten.

14

Danach ist das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 1 ZPO im Streitfall ohne Bedeutung. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung ausdrücklich erklärt, er erhebe die im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Verfahrensrüge im Revisionsverfahren selber nicht.

15

II. Die Revision hat Erfolg, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch außerordentliche Kündigung beendet worden ist.

16

1. Der entsprechende Antrag des Klägers bedarf der Auslegung. Er ist auf die Feststellung gerichtet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht „durch die zwei außerordentlichen Kündigungen vom 29. November 2007“ aufgelöst worden ist. Der Antrag nimmt mit dieser Formulierung darauf Bezug, dass der beklagte Landkreis mit zwei separaten, indes nach äußerem Erscheinungsbild und Wortlaut vollständig identischen Schreiben vom 29. November 2007 jeweils die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hat. Dem Verhalten des beklagten Landkreises liegt offenbar die Absicht zugrunde, mit unterschiedlichen Kündigungsgründen jeweils eine eigenständige Kündigungserklärung zu verbinden.

17

Aus der nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Sicht des Klägers als des Empfängers der Erklärungen stellen die beiden Schreiben dagegen eine einheitliche identische Willenserklärung dar, die zweimal ausgesprochen wurde. Schon weil in den beiden Schreiben selbst die ihnen jeweils zugeordneten Kündigungsgründe nicht aufgeführt waren, konnte der Kläger sie angesichts ihrer völligen äußeren Übereinstimmung nicht als eigenständige Willenserklärungen verstehen - unbeschadet der Frage, ob nicht selbst bei Angabe von Kündigungsgründen materiell-rechtlich nur eine einzige, einheitliche Erklärung - gestützt auf die in beiden Schreiben aufgeführten Gründe - vorläge.

18

Entsprechend der materiell-rechtlichen Lage ist der Antrag des Klägers dahin zu verstehen, dass er sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die eine einheitliche außerordentliche Kündigung seitens des beklagten Landkreises vom 29. November 2007 richtet.

19

2. Der Antrag ist begründet. Die außerordentliche Kündigung vom 29. November 2007 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

20

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

21

Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann insbesondere dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Hauptleistungspflichten und/oder vertragliche Nebenpflichten erheblich verletzt hat. Liegt eine solche Pflichtverletzung vor, ist nach § 626 Abs. 1 BGB weiter zu prüfen, ob nicht eine ordentliche Kündigung genügt hätte, um künftige Vertragsstörungen seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden(BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Dazu ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abzuwägen. Es hat eine Bewertung des konkreten Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.

22

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen - der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, wenn schon eine ordentliche Kündigung geeignet war, das Risiko künftiger Störungen zu vermeiden (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34 mwN, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch bei Vertragsstörungen im Vertrauensbereich.

23

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dem beklagten Landkreis sei es unzumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung fortzusetzen. Seine Entscheidung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Zwar liegt eine erhebliche Vertragspflichtverletzung des Klägers und damit „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Dennoch erweist sich die außerordentliche Kündigung als unverhältnismäßig. Aufgrund der besonderen, vom Landesarbeitsgericht nicht hinreichend beachteten Umstände des Streitfalls war dem beklagten Landkreis die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer der Kündigungsfrist zuzumuten.

24

aa) Der Kläger hat gegen seine vertraglichen Pflichten erheblich verstoßen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist es dabei nicht von Belang, ob das Verhalten des Klägers insgesamt als Verletzung von Hauptleistungspflichten anzusehen ist oder zwischen einem Verstoß gegen die Hauptleistungspflicht - dem Unterlassen der vorgeschriebenen Überprüfungen - und einem Verstoß gegen Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB - dem zusätzlichen Vortäuschen ihrer Vornahme - unterschieden werden kann.

25

(1) Das Landesarbeitsgericht hat - für den Senat nach § 559 Abs. 1 ZPO bindend - festgestellt, dass der Kläger beim Kreisverband des DRK in W auch nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit im Sommer 2005 nicht nur keine eigenen Kontrollen mehr durchgeführt, sondern vorgedruckte Protokolle über eine angeblich im September 2007 von ihm vorgenommene Überprüfung als „Prüfender“ unterzeichnet hat, nachdem er die Formulare teilweise vorab schon ausgefüllt und mit dem Behördenstempel versehen hatte. Gleiches gilt für eine angebliche Kontrolle der Ausrüstung beim DRK G am 18. Januar 2007. Auch für danach anstehende Überprüfungen hatte der Kläger bereits unterzeichnete Blanko-Formulare übermittelt. Ähnlich war er, wie das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen festgestellt hat, schon im Jahr 2006 verfahren.

26

(2) Ein solches Verhalten kommt „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht. Der Kläger hat durch das Unterlassen eigener Überprüfungen über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren, ohne dass er daran durch eigene Arbeitsunfähigkeit gehindert gewesen wäre, nicht nur einige seiner Hauptleistungspflichten nicht erfüllt. Er hat durch die Unterzeichnung der Protokolle überdies aktiv darüber getäuscht, seine Pflichten wahrgenommen zu haben. Beides zusammen genommen wiegt schwer. Der Kläger hat auf diese Weise sein tatsächliches Untätigbleiben gerade verschleiert. Er hat den Aufsichtsbehörden damit die Möglichkeit und Chance genommen, auf erkennbare Unregelmäßigkeiten zeitnah zu reagieren. Sein Verhalten stellt sich vor dem Hintergrund, vor welchem die behördlichen Kontrollen vorzunehmen sind - einem möglichen Brand- oder Katastrophenfall -, und angesichts der Zeitspanne, während derer er untätig geblieben war, als erheblicher Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten dar.

27

bb) Eine außerordentliche Kündigung ist bei Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der gegenteiligen Interessen der Parteien gleichwohl nicht gerechtfertigt.

28

(1) Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Zwar kommt dem Berufungsgericht bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung nach der Rechtsprechung des Senats ein Beurteilungsspielraum zu(vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Dennoch handelt es sich auch dabei nicht um Tatsachenfeststellung, sondern um Rechtsanwendung. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist deshalb möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

(2) So liegt der Fall hier. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es hat außer Betracht gelassen, dass der Kläger nicht ausschließlich mit der Überprüfung von Gerätschaften des Katastrophenschutzes und Rettungsdienstes betraut war. Seine Arbeitsaufgaben bestanden vielmehr nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überwiegend in Sachbearbeitertätigkeiten am Dienstsitz selbst. Diese Aufgaben hat er ohne Einschränkungen erfüllt. War es dem beklagten Landkreis nach den gesamten Umständen zwar nicht zuzumuten, den Kläger jemals noch bei den fraglichen Kontrollen einzusetzen, so war der Kläger doch ohne diese Aufgabe nicht etwa beschäftigungslos. Die Überprüfungen waren zudem nur je einmal im Jahr vorzunehmen. Für die Dauer der bis zum 30. Juni 2008 laufenden Kündigungsfrist war weder mit weiteren Vertragsstörungen durch den Kläger noch mit organisatorischen Schwierigkeiten zu rechnen, die gerade dadurch entstünden, dass der Kläger auf seiner Stelle nicht umgehend ersetzt würde.

30

Angesichts dessen und angesichts des Umstands, dass der Kläger durch seine familiäre Situation in einer Weise psychisch belastet war, von der das Landesarbeitsgericht angenommen hat, sie sei „geeignet [gewesen], Schlecht- oder Fehlleistungen zu begünstigen“, war es dem beklagten Landkreis zumutbar, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.

31

III. Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis ebensowenig durch ordentliche Kündigung geendet hat.

32

1. Der Feststellungsantrag ist auch hinsichtlich der von ihm erfassten „zwei ordentlichen Kündigungen“ vom 29. November 2007 dahin zu verstehen, dass er sich - entsprechend der materiellen Rechtslage - gegen eine einzige einheitliche fristgemäße Kündigung von diesem Tage richtet. Die Ausführungen unter II 1 gelten im vorliegenden Zusammenhang gleichermaßen.

33

2. Der so verstandene Antrag ist unbegründet. Die ordentliche Kündigung vom 29. November 2007 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30. Juni 2008 beendet.

34

a) Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, 37, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht.

35

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; Schlachter NZA 2005, 433, 436). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37 mwN, aaO).

36

b) Danach ist die ordentliche Kündigung vom 29. November 2007 durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.

37

aa) Der Kläger hat seine vertraglichen Pflichten - wie dargelegt - schuldhaft erheblich verletzt.

38

bb) Der Ausspruch der darauf gestützten fristgerechten Kündigung ist nicht unverhältnismäßig. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen war eine Hinnahme des Verhaltens des Klägers durch den beklagten Landkreis ausgeschlossen. Die mit einer Abmahnung oder Versetzung als mildere Mittel verbundene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus ist dem beklagten Landkreis objektiv unzumutbar.

39

(1) Der Kläger hat über sein Untätigsein nicht nur einmal, sondern über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren mehrfach, dh. systematisch getäuscht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er seine Kontrolltätigkeit in absehbarer Zeit von sich aus wieder aufgenommen hätte.

40

(2) Der Kläger hat durch seine Falschangaben Aktivitäten vorgetäuscht, deren tatsächliche Vornahme gewährleisten soll, dass bei plötzlichen Brand- oder Katastrophenfällen und im „regulären“ Rettungsdienst effektive und technisch zuverlässige Mittel zur Bekämpfung bzw. für den Einsatz zur Verfügung stehen. Durch sein Verhalten hat er diese Gewähr leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Zwar ist anzunehmen, dass die zu kontrollierenden DRK-Kreisverbände auf die Einsatzfähigkeit ihrer Ausrüstung auch von sich aus geachtet haben. Gleichwohl konnten sich dabei „Großzügigkeiten“ einschleichen, denen eine staatliche Kontrolle gerade entgegenwirken soll.

41

(3) Der Kläger hat durch sein Verhalten gezeigt, dass er um offensichtlich privater, freilich von ihm nicht näher erläuterter Dispositionen willen bereit ist, erhebliche Risiken für das Allgemeinwohl in Kauf zu nehmen. Dass er den Weg der Täuschung und nicht - wenn er denn der Auffassung gewesen sein sollte, die vorgesehenen Überprüfungen seien sachlich nicht geboten - den der offenen Erklärung und ggf. Aussprache gewählt hat, ist durch schwierige private Umstände und psychische Belastungen weder zu erklären noch zu entschuldigen. Seine systematischen Verschleierungen, die auch den zu kontrollierenden Einrichtungen nicht verborgen geblieben sind, machen es dem beklagten Landkreis objektiv unzumutbar, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist am bisherigen oder - nach Versetzung - auf einem anderen Arbeitsplatz fortzusetzen.

42

c) Die ordentliche Kündigung ist nicht gem. § 108 BPersVG, § 78 Abs. 3 SächsPersVG mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam.

43

aa) Nach § 78 Abs. 1 SächsPersVG hat der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen mitzuwirken. Gem. § 76 Abs. 1 SächsPersVG ist dazu die beabsichtigte Maßnahme vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit ihm zu erörtern.

44

Hier hat die Personalratsvorsitzende, nachdem das Mitwirkungsverfahren durch Übermittlung des Begründungsschreibens vom 27. November 2007 seitens des beklagten Landkreises eingeleitet worden war, mit Schreiben vom 28. November 2007 erklärt, der Personalrat stimme der ordentlichen Kündigung zum 30. Juni 2008 zu. Damit war das Mitwirkungsverfahren äußerlich ordnungsgemäß abgeschlossen.

45

bb) Es ist nicht deshalb fehlerhaft, weil der Personalrat vom beklagten Landkreis über die Kündigungsgründe unzutreffend unterrichtet und damit nicht korrekt iSv. § 78 Abs. 1, § 76 Abs. 1 SächsPersVG beteiligt worden wäre.

46

(1) Die im Rahmen der Mitwirkung erforderliche Unterrichtung des Personalrats über die Gründe für die beabsichtigte ordentliche Kündigung soll diesem die Möglichkeit eröffnen, sachgerecht zur Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen. Dazu ist es nötig, dass der Dienstherr dem Personalrat die für ihn - den Dienstherrn - maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilt. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet, wenn der Dienstherr ihm die aus seiner subjektiven Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (zu § 102 BetrVG: BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Korrektheit der Unterrichtung nicht an (zu § 102 BetrVG: BAG 11. Juli 1991 - 2 AZR 119/91 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 81). Fehlerhaft ist die Unterrichtung indessen, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet oder einen für dessen Entschließung wesentlichen, insbesondere einen den Arbeitnehmer entlastenden Umstand verschweigt. Enthält der Dienstherr dem Personalrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss bestimmende Tatsachen vor, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes verleihen oder weitere eigenständige Kündigungsgründe enthalten, ist die Unterrichtung fehlerhaft und die Kündigung unwirksam (zu § 102 BetrVG: BAG 11. Juli 1991 - 2 AZR 119/91 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

47

(2) Danach hat der beklagte Landkreis den Personalrat ordnungsgemäß unterrichtet.

48

(a) Der Einwand des Klägers, der Personalrat habe nicht erkennen können, welche einzelnen Gründe welche der beiden beabsichtigten Kündigungen hätten tragen sollen, ist unerheblich. Abgesehen von der dargelegten materiell-rechtlichen und prozessualen Lage war der Personalrat trotz dieser Unkenntnis nicht gehindert, zu den einzelnen Kündigungsgründen Stellung zu nehmen.

49

(b) Soweit der Kläger vorbringt, der beklagte Landkreis habe bei der Erwähnung der beiden Abmahnungen vom 3. August 2006 und 23. Oktober 2007 nicht auf seine - des Klägers - Gegendarstellungen hingewiesen, macht dieser Umstand die Unterrichtung nicht fehlerhaft. Eines Hinweises auf die Gegendarstellungen bedurfte es schon deshalb nicht, weil der beklagte Landkreis seinen Kündigungsentschluss nicht von der Erteilung der betreffenden Abmahnungen abhängig gemacht hatte. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers hielt der beklagte Landkreis eine vorherige Abmahnung gerade für entbehrlich. Die erteilten Abmahnungen betrafen überdies gänzlich andere Sachverhalte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der beklagte Landkreis habe ihnen ersichtlich kein entscheidendes Gewicht bei seiner Kündigungsabsicht beigemessen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat der Kläger zum Inhalt seiner Gegendarstellungen nicht näher vorgetragen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob diese überhaupt substantiiertes und erhebliches Entlastungsvorbringen enthielten, welches dem Personalrat ggf. hätte mitgeteilt werden müssen.

50

(c) Soweit der beklagte Landkreis dem Personalrat bestimmte tatsächliche Umstände mitgeteilt hat, auf die er vor Gericht die ausgesprochene Kündigung gar nicht stützt, ist dies für die Korrektheit der Unterrichtung ohne Bedeutung. Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, sämtliche Kündigungsgründe, die er dem Personalrat mitgeteilt hat, auch vor Gericht heranzuziehen. Problematisch ist nur der umgekehrte Fall.

51

(d) Anders als der Kläger gemeint hat, musste der beklagte Landkreis dem Personalrat nicht mitteilen, dass er - der Kläger - im Jahr 2004 Überprüfungen wegen eigener Arbeitsunfähigkeit nicht wahrnehmen konnte. Auf ein Untätigbleiben im Jahr 2004 hat der beklagte Landkreis die Kündigung nicht gestützt. Das zeigt die nur beiläufige Erwähnung dieses Jahres unter B IV des Unterrichtungsschreibens und der Umstand, dass dieses Jahr in der Zusammenfassung der Recherche-Ergebnisse unter D I des Schreibens nicht aufgeführt wird.

52

(e) Weitergehende Einwände gegen die Korrektheit der Unterrichtung des Personalrats hat der Kläger nicht erhoben.

53

IV. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger den Antrag auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnungen vom August 2006 und Oktober 2007 verfolgt. Der Kläger hat sich mit den Gründen des Berufungsurteils nicht hinreichend auseinandergesetzt.

54

1. Gem. § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO müssen zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision die Gründe angegeben werden, auf die sie gestützt wird. Will der Revisionskläger die Verletzung materiellen Rechts geltend machen, hat er nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss dazu den möglichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Sie muss sich mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinandersetzen und darlegen, worin sie den Rechtsfehler erblickt. Dadurch soll zum einen sichergestellt werden, dass der Revisionskläger das angefochtene Urteil auf das Rechtsmittel hin überprüft und die Rechtslage präzise durchdenkt. Zum anderen sollen Kritik und Diskussion des angefochtenen Urteils zu einer richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10 mwN, NZA 2011, 878).

55

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung mit Blick auf die Entscheidung über den Leistungsantrag nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ausgeführt, der Kläger habe wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen. Dazu habe es der Darlegung von Umständen bedurft, aus denen erkennbar werde, dass ihm trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Landkreis Nachteile aus einem Verbleib der Abmahnungen in der Personalakte entstehen könnten. Allein die Möglichkeit, dass er bei einer erneuten Bewerbung für den öffentlichen Dienst die Personalakte vorlegen müsse, reiche dazu nicht aus.

56

Die Revisionsbegründung des Klägers greift allein die sachliche Berechtigung der Abmahnungen an, die sie zu widerlegen unternimmt. Mit dem für das Landesarbeitsgericht entscheidenden Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet ist, setzt sie sich nicht auseinander.

57

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Koch    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) bis 3) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. November 2010 - 4 Sa 795/07 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu ¼, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu ¾ zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und einen Auflösungsantrag der Beklagten. Der Kläger macht zudem Vergütungsansprüche geltend.

2

Der 1963 geborene Kläger war seit 1992 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt, seit Januar 1997 als Leiter der Abteilung Baufinanzierung. Die Beklagte zu 1), eine Bausparkasse, erteilte ihm zum 1. Januar 2001 Prokura. Der Kläger bezog ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 8.155,19 Euro.

3

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 und 5. April 2006 traten die Beklagten zu 2) und 3) dem Arbeitsverhältnis im Einverständnis mit dem Kläger als weitere Arbeitgeberinnen bei.

4

Durch Rundschreiben vom 8. August 2002 wurden die Mitarbeiter, die Abteilungsleiter am 9. August 2002 außerdem im Rahmen einer Konzern-Abteilungsleiterbesprechung, darauf hingewiesen, dass jegliche private Nutzung von Internet, Intranet und E-Mail untersagt sei und sie auch bei einem einmaligen Verstoß mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung)“ rechnen müssten.

5

Bei einer Überprüfung des Internetzugangs des Klägers wurde festgestellt, dass über diesen in der Zeit vom 13. Oktober 2006 bis 2. November 2006 in erheblichem Umfang auf Internetseiten mit pornografischen Inhalten zugegriffen worden war.

6

Die Beklagten hörten mit Schreiben vom 17. November 2006 den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten, mit Schreiben vom 20. November 2006 vorsorglich auch den Betriebsrat der Zentrale zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an.

7

Der Sprecherausschuss stimmte den beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 20. November 2006 zu. Der Betriebsrat teilte am gleichen Tag mit, gegen die beabsichtigten Kündigungen keine Bedenken zu haben.

8

Mit drei Schreiben jeweils vom 21. November 2006 kündigten die Beklagten jede für sich das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 2007.

9

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich Zahlung der Vergütung für den vollen Monat November und für Dezember 2006 begehrt. Er hat die außerordentliche ebenso wie die ordentliche Kündigung für unwirksam gehalten. Die - von ihm eingestandene - private Internetnutzung rechtfertige allenfalls eine Abmahnung. Für ihn hätten keine festen Arbeitszeiten gegolten. Er habe durch die private Nutzung des Internets seine Arbeit nicht vernachlässigt, die privat verwandte Zeit vielmehr wieder „eingearbeitet“. Er habe zwar auch auf Seiten zugegriffen, die sich mit Erotik im weitesten Sinne befassten, aber keine pornografischen Seiten oder solche mit strafbarem Inhalt geöffnet.

10

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung vom 21. November 2006 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.494,16 Euro brutto sowie den Arbeitgeberzuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von 9,37 Euro und den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 161,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.791,26 Euro vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2006 und aus 9.665,43 Euro seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen.

11

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, „die Arbeitsverhältnisse“ gegen Zahlung einer Abfindung zum Ablauf des 30. Juni 2007 aufzulösen. Sie haben die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung geendet. Dieser habe den Zugriff auf bestimmte Internetseiten eingeräumt. Ein zusätzlicher Missbrauch des Internetzugangs durch Dritte sei ausgeschlossen. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis gerichtlich zum 30. Juni 2007 aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht mehr möglich. Im Übrigen bedürfe der Auflösungsantrag keiner Begründung. Der Kläger sei leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG gewesen. Er habe die Befugnis gehabt, eigenverantwortlich die Mitarbeiter seines Teams einzustellen und zu entlassen. Bei der Stellenbesetzung habe er nur die Anzahl der bewilligten Stellen berücksichtigen müssen.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf den zweitinstanzlich gestellten Auflösungsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 111.800,00 Euro zum 30. Juni 2007 aufgelöst. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Abweisung des Auflösungsantrags. Mit ihrer Anschlussrevision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Klageabweisung weiter und beantragen hilfsweise, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Revision und Anschlussrevision sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. November 2006 ohne Rechtsfehler als unwirksam erachtet (I.). Auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand (II.). Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der noch offenen Vergütung für November und Dezember 2006 (III.).

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung vom 21. November 2006 sei unwirksam, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Gegenstand des Kündigungsschutzantrags sei die Beendigung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die angegriffene Kündigung. Bei den drei im Wesentlichen gleichlautenden Kündigungsschreiben vom 21. November 2006 handelt es sich materiell um eine einheitliche Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses durch die daran auf Arbeitgeberseite beteiligten drei Beklagten.

16

a) Ebenso wie auf Arbeitnehmerseite (BAG 21. Oktober 1971 - 2 AZR 17/71 - AP BGB § 611 Gruppenarbeitsverhältnis Nr. 1 mit Anm. Hanau = EzA KSchG § 1 Nr. 23) können auf Arbeitgeberseite mehrere rechtlich selbständige Personen an demselben Arbeitsverhältnis beteiligt sein (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30, DB 2012, 1690; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 37, 1 = AP BGB § 611 Arbeitgebergruppe Nr. 1 mit Anm. Wiedemann = SAE 1983, 288 mit Anm. Schulin; Schwerdtner ZIP 1982, 900; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 75; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 191). Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, liegen nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse vor. Vielmehr kann auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - aaO; 5. März 1987 - 2 AZR 623/85 - zu B III 5 der Gründe, BAGE 55, 117; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - aaO; Linck Rn. 76 aaO; ErfK/Preis aaO). Der rechtliche Zusammenhang kann sich insbesondere aus einer Auslegung des Vertragswerks der Parteien ergeben (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - aaO; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu I 2 b der Gründe, aaO). Nach Maßgabe von §§ 133, 157 BGB ist zu prüfen, ob nach den Vorstellungen der Vertragschließenden die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam gelten und zusammen durchgeführt werden sollen, dh. Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollen (Linck aaO; vgl. auch ErfK/Preis aaO). Ist dies zu bejahen, kann ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis im Regelfall nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 1 der Gründe, aaO; ErfK/Preis aaO).

17

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, zwischen den Parteien habe ein einheitliches Arbeitsverhältnis bestanden. Die Beklagten zu 2) und 3) sind gemäß Schreiben vom 4. Dezember 1997 und 5. April 2006 dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) begründeten Arbeitsverhältnis als weitere Arbeitgeberinnen „beigetreten“. Schon diese Formulierung spricht für die Absicht, keine gesonderten Arbeitsverhältnisse mit dem Kläger zu begründen. Zudem wäre eine nach Arbeitgebern getrennte Durchführung der Vertragsabreden nicht möglich gewesen. In den Beitrittsschreiben ist nur abstrakt bestimmt, der Kläger erbringe nunmehr Tätigkeiten auch für die Beklagte zu 2) bzw. zu 3). Konkrete Tätigkeitsanteile wurden jedoch nicht festgelegt. Diese sollten vielmehr jeweils nachträglich quartalsweise ermittelt werden. Auch der Entgeltanspruch des Klägers wurde nicht auf die nun mehreren Arbeitgeberinnen aufgeschlüsselt. Außerdem war vorgesehen, dass eine Kündigung nur insgesamt für und gegen alle Arbeitgeberinnen ausgesprochen werden konnte. Dies ist die typische Rechtsfolge aus dem Bestehen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses. Eine Ausnahme von der gemeinsamen Fortführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses war nur für den Fall vorgesehen, dass die Tätigkeit des Klägers für eine der beigetretenen Arbeitgeberinnen zukünftig entfiele. In diesem Fall sollte der Anstellungsvertrag nur mit den übrigen Beklagten fortgeführt werden.

18

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, weder die außerordentliche, noch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Bestimmungen des § 626 Abs. 1 BGB und § 1 KSchG ohne Rechtsfehler auf den Streitfall angewandt.

19

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

20

aa) Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

21

bb) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO ). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08  - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33).

22

cc) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36, BAGE 134, 349). Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO;  9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - aaO ; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08  - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).

23

b) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

24

c) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, eine Abmahnung sei im Verhältnis zu einer Kündigung ein den Beklagten zumutbares milderes Mittel der Reaktion auf die Pflichtverletzungen des Klägers gewesen.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu den Kündigungsgründen als wahr unterstellt, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die vorzunehmende Interessenabwägung eine vorherige Abmahnung jedoch für nicht entbehrlich gehalten. Das Fehlverhalten des Klägers lasse keine eindeutige negative Prognose zu, selbst wenn man den zeitlichen Umfang der privaten Internetnutzung und den Inhalt der aufgerufenen Seiten zugrunde lege, wie ihn die Beklagten im einzelnen dargelegt hätten. Eine Privatnutzung während der Arbeitszeit sei nicht feststellbar. Der Kläger habe sich darauf berufen, als leitender Angestellter keine festen Arbeitszeiten gehabt zu haben und daher in seiner Pausengestaltung frei gewesen zu sein. Ausgefallene Arbeitszeit habe er in den Abendstunden oder am Wochenende ausgeglichen, er habe seine Arbeitspflichten nicht vernachlässigt und nur während erforderlicher Entspannungs- und Erholungspausen privat im Internet gesurft. Dem seien die Beklagten nicht mit konkreten Tatsachen entgegengetreten. Sie hätten auch nicht näher dargelegt, dass ihnen durch die Privatnutzung des Klägers zusätzliche Kosten entstanden seien. Als kündigungsrelevanter Sachverhalt verblieben damit ein Verstoß gegen das ausdrückliche Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses, das Aufrufen von Internetseiten und Herunterladen von Bildmaterial, das zu einer Vireninfizierung des Betriebssystems hätte führen können und eine mögliche Rufschädigung der Beklagten infolge des Aufrufens und Herunterladens der fraglichen Seiten. Zugunsten der Beklagten könne unterstellt werden, dass nur der Kläger der betreffende Nutzer gewesen sei. Auch dann hätten die Beklagten sich angesichts der langen beanstandungsfreien Dauer seines Arbeitsverhältnisses auf den Ausspruch einer Abmahnung beschränken und dem Kläger die Möglichkeit geben müssen, sein Verhalten zu korrigieren. Dies sei auch deshalb geboten, weil der Kläger aufgrund seiner hervorgehobenen Position offenbar davon ausgegangen sei, bei ihm werde eine private Nutzung des Internets in gewissem Umfang hingenommen. Er habe nicht damit rechnen müssen, es würden schon bei einem ersten Verstoß kündigungsrechtliche Konsequenzen gezogen.

26

bb) Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zwar musste dem Kläger angesichts des ausdrücklichen Verbots jeglicher privater Internetnutzung klar sein, dass die Beklagten sein Verhalten als vertragswidrig erachten würden. Es ist aber revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe davon ausgehen dürfen, die Beklagten würden auf einen Verstoß nicht sofort mit einer Kündigung reagieren. Dieser Würdigung steht die ausdrückliche Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bereits bei einem erstmaligen Verstoß in dem Rundschreiben vom 8. August 2002 schon deshalb nicht entgegen, weil als arbeitsrechtliche Konsequenzen unterschiedliche Reaktionen (Abmahnung; Kündigung) in Betracht kommen.

27

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die nahezu 15-jährige, bislang unbelastete Betriebszugehörigkeit des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt. Ferner fehlt nach seiner Auffassung bei Ausspruch einer Abmahnung die Wiederholungsgefahr. Dies zusammen mit dem Umstand, dass das pflichtwidrige Verhalten des Klägers zu keinem konkreten Schaden bei den Beklagten geführt hat, lässt es im Streitfall vertretbar erscheinen, eine Abmahnung für nicht entbehrlich zu halten. Demgegenüber musste es das Landesarbeitsgericht nicht entscheidungserheblich zulasten des Klägers gewichten, dass dieser als Abteilungsleiter eine Vorbildfunktion hatte.

28

dd) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger das Internet an mehreren Tagen und insgesamt über mehrere Stunden privat genutzt und dabei ua. pornografisches Bildmaterial heruntergeladen hat. Auch ein solches Verhalten schafft keinen absoluten Kündigungsgrund. Zwar hat der Senat dies als einen denkbaren Fall erachtet, in dem es vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung nicht bedarf (BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 115, 195). Dies ändert aber nichts daran, dass die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung auch bei einem solchen Sachverhalt anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen ist. Diese Prüfung hat das Landesarbeitsgericht in vertretbarer Weise vorgenommen. Nicht zu entscheiden ist, wie es zu beurteilen wäre, wenn der Kläger mithilfe des ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Internets Straftaten begangen hätte. Hierfür fehlt es an Vortrag der Beklagten.

29

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. Juni 2007 aufzulösen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Auflösungsantrag der Beklagten habe gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG keiner Begründung bedurft. Der Kläger war leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Mit Blick auf die Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses hat das Landesarbeitsgericht dabei den Antrag der Beklagten zu Recht als einen einheitlichen verstanden, gerichtet darauf, das Arbeitsverhältnis - und nicht, wie nach der Antragsformulierung, „die Arbeitsverhältnisse“ - der Parteien aufzulösen.

30

1. Nach § 14 Abs. 2 KSchG findet auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

31

a) Die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für das Gewicht der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat. Es kann auch dann ausreichend sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine geschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

32

b) Zur selbständigen Einstellung oder Entlassung iSd. § 14 Abs. 2 KSchG sind nur solche Arbeitnehmer berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im Außen-, sondern auch im Innenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf die Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 18. November 1999 - 2 AZR 903/98 - zu II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 5 = EzA KSchG § 14 Nr. 4).

33

c) Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht „nur auf dem Papier stehen“. Sie muss tatsächlich ausgeübt werden (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

34

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe als Abteilungsleiter die Befugnis gehabt, die ihm unterstellten Mitarbeiter selbständig einzustellen und zu entlassen. Diese Kompetenz habe sich zwar nur auf eine geschlossene Gruppe innerhalb der Belegschaft der Beklagten zu 1) - die insgesamt etwa 110 Mitarbeiter beschäftigt - bezogen, nämlich auf die 45 Mitarbeiter in der von ihm geleiteten Abteilung Baufinanzierung. Diese seien aber für den unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1) von besonderem Gewicht. Für eine Bausparkasse, die die Finanzmittel für die Durchführung von Bau- oder Modernisierungsvorhaben zur Verfügung stelle, sei entscheidend, wie die rechtliche und technische Abwicklung der Baufinanzierung gehandhabt werde. Die Personalkompetenz bestehe im Innen- und im Außenverhältnis. Der Kläger sei insofern nicht an Weisungen oder Genehmigungen von Vorstandsmitgliedern gebunden gewesen. Die Personalverantwortung des Klägers habe auch tatsächlich zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt.

36

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht eine Stellung des Klägers als leitender Angestellter im Verhältnis zur Beklagten zu 1) als ausreichend erachtet. Die Auflösung durch Urteil (§ 9 KSchG) kann im einheitlichen Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern grundsätzlich nur insgesamt erfolgen (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 der Gründe, BAGE 37, 1). Ausreichend ist im Regelfall ein Auflösungsgrund, der für oder gegen einen der Arbeitgeber vorliegt (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 a der Gründe, aaO). Ist der Arbeitnehmer leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG nur im Verhältnis zu einem der Arbeitgeber und stellt dieser einen Auflösungsantrag, schlägt dies wegen der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses auf die Beziehung zu den anderen Arbeitgebern durch. Eine Fortsetzung des einheitlichen Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeberseite dann in der Regel insgesamt unzumutbar. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch für den vorliegenden Fall angenommen. Besteht deshalb eine Auflösungsmöglichkeit der Beklagten zu 1), weil der Kläger im Verhältnis zu ihr leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, wirkt sich dies wegen der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses zu allen drei Beklagten auf das Arbeitsverhältnis insgesamt aus. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit Tätigkeiten des Klägers ggf. nur noch für die Beklagten zu 2) und 3) ist nach den Vereinbarungen der Parteien nicht vorgesehen. Zwar sollte das Arbeitsverhältnis bei einem Wegfall der Tätigkeiten für die später beigetretenen Beklagten zu 2) und 3) auch ohne diese fortgesetzt werden können, nicht aber umgekehrt nur für sie.

37

c) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 KSchG auch im Übrigen nicht verkannt.

38

aa) Eine Beschränkung der selbständigen Entscheidungskompetenz des Klägers auf die in seiner Abteilung vorzunehmenden Einstellungen ergibt sich nicht daraus, dass er an den festgelegten Stellenplan gebunden war. So wenig es einer selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis entgegensteht, wenn der Angestellte unternehmensinterne Vorgaben beachten muss (BAG 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA KSchG § 14 Nr. 6), so wenig verlangt eine Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG eine unternehmerische Entscheidungshoheit über den Stellenplan und die Befugnis, selbst über Stellenausweitungen oder -kürzungen zu entscheiden. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Angestellte vielmehr bereits dann als „im Lager“ des Arbeitgebers stehend anzusehen, wenn er selbständig darüber entscheiden kann, wer in einem wesentlichen Bereich des Unternehmens eingestellt oder entlassen wird.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Personalverantwortung des Klägers habe zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt. Es hat dies aus der Bedeutung der von dem Kläger geleiteten Abteilung für den unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1) abgeleitet. Mit seinem hiergegen gerichteten neuen Sachvortrag zur Art des von seiner Abteilung verantworteten Geschäfts und der tariflichen Eingruppierung seiner Mitarbeiter kann der Kläger in der Revision gem. § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr gehört werden. Das Landesarbeitsgericht musste auch nicht aufklären, ob es entsprechend dem Vorbringen des Klägers nur eine Entlassung und maximal zehn Einstellungen in seiner Abteilung während der Zeit seiner Leitung gegeben hat. Die Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG muss zwar einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen. Hierfür kommt es aber nicht allein darauf an, welchen zeitlichen Anteil sie an der Tätigkeit des Angestellten hat. Maßgeblich ist, ob sie von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen und damit als Teil der Tätigkeit des Angestellten qualitativ nicht unwesentlich ist. Dies war nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts beim Kläger der Fall. Der Kläger hat seine Befugnisse nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts auch tatsächlich ausgeübt.

40

Der Kläger rügt in der Revision ohne Erfolg, er habe in diesem Zusammenhang vorgetragen, über die eine Entlassung und die fünf bis zehn Einstellungen nicht selbst entschieden zu haben. Sein Vorbringen war nach dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung streitig. Die Richtigstellung des Tatbestands kann nicht im Wege der Verfahrensrüge, sondern nur durch einen Antrag nach § 320 ZPO erreicht werden(BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68; 26. Februar 1987 - 2 AZR 177/86 - zu B II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; BGH 22. September 2008 - II ZR 235/07 - zu II 1 a der Gründe, DStR 2008, 2228; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - zu B III 1 der Gründe, ZIP 2007, 1942; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 106; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 57 ). Einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.

41

d) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gem. § 355 ZPO verletzt, weil es die Zeugen nicht selbst vernommen, sondern darum das Arbeitsgericht ersucht habe, ist unbegründet. Selbst wenn man darin einen Verfahrensverstoß sehen wollte, wäre dieser gem. § 295 Abs. 1 ZPO geheilt. Der Kläger hätte diese Rüge bereits in der auf die Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung erheben müssen (vgl. BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - zu I der Gründe, NJW 1979, 2518; 16. Oktober 1963 - IV ZR 17/63 - BGHZ 40, 179; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 355 Rn. 8). Dies hat er nicht getan.

42

aa) Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des ersuchten Richters, welche die Aufhebung des Berufungsurteils erfordern könnte (vgl. dazu BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - NJW 1979, 2518), sind nicht ersichtlich.

43

bb) Der gerügte Verfahrensverstoß ist nicht erst durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts erkennbar geworden, so dass der Kläger die Rüge im Berufungsverfahren noch nicht hätte erheben können (zu den Konsequenzen vgl. BGH 4. November 2010 - I ZR 190/08 - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 2011, 569; 9. Januar 1997 - III ZR 162/95 - zu I 2 der Gründe, AP ZPO § 355 Nr. 2). Der Kläger beruft sich zum einen darauf, es habe schon im Beweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts eine Begründung dafür gefehlt, warum mit der Beweisaufnahme ein anderes Gericht ersucht worden sei. Dies war bereits mit Erlass des Beweisbeschlusses erkennbar. Zum anderen macht er geltend, es sei von vornherein mit widersprechenden Zeugenaussagen zu rechnen gewesen. Auch dies wurde nicht erst durch das Berufungsurteil erkennbar - zumal das Landesarbeitsgericht eine Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen nicht angenommen hat.

44

e) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch in der Sache einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

aa) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Dafür ist nur von Bedeutung, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

46

bb) Danach ist ein Fehler des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich. Dieses hat widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat es aufgrund der Aussagen der vernommenen anderen Abteilungsleiter als erwiesen angesehen, dass die Personalverantwortung des Klägers für die ihm unterstellten Mitarbeiter zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt hat. Die Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass sie zwar auf die vorherige Genehmigung einer Stelle durch die sog. Clearingkommission des Konzerns angewiesen seien. Nach Genehmigung einer Stelle hätten sie aber eigenständig darüber zu entscheiden, wie diese ausgeschrieben werde und welcher Kandidat zum Zuge komme. Eine Genehmigung durch den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder sei nicht erforderlich. Soweit der Kläger gerügt hat, die vernommenen Abteilungsleiter hätten nur ihre jeweils eigene Kompetenz darstellen können, hat er übersehen, dass das Landesarbeitsgericht der Aussage eines der Zeugen gerade entnommen hat, das Einstellungsprozedere sei in jeder Abteilung gleich gewesen, ebenso die Zuständigkeit für die Sachentscheidungen bei Entlassungen.

47

3. Der gerichtlichen Auflösung steht nicht entgegen, dass die - hilfsweise erklärte ordentliche - Kündigung der Beklagten vom 21. November 2006 schon aus anderen Gründen als dem Fehlen einer sozialen Rechtfertigung rechtsunwirksam wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit nicht zu beanstandender Würdigung ausgeschlossen. Insbesondere ist der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach § 31 Abs. 2 SprAuG ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung gehört worden.

48

4. Die Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG kann in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis in der Regel nur einheitlich festgesetzt werden. Bemessungsgrundlage („Monatsverdienst“ iSd. § 10 Abs. 3 KSchG) sind die Bezüge, die dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis insgesamt zustehen (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 37, 1). Das Landesarbeitsgericht hat einen Betrag in Höhe von zwölf durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen unter Einbezug von Sonderzahlungen festgesetzt. Dies hält sich im Rahmen von § 10 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG.

49

III. Die Anschlussrevision der Beklagten ist auch insoweit unbegründet, wie sie sich gegen die Entscheidung über den Zahlungsantrag richtet. Der Kläger hat Anspruch auf die noch offene Vergütung für November und auf Vergütung für Dezember 2006 gem. §§ 615, 611 BGB. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat im Anspruchszeitraum fortbestanden. Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung befanden sich die Beklagten im Annahmeverzug iSv. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch auf die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für Dezember 2006 ergibt sich aus § 257 SGB V und § 61 SGB II. Der Senat hatte gem. §§ 65, 73 Abs. 2 ArbGG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg insoweit zulässig ist(vgl. zur Unzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für die Arbeitgeberzuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung BAG 19. August 2008 - 5 AZB 75/08 - Rn. 6, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 72). Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

50

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Beklagten zu 1) bis 3) haften gem. § 100 Abs. 4 ZPO gesamtschuldnerisch.

        

    Kreft     

        

    Eylert    

        

    Rachor     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

        

        

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.04.2016 - 2 Ca 3545/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

2

Der 1972 geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit 12. Mai 1992 als Betonarbeiter beschäftigt. Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb in C-Stadt mit mehr als 100 Mitarbeitern Steine zur Veredelung von Flächen im Garten- und Landschaftsbereich her. Über das Werksgelände führt eine Verladestraße mit einem durch Poller und rot-weißes Band abgetrennten Fußweg (Lichtbild B 3 = Bl. 78 d. A.). Dabei wird durch ein großes Schild (Lichtbild B 4 = Bl. 79 d. A.) darauf hingewiesen, dass im gesamten Werk das Tragen von Sicherheitsausstattung (Sicherheitsweste, Sicherheitsschuhe, Sicherheitshelm) Pflicht ist und Besucher die Fußwege benutzen. In der Betriebsanweisung "Persönliche Schutzausrüstung (PSA)", die an jeder Steinfertigungsanlage durch Aushang bekannt gemacht wird, ist u.a. festgelegt, dass das Tragen von Warnwesten in Verkehrs- und Lagerbereich Pflicht ist (Bl. 76 d. A.). Zudem wurde der Kläger über die Pflicht zum Tragen der Warnweste auch persönlich unterrichtet (Unterweisungsnachweis für den Kläger Bl. 77 d. A.). In der Betriebsanweisung für Gabelstapler (Bl. 80 d. A.), die an jeder Steinfertigungsanlage durch Aushang bekannt gemacht wird, ist im Rahmen der Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln u.a. Folgendes festgelegt: "Beim Abstellen des Staplers gilt: Gabel absenken, Feststellbremse betätigen, Schlüssel abziehen, Verkehrswege freihalten." Zudem wurde der Kläger auch insoweit persönlich unterrichtet (Unterweisungsnachweis für den Kläger Bl. 81 d. A.).

3

Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 (Bl. 31 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen des ihm vorgeworfenen vorzeitigen Verlassens seines Arbeitsplatzes um 10:25 Uhr am 10. Juni 2015 ohne Abmeldung bei einem seiner Vorgesetzten.

4

Mit einem weiteren Schreiben vom 24. Juni 2015 (Bl. 32 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:

5

"Abmahnung

6

Sehr geehrter Herr A.,

7

wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen.

8

Am 10.06.2015 haben Sie um 10:25 Uhr den Sozialraum umgezogen verlassen und sind, ohne Ihre Warnweste zu tragen, zum Mitarbeiterparkplatz gelaufen. Außerdem haben Sie nicht den vorgeschriebenen Fußweg genutzt, sondern sind auf der Hauptverladestraße gegangen. Zeuge für diesen Vorfall waren der Technische Werkleiter, Herr C. B., und Ihr Meister, Herr J. T.

9

Dieses fahrlässige Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen.

10

Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen.

11

Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab."

12

Weiterhin erhielt der Kläger ein drittes Schreiben der Beklagten vom 24. Juni 2015 (Bl. 33 d. A.) mit folgender Abmahnung:

13

"Abmahnung

14

Sehr geehrter Herr A.,

15

wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen.

16

Am 12.06.2015 um ca. 13:25 Uhr fuhren Sie mit Ihrem Stapler vor die Werkstatt und ließen diesen mit laufendem Motor und außerhalb Ihres Sichtfeldes stehen. Sie haben den Stapler über 40 Minuten unbeaufsichtigt gelassen, haben weder den Schlüssel abgezogen, noch den Stapler gegen unbefugte Inbetriebnahme gesichert.

17

Zeugen für diesen Vorfall waren Ihr Meister, Herr J. T., der den Stapler ausschaltete und den Schlüssel abzog sowie Ihr Meister Herr M. P. und der Technische Werkleiter, Herr C. B.

18

Ihr fahrlässiges Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen.

19

Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen.

20

Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab."

21

Unter dem 03. Juli 2015 wurde dem Kläger von der Beklagten folgende Abmahnung (Bl. 34 d. A.) erteilt:

22

"Abmahnung

23

Sehr geehrter Herr A.,

24

wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen.

25

Am 02.07.2015 um 13:51 Uhr sind Sie vom Mitarbeiterparkplatz zu den Umkleideräumen gegangen, ohne die vorgeschriebene Warnweste zu tragen. Dieses wurde vom Technischen Werkleiter, Herrn C. B., und Ihrem Meister, Herrn J. T., beobachtet.

26

Dieses fahrlässige Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen.

27

Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen.

28

Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab."

29

Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 (Bl. 35 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:

30

"Abmahnung

31

Sehr geehrter Herr A.,

32

wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen.

33

Am 10.07.2015 um ca. 8:20 Uhr stand Ihr Meister, Herr J. T., mit Ihrem Kollegen Herrn H. G., vor der Werkstatt und führte mit diesem ein Gespräch. Hierbei konnte Herr T. beobachten, dass Sie mindestens 10 Minuten mit Ihrem Stapler vor dem Meisterbüro auf und ab fuhren und sich mit dem Stapler im Kreis drehten. Dabei schrien und brüllten Sie.

34

Als Herr T. zu Ihnen blickte, schauten Sie ihn an und riefen "Fick dich!". Sofort danach fuhren Sie dann mit Ihrem Stapler weg.

35

Herr T. frage Herrn G., der während des Vorfalls auf seinem Stapler saß: "Hast du das gerade gehört?" H. G. antwortete: "Meinst du, Fick dich?"

36

Zu Ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gehört u.a. der respektvolle und wertschätzende Umgang mit den Kollegen und Vorgesetzten. Mit Ihrer beleidigenden Äußerung haben Sie gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, künftig derartige beleidigende Formulierungen zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen.

37

Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen.

38

Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab."

39

Am 07. September 2015 arbeitete der Kläger in der Spätschicht als Abfahrer an der sog. "Masa-Anlage", einer Steinfertigungsanlage, die von drei Arbeitnehmern (ein Nassseitenfahrer, ein Trockenseitenfahrer und ein Abfahrer) bedient wird. Ein Band führt von der Maschine zum Hallenausgang, wo die Produkte gebunden in Lagen zu zehn, sechs oder drei Steinen heraus kommen und vom Band mit dem Gabelstapler abgehoben, neben das Band abgesetzt und von dort je nach Produktart an ihre Lagerplätze gefahren werden. An diesem Tag stoppte die Anlage. Vor der Anlage stand der Gabelstapler des Klägers abgeschaltet mit steckendem Schlüssel. Als der Werkleiter der Beklagten, Herr B., zum Stapler des Klägers ging, sah er den steckenden Schlüssel und zog diesen ab.

40

Mit Schreiben vom 28. September 2015 (Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. April 2016. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 08. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage.

41

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. April 2016 - 6 Ca 3545/15 - Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., Z., T., J., P. und G.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. April 2016 verwiesen. Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

42

Gegen das ihm am 10. Mai 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 25. Mai 2016 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. August 2016 mit Schriftsatz vom 03. August 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 05. August 2016 eingegangen, begründet.

43

Der Kläger trägt vor, er habe sich zu dem Zeitpunkt, als die Anlage gegen 15:58 Uhr am 07. September 2015 gestoppt habe, am Zwischenlager befunden und mit Herrn M. das weitere Vorgehen bezüglich der Abfallsteine besprochen. Einen Rückstau am Band habe er nicht bemerkt. Soweit das Arbeitsgericht allein darin eine Pflichtverletzung gesehen habe, dass kein lückenloser Produktionsablauf wegen des Nichtabfahrens der fertigen Paletten mit den produzierten Steinen erfolgt sei, habe es übersehen, welche konkreten Aufgaben der Abfahrer letztlich habe. Auch wenn das Abfahren zu seinen Aufgaben gehört habe, seien diese nicht darauf beschränkt, die Paletten aus der Maschine zu entnehmen und einen weiteren Produktionsfluss zu gewährleisten. Er müsse als Abfahrer die Produkte abnehmen und an verschiedene Standorte bei der Beklagten verbringen, wobei es zu seinen Aufgaben neben dem Abfahren auch gehöre, das Material mit minderer Qualität ins Zwischenlager zu bringen. Dort müsse es sortiert und strukturiert abgeladen werden, um dann nach entsprechender Absprache festzuhalten, ob es sich tatsächlich um Ausschuss handele oder aber um Material, welches als zweite Wahl ebenfalls noch verkauft werde. Je nach entsprechender Entscheidung sei mit dem Material dann letztlich anders umzugehen. Insofern müsse klargestellt werden, dass es nicht seine alleinige Aufgabe sei, vor der Maschine zu warten, bis eine Palette mit Steinen fertig produziert werde, um diese dann je nach Produktionsgrad an den jeweiligen Lagerplatz zu stellen und danach sofort zurückzukommen, um die nächste Palette in Empfang zu nehmen. Wie der Zeuge bereits erstinstanzlich bestätigt habe, könne dies je nach Produktionsgeschwindigkeit dazu führen, dass innerhalb von zwei Minuten jeweils eine neue Palette mit Steinen produziert werde. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass darüber hinaus die Fahrwege unterschiedlich lang seien, woraus ebenfalls zeitliche Verzögerungen resultieren würden. Es sei im Übrigen auch nicht untypisch, dass es während des Produktionsprozesses zum Stopp der Maschine komme. Dies könne technische Gründe im Falle eines Defekts durch die Maschine haben. Falls die Paletten nicht ordnungsgemäß in die Maschine eingebracht würden und sich letztlich verkeilten, könne aber auch dies zum Produktionsstopp führen. Ebenso könne es zum Produktionsstopp kommen, wenn der Abfahrer weitergehende andere Tätigkeiten ausübe und nicht sofort zugreiflich sei. Er habe vorgetragen, dass er im Zwischenlager gewesen sei und dort Abstimmungen mit Herrn M. getroffen habe. In der Vergangenheit sei so etwas regelmäßig bei Abfahrern geschehen, was in der Regel nicht zu arbeitsrechtlichen Sanktionen geführt habe. In einem solchen Fall werde genauso gehandelt wie an dem hier streitgegenständlichen Tag. Der Maschinenführer erscheine und rufe nach dem Abfahrer, der dann die Anlage beräume. Er habe selbst ein Interesse daran, dass die Maschine kontinuierlich laufe, zumal er auch eine sog. Bretterprämie erhalte, die umso höher sei, je mehr Paletten mit jeweils fertiggestellten Produkten (Bretter) produziert und verkauft würden. Selbst wenn man gemäß der Argumentation der Beklagten davon ausgehe, dass eine Nichtwahrnehmung arbeitsvertraglich geschuldeter Teilaufgaben gegeben sei, so setze dies zur Rechtfertigung einer Kündigung eine einschlägige Abmahnung voraus, die hier nicht vorliege. Selbst bei einem vorliegenden vertragswidrigen Verhalten scheitere die Kündigung an der Störung des Arbeitsverhältnisses. In Anbetracht seiner Einstellung als Betonarbeiter bestehe im Rahmen dieser arbeitsvertraglichen Festlegung die Möglichkeit, ihn außerhalb der Tätigkeit als Staplerfahrer anderweitig einzusetzen. Eine Problematik mit dem Stapler würde sich daraus dann nicht mehr ergeben. Falls er also nicht mehr im Bereich des Abladens tätig sein sollte und damit nicht mehr eine Funktion des Staplerfahrers wahrnehme, könnte die Problematik in Gänze umgangen werden, was das Arbeitsgericht verkannt habe. Letztlich müsse im Rahmen der Interessenabwägung dem Arbeitsgericht entgegengetreten werden. Die Beklagte habe erst Mitte 2015 begonnen, das bereits seit 1992 beanstandungsfrei bestandene Arbeitsverhältnis mit Abmahnungen zu überziehen, und habe dann letztlich wegen eines wenige Minuten dauernden Produktionsstopps, der nicht unüblich sei, eine Kündigung ausgesprochen. Gerade aufgrund der langen Beschäftigungszeit hätte es bezüglich des Tragens der Warnweste, der Fußwegbenutzung sowie der Staplerbenutzung ausgereicht, im Rahmen eines eindringlichen Gesprächs mit ihm persönlich auf entsprechende Verhaltensweisen hinzuweisen und deren Abänderung zu fordern. Die Beklagte hätte auf das weniger einschneidende Mittel einer Ermahnung bzw. eines Gespräches zurückgreifen können, um letztlich das begehrte Ziel der Verhaltensanpassung zu erwirken. Ein vertragswidriges Verhalten habe zumindest in dem Nichtabfahren des Materials aus der Maschine nicht vorgelegen, weil er einem anderen Teilbereich der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nachgegangen sei. Darüber hinaus habe die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bei der Beklagten bestanden. So könne er nach einer zumutbaren Anlernzeit an der Maschine eingesetzt werden und damit letztlich von der Staplerarbeit entbunden werden.

44

Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. April 2016 - 2 Ca 3545/15 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. September 2015 nicht beendet worden ist.

46

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

48

Sie erwidert, der Kläger sei am 07. September 2015 seiner Arbeitspflicht nicht mehr ausreichend nachgekommen, so dass es an der "Masa-Anlage", wo er als Abfahrer beschäftigt gewesen sei, zu einem Überlauf der abzufahrenden Fertigprodukte und zum Bandstillstand gekommen sei. Ferner habe der Kläger eine Sicherheitsverpflichtung verletzt, weil er entgegen der Arbeitsanweisung für die Benutzung von Gabelstaplern den Schlüssel habe stecken lassen, als er den Stapler verlassen habe. Die genannten Vertragspflichtverletzungen am 07. September 2015 hätten sich als Wiederholungsfälle dargestellt, die auch nach langer Betriebszugehörigkeit den Eindruck vermittelt hätten, der Kläger sei für ihre Weisungen nicht mehr empfänglich. Soweit der Kläger zu suggerieren versuche, dass seine Aufgabe darin bestünde, die an der Steinfertigung abgestapelte Ware zum Lager oder zum Zwischenlager zu verbringen, sei das unzutreffend. Nur wenn der an der Steinfertigungsanlage beschäftigte Trockenseitenfahrer nach der von ihm durchzuführenden Qualitätskontrolle der hergestellten Steine diese als mangelhaft ansehe, werde diese Ware von ihm mit einem rot-weißen Flatterband markiert und nicht zum Außenlager, sondern in ein Zwischenlager verbracht, was aber keinesfalls der Regelfall sei. In der Regel werde fehlerfreie Ware produziert und zum Lagerplatz abgefahren. Gegen 15:58 Uhr habe der Werkleiter, Herr B., in der Produktionshalle festgestellt, dass die Anlage abgeschaltet gewesen sei, weil keine Steine mehr abgefahren würden und aufgrund dessen die an der Anlage befindliche Lichtschranke "gestoppt" habe, weil die Trockenseite vollgefahren gewesen sei. Die Behauptung des Klägers, er habe sich mit Herrn M. betreffend das weitere Vorgehen bezüglich der Abfallsteine besprochen, sei falsch. Ein Gespräch habe nicht stattgefunden. Richtig sei, dass Herr M. auf die Frage des Herrn B., wo denn der Kläger sei, geantwortet habe, dass er dies nicht wisse. Erst als der Arbeitskollege Z. aus der Produktionshalle herausgekommen sei und den Kläger laut gerufen habe, sei dieser aus einer hinteren Ecke zum Stapler gekommen, woraufhin auch Herr B. zum Stapler gegangen sei und den steckenden Schlüssel gesehen habe. Die Annahme des Klägers, dass das Arbeitsgericht die Pflichtverletzung allein in einem nicht lückenlosen Produktionslauf wegen des Nichtabfahrens der fertigen Paletten mit den produzierten Steinen gesehen habe, sei unzutreffend, weil das Arbeitsgericht ebenso wie sie die Pflichtverletzungen am 07. September 2015 darin gesehen habe, dass der Kläger zum einen seiner Arbeitspflicht als Abfahrer nicht nachgekommen sei und zum anderen entgegen den Sicherheitsbestimmungen in ihrem Betrieb den Stapler abgestellt habe, ohne den Schlüssel zu ziehen. Soweit der zuständige Meister die am Zwischenlager gelagerte Ware begutachte und entsprechende Anweisungen gebe, wie hiermit zu verfahren sei, habe der Kläger mit diesem Ausleseverfahren als Abfahrer nichts zu tun. Der Abfahrer sei auch nicht gehalten, fehlerhaftes Material zu sortieren und zu strukturieren. Er treffe auch keine entsprechenden Absprachen, ob es sich tatsächlich um mangelhafte Ware oder um Ware handele, die als zweite Wahl verkauft werden könne. Der Kläger habe als Abfahrer lediglich das zu tun, was der Meister ihm aufgebe, nämlich Ware abzufahren, ohne dass er eine eigene Entscheidungsbefugnis habe. Der Abfahrer übe nur dann andere Tätigkeiten aus, wenn der Schichtführer an der Steinfertigungsanlage ihm eine entsprechende Anweisung gebe. Im vorliegenden Fall habe aber keine Anweisung vorgelegen, sondern der Kläger sei schlicht verschwunden gewesen und habe den Stapler abgestellt sowie den Schlüssel stecken gelassen, ohne Bescheid zu geben. Es habe erst nach ihm gesucht und gerufen werden müssen, bis er wieder erschienen sei. Der Kläger habe keinerlei Absprache mit Herrn M. getroffen, sondern einfach den Arbeitsplatz verlassen und den Stapler mit gestecktem Schlüssel abgestellt. Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Kläger gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe, indem er zum einen sich von der Anlage entfernt und zum anderen den Stapler mit steckendem Schlüssel verlassen habe. Rechtsfehlerfrei habe das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass bereits fünf einschlägige Abmahnungen vorgelegen hätten. Abgemahnt seien nämlich Vertragspflichtverletzungen, die darin bestanden hätten, dass der Kläger betriebliche Anweisungen nicht befolgt bzw. gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen habe. Es komme nicht darauf an, wie der Kläger eingesetzt werden könne, sondern darauf, dass der Kläger beharrlich gegen Arbeitsanweisungen verstoßen habe und aufgrund seines Verhaltens auch zukünftig Vertragspflichtverletzungen nicht ausgeschlossen werden könnten.

49

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

50

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

51

Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 28. September 2015 ist aus verhaltensbedingten Gründen i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu dem im ihr angegebenen Termin (30. April 2016) wirksam beendet.

52

1. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe "bedingt", wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (st. Rspr., vgl. BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20, NZA 2014, 250; BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 24, NZA 2016, 540). Ferner muss die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile als billigenswert und angemessen erscheinen (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, NZA 2007, 922).

53

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG im Streitfall bereits deshalb vor, weil der Kläger am 07. September 2015 trotz vorangegangener einschlägiger Abmahnung gegen die Sicherheitsvorgaben der Beklagten verstoßen hat, indem er erneut den von ihm geführten Gabelstapler verlassen und gleichwohl den Schlüssel entgegen der ihm bekannt gemachten Betriebsanweisung für Gabelstapler nicht abgezogen, sondern stecken gelassen hat.

54

Nach der von der Beklagten vorgelegten Betriebsanweisung für Gabelstapler, die an jeder Steinfertigungsanlage durch Aushang bekannt gemacht wird und über die der Kläger ausweislich der von ihm unterzeichneten Unterweisung auch persönlich unterrichtet worden ist, gilt bei Abstellen des Staplers als eine der von der Beklagten aufgestellten Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln die Verpflichtung des Staplerfahrers, den Schlüssel abzuziehen. Diese ausdrückliche Anweisung der Beklagten beruht auf der ihr nach den Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes obliegenden Verpflichtung, nach Maßgabe der von ihr vorzunehmenden Beurteilung die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Um das Benutzen des Staplers als eine besondere Gefahrenquelle durch unbefugte Personen möglichst auszuschließen (s. Ziff. 2 der Betriebsanweisung für Gabelstapler), hat die Beklagte für die Gabelstaplerfahrer die sicherheitsrelevante Vorgabe gemacht, dass beim Abstellen des Staplers der Schlüssel abzuziehen ist. Der Kläger ist wenige Monate vor dem kündigungsrelevanten Vorfall vom 07. September 2015 mit Schreiben vom 24. Juni 2015 gerade wegen Verstoßes gegen diese Sicherheitsbestimmung abgemahnt worden, weil er unstreitig den Stapler am 12. Juni 2015 - sogar mit laufendem Motor - vor der Werkstatt abgestellt und dabei gegen die Anweisung verstoßen hatte, nach Verlassen des Gabelstaplers den Schlüssel abzuziehen. Trotz dieser einschlägigen Abmahnung hat der Kläger am 07. September 2015 erneut gegen die Sicherheitsvorgaben der Beklagten verstoßen, indem er wiederum den von ihm gefahrenen Gabelstapler abgestellt und verlassen hat, ohne den Schlüssel abzuziehen, woraufhin der Werkleiter den vom Kläger stecken gelassenen Schlüssel unstreitig abgezogen hat. Aufgrund dieser erheblichen und schuldhaften Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen zur Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen der Beklagten nach einschlägiger Abmahnung steht eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger am 07. September 2015 darüber hinaus noch seiner Arbeitspflicht nicht ausreichend nachgekommen war.

55

3. Bei umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung als billigenswerte und angemessene Reaktion auf das wiederholte Fehlverhalten des Klägers.

56

Zwar ist zugunsten des Klägers neben seinem Lebensalter und seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind vor allem seine langjährige und vor den abgemahnten und kündigungsrelevanten Vorfällen beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit seit 12. Mai 1992 zu berücksichtigen. Zu seinen Lasten fällt aber ins Gewicht, dass er die Sicherheitsvorgaben der Beklagten trotz mehrerer einschlägiger Abmahnungen fortgesetzt ignoriert hat und sein wiederholtes Fehlverhalten auf seine Unzuverlässigkeit schließen lässt. Die Beklagte ist zur Gewährleistung des ihr obliegenden Arbeitsschutzes darauf angewiesen, dass in ihrem gefahrträchtigen Betrieb ihre Sicherheitsanweisungen strikt eingehalten werden. Der Kläger war zuvor mit Schreiben vom 24. Juni 2015 wegen des gleichen Pflichtverstoßes abgemahnt worden, weil er am 12. Juni 2015 nach Verlassen seines Gabelstaplers unstreitig den Schlüssel nicht abgezogen, sondern diesen mit laufendem Motor stehen gelassen hatte, ohne dass es darauf ankommt, wie lange das der Fall war und ob der Kläger den Stapler noch sehen konnte. Weiterhin war ihm unter dem 24. Juni 2015 eine weitere Abmahnung wegen Nichttragens der auf dem Betriebsgelände der Beklagten vorgeschriebenen Warnweste und Begehens der Hauptverladestraße anstelle des vorgeschriebenen Fußweges am 10. Juni 2015 erteilt worden. Hierzu hat der Kläger zwar erklärt, dass es ihm nicht mehr erinnerlich sei, ob er vergessen habe, die Warnweste anzuziehen, und er es für unwahrscheinlich halte, dass er die Hauptverladestraße anstelle des vorgeschriebenen Fußweges gegangen sein solle. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass hierin eine (noch) zulässige Erklärung mit Nichtwissen liegt, hat die Beklagte ihm jedenfalls mit der Abmahnung vom 24. Juni 2015 eindringlich vor Augen geführt, dass er auf dem Weg über das Betriebsgelände die vorgeschriebene Warnweste zu tragen hat. Mit Schreiben vom 03. Juli 2015 ist der Kläger erneut wegen Nichttragens der vorgeschriebenen Warnweste am 02. Juli 2015 abgemahnt worden. Hierzu hat der Kläger wiederum lediglich erklärt, er erinnere sich an diesen Vorfall nicht. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist aber nach § 138 Abs. 4 ZPO nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Beruft sich die Partei darauf, von dem Vorgang keine Kenntnis zu haben, muss sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits zuvor wegen Nichttragens der vorgeschriebenen Warnweste mit Schreiben vom 24. Juni 2015 abgemahnt worden war und sodann mit Schreiben vom 03. Juli 2015 erneut wegen des gleichen Verstoßes eine Abmahnung erhalten hat, fehlt es an einer nachvollziehbaren Erklärung, weshalb sich der Kläger nicht daran erinnern können sollte, ob er die vorgeschriebene Warnweste getragen hat, falls ihm die Sicherheitsvorgaben der Beklagten und die ihm erteilten Abmahnungen nicht völlig gleichgültig gewesen sein sollten. Obwohl der Kläger bereits mehrere einschlägige Abmahnungen wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften der Beklagten erhalten hatte, hat er gleichwohl am 07. September 2015 erneut gegen die Sicherheitsvorgaben der Beklagten verstoßen, indem er wiederum den Stapler verlassen hat, ohne den Schlüssel abzuziehen. Die fortgesetzten Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften begründen eine Unzuverlässigkeit des Klägers mit der Prognose, dass eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten steht. Die Beklagte kann nach den einschlägigen Abmahnungen weder auf den Ausspruch einer weiteren Abmahnung noch auf eine Versetzung des Klägers verwiesen werden. Die Beklagte ist darauf angewiesen, dass der Kläger auch an jedem anderen Arbeitsplatz in ihrem Betrieb ihre Sicherheitsvorgaben beachtet, so dass ihr ein anderweitiger Einsatz des Klägers aufgrund der wiederholten Verstöße gegen ihre Sicherheitsvorgaben nicht zugemutet werden kann. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung auch unter Berücksichtigung der Interessen des langjährig beschäftigten Klägers als billigenswerte und angemessene Reaktion auf die wiederholten Verstöße gegen die Sicherheitsvorgaben, aufgrund derer der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Anbetracht der Unzuverlässigkeit des Klägers und der negativen Zukunftsprognose nicht mehr zugemutet werden kann.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

58

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2015 - 1 Sa 35/12 - im Kostenausspruch, in Ziff. 2 und Ziff. 4 des Tenors jeweils insgesamt und in Ziff. 1 des Tenors insoweit aufgehoben, wie es das Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 (- 1 Sa 35/12 -) teilweise aufgehoben, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juni 2012 (- 3 Ca 143/12 -) teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass dem Kläger 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für den Urlaub aus dem Jahr 2008 zustehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung, über Ersatzurlaubsansprüche für verfallenen Urlaub bzw. Entschädigung in Geld und - im Wege der Widerklage - über einen Rückzahlungsanspruch wegen Gehaltsüberzahlung.

2

Der Kläger ist Fachwirt der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Seit dem 1. August 2000 war er bei der Beklagten, einer Ersatzkasse, in deren Hauptverwaltung als Sachgebietsleiter beschäftigt. Zuletzt wurde er im Bereich kaufmännisches Immobilienmanagement eingesetzt. In der Hauptverwaltung, für die ein Personalrat gewählt ist, beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die von der Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge, ua. der Manteltarifvertrag der Techniker Krankenkasse (TKT), in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Beklagte vergütete den Kläger zuletzt nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 11 TKT.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien vor den streitgegenständlichen Kündigungen - beginnend ab Juni 2006 - mehrere Male, zuletzt am 14. Juli 2010 fristlos. Infolge dieser Kündigungen, gegen die er jeweils Kündigungsschutzklage erhob, erbrachte der Kläger letztmalig am 19. November 2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte. Diese stellte den Kläger durch mehrere Schreiben unter Anrechnung auf tariflichen Jahresurlaub - ua. der Jahre 2008, 2009 und 2010 - von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Im April 2013 entschied das Landesarbeitsgericht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 nicht aufgelöst worden ist. Das Urteil wurde am 15. Juli 2013 rechtskräftig.

5

In einem parallel geführten Rechtsstreit hat sich der Kläger gegen eine zum 26. April 2006 erfolgte Änderung seines Tätigkeitsbereichs gewandt. Am 31. Januar 2008 hat das Landesarbeitsgericht - unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils - die Beklagte verurteilt, den Kläger als Sachgebietsleiter BW.3 (Kaufmännisches Immobilienmanagement) neben den Tätigkeiten der Dokumentation des Verwaltungshandelns und der Erstellung und Prüfung von Betriebskostenabrechnungen mit Tätigkeiten der Anmietung von Dienststellenflächen, der Vermietung von eigenen Immobilien der Beklagten, der Durchführung von Mietzahlungen, der Überwachung der zufließenden Mieteinnahmen sowie der Durchführung des in Bezug auf die Betriebskostenabrechnungen und Mietzahlungen aus den Mietverhältnissen der Beklagten des außergerichtlichen Mahnwesens zu beschäftigen. Der Rechtsstreit ist - nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten - in die Revision gelangt. Das Verfahren ist ausgesetzt.

6

Mit Schreiben vom 22. Juli 2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, sich am 24. Juli 2013, 10:00 Uhr, in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden.

7

Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 bat der Kläger, die Beklagte möge ausstehende Annahmeverzugsvergütung abrechnen und die sich hieraus ergebenden Nettobeträge an ihn auszahlen. Er erklärte, er mache bis zur Erledigung von seinem Zurückbehaltungsrecht „an seiner Arbeitskraft“ Gebrauch. Außerdem verwies er auf einen früheren Antrag, ihm für die Zeit vom 18. Juli bis 4. September 2013 Urlaub zu gewähren.

8

Die Beklagte kündigte baldige Zahlung an. Hinsichtlich des Urlaubs teilte sie mit, der Anspruch für das laufende Jahr sei durch eine vorsorgliche Freistellung in der Zeit vom 21. Januar 2013 bis einschließlich 8. März 2013 erfüllt. Auf ihre Anweisung wurde dem Konto des Klägers am 26. Juli 2013 ein Betrag in Höhe von 95.029,80 Euro netto gutgeschrieben.

9

Unter dem 29. Juli 2013 beanstandete der Kläger die Zahlung als zu gering. Schon auf der Basis der bisherigen Eingruppierung habe eine Nachzahlung von rund 120.000,00 Euro netto erfolgen müssen und bestehe noch eine Differenz von „ca. EUR 25.000,00 netto“. Im Übrigen stünden Verzugszinsen offen, sei eine nachvollziehbare Abrechnung nicht erfolgt und habe er seit dem 1. Juli 2010 Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Stufe 11 TKT. Unabhängig davon sei er in der Vergangenheit erheblichen Anfeindungen und Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts ausgesetzt gewesen. Mit Blick hierauf erwarte er eine betriebsöffentliche, ihn rehabilitierende Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten. Außerdem sehe er einem Angebot zur Durchführung eines betriebsinternen Supervisions- oder Mediationsverfahrens unter Teilnahme mehrerer Personen, ua. eines Vertreters des Personalrats, entgegen. Dies sei erforderlich, um künftig eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit - auch mit ihm unterstellten Mitarbeitern - zu ermöglichen. Bis zur Bestätigung der Abgabe oder Durchführung der geforderten Erklärungen bzw. Maßnahmen mache er „zusätzlich zu dem Zurückbehaltungsrecht aufgrund der nicht erfüllten Gegenforderungen“ von einem Zurückbehaltungsrecht „an der Arbeitskraft“ Gebrauch.

10

Mit Schreiben vom 31. Juli 2013 erläuterte die Beklagte anhand beigefügter monatlicher Entgeltabrechnungen, sie habe für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis 31. Juli 2013 unter Berücksichtigung etwaiger Sonderzahlungen Bruttovergütung iHv. insgesamt 243.119,00 Euro berechnet. Bei der erfolgten Gutschrift handele es sich um den daraus ermittelten Nettobetrag. Außerdem gab sie Erklärungen zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Beträge zur Arbeitslosenversicherung ab. Weiter gehende Forderungen wies sie - bis auf Zinsforderungen - zurück. Am 1. August 2013 überwies sie dem Kläger zu deren Ausgleich einen Betrag von 18.623,33 Euro netto.

11

Der mit den vorgenannten Schreiben jeweils wiederholten Aufforderung der Beklagten, sich in der Hauptverwaltung einzufinden, leistete der Kläger keine Folge. Weitere Erklärungen gab er nicht ab. Mit Schreiben vom 7. und 27. August 2013 sowie vom 9. September 2013 mahnte die Beklagte ihn jeweils wegen „Nichterscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Zugleich erneuerte sie jeweils - erfolglos - die Ladung zum Arbeitsantritt.

12

Mit Schreiben vom 27. September 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - mit Zustimmung des Personalrats - außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2014.

13

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Er sei zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet gewesen. Die Beklagte sei nicht bereit gewesen, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Im Übrigen habe er rechtmäßig von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Grundlage hierfür seien - neben offenen Gehaltsforderungen - erhebliche Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts gewesen, denen er seit dem Jahr 2006 ausgesetzt gewesen sei. So sei er einem regelrechten „Mobbing-Programm“ unterzogen worden, das im mittleren Management der Beklagten praktiziert worden sei. Zur Wiedergutmachung und zum Ausschluss künftiger Störungen habe er Anspruch auf die mit Schreiben vom 29. Juli 2013 verlangte betriebsöffentliche Stellungnahme gehabt. Um eine reibungslose und sachdienliche Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Beklagten zu ermöglichen, habe es zudem einer Supervision oder - nach Wahl der Beklagten - einer Mediation bedurft.

14

Daneben hat der Kläger - im Rahmen ursprünglich getrennt geführter Klagen und soweit noch von Interesse - Ansprüche wegen nicht erfüllter Urlaubsansprüche geltend gemacht. Mit Klage vom 29. Dezember 2011 hat er zunächst - im Hinblick auf die Kündigung vom 14. Juli 2010 - „Abgeltung“ für 34 Tage Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 verlangt. Im Berufungsrechtszug hat er sein Begehren um eine Feststellungsklage erweitert, mit der er „hilfsweise“ für den Fall des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses Ersatzurlaub im Umfang von zwei Tagen für das Jahr 2007 und von 32 Tagen für das Jahr 2008 geltend gemacht hat. Mit weiterer Klage vom 23. Dezember 2013 hat er die Feststellung von Ersatzurlaubsansprüchen für Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 im Umfang von je 32 Tagen begehrt; „hilfsweise“ für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 27. September 2013 hat er deren „Abgeltung“ verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit den vorsorglichen Freistellungen im Rahmen der früheren Kündigungsschutzprozesse seine Urlaubsansprüche - mangels vorbehaltloser Zusage der Urlaubsvergütung - nicht erfüllt. Angesichts deren zwischenzeitlichen Verfalls sei sie verpflichtet, Schadensersatz zu leisten.

15

Der Kläger hat zuletzt, soweit von Interesse, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.909,36 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2010 zu zahlen,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, festzustellen, dass ihm 34 Tage restlicher Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 zustehen;

        

3.    

festzustellen, dass ihm aus den Jahren 2009 und 2010 noch ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung iHv. 64 Arbeitstagen zusteht,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 endete, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. September 2013 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, sowie widerklagend,

        

den Kläger zu verurteilen, an sie 6.653,87 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat die Kündigungen als wirksam verteidigt. Der Kläger habe spätestens seit dem 1. August 2013 die Arbeitsleistung grundlos und beharrlich verweigert. Bei pflichtgemäßer Meldung in der Hauptverwaltung wäre ihm die Leitung des Sachgebiets BW.3 im Wesentlichen „in dem Bestand“ aus dem Jahr 2006 übertragen worden. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung habe er schon nicht wirksam ausgeübt. Den tariflichen Jahresurlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 habe sie bis zum Ablauf des jeweiligen Übertragungszeitraums vollständig erteilt. Im Übrigen habe der Kläger jeweils die Urlaubsgewährung verlangt. Es sei widersprüchlich, ihn nicht als erfüllt zu betrachten. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen, mindestens aber verjährt. Der mit der Widerklage verfolgte Anspruch beruhe auf einer Überzahlung. Der Kläger habe die an ihn - unstreitig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleisteten Gehaltszahlungen für die Monate August und September 2013 ohne Rechtsgrund erlangt.

18

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

19

Das Arbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil, das es nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers aufrechterhalten hat, die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die weiter gehenden Klageanträge hat es - soweit noch von Bedeutung - ebenfalls abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 die Berufung des Klägers im Umfang der geltend gemachten „Urlaubsabgeltung“ für Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 und der für diese Jahre „hilfsweise“ beantragten Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf 34 Tage Ersatzurlaub zurückgewiesen. Nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers und Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der Parteien zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht, soweit noch von Interesse, (zu Nr. 4 des Tenors) der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Außerdem hat es (zu Nr. 1 und Nr. 2 des Tenors) - unter teilweiser Aufhebung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 und dessen Aufrechterhaltung im Übrigen - festgestellt, dass dem Kläger je 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für Urlaub aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 zustehen.

20

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte hinsichtlich des Ersatzurlaubs für das Jahr 2008 die Wiederherstellung des zweitinstanzlichen Versäumnisurteils, im Übrigen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

22

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben dem Kündigungsschutzantrag, den Anträgen auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf je 32 Tage Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 und dem Widerklageantrag - der Antrag auf Entschädigung für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 (16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen). Über den zuletzt genannten Antrag hat das Landesarbeitsgericht, ausgehend von dem zutreffenden Verständnis, es handele sich um einen „echten“, vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Hilfsantrag, nicht entschieden (zur Entbehrlichkeit eines Anschlussrechtsmittels in einem solchen Fall vgl. BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75, BAGE 133, 289). Anders verhält es sich mit dem Antrag auf „Abgeltung“ von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2007 und 2008 und dem Feststellungsantrag, soweit er sich auf zwei Ersatzurlaubstage für Urlaub aus dem Jahr 2007 bezieht. In diesem Umfang hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers unter Aufrechterhaltung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 zurückgewiesen. Da der Kläger insoweit Anschlussrevision nicht eingelegt hat, fällt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über diese Streitgegenstände dem Senat nicht zur Überprüfung an. Ob ihr ein zutreffendes Antragsverständnis zugrunde liegt, kann dahinstehen.

23

B. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden.

24

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Begründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11). Bei mehreren Streitgegenständen muss grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Einer eigenständigen Begründung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 11; 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 353).

25

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Zwar setzt sie sich nicht gesondert mit der Begründung der Entscheidung über die Widerklage auseinander, obwohl diese lediglich Zahlungen für die Zeit nach Zugang der Kündigung vom 27. September 2013 betrifft und damit unmittelbar vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängt. Das ist aber unschädlich. Das Landesarbeitsgericht hat die Widerklage mit der - knappen - Erwägung abgewiesen, im entscheidungserheblichen Zeitraum habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, in dem die Beklagte zur Zahlung von Entgelt verpflichtet gewesen sei. Für den Rechtsgrund der Zahlung bezieht es sich erkennbar stillschweigend auf seine Entscheidung über die Kündigungsschutzklage. Dieser hat es mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe den Kläger nicht in beachtlicher, ihren Annahmeverzug beendender Weise zur Arbeit aufgefordert mit der Folge, dass er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte legt im Einzelnen dar, warum diese Rechtsauffassung fehlerhaft sei. Die Sachrügen sind, ihre Berechtigung unterstellt, geeignet, außer der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage auch die Entscheidung über die Widerklage zu Fall zu bringen. Entsprechendes gilt für die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub. Über sie ist - bei sachgerechtem Verständnis - nur im Fall des vollständigen Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu entscheiden.

26

C. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag nicht stattgeben (I.). Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2013 aufgelöst worden ist, steht nicht fest und kann vom Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entschieden werden (II.). Über die ordentliche Kündigung und über die Ersatzurlaubsansprüche bzw. Ansprüche auf Geldentschädigung ist in Abhängigkeit vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits zu entscheiden. Auch hinsichtlich der Widerklage ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif (III.).

27

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben.

28

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 20; 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 27, 28).

29

2. Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist ein in diesem Sinne „an sich“ die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 22; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN). Als ein solcher kommt aber auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 517/14 - Rn. 23; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19). Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen (vgl. BGH 13. November 2012 - XI ZR 145/12 - Rn. 28), als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (zum Inhalt möglicher Nebenleistungspflichten vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 418/09 - Rn. 12). Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - aaO; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32).

30

3. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 22; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161).

31

4. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den Arbeitsaufforderungen der Beklagten mangels genügender Spezifizierung der Art der künftig von ihm zu leistenden Tätigkeit keine Folge leisten müssen, ist nicht berechtigt. Hiervon ausgehend ist es zu dem rechtsfehlerhaften Ergebnis gelangt, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung liege nicht vor. Es hat übersehen, dass ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zumindest unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommt.

32

a) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, die Beklagte habe den Kläger nach ihrer früheren Kündigung vom 14. Juli 2010 zur Arbeit auffordern müssen, um dessen Arbeitspflicht zu begründen. Die Würdigung ist - auch soweit sie auf der nicht näher begründeten Annahme beruht, die Beklagte habe sich vor der Ladung vom 22. Juli 2013 mit der Annahme der Dienste des Klägers im Verzug befunden - nachvollziehbar.

33

aa) In den früheren Kündigungen - zuletzt der rechtskräftig für unwirksam erklärten fristlosen Kündigung vom 14. Juli 2010 - lag zugleich die Erklärung der Beklagten, sie werde die Arbeitsleistung des Klägers nicht mehr annehmen. Sie geriet damit grundsätzlich in Annahmeverzug, ohne dass es eines - auch nur wörtlichen - Arbeitsangebots des Klägers bedurfte, §§ 295, 296 BGB(vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 12, BAGE 141, 340; 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 216; 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe mwN, BAGE 108, 27). Davon geht die Beklagte, die für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis einschließlich Juli 2013 vorbehaltlos Annahmeverzugsvergütung an den Kläger ausgekehrt hat, erkennbar selbst aus. Sie meint lediglich, aufgrund der Nichtbefolgung ihrer Ladungen zum Arbeitsantritt habe ihr Gläubigerverzug spätestens Anfang August 2013 geendet.

34

bb) Die Beendigung des Annahmeverzugs ist gesetzlich nicht besonders geregelt. Er endet in dem Zeitpunkt, in dem seine Voraussetzungen entfallen (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - Rn. 22; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 3 der Gründe, BAGE 90, 329). Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Die Erledigung des Kündigungsrechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Da der Arbeitgeber mit der unwirksamen Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht hat, kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - aaO; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 14 mwN, BAGE 141, 340; grundlegend 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - zu B II 5 b der Gründe, BAGE 46, 234). Einer solchen Aufforderung bedarf es in jedem Fall, wenn für den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - aaO; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - aaO). Nimmt der Arbeitnehmer die Arbeit trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder auf, endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil dann regelmäßig vom Fehlen des Leistungswillens des Arbeitnehmers auszugehen ist. Der Anwendungsbereich des § 297 BGB ist nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer schon vor einer Kündigung nicht zu vertragsgemäßer Arbeitsleistung bereit war(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 16 mwN; APS/Biebl 4. Aufl. § 11 KSchG Rn. 13).

35

cc) Hinsichtlich der Aufforderung, die Arbeit aufzunehmen, braucht der Arbeitgeber keine „Ankündigungsfrist“ einzuhalten. Zwar ist der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, § 615 Satz 2 BGB. Deshalb räumt ihm § 12 KSchG ein Wahlrecht ein: Besteht nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort und ist der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft die Fortsetzung des (früheren) Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeitsverhältnis und es ist ihm nach § 12 Satz 4 KSchG entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. Lässt der Arbeitnehmer die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 18, BAGE 141, 340).

36

b) Diesen Vorgaben werden die Erklärungen der Beklagten grundsätzlich gerecht. Sie hat den Kläger nach Erledigung der vorausgegangenen Kündigungsschutzprozesse mehrmals schriftlich aufgefordert, sich in ihrer Hauptverwaltung „zum Arbeitsantritt“ einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden. Im Zeitpunkt ihres Schreibens vom 22. Juli 2013 war die Wochenfrist des § 12 Satz 1 KSchG verstrichen, ohne dass der Kläger sich auf die Eingehung eines anderen Arbeitsverhältnisses berufen hätte. Die Ladungen enthielten eindeutige Vorgaben zu Ort und Zeitpunkt (24. Juli 2013, 10:00 Uhr bzw. nachfolgend: „unverzüglich“) des erwarteten Dienstantritts.

37

c) Es kann unterstellt werden, dass es zur Bewirkung der vom Kläger geschuldeten Hauptleistung einer Konkretisierung der Art der zu verrichtenden Tätigkeit bedurfte. Eine ggf. erforderliche Spezifizierung brauchte die Beklagte jedenfalls nicht schon bei der Arbeitsaufforderung vorzunehmen. Sie durfte vielmehr das Erscheinen des Klägers im Betrieb abwarten. Die bisherigen Feststellungen berechtigen nicht zu der Annahme, dem Kläger sei schon die bloße Meldung in der Hauptverwaltung unzumutbar gewesen.

38

aa) Die dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung obliegende Mitwirkungshandlung iSd. §§ 295, 296 BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 90, 329; 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Daraus folgt aber keine Obliegenheit des Arbeitgebers, neben der grundsätzlich gebotenen Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme auch den Inhalt der vom Arbeitnehmer konkret zu leistenden Arbeit bereits bei der Arbeitsaufforderung festzulegen. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ohne eine solche Konkretisierung außerstande ist, seine Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

39

(1) Die Arbeitsaufforderung hat den Zweck, dem Arbeitnehmer Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der Arbeitgeber ihm die Arbeitsaufnahme nicht länger verwehrt und den Arbeitsplatz - freilich im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen - überhaupt zur Verfügung stellt. Dafür kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob und ggf. welcher konkreten Arbeitsanweisungen es zusätzlich bedarf, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seiner Hauptleistungspflicht nachzukommen (BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Ausreichend ist vielmehr die Bereitschaft des Arbeitgebers, ggf. erforderliche Konkretisierungshandlungen nach Erscheinen des Arbeitnehmers im Betrieb vorzunehmen (Konzen Anm. AP BGB § 615 Nr. 35). Steht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest, genügt als Anzeige dieser Bereitschaft grundsätzlich auch eine nicht näher spezifizierte Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers.

40

(2) Für diese Sichtweise spricht auch die Obliegenheit, bei der laufenden Planung des Arbeitseinsatzes billiges Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO) walten zu lassen. Dies kann es erforderlich machen, auf einen vorab abzuklärenden Einarbeitungsbedarf des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen, was umso mehr gilt, wenn die unwirksame Kündigung des Arbeitgebers zu einer längeren Arbeitsunterbrechung geführt hat. Im Übrigen bleibt es dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen, von einer vor Arbeitsantritt vorgenommenen oder avisierten Leistungsbestimmung im Zeitpunkt des Erscheinens des Arbeitnehmers im Betrieb wieder Abstand zu nehmen und den Inhalt der Arbeitsleistung in den Grenzen des § 106 GewO neu festzulegen.

41

(3) Gegenstand des dem Arbeitgeber zukommenden Direktionsrechts ist im Übrigen nicht allein die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Ihm unterliegen gleichfalls solche Verhaltenspflichten, die darauf zielen, den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 804/11 - Rn. 23, BAGE 143, 62; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 45 Rn. 14). Auch dies spricht dafür, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer für unwirksam erklärten Kündigung - sofern er ihm nur einen Arbeitsplatz überhaupt zur Verfügung stellt - zur „Arbeit“ schlicht in der Weise auffordern kann, dass er ihn mit der Maßgabe in den Betrieb einbestellt, sich an einem vorgegebenen Ort zur Entgegennahme weiterer Weisungen bereit zu halten.

42

bb) Kommt der Arbeitnehmer einer ihm insoweit auferlegten Vorbereitungshandlung bewusst nicht nach, kann dies zum einen indizieren, dass ihm die Bereitschaft, Arbeit überhaupt zu leisten, fehlt (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 19, BAGE 141, 340). Zum anderen liegt in dem Verhalten eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, die bei intensiver Weigerung „an sich“ auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag.

43

cc) Der Streitfall weist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Die Beklagte musste die Art der vom Kläger künftig zu leistenden Tätigkeit nicht deshalb vor dem erwarteten Dienstantritt konkretisieren, weil sie womöglich im Zusammenhang mit einer früheren Änderung des Arbeitsbereichs des Klägers in unwirksamer Weise von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht hatte und infolgedessen über den Inhalt der Arbeitspflicht des Klägers Streit bestand.

44

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Begründung seines nicht rechtskräftigen Urteils vom 31. Januar 2008 gemeint, die Beklagte habe ihr Direktionsrecht bei der fraglichen Änderung des Sachgebiets BW.3 in maßregelnder Weise und damit unter Verstoß gegen § 612a BGB ausgeübt. Eine andere, vertragsgemäße Tätigkeit habe sie dem Kläger im Anschluss nicht mehr übertragen. Die Würdigung ist in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Ihr ist nicht zu entnehmen, ob sich das Landesarbeitsgericht, das sich hier auf ein Begründungselement aus der herangezogenen Entscheidung bezieht, die dortigen Feststellungen konkludent zu eigen gemacht und sie einer eigenen tatrichterlichen Würdigung unterzogen hat, oder ob es - was unzureichend wäre - die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung ungeprüft übernommen hat.

45

(2) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die mit der Änderung des Tätigkeitsbereichs zusammenhängende Leistungsbestimmung nicht lediglich unverbindlich (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB), sondern wegen Verstoßes gegen § 612a BGB aus anderen Gründen unwirksam war. Daraus folgte grundsätzlich aber nur, dass es bis zu einer rechtswirksamen Neuausübung des die Hauptleistungspflicht betreffenden Direktionsrechts durch die Beklagte bei der dem Kläger zuvor zugewiesenen Arbeitsaufgabe verblieb und er nicht verpflichtet war, die Leitung des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung, den dieses seit dem 26. April 2006 hatte, auch nur vorläufig zu übernehmen (vgl. dazu BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 239). Auch ein dem Kläger ggf. im Hinblick auf die Änderung seines Tätigkeitsbereichs zukommendes Leistungsverweigerungsrecht (§ 275 Abs. 3 BGB) berechtigte ihn - jenseits der Frage, ob er von dem Recht bereits Gebrauch gemacht hatte - grundsätzlich nicht, Handlungen zu unterlassen, die lediglich der Vorbereitung einer späteren Arbeitsaufnahme dienten und die es der Beklagten ermöglicht hätten, von ihrem Direktionsrecht ggf. erneut und nunmehr rechtswirksam Gebrauch zu machen. Dementsprechend lassen sich aus der bloßen Unwirksamkeit einer vor der Kündigung in Bezug auf die Hauptleistung erteilten Weisung auch keine besonderen Anforderungen an den Inhalt einer dem Arbeitgeber obliegenden Arbeitsaufforderung ableiten. Nichts anderes gilt für die Verurteilung vom 31. Januar 2008. Auch mit ihr war keine Entscheidung darüber getroffen, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte zukünftig von ihrem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen konnte (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - aaO; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 10).

46

dd) Zwar läge keine genügende Arbeitsaufforderung vor, wenn der Beklagten grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Auch käme ggf. ein Weigerungsrecht des Klägers unmittelbar aus oder analog § 275 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn er aufgrund äußerer Umstände berechtigten Anlass gehabt hätte, eine generelle Annahmeunwilligkeit der Beklagten zu vermuten. Für beides fehlt es auf der Basis der bisherigen Feststellungen aber an Anhaltspunkten.

47

(1) Das Landesarbeitsgericht hat in diese Richtung ausgeführt, dem Vorbringen der Beklagten „aus Gerichtsverfahren“ sei zu entnehmen, dass sie den Kläger nach Arbeitsantritt erneut nur als Leiter des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung habe beschäftigen wollen, den dieses nach der Änderung des Tätigkeitsbereichs seit dem 26. April 2006 gehabt habe. Die Würdigung verletzt, wie die Beklagte mit Recht rügt, § 286 ZPO. Sie lässt nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Grundlagen sie beruht. Es kann deshalb nicht beurteilt werden, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlungen gewürdigt hat, insbesondere ob es sich mit dem Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 28. April 2015 auseinandergesetzt hat, die Tätigkeit, die sie dem Kläger nach seinem Erscheinen in der Hauptverwaltung habe zuweisen wollen, habe der ihr durch das Urteil vom 31. Januar 2008 auferlegten Beschäftigungspflicht entsprochen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Beklagte habe dem Sachgebiet BW.3 das Vergaberecht entzogen bzw. es bei dem Entzug belassen wollen, widerspricht dies nicht deren Rechtsauffassung. Das Gebiet zählt nicht zu den im Tenor des Urteils vom 31. Januar 2008 einzeln aufgeführten Arbeitsaufgaben.

48

(2) Aber auch wenn die von der Beklagten in den Blick genommene Beschäftigung nicht den Vorgaben der Verurteilung vom 31. Januar 2008 entsprochen hätte, folgte daraus nicht, dass ihr grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, auf etwaige Einwände des Klägers einzugehen und ihm erforderlichenfalls andere Aufgaben zuzuweisen.

49

II. Der Kündigungsschutzantrag ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt ist. Die Entscheidung darüber stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO).

50

1. Die bisherigen Feststellungen bieten - wie gezeigt - keinen genügenden Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagte sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Das Vorbringen der Parteien aus den Vorinstanzen liefert dafür keine zusätzlichen Anhaltspunkte. Der Kläger hat lediglich gemeint, die Beklagte habe schon bei früherer Arbeitsaufforderung vom 26. Januar 2010 nicht klargestellt, auf welcher Grundlage sie ihn beschäftigen werde. Dies reicht ebenso wenig aus wie sein Hinweis, die Beklagte habe bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs für das Jahr 2013 seine Urlaubswünsche nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat dies mit dem „Verbrauch“ des Urlaubs durch eine im Lauf der Vorprozesse erfolgte vorsorgliche Urlaubsgewährung begründet. Damit hat sie lediglich in einer umstrittenen Rechtsfrage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Da der Kläger auf die mehrfachen Ladungen zum Arbeitsantritt trotz Abmahnung nicht reagiert hat, ist - vorbehaltlich eines ihm aus anderen Gründen zustehenden Rechts, seine Arbeitskraft zurückzuhalten - zumindest von einer beharrlichen, die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten auszugehen.

51

2. Nach dem bisher festgestellten Streitverhältnis spricht wenig dafür, die Weigerung des Klägers in Ausübung des von ihm ausgeübten Zurückbehaltungsrechts (§ 273 Abs. 1 BGB) als gerechtfertigt anzusehen (zum Ausschluss einer Arbeitsverweigerung bei berechtigter Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

52

a) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 3. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff.).

53

b) Danach ist, soweit der Kläger geltend gemacht hat, ein Zurückbehaltungsrecht stehe ihm wegen behaupteter Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts zu, schon fraglich, ob er die Beeinträchtigungen durch die pauschale Bezugnahme auf Ausführungen in einem früheren Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hinreichend spezifiziert hatte (zu diesem Erfordernis vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 51). Im Ergebnis dürfte es hierauf nicht ankommen. Soweit der Kläger in Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts die Abgabe einer „betriebsöffentlichen“ Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines unmittelbaren Vorgesetzten verlangt hat, „… da[ss] [er] sich gegenüber der [Beklagten] auch sonst kein kündigungsrelevantes Verhalten ha[be] zu schulden kommen lassen“, ist nicht erkennbar, worauf sich das Verlangen stützt, insbesondere soweit es neben die Erklärung treten sollte, dass alle gegenüber dem Kläger erhobenen Kündigungsvorwürfe unbegründet gewesen seien. Im Übrigen liegt nicht in jeder unberechtigten Kritik, überzogenen Abmahnung und/oder unwirksamen Kündigung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - aaO). Es hätte deshalb einer näheren, auf die einzelnen Vorwürfe bezogenen Darstellung bedurft, warum die maßgebende Schwelle im Streitfall überschritten sein soll. Die Unterbreitung eines Angebots auf Durchführung eines innerbetrieblichen Mediations- oder Supervisionsverfahrens konnte der Kläger schon deshalb nicht in Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durchsetzen, weil die Beklagte Mitglieder des Personalrats in ihrer Funktion als Amtsträger grundsätzlich nicht zur Teilnahme an solchen Verfahren verpflichten kann. Dass die von ihm erbetenen Offerten auf Freiwilligkeit ausgelegt sein sollten, ist dem Schreiben vom 29. Juli 2013 nicht ohne Weiteres zu entnehmen.

54

c) Ein Arbeitnehmer kann das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung zwar auch dann ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben hat und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllt (vgl. BAG 25. Oktober 1984 - 2 AZR 417/83 - zu II 3 der Gründe). Der Kläger hat aber nicht aufgezeigt, dass ihm nach der Anfang August 2013 bewirkten Zahlung von Verzugszinsen noch eine fällige Gehaltsforderung einschließlich etwaiger Nebenforderungen zugestanden habe. Soweit er sich im Schreiben vom 29. Juli 2013 darauf bezogen hat, ihm zugeflossene Nettobeträge seien zu gering, fehlt es an einer nachvollziehbaren Berechnung des Anspruchs. Ansprüche des Klägers auf Höhergruppierung haben die Vorinstanzen - insoweit rechtskräftig - abgewiesen. Damit steht - soweit ersichtlich - fest, dass dem Kläger auch aus einem solchen Grund keine weiter gehenden Zahlungsansprüche zugestanden haben.

55

3. Auch wenn es auf der Basis der bisherigen Feststellungen eher fernliegen dürfte anzunehmen, der Kläger habe wirksam von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, muss die abschließende Beurteilung, die auch auf tatsächlichem Gebiet liegt, dem Landesarbeitsgericht vorbehalten bleiben.

56

4. Abgesehen davon hat das Landesarbeitsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend konsequent - keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und damit die Prüfung unterlassen, ob das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 35, BAGE 150, 109; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28). Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Dabei wird insbesondere auf einen möglichen Rechtsirrtum des Klägers über ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht Bedacht zu nehmen sein. Ein solcher Irrtum wäre, auch wenn er für den Kläger auflösbar und vermeidbar gewesen sein mag, für die Interessenabwägung nicht von vornherein bedeutungslos (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 40; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44). Im Streitfall könnte er sich jedenfalls dann zugunsten des Klägers auswirken, wenn rechtswidrige Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht objektiv vorgelegen haben sollten, was nach seinem - bestrittenen - Vorbringen nicht ausgeschlossen erscheint. Auch dann bliebe es zwar bei der unwirksamen Ausübung des Rechts und hätte der Kläger aufgrund der nachdrücklichen Abmahnungen der Beklagten hinreichenden Anlass gehabt, seine Rechtsausübung auf Angemessenheit zu überprüfen. Gleichwohl erschiene die Pflichtverletzung in einem milderen Licht, was bei der Interessenabwägung zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre.

57

5. Die fristlose Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt wäre. Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, ihren Ladungen zu folgen und seine Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich bis zum Kündigungszeitpunkt fortlaufend neu verwirklichte (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45).

58

6. Auf andere Unwirksamkeitsgründe hat sich der Kläger nicht berufen.

59

III. Der Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren, in die Revision gelangten Streitgegenstände.

60

1. Über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung ist nur zu entscheiden, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Sollte der Antrag dem Landesarbeitsgericht erneut zur Entscheidung anfallen, wird es zunächst weiterhin davon ausgehen können, dass sich der Kündigungsschutzantrag trotz verkürzter Formulierung auf beide am 27. September 2013 erklärte Kündigungen bezieht. Darüber hinaus wird es zu berücksichtigen haben, dass seine Würdigung, die Kündigung sei mangels kündigungsrelevanter Pflichtverletzung sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KSchG, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht tragfähig ist.

61

2. Die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub sind - jedenfalls seit ihrer Verbindung mit dem Kündigungsschutzantrag - als uneigentliche Hilfsanträge zu diesem zu verstehen. Die Entscheidung über sie hängt davon ab, dass sich keine der beiden Kündigungen als wirksam erweist. Im Alternativverhältnis dazu steht - was den Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 betrifft - der „echte“ Hilfsantrag auf Entschädigung in Geld, der erkennbar für den Fall gestellt ist, dass auch nur eine der beiden Kündigungen Bestand hat und damit die Gewährung des Ersatzurlaubs wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Betracht kommt.

62

3. Sollten ihm die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub erneut zur Entscheidung anfallen, wird das Landesarbeitsgericht - auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens - im Ergebnis weiter davon ausgehen können, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von je 32 Arbeitstagen Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 hat. Sollte es auf den Entschädigungsanspruch ankommen, wird es ergänzende Feststellungen insbesondere zur Anspruchshöhe zu treffen haben. Von dahin gehenden Hinweisen sieht der Senat ab.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsanträge mit Recht für zulässig erachtet. Ein Vorrang der Leistungsklage besteht nicht (BAG 15. Dezember 2015 - 9 AZR 747/14 - Rn. 9).

64

b) Anspruchsgrundlage sind § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 21; 3. Juni 2014 - 9 AZR 944/12 - Rn. 10 mwN).

65

c) Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei in den Jahren 2008 bis 2010 im Umfang von je 32 (Arbeits-)Tagen entstanden und nicht durch Erfüllung erloschen.

66

aa) Zwischen den Parteien bestand im fraglichen Zeitraum und darüber hinaus bis jedenfalls zum 27. September 2013 ein Arbeitsverhältnis. Gemäß § 21 TKT (idF des ÄnderungsTV vom 12. September 2006) hatte der Kläger Anspruch auf 32 Arbeitstage Urlaub jährlich. Der Anspruch wird durch eine mit Wirkung zum 1. Januar 2012 erfolgte Neufassung der Vorschrift nicht berührt. Der tarifliche Jahresurlaub schließt den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) ein.

67

bb) Nach den bisherigen Feststellungen stellte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. November 2008 unwiderruflich unter Anrechnung auf den tariflichen Erholungsurlaub für das Jahr 2008 von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. August 2009 gab sie für das Jahr 2009 und mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 sowie 23. Februar 2010 für das Jahr 2010 entsprechende Erklärungen ab. Mit diesen Freistellungen, die jeweils im Verlauf schwebender Kündigungsschutzverfahren erfolgten, hat sie die betreffenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht erfüllt.

68

(1) Zwar kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Eine wirksame Urlaubsgewährung liegt darin nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 18, BAGE 150, 355).

69

(2) Die Beklagte behauptet selbst nicht, sie habe entsprechende Zahlungen oder Zusagen vorgenommen. Sie meint nur, der Rechtssatz aus der Entscheidung vom 10. Februar 2015 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Das trifft nicht zu.

70

(a) Wie der Neunte Senat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat, ist der Urlaubsanspruch nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat vielmehr jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Vorschrift entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird (im Einzelnen dazu BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21 bis 23, BAGE 150, 355).

71

(b) Die Ausführungen beziehen sich nicht nur auf den der Entscheidung vom 10. Februar 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt einer nach fristloser Kündigung des Arbeitgebers erfolgten Freistellung des Arbeitnehmers für die Dauer der Kündigungsfrist einer zugleich erklärten ordentlichen Kündigung. Sie beanspruchen darüber hinaus Geltung.

72

(c) Soweit die Beklagte auf ihre objektive Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweist, übersieht sie, dass es hierauf nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Arbeitnehmer losgelöst vom Streit über die Wirksamkeit der Kündigung seiner Urlaubsvergütung sicher sein kann. Das Argument der Beklagten, die Höhe des Bruttomonatseinkommens des Klägers stehe den angestellten Zumutbarkeitserwägungen entgegen, verfängt ebenso wenig. Es versteht sich von selbst, dass sich ein Arbeitnehmer bei der Urlaubsgestaltung an der Höhe seiner Urlaubsvergütung orientiert und orientieren darf.

73

(3) Dem Kläger ist es nicht unter dem Gesichtspunkt missbräuchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Urlaubsgewährungen zu berufen (zu den Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15. November 2012 - IX ZR 103/11 - Rn. 12). Zwar kann bspw. der Arbeitnehmer, wenn er mit der zeitlichen Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber nicht einverstanden ist, gehalten sein, dem Arbeitgeber die Annahmeverweigerung unverzüglich mitzuteilen, und das Unterlassen einer solchen Mitteilung kann rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 19, BAGE 119, 232). Dies bedeutet aber nicht, dass Rechtsmissbrauch auch dann in Betracht käme, wenn die Freistellungserklärung - wie hier - von vornherein nicht geeignet war, den Anspruch zu erfüllen.

74

cc) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Kläger den Urlaub rechtzeitig verlangt hat. Es hat gemeint, eines solchen Verlangens habe es nicht bedurft, weil die Beklagte die Ansprüche als solche mit den Freistellungen bestätigt habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hatte Urlaub zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs vorsorglich erteilt. Daraus konnte der Kläger grundsätzlich nicht schließen, sie stelle die Ansprüche unabhängig von der Eignung ihrer Erklärung streitlos, der angestrebten Kumulation von Urlaubsansprüchen vorzubeugen, oder sie verzichte für den Fall, dass der Kläger die Ansprüche nicht als erfüllt ansehe, auf deren Geltendmachung. Im Ergebnis dürfte es hierauf aber nicht ankommen.

75

(1) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil hatte der Kläger mit Schreiben vom 10. November 2008 um Gewährung des ihm für das Jahr 2008 zustehenden Urlaubs gebeten. Betreffend den Urlaub für die beiden Folgejahre hat er - soweit ersichtlich unbestritten - vorgetragen, er habe die Beklagte mit Einschreiben vom 25. November 2009 und vom 22. November 2010 jeweils zur Urlaubsgewährung aufgefordert.

76

(2) Die Verlangen waren rechtzeitig. Die in den Jahren 2008, 2009 und 2010 entstandenen Urlaubsansprüche, die auch während der laufenden Kündigungsschutzprozesse grundsätzlich erfüllt werden konnten, waren nicht am 31. Dezember des jeweiligen Jahres untergegangen, sondern konnten gemäß § 23 Abs. 1 TKT ohne Bindung an weitere Voraussetzungen noch bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres gewährt und genommen werden. Nach dieser Bestimmung „verfällt“ Urlaub, „der nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen wird, ohne Anspruch auf Geldentschädigung; es sei denn, dass er erfolglos schriftlich geltend gemacht worden ist“. Die Regelung erweitert - unter Berücksichtigung der Festlegung in § 20 Abs. 1 Satz 2 TKT, nach der Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist - gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG den Zeitraum, in dem der Urlaub aus einem bestimmten Kalenderjahr gewährt und genommen werden kann, auf das erste Quartal des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres. Sie bestimmt die Voraussetzungen des Verfalls des Urlaubs, auch soweit er den gesetzlichen Mindesturlaub einschließt, erkennbar abschließend.

77

dd) Einer Mahnung bedurfte es, ausgehend von den Behauptungen zur Geltendmachung der Urlaubsansprüche, nicht. Die Beklagte hatte dem Kläger lediglich „vorsorglich“ Urlaub erteilt, ohne vorab das Entgelt zu zahlen oder vorbehaltlos zuzusagen. Auf dessen - soweit ersichtlich - zeitlich nachfolgende Urlaubsverlangen hat sie nicht mehr reagiert. Unter diesen Umständen durfte der Kläger annehmen, die Beklagte gehe davon aus, alles zur Erfüllung der Ansprüche Erforderliche getan zu haben, und musste sich eine Mahnung als bloße Förmelei erweisen (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 14).

78

ee) Der daraus erwachsene Schadensersatzanspruch unterliegt keiner gesetzlichen Befristung. Der Ersatzurlaub brauchte deshalb nicht erneut geltend gemacht zu werden. Ob der Ersatzurlaub der einstufigen tariflichen Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 TKT unterliegt, bedarf keiner Entscheidung. Sie wäre jedenfalls durch die Aufforderungen des Klägers zur Urlaubsgewährung auch hinsichtlich des Ersatzurlaubs gewahrt (vgl. BAG 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12; 15. November 2005 - 9 AZR 633/04 - Rn. 41).

79

ff) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der Ersatzurlaubsanspruch unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 37). Seinen frühestens am 31. März 2009 entstandenen Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung für Urlaub aus dem Jahr 2008 hat der Kläger durch Klageerweiterung im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 gerichtlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Schluss des Jahres 2009 begonnene Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 1 BGB)noch nicht abgelaufen. Der Eintritt der Verjährung der frühestens am 31. März 2010 bzw. 31. März 2011 entstandenen Schadensersatzansprüche auf Gewährung von Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2009 bzw. 2010 wurde durch Feststellungsklage vom 23. Dezember 2013, die der Beklagten am 8. Januar 2014 „demnächst“ (§ 167 ZPO) zugestellt worden ist, gehemmt.

80

4. Die Sache ist auch hinsichtlich der Widerklage nicht zur Endentscheidung reif.

81

a) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob der Kläger verpflichtet war, den Ladungen der Beklagten zum Arbeitsantritt zu folgen. Bejahendenfalls wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob und ggf. ab wann der Kläger leistungsunwillig war und sich selbst außerstande gesetzt hat, die Arbeitsleistung zu bewirken mit der Folge, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für die Zukunft entfiel.

82

b) Für die Tage nach Zugang der fristlosen Kündigung beim Kläger hängt die Entscheidung über die Widerklage unmittelbar vom Ausgang des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung ab.

83

5. Soweit sich die Aufhebung und Zurückverweisung auf den Ausspruch in Ziff. 1 des Tenors des Urteils des Landesarbeitsgerichts bezieht, war zur Klarstellung das Datum des (teilweise) abgeänderten Urteils des Arbeitsgerichts (- 3 Ca 143/12 -) auf den 13. Juni 2012 zu berichtigen (vgl. dazu auch auf Seite 8, 3. Absatz des Berufungsurteils).

84

D. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca 13099/12 - stattgegeben hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Zwischen den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30. März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein „Aschenputtel-Dasein“ zu beenden. Die Beklagte übe „Psychoterror“ aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.

4

Das dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im Februar 2012 diejenige eines „TRM-Koordinators“ jeweils mit seinem Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war, lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab.

5

Mit E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine „massive Entwicklungsblockade“ gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner „ständig sehr guten Ergebnisse“ und der „mustergültigen Einhaltung aller geltenden Regeln“ sei er nicht befördert worden. Dieses „unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing“ habe bei ihm zu „totaler Frustration“ geführt. Seine Arbeitsmoral liege „brach“, die „innere Kündigung (sei) perfekt“. Die Beklagte habe ihn „krank gemacht“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“. Er sei „körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt“. Die Beklagte habe sein „Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt gemacht“. Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer „schlechten Ehe“ und solle sich „lieber heute als morgen voneinander trennen“. Die von ihm „bevorzugte Lösung“ sei deshalb eine „bezahlte Freistellung mit garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit“. In einer weiteren E-Mail vom 20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.

6

Die Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen Tag, er sei „sprachlos“ aufgrund der „inhaltslosen Aussagen“ und „billigen Drohungen“. Die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

7

Der Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „letztmalige Abmahnung“. Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.

8

Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts der gegen ihn verhängten „Entwicklungsblockade“ und des fortwährenden „Mobbing“ sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet.

13

A. Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsstreit deshalb nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner Partei fortzuführen(gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines Abwicklers BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE 135, 445; für eine Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn. 9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden, dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten zugestellt worden ist (§ 244 Abs. 1, § 250 ZPO). Bei einem amtlich bestellten Abwickler handelt es sich um einen „bestellten neuen Anwalt“ iSv. § 244 Abs. 1 ZPO(BAG 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - zu A der Gründe).

14

B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16).

16

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf, ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht an.

17

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie ist wirksam.

18

I. Es besteht ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB iVm. § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV.

19

1. Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft der MTV an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(für insoweit vergleichbare Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24).

20

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149, 355; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN, BAGE 137, 54).

21

3. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigerte.

22

a) Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).

23

b) Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als „entschuldigt“ anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262).

24

c) Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ auszuführen.

25

d) Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern, weil es ihm gemäß § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu erbringen.

26

aa) Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135, 203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss(zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).

27

bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

28

(1) Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß § 5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist - in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung fortzusetzen.

29

(2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger nicht aufgrund von - drohenden - Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 36).

30

(a) Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich „gemobbten“ Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 86, BAGE 122, 304).

31

(b) Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen Entwicklung „blockiert“ worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen, gegen die sie verstoßen haben soll.

32

(c) Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten (§ 278 BGB) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 76, BAGE 122, 304).

33

(aa) Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 - 5 AZR 526/91 - zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass sie ihn nicht als „Führungskraft“ sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und Kommunikationsverhalten verfüge.

34

(bb) Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine „Entwicklungsblockade“ verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort- und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog. Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen „unbelasteten Neustart“ zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen, ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn auf das „Abstellgleis“ geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im Projekt „SharePoint“ angeboten worden. Diesen hat er - mit der Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen - abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm „vorenthalten“ habe.

35

(cc) Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers „ausgestanden“ waren. Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen „präsent“ zu sein. Die nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines Aufgabenwechsels „gehaltsneutral“ gestrichenen Leistungspunkte waren ihm auf seinen „Protest“ hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise „bewährt“ haben konnte.

36

e) Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

37

aa) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

38

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März 2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift hat er sich ausschließlich auf § 275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen, Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem „Mobbing“ erreichen. Vielmehr hat er lediglich „vorgeschlagen“, ihn unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als die Festschreibung dessen, was nach § 275 Abs. 3 iVm. § 326 Abs. 2 BGB ohnehin - unveränderlich - gelte.

39

cc) Gemäß den Ausführungen zu § 275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35 Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche ausgelastet war. Die „Unterbeschäftigung“ beruhte jedoch darauf, dass der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt „SharePoint“ nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre es rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB, die Arbeitsleistung mit dem Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.

40

f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.

41

aa) Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb Wochen - nicht wieder auf.

42

bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.

43

(1) Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).

44

(2) Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.

45

4. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV) nicht zuzumuten.

46

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47, BAGE 149, 355).

47

b) Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung - obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

48

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

49

aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt „SharePoint“ abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, „von sich aus“ andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.

50

bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens zulasten des Klägers berücksichtigt.

51

(1) Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht, mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als „Blueprint-Vorfilterer“ und „TRM-Koordinator“ lediglich für drei bis vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen, müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern sollten.

52

(2) Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er ausdrücklich ins Kalkül gezogen.

53

cc) Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.

54

(1) Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so „den Weg zurück (…) ebnen“ müssen. Es könne „nicht von vornherein ausgeschlossen“ werden, „dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen hätte“. Es sei ihm „gerade um eine angemessene Beschäftigung“ gegangen. Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst „ein Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen“.

55

(2) Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft. Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem Prozessvortrag deutlich geworden ist.

56

(a) Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt der Kläger es für unzumutbar iSv. § 275 Abs. 3 BGB, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß § 326 Abs. 2 BGB ohnehin gelte, „bevorzuge“ er eine bezahlte Freistellung bis zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben, indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien entsprechender Aufgaben anböte. Eine „angemessene Beschäftigung“ wäre vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen - allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der „AT-Angestellten“ bzw. der „Führungskräfte“ bedeutet hätte. Und selbst das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28. September 2012 mitgeteilt hatte, die „innere Kündigung“ sei „perfekt“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“, die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

57

(b) Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013 ausgeführt, es sei „offensichtlich“, dass die „Vertrauensbasis nicht wiederhergestellt“ werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche Zusammenarbeit „negativ“ sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro Monate. Als „worst case“ komme auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines Ordnungsgelds für die Beklagte.

58

d) Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen, künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die Aussicht bestanden hätte, ihn „zur Umkehr“ bewegen zu können, hat er der Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von ihm beschriebenen „worst-case“-Szenarios - dazu hätte „nötigen“ wollen, ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.

59

5. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe).

60

II. Die Kündigung ist nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte (ErfK/Preis 15. Aufl. § 612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.

61

III. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 - 4 Sa 1112/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit dem 1. Januar 2006, zuletzt am Standort Essen, als außertarifliche Mitarbeiterin zu einem Jahresgehalt von ca. 95.000,00 Euro brutto beschäftigt. Gemäß Ziff. 1 des Arbeitsvertrags war ihr die Tätigkeit einer Referentin in der Organisationseinheit „Gas Strategy / Market Analysis“ übertragen. Nach Ziff. 2 Abs. 5 des Vertrags war sie verpflichtet, „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden“.

3

Im Betrieb der Beklagten besteht eine „Betriebsvereinbarung 2009 zur Erfassung und Regelung der Arbeitszeit“ vom 31. März 2009. Dort heißt es:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter (Tarif- und AT-Mitarbeiter) der Gesellschaft am Standort Essen mit Ausnahme der Leitenden Angestellten gemäß § 5 Absatz 3, 4 BetrVG sowie Auszubildenden, Werkstudenten, Praktikanten und Diplomanden.

        

§ 2 Arbeitszeit / Arbeitszeitrahmen / Servicezeit

        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Tarifangestellte bestimmt sich nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag (z. Zt.: Manteltarifvertrag Tarifgruppe RWE) und beträgt derzeit 38 Stunden für Vollzeitmitarbeiter. …

        

2.    

Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt in der Regel auf die Wochentage Montag bis Freitag jeweils zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr. Die Mitarbeiter können die Lage der Arbeitszeit innerhalb dieses Rahmens unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Servicezeit gemäß nachfolgender Ziffer 3 in Abstimmung mit dem Vorgesetzten frei wählen.

        

…       

        
        

§ 5 Gleitzeit

        

1.    

Für jeden Mitarbeiter wird ein Gleitzeitkonto eingerichtet und geführt. Davon ausgenommen sind nur AT-Mitarbeiter, die gemäß Ziffer II. 2., 3. und 5. der Bonus-Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 2008 in Verbindung mit Anlage 2 zur Bonus-Betriebsvereinbarung der Vergütungsgruppe „Commercial“ angehören. Für diese AT-Mitarbeiter wird kein Gleitzeitkonto geführt und kein Arbeitszeitsaldo gebildet; die Arbeitszeiten werden lediglich dokumentiert.

                 

…“    

4

Mit E-Mail vom 8. Oktober 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, mindestens 7,6 Stunden täglich zu arbeiten. Am 15. Oktober 2010 wiederholte sie diese Aufforderung und bat die Klägerin um Mitteilung, wie sie ein dokumentiertes Arbeitszeitdefizit auszugleichen gedenke. Die Klägerin reagierte darauf nicht. Das Defizit betrug am 8. November 2010 - berechnet auf der Basis einer 38-Stunden-Woche - 686,44 Stunden. Mit Schreiben vom 10. November 2010 verlangte die Beklagte von der Klägerin, eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Sie wies zudem darauf hin, dass sie beginnend mit dem Monat November 2010 einen Teil des Gehalts einbehalten werde.

5

Am 7. Januar 2011 erhob die Klägerin Klage auf Feststellung, dass sie vertraglich nicht zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche verpflichtet sei, und machte in jenem Verfahren zugleich die seitens der Beklagten einbehaltenen Gehaltsbeträge geltend. Das Verfahren ist durch - klageabweisendes - Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Mai 2013 (- 10 AZR 325/12 -) rechtskräftig abgeschlossen.

6

Am 11. Januar 2011 erhielt die Klägerin mehrere schriftliche Abmahnungen bezogen auf folgende Sachverhalte:

        

-       

unentschuldigtes Fehlen am 12. November 2010,

        

-       

in der 46. KW 2010 nur 21,99 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 47. KW 2010 nur 20,55 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 48. KW 2010 nur 10,70 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 49. KW 2010 nur 8,18 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 50. KW 2010 nur 3,07 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 52. KW 2010 nur 2,20 Stunden gearbeitet,

        

-       

in der 1. KW 2011 nur 3,18 Stunden gearbeitet,

        

-       

unentschuldigtes Fehlen an 13 im Einzelnen aufgeführten Tagen.

7

Am 20. Januar 2011 beantragte die Klägerin Urlaub für die Zeit bis zum 31. Januar 2011 wegen eines Trauerfalls. Dieser wurde ihr gewährt. Einen am 28. Januar 2011 eingereichten Urlaubsantrag für weitere 14 Tage lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin erschien am 1. Februar 2011 von 14.52 bis 17.23 Uhr zur Arbeit, obwohl - wie ihr bekannt - bereits für 13.00 Uhr eine Besprechung mit ihrem Vorgesetzten wegen einer Zielvereinbarung anberaumt worden war. Am 2. Februar 2011 nahm sie ihre Arbeit um 13.17 Uhr auf und ging nach 3,63 Stunden. Am 3. Februar 2011 war sie 3,52 Stunden, am 4. Februar 2011 2,9 Stunden und am 7. Februar 2011 3,77 Stunden am Arbeitsplatz anwesend. Am 8. Februar 2011 erschien sie nicht zur Arbeit.

8

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 16. Februar 2011 außerordentlich fristlos, mit Schreiben vom 22. Februar 2011 „hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 30. September 2011“.

9

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigungen geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte beschäftige die außertariflichen Mitarbeiter nicht nach Maßgabe einer konkreten Wochenarbeitszeit, sondern erwarte von ihnen - im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit ohne Anwesenheitsverpflichtung - lediglich bestimmte Arbeitsergebnisse. Erst recht bestehe keine Verpflichtung, täglich mindestens 7,6 Stunden zu arbeiten. Die im Anstellungsvertrag getroffenen Regelungen seien unklar. Die Beklagte habe auch in der Vergangenheit nicht die Ableistung einer bestimmten Arbeitszeit verlangt.

10

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. Februar 2011 noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2011 aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen. Sie hat gemeint, die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei ihr nicht mehr zumutbar gewesen. Diese sei ihrer sowohl nach dem Arbeitsvertrag als auch nach der Betriebsvereinbarung 2009 bestehenden Verpflichtung, eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten, bewusst nicht nachgekommen.

12

Die Klägerin hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet.

15

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

16

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12; 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15).

17

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Klägerin wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, sie sei vertraglich zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung am vereinbarten Dienstort im Umfang von 38 Stunden in der Woche verpflichtet gewesen. Sie legt ausführlich dar, weshalb die im Berufungsurteil vorgenommene Auslegung rechtsfehlerhaft sein soll. Die Sachrüge wäre im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus.

18

II. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung vom 16. Februar 2011 ist aus einem wichtigen Grund iSv. § 626 BGB gerechtfertigt.

19

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 14; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 21). Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellt ua. die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers dar, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 22; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 97, 276).

20

2. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das der Klägerin vorgeworfene Verhalten rechtfertige eine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Die Klägerin war vertraglich zur Erbringung einer Arbeitsleistung im Umfang von 38 Wochenstunden am vereinbarten Dienstort verpflichtet. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Mai 2013 (- 10 AZR 325/12 -) rechtskräftig festgestellt. Daran ist der Senat gebunden.

22

aa) Die Rechtskraft einer in einem Vorprozess der Parteien ergangenen Entscheidung ist nicht nur bei Identität der Streitgegenstände, sondern auch dann in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten, wenn eine für den nachfolgenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Vorfrage im Vorprozess entschieden worden ist (BGH 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05 - Rn. 9; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. vor § 322 Rn. 22 ff.). Handelt es sich bei dem Vorprozess um eine negative Feststellungsklage, kommt einem klageabweisenden Urteil dieselbe Rechtskraftwirkung zu wie einem Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (BGH 17. März 1995 - V ZR 178/93 - zu II 1 a der Gründe; 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - zu III 3 c der Gründe).

23

bb) Das Bundesarbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin festzustellen, dass sie keine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche habe, rechtskräftig abgewiesen (Urteil vom 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 -). Damit steht mit präjudizieller Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass die Klägerin vertraglich zur Einhaltung einer 38-Stunden-Woche (am vereinbarten Dienstort) verpflichtet war. Das gilt umso mehr, als es Ziel und Inhalt der im Vorprozess erhobenen negativen Feststellungsklage war, dem Verlangen der Beklagten auf Ableistung einer entsprechenden Arbeitszeit entgegen zu treten (vgl. dazu BGH 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - zu III 3 c der Gründe).

24

b) Die Klägerin hat ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt, indem sie sich beharrlich geweigert hat, ihre Arbeitsleistung in diesem vertraglich geschuldeten zeitlichen Umfang zu erbringen.

25

aa) Die Klägerin hat jegliche Verpflichtung zur Ableistung eines in Zeitabschnitten bemessenen Mindestmaßes an Arbeit in Abrede gestellt. Dieses Verständnis der arbeitsvertraglichen Regelung hat sie zum einen dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie eine entsprechende negative Feststellungsklage erhoben hat. Zum anderen hat sie auch tatsächlich keine entsprechenden Arbeitsleistungen erbracht, obwohl sie dazu ausdrücklich angehalten worden war. So war sie etwa Ende 2010/Anfang 2011 trotz entgegenstehender Weisung der Beklagten, eine Arbeitszeit von 38 Stunden wöchentlich einzuhalten, über mehrere Wochen hinweg lediglich zwischen zwei und 23 Stunden im Betrieb der Beklagten anwesend.

26

bb) Ihrem Verhalten kann nicht entnommen werden, dass sie lediglich von einem ihr vermeintlich zustehenden Recht, die Lage ihrer Arbeitszeit flexibel zu gestalten, hätte Gebrauch machen wollen und dementsprechend zur Nachleistung bereit gewesen wäre (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 40). Dies ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass sie ihre Arbeitsleistung sowohl über einen langen Zeitraum hinweg als auch in einem erheblichen Umfang nicht erbracht hat. Angesichts der zeitlichen Ausmaße ist nicht erkennbar, wie eine Nachleistung - unter Beachtung der Vorgaben des ArbZG - möglich gewesen wäre. Die Klägerin hat ihrem mangelnden Willen zur Nachleistung auch dadurch Ausdruck verliehen, dass sie auf die Nachfrage der Beklagten, wie sie die aufgelaufenen Minusstunden auszugleichen gedenke, nicht reagiert hat.

27

cc) Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob die Weisung der Beklagten, die Klägerin möge eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einhalten, so zu verstehen war, dass diese nicht (mehr) von einer ihr bisher eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen dürfe, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Ebenso kann offen bleiben, ob eine solche Weisung individualrechtlich und kollektivrechtlich wirksam gewesen wäre (offengelassen auch in BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 13). Die Klägerin war unabhängig von der Lage der Arbeitszeit nicht bereit, ihre Arbeitskraft dem Umfang nach in vertragskonformer Weise anzubieten. Bereits darin liegt eine schwerwiegende Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten.

28

dd) Die Weigerung war auch beharrlich.

29

(1) Ein Arbeitnehmer verweigert die angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 39; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 15, BAGE 137, 164).

30

(2) Die Klägerin hat willentlich gegen ihre vertragliche Verpflichtung verstoßen. Selbst wenn die Beklagte in der Vergangenheit die Ableistung einer 38-Stunden-Woche nicht eingefordert haben sollte, hat sie jedenfalls ab November 2010 durch entsprechende Weisungen und die in der Folge ausgesprochenen Abmahnungen deutlich zum Ausdruck gebracht, wie sie die vertraglichen Vereinbarungen versteht und was sie von der Klägerin erwartete. Statt ihr Verhalten darauf einzustellen, hat die Klägerin - nachhaltig - darauf bestanden, jeglichen Zeitmaßes enthoben zu sein.

31

(3) Der Umstand, dass zwischen den Parteien - bezogen auf den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung - Streit über die Auslegung des Arbeitsvertrags bestand, steht der Annahme einer erheblichen Pflichtverletzung nicht entgegen.

32

(a) Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage. Der Arbeitnehmer kann sich einem vertragsgemäßen Verlangen des Arbeitgebers nicht dadurch - vorläufig - entziehen, dass er ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der umstrittenen Frage einleitet. Andernfalls würde das Weisungsrecht des Arbeitgebers - ggf. über Jahre - in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist.

33

(b) Auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie musste bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt in Rechnung stellen, dass für sie die betriebsübliche Arbeitszeit - von 38 Stunden wöchentlich - galt (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 16).

34

(aa) An die zu beachtenden Sorgfaltspflichten sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 71, 350). Es reicht nicht aus, dass sich die betreffende Partei ihre eigene Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Unverschuldet ist ein Rechtsirrtum nur, wenn sie mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).

35

(bb) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin musste schon mit Blick auf die im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen damit rechnen, dass eine Arbeitsverpflichtung in einem bestimmten zeitlichen Umfang bestand. Sie war nach Ziff. 2 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrags verpflichtet, im Rahmen ihrer Aufgabenstellung auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Dies setzt bei verständiger Würdigung eine Bindung an die betriebsübliche Arbeitszeit voraus (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 20, 22). Die Beklagte hatte der Klägerin überdies spätestens ab Herbst 2010 klar vor Augen geführt, wie sie die vertraglichen Abreden verstehe. Sie konnte sich mit ihrem Verlangen nach Einhaltung einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden sowohl auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 9. Dezember 1987 - 4 AZR 584/87 - BAGE 57, 130) als auch auf eine verbreitete Auffassung in der Literatur stützen (vgl. dazu die Nachweise bei BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 21). Auch „Vertrauensarbeitszeit“ und getroffene Zielvereinbarungen konnten die Klägerin nicht ernsthaft in der Annahme bestärken, sie sei einer Bindung an ein bestimmtes Zeitmaß enthoben. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet grundsätzlich nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitsverpflichtung in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen (so schon BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu II 2 d cc (2) der Gründe, BAGE 106, 111; nunmehr auch BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34). Dies war für die Klägerin ebenso erkennbar wie der Umstand, dass die Erreichung von Zielen nach dem Arbeitsvertrag lediglich für die Höhe ihrer variablen Vergütung relevant war. Indem sie bei einer derartigen Sach- und Rechtslage sämtliche gegen die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung sprechenden Gesichtspunkte sehenden Auges hintanstellte, handelte sie bewusst auf eigenes Risiko. Es kann deshalb dahinstehen, wie sich ein mangelndes Verschulden der Klägerin auf den Kündigungsgrund ausgewirkt hätte (zur Problematik vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20, 22).

36

c) Die vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen geht zu Lasten der Klägerin aus. Das gilt selbst dann, wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass die Beklagte aufgrund des vertraglichen Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO)nicht berechtigt war, ihr - der Klägerin - bei der Arbeitszeitgestaltung jegliche Flexibilität abzusprechen und die Ableistung von mindestens 7,6 Stunden arbeitstäglich zu verlangen. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht hierauf im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung entscheidend abgestellt hätte. Zum anderen stehen sämtliche relevanten Tatsachen fest. Unter dieser Voraussetzung ist es dem Senat möglich, die Interessenabwägung selbst vorzunehmen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349).

37

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27).

38

bb) Daran gemessen war die Beklagte zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.

39

(1) Das vertragswidrige Verhalten ist von erheblichem Gewicht. Die Klägerin hat trotz nachdrücklichen Verlangens der Beklagten, die betriebsübliche Arbeitszeit einzuhalten, kontinuierlich Arbeitsleistungen lediglich im Umfang von weit unter 38 Stunden wöchentlich erbracht. Im Kündigungszeitpunkt bestand die berechtigte Besorgnis, dass sie ihr Verhalten auch in der Zukunft fortsetzen und deshalb das Arbeitszeitdefizit, das sich bereits im November 2010 auf nahezu 700 Stunden belief, weiter anwachsen werde. Eine solche Zurückhaltung der Arbeitskraft brauchte die Beklagte nicht weiter hinzunehmen.

40

(2) Der mögliche Rechtsirrtum der Klägerin wirkt sich nicht entscheidend zu ihren Gunsten aus. Zwar kann im Rahmen der Interessenabwägung - abhängig vom Grad des Verschuldens - auch ein vermeidbarer Irrtum des Arbeitnehmers Bedeutung gewinnen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe mwN). Die Klägerin trifft jedoch hinsichtlich eines ihr unterlaufenen Rechtsirrtums mit Blick auf die arbeitsvertraglichen Regelungen sowie die wiederholte, nachdrückliche Aufforderung seitens der Beklagten zur Einhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeit ein nicht nur geringes Verschulden. Allein der Umstand, dass der von ihr beauftragte Rechtsanwalt sie in ihrem gegenteiligen Standpunkt bestärkt haben mag, ändert daran nichts.

41

(3) Ein milderes Mittel stand der Beklagten nicht zur Verfügung.

42

(a) Die Klägerin war im Kündigungszeitpunkt offensichtlich unter keinen Umständen bereit, eine Verpflichtung zur Einhaltung einer 38-Stunden-Woche anzuerkennen und ihre Arbeitskraft im vertraglich geschuldeten Umfang zur Verfügung zu stellen. Dies belegt der Umstand, dass sie weder auf die Weisung der Beklagten, noch auf die ihr erteilten Abmahnungen reagiert hat - ohne dass es auf deren Berechtigung in jedem Einzelfall ankäme. Die Kündigung erweist sich auch nicht mit Blick auf die Anzahl der Abmahnungen als unverhältnismäßig. Daraus konnte die Klägerin - zumal die Schreiben ihr allesamt am gleichen Tag überreicht wurden - nicht entnehmen, die Beklagte halte die beharrliche Nichteinhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeit für nicht so schwerwiegend (zur Abschwächung der Warnfunktion einer Abmahnung vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 955/11 - Rn. 47; 15. November 2001 - 2 AZR 609/00 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 99, 340).

43

(b) Die Beklagte war auch nicht gehalten, auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu verzichten und stattdessen weiterhin nur Teile der Arbeitsvergütung einzubehalten. Die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst für die Dauer der Kündigungsfrist ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin die vertragsgemäße Erbringung ihrer Hauptleistungspflicht verweigert und es der Beklagten damit unmöglich gemacht hat, mit ihrer Arbeitskraft zu planen. Abgesehen davon hätte der Einbehalt von Entgelt die Nachteile eines stetig anwachsenden Arbeitszeitdefizits allenfalls teilweise ausgeglichen. Darauf, ob und ggf. welche Arbeit aufgrund der Abwesenheit der Klägerin nicht erledigt worden ist, kommt es nicht an.

44

(4) Dem Alter der Klägerin von im Kündigungszeitpunkt 42 Jahren und ihrer Betriebszugehörigkeit von etwa fünf Jahren kommt angesichts der Beharrlichkeit sowie des Umfangs der Pflichtverletzung keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

45

3. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat ihre Kündigung damit begründet, die Klägerin sei nachhaltig nicht bereit, ihre Arbeitsleistung in dem vertraglich geschuldeten - nach Zeitabschnitten bemessenen - zeitlichen Umfang zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65).

46

4. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung und der Auflösungsantrag fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an.

47

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Wolf    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. November 2012 - 5 Sa 405/11 - aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen, soweit das Landesarbeitsgericht über den Zahlungsantrag und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdiensten und über Vergütung für im Dezember 2008 geleistete Bereitschaftsdienste.

2

Der Kläger ist seit dem 1. September 1994 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes in der Neurologischen Abteilung des Klinikums M beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006, zuletzt idF des ÄndTV Nr. 3 vom 18. Januar 2012, Anwendung. Seit 2001 ist der Kläger Teilzeitbeschäftigter mit 95,22 % der regelmäßigen Arbeitszeit; er erhält eine Vergütung nach Entgeltgruppe IV.

3

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Februar 2006 erbrachte der Kläger Rufbereitschaftsdienste (sog. Hintergrunddienst). Dabei kam es zum Streit zwischen den Parteien, ob es sich um Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienste handelte und wie diese Dienste zu vergüten sind. In diesem Zusammenhang legte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2006 „aus haftungsrechtlichen Gründen … im Interesse unserer Patienten“ einen Zeitraum von 45 Minuten für die Zeit zwischen Information des Hintergrunddienstes und Aufnahme der Arbeit fest. Ein aus Sicht des Klägers untertarifliches Vergütungsangebot des Beklagten für diese Dienste lehnte der Kläger ab, ebenso - ua. unter Hinweis auf seine Teilzeitbeschäftigung - die weitere Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten. Im Verfahren über eine daraufhin vom Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung schlossen die Parteien am 7. August 2007 einen Teilvergleich, wonach der Kläger sich verpflichtete, im Rahmen betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeit auf Anweisung des Beklagten Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Überstunden und Mehrarbeit zu leisten.

4

Bis November 2008 erbrachte der Kläger seine regelmäßige Arbeit in der Zeit von 11:30 Uhr bis 20:00 Uhr; zur Rufbereitschaft war er nicht mehr eingeteilt worden. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 ordnete der Chefarzt Dr. S zunächst verschiedene Rufbereitschaftsdienste für Dezember 2008 an. Nachdem der Kläger seine Wohnung in Frankfurt am Main als Aufenthaltsort angegeben hatte, ordnete der Beklagte mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 stattdessen an mehreren Tagen Bereitschaftsdienst (sog. Vordergrunddienst) in unterschiedlicher Länge an. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er während dieser Zeiten für die ärztliche Versorgung der Patienten in der Neurologie allein verantwortlich sei. Der Beklagte kündigte an, für diese Zeiten teilweise Freizeitausgleich an bestimmten Tagen zu gewähren. Eine Belastungsanalyse nach § 10 Abs. 2 und Abs. 3 TV-Ärzte/VKA wurde nicht durchgeführt.

5

Am 6., 14., 18., 25. und 29. Dezember 2008 leistete der Kläger Bereitschaftsdienst, ohne dass zugleich ein anderer Arzt in der Neurologie Bereitschaftsdienst hatte. Während der Bereitschaftsdienste fallen - soweit Arbeitsleistung zu erbringen ist - zu etwa 80 % assistenzärztliche Aufgaben und maximal zu etwa 20 % spezifisch fachärztliche Aufgaben an.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zuweisung solcher Bereitschaftsdienste widerspreche seinem arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Oberarzt. Er sei nicht verpflichtet, während bestimmter Dienste weit überwiegend Assistenzarzttätigkeiten ohne jede oberärztliche Supervision zu verrichten. Er habe einen Anspruch, dass dies durch die zeitgleiche Anordnung von Bereitschaft gegenüber einem Assistenzarzt vermieden werde. Oberärzte würden bei dem Beklagten üblicherweise nur zu Hintergrunddiensten herangezogen; es seien immer mindestens zwei Ärzte zum Dienst eingeteilt. Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes ihm gegenüber führe zu einem fehleranfälligen System und berge die Gefahr der Überarbeitung in sich. Er müsse sich selbst vertreten, eine geordnete fachärztliche Übergabe sei nicht möglich und ihm sei eine Flut von Einzelaufgaben zugewiesen, die ggf. parallel erledigt werden müssten. Es handele sich zudem um eine Maßregelung wegen seiner Ablehnung des Angebots des Beklagten zur Vergütungsänderung für die Rufbereitschaftsdienste.

7

Für Dezember 2008 habe er einen weiteren Vergütungsanspruch, da der Beklagte die Bereitschaftsdienste nicht arbeits- und tarifvertragskonform angeordnet habe. Der Beklagte habe schon keine betriebliche/dienstliche Notwendigkeit hierfür dargelegt; im Übrigen sei die Anordnung vertragswidrig, da im Wesentlichen Assistenzarzttätigkeiten verrichtet würden. Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003 seien nicht eingehalten worden, insbesondere habe der Dienstplan nicht rechtzeitig vorgelegen und habe nicht dem Rahmendienstplan entsprochen. Eine Arbeitszeitdauer von 10 Stunden sei ohne Erstellung einer Belastungsanalyse überschritten, das ArbZG nicht eingehalten worden. Der Beklagte könne nicht regelmäßige Arbeitszeit nach § 7 TV-Ärzte/VKA gegen faktorisierte Arbeitszeit aus Bereitschaftsdiensten aufrechnen. Er sei nicht zum Freizeitausgleich berechtigt gewesen und müsse alle im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste in Geld vergüten. Darüber hinaus habe der Beklagte einen tarifkonformen Freizeitausgleich nicht dargelegt.

8

Insgesamt ergebe sich unter Anrechnung der geleisteten Zahlung in Höhe von 1.656,96 Euro für diesen Monat ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 3.302,20 Euro. Dieser setze sich aus 102 Stunden Bereitschaftsdienst Stufe III Faktor 90 % á 39,45 Euro, dem Anspruch auf die Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro und aus verschiedenen Zeitzuschlägen nach § 11 TV-Ärzte/VKA zusammen.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm gegenüber Bereitschaftsdienste anzuordnen, wenn nicht während des gleichen Zeitraums in der Klinik ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung der Patienten der Abteilung für Neurologie zur Verfügung steht;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.302,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. März 2009 zu zahlen.

10

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Gesamttätigkeit des Klägers umfasse zu mehr als 50 % Oberarzttätigkeiten, sodass der Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt werde. Durch seine Einteilung zu Bereitschaftsdiensten sei eine ärztliche Versorgung auf Facharztniveau sichergestellt worden. Der Einsatz eines weiteren Arztes auf der Station sei weder erforderlich noch betriebswirtschaftlich tragbar. Einen Hintergrunddienst benötige der Kläger als Facharzt nicht. In Vertretungsfällen habe es noch nie Probleme gegeben, es könne auch auf die in anderen Abteilungen tätigen Ärzte zurückgegriffen werden. Der andersartige Einsatz im Vergleich zu den übrigen Oberärzten sei insbesondere durch den weiten Anfahrtsweg des Klägers begründet; die anderen Oberärzte seien in maximal 45 Minuten im Krankenhaus und würden deshalb zur Rufbereitschaft eingeteilt.

11

Der Kläger habe im Dezember 2008 faktorisiert 93,78 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. Davon seien 42 Stunden durch Freizeit ausgeglichen und 51,78 Stunden vergütet worden. Im Übrigen hätten eventuelle Verstöße gegen das ArbZG, gegen Bestimmungen des Arbeitsvertrags oder des TV-Ärzte/VKA bei der Anordnung des Bereitschaftsdienstes nicht zur Folge, dass Bereitschaftsdienst wie normale Arbeitszeit zu vergüten sei.

12

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zunächst insgesamt abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hiergegen hatte wegen Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht den Unterlassungsantrag erneut abgewiesen, aber dem Zahlungsantrag nunmehr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Unterlassung weiter, der Beklagte auf vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (zu I). Die zulässige Revision des Beklagten ist hingegen wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)begründet (zu II) und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Die auf Unterlassung der Anordnung bestimmter Bereitschaftsdienste gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

15

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der zur Entscheidung gestellte Antrag hinreichend bestimmt.

16

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, da andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann. Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25 mwN).

17

b) Diesem Erfordernis wird der Antrag zu 1. gerecht. Der Kläger will danach erreichen, dass ihm gegenüber keine Bereitschaftsdienste angeordnet werden, wenn nicht gleichzeitig ein anderer Arzt für die ärztliche Grundversorgung zur Verfügung steht. Der Begriff der „ärztlichen Grundversorgung“ macht den Antrag nicht unbestimmt. Ausweislich der Klagebegründung wehrt sich der Kläger insbesondere dagegen, im Rahmen des Bereitschaftsdienstes Tätigkeiten auszuführen, die typischerweise von Assistenzärzten wahrgenommen werden. Seine Tätigkeit will er demgegenüber auf die typischen Tätigkeiten eines Facharztes in der Funktion eines leitenden Oberarztes beschränkt wissen und dies durch gleichzeitige Dienstanordnung gegenüber einem anderen, untergeordneten Arzt sichergestellt wissen. In dieser Auslegung ist der Antrag insgesamt hinreichend bestimmt.

18

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Anordnung solcher Bereitschaftsdienste, in denen nicht gleichzeitig ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Ein Anspruch ergibt sich weder aus gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen noch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien.

19

a) Gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die Normen des ArbZG, verlangen nicht, dass generell Bereitschaftsdienst gegenüber einem Oberarzt nur angeordnet wird, wenn gleichzeitig ein untergeordneter Arzt Dienst hat und die ärztliche Grundversorgung wahrnimmt. Dies gilt auch hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Ruhepausen nach §§ 4, 7 ArbZG(vgl. zum Begriff: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 30, BAGE 132, 195). Es ist Sache des Beklagten, wie er die Einhaltung der Ruhepausen sicherstellt; dies verlangt nicht zwingend die vom Kläger angestrebte Maßnahme.

20

b) Ebenso wenig können Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA das klägerische Anliegen rechtfertigen.

21

aa) Nach § 7 Abs. 6, § 10 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA sind Ärztinnen und Ärzte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Die tarifliche Regelung unterscheidet nicht zwischen Ärzten verschiedener Vergütungsgruppen (§ 16 TV-Ärzte/VKA); auch leitende Oberärzte der Entgeltgruppe IV sind Ärzte, die den allgemeinen tariflichen Vorschriften - positiv wie negativ - unterliegen. Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes gehört zum ärztlichen Berufsbild (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 21, BAGE 135, 179; aA für Oberärzte wohl Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus 2. Aufl. Teil 5 C Rn. 3). Lediglich bei Teilzeitbeschäftigten ist nach § 7 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA deren Zustimmung bzw. eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung erforderlich. Diese Voraussetzung liegt nach dem Inhalt des Vergleichs vom 7. August 2007 vor.

22

bb) Bereitschaftsdienst darf nach § 10 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeit überwiegt (vgl. dazu BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Dass die vom Beklagten gegenüber dem Kläger angeordneten Bereitschaftsdienste der Stufe III diese Voraussetzung generell nicht erfüllen, hat der Kläger weder vorgetragen noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Beklagte bei der Gestaltung der Bereitschaftsdienste in einer Art und Weise gegen tarifliche Vorschriften verstößt, die generell eine Unterlassung der Anordnung solcher Dienste in der begehrten Form rechtfertigen würde. Gleiches gilt hinsichtlich des erforderlichen dienstlichen/betrieblichen Grundes. Selbst vom Kläger wird nicht in Frage gestellt, dass es zu bestimmten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes bedarf.

23

c) Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. August 1994 iVm. § 611 Abs. 1 BGB ist der Kläger verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu leisten, auch wenn kein (Assistenz-)Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt. Der Beklagte hat die Grenzen des Direktionsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO nicht überschritten.

24

aa) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient nur der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, beinhaltet aber nicht das Recht zu einer Änderung des Vertragsinhalts (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 24, BAGE 135, 239). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung; eine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten ist auch dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt wird (st. Rspr., zB BAG 20. November 2003 - 8 AZR 608/02 - zu II 2 a bb (2) der Gründe; zu Ausnahmen vgl. unten zu cc; zur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten vgl. § 17 TV-Ärzte/VKA und BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 17 ff.).

25

bb) Nach § 1 des Arbeitsvertrags ist der Kläger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes der Neurologie angestellt. Der Beklagte kann dem Kläger damit alle Tätigkeiten zuweisen, die mit der Aufgabenstellung eines leitenden Oberarztes verknüpft sind. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art der Dienste als auch hinsichtlich des Arbeitsinhalts.

26

(1) Ein Oberarzt ist zunächst einmal Arzt. Kernaufgabe des Arztes ist das fachgerechte Bemühen um Heilung des Patienten (MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 89 [zum Arztvertrag]). Die Tätigkeit als Arzt ist grundsätzlich mit einer spezifischen Verantwortung verbunden, die nicht auf andere Personen übertragen werden kann und darf. Nach § 11 Abs. 1, § 2 Abs. 3 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte(MBO-Ä 1997) idF des 114. Deutschen Ärztetages 2011 ist jeder Arzt im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet, seine Patienten gewissenhaft mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen sowie bei der Übernahme und Ausführung der Behandlung die gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst gewissenhaft auszuführen (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 48, BAGE 132, 365).

27

(2) Zu den spezifischen Aufgaben des Oberarztes gehören - bei Letztverantwortung des Chefarztes - in selbständiger medizinischer Verantwortung die Leitung von operativen Eingriffen und anderen Behandlungsmethoden und die Beratung und Beaufsichtigung der in seinem Bereich tätigen Assistenzärzte; er nimmt diesen gegenüber eine herausgehobene Stellung ein (Strauß Arbeitsrecht für Ärzte an Krankenhäusern S. 26; Thomae in Weth/Thomae/Reichold Arbeitsrecht im Krankenhaus Teil 5 C Rn. 2 f.; vgl. auch BVerwG 1. Juni 1995 - 2 C 20.94 - BVerwGE 98, 334 [zu einem beamteten Oberarzt]). Wie bei jeder anderen Tätigkeit gehören im Zusammenhang mit den Kernaufgaben stehende Tätigkeiten ebenso zum Berufsbild.

28

(3) In tarifrechtlicher Hinsicht ist Oberarzt nach der Protokollerklärung zu § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Dieses Tätigkeitsmerkmal ist nur erfüllt, wenn dem Oberarzt ein Aufsichts- und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist. Ihm muss mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II unterstellt sein (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 167/09 - Rn. 37; 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365). Die „medizinische“ Verantwortung eines Oberarztes geht über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinaus. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 49 mwN, aaO). Darüber hinaus vertritt der leitende Oberarzt den leitenden Arzt (Chefarzt) ständig in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben (§ 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA nebst Protokollerklärung).

29

cc) Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer in gewissen eng umgrenzten Fällen, etwa in Not- oder Ausnahmesituationen, auch ohne dessen Einverständnis eine vertraglich nicht geschuldete, geringerwertige Tätigkeit zuweisen (BAG 3. Dezember 1980 - 5 AZR 477/78 - zu II 2 der Gründe; 8. Oktober 1962 - 2 AZR 550/61 -; ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 4; Schaub/Linck 15. Aufl. ArbR-Hdb § 45 Rn. 37).

30

Die vom Kläger begehrte Unterlassung ist hingegen nicht beschränkt. Vielmehr begehrt er mit seinem Antrag eine Unterlassungsanordnung für alle solchen Bereitschaftsdienste und schließt eine Anordnungsbefugnis weder in Notfällen noch in Fällen des plötzlichen, nicht planbaren Ausfalls eines oder mehrerer anderer (Assistenz-)Ärzte aus dem Unterlassungsbegehren aus. Auch aus der Antragsbegründung lässt sich eine solche Einschränkung nicht erkennen, vielmehr vertritt der Kläger generell die Auffassung, eine Anordnung des Bereitschaftsdienstes als Vordergrunddienst scheide ihm gegenüber aus. Deshalb spricht manches dafür, dass er mit seinem Antrag Fallgestaltungen erfasst, für die die begehrte Unterlassung von vornherein nicht zu treffen ist (sog. Globalantrag, vgl. dazu BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 35; 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 23, BAGE 132, 195). Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen und es bedurfte keines Hinweises nach § 139 ZPO an den Kläger.

31

dd) Auch abgesehen von einer Anordnungsbefugnis in Not- und Ausnahmesituationen hat der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Unterlassungsanspruch.

32

(1) Im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit wird der Kläger vertragsgemäß als leitender Oberarzt (Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA) beschäftigt; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

33

(2) Während der streitgegenständlichen Bereitschaftsdienste muss der Kläger hingegen weit überwiegend (zu jedenfalls 80 %) typische Assistenzarzttätigkeiten erbringen und nur in geringem Umfang spezifisch fachärztliche Tätigkeiten. Ihm untergeordnete Ärzte kann er in dieser Zeit nicht anleiten. Es handelt sich aber um ärztliche Aufgaben, die Teil des Berufsbildes des Oberarztes sind. Der Umstand, dass eine bestimmte Aufgabe in der Regel durch einen Assistenzarzt unter Anleitung und Überwachung durch einen Oberarzt vorgenommen wird, bedeutet nicht, dass diese nicht in weiter gehender ärztlicher Verantwortung auch zum Aufgabengebiet des Oberarztes gehört. So steht einem Arzt die Vergütung einer höheren Entgeltgruppe nach § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA schon dann zu, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen dieser Entgeltgruppe erfüllen. Damit wird deutlich, dass Anteile der Beschäftigung auch Tätigkeiten umfassen können, die nicht entsprechend herausgehoben sind. Ebenso wenig muss in jeder Minute der Tätigkeit ein eingruppierungsrechtlich gefordertes Unterstellungsverhältnis auch tatsächlich zum Tragen kommen. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte Organisationsstruktur vorliegt und ein entsprechendes Weisungsrecht übertragen wurde (vgl. zu § 12 TV-Ärzte/TdL: BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 45, BAGE 132, 365).

34

Allerdings darf der Charakter der Tätigkeit als leitender Oberarzt durch die Übertragung bestimmter Aufgaben oder die Anordnung bestimmter Dienste unabhängig von deren zeitlichem Anteil nicht verloren gehen. Die typischen Aufgaben müssen der Tätigkeit weiterhin das Gepräge geben. Dies ist beispielsweise nicht mehr der Fall, wenn gegenüber einer Oberärztin die Teilnahme am Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte angeordnet wird (BAG 19. Dezember 1991 - 6 AZR 476/89 -). Die Situation bei dem Beklagten ist damit aber nicht vergleichbar; die Tätigkeit des Klägers verliert ihren Charakter durch einen ausschließlich von einem Oberarzt durchgeführten Bereitschaftsdienst nicht.

35

(3) Wie bereits unter 2 b aa dargelegt, gehört die Ableistung von Bereitschaftsdiensten zum ärztlichen Berufsbild. Dies schließt Oberärzte ein, was sich im Übrigen besonders deutlich aus dem Umstand ergibt, dass der nunmehr speziell für Ärzte von deren Berufsgruppengewerkschaft abgeschlossene TV-Ärzte/VKA insoweit nicht differenziert. Aus den in der Branche oder am Arbeitsort gegebenen Üblichkeiten folgt kein anderes Ergebnis. Eine Übung dahingehend, dass Oberärzte allein dann zu Bereitschaftsdiensten herangezogen werden, wenn zugleich ein anderer Arzt die ärztliche Grundversorgung übernimmt, behauptet der Kläger nicht und ist auch nicht ersichtlich. Zwar ist es im Allgemeinen so, dass Oberärzte zu Hintergrunddiensten (Rufbereitschaft) herangezogen werden und der Vordergrunddienst im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes durch Assistenzärzte ausgeübt wird. Dies ist auch die übliche Handhabung beim Beklagten. Zwingend ist dies aber nicht, vielmehr können sich aus der Organisation des Krankenhausbetriebs und der Situation der beteiligten Beschäftigten Abweichungen ergeben. So muss der Arzt während der Rufbereitschaft nach § 10 Abs. 8 TV-Ärzte/VKA bei Abruf in angemessener Zeit die Arbeit im Krankenhaus aufnehmen können. Sind Beschäftigte dazu beispielsweise aus persönlichen Gründen nicht in der Lage, kann es erforderlich werden, das übliche Muster der Diensteinteilung zu verändern.

36

(4) Eine solche Situation liegt im konkreten Fall vor. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 23. Januar 2006 eine Reaktionszeit von 45 Minuten von der Information des Hintergrunddienstes bis zur Aufnahme der Tätigkeit festgelegt. Dass dieser Wert willkürlich zu kurz festgesetzt wäre, hat der Kläger weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Eher erscheint die Reaktionszeit großzügig bemessen. Im Gegensatz zu den anderen Oberärzten kann der Kläger aufgrund seines Wohnorts in Frankfurt am Main - den er ausdrücklich gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 TV-Ärzte/VKA als Aufenthaltsort angezeigt hat - und der damit verbundenen Anfahrtszeit diese Zeit nicht verbindlich einhalten. Selbst wenn dies im Einzelfall gelingen mag, muss der Beklagte sich schon im Interesse der Patienten hierauf nicht einlassen. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, zum Zwecke einer gleichmäßigen Verteilung der Belastung durch Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste erstere auch gegenüber einem leitenden Oberarzt anzuordnen. Gründe, dass diese Anpassung an die persönlichen Umstände des Klägers nicht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entsprechen würde(vgl. dazu zuletzt BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28), sind nicht ersichtlich.

37

d) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 612a BGB.

38

aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung darf nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 34, BAGE 122, 1; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 101, 312). Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung(vgl. BAG 16. September 2004 - 2 AZR 511/03 - zu C III 2 der Gründe; 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B III 2 b der Gründe).

39

bb) Die Anordnung von Bereitschaftsdiensten, ohne dass zugleich ein anderer Arzt zur Gewährleistung der ärztlichen Grundversorgung zur Verfügung steht, ist keine Maßregelung iSd. § 612a BGB.

40

Der Beklagte kann die Bereitschaftsdienste im Rahmen der gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Vorgaben und unter Beachtung personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsrechte frei organisieren und zuteilen. Der Kläger ist arbeitsvertraglich - wie dargelegt - grundsätzlich zur Ableistung solcher Dienste verpflichtet. Eine Maßregelung könnte vorliegen, wenn die anderen Oberärzte ebenfalls Bereitschaftsdienste leisten würden und ihnen etwa ein Assistenzarzt zugewiesen wäre, dem Kläger dieser „Vorteil“ aber vorenthalten würde. Dies ist nicht der Fall, vielmehr wird gegenüber den anderen Oberärzten wegen der kürzeren Anfahrtszeit Rufbereitschaft angeordnet. Im Hinblick auf den Wohnort des Klägers ist auch nicht erkennbar, dass die Ablehnung der Vergütungsregelung für Rufbereitschaftsdienste der tragende Beweggrund war, ihm Bereitschaftsdienst zuzuweisen. Hiergegen spricht auch der zeitliche Ablauf: Die angebotene Vergütungsregelung lehnte der Kläger Anfang des Jahres 2006 ab; erstmals im Dezember 2008 wurden Bereitschaftsdienste in der streitgegenständlichen Form angeordnet. Im Übrigen benennt der Beklagte ausdrücklich wirtschaftliche Gründe dafür, dass der Kläger Bereitschaftsdienst ohne die zeitgleiche Anwesenheit eines anderen Arztes durchführen muss. Dem ist der Kläger nicht ernsthaft entgegengetreten.

41

II. Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechte des Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Revision führt insoweit zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache.

42

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Insbesondere sind die Revisionsschrift vom 8. Januar 2013 und die Revisionsbegründung vom 11. März 2013 ordnungsgemäß (§ 130 Nr. 6 ZPO) von einem Rechtsanwalt unterzeichnet (vgl. allgemein zu Zweck und Anforderungen an das Unterschriftserfordernis: BAG 5. August 2009 - 10 AZR 692/08 -; BGH 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 -). Beide Schriftsätze sind durch Rechtsanwalt K als Mitglied der zur Prozessführung beauftragten Anwaltskanzlei unterzeichnet. Damit ist davon auszugehen, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Schriftsätze übernimmt und nicht nur als Vertreter im Innenverhältnis tätig wird (vgl. BAG 11. August 1987 - 7 AZB 14/87 - zu II 1 letzter Abs. der Gründe; BGH 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - zu II 2 der Gründe). Hieran ändert der maschinenschriftliche Zusatz, der eigentlich Rechtsanwältin L als Unterzeichnerin der Revisionsschrift ausweist, nichts. Gleiches gilt hinsichtlich des Zusatzes in der Revisionsbegründung, wonach Rechtsanwalt K „für die urlaubsbedingt abwesende“ Rechtsanwältin L unterzeichnete.

43

2. Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

44

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn eine Entscheidung ohne entsprechenden Hinweis auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem auch ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG 17. Februar 2004 - 1 BvR 2341/00 - zu III 2 a der Gründe; BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 4). Zum Prozessverlauf gehören sowohl erteilte wie auch unterbliebene Hinweise. Kann deshalb ein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass er auf einen entscheidungserheblichen Punkt hingewiesen wird, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn ein entsprechender Hinweis unterbleibt (BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 6; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 16).

45

b) Der Beklagte hat einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in zulässiger Weise gerügt.

46

aa) Besteht der Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Hierzu muss er vortragen, welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10 mwN).

47

bb) Diese Anforderungen sind erfüllt. Der Beklagte hat konkret gerügt, das Landesarbeitsgericht hätte seine Einwendungen gegen den klägerischen Zahlungsanspruch nicht ohne Hinweis als unschlüssig ansehen dürfen. Er hat in seiner Revisionsbegründung im Einzelnen benannt, welchen Vortrag er bei entsprechendem Hinweis gehalten hätte, und damit die Entscheidungserheblichkeit der Rüge dargetan.

48

c) Die Verfahrensrüge des Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat einen notwendigen Hinweis iSd. § 139 Abs. 2 ZPO unterlassen und Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt.

49

aa) Das Landesarbeitsgericht hatte den Zahlungsanspruch des Klägers - ebenso wie bereits das Arbeitsgericht - durch Urteil vom 24. Februar 2011 zunächst abgewiesen. Begründet hat es diese Entscheidung insbesondere damit, dass es an einer Darstellung der Tatsachen und des Sachverhalts für die in das Rechenwerk des Klägers eingeflossenen Zahlen fehle. Nach Aufhebung dieses Urteils durch Beschluss des Senats vom 15. Juni 2011 (- 10 AZN 439/11 -) ist das Landesarbeitsgericht ohne relevanten neuen Sachvortrag des Klägers nunmehr davon ausgegangen, dessen Berechnung sei schlüssig. Den Erfüllungseinwand des Beklagten hat es hingegen als unschlüssig angesehen, weil dieser nicht dargetan habe, wann innerhalb von drei Monaten Freizeitausgleich für die im Dezember 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste gewährt worden sei. Dabei hat das Landesarbeitsgericht die ausführlichen Darstellungen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 als „nicht nachvollziehbar“ angesehen.

50

bb) Hiermit musste der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen. Vielmehr hätte das Landesarbeitsgericht darauf hinweisen müssen, dass es die Berechnung des Klägers nunmehr für schlüssig hält und an welcher Stelle es den Erfüllungseinwand des Beklagten als nicht ausreichend substanziiert ansieht. Mit einem solchen Hinweis konnte der Beklagte angesichts seines Obsiegens in zwei Instanzen rechnen. Aus dem Prozessverhalten des Landesarbeitsgerichts ließ sich für ihn nicht erkennen, dass es von seiner bisherigen Meinung abweichen würde. Insbesondere durfte der Beklagte mangels Hinweises davon ausgehen, dass der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 zur Erfüllung durch Freizeitausgleich ausreicht. Hinzu kommt, dass das Landesarbeitsgericht auf den Vortrag des Beklagten, wonach er einen Teil des Anspruchs in Geld erfüllt habe, mit keinem Wort eingeht.

51

cc) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht bei Beachtung seiner Hinweispflicht und Berücksichtigung des dann ggf. erfolgten Vortrags des Beklagten möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. BAG 15. Juni 2011 - 10 AZN 439/11 - Rn. 13; 8. Dezember 2010 - 5 AZN 956/10 - Rn. 8; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 19; 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 16, BAGE 117, 370).

52

3. Im Rahmen der neuen Verhandlung und der weiteren Sachaufklärung wird das Landesarbeitsgericht folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:

53

a) Streitgegenstand des Zahlungsantrags ist (nur) die Frage, in welcher Höhe vom Kläger im Dezember 2008 während der Bereitschaftsdienste geleistete Stunden einschließlich eventueller Zuschläge zu vergüten sind und ob ihm eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zusteht (vgl. die Berechnung im Schriftsatz vom 22. Mai 2009, S. 10). Dabei wird zunächst die Anzahl der tatsächlich während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden unter Berücksichtigung des Bewertungsfaktors von 90 vH (Bereitschaftsdienst Stufe III, § 12 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA) festzustellen sein.

54

b) Nach § 12 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung des ÄndTV Nr. 1 vom 8. April 2008 ist einem Arzt der Entgeltgruppe IV pro als Arbeitszeit gewertete Stunde Bereitschaftsdienst ein Betrag in Höhe von 32,00 Euro zu zahlen. Hinzu kommt nach Abs. 3 ein Zuschlag von 25 vH für jede als Arbeitszeit gewertete Stunde an einem Feiertag. Auf weitere Zeitzuschläge besteht hingegen kein Anspruch (§ 12 Abs. 3 Satz 2 TV-Ärzte/VKA). Es wird aufzuklären sein, inwieweit diese Ansprüche durch den Beklagten erfüllt wurden.

55

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die von ihm während der angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Stunden nicht als Vollarbeit zu vergüten und es besteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge nach § 11 TV-Ärzte/VKA. Es handelte sich um Bereitschaftsdienste im Tarifsinn; dies stellt auch der Kläger nicht in Frage (dazu oben zu I 2 b bb; vgl. auch BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu A II 1 c cc der Gründe, BAGE 106, 252). Selbst wenn der Beklagte bei der Anordnung dieser Dienste gegen Bestimmungen des ArbZG verstoßen haben sollte oder eine Anordnung erfolgte, obwohl es an der tariflich vorgesehenen Belastungsanalyse fehlte, hat das nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie volle Arbeitszeit zu behandeln wäre (zum ArbZG: BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 503/02 - zu III der Gründe; 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 - zu B II der Gründe, aaO). Gleiches gilt hinsichtlich der gerügten Verstöße gegen Bestimmungen der Dienstvereinbarung „Rahmendienstplan“ vom 1. Januar 2003; auch dadurch würde sich am Charakter der geleisteten Stunden als Bereitschaftsdienststunden nichts ändern.

56

c) Nach § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF(nunmehr § 12 Abs. 6 TV-Ärzte/VKA) kann statt der Vergütung (einschließlich eventueller Zuschläge für Feiertagsarbeit nach Abs. 3) innerhalb eines bestimmten Zeitraums Freizeitausgleich gewährt werden (vgl. dazu BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - BAGE 135, 179). Einer Zustimmung des Arztes bedarf es dazu nicht (anders zB im TVöD-K in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung: BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 716/08 -).

57

Entgegen der vom Landesarbeitsgericht ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung stehen Bestimmungen des ArbZG einem solchen Ausgleich nicht entgegen. Auch ein Verstoß gegen § 3 ArbZG würde nicht dazu führen, dass Bereitschaftsdienst wie Vollarbeit anzusehen ist; er verliert dadurch nicht den Charakter als Bereitschaftsdienst. Dem Arzt stehen - mangels abweichender vertraglicher Regelungen - nur die Ansprüche zu, die § 12 TV-Ärzte/VKA gewährt. Dies gilt für Vergütungsansprüche (dazu oben zu b) ebenso wie für Freizeitausgleich, der an deren Stelle tritt.

58

Die Tarifnorm differenziert nach ihrem Wortlaut nicht danach, in welchem Umfang Vollarbeit und Bereitschaftsdienst geleistet wurden. Auch die Tarifsystematik und Sinn und Zweck der Regelung stehen einem Freizeitausgleich nicht entgegen. Zeit eines Bereitschaftsdienstes ist zwar Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 - Rn. 14 mwN). Die Zeit eines Bereitschaftsdienstes unterscheidet sich jedoch qualitativ von der vollen Arbeitszeit, die eine kontinuierliche Erbringung der Arbeitsleistung erfordert. Aus diesem Grund sind die Tarifvertragsparteien frei darin, die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich in ein bestimmtes Verhältnis zur regulären Arbeitszeit zu setzen und eine gesonderte Vergütungsregelung für diese besondere Form der Arbeit vorzusehen (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 877/12 - Rn. 23; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 mwN). Gleiches gilt für einen an die Stelle der Vergütung tretenden Freizeitausgleich, wie ihn § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF vorsah. Aus dem Tarifvertrag lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Möglichkeit des Freizeitausgleichs ab einer bestimmten Menge angeordneten Bereitschaftsdienstes entfallen sollte. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der arbeitschutzrechtlichen Zwecksetzung des ArbZG. Dessen Normen dienen der Begrenzung der Arbeitszeiten und dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer Überlastung (vgl. zB zu den Regelungen über Ruhepausen: BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 27, BAGE 132, 195). Eine tarifliche Regelung, die für längere Arbeitszeiten iSd. ArbZG (zB bei einer Arbeitszeitverlängerung durch Zeiten des Bereitschaftsdienstes) einen Freizeitausgleich gewährt, entspricht gerade diesem Zweck. Im Hinblick auf den betroffenen Arbeitnehmer wäre es arbeitsschutzrechtlich deshalb geradezu kontraproduktiv, wollte man den Freizeitausgleich bei Überschreiten gesetzlicher Höchstarbeitszeitgrenzen ausschließen.

59

Ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte dem Kläger - wie bereits mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 angekündigt - tatsächlich Freizeitausgleich unter Einhaltung der Vorgaben des § 12 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA aF gewährt hat, wird zu klären sein.

60

d) Ein Anspruch auf eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA dürfte schon deshalb nicht bestehen, weil der Kläger keine Wechselschichtarbeit im Tarifsinn leistet. Die Unterbrechung der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienste steht dem entgegen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 255/10 - [zu vergleichbaren Bestimmungen des TVöD]).

61

III. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Fieback    

        

    Rigo Züfle    

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.

(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.