Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Juni 2017 - 8 Sa 4/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0627.8Sa4.17.00
bei uns veröffentlicht am27.06.2017

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.11.2016 - Az.: 2 Ca 1447/16 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit zweier Arbeitgeberanordnungen.

2

Der ledige Kläger wurde von der Beklagten zunächst mit Vertrag vom 27.12.1994 eingestellt und dann mit Arbeitsvertrag vom 08.01.1996 bei einem Bruttomonatsentgelt von - zuletzt - 2.100,00 EUR gemäß Ziffer 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages ab dem 01.01.1996 als Produktionsmitarbeiter/ Maschinenführer verbunden mit der Verpflichtung auch an anderer Stelle eine zumutbare Tätigkeit zu übernehmen beschäftigt.

3

Die Beklagte produziert Mineralwasser, Konsumgetränke und Kohlensäuren in eigener Abfüllanlage. In der Getränkeverfüllung in (Glas-) Mehrwegflaschen gibt es insgesamt neun Arbeitsplätze (Leergutannahme, Flaschenabfüllung, Einlagerung und Kommissionierung - der Betriebsschlosser wird auch mit der Leergutannahme befasst). Sechs Arbeitsplätze davon befinden sich im Abfüllbereich (Überwachung des laufenden Förderbands sowie der verschiedenen Maschinenschnittstellen). Am Ende des Abfüllbandes werden schon abgefüllte und in Kisten verpackte Mehrwegflaschen im Bereich Palettierung/ Kommissionierung von zwei Arbeitnehmern per Gabelstapler auf eine Palette gestellt, sortenrein eingelagert und anschließend bestellungsgemäß kommissioniert.

4

Der Kläger war während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit verschiedenen Tätigkeiten im Abfüllbereich befasst. Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 17.10.1996, 14.10.2007 sowie vom 29.07.2013 schriftlich ermahnt. Ferner erhielt er die schriftlichen Abmahnungen der Beklagten vom 24.03.2000, 10.07.2001, 01.06.2004, 21.04.2010, 07.07.2010, 22.07.2013, 16.06.2014, 06.10.2015 und 19.10.2015 Die Abmahnung vom 7. Juli 2010 (Bl. 56 d.A.) nahm die Beklagte mit Schreiben gleichen Datums wieder zurück (Bl. 57 d.A.).

5

Wohl am 05.10.2015 fand im Beklagtenbetrieb aufgrund externer Anfragen zu einer kurzfristigen Übernahme zusätzlicher Abfüllaufträge eine Betriebsversammlung statt, um die Erbringung etwaiger Maschinenmehrlaufzeiten mit der Belegschaft abzuklären. Die Arbeitnehmer votierten im Nachgang hierzu mehrheitlich positiv. Allerdings setzte der Kläger am 14.10.2015 eine SMS- oder Whatsapp-Nachricht mit dem Inhalt ab:

6

"Das wird eine schöne vor Weihnachtszeit dank F. und G.. ich bedanke mich schon mall im voraus"

7

Zumindest dem Beklagtenmitarbeiter und Produktionsleiter F., zugleich der Vorgesetzte des Klägers im Abfüllbereich, ging diese Nachricht zu und nahm diese sodann zum Anlass einer Beschwerde beim Beklagtengeschäftsführer. Daraufhin führte der Beklagtengeschäftsführer am 19. Oktober 2015 mit dem Kläger ein Personalgespräch, in dem es insbesondere hierum - auch mit Blick auf den aktuellen Betriebsfrieden und die kollegiale Zusammenarbeit insgesamt - ging. Der genaue Inhalt und das Ergebnis des Gesprächs sind zwischen den Parteien strittig.

8

Der Kläger war sodann nachfolgend vom 21. bis 23. Oktober 2015 erkrankt. Seit dem 26. Oktober 2015 wurde und wird er in der Kommissionierung eingesetzt, womit sich auch Vornahmen wie das Verbringen von PET-Flaschen in die Müllpresse verbanden. Zur gleichen Zeit - 26. Oktober 2015 - stellte die Beklagte einen neuen Mitarbeiter ein und zwar für die Phase der Mehrproduktion befristet bis zum 31. Dezember 2015.

9

Dem Kläger wurde am 14.12.2015 vom Beklagtengeschäftsführer angetragen, den Flurfördermittelschein mittels einer entsprechenden zeitnahen Schulung zu erwerben, damit er auch im Segment Palettierung eingesetzt werden könne. Am 17.12. 2015 erklärte der Kläger dem Beklagtengeschäftsführer sodann, dass er den Flurfördermittelschein nicht machen könne. Als der Kläger am 18.12.2015 wiederum einwandte, dass An- und Abreise zum Lehrgang samt Tagesschulung nicht binnen 8 Stunden zu bewältigen seien, sagte ihm der Beklagtengeschäftsführer ergänzend die Übernahme von Fahrtkosten und die Vergütung der Fahrzeit wie Arbeitszeit zu. Ein dringendes Urlaubsgesuch des Klägers für den 21.12 bis 23.12.2015 zog dieser nach Arbeitgeberhinweis auf mangelndes Urlaubsguthaben wieder zurück. Letztlich war der Kläger aber zwischen dem 21. und 23.12. 2015 arbeitsunfähig erkrankt.

10

Mit Bevollmächtigtenschreiben vom 20.12.2015 ließ er die Beklagte zur vertragsgemäßen Beschäftigung auffordern. In dem darauffolgenden Schriftwechsel vom 07.01.2016, 27.01. 2016, 10.02.2016, 29.03.2016 und 14.04.2016 war vonseiten der Beklagen zuletzt nochmals eine Aufforderung geschehen, den Gabelstaplerschein zu erwerben.

11

Der Kläger erhob schließlich mit Gerichtseingang vom 04. 05.2016 und Zustellung am 14.05.2016 die vorliegende Klage.

12

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 23.11.2016 Bezug genommen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die zulässige Klage unbegründet sei, dass sowohl die Zuweisung von Tätigkeiten im Bereich der Pallettierung /Kommissionierung als auch die Anordnung einer Schulung für den Flurfördermittelschein vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht der Beklagten aus § 106 S. 1 GewO gedeckt sei. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 23.11.2016 Bezug genommen.

14

Der Kläger hat gegen das ihm am 12.12.2016 zugestellte Urteil mit am 06.01.2017 vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 09.02.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

15

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 110 ff. d. A.), macht der Kläger zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

16

Das Arbeitsgericht habe insbesondere unzutreffend angenommen, dass die Anordnungen billigem Ermessen entsprächen, sie seien vielmehr willkürlich und missbräuchlich. Die Beklagte habe keine Interessenabwägung vorgenommen, als sie dem Kläger nicht nur eine andere Arbeitszeit, sondern auch einen anderen Arbeitsort aufgebürdet habe. Auch aufgrund des Umstandes, dass an seinem vorherigen Arbeitsplatz an der Flaschenreinigungsmaschine weiterhin Arbeitsbedarf bestünde und deshalb auch neue Arbeitnehmer eingestellt würden, könne davon ausgegangen werden, dass die Umsetzung schikanös gewesen sei. Eine Sozialauswahl habe nicht stattgefunden. Gleiches gelte für die geforderte Schulungsteilnahme zum Erwerb eines Gabelstaplerscheins. Da es bereits Arbeitnehmer gebe, die einen solchen besäßen, sei dieser für ihn nicht von Nöten. Vielmehr diene diese Anordnung allein dazu, den Kläger aus dem Betrieb zu ekeln.

17

Der Kläger beantragt,

18

das Urteil des Arbeitsgericht Koblenz vom 23.11.2016 – 2 Ca 1447/16 abzuändern und
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiterhin zu ungeänderten Konditionen als Produktionsmitarbeiter und Maschinenführer zu beschäftigen
2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, einen Gabelstaplerführerschein zu erwerben.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und verweist darauf, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz kein überwiegendes Interesse seinerseits an der bisherigen Tätigkeit mit der bisherigen Arbeitszeit habe darlegen können und dieses auch nicht ersichtlich sei. Gleiches gelte für die Schulungsteilnahme für einen Flurbeförderungsschein für die Arbeit im Bereich Pallettierung/Kommissionierung.

22

Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden.

II.

24

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Deshalb kann hinsichtlich des Antrags zu 2) dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 Abs. 1 ZPO vorliegt, denn dieses ist Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil (vgl. BAG 23.03.2016 - 5 AZR 758/13 - Rn. 18 mwN; BAG 15.07.2009 - 5 AZR 921/08 - Rn. 12 mwN).

25

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, weiter an der Flaschenreinigungsmaschine eingesetzt zu werden, vielmehr war die Zuweisung der Tätigkeit in der Pallettierung/Kommissionierung rechtens. Gleichfalls ist auch die Anordnung der Beklagten zur Teilnahme an einer Schulung zum Erwerb des Gabelstaplerscheins nicht zu beanstanden. Denn beide Maßnahmen sind vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht der Beklagten gedeckt und entsprechen auch billigem Ermessen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

26

Die Berufungskammer folgt den sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und der Begründung. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung.

27

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist ergänzend auszuführen:

28

1. Die Zuweisung der Tätigkeit in der Pallettierung/Kommissionierung vom 19.10./26.10.2016 war insbesondere unter den Voraussetzungen des § 106 S. 1 GewO rechtmäßig, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmt, soweit diese Bedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlichen Vorschriften festgelegt sind.

29

a) Indem der Arbeitsvertrag die Tätigkeit des Klägers mit Produktionsmitarbeiter/Maschinenführer umschreibt, gehören zu seiner geschuldeten Arbeitsleistung alle (Helfer-)Tätigkeiten, die in der Produktion von Konsumgetränken, wie Mineralwasser und Kohlensäure, anfallen. Deshalb kann er grundsätzlich vielseitig in allen Bereichen des Produktionsablaufs eingesetzt werden. Zum Produktionsablauf gehört neben dem Abfüllvorgang aber auch die sich anschließende Pallettierung und Kommissionierung der hergestellten Getränke, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführlich ausgeführt hat.

30

Entgegen der Auffassung des Klägers führt der Umstand, dass er wohl überwiegend an der Flaschenreinigungsmaschine in der Produktionshalle eingesetzt war und er jedenfalls seit dem Jahr 1998 dabei eine tägliche Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 15:45 Uhr hatte, für sich genommen nicht zu einer entsprechenden Konkretisierung des Arbeitsvertrages. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien damit auch nicht stillschweigend – getroffen. Allein die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht, denn sie hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (std. Rspr., vgl. zB BAG 10.12.2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 15 mwN). Andere Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.

31

b) Die in Streit stehende Weisung wahrt auch die Grenzen billigen Ermessens.

32

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es insofern weder darauf an, ob und welche Erwägungen die Beklagte angestellt hat, noch stellt die letzte mündliche Verhandlung den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Weisung dar.

33

Denn dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB allein die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es deshalb nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 26). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128, BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 - Rn. 28 m.w.N., AP Nr. 32 zu § 106 GewO)).

34

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. (std. Rspr., zuletzt z.B. BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 - Rn. 29 m.w.N., AP Nr. 32 zu § 106 GewO).

35

Nach diesen Grundsätzen ist die Zuweisung der Tätigkeit in der Palletierung/Kommissionierung nicht zu beanstanden, da sie die Grenzen billigen Ermessens wahrt, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat.

36

Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, den Kläger nicht mehr in der Produktionshalle beim eigentlichen Abfüllvorgang einzusetzen. Denn der Kläger hatte am 14.10.2016 zumindest an seinen Vorgesetzten F. eine Nachricht geschickt, in der er nicht nur seinen Unmut über die Zustimmung der Belegschaft zur Auftragsübernahme kund tut, sondern dabei auch unmissverständlich seinen Vorgesetzen als „Schuldigen“ ausmachte. Dieser hat sich daraufhin unstreitig beim Geschäftsführer der Beklagten über das Verhalten des Klägers beschwert. Die Beklagte hat jedoch ein berechtigtes Interesse daran bestehende Konflikte zu lösen bzw. sich anbahnende Konflikte zu vermeiden, um so einen möglichst reibungslosen Produktionsablauf und den Betriebsfrieden sicherzustellen. Es ist Sache des Arbeitgebers, ob und wie er auf Spannungen zwischen Arbeitnehmern durch Ausübung des Direktionsrechts reagiert (std. Rspr. vgl. etwa BAG 24.04.1996 - 5 AZR 1031/94 -, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 48, LAG Schleswig-Holstein 02.05.2007 – 6 Sa 504/06, NZA-RR 2007, 402 ). Der Arbeitgeber muss in einer solchen Situation auch nicht mit aus seiner Sicht ungewissen Ergebnissen daraufhin prüfen, wer die Ursache für den Konflikt gesetzt hat, sondern kann unmittelbar auf die für ihn einfachste und nachhaltigste und aus seiner Sicht zweckmäßigste Maßnahme zurückgreifen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 15.02.2013 – 6 Sa 441/12).

37

Überwiegende Interessen des Klägers stehen den Interessen der Beklagten nicht entgegen. Allein der nachvollziehbare Wunsch des Klägers, weiterhin mit der bisherigen Tätigkeit an der Flaschenreinigungsmaschine mit einer Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 15:45 beschäftigt zu werden, stellt kein solches Interesse dar. Darüber hinausgehende Umstände oder schutzwürdige Belange hat er hingegen bis zuletzt nicht aufgezeigt. Er ist ledig und hat auch sonst keine besonderen sozialen Lebensumstände dargelegt, die ein überwiegendes Interesse begründen könnten. Allein der Umstand, dass der Kläger seine privaten Gewohnheiten nach den bisherigen Arbeitszeiten eingerichtet hat, ist hierfür nicht ausreichend.

38

Schließlich war die Zuweisung der Tätigkeit in der Pallettierung/Kommissionierung auch nicht willkürlich, da sie auf Dauer angelegt war. Denn § 106 GewO fordert lediglich, dass die Maßnahme des Arbeitgebers noch billigem Ermessen entspricht. Sie fordert damit nicht stets den optimalen Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. Erst dann, wenn sich einem objektiven Beobachter aufdrängen muss, dass der Arbeitgeber hier zu einer Maßnahme gegriffen hat, die deutlich über das Ziel, welches er mit ihr verfolgt hinausschießt, und die Maßnahme den Arbeitnehmer damit sozusagen unnötig belastet, kann sie gegen billiges Ermessen verstoßen (vgl. so auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 08.03.2011 – 5 Sa 269/10 -). Davon kann hier aber keine Rede sein. Zum einem verkennt der Kläger, dass - auch wenn seine Nachricht an den Vorgesetzten anlassbezogen war - mit Abarbeitung des zusätzlichen Auftrags nicht automatisch die Spannung zwischen ihm und dem Vorgesetzten entfallen ist. Deshalb ist es auch ohne Relevanz, dass die Beklagte seine bisherige Tätigkeit wieder neu besetzt hat. Zum anderen hat die Beklagte den Kläger auch nicht mit Zuweisung der neuen Tätigkeit mit geänderter Arbeitszeit schikaniert. Denn die Arbeitszeit bei seiner jetzigen Tätigkeit ist nicht extra für ihn von 10:00 bis 18:45 Uhr festgelegt worden, sondern war an diesem Arbeitsplatz anders als bei den Arbeitsplätzen im eigentlichen Abfüllvorgang schon immer so. Der Kläger vermochte dementsprechend auch keinen anderen Arbeitnehmer benennen, der an seinen jetzigen Arbeitsplatz mit einer täglichen Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 16:45 Uhr zuvor gearbeitet hätte. Eine Sozialauswahl findet im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts nicht statt (vgl. BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 - Rn. 29 m.w.N., AP Nr. 32 zu § 106 GewO). Im Übrigen bleibt auch völlig unklar, wem nach Ansicht des Klägers an seiner Stelle die jetzige Tätigkeit hätte zugewiesen werden sollen, da die SMS, die Auslöser der Spannungen war, vom Kläger und niemand anderem versandt worden war. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die zugewiesene Tätigkeit in der Lager- statt in der Abfüllhalle auszuüben ist. Beide Hallen liegen auf demselben Betriebssitz nur wenige hundert Meter auseinander. Einer besonderen Rechtfertigung für diesen Arbeitsort bedurfte es daher schon nicht. Zumal dieser andere Arbeitsort auch zur Konfliktmeidung beiträgt, da der Vorgesetzte F. seinen Arbeitsplatz in der Produktionshalle hat.

39

2. Ebenso wenig ist die Anordnung vom 14.12.2016 zur Teilnahme an einer Schulung zum Erwerb des Flurfördermittelscheins zu beanstanden.

40

Der Arbeitgeber ist im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 GewO grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer anzuweisen, an Schulungen teilzunehmen, soweit diese Schulungen bzw. Fortbildungsmaßnahmen der Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit förderlich sind, d.h. soweit die im Rahmen der Schulung vermittelten Kenntnisse typischerweise im vereinbarten Tätigkeitsbereich einzusetzen sind (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 23.01.2013 – 8 Sa 355/12 – Rn. 40, LAG Hessen 11.04.2007 - 8 Sa 1279/06 - zitiert nach Juris).

41

Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Erwerb des Flurfördermittelscheins dient dazu, die typischerweise im Rahmen der Kommissionierung anfallende Arbeiten allesamt ohne fremde Hilfe wahrzunehmen. Denn die Palletten werden im Lager aufeinandergestapelt gelagert, so dass je nach zu kommissionierender Ware und Menge das Bedienen eines einfachen Hubwagens nicht ausreicht, um die benötigte Ware bereitzustellen. Vielmehr bedarf es hierzu eines Gabelstaplers, den der Kläger jedoch erst nach Teilnahme an der Schulung mit Erwerb des Flurfördermittelscheins bedienen darf.

42

Hingegen hat der Kläger auch im Berufungsverfahren kein berechtigtes Interesse vorgetragen, das der Teilnahme an der benötigten Schulung entgegenstünde. Ein solches ist auch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass er bei seiner bisherigen langjährigen Tätigkeit an der Flaschenreinigungsmaschine einen Flurfördermittelschein nicht benötigte, vermag hierfür nichts herzugeben, da die Zuweisung der jetzigen Tätigkeit in der Kommissionierung rechtens war und damit allein maßgeblich ist, ob die Schulung für die nunmehrige Tätigkeit förderlich ist. Allein der Umstand, dass diese Weisung dem Kläger missfiel, da er damit flexibler einsetzbar ist, vermag kein dem berechtigten Verlangen der Beklagten entgegenstehendes Interesse zu begründen.

III.

43

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

44

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Juli 2013 - 11 Sa 142/13 - aufgehoben, soweit es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14. Dezember 2012 - 3 Ca 453/12 Ö - abgeändert und zugunsten der Klägerin „einen Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 109,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012“ festgestellt hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 73 % und das beklagte Land 27 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens die Klägerin 68 % und das beklagte Land 32 %. Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Zeitguthabens der Klägerin aufgrund im Schuljahr 2011/2012 erbrachter Arbeitsleistungen.

2

Die 1960 geborene Klägerin ist beim beklagten Land seit dem 1. August 2004 als pädagogische Mitarbeiterin an der Grundschule B beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 5. Juli 2004 (im Folgenden Arbeitsvertrag) regelt ua.:

        

㤠1

        

Frau S

        

wird als nicht vollbeschäftigte pädagogische Mitarbeiterin

        

☒      

zur regelmäßigen stundenweisen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten mit regelmäßig drei Stunden wöchentlich,

                 

das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 120 Stunden im Schuljahr

                 

(durchschnittliche Wochenstundenzahl x 40 Wochen im Schuljahr bzw. x Anzahl der Schulwochen bei kürzeren Zeiträumen)

                 

(Vertrag für den regelmäßigen Einsatz)            

                 

☒       

und (bei kombinierten Verträgen)

        

☒       

zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes

                 

nach den Vorgaben des § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21.12.2000 in der jeweils geltenden Fassung

                 

mit durchschnittlich regelmäßig 10 Stunden wöchentlich,

                 

das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 400 Stunden im Schuljahr

                 

(durchschnittliche Wochenstundenzahl x 40 Wochen im Schuljahr bzw. x Anzahl der Schulwochen bei kürzeren Zeiträumen)

                 

(Stundenrahmenvertrag)

        

an der GS B (Schule(n) - ggf. Stammschule unterstreichen!)

        

eingestellt.

        

…       

        

§ 2

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

        

…       

        

§ 4

        

Die/Der Angestellte ist kraft dieses Arbeitsvertrages in die Vergütungsgruppe

        

☐   V b

☒   VI b

☐   VII BAT eingruppiert.

        

…“    

        
3

Am 1. Februar 2006 schlossen die Parteien einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 5.7.2004“ (im Folgenden Änderungsvertrag) der auszugsweise lautet:

        

㤠1

        

☒       

Die in § 1 des o.g. Arbeitsvertrages festgelegte Stundenzahl zur regelmäßigen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten wird ab 1.2.2006 unbefristet von bisher 3 Stunden auf nunmehr 5 Stunden wöchentlich erhöht.

        

☒      

Die in § 1 des o.g. Arbeitsvertrages festgelegte Stundenzahl zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes wird ab 1.2.2006 unbefristet von bisher 10 Stunden auf nunmehr 7 Stunden wöchentlich gekürzt.

        

Das entspricht einer Gesamtstundenzahl von nunmehr 480 Stunden im Schuljahr.“

4

Die Klägerin erhält auch während der Schulferien eine verstetigte monatliche Vergütung. Ein Arbeitszeitkonto wird für die Klägerin nicht geführt.

5

Das beklagte Land verfolgt das Konzept der sog. „Verlässlichen Grundschule“, das durch unterrichtsergänzende Angebote an Grundschulen ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicherstellen soll. Zur Durchführung des Konzepts wird den einzelnen Grundschulen ein Budget entsprechend dem Runderlass „Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule“ des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 18. Mai 2004 (im Folgenden Runderlass) zugewiesen. Darin heißt es auszugsweise:

        

„2.3 Bewirtschaftung des Budgets

        

…       

        

Beim Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote sind Zeitstunden zugrunde zu legen, beim Einsatz während der Unterrichtszeit in einer Klasse ist eine Unterrichtsstunde wie eine Zeitstunde zu rechnen.

        

…“    

6

Bis zum Ende des Schuljahres 2008/2009 rechnete das beklagte Land die auf Abruf erbrachten Einsätze der Klägerin während der Unterrichtszeit mit einer Dauer von 45 Minuten (sog. Vertretungsstunden) und ihre regelmäßigen Einsätze im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote (sog. Betreuungsstunden) gleichermaßen je angefangene Stunde als eine Zeitstunde (60 Minuten) auf die vereinbarte Gesamtstundenzahl an. Seit Beginn des Schuljahres 2009/2010 berücksichtigt das beklagte Land unterrichtsergänzende Betreuungsleistungen minutengenau.

7

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre regelmäßigen Einsätze im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote seien nicht minutengenau, sondern unabhängig von der tatsächlichen Dauer mit 60 Minuten je angefangener Zeitstunde zu bewerten. Die für Vertretungsstunden geltenden Grundsätze seien zu übertragen. Dies ergebe sich aus § 1 Arbeitsvertrag und § 1 Änderungsvertrag sowie Ziff. 2.3 Runderlass. Während der Vertretungsstunden seien die Schüler lediglich zu beaufsichtigen, demgegenüber erfordere die Durchführung unterrichtsergänzender Angebote, im Rahmen derer sie zB Basteln, Tänze und Italienisch anbiete, eine erhebliche Vorbereitungszeit. Bei zutreffender Bewertung der Betreuungszeiten im Schuljahr 2011/2012 habe sie mehr Stunden geleistet als vertraglich vereinbart. Sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung des zu ihren Gunsten bestehenden Zeitguthabens.

8

Die Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Bedeutung - in den Vorinstanzen beantragt

        

festzustellen, dass ihr gegen das beklagte Land ein Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 112,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012 zusteht.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin verlangte Berechnung sei nicht ersichtlich. Bei Tätigkeiten im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote seien Vorbereitungszeiten nicht zu berücksichtigen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit in der Revision noch von Bedeutung - überwiegend stattgegeben und zugunsten der Klägerin ein Zeitguthaben in Höhe von 109,75 Stunden festgestellt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

11

Mit Verfügung vom 29. Februar 2016 hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung iSv. § 256 ZPO nicht ersichtlich und dem Antrag nicht mit der in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geforderten Bestimmtheit die Bedeutung des Begriffs „Zeitguthaben“ zu entnehmen sei. Danach hat die Klägerin die Klage erweitert und beantragt nunmehr hilfsweise, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin für das Schuljahr 2011/2012 eine restliche Vergütung von 1.962,33 Euro brutto (109,75 Stunden x 17,88 Euro brutto) zu zahlen.

12

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er sei von der Vorinstanz nicht auf die mögliche Unbestimmtheit des Antrags und ein etwaig fehlendes Feststellungsinteresse hingewiesen worden. Wäre dies erfolgt, hätte er einen Zahlungsantrag gestellt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das den Feststellungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise stattgegeben (A). Der erstmals in der Revision hilfsweise gestellte Zahlungsantrag ist unzulässig (B).

14

A. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu Unrecht für zulässig erachtet.

15

I. Es fehlt bereits am erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Klägerin hat mit ihrem Antrag, ein „Zeitguthaben von 109,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012“ festzustellen, eine unzulässige Elementenfeststellungsklage erhoben.

16

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - (BAG 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 18; 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 13 f.). Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall jedoch nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 15). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden.

17

2. Die von der Klägerin begehrte Feststellung wäre nicht geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ausschließen. Der Feststellungsantrag ist lediglich auf die Entscheidung über eine - vorgreifliche - Rechtsfrage gerichtet, deren Klärung nicht zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien führen könnte. Mit einer klagestattgebenden Entscheidung wäre, wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, nur das Bestehen eines Zeitguthabens, nicht aber die Rechtsnatur und weitere Behandlung desselben geklärt. Es bliebe zwischen den Parteien offen, ob und ggf. mit welchen Modalitäten das Stundenguthaben in Geld oder Freizeit abzugelten oder möglicherweise im laufenden oder einem folgenden Schuljahr vom vereinbarten Stundenkontingent abzuziehen wäre. Die Abwicklung des festgestellten „Zeitguthabens“ könnte von den Parteien nicht ohne weiteres, wie für die Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage erforderlich, vergleichbar mit einer einfachen Rechenaufgabe (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 15), umgesetzt werden.

18

II. Dem Senat ist ein Sachurteil nicht möglich, obwohl das Feststellungsinteresse echte Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil ist (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 13 mwN, BAGE 128, 73; 15. Juli 2009 - 5 AZR 921/08 - Rn. 12) und das Revisionsgericht auch bei seinem Fehlen jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt ist, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa wenn die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - BAGE 128, 73; 6. Oktober 2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 16).

19

1. Die Klage wäre zwar in der Sache abweisungsreif, denn das beklagte Land ist nicht verpflichtet, die Betreuungstätigkeiten der Klägerin unabhängig von der tatsächlichen Dauer mit 60 Minuten je angefangener Zeitstunde auf die von der Klägerin als Gegenleistung für die Vergütung zu erbringenden Arbeitsstunden anzurechnen. Für die von der Klägerin begehrte Gewichtung der Betreuungszeiten fehlt es an einer Anspruchsgrundlage, die abweichend vom im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144) eine Vergütungspflicht oder Freizeitausgleich als gleichwertige Leistung (vgl. BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - Rn. 23; 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 22) ohne Arbeit regelte. Ziff. 2.3 Runderlass sieht die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge - unbeschadet der weiteren, von der Klägerin nicht dargelegten Voraussetzungen unter denen der Runderlass als anspruchsbegründend herangezogen werden könnte (vgl. hierzu BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 423/10 - Rn. 30; 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 48, BAGE 145, 341) - ausdrücklich nur für Vertretungsstunden vor. § 1 Arbeitsvertrag regelt ebenso wie § 1 Änderungsvertrag die Art des Einsatzes der Klägerin und das Volumen der geschuldeten Arbeitsleistung, nicht aber die Gewichtung erbrachter Arbeitsleistungen.

20

2. Ein klageabweisendes Sachurteil scheidet jedoch aus, weil der Feststellungsantrag nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und die Klage auch aus diesem Grund unzulässig ist. Dem Antrag der Klägerin ist die Bedeutung des Begriffs „Zeitguthaben“ nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen. Die eigentliche Streitfrage könnte, selbst wenn man das Feststellungsinteresse dahinstehen ließe, zwischen den Parteien nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden werden.

21

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat (BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169). An die Bestimmtheit eines Feststellungsantrags sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines Leistungsantrags (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 35). Auch wenn das Bestehen oder der Umfang eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs zur gerichtlichen Entscheidung gestellt wird, muss zuverlässig erkennbar sein, worüber das Gericht eine Sachentscheidung treffen soll (BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 520/10 - Rn. 14, BAGE 139, 190; 14. Dezember 2011 - 5 AZR 675/10 - Rn. 11).

22

b) Der Antrag lässt auch bei gebotener, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten Auslegung (vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 11; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11) den Inhalt der von der Klägerin begehrten Entscheidung nicht erkennen.

23

aa) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto nach tariflichen Bestimmungen nicht geführt. Ohne die Führung eines Arbeitszeitkontos bleibt offen, was unter einem „Zeitguthaben“ zu verstehen sein soll und welche Ansprüche sich hieraus für die Klägerin ergeben könnten. Es bleibt ungewiss, was Inhalt eines ggf. festgestellten Zeitguthabens wäre und was als Folge der Feststellung vom beklagten Land verlangt würde.

24

bb) Die an der Schule geführte Liste über geleistete Vertretungsstunden betrifft nicht die vorliegend im Streit stehenden regelmäßigen Einsätze von pädagogischen Mitarbeitern im Rahmen unterrichtsergänzender Angebote. Der Antrag wäre im Übrigen auch dann unbestimmt, wollte man hierin nicht nur interne Aufzeichnungen der Schule, sondern eine mit einem Arbeitszeitkonto vergleichbare Aufstellung sehen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise ein festzustellendes „Zeitguthaben“ in die Liste eingehen sollte. Wie der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, erforderte die hinreichende Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) eines auf Feststellung eines Zeitguthabens auf einer Stundenaufstellung gerichteten Antrags - unbeschadet der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen - eine Konkretisierung, an welcher Stelle der Aufstellung das Guthaben Eingang finden soll (vgl. BAG 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 - Rn. 12; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 918/11 - Rn. 33; 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 14, 16; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 10).

25

III. Eine Auslegung des Feststellungsantrags, die Klägerin begehre, wie von ihr im Schriftsatz vom 10. Juni 2013 für den Fall des Fehlens einer Rechtsgrundlage für ein Arbeitszeitkonto in den Raum gestellt, die Feststellung eines Vergütungsanspruchs, ist nicht möglich.

26

1. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21; 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12). Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht. Die Grenzen der Auslegung oder auch der Umdeutung eines Klageantrags sind jedoch erreicht, wenn eine Klagepartei unmissverständlich ein bestimmtes Prozessziel verfolgt, auch wenn dieses Vorgehen ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse widerspricht. Dies dient nicht zuletzt der hinreichenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der Gegenpartei als Adressatin der Prozesserklärung. Sie muss sich zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verteidigung darauf verlassen können, dass ausschließlich über den gestellten Antrag entschieden wird und nicht über den Antrag, der richtigerweise gestellt worden wäre (vgl. BAG 17. März 2015 - 9 AZR 702/13 - Rn. 13 mwN).

27

2. Der Antrag der Klägerin ist nach Wortlaut und Begründung eindeutig auf die Feststellung eines Zeitguthabens gerichtet. Gegen eine Auslegung, ein Vergütungsanspruch solle festgestellt werden, spricht zudem das Festhalten der Klägerin an ihrem Antrag in seiner bisherigen Fassung, obwohl im Berufungsverfahren unstreitig wurde, dass es an einer Rechtsgrundlage für die Führung eines Arbeitszeitkontos fehlte und ein solches für sie weder geführt wurde noch geführt wird. Wollte die Klägerin einen Vergütungsanspruch festgestellt wissen, hätte es ihr frei gestanden, einen Hilfsantrag zu stellen. Die hilfsweise Auslegung eines Klageantrags gibt es nicht (vgl. BAG 17. März 2015 - 9 AZR 702/13 - Rn. 16).

28

3. Einen Hilfsantrag hat die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des Berufungsurteils (§ 559 Abs. 1 ZPO) in den Vorinstanzen nicht gestellt. Sie hat ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils und des Protokolls der Berufungsverhandlung den Antrag auf Feststellung eines Zeitguthabens aus dem Schriftsatz vom 6. Februar 2013 gestellt, nicht aber (hilfsweise) beantragt, einen Vergütungsanspruch festzustellen, wie im Schriftsatz vom 10. Juni 2013 angedacht. Die Klägerin hat weder die Berichtigung des Protokolls noch die des Tatbestands des Berufungsurteils beantragt.

29

4. Ein auf Feststellung eines Anspruchs auf Vergütung von weiteren 112,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012 gerichteter Hilfsantrag wäre zudem wegen fehlender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig gewesen. Der Inhalt des zur Feststellung gestellten Anspruchs wäre unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin und des unstreitigen Parteivorbringens nicht, wie nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlich(vgl. BAG 21. September 2011 - 5 AZR 520/10 - Rn. 14, BAGE 139, 190), bestimmbar gewesen. Es fehlte an jeglichen Angaben, auf welcher Grundlage die Höhe der beanspruchten Vergütung zu berechnen sei, welche Vergütungsbestandteile einzubeziehen seien und auf welchen Zeitpunkt, den der Leistung der Stunden oder den der Feststellung des Anspruchs, abzustellen sei.

30

B. Der erstmals in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellte Zahlungsantrag ist unzulässig. Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung vor.

31

I. Ein neuer Klageantrag in der Revisionsinstanz erfordert, dass die klagende Partei Rechtsmittelführer ist. Andernfalls kommt eine Ausnahme von § 559 Abs. 1 ZPO - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen - nicht in Betracht(BAG 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 12). Allein die Einlegung der Revision oder Anschlussrevision eröffnet den Parteien die Möglichkeit, Sachanträge zu stellen. Ließe man eine Antragstellung außerhalb des eingelegten Rechtsmittels zu, würden die gesetzlichen Regelungen der Revision und Anschlussrevision umgangen. Dies gilt auch für die Einführung eines neuen Hilfsantrags.

32

II. Zudem stellt die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO)und damit eine Klageänderung (§ 263 ZPO) dar.

33

1. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer wird(BAG 13. Dezember 2011 - 1 AZR 508/10 - Rn. 21; 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 16).

34

Der Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 7. März 2016 betrifft einen anderen Streitgegenstand, denn der Klageantrag ist ein anderer. Zudem liegt diesem nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

35

2. Die Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.

36

a) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 18; 15. Oktober 2013 - 9 AZR 855/12 - Rn. 18; 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 14).

37

b) Im Streitfall ist - selbst wenn die Klägerin Anschlussrevision eingelegt hätte - eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht eröffnet. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht lediglich ohne Änderung des Klagegrundes den Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt, sondern einen völlig neuen Antrag gestellt. Sie begehrt mit dem Hilfsantrag im Vergleich zum Feststellungsantrag nicht ein Mehr oder ein Weniger, sondern etwas anderes. Sie verlangt nunmehr, über Feststellungen zum Grund des Anspruchs hinaus, die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Das erfordert ein erweitertes Prüfprogramm. Während der Feststellungsantrag - seine Zulässigkeit unterstellt - die Prüfung verlangte, mit welchem Zeitfaktor die von der Klägerin geleisteten Betreuungsstunden zu bewerten sind, ist bei dem nunmehr gestellten Hilfsantrag zu prüfen, auf welcher Grundlage sich der geltend gemachte Zahlungsbetrag ergibt. Der Antrag kann sich nicht allein auf die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen stützen, sondern erfordert neuen Tatsachenvortrag zur Vergütung.

38

C. Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden und der Revision des beklagten Landes mit der Maßgabe stattgeben, dass - soweit in der Revision noch von Bedeutung - die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Die Klägerin hat keine ordnungsgemäß begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge erhoben. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die Pflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO, auf die von Amts wegen zu berücksichtigende Unzulässigkeit des Klageantrags hinzuweisen, kann deshalb in der Revision nicht berücksichtigt werden, § 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (BAG 19. Oktober 2010 - 6 AZR 120/10 - Rn. 24).

39

I. Die Klägerin war als Revisionsbeklagte nicht gehindert, wegen einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Landesarbeitsgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht eine auf § 139 Abs. 3 ZPO gestützte Verfahrensrüge („Gegenrüge“) zu erheben(vgl. BAG 28. September 2005 - 10 AZR 587/04 - zu III 3 a der Gründe; BGH 6. Oktober 2015 - KZR 87/13 - Rn. 39; Musielak/Voit/Ball 13. Aufl. ZPO § 551 Rn. 12; MüKoZPO/Krüger 4. Aufl. § 551 Rn. 20).

40

II. Sie hat jedoch keine ausreichend begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erhoben.

41

1. Besteht ein Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO nicht nachgekommen ist, muss konkret dargelegt werden, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und welche Reaktion auf einen entsprechenden Hinweis erfolgt wäre(BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 34). Wer die Verletzung des § 139 ZPO durch das Berufungsgericht rügt, muss im Einzelnen vortragen, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Hierzu ist vorzutragen, welcher tatsächliche Vortrag gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen gemacht worden wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10; 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46). Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil kausal war (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 32, BAGE 130, 119; 19. Oktober 2010 - 6 AZR 120/10 - Rn. 24).

42

2. Derartiger Vortrag der Klägerin ist nicht erfolgt. Die Rüge, die Vorinstanz habe nicht auf die mögliche Unbestimmtheit des Antrags und ein etwaig fehlendes Feststellungsinteresse hingewiesen, genügt nicht den Anforderungen an eine Verfahrensrüge. Welchen entscheidungserheblichen Vortrag die Klägerin bei einem Hinweis auf die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags geleistet hätte, ist nicht dargelegt worden.

43

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 98 Satz 2 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk     

        

        

        

    Zoller     

        

    Bormann    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2013 - 14 Sa 1619/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Nachtzuschlägen und Schichtzulagen für die Zeit von Mai 2011 bis August 2012 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, die Express-Luftfracht befördert, seit dem 1. September 1987 auf Grundlage des mit ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 20. August 1987 und der Zusatzvereinbarung vom 30. Juni 1988 als „Handler“ in der Betriebsstätte am Flughafen Frankfurt am Main beschäftigt. Eine Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit enthalten weder der Vertrag noch die Zusatzvereinbarung.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der von der Beklagten mit dem Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V. abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 6. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 7 Zeitzuschläge

        

1.    

Die Mehrarbeitszuschläge werden monatlich akkumuliert und wie folgt vergütet

                 

für die 1. bis 15. Mehrarbeitsstunde im Monat

25 %   

                 

ab 16. bis 20. Mehrarbeitsstunde im Monat

50 %   

                 

für Arbeit an Sonntagen

125 % 

                 

für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen

125 % 

                 

für Nachtarbeit

33 %   

                                   
                 

für Arbeit am Heiligabend oder Silvester ab 12.00 Uhr

125 % 

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

3.    

Der Berechnung der Zeitzuschläge ist die tatsächliche Vergütung zugrunde zu legen.“

4

Im Betrieb bestand darüber hinaus eine Betriebsvereinbarung Schichtarbeit vom 25. August 1993 (BV Schichtarbeit), die zum 15. Mai 1997 gekündigt wurde, ohne dass es zum Neuabschluss kam. Diese lautet auszugsweise:

        

„10.   

SCHICHT-/ERSCHWERNISZULAGEN

                 

Arbeitnehmer, die nicht zu den unter Punkt 2a.) definierten mitbestimmungsfreien Arbeitszeiten arbeiten, erhalten wie folgt eine Schicht-/Erschwerniszulage:

                 

a.)     

…       

                 

b.)     

SCHICHT/NACHTARBEIT

                          

Mitarbeiter, deren Arbeitsbeginn zwischen 20.00 Uhr und 5.00 Uhr liegt, und/oder die an Wochenenden eingeteilt werden, erhalten pauschal eine Erschwerniszulage in Höhe von 150,- DM brutto pro Monat.

                 

c.)     

…“    

5

Der Kläger wurde seit dem 1. Juli 1988 in der Abteilung GTS eingesetzt, in der Import-Zollabfertigungen durchgeführt werden. Sendungen, bei denen die für die Abfertigung notwendigen Daten nicht vorab bekannt gegeben worden waren, wurden dabei nach ihrem Eintreffen in der Nachtschicht („post-flight“) abgewickelt; die anderen Sendungen bereits vorher („pre-flight“). Für diese „post-flight“ Abfertigung führte die Beklagte im Jahr 2000 eine sog. Dauernachtschicht ein, in der sie Mitarbeiter beschäftigte, die freiwillig ausschließlich in der Nachtschicht tätig werden wollten. Dazu gehörte auch der Kläger.

6

Im Februar 2002 bat der Kläger die Beklagte darum, seine Arbeitszeit ab dem 1. Juni 2002 von 40 auf 32 Wochenstunden zu verringern und die Arbeitszeit von montags bis donnerstags möglichst auf 8 bis 10 Stunden in der Nacht (20:00 Uhr bis 06:00 Uhr) zu verteilen, um einen zusammenhängenden Freizeitblock von Freitag bis Sonntag zu haben. Die Beklagte berief sich hiergegen auf betriebliche Gründe und strebte hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit eine höhere Flexibilität an. In einem daraufhin vom Kläger eingeleiteten Klageverfahren (- 15 Ca 3249/02 -) zur Durchsetzung der von ihm gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 4. Dezember 2002 folgenden Vergleich:

        

„1.     

Die Arbeitszeit des Klägers wird ab 01.01.2003 auf 32 Wochenstunden verringert; der Lohn reduziert sich entsprechend.

        

2.    

Die tägliche Arbeitszeit variiert je nach betrieblichen Bedürfnissen zwischen 8 und 10 Stunden; die tägliche Mindestarbeitszeit liegt bei 8 Stunden.

        

3.    

Der Kläger verbleibt im Dauernachtdienst und verpflichtet sich, im Rahmen des Schichtdienstes auf Anforderung der Beklagten und in Absprache mit den vorgesetzten Managern seine Arbeitskraft in der jeweils geltenden Schichteinteilung zur Verfügung zu stellen.

        

4.    

Der Schichtplan soll nach Möglichkeit und vorbehaltlich der jeweiligen Zustimmung des Betriebsrates so erfolgen, dass Freizeitblöcke nicht durch einzelne Arbeitstage unterbrochen werden.

        

5.    

Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

        

6.    

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.“

7

Der Kläger wurde dementsprechend in der Dauernachtschicht eingesetzt und erhielt Nachtarbeitszuschläge und die Schichtzulage. Ab Juni/Juli 2010 wurde der Flughafen Köln/Bonn im Zuge einer Kapazitätsverlagerung zum Hauptumschlagplatz der Beklagten. Seit diesem Zeitpunkt wird am Flughafen Frankfurt am Main keine „post-flight“ Abfertigung mehr durchgeführt. Die Beklagte löste daraufhin die Dauernachtschicht in der Abteilung GTS auf und setzte den Kläger und die anderen dort beschäftigten Mitarbeiter in der „pre-flight“ Abfertigung im (Tages-)Schichtdienst ein. Bis Ende 2010 leistete die Beklagte Ausgleichszahlungen für entgangene Zuschläge, bis einschließlich Dezember 2011 erhielt der Kläger die monatliche Schichtzulage von 76,69 Euro brutto. Mit Schreiben vom 29. November 2011 verlangte er von der Beklagten unter Hinweis auf die aus seiner Sicht nicht vertragsgemäße Beschäftigung die Zahlung von Zeitzuschlägen in näher bezifferter Höhe. Seit Januar 2012 setzt die Beklagte den Kläger zu festen Arbeitszeiten montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr ein und zahlt ihm keine Schichtzulage mehr.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich in dem Prozessvergleich verpflichtet, ihn dauerhaft in der Nachtschicht einzusetzen. Soweit sie dies nicht getan habe, schulde sie ihm die entgangenen Schichtzulagen und Nachtarbeitszuschläge unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.921,61 Euro brutto nebst Zinsen in näher bestimmter gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, im Vergleich sei hinsichtlich der Beschäftigung in der Nachtschicht lediglich der damalige Status quo beschrieben worden, ohne eine Änderung der Vertragslage vorzunehmen. Die Lage der Arbeitszeit sei nur insoweit Gegenstand des Verfahrens nach § 8 TzBfG gewesen, als der Kläger eine Verteilung auf vier aufeinanderfolgende Tage habe erreichen wollen. Die Änderung der zeitlichen Lage seiner Arbeitszeit wegen des Wegfalls der Nachtschicht habe die Grenzen billigen Ermessens gewahrt. Jedenfalls habe ihr gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG das Recht zugestanden, die Lage der Arbeitszeit des Klägers einseitig zu ändern.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht insoweit zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen und Schichtzulagen aus § 615 BGB iVm. § 7 MTV, Ziff. 10 BV Schichtarbeit. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

13

I. Die Klage ist mit den noch anhängigen Anträgen unbegründet. Ansprüche auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen und Schichtzulagen wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) sind nicht entstanden. Der Kläger hatte keinen vertraglichen Anspruch auf eine Beschäftigung in der Dauernachtschicht (zu 1.). Die Beklagte durfte ihn in Ausübung ihres Direktionsrechts außerhalb der Nachtschicht einsetzen. Die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 GewO, § 315 BGB) hat sie dabei gewahrt (zu 2.).

14

1. Aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine dauerhafte Beschäftigung in der Nachtschicht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich ein solcher Anspruch insbesondere nicht aus Ziff. 3 des Prozessvergleichs vom 4. Dezember 2002.

15

a) Die Beklagte ist weder aus dem Arbeitsvertrag vom 20. August 1987 noch aus der Zusatzvereinbarung vom 30. Juni 1988 verpflichtet, den Kläger dauerhaft in der Nachtschicht zu beschäftigen. Beide Vereinbarungen enthalten keine Regelung zur Lage der Arbeitszeit. Nach dem Vortrag der Parteien bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine im Zusammenhang mit der „freiwilligen“ Übernahme der Dauernachtschicht im Jahr 2000 erfolgten ausdrücklichen oder konkludenten Beschränkung des Direktionsrechts. Auch die langjährige Beschäftigung in der Dauernachtschicht führt für sich genommen nicht zu einer entsprechenden Konkretisierung des Arbeitsvertrags. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt hierfür nicht. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (st. Rspr., vgl. zB BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Solche Umstände hat der Kläger nicht behauptet.

16

b) Ein Anspruch auf Einsatz in der Dauernachtschicht ergibt sich nicht aus Ziff. 3 des Prozessvergleichs vom 4. Dezember 2002.

17

aa) Der gerichtliche Vergleich beinhaltet nichttypische, individuelle Regelungen, die auf die konkrete Arbeitssituation des Klägers im Jahre 2002 zugeschnitten waren. Der Senat kann offen lassen, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines solchen Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; vgl. zum Streitstand GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22). Das Berufungsurteil hält auch einer solchermaßen eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

18

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Parteien hätten sich im Prozessvergleich verbindlich mit vertragsändernder Wirkung auf die Beschäftigung des Klägers in der Dauernachtschicht geeinigt. Es hat dies unter anderem damit begründet, es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger in einem verfahrensbeendenden Vergleich hinter dem Ergebnis zurückbleibe, welches sich bei einem Obsiegen mit seinem Antrag nach § 8 TzBfG ergeben hätte, nämlich einer Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf der Vertragsebene.

19

(2) Diese Annahme verstößt gegen allgemeine Erfahrungssätze über das Zustandekommen von Prozessvergleichen; auf sie durfte die Auslegung bei der gegebenen Sachlage nicht gestützt werden. Gemäß § 779 BGB gehört zum Wesen des Vergleichs das gegenseitige Nachgeben der Parteien bei einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis (Abs. 1) oder die Verwirklichung eines Anspruchs (Abs. 2). Dabei gibt es nach aller Erfahrung gerade im bestehenden Arbeitsverhältnis vielfältige Motive, von einer ursprünglich eingenommenen Rechtsposition im Vergleichswege abzurücken. Diese können rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur sein, aber auch im Bestreben nach einer möglichst harmonischen Fortsetzung des Vertragsverhältnisses begründet sein oder schlicht der als notwendig erkannten Gesichtswahrung des Vertragspartners dienen. Selbst bei (vermeintlich) klarer Rechtslage scheidet daher ein (teilweises) Nachgeben trotz möglichem Obsiegen im Verfahren keinesfalls aus. Wieso das in einem Prozess über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG anders sein sollte, begründet das Landesarbeitsgericht nicht. Ebenso wenig benennt es Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der von ihm gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit in jedem Fall obsiegt hätte. Aus dem Protokoll der Verhandlung vom 4. Dezember 2002 oder aus dem Vortrag der Parteien im vorliegenden Verfahren ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme.

20

bb) Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es indes gemäß § 563 Abs. 3 ZPO nicht. Der Senat kann vielmehr die Auslegung des Vergleichs selbst vornehmen, da der für die Auslegung maßgebliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 28. Mai 2014 - 7 ABR 36/12 - Rn. 29; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Diese führt zu dem Ergebnis, dass Ziff. 3 des Prozessvergleichs die Beschäftigung in der Nachtschicht nicht auf vertraglicher Ebene konstitutiv festlegt.

21

(1) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge und damit auch Prozessvergleiche so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. zB BAG 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN).

22

(2) Der Wortlaut des Prozessvergleichs spricht deutlich gegen die Annahme, dass Ziff. 3 des Vergleichs konstitutiv wirken sollte. Nach Ziff. 1 des Vergleichs „wird“ die Arbeitszeit des Klägers von Vollzeit auf 32 Wochenstunden bei entsprechender Entgeltreduzierung ab dem 1. Januar 2003 verringert. Diese Regelung schafft zukunftsgerichtet eine neue Vertragslage; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Gleiches gilt für Ziff. 2 des Vergleichs, in der mit der Formulierung „die tägliche Mindestarbeitszeit liegt bei 8 Stunden“ erstmals die Mindestdauer der einzelnen Schicht vertraglich normiert wird. Demgegenüber heißt es in Ziff. 3, der Kläger „verbleibt im Dauernachtdienst“. Verbleiben kann in diesem Zusammenhang nur iSv. „bleiben“, also „eine Lage nicht verändern, etwas nicht verändern, in seinem augenblicklichen Zustand verharren“, verstanden werden (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichworte „verbleiben“ und „bleiben“). In dieser Formulierung kommt der Wille der Parteien zur Fortführung bereits bestehender Rechtspflichten zum Ausdruck, nicht jedoch der Entschluss, eine neue (Rechts-)Lage herbeizuführen. Der Wortlaut schließt zwar nicht aus, dass mit der getroffenen Regelung eine bestehende tatsächliche Situation, die fortgeführt wird, auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt werden soll. Hierfür bedarf es jedoch deutlicher Anhaltspunkte, die den Schluss auf einen solchen Willen zulassen. Daran fehlt es.

23

(3) Für dieses Verständnis spricht des Weiteren der Umstand, dass in Ziff. 3 eine gegenüber Ziff. 1 und Ziff. 2 des Vergleichs abweichende Formulierung verwendet wurde. Hierfür hätte kein Anlass bestanden, wenn auch mit Ziff. 3 eine konstitutive vertragsändernde Regelung hätte getroffen werden sollen. Der zweite Halbsatz der Ziff. 3, wonach der Kläger sich verpflichtet, im Rahmen der jeweils geltenden Schichteinteilung zu arbeiten, bestärkt entgegen der Auffassung der Revision diesen Befund. Auch dieser Satzteil beschreibt lediglich die für das Arbeitsverhältnis geltende Rechtslage. Die Verknüpfung beider Satzteile durch die Konjunktion „und“ stellt beide Aussagen in einen einheitlichen inhaltlichen Kontext, und zwar den der Beschreibung des tatsächlichen und rechtlichen Ist-Zustands.

24

(4) Aus der Vorgeschichte des Vergleichs und den Umständen seines Zustandekommens ergeben sich keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte, die auf ein anderes gemeinsames Verständnis der Parteien schließen ließen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag des Klägers keine Beschränkung des Direktionsrechts der Beklagten hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit vorsah. Im Jahre 2000 hat sich der Kläger dann auf entsprechende Anfrage der Beklagten freiwillig bereit erklärt, in der Dauernachtschicht tätig zu werden, ohne dass er dies etwa zum Anlass genommen hätte, von der Beklagten die vertragliche Festschreibung eines solchen Einsatzes zu verlangen. Der Einsatz in der Dauernachtschicht stand - wie die Beklagte mehrfach unwidersprochen vorgetragen hat - zwischen den Parteien auch nicht im Streit, als der Kläger im Jahre 2002 seinen Antrag nach § 8 TzBfG stellte. Deshalb bestand auch kein Grund, dies in dem Vergleich festzuschreiben.

25

(5) Der Arbeitnehmer, der einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG stellt, hat ein Wahlrecht, ob er ausschließlich die Verringerung der Arbeitszeit(§ 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG) beantragt und es dem Arbeitgeber überlässt, die verbleibende Arbeitszeit zu verteilen (§ 106 Satz 1 GewO), oder ob er eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit wünscht (§ 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG). Der Arbeitnehmer hat es also schon bei der Antragstellung in der Hand, ob er die Frage der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit überhaupt aufwirft und wenn ja, in welchem Umfang er insoweit eine Vertragsänderung (und damit eine Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers) anstrebt. Zwar ist häufig die Interessenlage auf eine bestimmte konkrete Verteilung gerichtet, zwingend ist dies aber nicht. Gleiches gilt später, also zB im Rahmen der Einigungsverhandlungen nach § 8 Abs. 3 TzBfG oder auch in einem vom Arbeitnehmer eingeleiteten Gerichtsverfahren. Auch wenn er dort zusätzlich zur Verringerung der Arbeitszeit die Festlegung einer bestimmten Arbeitszeitverteilung begehrt, ist er frei, im Rahmen einer vergleichsweisen Einigung hiervon ganz oder teilweise wieder Abstand zu nehmen. § 8 TzBfG gibt zwar einen Anspruch auf die vertragliche Festlegung einer Verteilung der reduzierten Arbeitszeit, erzwingt eine solche jedoch nicht.

26

(6) Die Interessenlage beider am Vergleichsschluss beteiligten Parteien spricht hier gegen die Annahme einer Festschreibung der Beschäftigung des Klägers in der Dauernachtschicht. Dafür, dass die Beklagte eine solche Beschränkung ihres Direktionsrechts unabhängig von späteren wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen im Bereich der Zollabfertigung vereinbaren wollte, sind keine Gründe vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Auf Seiten des Klägers mag zwar ein Interesse daran bestanden haben, weiterhin in Nachtschicht zu arbeiten. Hierfür spricht, dass er sich im Jahr 2000 freiwillig zur Verfügung gestellt hat und die Dauernachtschicht ersichtlich finanzielle Vorteile bot. Daraus lässt sich aber noch nicht ohne Weiteres ableiten, dass er seinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch dauerhaft - ggf. mit entsprechenden Folgen für die Sozialauswahl im Fall einer Kündigung (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 49 mwN, BAGE 123, 1) - hierauf begrenzen und sich ausschließlich den mit der Nachtschichtarbeit verbundenen Belastungen (vgl. dazu zB BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 -) aussetzen wollte. Vor diesem Hintergrund spiegelt der geschlossene gerichtliche Vergleich in der hier gefundenen Auslegung einen angemessenen Ausgleich beider Interessen wider.

27

2. Die Beklagte war befugt, den Kläger ab Juli 2010 außerhalb der Dauernachtschicht einzusetzen. Sie hat hierdurch die Grenzen des Direktionsrechts iSv. § 106 Satz 1 GewO nicht überschritten.

28

a) Der angeordnete Einsatz des Klägers außerhalb der Dauernachtschicht ist nicht an § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG zu messen. Dabei kann dahinstehen, ob dem Arbeitgeber dieses Recht auch dann zusteht, wenn eine Einigung über die Verteilung der Arbeitszeit erst im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt oder ob der Anwendungsbereich der Norm auf die unmittelbar in § 8 Abs. 3 Satz 2 TzBfG und § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG angesprochenen Fallgestaltungen beschränkt ist. Jedenfalls greift es nur dann ein, wenn die zu ändernde Verteilung der Arbeitszeit infolge eines Verlangens des Arbeitnehmers einvernehmlich mit vertragsändernder Wirkung festgelegt wurde (BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 26 f.). An einer solchen vertraglichen Festlegung der ausschließlichen Beschäftigung in der Dauernachtschicht fehlt es jedoch, wie unter 1. dargelegt.

29

b) Grundlage und Maßstab für den von der Beklagten angeordneten Einsatz des Klägers außerhalb der Dauernachtschicht ist deshalb das arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO). Die Beklagte hat bei dessen Ausübung billiges Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) gewahrt. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen.

30

aa) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Fehlt es an einer solchen Festlegung der Lage der Arbeitszeit, ergibt sich der Umfang der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte aus § 106 GewO. Die Weisung des Arbeitgebers unterliegt dann einer Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB(BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 20 [zur Bestimmung des Arbeitsortes]).

31

bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB)verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 40 mwN).

32

cc) Nach diesen Grundsätzen ist die Ermessensausübung der Beklagten, wie auch das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der von ihm vorgenommenen Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 TzBfG zu Recht angenommen hat, nicht zu beanstanden. Der Grund für die Streichung der Dauernachtschicht und die daraus folgende neue zeitliche Lage der Arbeitszeit des Klägers beruht auf einer Kapazitätsverlagerung vom Flughafen Frankfurt am Main zum Flughafen Köln/Bonn. Damit bestand kein Bedarf mehr, die „post-flight“ Abfertigung am Standort Frankfurt am Main in der Nachtschicht durchzuführen und die Beklagte entschloss sich zur Abschaffung der Dauernachtschicht. Dieser unternehmerischen Entscheidung kommt besonderes Gewicht zu (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 41 f.). Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Dauernachtschicht auch bei Umsetzung des unternehmerischen Konzepts möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich und vom Kläger nicht hinreichend konkret benannt. Dem betrieblichen Interesse der Beklagten, keine Schichtart aufrechterhalten zu müssen, für die es kein betriebliches Bedürfnis gibt, steht auf Seiten des Klägers (alleine) das Interesse gegenüber, weiterhin die mit der Nachtschichtarbeit verbundenen Zuschläge und Zulagen zu verdienen. Darüber hinausgehende Umstände oder schutzwürdige Belange hat er nicht aufgezeigt. Dabei ist zu beachten, dass die streitgegenständlichen Zuschläge und Zulagen besondere Erschwernisse durch Nacht- und Schichtarbeit ausgleichen sollen und diese Erschwernisse mit dem Wegfall der Nachtschicht ebenfalls entfallen. Insgesamt gesehen überwiegen daher erkennbar die Interessen der Beklagten an der vorgenommenen Weisung.

33

II. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Thiel    

        

    Schumann    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2012 - 16 Sa 1329/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat die Beschäftigung an ihrem bisherigen Einsatzort in München verlangt und die Unwirksamkeit einer Versetzung geltend gemacht.

2

Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.

3

Die 1978 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von München aus tätig.

4

In Ziff. 1 des Arbeitsvertrags der Klägerin vom 13. Oktober 1999 heißt es ua.:

        

„Es besteht Einvernehmen darüber, dass eine Mindestverweildauer an dem o. a. dienstlichen Wohnsitz [Nürnberg] von mindestens einem Jahr vereinbart wird.

        

Die Regularien des MTV § 4 Ziffer 6 bleiben jedoch unberührt, das heißt konkret, dass bei betrieblichen Erfordernissen eine Versetzung an einen anderen dienstlichen Wohnsitz erfolgen kann.“

5

In Ziff. 2 des Arbeitsvertrags ist ua. Folgendes geregelt:

        

„Die Rechte und Pflichten eines Mitarbeiters ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, dem MTV Nr. 1 für das Bordpersonal und der Vergütungsvereinbarung, die in der sogenannten Betriebsvereinbarung Nr. 1 enthalten sind, sowie den Dienstvorschriften der Eurowings Luftverkehrs AG.“

6

In Ziff. 6 („Sonstiges“) ist ua. Folgendes geregelt:

        

„Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen worden. Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform.“

7

Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September 1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:

        

„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“

8

Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:

        

„a)     

Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.“

9

Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück, Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.

10

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin in einem Telefonat am 12. September 2011 einer Versetzung nach Düsseldorf zugestimmt hat. Mit Schreiben vom 20. September 2011 bat die Beklagte die Klägerin, hinsichtlich ihrer Versetzung schriftlich ihre Stationswahl mitzuteilen. Die Klägerin bewarb sich zwar entsprechend der auch in diesem Schreiben enthaltenen Aufforderung auf eine Vollzeitstelle, teilte jedoch keine Wunschstation mit.

11

Mit Schreiben vom 4. November 2011 teilte die Beklagte den Termin einer Schulung mit. Weiterhin teilte sie mit, dass gemäß der Aussage in einem Telefonat der dienstliche Einsatzort ab dem 11. November 2011 Düsseldorf sei. Mit Schreiben vom 9. November 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass gemäß einem mit der Mitarbeiterin S geführten Telefonat der dienstliche Einsatzort ab dem 11. November 2011 Düsseldorf sei. Weiterhin kündigte die Beklagte die Auszahlung einer Versetzungsprämie an. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 21. November 2011, diese nicht im November auszuzahlen.

12

Die Klägerin hat bestritten, sich am 12. September 2011 mit der Beklagten über eine Versetzung geeinigt zu haben. Die arbeitgeberseitige Maßnahme sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden.

13

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, sie über den 11. November 2011 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin mit Stationierungsort München zu beschäftigen,

        

hilfsweise für den Fall des Unterliegens

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin mit Stationierungsort München zu beschäftigen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, über die streitbefangene Versetzung sei bereits Einvernehmen erzielt worden. Die Klägerin selbst habe der Mitarbeiterin S in einem Telefonat am 12. September 2011 erklärt, sie wolle nach Düsseldorf. Als die Klägerin dann von bisher 90 % Teilzeit auf Vollzeit aufstocken wollte, habe man beides mit Schreiben vom 9. November 2011 zusammengefasst. Man habe zwar diese Einigung entgegen dem Arbeitsvertrag nicht schriftlich niedergelegt, das Schriftformerfordernis sei jedoch konkludent abbedungen worden. Die Klägerin habe auch in einem Telefonat in der Woche vom 22. - 28. November 2011 gegenüber der Leiterin Kabine K erklärt, mit dem Einsatzort Düsseldorf sei alles in Ordnung, sie könne nahe Köln bei ihren Schwiegereltern unterkommen. Zudem habe ihr Mann zur Zeit Elternzeit. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor. Die Personalvertretung Kabine sei mit Schreiben vom 4. November 2011 zur Versetzung angehört worden. Diese habe ihre Zustimmung am 8. November 2011 erteilt.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.

17

A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung in München (zu I). Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam (zu II). Die Versetzung bedurfte nicht der Schriftform (zu II 1). Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu II 2). Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu II 3). Die Personalvertretung ist ordnungsgemäß unterrichtet worden und hat der Versetzung zugestimmt (zu II 4).

18

I. Der auf Beschäftigung in München gerichtete Antrag ist unbegründet, weil sich die Klägerin, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, bis Sommer 2014 in Elternzeit befindet. Sie kann schon deswegen nicht arbeiten. Bei dieser Lage hat sie gegenwärtig keinen Anspruch auf Beschäftigung.

19

II. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam.

20

1. Die Versetzung bedurfte nicht der Schriftform.

21

a) Die Parteien haben entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung keine wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, der neue Arbeitsort der Klägerin sei nunmehr Düsseldorf. Ob die Parteien, wie von der Beklagten behauptet, insoweit eine mündliche Einigung erzielt haben, kann dahinstehen. Die Wirksamkeit der Abrede würde, da sie nicht schriftlich getroffen wurde, jedenfalls an dem in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vereinbarten Schriftformerfordernis iVm. § 125 BGB scheitern.

22

b) Die mit Schreiben vom 9. November 2011 von der Beklagten erklärte Versetzung von München nach Düsseldorf ist dagegen nicht mangels schriftlichen Vertragsschlusses unwirksam. Nach Ziff. 6 des Arbeitsvertrags gilt das Schriftformerfordernis nur für vereinbarte Änderungen und Ergänzungen des Vertrags. Die Versetzung war jedoch keine solche Vereinbarung, sondern eine einseitige Erklärung.

23

2. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen.

24

a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).

25

aa) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).

26

bb) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

27

cc) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).

28

b) Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.

29

aa) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich schon nach dem äußeren Erscheinungsbild um Allgemeine Geschäftsbedingungen, auf die Vorschriften des § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen.

30

bb) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.

31

(1) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Nürnberg „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Nürnberg als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn ... der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.

32

(2) Außerdem ist in Ziff. 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags festgehalten, „dass bei betrieblichen Erfordernissen eine Versetzung an einen anderen dienstlichen Wohnsitz erfolgen kann“. Diese Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.

33

cc) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, auf den der Arbeitsvertrag Bezug nimmt und der ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben.

34

dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.

35

ee) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den letzten Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit dem Jahr 2003 im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

36

(1) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).

37

(2) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am letzten Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.

38

ff) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.

39

(1) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.

40

(2) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.

41

3. Die Versetzung hält auch der umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB stand. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).

42

a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).

43

aa) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.

44

bb) Die gegenteilige Auffassung, nach der bei Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung eine Interessenabwägung weitestgehend entbehrlich sein soll, findet im Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange(BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 37).

45

cc) Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).

46

b) Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

47

aa) Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.

48

bb) Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht dargetan. Von Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Landesarbeitsgericht nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Dass sich die Organisation der Kinderbetreuung für Arbeitnehmer im Falle von Maßnahmen wie im vorliegenden Fall schwieriger gestaltet, weil die Klägerin längere Abwesenheiten von zu Hause in Kauf nehmen muss und diese nicht mehr im gleichen Umfang wie bisher von ihrem Mann abgefedert werden können, ist ohne Zweifel eine Beeinträchtigung. Indes musste die Klägerin auch bisher längere Abwesenheiten von zu Hause hinnehmen. Sie sind in dem von ihr ausgeübten Beruf nicht vermeidbar. Dass die nun eintretende zusätzliche Erschwernis derart einschneidend wäre, dass sie vom Landesarbeitsgericht hätte entscheidend zugunsten der Klägerin in die Waagschale geworfen werden müssen, ist nicht ersichtlich.

49

4. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die PV Kabine hat die Zustimmung zur Versetzung am 8. November 2011 erteilt. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Inwiefern es sich um eine „Vorratsanhörung“ oder „Vorratszustimmung“ gehandelt haben soll, ist nicht nachvollziehbar.

50

B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch     

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    R. Baschnagel     

        

    Petri    

                 
20
aa) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum , der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319). Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks , in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.). Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines "gerechten Preises" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. April 2014 - 19 Sa 1266/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Bonusansprüche für das Geschäftsjahr 2011.

2

Der Kläger war - nachdem er zuvor sein Arbeitsverhältnis bei einer anderen Bank durch Eigenkündigung zum 31. Dezember 2009 beendet hatte - vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 bei der deutschen Niederlassung der Beklagten, einer internationalen Großbank, bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war außertariflicher Angestellter und zuletzt als Managing Director im Bereich GBM-Equities tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 23. Mai 2012 mit dem 30. September 2012.

3

Der Arbeitsvertrag des Klägers vom 19. August 2009 enthielt auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 3 Arbeitsvergütung

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit jeweils am 15. eines jeden Monats ein festes und auf sein Bankkonto zahlbares monatliches Gehalt in Höhe von derzeit

                 

€ 16.667,00 brutto

                 

(in Worten: Sechzehntausendsechshundertsiebenundsechzig Euro brutto)

                 

…       

                          
        

3.    

Soweit die Gesellschaft Gratifikationen gewährt, erkennt der Arbeitnehmer hiermit an, dass solche Zahlungen freiwillig erfolgen und auch nach wiederholter Gewährung nicht zu einer Verpflichtung der Gesellschaft zur Fortsetzung derartiger Zahlungen führen. Berücksichtigt werden in diesen Fällen nur solche Arbeitnehmer, die sich im Zeitpunkt der Zahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden. Im Übrigen werden solche freiwilligen Leistungen zeitanteilig für diejenigen Zeiträume gekürzt, in denen der Arbeitnehmer in den letzten 12 Monaten vor Fälligkeit der Zahlung keine Ansprüche auf laufende Vergütung hat. Die Gesellschaft gewährt keine Sonderzahlungen nach den gem. § 1 Ziffer 4 geltenden tariflichen Bestimmungen.

        

4.    

Die Regelungen der Ziffer 3 gelten auch für sonstige Sondervergütungen (Bonus, etc.).

        

5.    

…     

        

§ 4 Bonus & Deferral Plan

        

1.    

Der Arbeitnehmer nimmt nach Wahl der Gesellschaft am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft für außertarifliche Angestellte über einen kalenderjährlichen Bonus bzw. Deferral Award teil.

        

2.    

Ein Bonus kann nur dann zur Auszahlung gelangen bzw. ein Deferral Award zugeteilt werden, wenn und soweit die Gesellschaft insgesamt Mittel zur Ausschüttung von Bonuszahlungen/bzw. Zuteilung von Deferral Awards an die Arbeitnehmer der Gesellschaft für das bonusrelevante Kalenderjahr zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Auszahlung bzw. Zuteilung erfüllt.

        

3.    

Die Zahlung des Bonus bzw. Zuteilung eines Deferral Awards erfolgt freiwillig und kann auch nach wiederholter Gewährung nicht zu einer Verpflichtung der Gesellschaft zur Fortsetzung derartiger Zahlungen bzw. Zuteilungen führen.

        

4.    

Der Bonus für ein Kalenderjahr soll im Frühjahr des darauf folgenden Kalenderjahres zur Auszahlung gelangen, ist jedoch spätestens bis Ende Juni des folgenden Kalenderjahres zur Zahlung fällig. Die Zuteilung und Auszahlung des Deferral Awards erfolgt gemäß den Regelungen des Deferral Plans in seiner jeweils gültigen Fassung.

        

5.    

Ein Bonus wird nur dann gezahlt bzw. ein Deferral Award erteilt, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Fälligkeit in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft befindet. Gleiches gilt für die Auszahlung des Deferral Awards.

        

6.    

Die vorstehenden Bestimmungen zum Bonus bzw. Deferral Award gelten, soweit sich nicht gem. § 1 Ziffer 5 aus einer Betriebsvereinbarung etwas anderes ergibt.

        

…       

        

§ 16 Sondervereinbarungen

        

Vorbehaltlich der nachstehenden Bestimmungen erhält der Arbeitnehmer für das Leistungsjahr 2009 einen garantierten Bonus in Höhe von € 200.00[0],00 brutto abzüglich Steuern und sonstiger gesetzlicher Abzüge (der ‚garantierte Bonus‘).

        

Der garantierte Bonus wird in Form einer gestundeten Leistung im Rahmen des R Deferral Plans (der ‚Deferral Plan‘) gezahlt; er unterliegt den Regelungen des Deferral Plans in der jeweils geltenden Fassung und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach Beginn dieses Vertrages umgesetzt wurden. Die Gesellschaft behält sich das Recht vor, nach ihrem freien und alleinigen Ermessen jederzeit (auch während eines Geschäftsjahres) die Regelungen des Deferral Plans zu ändern bzw. diesen jederzeit aufzuheben oder zu ersetzen. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass eine derartige Änderung jeweils auch rückwirkend gelten kann.

        

Zur Kenntnisnahme: Im Deferral Plan wird geregelt, wann eine gestundete Leistung oder ein Teil davon möglicherweise verfällt. Insbesondere hat der Arbeitnehmer, sofern sein Arbeitsverhältnis vor dem Termin, an dem die gestundete Leistung oder ein Teil davon zahlbar oder unverfallbar wird, geendet hat oder eine Partei ihr Arbeitsverhältnis im Rahmen dieses Vertrages gekündigt hat (sofern diese Kündigung nicht unter die Sektion ‚Verlassen des Unternehmens unter außergewöhnlichen Umständen‘ der Regelungen des Deferral Plans in seiner jeweils geltenden Fassung fällt), kein Anrecht auf die gestundete Leistung bzw. einen davon verbliebenen Teil oder auf sonstige Bonuszahlungen, die ihm ansonsten (möglicherweise) gezahlt worden wären. Fällt die Kündigung unter die Sektion ‚Verlassen des Unternehmens unter außergewöhnlichen Umständen‘ des Deferral Plans in seiner jeweils geltenden Fassung, so wird die gestundete Leistung nach Maßgabe der Regelungen des Deferral Plans (in seiner jeweils geltenden Fassung) unverfallbar.

        

Die Regeln des Deferral Plans enthalten auch Bestimmungen, nach denen verfallbare Elemente gestundeter Leistungen verfallen können. Diese Bestimmungen gelten für alle garantierten Bonuszahlungen, die der Arbeitnehmer erhält bzw. erhalten hat.

        

Allerdings beschränken sich diese Verfallsbestimmungen hinsichtlich des garantierten Bonus für das Leistungsjahr 2009 allein auf Situationen, in denen die individuelle Leistung des Arbeitnehmers direkt verbunden ist mit dem Team oder dem Geschäftsbereich, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, in der bzw. in dem ein Verlust erlitten wurde.“

4

Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 teilte die Beklagte dem Kläger unter der Überschrift „Performance Year 2009“ mit, dass sein Gesamtgehalt 400.004,00 Euro betrage und sich aus dem Grundgehalt 2010 iHv. 200.004,00 Euro und einem „Performance Award: Unconditional Guaranteed Award 2009“ iHv. 200.000,00 Euro zusammensetze. Letzterer wurde in drei Tranchen in den Jahren 2010 bis 2012 durch Zuteilung von Bonds gewährt. Der Kläger konnte diese jeweils unmittelbar nach Erhalt veräußern. Mit Schreiben vom 24. Februar 2011 erhielt der Kläger eine vergleichbare Mitteilung für das „Performance Year 2010“, wonach der „Discretionary Performance Award“ 9.920,00 Euro betrug.

5

Mit Schreiben der „R Group“ vom 23. Februar 2012 wurde dem Kläger sein Festgehalt als „Total Compensation“ mitgeteilt, nicht hingegen eine Bonusleistung. In dem Schreiben heißt es ua.:

        

„The fall in revenues in 2011 however, means that the discretionary bonus pool element of this is significantly lower in 2011 than in 2010 and this has made the award cycle a challenging one.“

6

Einem Teil der Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse nicht im Laufe des Jahres 2012 beendet wurden, gewährte die Beklagte Bonusleistungen, die der Höhe nach überwiegend zwischen einem Viertel und der Hälfte des Vorjahresbonus betrugen.

7

Im Rahmen einer Stufenklage machte der Kläger zunächst bestimmte Auskunftsansprüche betreffend den Bonusanspruch 2011 geltend. Das Arbeitsgericht entschied durch Teilurteil vom 17. Oktober 2012 über das Auskunftsverlangen. Dabei wies es die Klage hinsichtlich des Hauptantrags und eines ersten Hilfsantrags als unzulässig ab; einem zweiten Hilfsantrag gab es statt. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden und führte zur Erteilung einer Auskunft der Beklagten unter dem 6. November 2012.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Geschäftsjahr 2011 ein Bonus nach billigem Ermessen zu, der mindestens ein Viertel des Vorjahresbonus iHv. 209.920,00 Euro brutto betragen müsse. 200.000,00 Euro davon seien der arbeitsvertraglich vereinbarte Garantiebonus gewesen, 9.920,00 Euro brutto der zusätzliche leistungsbezogene Bonus. Soweit es im Anstellungsvertrag heiße, der garantierte Bonus werde für das Leistungsjahr 2009 gezahlt, handele es sich um eine unrichtige Formulierung. Sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten habe erst am 1. Januar 2010 begonnen, ein Bonus für das Jahr 2009 habe ihm nicht zugestanden. Ihm sei seinerzeit mitgeteilt worden, dass das Jahr 2009 aus bilanztechnischen Gründen im Anstellungsvertrag angegeben worden sei. Für das Jahr 2011 hätten die Arbeitnehmer, die nicht im Jahr 2012 ausgeschieden seien, eine Bonusleistung erhalten, wobei er mangels Kenntnissen keine genaueren Angaben zur Bonushöhe machen könne. Er habe in seinem Bereich gute Leistungen erbracht und im Geschäftsjahr 2011 entsprechende Erträge erwirtschaftet, wobei nach seinem Kenntnisstand der Umsatz in seiner Abteilung um 20 % zurückgegangen sei.

9

Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten hat der Kläger die Auffassung vertreten, allein der erlittene Jahresverlust iHv. 656 Mio. Euro könne den Bonusanspruch nicht ausschließen. Zwar habe die Beklagte im Vorjahr einen Gewinn iHv. 198 Mio. Euro erzielt, in den Jahren davor seien jedoch deutlich höhere Verluste erwirtschaftet worden. Das operative Ergebnis der Beklagten vor der Vornahme von Wertberichtigungen habe im Übrigen im Geschäftsjahr 2011 1,488 Mio. Euro plus betragen. Hinzu komme, dass die Beklagte in der Vergangenheit trotz erheblich höherer Verluste als im Jahr 2011 gleichwohl regelmäßig Boni an ihre Arbeitnehmer gezahlt habe.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Geschäftsjahr 2011 einen Bonus, der der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der aber mindestens 52.480,00 Euro brutto beträgt, nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund des im Geschäftsjahr 2011 erlittenen Jahresverlustes iHv. 656 Mio. Euro stehe dem Kläger kein Bonusanspruch zu. Im Jahr 2010 habe sein Bonus im Übrigen lediglich 9.920,00 Euro betragen. Der Garantiebonus iHv. 200.000,00 Euro sei als Sign-On-Bonus für den Wechsel des Klägers zu der Rechtsvorgängerin der Beklagten sowie als Kompensation für den wechselbedingten Verlust des Bonusanspruchs beim Vorarbeitgeber für das Jahr 2009 gewährt worden. Im Übrigen hätten sämtliche Mitarbeiter der Abteilung des Klägers keinen Bonus für das Jahr 2011 erhalten. Gleiches gelte - trotz sehr guter Leistungsbewertungen - für zahlreiche andere, nicht von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer der Beklagten. Aufgrund der rechtskräftigen Teilabweisung des Auskunftsbegehrens schulde sie keine weiter gehenden Auskünfte als die bereits erteilten.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 78.720,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Mangels entsprechender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

14

I. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Bonus und/oder einen Deferral Award für das Geschäftsjahr 2011 aus § 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags iVm. § 315 BGB. Die Festsetzung der Leistung auf null durch die Beklagte entspricht nicht billigem Ermessen und ist unverbindlich (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Bestimmung hat deshalb gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil zu erfolgen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen. Mangels ausreichender Feststellungen zu den bestimmungsrelevanten Tatsachen kann der Senat nicht selbst entscheiden.

15

1. § 4 des Arbeitsvertrags gewährt dem Kläger - unabhängig von der Wirksamkeit des „Freiwilligkeitsvorbehalts“ nach § 4 Ziff. 3 - keinen unbedingten Anspruch auf Zahlung eines Bonus oder eines Deferral Awards in einer bestimmten Höhe. Der Anspruch für das jeweilige Geschäftsjahr ergibt sich vielmehr erst nach einer Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts der Beklagten nach billigem Ermessen (§ 315 BGB). Dieses umfasst sowohl die Wahl der jeweiligen Leistungsart als auch die Höhe des auszuzahlenden Betrags bzw. des zuzuteilenden Deferral Awards. Dies ergibt eine Auslegung der vertraglichen Regelungen.

16

a) Der Arbeitsvertrag vom 19. August 2009 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 30, aaO).

17

b) § 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags legt fest, dass der Arbeitnehmer am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft für außertarifliche Angestellte „teilnimmt“. Die Formulierung spricht deutlich dafür, dass ein Rechtsanspruch auf eine solche Teilnahme und die sich hieraus ergebende Leistung besteht (vgl. auch zur Bedeutung des Begriffs „gewährt“ BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17). Dabei soll es der Beklagten überlassen bleiben zu bestimmen, ob für das jeweilige Geschäftsjahr ein Bonus oder ein Deferral Award oder eine Kombination aus beiden Leistungsarten gewährt wird. Gleiches gilt hinsichtlich der Höhe der Leistung, die im Arbeitsvertrag nicht festgelegt ist. Vielmehr bedarf es nach § 4 Ziff. 2 einer Entscheidung über den Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel.

18

c) Der in § 4 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt schließt den vertraglichen Leistungsanspruch nicht aus.

19

aa) Die Klausel ist unklar iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Sie kann zum einen so verstanden werden, dass hierdurch generell ein Anspruch für die Zukunft ausgeschlossen werden soll. Denkbar ist aber auch, sie so zu verstehen, dass sie den Rechtsgedanken des § 315 BGB wiedergibt und damit auch eine wiederholte Leistungsgewährung nicht ohne Weiteres zur Fortsetzung „derartiger“, dh. nach Höhe und Art gleichartiger Leistungen wie in der Vergangenheit, führen soll. Ein solches Klauselverständnis stünde der Annahme eines dem Grunde nach bestehenden dauerhaften Anspruchs nicht entgegen. Da gemäß § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders gehen, ist die letztgenannte Auslegung maßgeblich.

20

bb) Im Übrigen würde eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die es dem Arbeitgeber erlaubte, nach Ablauf eines Geschäftsjahres die versprochene Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu unterlassen, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB nicht standhalten. Es würde eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, wenn der Arbeitgeber von der Leistungsbestimmung für ein bestimmtes Geschäftsjahr absehen dürfte, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Geschäftsjahr seine Arbeitsleistung erbracht hat und die Leistung auch Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers war (vgl. BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 13 f. [zum Vergütungscharakter einer Leistung]; 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 52, BAGE 147, 322 [zur Situation bei einer Zielvereinbarung]). Gleiches würde für den Freiwilligkeitsvorbehalt nach § 3 Ziff. 3 iVm. Ziff. 4 des Arbeitsvertrags gelten, sofern man diesen überhaupt auf Leistungen nach § 4 für anwendbar hielte.

21

d) Die vertragliche Regelung überlässt damit der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB, was grundsätzlich zulässig ist. Die Höhe und Art einer Bonuszahlung muss nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden (vgl. BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 35, BAGE 147, 322; 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 24, 30). In einem solchen Fall hat die Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen (vgl. dazu BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 25, BAGE 139, 283). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten durch § 4 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags in Abweichung von § 315 Abs. 1 BGB das Recht zugebilligt werden sollte, nach freiem Ermessen über die Bonusgewährung zu entscheiden, ergeben sich aus dem Vertrag nicht; ein solches Recht nimmt die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch. Im Übrigen wäre dies eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 315 Abs. 1 BGB(vgl. dazu BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 31), die wegen des fehlenden Korrektivs der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen würde und deshalb unwirksam wäre.

22

2. Einem Anspruch des Klägers steht ebenso wenig die Stichtagsregelung nach § 4 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags entgegen. Ein Bonus soll danach nur gezahlt bzw. ein Deferral Award nur dann zugeteilt und ausgezahlt werden, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs bzw. der Auszahlung des Awards in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis befindet. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger möglicherweise nicht, da sein Arbeitsverhältnis jedenfalls zum Zeitpunkt der spätesten Fälligkeit eines Bonus im Juni 2012 bereits gekündigt war. Darauf kommt es aber nicht an, da die Regelung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB nicht standhält. Der streitgegenständliche Bonus stellt unzweifelhaft jedenfalls auch eine Gegenleistung für im Geschäftsjahr laufend erbrachte Arbeit dar. Eine solche Leistung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht von einem ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde (zuletzt BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 15; grundlegend 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - BAGE 146, 284; 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231).

23

3. Dahinstehen kann, ob § 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags aufgrund der Formulierung, der Arbeitnehmer nehme am „jeweils gültigen“ Bonussystem und/oder Deferral Plan teil, einen Änderungsvorbehalt beinhaltet, wie weit dieser reichen würde und ob ein ggf. umfassender Änderungsvorbehalt am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB gemessen wirksam wäre(vgl. zu einem umfassenden Änderungsvorbehalt zB BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23 ff.). Die Beklagte macht nicht geltend, dass eine solche Änderung des Bonussystems bzw. des Deferral Plans dem Anspruch des Klägers entgegenstünde.

24

4. Der Kläger hat mit der Erhebung der Stufenklage die zweistufige Ausschlussfrist nach § 15 des Arbeitsvertrags gewahrt. Die Erhebung der Stufenklage begründet nicht nur die Rechtshängigkeit des Auskunftsanspruchs, sondern auch des unbezifferten Hauptanspruchs (BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 1/00 - zu I 1 c bb der Gründe, BAGE 96, 352; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 254 Rn. 1) und wahrt damit eine entsprechende Ausschlussfrist (BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 35; 23. Februar 1977 - 3 AZR 764/75 - zu 4 der Gründe).

25

II. Die von der Beklagten vorgenommene Festsetzung des Bonusanspruchs des Klägers für das Geschäftsjahr 2011 auf null ist unverbindlich iSv. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

26

1. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Bestimmungsberechtigte die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, trägt der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 28). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. insgesamt dazu: BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 41 mwN, BAGE 147, 322; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).

27

2. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die von ihr getroffene Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht. Hiervon gehen das Arbeitsgericht ausdrücklich und das Landesarbeitsgericht unausgesprochen aus, da es sich andernfalls nicht mit der Frage der Höhe einer festzusetzenden Leistung hätte beschäftigen dürfen. Die Beklagte hat sich nicht dazu geäußert, ob sie sich für das Geschäftsjahr 2011 für ein Bonussystem und/oder einen Deferral Plan entschieden hat. Ebenso wenig hat sie dargelegt, in welchem Umfang sie Mittel zur Verfügung gestellt hat, obwohl der Inhalt des Schreibens vom 23. Februar 2012 hierauf hindeutet und unstreitig einem Teil der Arbeitnehmer entsprechende Leistungen gewährt wurden. Auch hat sie nicht vorgetragen, welche Arbeitnehmer nach welchen Kriterien an einem solchen System teilnehmen sollten. Allein der Hinweis auf einen in diesem Geschäftsjahr erzielten Verlust kann näheren Sachvortrag nicht ersetzen (vgl. dazu auch BAG 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 62, BAGE 147, 322).

28

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die teilweise Abweisung der Auskunftsklage im Teilurteil des Arbeitsgerichts nicht zur Folge, dass nunmehr der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit der von der Beklagten getroffenen Leistungsbestimmung nach § 315 BGB trägt. Die Auskunftsklage und die Klage auf richterliche Ersatzleistungsbestimmung haben unterschiedliche Streitgegenstände. Die im Rahmen einer Stufenklage ergangene Entscheidung über den Auskunftsanspruch erwächst im Hinblick auf den auf der letzten Stufe verfolgten Anspruch nicht in Rechtskraft und entfaltet insoweit auch keine Bindung iSv. § 318 ZPO. Damit ist es rechtlich nicht ausgeschlossen, dass die maßgeblichen Vorfragen im weiteren Verfahren über diesen Anspruch anders als im Teilurteil beurteilt werden (BGH 16. Juni 2010 - VIII ZR 62/09 - Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Assmann ZPO 4. Aufl. § 254 Rn. 76; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 254 Rn. 31). Ungeachtet der teilweisen Abweisung der vorangegangenen Auskunftsklage hat deshalb die Beklagte als bestimmende Partei die Umstände dazulegen und zu beweisen, die ihre Leistungsbestimmung und deren Billigkeit tragen (vgl. Staudinger/Rieble (2015) BGB § 315 Rn. 388). Erbringt der Arbeitgeber, der sich eine solche einseitige Leistungsbestimmung vorbehält, keinen oder keinen hinreichenden Vortrag dazu, warum eine bestimmte Leistungsfestsetzung billigem Ermessen entsprechen soll, ist die gesetzliche Folge nach § 315 Abs. 3 BGB die Unverbindlichkeit der vom Bestimmungsberechtigten getroffenen Leistungsbestimmung.

29

III. Aufgrund der Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung der Beklagten hat gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Bestimmung der Höhe des Anspruchs für das Geschäftsjahr 2011 durch Urteil zu erfolgen(BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 364/13 - Rn. 33 ff.). Eine solche Leistungsbestimmung hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen. Die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten(BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 35 mwN; vgl. auch BAG 18. Mai 2016 - 10 AZR 183/15 - Rn. 42 [zu § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB]). Eine Entscheidung durch das Revisionsgericht kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (vgl. zu einem solchen Fall BAG 11. Dezember 2013 - 10 AZR 364/13 - Rn. 30). Hieran fehlt es vorliegend, da das Landesarbeitsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu den für die Bestimmung maßgeblichen Umständen getroffen hat. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

30

1. Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist vom Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen(BGH 8. November 2011 - EnZR 32/10 - Rn. 24; 20. Juli 2010 - EnZR 23/09 - Rn. 39). Durch richterliche Ermessensentscheidung wird direkt über den geltend gemachten Anspruch entschieden und nicht nur - etwa im Sinne einer Rechtskontrolle - überprüft, ob die Festsetzung des Leistungsberechtigten zutrifft. Diese Prüfung hat bereits in der ersten Stufe nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB stattzufinden und ist Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zu einer gerichtlichen Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommen kann. Die Ausübung des eigenen richterlichen Ermessens findet auf Grundlage des gesamten Prozessstoffs statt. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht insoweit nicht, doch ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann (Staudinger/Rieble § 315 Rn. 521; BGB-RGRK/Ballhaus 12. Aufl. § 315 BGB Rn. 19; BAG 18. Mai 2016 - 10 AZR 183/15 - Rn. 44 [zu § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB]). Bringt der Bestimmungsberechtigte bestimmte Aspekte, die in seinem Konzept der Leistungsbestimmung möglicherweise zu berücksichtigen wären, nicht ein, können sie nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH 20. Juli 2010 - EnZR 23/09 - Rn. 40 [zur fehlenden Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen eines Netzbetreibers]). Dies geht zu seinen Lasten. Fehlender Vortrag des Bestimmungsberechtigten führt nicht zur Entstehung einer besonderen Darlegungslast für den Anspruchsteller. Dieser hat lediglich im eigenen Interesse die Obliegenheit, die für ihn günstigen Umstände vorzutragen. Deshalb kann der Anspruchsteller regelmäßig auch nicht auf die Erhebung einer Auskunftsklage verwiesen werden (dazu Staudinger/Rieble § 315 Rn. 388). Es ist vielmehr Sache des Gerichts, auf Grundlage des vorhandenen Prozessstoffs und des Vortrags beider Parteien die Leistungsbestimmung vorzunehmen und den vertraglich vorgegebenen Rahmen auszufüllen (MüKoBGB/Würdinger 7. Aufl. § 315 Rn. 51). Lediglich ausnahmsweise hat in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO eine Festsetzung zu unterbleiben, wenn es auch nach vollständiger Ausschöpfung des Prozessstoffs an jeglichen greifbaren Anhaltspunkten für die Leistungsbestimmung fehlt(vgl. BGH 8. November 2011 - EnZR 32/10 - Rn. 25).

31

2. Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft verkannt. Es hat unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte als Bestimmungsberechtigte keinen hinreichenden Vortrag zum Bonussystem bzw. Deferral Plan für das Geschäftsjahr 2011 gehalten hat. Stattdessen hat es vom Kläger Vortrag zu Tatsachen verlangt, wie beispielsweise zur Höhe eines Bonustopfes, die ein Arbeitnehmer im Regelfall nicht kennt. Faktisch hat es dem Kläger damit rechtsfehlerhaft eine Darlegungslast für Umstände auferlegt, die die Beklagte im Rahmen der gerichtlichen Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB im eigenen Interesse hätte vortragen können und müssen, wenn sie diese Umstände hätte berücksichtigt wissen wollen. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den vorhandenen Prozessstoff nicht ausgeschöpft. Es ist von den Parteien zur Höhe der Bonuszahlungen in der Vergangenheit, zum Umfang von Leistungen an andere Arbeitnehmer, zum Unternehmenserfolg, zur Leistung des Klägers und zu den Umsätzen in seiner Abteilung vorgetragen worden. Darüber hinaus hätte es den zuletzt erfolgten Vortrag des Klägers zum Umfang des Bonustopfes in den Blick nehmen müssen.

32

3. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.

33

IV. Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:

34

1. Teil des Leistungsbestimmungsrechts der Beklagten ist die Entscheidung, ob der Kläger am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft für außertarifliche Angestellte teilnimmt (§ 4 Ziff. 1 Arbeitsvertrag). Nach dem bisherigen Sachvortrag der Beklagten dürfte die Annahme des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden sein, die Beklagte habe bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs (§ 4 Ziff. 4 Arbeitsvertrag) die Leistungsbestimmung hinsichtlich der Art der Leistung nicht vorgenommen und damit die Bestimmung iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. BGB verzögert. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich erfolgte Ausscheiden des Klägers liegt es deshalb nahe, einen möglichen Bonusanspruch als Geldleistung und nicht als Deferral Award festzusetzen. Sollte das Landesarbeitsgericht dies anders sehen, wird es nach § 139 ZPO einen entsprechenden Hinweis zu erteilen und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, seinen Antrag anzupassen.

35

2. Im Fall einer gerichtlichen Leistungsbestimmung können die in den Vorjahren gezahlten Boni einen wichtigen Faktor darstellen, da durch sie regelmäßig zum Ausdruck gebracht wird, welche Höhe eine solche Leistung unter welchen konkreten Umständen (Leistung des Arbeitnehmers, Unternehmenserfolg etc.) erreichen kann. Insoweit hat das Arbeitsgericht allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Kläger im Kalenderjahr 2010 einen Bonus in Höhe von 209.920,00 Euro erhalten hat. Vielmehr erfolgte für das Geschäftsjahr 2010 nur eine Bonuszahlung in Höhe von 9.920,00 Euro (vgl. Schreiben der Beklagten vom 24. Februar 2011). Der garantierte Bonus wurde hingegen nach der eindeutigen vertraglichen Regelung, dem Inhalt des Schreibens vom 26. Februar 2010 und dem Zeitpunkt der Teilleistungen, die zur Hälfte noch im Jahre 2010 erfolgten, für 2009 gezahlt. Selbst wenn der klägerische Vortrag zuträfe, wonach ihm mitgeteilt worden sei, die Angabe des Jahres 2009 sei aus „bilanztechnischen Gründen“ erfolgt, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch und gerade die bilanztechnische Zuordnung zu einem bestimmten Kalenderjahr bringt jedenfalls zum Ausdruck, dass die Zahlung nicht für ein Folgejahr erfolgen soll. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt auch keine Rolle, dass er im Geschäftsjahr 2009 noch nicht für die Beklagte tätig war. Die Vereinbarung eines entsprechenden Leistungsanspruchs ist im Rahmen der Vertragsfreiheit ohne Weiteres möglich. Die Parteien bringen damit jedenfalls zum Ausdruck, welche Bonushöhe der Kläger, wäre er im Jahr 2009 bereits für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig gewesen, in diesem Kalenderjahr in der gegebenen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens hätte erzielen können. Im Übrigen war nach § 1 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags eine Tätigkeitsaufnahme vor dem 1. Januar 2010 als Möglichkeit vorgesehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag vom 19. August 2009 aber auch keine Anhaltspunkte dafür, die Leistung an den Kläger als reine Antrittsprämie (Sign-On-Bonus) ohne Leistungsbezug zu werten. Der Wortlaut der Vereinbarung gibt für eine solche Annahme nichts her. Vielmehr wird die Leistung nach § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ausdrücklich den Regeln des Deferral Plans(§ 4 Ziff. 1 Arbeitsvertrag) unterstellt und es wird in § 16 Abs. 5 des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Verfallmöglichkeiten eines Teils des garantierten Bonus ein deutlicher Leistungsbezug hergestellt.

36

3. Als weiteres Element für die gerichtliche Leistungsbestimmung wird der Vortrag des Klägers zu seinen Leistungen und zu den Umsatzzahlen seiner Abteilung heranzuziehen sein. Gleiches gilt für die Höhe der Leistungen an andere Arbeitnehmer. Darüber hinaus wird der Vortrag der Parteien zu den wirtschaftlichen Kennzahlen der Beklagten zu berücksichtigen sein, wobei der Umstand wird Beachtung finden müssen, dass der Kläger für das Geschäftsjahr 2009 trotz erheblicher Verluste einen Bonus in erheblicher Höhe erhalten hat. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht ggf. dem zuletzt erfolgten Vortrag des Klägers zum Umfang des Bonustopfes für das Geschäftsjahr 2011 nachzugehen haben. Sollten aus Sicht des Landesarbeitsgerichts relevante Faktoren von den Parteien unterschiedlich vorgetragen werden, so wird es ggf. Beweis zu erheben haben, um eine richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der maßgeblichen Faktoren herbeizuführen. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat insoweit ab.

37

4. Mögliche Ansprüche des Klägers auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sind nicht mehr Verfahrensgegenstand. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit solchen Ansprüchen auseinandergesetzt und deren Vorliegen verneint. Der Kläger hat sich im Rahmen seiner Revision hiergegen nicht gewandt, so dass hierüber im Revisionsverfahren nicht mehr zu entscheiden war.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    A. Effenberger     

        

    Schürmann    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. Dezember 2008 - 11 Sa 1356/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung des beklagten Landes, die Klägerin im Wege der Personalgestellung dem Kreis Olpe zur Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen.

2

Die 1957 geborene Klägerin war seit 1981 beim beklagten Land beim Versorgungsamt Soest beschäftigt. Sie arbeitete zuletzt in der Registratur der Elterngeldkasse I (Assistenzbereich BEEG). Gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Die Klägerin war zuletzt in die Entgeltgruppe 5, Stufe 6 TV-L eingruppiert.

3

Am 21. November 2007 trat das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (VersÄmtEinglG) als Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2007 (Straffungsgesetz) in Kraft (GV NRW 2007, 482, ausgegeben am 20. November 2007).

4

Dort ist auszugsweise geregelt:

        

㤠1

        

Auflösung der Versorgungsämter

        

(1)     

Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben werden nach Maßgabe dieses Gesetzes den Kreisen und kreisfreien Städten, den Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen übertragen.

        

(2)     

Die Beamten und die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte, auf die Landschaftsverbände, auf die Bezirksregierungen und auf das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

        

(3)     

Die Versorgungsämter Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal werden mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst.

        

§ 5

        

Aufgaben nach dem Bundeselterngeld-

        

und Elternzeitgesetz

        

(1)     

Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz werden mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen.

        

(2)     

…       

        

§ 10

        

Tarifbeschäftigte

        

(1)     

Die mit Aufgaben nach §§ 2 bis 5 und nach § 8 Abs. 2 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter werden kraft Gesetzes mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitet und nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 und der §§ 11 bis 21 den dort genannten kommunalen Körperschaften kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

        

(2)     

Die mit Aufgaben nach §§ 6 und 8 Abs. 1 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 nach Maßgabe des Absatzes 5 und des § 13 Abs. 4 und 5 auf die Bezirksregierung Münster über. Die mit Aufgaben nach § 7 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 nach Maßgabe des Absatzes 5 und der §§ 11 bis 21 auf die Bezirksregierungen über.

        

(3)     

Tariflich Beschäftigte der Versorgungsämter, die nicht unmittelbar mit Aufgaben nach §§ 2 bis 8 betraut sind, gehen nach Maßgabe des Absatzes 5 kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die Bezirksregierungen über oder werden kraft Gesetzes entsprechend Absatz 1 mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitet und kraft Gesetzes nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 mit Wirkung vom 1. Januar 2008 den in §§ 11 bis 21 genannten kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt, sofern sie nicht nach Absatz 4 in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergehen.

        

(4)     

Die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter, die nicht von den Personalgestellungsverträgen nach Absatz 6 erfasst sind und nicht nach Absatz 2 oder 3 auf die Bezirksregierungen übergehen, gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über. Betriebsbedingte Kün-digungen und entsprechende Änderungskündigungen mit dem Ziel der Herabstufung sind ausgeschlossen.

        

(5)     

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bereitet den Personalübergang nach den Absätzen 1 bis 4 vor der Übertragung der Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vor. Der Zuordnungsplan ist unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.

        

(6)     

Soweit die tariflich Beschäftigten kommunalen Körperschaften zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, werden die Einzelheiten der Personalgestellung in den zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und den in §§ 11 bis 21 genannten Körperschaften für jedes Versorgungsamt geschlossenen Personalgestellungsverträgen geregelt.

        

(7)     

Soweit tariflich Beschäftigte den kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, bleiben die Beschäftigungsverhältnisse zum Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage der für das Land geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen.

        

§ 20

        

Versorgungsamt Soest

        

(1)     

Die mit Aufgaben nach §§ 2 und 5 betrauten Beamten gehen, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf die kreisfreie Stadt Hamm, den Hochsauerlandkreis, den Märkischen Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest über.

        

…       

        
        

(4)     

Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten für tariflich Beschäftigte im Wege der Personalgestellung nach § 10 entsprechend.“

5

Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren wurde im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) ein Zuordnungsplan erarbeitet. Die endgültige Fassung war am 14. November 2007 erstellt. Das Zuordnungsverfahren wurde zunächst ohne die Beteiligung von Personalräten durchgeführt.

6

Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und Tarifbeschäftigten zu den verschiedenen zukünftigen Einsatzorten wurde folgendes Punkteschema zugrunde gelegt:

        

Personalzuordnung: Punkteverteilung

        

Lebensalter:

pro Jahr (Stichtag: 1.8.07)

0,2     

Punkte

        

Beschäftigungszeit:

pro Jahr (Stichtag: 1.8.07)

0,2     

Punkte

        

Familienstand:

verh./zusammenlebend

2       

Punkte

        

Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr:

        

5       

Punkte

        

Alleinerziehend:

        

5       

Punkte

        

Pflege von Angehörigen:

insg. 

2       

Punkte

        

Teilzeit:

Reduzierung um 20 % und mehr

5       

Punkte

                 

+ Reduzierung um 50 % und mehr

5       

Punkte

        

Schwerbehinderung:

        

5       

Punkte

                 

+ je 10 Grad

1       

Punkt 

        

Entfernungskilometer:

je km zum nächstmöglichen Einsatzort

0,1     

Punkte

        

Die Beschäftigten mit der höchsten Punktzahl werden dem nächstmöglichen Einsatzort zugeordnet.

        

Ergeben sich nach den Ergebnissen der Interessenabfrage bei der Gesamtwürdigung aller Kriterien besondere Fälle, kann von der nach dem Punktesystem vorgenommenen Zuordnung abgewichen werden.“

7

Die Beschäftigten wurden innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des ehemaligen Versorgungsamts grundsätzlich dem jeweiligen Aufgabenbereich zugeordnet (Schwerbehindertenrecht, Soziales Entschädigungsrecht, Bundeselterngeld/Elternzeitgesetz usw.). Anschließend fand eine Zuordnung innerhalb der Dienstgruppen Höherer Dienst - Gehobener Dienst - Mittlerer Dienst - Assistenzdienst statt. Die örtliche Zuordnung wurde jeweils innerhalb dieser Gruppen anhand der individuell berechneten Sozialpunkte nach dem Punkteschema vorgenommen. Zu den fixen Sozialpunkten wurden für die einzelnen Zuordnungsziele die jeweiligen Entfernungskilometer als sog. Entfernungspunkte addiert.

8

Die Zuordnung wurde sodann auf das Vorliegen eines Härtefalls überprüft. Das beklagte Land unterschied dabei zwischen sog. persönlichen Härtefällen und Entfernungshärtefällen. Es berücksichtigte sowohl Stellungnahmen der betroffenen Beschäftigten als auch des Hauptpersonalrats, der Hauptschwerbehindertenvertretung und der Amtsleitungen. Hinsichtlich der persönlichen Härtefälle wurden fünf Härtefallstufen gebildet. Berücksichtigung als persönliche Härtefälle fanden Beschäftigte der Stufen 3 bis 5. Die Berücksichtigung als Entfernungshärtefall setzte bei Vollzeitbeschäftigten im Mittleren Dienst und im Assistenzdienstbereich ein Erreichen von mehr als 20 Sozialpunkten (ohne Entfernungspunkte) und eine Entfernung von mehr als 85 km voraus. Bei Teilzeitbeschäftigten im Mittleren Dienst, im Assistenzdienstbereich und im Gehobenen Dienst galten die entsprechenden Kriterien mit der Besonderheit, dass mehr als 50 - 85 Entfernungskilometer erreicht werden mussten und je nach Stellenanteil differenziert wurde. Insgesamt wurden 74 Beschäftigte als Härtefälle eingestuft, davon etwa 50 Beschäftigte als Entfernungshärtefälle.

9

Die zur Erstellung des Zuordnungsplans erforderlichen Daten wurden im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens erhoben. Die Klägerin gab folgende Ortswünsche an: 1. Soest, 2. Märkischer Kreis, 3. Hochsauerlandkreis, 4. Olpe, 5. Hamm, 6. Siegen. Mit Schreiben vom 21. September 2007 teilte sie ergänzend mit, ihr Ehemann sei 57 Jahre alt und herzkrank mit einem GdB von 60 zzgl. des Merkzeichens „G“. Die drei Kinder der Klägerin waren im Juli 2007 20, 22 und 28 Jahre alt. Zwei Kinder befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Ausbildung. Für die Klägerin ergaben sich - ohne Entfernungskilometer - 17,39 Sozialpunkte. Die Klägerin wurde im Zuordnungsplan dem Kreis Olpe zugeordnet. Die einfache Entfernung nach Olpe beträgt für die Klägerin 113 km.

10

Der Zuordnungsplan vom 14. November 2007 wurde an die Amtsleitungen der Versorgungsämter mit der Bitte übersandt, „die geplante Zuordnung“ den Beschäftigten in geeigneter Form zu übermitteln. Die Klägerin ist seit 1. Januar 2008 für den Kreis Olpe tätig. Das beklagte Land hat Fahrdienste eingerichtet; daneben gelten die Regelungen der TrennungsgeldVO NW (TEVO NW).

11

Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschlüsse vom 16. November 2007 und vom 13. Dezember 2007 (- 34 L 1750/07.PVL -) festgestellt hatte, dass der Zuordnungsplan als Sozialplan in Folge einer Rationalisierungsmaßnahme der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unterliege, leitete das beklagte Land ein Mitbestimmungsverfahren ein. Zudem ist der Zuordnungsplan am 13. Dezember 2007 als vorläufige Regelung im Sinne des § 66 Abs. 8 LPVG NW bis zur endgültigen Entscheidung im laufenden Mitbestimmungsverfahren bis zum 31. Mai 2008 in Kraft gesetzt worden. Das Mitbestimmungsverfahren wurde in der Sitzung einer Einigungsstelle vom 18. April 2008 mit einem einstimmig angenommenen Beschluss abgeschlossen. In einer Anlage 1 sind 74 Mitarbeiter namentlich aufgeführt, die als Härtefälle in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) übergeleitet werden bzw. einen ortsnäheren Einsatz erfahren. Als Anlage 2 ist das unverändert gebliebene Punkteschema „Personalzuordnung: Punkteverteilung“ aufgenommen. In der Anlage 3 sind 90 Mitarbeiter ausgewiesen, die eine Entfernung von 80 km oder mehr zurückzulegen haben und denen zusätzlich zu evtl. bereits gegebenen Ansprüchen auf Trennungsentschädigung oder Auslagenersatz ein weiterer einmaliger Betrag in Höhe von 1.000,00 Euro brutto zur pauschalen Entschädigung der durch die Arbeitsverlagerung entstehenden Aufwendungen zuerkannt wird. Unter Nr. 17 ist dort die Klägerin aufgeführt.

12

Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Personalräte ist bei den jeweiligen Einzelmaßnahmen nicht erfolgt.

13

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Regelungen des VersÄmtEinglG stünden nicht mit der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen im Einklang. Ein gesetzlicher Personalübergang scheide bei Arbeitnehmern von vornherein aus. Insoweit bedürfe es einer Versetzung, die nicht erfolgt sei. Das VersÄmtEinglG stelle keine taugliche Grundlage für einen gesetzlichen Personalübergang dar, weil der Zuordnungsplan nicht wirksam in das Gesetz einbezogen sei. Das Verfahren des Zustandekommens des Zuordnungsplans bleibe ungeklärt. Eine Zuordnung über die Grenzen der bisherigen Versorgungsämterbezirke hinaus sei ermessensfehlerhaft nicht geprüft worden.

14

Es werde nicht hinreichend deutlich, dass soziale Belange genügend berücksichtigt worden seien. Das Lebensalter sei zu gering bewertet worden. Der Umstand, dass der Ehepartner der Klägerin schwerbehindert sei, finde bei der Punkteverteilung keine Berücksichtigung. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, warum im Rahmen der Härtefallregelung Entfernungskilometer erst bei Vorliegen von 20 Sozialpunkten berücksichtigt würden. Im Übrigen seien bei der Härtefallprüfung die Angaben der Beschäftigten keiner weiteren Überprüfung unterzogen worden, so dass die gesamte Zuordnung fehlerhaft sein dürfte. Zuordnungsplan und Personalgestellung seien im Sinne des LPVG NW mitbestimmungspflichtig gewesen; eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei erforderlich gewesen.

15

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung im Kreis Olpe zu erbringen.

16

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, der Personalübergang habe sich kraft Gesetzes vollzogen. Dies gelte sowohl für die Versetzung in das MAGS wie auch für die Personalgestellung an die Kommunen. Der Zuordnungsplan sei durch Verweisung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise in das Eingliederungsgesetz integriert worden. Er entfalte selbst keine unmittelbare Außenwirkung und diene lediglich der Bestimmtheit des Gesetzes. Der Klägerin werde kein neuer Arbeitgeber aufgezwungen, sondern es werde lediglich gesetzlich umgesetzt, was der Arbeitsvertrag und der TV-L ohnehin hergäben. Eine Änderungskündigung sei nicht erforderlich gewesen. Die persönliche und dienstliche Situation der Klägerin sei angemessen berücksichtigt worden. Personalräte seien nicht zu beteiligen gewesen.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin ist verpflichtet, ihre Arbeitsleistung im und für den Kreis Olpe zu erbringen.

19

I. Die Klage ist zulässig.

20

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Umfangs ihrer Leistungspflicht. Dies kann nach ständiger Rechtsprechung Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sein(vgl. zB BAG 13. März 2007 - 9 AZR 417/06 - Rn. 24, NZA-RR 2007, 549). Ihr Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Klagegegenstand ist - wie sich aus der Klagebegründung ergibt - die Zuordnung im Wege der Personalgestellung zum 1. Januar 2008 nach Auflösung der Versorgungsämter. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse besteht.

21

II. Die Klage ist unbegründet.

22

1. Die Klägerin ist weiterhin Arbeitnehmerin des beklagten Landes, das Arbeitsverhältnis ist nicht kraft Gesetzes auf den Kreis Olpe übergegangen.

23

a) Das Arbeitsverhältnis ist nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Kreis Olpe übergegangen.

24

Es kann dahinstehen, ob über die Wahrnehmung bestimmter, vorher durch die Versorgungsämter durchgeführter Teilaufgaben hinaus (Funktionsnachfolge) der Übergang eines abgrenzbaren Betriebs oder Betriebsteils in Betracht kommt (vgl. dazu zuletzt BAG 25. Juni 2009 - 8 AZR 258/08 - Rn. 26 f., AP BGB § 613a Nr. 373 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 111)und ob die Personalgestellung als Übernahme von Personal angesehen werden kann (vgl. dazu Preis/Greiner ZTR 2006, 290, 294).

25

Jedenfalls scheitert die Annahme eines Betriebsübergangs am fehlenden Übergang durch Rechtsgeschäft (vgl. BAG 2. März 2006 - 8 AZR 124/05 - Rn. 24, BAGE 117, 184 und 18. Dezember 2008 - 8 AZR 660/07 - Rn. 35, AP BGB § 613a Nr. 366 jeweils zu Betriebsübergängen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes einerseits und BAG 25. Januar 2001 - 8 AZR 336/00 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 215 = EzA BGB § 613a Nr. 194 zum gesetzlich geregelten rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang andererseits; für eine analoge Anwendung des § 613a BGB auf den Fall einer Privatisierung kraft Gesetzes, bei der der Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht besonders gesetzlich geregelt ist ErfK/Preis 10. Aufl. § 613a BGB Rn. 62). Durch das VersÄmtEinglG werden die bisher von den Versorgungsämtern wahrgenommenen Aufgaben kraft Gesetzes auf andere Institutionen übertragen (§ 1 Abs. 1 VersÄmtEinglG) und eine gesetzliche Gestellung der dort beschäftigten Arbeitnehmer wird angeordnet (§ 1 Abs. 2, § 10 VersÄmtEinglG). Lediglich die Einzelheiten der Durchführung der Personalgestellung an kommunale Körperschaften sind durch Personalgestellungsverträge zu regeln (§ 10 Abs. 6 VersÄmtEinglG), ohne dass diese die Grundlage für den Übergang von Aufgaben und Personal sind.

26

b) Zwischen der Klägerin und dem Kreis Olpe ist kein Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen.

27

Es kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Fall der gesetzlichen Personalgestellung nach den Regelungen des VersÄmtEinglG überhaupt eröffnet ist (abl. hinsichtlich einer Regelung des AsylVfG BAG 5. März 1997 - 7 AZR 357/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 85, 234). Auch wenn man dies unterstellt, fehlt es jedenfalls an der Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Entscheidendes Kriterium für die Gewerbsmäßigkeit ist die Gewinnerzielungsabsicht (vgl. zuletzt BAG 20. April 2005 - 7 ABR 20/04 - Rn. 26, EzA AÜG § 14 Nr. 5). Von einer Gewinnerzielungsabsicht kann nach den Regelungen des VersÄmtEinglG nicht ausgegangen werden (Trümner/Sparchholz Drittbezogener Personaleinsatz von Arbeitnehmern und Personalvertretungsrecht PersR 2008, 317, 319 zur Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TV-L/TVöD; ähnlich Hamann in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 1 Rn. 281 zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in privat-rechtlicher Organisationsform). Typischerweise vergütet der Entleiher dem Verleiher bei der Arbeitnehmerüberlassung die überlassene Arbeitsleistung einschließlich eines Gewinnaufschlags. Demgegenüber erbringt das beklagte Land gemäß § 23 Abs. 2 Satz 3 VersÄmtEinglG selbst die Personalausgaben für die im Wege der Personalgestellung zur Verfügung gestellten Tarifbeschäftigten und erstattet den Kommunen zusätzlich einen an den fiktiven Personalkosten orientierten Zuschlag als Ausgleich für allgemeinen Sachaufwand.

28

2. Die Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 20 Abs. 1 iVm. Abs. 4 VersÄmtEinglG rechtswirksam dem Kreis Olpe im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwarnehmung zur Verfügung gestellt worden. Sie ist damit im Rahmen ihres mit dem beklagten Land fortbestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet, ihre Arbeitsleistung dort zu erbringen.

29

a) § 1 Abs. 2 VersÄmtEinglG bestimmt, dass die tariflich Beschäftigten(und die Beamten) der Versorgungsämter nach Maßgabe des Gesetzes auf die kommunalen Körperschaften, die Bezirksregierungen oder das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergehen bzw. im Wege der Personalgestellung zur Verfügung gestellt werden. Die Grundsätze hierfür bestimmen sich nach § 10 VersÄmtEinglG. Hinsichtlich der Art und Weise des Übergangs und der aufnehmenden Institution wird - im Wesentlichen in Abhängigkeit von der bisher ausgeübten Tätigkeit - nach vier Kategorien unterschieden:

30

Tarifbeschäftigte, die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts, der Kriegsopferfürsorge, des sozialen Entschädigungsrechts (einschl. der Kriegsopferversorgung), des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) und des Gesetzes über den Bergmannsversorgungsschein wahrgenommen haben, wurden gemäß § 10 Abs. 1 iVm. §§ 2 bis 5, § 8 Abs. 2 VersÄmtEinglG zunächst mit Wirkung zum 31. Dezember 2007 in das MAGS übergeleitet und sodann nach weiteren Maßgaben mit Wirkung vom 1. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung den für die zukünftige Aufgabenwahrnehmung jeweils zuständigen kommunalen Körperschaften zugewiesen.

31

Die mit Aufgaben nach dem (früheren) Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit sowie mit bestimmten sonstigen Aufgaben betrauten tariflich Beschäftigten gingen - ohne vorherige Überleitung zum Ministerium - auf die Bezirksregierung Münster über (§§ 6, 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2 VersÄmtEinglG). Ebenso gingen die mit Aufgaben aus dem Bereich der Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Förderprogramme betrauten Beschäftigten direkt auf die verschiedenen Bezirksregierungen über (§§ 7, 10 Abs. 2 VersÄmtEinglG).

32

Tariflich Beschäftigte, die nicht unmittelbar mit einer der genannten Aufgaben betraut waren, also insbesondere Querschnittsaufgaben oder allgemeine Verwaltungsaufgaben erfüllten, gingen nach Maßgabe des vom Ministerium gemäß § 10 Abs. 5 VersÄmtEinglG zu erstellenden Zuordnungsplans entweder auf die Bezirksregierungen oder - nach einer Überleitung in das Ministerium - auf eine der genannten kommunalen Körperschaften über, sofern sie nicht gemäß § 10 Abs. 4 VersÄmtEinglG in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergegangen waren(§ 10 Abs. 3 VersÄmtEinglG).

33

Schließlich bestimmt § 10 Abs. 4 VersÄmtEinglG als Auffangregelung, dass diejenigen tariflichen Beschäftigten, die nicht direkt auf die Bezirksregierungen übergehen und nicht von Personalgestellungsverträgen erfasst werden, auf das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergehen.

34

b) Die Klägerin hat gemäß § 5 VersÄmtEinglG Aufgaben nach dem BEEG erfüllt. Damit unterfällt sie dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 VersÄmt-EinglG. Darüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit; insbesondere macht die Klägerin nicht geltend, dass sie fehlerhaft zugeordnet worden oder kraft Gesetzes auf eine andere Behörde oder Körperschaft übergegangen sei.

35

c) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO umfasst grundsätzlich nicht das Recht zur Anordnung der Erbringung der Arbeitsleistung bei einem anderen Arbeitgeber. Hierfür bedarf es einer besonderen vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Grundlage. Allein der Übergang von Aufgaben auf einen anderen Rechtsträger kann ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nicht zu einer Verpflichtung zur Tätigkeit bei dem anderen Rechtsträger führen (vgl. BAG 18. Februar 1976 - 5 AZR 616/74 - zu I 1 der Gründe, AP UniversitätsG Saarland § 1 Nr. 5).

36

§ 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 20 Abs. 1 iVm. Abs. 4 VersÄmtEinglG bilden die gesetzliche Grundlage für die Personalgestellung der Klägerin. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen. Ein Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen (wie zB § 4 Abs. 3 TV-L) ist nicht erforderlich (ebenso Welkoborsky Gestellung und Personalvertretung in Sozialer Dialog in der Krise 2009 S. 107, 108). Die Zuordnung zum Kreis Olpe ist aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Zuordnungsplans gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 VersÄmtEinglG unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange erfolgt.

37

aa) Die tariflich Beschäftigten wurden im Falle des § 10 Abs. 1 VersÄmtEinglG zunächst „kraft Gesetzes mit Wirkung vom 31. Dezember 2007“ auf das MAGS übergeleitet.

38

Damit war unmittelbar weder eine Veränderung des Orts oder der Art der zu erbringenden Arbeitsleistung verbunden noch ein Wechsel des Arbeitgebers. Vielmehr trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass die Versorgungsämter als bisherige Beschäftigungsdienststelle zu diesem Zeitpunkt aufgelöst wurden (§ 1 Abs. 3 VersÄmtEinglG) und - anders als in den Fällen des § 10 Abs. 2 VersÄmtEinglG - keine andere Landesbehörde als zukünftige Dienststelle gesetzlich bestimmt war.

39

bb) Sodann wurden diese zum MAGS übergeleiteten Beschäftigten nach § 10 Abs. 1 VersÄmtEinglG wiederum „kraft Gesetzes“ nach bestimmten Maßgaben mit Wirkung vom 1. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung bestimmten kommunalen Körperschaften zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.

40

Nach dem eindeutigen Wortlaut ist damit von der Anordnung einer gesetzlichen Personalgestellung auszugehen. Auch die Systematik und der Gesamtzusammenhang der verschiedenen Regelungen machen deutlich, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz selbst sicherstellen wollte, dass alle Beschäftigten, die vorher bei den Versorgungsämtern tätig waren, zukünftig bei einer Bezirksregierung, einer kommunalen Körperschaft oder dem Personaleinsatzmanagement tätig werden, um die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben bei den zukünftigen Aufgabenträgern möglichst reibungslos fortzuführen.

41

Dies bestätigt die Entstehungsgeschichte: Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung war die Formulierung „kraft Gesetzes“ nicht enthalten, sondern der Entwurf des § 10 Abs. 5 VersÄmtEinglG sah eine „Entscheidung über die personalrechtlichen Einzelmaßnahmen … auf der Grundlage eines Zuordnungsplans“ vor (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/4342 dort S. 7 f.). In der damaligen Begründung wurde § 10 Abs. 1 VersÄmtEinglG als „gesetzliche Regelung zur Personalgestellung auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)“ bezeichnet(Landtag Nordrhein-Westfalen aaO S. 27). Im Folgenden ist es aufgrund des Berichts des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform zu der letztlich verabschiedeten Fassung gekommen. In der Begründung der Beschlussempfehlung (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/5208 S. 35 f.) heißt es dazu unter anderem:

        

„zu Ziffer 3 a und 3 b: [Änderungen zu § 10 Abs. 1 und 2] Die Änderungen sind erforderlich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung handelt. Personalrechtlicher Einzelmaßnahmen bedarf es daher nicht mehr.“

42

cc) Allerdings legt das Gesetz für die betroffenen tariflichen Beschäftigten nicht selbst nach abstrakt-generellen Kriterien fest, wo sie zukünftig ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben. Vielmehr bestimmt es lediglich Rahmenregelungen für das Verfahren und die Kriterien der Personalauswahl zur Umsetzung des gesetzlichen Übergangs (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/5208 S. 36 zu Ziffer 3 f.). Darüber hinaus gibt es vor, wie viel Personal bei den entsprechenden Behörden und Körperschaften jeweils zur Erfüllung der Aufgaben benötigt wird (§ 23 Abs. 6 iVm. Anlage 2 VersÄmtEinglG).

43

Gemäß § 10 Abs. 5 VersÄmtEinglG hat die Bestimmung der konkreten Zuordnung und damit der zukünftigen Beschäftigungsdienststelle durch den vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu erstellenden Zuordnungsplan zu erfolgen. Dieser stellt damit das erforderliche Bindeglied zwischen dem angeordneten Übergang der tariflich Beschäftigten in ihrer Gesamtheit und dem des einzelnen Beschäftigten her. Erst mit Erstellung des Zuordnungsplans und der Bekanntgabe des den jeweiligen Beschäftigten betreffenden Inhalts kann das beklagte Land als Arbeitgeber den vom Gesetz vorgegebenen Erfolg, nämlich die Erbringung der Arbeitsleistung beim neuen Aufgabenträger, erreichen. Die Erstellung des Zuordnungsplans ist damit gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil der Überleitungsentscheidung, ohne dass damit der Zuordnungsplan selbst Bestandteil des Gesetzes wäre. Einer solchen Annahme steht schon der Wortlaut des § 10 Abs. 5 VersÄmtEinglG entgegen. Die Norm spricht lediglich von einer Vorbereitung durch das Ministerium, enthält aber keine hinreichend konkrete Verweisung, aus der sich eine Inkorporierung in das Gesetz entnehmen ließe. Vielmehr überlässt das Gesetz dem Ministerium gerade die notwendigen Schritte zur tatsächlichen Durchführung des gesetzlichen Übergangs, insbesondere die Auswahlentscheidung nach vorgegebenen Kriterien.

44

Diese Zweiteilung führt nicht dazu, dass das Gesetz selbst zu unbestimmt wäre. Es legt sowohl den Übergang der Aufgaben als auch die Aufnahmedienststellen fest und bestimmt den Weg und die Methode, auf dem die konkrete Auswahlentscheidung zu treffen ist. Für die einzelnen tariflich Beschäftigten sind damit die jeweiligen Rechtsfolgen hinreichend deutlich erkennbar.

45

d) Die Regelungen des VersÄmtEinglG verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

46

aa) Ein Verstoß gegen landesverfassungsrechtliche Vorschriften ist nicht gegeben. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Verfassungsbeschwerden verschiedener kommunaler Körperschaften gegen das VersÄmtEinglG zurückgewiesen (23. März 2010 - 19/08 -).

47

bb) Es kann dahinstehen, ob den verfassungsrechtlichen Bedenken zu folgen ist, die das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zu einem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG bewogen haben(3. September 2008 - L 10 VG 20/03 -; Az. beim BVerfG - 2 BvL 20/08 -). Das Gericht hat jedenfalls nur insoweit verfassungsrechtliche Bedenken gegen das VersÄmtEinglG geltend gemacht, als Aufgaben im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts und der Kriegsopferversorgung von der Versorgungsverwaltung auf die Landschaftsverbände übertragen wurden. Mit solchen Aufgaben war und ist die Klägerin nicht befasst. Im Übrigen sind dieser Entscheidung mehrere Senate des Bundessozialgerichts entgegengetreten (11. Dezember 2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 betreffend Kriegsopferversorgung; 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R - betreffend Opferentschädigung; 23. April 2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59 betreffend Schwerbehindertenrecht; 25. Juni 2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 betreffend Aufgaben des BEEG).

48

cc) Das beklagte Land war gesetzgebungsbefugt.

49

Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verliehen worden sind. Von der dem Bund gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG bis zum 1. September 2006 zustehenden Kompetenz, Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder stehenden Personen zu erlassen, hat dieser - soweit hier von Bedeutung - keinen Gebrauch gemacht. Auf die in Art. 125b Abs. 1 GG geschaffene Übergangsregelung kommt es daher nicht an.

50

Dem Bund steht außerdem nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung im Arbeitsrecht zu. Von dieser Kompetenz hat der Bund, soweit es die gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen betrifft, ebenfalls keinen Gebrauch gemacht, sondern nur rechtsgeschäftliche Übergänge nach § 613a BGB geregelt(vgl. BAG 2. März 2006 - 8 AZR 124/05 - Rn. 27, BAGE 117, 184 und 18. Dezember 2008 - 8 AZR 660/07 - Rn. 44, AP BGB § 613a Nr. 366). Gleiches gilt hinsichtlich einer gesetzlichen Regelung über die Personalgestellung. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz trifft keine Regelungen zu der Frage, wann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu erbringen. Ebenso wenig steht der gesetzlichen Regelung die Vorschrift des § 613 Satz 2 BGB entgegen. Diese enthält lediglich eine abdingbare Auslegungsregelung, die nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber eine eigenständige Regelung für das bei ihm beschäftigte Personal trifft (zum gesetzlich angeordneten Übergang der Arbeitsverhältnisse BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 660/07 - Rn. 42, aaO).

51

dd) Das Grundrecht der Berufsfreiheit der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt.

52

(1) Mit den Regelungen des VersÄmtEinglG greift der Landesgesetzgeber in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit der bei den Versorgungsämtern Beschäftigten ein.

53

(a) Die freie Wahl des Arbeitsplatzes der Klägerin wird durch das Gesetz nicht berührt, da es sich nicht um eine gesetzliche Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber handelt, sondern das Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land gemäß § 10 Abs. 7 VersÄmtEinglG unter Beibehaltung der bisherigen tariflichen Regelungen aufrechterhalten bleibt. Es liegt aber ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin vor, da sie gegen ihren Willen und ohne Einräumung eines Widerspruchsrechts durch gesetzliche Regelung verpflichtet wird, ihre Arbeitsleistung zukünftig einem anderen Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen und sich dessen Direktionsrecht im Rahmen der Erbringung ihrer Aufgaben zu unterwerfen.

54

(b) Solche die Berufsausübung einschränkenden Regelungen sind verfassungsgemäß, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen dabei nicht weitergehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfG 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - zu B I 1 b der Gründe, BVerfGE 111, 10).

55

(2) Daran gemessen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die landesgesetzliche Regelung.

56

(a) Mit dem VersÄmtEinglG verfolgt der Landesgesetzgeber das Ziel, Sonderbehörden soweit wie möglich aufzulösen, ihre Aufgaben zu kommunalisieren und in die allgemeine Verwaltung zu integrieren (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/4342 S. 1). Er will damit die Verwaltungsstrukturen veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anpassen, durch die Kommunalisierung der Aufgaben den Ortsbezug stärken und bestehendem Beratungsbedarf Rechnung tragen (Landtag Nordrhein-Westfalen aaO S. 23). Darüber hinaus sollen langfristig die Personal- und Sachausgaben deutlich sinken (Landtag Nordrhein-Westfalen aaO S. 2 f.). Durch die Übertragung bzw. Gestellung des „operativ tätigen Personals“ zum Zeitpunkt der Aufgabenübertragung soll ein reibungsloser Aufgabenübergang sichergestellt werden (Landtag Nordrhein-Westfalen aaO S. 30).

57

Dabei handelt es sich um vernünftige Gründe des Gemeinwohls, die im Rahmen des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers eine Veränderung der Verwaltungsstruktur einschließlich notwendiger personeller Maßnahmen rechtfertigen können.

58

(b) Die durch das VersÄmtEinglG erfolgenden Eingriffe in die Rechte der Beschäftigten sind nicht unverhältnismäßig.

59

(aa) Die Maßnahme erscheint geeignet, einen reibungslosen Übergang der Aufgaben und deren nahtlose Erfüllung nach der Neustrukturierung der Verwaltung sicherzustellen.

60

(bb) Es sind keine deutlichen Umstände erkennbar, die gegen eine Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung sprächen. Zwar hätte der Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 4 Abs. 3 TV-L auf personelle Einzelmaßnahmen zurückgreifen können. Abgesehen davon, dass der Eingriff in die Rechte der Beschäftigten nicht geringer gewesen wäre, wäre der Übergang aller Beschäftigten zum Zeitpunkt der Aufgabenübertragung nicht sichergestellt gewesen. Es besteht auf Seiten der Beschäftigten keine umfassende Tarifbindung an den TV-L, so dass in vielen Fällen nur auf vertragliche Bezugnahmeklauseln hätte zurückgegriffen werden können. Wie auch die im Arbeitsvertrag der Klägerin verwendete Klausel zeigt, war im Hinblick auf die Umstellung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes aber noch im Jahre 2007 nicht unumstritten, ob alle Vertragsklauseln zu einer Anwendung des TV-L führen (vgl. dazu BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - DB 2010, 1888; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44).

61

(cc) Die Regelung führt auch zu keinem unangemessenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, sie ist verhältnismäßig im engeren Sinn. Zwar kann die gesetzlich angeordnete Personalgestellung zu einer anderen Körperschaft erhebliche Veränderungen der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf den Ort und die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung bewirken. Die rechtlichen, insbesondere tariflichen Bedingungen der Erbringung der Arbeitsleistung bleiben dabei aber unverändert. Dem Arbeitnehmer steht, da er entweder einer Landesbehörde (Bezirksregierung) oder einer kommunalen Körperschaft oder dem Personaleinsatzmanagement zugeordnet ist, ein vergleichbarer Dienstherr gegenüber. Darüber hinaus bestehen Regelungen zum Ausgleich ggf. auftretender Belastungen, zB durch die TEVO NW oder die Bereitstellung von Fahrdiensten. Schließlich hat der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet, dass bei der Zuordnungsentscheidung soziale Kriterien neben dienstlichen Belangen zu berücksichtigen sind. Damit ist sichergestellt, dass bei der konkreten Zuordnungsentscheidung kein vermindertes Schutzniveau gegenüber den Regelungen des § 106 GewO oder des § 4 Abs. 3 TV-L besteht. Insoweit unterliegt die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den jeweiligen neuen Tätigkeitsfeldern der gerichtlichen Kontrolle. Für die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung spricht auch, dass sie sich im Kern an den einschlägigen tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes, insbesondere an § 4 Abs. 3 TV-L orientiert hat. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner Einräumung eines gesetzlichen Widerspruchsrechts, da andernfalls die Gefahr bestanden hätte, dass gesetzlich geforderte Aufgaben der Verwaltung nach der Umstrukturierung zumindest vorübergehend nicht mehr in angemessener Weise erbracht werden können.

62

(c) Die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit gehen nicht weiter als sie durch die genannten Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sind. Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich der tariflich Beschäftigten auf die erforderliche Anordnung des Übergangs innerhalb der Landesbehörden bzw. der Personalgestellung zu kommunalen Körperschaften beschränkt.

63

ee) Auch wenn in den Regelungen des VersÄmtEinglG ein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie liegt, ist dieser gerechtfertigt.

64

(1) Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu verlassen. Geschützt ist auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen. Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (vgl. zuletzt BVerfG 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 100, 271; 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 1 der Gründe, BVerfGE 103, 293).

65

(2) In diesen Schutzbereich könnte die durch § 10 VersÄmtEinglG angeordnete gesetzliche Personalgestellung eingreifen.

66

Die Regelung zielt zwar nicht auf eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit, sondern verfolgt den Zweck, eine nahtlose Erfüllung der Aufgaben der Verwaltung auch nach deren Umstrukturierung sicherzustellen. Sie könnte aber die praktische Wirksamkeit tariflicher Regelungen und damit ausgeübter Tarifautonomie beeinträchtigen, indem sie bestehende tarifliche Regelungen zur Personalgestellung unangewendet lässt und paralleles Gesetzesrecht schafft. Die Bedeutung der für das beklagte Land kraft Tarifbindung verbindlichen Regelungen wird damit geschmälert und damit unter Umständen die Verhandlungsposition der Gewerkschaften bei zukünftigen Tarifverhandlungen geschwächt.

67

(3) Nimmt man einen solchen Eingriff an, so ist dieser durch verfassungsrechtlich legitimierte, überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

68

Die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann, obwohl sie ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet ist, jedenfalls zum Schutz von Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt. Dem Gesetzgeber ist es, wenn solche Gründe vorliegen, grundsätzlich nicht verwehrt, Fragen zu regeln, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können. Der Grundrechtsschutz ist nicht für alle koalitionsmäßigen Betätigungen gleich intensiv. Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt vielmehr in dem Maße zu, in dem eine Materie aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann, weil sie nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers die gegenseitigen Interessen angemessener zum Ausgleich bringen als der Staat. Das gilt vor allem für die Festsetzung der Löhne und anderer materieller Arbeitsbedingungen. Je gewichtiger der Schutz ist, den Art. 9 Abs. 3 GG gewährt, desto schwerwiegender müssen die Gründe sein, die einen Eingriff rechtfertigen sollen (BVerfG 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - zu B II 1 c aa der Gründe mwN, BVerfGE 100, 271).

69

(a) § 10 VersÄmtEinglG dient verfassungsrechtlich legitimierten Gemeinwohlbelangen. Durch die Gestellung des „operativ tätigen Personals“ zum Zeitpunkt der Aufgabenübertragung soll ein reibungsloser Aufgabenübergang und damit eine zeitnahe und sachgerechte Entscheidung über die durch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Ansprüche der Bürger sichergestellt werden.

70

(b) Die Regelung ist - wie oben unter dd) (2) (b) ausgeführt - geeignet und erforderlich, um den reibungslosen Übergang der Aufgaben zu erreichen.

71

(c) Sie ist verhältnismäßig im engeren Sinn. Ein Eingriff in die Tarifautonomie wäre nicht sehr weitgehend, da die tariflichen Regelungen selbst nicht beseitigt werden. Er ist auch auf einen einmaligen Sachverhalt im Zusammenhang mit der Auflösung der Versorgungsämter beschränkt. Die Weitergeltung der übrigen tarifvertraglichen Regelungen des TV-L wird durch die gesetzliche Regelung für die betroffenen Beschäftigten ausdrücklich sichergestellt. Hinzu kommt, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Norm für den Gesetzgeber nicht klar erkennbar war, ob die Regelung des § 4 Abs. 3 TV-L für alle Landesbeschäftigten unabhängig von der Vertragsgestaltung Anwendung findet(vgl. dazu oben unter dd) (2) (b) (bb)). Der Gesetzgeber durfte daher trotz der bestehenden tariflichen Regelung selbst die Personalgestellung anordnen.

72

e) Bedenken gegen die Zuweisung der Klägerin im Wege der Personalgestellung an den Kreis Olpe bestehen nicht.

73

aa) Die Klägerin ist in dem vom MAGS erstellten Zuordnungsplan dem Kreis Olpe zugeordnet. Dies ist ihr auch bekannt gegeben worden. Das beklagte Land hat damit alle Voraussetzungen für die gesetzliche Personalgestellung zum 1. Januar 2008 geschaffen.

74

bb) Das MAGS hat im Rahmen der Erstellung des Zuordnungsplans die Vorgaben des VersÄmtEinglG beachtet.

75

(1) Die Zuordnung hat sich an den vorher wahrgenommenen Aufgaben und der festgelegten Übertragung auf neue Aufgabenträger orientiert und ist im Rahmen des gesetzgeberisch durch die Anlage 2 zum VersÄmtEinglG vorgegebenen Personalschlüssels geblieben.

76

Die Klägerin war im Assistenzbereich für Aufgaben des BEEG tätig. Solche Aufgaben erfüllt sie auch weiterhin für den Kreis Olpe. Soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, eine Zuordnung über die bisherigen Bezirke der Versorgungsämter hinaus sei nicht geprüft worden, steht dem § 20 Abs. 1, 4 VersÄmtEinglG entgegen. Dort ist festgelegt, auf welche kommunalen Körperschaften die durch das Versorgungsamt Soest bisher wahrgenommenen Aufgaben übergehen.

77

(2) Das beklagte Land hat - wie von § 10 Abs. 5 Satz 2 VersÄmtEinglG gefordert - den Zuordnungsplan unter Berücksichtigung sozialer Kriterien erstellt.

78

(a) Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass bei der Entscheidung über die konkrete Zuordnung der einzelnen Beschäftigten deren Interessen angemessen berücksichtigt werden. Damit begrenzt er gleichzeitig unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Beschäftigten (Art. 12 Abs. 1 GG)und stellt einen Gleichklang mit den einschlägigen tariflichen und gesetzlichen Regelungen her (§ 4 Abs. 3 TV-L bzw. § 106 GewO). Sowohl im Rahmen der tariflichen Personalgestellung (vgl. dazu Preis/Greiner ZTR 2006, 290, 293) als auch bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts findet eine Ausübungskontrolle dahingehend statt, ob die Interessen der Arbeitnehmer bei der konkreten Entscheidung angemessen berücksichtigt wurden. Nichts anderes gilt im Rahmen des § 10 VersÄmtEinglG.

79

(b) Das beklagte Land bediente sich zur Erstellung des Zuordnungsplans eines Punkteschemas, wobei es bestimmte Angaben im Rahmen einer Interessenabfrage von den Beschäftigten ermittelte. Dies ist nicht zu beanstanden. Gerade bei der Umsetzung von personellen Maßnahmen, die eine größere Anzahl von Beschäftigten betreffen, können Auswahl- oder Punkteschemata dazu dienen, sich einen Überblick über die soziale Lage der betroffenen Beschäftigten zu verschaffen und durch eine Reihung eine Vorauswahl nach sozialen Kriterien zu treffen (vgl. bei Versetzungen BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 29 ff., AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2; zur Zulässigkeit bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zB BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 63, BAGE 120, 115).

80

(c) Weder gegen die vom beklagten Land berücksichtigten Kriterien noch gegen deren Gewichtung bestehen durchgreifende Bedenken.

81

(aa) Die Zuordnung zu den neuen Beschäftigungsdienststellen hat nach den Regelungen des VersÄmtEinglG auch nach sozialen Kriterien zu erfolgen. Damit ist die gesetzgeberische Zielsetzung verbunden, nur diejenigen Beschäftigten an weiter entfernten Beschäftigungsorten einzusetzen, denen die (örtliche) Veränderung zuzumuten ist.

82

Bezogen auf diesen Zweck hat das beklagte Land alle wesentlichen Kriterien berücksichtigt, die typischerweise eine Rolle spielen. Es hat das Lebensalter, die Beschäftigungszeit, den Familienstand, das Vorhandensein von Kindern, den Umstand, ob ein Beschäftigter alleinerziehend ist, die Pflege von Angehörigen und die Frage, ob und in welchem Umfang ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt ist, ebenso berücksichtigt wie eine anerkannte Schwerbehinderung (nebst dem jeweiligen Grad). Darüber hinaus hat es - was bei einem Ortswechsel von besonderer Bedeutung ist - die Entfernung zu dem jeweils beabsichtigten Einsatzort einbezogen.

83

(bb) Die Gewichtung der einzelnen Kriterien ist ebenso wenig zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch kein Verstoß gegen die Regelungen des AGG gegeben.

84

Eine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer iSv. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor; vielmehr erhalten diese mehr Punkte als jüngere Arbeitnehmer und werden insoweit diesen gegenüber bevorzugt (vgl. zur dementsprechenden Rüge eines jüngeren Arbeitnehmers zB BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 43 f., BAGE 128, 238).

85

Wird unterstellt, die Punkteverteilung wirke sich mittelbar zu Lasten älterer Arbeitnehmer aus, liegt darin keine mittelbare Benachteiligung iSv. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG. Zutreffend ist, dass sowohl Lebensalter als auch Beschäftigungszeit im Gegensatz zu anderen Kriterien mit dem relativ niedrigen Punktwert von 0,2 angesetzt sind. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren erreicht werden muss, um die für ein Kind bis zum 18. Lebensjahr oder für eine Teilzeitbeschäftigung zu vergebende Punktzahl auszugleichen. Auch ein höheres Alter wiegt die für die letztgenannten Umstände vergebenen Punkte nur in Ausnahmefällen auf. Allerdings wird dies dadurch abgemildert, dass für den Familienstand Punkte vergeben werden und ältere Beschäftigte häufiger schwerbehindert sind oder Angehörige pflegen als jüngere Beschäftigte in der Kindererziehungsphase.

86

Bei der Bewertung dieser Punkteverteilung ist zu beachten, dass es nicht um die Frage der Auswahl zu kündigender Arbeitnehmer geht, sondern um die Zumutbarkeit eines Ortswechsels. Deshalb haben das Lebensalter und die Beschäftigungszeit im Hinblick auf die Veränderung des Tätigkeitsumfelds und die zukünftig zurückzulegende Entfernung nicht dieselbe Bedeutung wie andere Faktoren. Gerade eine zu starke Berücksichtigung des Lebensalters könnte vielmehr Bedenken im Hinblick auf die Regelungen des AGG hervorrufen (vgl. dazu BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 52 ff., AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Andere Faktoren, wie beispielsweise die Notwendigkeit der Nutzung einer ggf. nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Kinderbetreuungsmöglichkeit für Alleinerziehende, sind bei der Frage der örtlichen Versetzung von größerer Bedeutung. Gleiches gilt im Hinblick auf die Bewertung einer Teilzeitbeschäftigung. Es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass einem Arbeitnehmer mit verkürzter täglicher Arbeitszeit weite Anfahrtsstrecken in geringerem Maße zuzumuten sind, da sich das Verhältnis von Arbeitszeit und Fahrtzeit erheblich zu Ungunsten des Arbeitnehmers verändern würde. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen eine stärkere und nach dem Grad der Behinderung ansteigende Berücksichtigung einer Schwerbehinderung. Typischerweise kann davon ausgegangen werden, dass Schwerbehinderten die durch erhöhte Fahrtzeiten auftretenden körperlichen Belastungen weniger zuzumuten sind.

87

In seiner Gesamtheit ist das angewandte Punkteschema daher geeignet, aber auch angemessen und erforderlich, um zu einem Ausgleich der Interessen der verschiedenen Beschäftigten zu kommen. Hiervon ist auch die im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW zusammengetretene Einigungsstelle ausgegangen. Bedenken gegen den erstellten Zuordnungsplan und die verwendeten Auswahlkriterien wurden dort nicht erhoben.

88

(d) Die Ausübung billigen Ermessens erfordert allerdings über die Anwendung eines Punkteschemas hinaus stets eine Überprüfung des sich im Einzelfall ergebenden Ergebnisses. Damit wird sichergestellt, dass ggf. bisher unberücksichtigte Umstände Beachtung finden und die in jedem Punktesystem liegenden Härten und Vereinfachungen einer Überprüfung unterzogen werden.

89

Das beklagte Land hat in grundsätzlich nicht zu beanstandender Weise eine solche Härtefallprüfung vorgenommen und dabei zwischen persönlichen Härtefällen und sog. Entfernungshärtefällen unterschieden. Im Rahmen der persönlichen Härtefälle hat es individuelle Faktoren berücksichtigt. Im Hinblick auf die Entfernungshärtefälle hat es allerdings wiederum auf das Punktesystem zurückgegriffen und eine bestimmte Mindestpunktzahl verlangt. Dies ist nicht unbedenklich, da die Berücksichtigung sozialer Kriterien nicht bloß schematisch erfolgen darf. So ist es durchaus denkbar, dass aufgrund individueller sozialer Faktoren, die im Punkteschema keinen Niederschlag gefunden haben und noch nicht zu einer Bewertung als persönlicher Härtefall führen, eine an sich zumutbare Fahrstrecke in der Gesamtwertung als unzumutbar angesehen werden muss. Deswegen bedarf es auch ohne das Erreichen dieser Punktzahl einer individualisierten Schlussprüfung, ob die getroffene Maßnahme dem Beschäftigten unter Berücksichtigung der dienstlichen Belange und sozialer Kriterien zuzumuten ist. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31 zur Entscheidung über einen Altersteilzeitantrag).

90

(e) Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit seiner Zuordnungsentscheidung hat das beklagte Land zu tragen (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 81, AP BGB § 307 Nr. 26 zu § 106 Satz 1 GewO). Dabei genügt zunächst die Darlegung, welche Kriterien bei der Zuordnungsentscheidung nach welchem System berücksichtigt worden sind und zu welchem Ergebnis die Härtefallprüfung gekommen ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, im Rahmen des substantiierten Bestreitens vorzubringen, welche Faktoren nicht oder nicht genügend beachtet wurden. Erst dann hat das beklagte Land abschließend darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sich seine Entscheidung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben hält.

91

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die getroffene Zuordnungsentscheidung nicht zu beanstanden.

92

Es kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. zB BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31; aA zB 24. April 1996 - 5 AZR 1031/94 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18; zu der Kontroverse GMP/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht stand.

93

Zwar hat die Klägerin mit einer Entfernung von 113 km eine weite Strecke als täglichen Arbeitsweg zurückzulegen. Dies ist mit Belastungen durch die Fahrt selbst und mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Letztere sind im Verhältnis zu einer vergleichsweise niedrigen Eingruppierung zu sehen (Entgeltgruppe 5, Stufe 6). Diese Belastungen werden jedoch durch die Einrichtung eines Fahrdienstes bzw. durch die Möglichkeit der Leistungsgewährung nach der TEVO NW (einschließlich der Erstattung von Umzugskosten) und durch die im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens zusätzlich vereinbarte Einmalzahlung abgemildert. Vor diesem Hintergrund sind die Belastungen durch die Klägerin noch hinzunehmen. Auch die Schwerbehinderung des Ehemanns bot ohne weitere besondere Umstände keinen Anlass, von den bestehenden Härtefallregelungen abzuweichen.

94

Soweit die Klägerin noch gerügt hat, es sei nicht erkennbar, ob bei der angewandten Härtefallregelung die Angaben der anderen Beschäftigten tatsächlich überprüft worden seien, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es bestehen keine Bedenken, wenn der Arbeitgeber von den durch seine Beschäftigten gemachten Angaben ausgeht, solange er keine Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit hat. Erst wenn solche Anhaltspunkte vorliegen oder die Richtigkeit bestimmter Angaben substantiiert bestritten wird, ist er gehalten, deren Richtigkeit im Vorfeld zu überprüfen bzw. im Prozess zu beweisen. An einem solchen substantiierten Bestreiten durch die Klägerin fehlt es.

95

f) Ein Verstoß gegen Regelungen des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LPVG NW) ist nicht gegeben.

96

aa) Es kann dahinstehen, ob es sich beim Zuordnungsplan gemäß § 10 Abs. 5 VersÄmtEinglG um einen Sozialplan iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW handelt(vgl. dazu VerwG Düsseldorf 16. November 2007 - 34 L 1750/07.PVL - zu C 2.1 der Gründe, SozialVerw 2009, 28) und welche Auswirkungen eine fehlende Mitbestimmung auf die Personalgestellung selbst hätte.

97

Das beklagte Land hat das Mitbestimmungsverfahren nach vorläufiger Inkraftsetzung des Zuordnungsplans gemäß § 66 Abs. 8 LPVG NW durchgeführt und dieses im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens am 18. April 2008 zum Abschluss gebracht. Spätestens seit diesem Zeitpunkt liegt damit eine mitbestimmte Regelung vor.

98

bb) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die zum 31. Dezember 2007 gemäß § 10 Abs. 1 Halbs. 1 VersÄmtEinglG erfolgte Überleitung auf das MAGS der Mitbestimmung nach den Regelungen des LPVG NW unterlag, da diese Überleitung nicht streitgegenständlich ist.

99

cc) Die Personalgestellung an den Kreis Olpe ist keine Versetzung iSv. § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG NW und unterlag daher nicht der Mitbestimmung des abgebenden Personalrats.

100

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für den Inhalt der im Rahmen des Personalvertretungsrechts gewählten Begriffe regelmäßig auf das einschlägige tradierte Verständnis des Dienstrechts, insbesondere des Beamtenrechts, abzustellen. Verwendet der Gesetzgeber des Personalvertretungsgesetzes Begriffe aus dem Dienstrecht, liegt es nahe, dass er sich auf den dienstrechtlichen Begriffsinhalt bezieht. Dies ist aber nicht zwingend. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, dienstrechtlichen Begriffen im Personalvertretungsgesetz eine vom Dienstrecht abweichende Bedeutung beizumessen. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn er hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass er von dem dienstrechtlichen Begriffsinhalt abweichen will. Enthält das Personalvertretungsrecht keine solchen Anhaltspunkte, ist grundsätzlich auf die dienstrechtliche Definition abzustellen. Es ist dann nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts zu ermitteln, ob der personalvertretungsrechtliche Gehalt in jeder Hinsicht dem dienstrechtlichen entspricht. Ein Auseinanderfallen der Begriffe darf nicht dazu führen, dass diese im Personalvertretungsrecht auf Sachverhalte angewandt werden, denen wesentliche Elemente des dienstrechtlichen Begriffsinhalts fehlen (BVerwG 12. September 2002 - 6 P 11/01 - zu II 1 aa der Gründe, AP LPVG Berlin § 86 Nr. 2; 6. April 1984 - 6 P 12/82 - zu II der Gründe, Buchholz 238.36 PersVG ND § 6 Nr. 1).

101

Ob ein Beschäftigter versetzt wird, beurteilt sich damit auf der Grundlage des auf sein Beschäftigungsverhältnis anzuwendenden Statusrechts und nach Maßgabe des verwaltungsorganisatorischen Aufbaus der Dienststelle, der er angehört (BAG 6. August 1991 - 1 AZR 573/90 - zu II 2 der Gründe, ZTR 1992, 128). Während bei Beamten unter Versetzung iSv. § 26 aF BBG(nunmehr § 28 Abs. 1 BBG) die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes im funktionellen Sinn bei einer anderen Behörde desselben oder eines anderen Dienstherrn zu verstehen ist (BVerwG 15. November 2006 - 6 P 1/06 - Rn. 17, BVerwGE 127, 142), ist bei Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes unter Versetzung grundsätzlich ein dauerhafter Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers zu sehen (BAG 22. Januar 2004 - 1 AZR 495/01 - zu II 2 b aa der Gründe, AP ZPO § 91a Nr. 25). Hieran hat sich auch nach Inkrafttreten des TV-L nichts geändert. Vielmehr definiert die Protokollerklärung Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 TV-L als Versetzung ausdrücklich die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

102

(2) Bei Personalgestellungen iSd. § 10 VersÄmtEinglG handelt es sich nicht um Versetzungen iSd. § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG NW.

103

Als Personalgestellung im Sinn des TV-L wird gemäß Satz 1 der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TV-L die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses bezeichnet. Keinen anderen Inhalt hat die Personalgestellung nach den Regelungen des VersÄmtEinglG; hinsichtlich deren Ausgestaltung wird ausdrücklich - wie in Satz 2 der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TV-L - auf den Abschluss von Personalgestellungsverträgen verwiesen. Damit unterscheidet sich die Personalgestellung von der Versetzung im tarifrechtlichen Sinn gerade dadurch, dass die Beschäftigung bei einem Dritten erfolgt.

104

Dies schließt nicht grundsätzlich aus, dass bei der Schaffung neuer, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des entsprechenden Personalvertretungsgesetzes noch nicht existierender Tarifbegriffe diese nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts unter bestehende Normen subsumiert werden können oder dass eine analoge oder entsprechende Anwendung in Betracht kommt (vgl. zur Personalgestellung Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler BPersVG 6. Aufl. § 75 Rn. 78; Jordan Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L PersR 2007, 378; Welkoborsky Gestellung und Personalvertretung in Sozialer Dialog in der Krise 2009 S. 107, 112 ff.; wohl auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese Stand Juni 2010 TV-L § 4 Rn. 46 [aus Gründen der Rechtssicherheit]; aA Sponer/Steinherr Stand Mai 2010 TV-L § 4 Rn. 144).

105

Im Falle des § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG NW ist dies allerdings im Hinblick auf die mit Wirkung vom 17. Oktober 2007 erfolgte Novellierung des Personalvertretungsrechts in Nordrhein-Westfalen nicht möglich (ebenso VerwG Köln 28. November 2007 - 34 L 1580/07.PVL -; VerwG Minden 5. Dezember 2007 - 12 L 555/07.PVL -; VerwG Münster 18. Dezember 2007 - 22 L 667/07.PVL -). Ziel der Gesetzesnovellierung war ua. die Anpassung an die Regelungen des Bundespersonalvertretungsrechts und an Bestimmungen des neuen Tarifrechts (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/4239 S. 2, 85). Dementsprechend ist beispielsweise der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 1 Nr. 6 LPVG NW(„… Zuweisung von Arbeitnehmern gemäß tarifrechtlicher Vorschriften für eine Dauer von mehr als drei Monaten und ihre Aufhebung“) verändert worden. Zur Begründung wurde auf eine „Rechtsfolgeänderung infolge … des neuen Tarifrechts“ verwiesen (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/4239 S. 98). Die Aufnahme eines Mitbestimmungstatbestands bei der Personalgestellung ist dagegen - trotz entsprechender Bestrebungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 14/5034 S. 62 und Stellungnahme 14/1211 zum Gesetzentwurf S. 13 f.) - unterblieben. Gleichzeitig ist ein vorher bestehender Mitbestimmungstatbestand im Zuge der Novellierung gestrichen worden, der sich auf Personalgestellungsverträge bezog (§ 72 Abs. 4 Nr. 19 LPVG NW aF). Danach muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Fehlen eines Mitbestimmungstatbestands hinsichtlich der Personalgestellung um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung und nicht um eine unbewusste Lücke handelt. Weder kann daher die Personalgestellung als Versetzung iSd. § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG NW angesehen werden, noch ist eine analoge Anwendung dieser Vorschrift möglich(vgl. dazu BAG 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 27, NZA 2010, 824). Soweit dadurch eine Schutzlücke für die Beschäftigten entstanden ist, die dauerhaft einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden, ist dies durch den Gesetzgeber gewollt.

106

dd) Es kann dahinstehen, ob die Eingliederung der Klägerin in die Dienststelle des Kreises Olpe als Einstellung iSd. § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW anzusehen ist und deshalb der Beteiligung des dort bestehenden Personalrats bedurfte.

107

Auch wenn dies der Fall war (vgl. etwa BVerwG 20. Mai 1992 - 6 P 4/90 - BVerwGE 90, 194; 16. September 1994 - 6 P 32/92 - BVerwGE 96, 355), steht die fehlende Beteiligung des Personalrats einem Einsatz der Klägerin beim Kreis Olpe nicht entgegen. Die Mitbestimmung bei der Einstellung nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Personalvertretungsgesetze dient in erster Linie dem Schutz der bestehenden Belegschaft (vgl. BVerwG 20. Mai 1992 - 6 P 4/90 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO; BAG 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 c cc (2) und (3) der Gründe, BAGE 97, 276). Ein Leistungsverweigerungsrecht des einzelnen Arbeitnehmers besteht deswegen nur dann, wenn der Betriebsrat oder Personalrat die Aufhebung der Beschäftigung des ohne seine Zustimmung Eingestellten begehrt (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - aaO). Dies ist von keiner Seite vorgetragen worden.

108

g) Es kann dahinstehen, ob, in welcher Weise und ggf. mit welchen Rechtsfolgen eine nach §§ 94 ff. SGB IX gebildete Schwerbehindertenvertretung bei der Erstellung des Zuordnungsplans zu beteiligen war und ob eine Beteiligung erfolgt ist. Die Klägerin hat zwar eine mangelnde Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gerügt, aber nicht dargelegt, dass sie selbst überhaupt den Regelungen des SGB IX unterliegt.

109

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Züfle    

        

    Großmann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 - 2 Sa 71/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

2

Die 1974 geborene und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 6. Mai 1996 zunächst als Flugbegleiterin und sodann als Purserette in Vollzeit zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.281,55 Euro brutto bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. April 1996 lautet auszugsweise:

        

1.    

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

… [Die Klägerin] wird ab dem 06.05.1996 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Hamburg beschäftigt. Der Einsatzort Hamburg umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region.

        

(2)     

… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.

        

2.    

Rechte und Pflichten

        

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“

3

Die Klägerin ist vom Stationierungsort Hamburg aus eingesetzt worden; dort waren etwa 230 Flugbegleiter/Purser stationiert (Stand Februar 2014). Teilweise ist es zu „Dead-Head“-Beförderungen auf Kosten der Beklagten nach Frankfurt am Main oder München gekommen, wo die Flugbegleiter/innen dann ihre Tätigkeit aufnahmen.

4

Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP). Dieser lautet auszugsweise:

        

„ERSTER ABSCHNITT: INTERESSENAUSGLEICH

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Dieser Interessenausgleich gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 3 Ziele und Maßnahmen

        

Erklärung der L zu den Zielen und Maßnahmen:

        

3.1 ‚Zur Verbesserung der Marktsituation und notwendigen Verringerung der Kosten wurden von der Geschäftsleitung nach umfangreichen Untersuchungen folgende Maßnahmen beschlossen.

                 

Die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, wurden zum 1.1.2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt.

                 

Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig. ...

        

3.2 Der Arbeitgeber wird die von der Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffenen Mitarbeiter zur Weiterbeschäftigung nach Frankfurt oder München versetzen bzw. ggf. eine Änderungskündigung aussprechen.‘

        

3.3 Die Betriebspartner begleiten diesen Prozess, indem sie für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie z. B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Arbeitnehmerüberlassung gemäß Schlichtungsvereinbarung, befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) entwickeln. Näheres regelt der Sozialplan.

        

…       

        

§ 5 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

        

Betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlass der Schließung der Stationierungsorte Berlin, Hamburg und Stuttgart […] sind ausgeschlossen.

        

ZWEITER ABSCHNITT: SOZIALPLAN

        

§ 6 Ziele des Sozialplans

        

Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen.

        

§ 7 Geltungsbereich

        

Dieser Sozialplan gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser der L AG, die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 8 Abmilderung der Folgen

        

Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):

                 

a)    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung

                 

b)    

Direkter Einsatz aus FRA oder MUC

                 

c)    

Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012

                 

d)    

Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                 

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

                 

f)    

Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe

        

Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.

        

Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.

        

…       

        

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

        

Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der G.

        

Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …

        

Nach Ablauf der zwei Jahre des virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort wird der Mitarbeiter zum darauffolgenden Winter- bzw. Sommerflugplanwechsel gemäß Ergebnis der nach § 4 erfolgenden Mitarbeiterbefragung in FRA (Einsatzgruppe nach Bedarf) oder MUC eingesetzt werden.

        

Privilegierte Rückkehroption

        

Für den Fall, dass L einen Stationierungsort zu einem späteren Zeitpunkt wieder eröffnet oder neuer Bedarf besteht, wird dem von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter eine Rückkehrmöglichkeit zu seinem ursprünglichen Stationierungsort eingeräumt, von der er vor allen Anderen Gebrauch machen kann. ...“

5

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2013 für eine „Versetzung an den Standort FRA“ (Frankfurt am Main). Außerdem kreuzte sie den Wunsch nach der Reiseregelung „5 Jahre S7, mit Selbstbuchungstool“ an.

6

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013, dem eine Personalliste beigefügt war, auf welcher der Name der Klägerin verzeichnet ist, bat die Beklagte die zuständige Personalvertretung um Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen im Zusammenhang mit der Schließung dezentraler Stationierungsorte. Am 16. Dezember 2013 stimmte die Personalvertretung den Versetzungen der in der Personalliste aufgeführten Arbeitnehmer zu.

7

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Mai 2014 nach Frankfurt am Main. Ebenso sind alle anderen bisher in Hamburg stationierten Flugbegleiter/innen versetzt worden. Die Klägerin widersprach der Versetzung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2014. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2014 unter Vorbehalt an.

8

Die Zubringerflüge von Hamburg nach Frankfurt am Main und München werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung vom 17. Dezember 2013 sei unwirksam. Der Einsatzort in Hamburg habe sich über Jahre verfestigt. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel sei intransparent, weil sie nicht zwischen den verschiedenen Örtlichkeiten (Dienstort, Einsatzort, Arbeitsort) unterscheide. Die Versetzungsentscheidung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen, die Beklagte habe keine Einzelfallabwägung vorgenommen. Es gebe - schon wegen der Zubringerflüge - weiterhin ein Flugvolumen von Hamburg aus, welches immer noch mehrere hundert Flüge pro Monat betrage. Außerdem habe sich die Beklagte selbst in der Lage gesehen, den betroffenen Mitarbeitern die Möglichkeit anzubieten, befristet für zwei Jahre an ihrem bisherigen Stationierungsort Hamburg „virtuell“ zu verbleiben. Die Beklagte bediene überdies wieder Flugstrecken für die G und setze weiterhin Cockpitpersonal von Hamburg aus ein. Gleiches gelte für Flugbegleiterinnen mit Dienstbeginn ab Hamburg („On-Duty“). Auch führe die Beklagte Flugumläufe durch, die in Hamburg endeten. Zudem müsse auch in Hamburg eine Standby-Reserve vorgehalten werden. Auch unabhängig hiervon könne die Beklagte die Klägerin weiterhin ab Hamburg einsetzen und sie „Dead-Head“ nach Frankfurt am Main oder München befördern. Durch die Versetzungsmaßnahme habe sie gravierende Belastungen zu tragen, nämlich die Anreisekosten nach Frankfurt am Main, Übernachtungen bei einer Anreise am Vortag oder einer Rückkehr ohne Rückflugmöglichkeit nach Hamburg und die Einschränkung des Lebensmittelpunkts im Hamburg. Ein Umzug sei für sie mit Härten verbunden und ihrer Familie nicht, zumindest nicht ohne Weiteres, möglich.

10

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, sie habe im Herbst 2012 beschlossen, eine strukturelle Reform des Direktverkehrs vorzunehmen. Sukzessive sollten sämtliche L-Direktverkehre auf die G GmbH verlagert werden. Die Entscheidung sei auch umgesetzt worden, wie den Flugplänen zu entnehmen sei. Ihre direkten Europaverkehre, welche alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt am Main und München umfassten, würden bereits seit dem 1. Januar 2013 von der G GmbH kommerziell verantwortet. Für den Stationierungsort Hamburg bedeute dies, dass fast alle Flüge von und nach Hamburg seit dem 1. Mai 2014 durch die G GmbH geflogen würden. Ausgenommen seien die Zubringerflüge nach Frankfurt am Main und München. Das bisherige Flugvolumen habe sich am Standort Hamburg um 53,09 % verringert. Vor diesem Hintergrund habe sie entschieden, die dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart zum 30. April 2014 zu schließen und kein fliegendes Personal mehr vor Ort zu stationieren. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in Frankfurt am Main oder München. Damit entfielen die „Dead-Head“-Beförderungen und die Einsatzzeit erhöhe sich. Rechne man diese Kosten und diejenigen für die gesonderte Umlaufplanung und Umlauferstellung, für Standby-Reserven, für Infrastruktur vor Ort und das Personal vor Ort (Teamleiter) zusammen, ergäben sich Einsparungen in Höhe von etwa 1,17 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes Gewicht zu.

12

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben rechtskräftig die Unwirksamkeit der Änderungskündigung festgestellt, im Übrigen haben sie die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Versetzung vom 17. Dezember 2013 ist wirksam.

14

I. Die Beklagte durfte die Klägerin mit Wirkung ab 1. Mai 2014 vom Stationierungsort Hamburg zum Stationierungsort Frankfurt am Main versetzen.

15

1. Bereits das Arbeitsgericht ging zutreffend davon aus, dass die Parteien nicht einvernehmlich Frankfurt am Main als neuen Stationierungsort festgelegt haben. Die Beklagte hat im weiteren Verlauf des Rechtsstreits an dieser erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten.

16

2. Die vertraglichen Regelungen der Parteien sind rechtswirksam und lassen eine Versetzung der Klägerin an einen anderen Einsatzort zu. Eine Konkretisierung der Beschäftigung auf den Stationierungsort Hamburg ist nicht eingetreten.

17

a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zu Recht aus.

18

aa) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).

19

bb) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).

20

cc) Nach diesen Grundsätzen enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine abschließende Festlegung des Einsatzorts. Ziff. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar als Einsatzort Hamburg vor. In Ziff. 1 Abs. 2 behält sich die Beklagte jedoch das Recht vor, die Klägerin an einem anderen Ort einzusetzen. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt.

21

b) Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind rechtswirksam.

22

aa) Entgegen der Auffassung der Revision genügt die Regelung in Ziff. 1 des Arbeitsvertrags dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(vgl. zu den Anforderungen zB BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286).

23

(1) Regelmäßiger Arbeitsort einer/eines Flugbegleiterin/Flugbegleiters ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort. Das Flugzeug wird auch nicht zwangsläufig am Einsatzort bestiegen. Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 20 mwN).

24

(2) Aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise war aus den von der Beklagten gestellten Vertragsregelungen deutlich erkennbar, was mit Einsatzort iSv. Ziff. 1 des Arbeitsvertrags gemeint war und dass sich die Beklagte in Abs. 2 einen Einsatz an einem anderen Einsatzort in diesem Sinne vorbehielt (vgl. zur Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 16 [ebenfalls eine Flugbegleiterin betreffend]). Einer weiteren Bestimmung des Begriffs des Einsatzorts oder Arbeitsorts im Arbeitsvertrag bedurfte es nicht.

25

bb) Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 31; 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 23).

26

c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Einsatzort nicht dadurch auf Hamburg konkretisiert, dass die Klägerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am Main rund 17 Jahre von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN). Andere Umstände hat die Klägerin nicht benannt.

27

3. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe von ihrem Weisungsrecht bei der Versetzung wirksam nach § 106 GewO Gebrauch gemacht und die Grundsätze billigen Ermessens gewahrt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht geht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen aus und wendet diese rechtsfehlerfrei auf den Einzelfall an. Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgerichts unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung Stand.

28

a) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es - anders als die Revision annimmt - nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 26). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128). Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Entgegen der Auffassung der Revision ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung, sondern auf den Zeitpunkt des Endes der virtuellen Stationierung abgestellt hätte.

29

aa) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 40 mwN).

30

bb) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 41 f.).

31

cc) Eine soziale Auswahl - wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG - findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).

32

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Versetzung vom 17. Dezember 2013 nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht durfte unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vortrags der Parteien annehmen, die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Direktverkehr strukturell zu reformieren, einen erheblichen Teil der Flüge - mit Ausnahme der Zubringerflüge - nicht mehr selbst durchzuführen und die meisten dezentralen Stationierungsorte, darunter den Stationierungsort Hamburg, vollständig zu schließen.

33

aa) Bereits die Schlichtungsempfehlung zur Beilegung des Tarifkonflikts im Jahre 2012 sah Maßnahmen vor, die mit den Auswirkungen des Wechsels von Flugzeugen des Direktverkehrs in das AOC (Air Operator Certificate) der G für die Flugbegleiter/innen zusammenhingen und die Möglichkeit einer Arbeitnehmerüberlassung von der Beklagten zu G beinhalteten. In einem „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12. November 2012 sowie zum Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal“ vom 12. April 2013 ist dies tarifrechtlich umgesetzt worden. Auch der IA/SP vom 8. Mai 2013 war eine Reaktion auf die geplanten Maßnahmen und benennt diese ausdrücklich als „Schließung und Einschränkung von dezentralen Stationierungsorten für das Kabinenpersonal in Deutschland“. In dem IA/SP ist die Position der Beklagten wiedergegeben, wonach die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, zum 1. Januar 2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt wurden. Darüber hinaus heißt es dort: „Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig.“ Im Folgenden kam es zur Versetzung aller betroffenen Flugbegleiter/innen, soweit diese nicht von anderen vorgesehenen Maßnahmen, wie beispielsweise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Gebrauch machten. Über die Wirksamkeit dieser Versetzungen wurden und werden eine Vielzahl von Rechtsstreiten geführt.

34

bb) Vor diesem Hintergrund war ein einfaches Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen im Hinblick auf die unternehmerische Organisationsentscheidung der Beklagten nicht ausreichend. Ein solches ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur zulässig, wenn es um Tatsachen geht, die nicht Gegenstand der Wahrnehmung einer Partei sind. Davon kann - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht in der von der Revision vertretenen Allgemeinheit ausgegangen werden. Vielmehr hätte es näherer Darlegungen durch die Klägerin bedurft, ob trotz der aufgezeigten Umstände die Existenz jeglicher unternehmerischer Organisationsentscheidung oder ggf. welcher Teile oder Maßnahmen bestritten werden sollte.

35

c) Ebenso wenig ist revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht von einer Umsetzung dieser Organisationsentscheidung durch die Beklagte ausgegangen ist. Die bisher in Hamburg und den anderen zur Schließung vorgesehenen dezentralen Stationierungsorten stationierten Mitarbeiter/innen des Kabinenpersonals sind versetzt worden. Das ergibt sich auch aus der entsprechenden Anhörung der Personalvertretung und der Vielzahl laufender Rechtsstreite und ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Ebenso wenig wurde von ihr - unabhängig von deren rechtlicher Bedeutung oder Bewertung - bestritten, dass die Beklagte diverse Maßnahmen vor Ort vorgenommen hat, wie die Kündigung der Räume und den Abbau des bisher vorhandenen stationären Personals. Gleiches gilt bezüglich des Umstands, dass die Flugumläufe der Zubringerflüge seit dem Wirksamwerden der Versetzungen in Frankfurt am Main bzw. München beginnen. Streitig ist allerdings zwischen den Parteien, in welchem Umfang sich durch diese Maßnahmen die Anzahl der Flüge der Beklagten von und nach Hamburg reduziert hat. Auf die entsprechenden Revisionsrügen kommt es aber - ausgehend von der zutreffenden Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht entscheidungserheblich an. Nicht die exakte Zahl der Flüge ist danach maßgeblich, sondern dass die getroffene Organisationsentscheidung der Beklagten, die von vornherein den Bestand der Zubringerflüge nicht berührte, tatsächlich umgesetzt wurde. Hinsichtlich der weiteren Behauptungen der Klägerin zum Einsatz von Crews/Flugbegleitern ab Hamburg durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der entsprechende Vortrag nicht ausreichend ist, um eine fehlende Umsetzung der Entscheidung anzunehmen. Hierzu hätte es zumindest der konkreten Darlegung bedurft, dass es sich um andere Flüge als Zubringerflüge handelt und diese Mitarbeiter ihre Flugumläufe in Hamburg starten. Dass einzelne Flugbegleiter dort übernachten, sagt über den Stationierungsort im Übrigen nichts aus. Mit dem Vortrag der Klägerin zur Durchführung von Flügen durch die Beklagte für die G hat sich das Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt und ua. zutreffend darauf hingewiesen, dass Hamburg davon überhaupt nicht betroffen war.

36

d) Auf Grundlage der festgestellten Umsetzungsmaßnahmen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Reform der Direktverkehre und die damit verbundene Zentralisierung der Stationierungsorte sei auf Dauer angelegt, ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte, die hiergegen sprechen könnten, hat die Klägerin nicht benannt. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ergeben sich solche insbesondere nicht aus der sog. privilegierten Rückkehroption gemäß § 8 Buchst. b und Buchst. e IA/SP. Die Bestimmungen sehen vor, dass die von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter/innen im Fall der Wiedereröffnung oder Neueröffnung des ursprünglichen Stationierungsorts eine vorrangige Rückkehrmöglichkeit gegenüber anderen Beschäftigten haben. Dabei handelt es sich um eine typische Sozialplanregelung, die berücksichtigt, dass unternehmerische Organisationsentscheidungen stets prognostischen Charakter haben und sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen oder unternehmenspolitische Strategien mittel- oder langfristig verändern können. Wird aufgrund einer neuen unternehmerischen Entscheidung der frühere Zustand wieder hergestellt oder eine Organisationsstruktur geschaffen, die einen Einsatz am früheren Stationierungsort zuließe, bestünde trotzdem nicht ohne Weiteres ein Rechtsanspruch auf Rückversetzung. Einen solchen Anspruch gewährt erst die Sozialplanregelung. Dass die getroffene Maßnahme von vornherein nicht auf Dauer angelegt war, lässt sich einer solchen Regelung jedoch nicht entnehmen.

37

e) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten als willkürlich oder missbräuchlich anzusehen. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, welche wirtschaftlichen Erwartungen sie mit der Umsetzung der getroffenen Maßnahmen verbindet, insbesondere im Zusammenhang mit der Reduzierung sog. Dead-Head-Kosten, der Einsatzmöglichkeiten der betroffenen Flugbegleiter/innen und entfallender Kosten an den bisherigen dezentralen Stationierungsorten. Ob dies im Einzelnen zutrifft und sich tatsächlich realisiert, unterliegt ebenso wenig einer gerichtlichen Kontrolle wie die Beurteilung, ob andere Organisationsentscheidungen möglich und ggf. wirtschaftlich sinnvoller gewesen wären (vgl. dazu auch BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 47). Eine solche Zweckmäßigkeitskontrolle der unternehmerischen Entscheidung findet nicht statt. Deshalb ist auch unerheblich, ob die Auffassung der Klägerin zutrifft, wonach die weiteren Einsparungen vor Ort (Schließung der Station, Abzug des stationären Personals etc.) unabhängig von der Versetzung der Flugbegleiter/innen hätten realisiert werden können und deren Einsatz auch ohne örtliche Arbeitsstrukturen von Hamburg aus möglich wäre. Dabei würde es sich um eine andere Organisation des Betriebs handeln, die der Beklagten nicht gegen deren Willen auferlegt werden kann.

38

Entgegen der Auffassung der Revision sind auch die Kosten des Sozialplans vom 8. Mai 2013 den erzielten Einsparungen nicht „gegenzurechnen“. Vielmehr handelt es sich dabei um die Erfüllung der gesetzlich und tariflich (§ 117 Abs. 2 BetrVG iVm. § 95 TV PV) vorgesehenen Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Betriebsänderungen mit der Personalvertretung einen Ausgleich oder eine Milderung der durch die Maßnahmen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Betroffenen zu schaffen. Dies mag die erwünschten wirtschaftlichen Effekte reduzieren, aufzehren oder zunächst sogar zu Mehrbelastungen (Restrukturierungskosten) führen. Diese vorübergehenden Belastungen lassen aber nicht den Schluss zu, die Entscheidung sei willkürlich erfolgt.

39

f) Die Umsetzung des unternehmerischen Gesamtkonzepts der Beklagten bedingt die Veränderung der Stationierungsorte der betroffenen Arbeitnehmer und damit deren Versetzungen. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen; die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere steht die nach § 8 Buchst. e IA/SP für einen begrenzten Zeitraum mögliche virtuelle Stationierung am bisherigen Stationierungsort einer solchen Annahme nicht entgegen.

40

aa) Nach der Reform der Direktverkehre werden ab Hamburg durch die Beklagte nur noch die Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München durchgeführt. Die Flugumläufe beginnen dort und nicht mehr wie bisher auch an dezentralen Stationierungsorten. Dies würde zwar - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - nicht zwangsläufig eine Veränderung des Stationierungsorts der Klägerin bedingen, da Flüge in bestimmten Fällen auch an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen starten. Die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten in solchen Fällen ist aber - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 32) - vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bleibt. Eine dauerhafte Stationierung der Klägerin in Hamburg wäre damit nicht vereinbar.

41

bb) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ändert die in § 8 Buchst. e IA/SP vorgesehene Möglichkeit des befristeten virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort daran nichts.

42

(1) § 8 IA/SP sieht für die von Versetzungen betroffenen Mitarbeiter der vollständig geschlossenen Stationierungsorte fünf Wahlmöglichkeiten vor. Diese beinhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, den direkten Wechsel nach Frankfurt am Main oder München gegen Zahlung einer Auslagenpauschale bzw. der Umzugskosten und eine zeitlich begrenzte Arbeitnehmerüberlassung oder den sofortigen Wechsel zu G unter bestimmten Bedingungen. Darüber hinaus ist der befristete Verbleib am bisherigen Standort für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Übergang des letzten Flugzeugs in den Verantwortungsbereich (AOC) der G vorgesehen (virtuelle Stationierung). Nach § 8 Buchst. e IA/SP erfolgt in dieser Zeit der Einsatz der Flugbegleiter/innen, die sich für diese Variante entschieden haben, „Dead-Head“ vom virtuellen Stationierungsort aus. Die Mitarbeiter/innen werden damit während der Laufzeit dieser Regelung so gestellt, als ob sie weiterhin in Hamburg stationiert wären. Zusätzlich erhalten sie nach Ablauf der virtuellen Stationierung weitere Leistungen.

43

(2) Bei der befristeten virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich um eine Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Angehörigen des Bordpersonals infolge der Betriebsänderung entstehen iSv. § 95 Abs. 1 Satz 2 TV PV(inhaltsgleich mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

44

(a) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (Fitting 28. Aufl. § 112, 112a Rn. 2). Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen (BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 107, 91). Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan knüpft hingegen erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23, BAGE 150, 136).

45

(b) Der virtuelle befristete Verbleib am bisherigen Stationierungsort ist eine solche Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung der durch die Versetzungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile.

46

(aa) Die Durchführung der Betriebsänderung wird durch die Bestimmungen des Sozialplans nicht beschränkt oder zeitlich verschoben. Die Beklagte brauchte zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt die Direktverkehre mit Ausnahme der Zubringerflüge nicht mehr selbst durchzuführen und konnte die dezentralen Stationen tatsächlich schließen, dh. beispielsweise Mietverträge kündigen und örtliches Personal abziehen. Schließlich durfte sie alle gewünschten Versetzungen aussprechen und ihre Flugumläufe neu, nämlich nur noch von den zentralen Stationierungsorten Frankfurt am Main und München aus, planen und die Mitarbeiter/innen dementsprechend einsetzen. Alle Teile des Gesamtkonzepts der Betriebsänderung blieben deshalb durch die Bestimmungen des Sozialplans unberührt.

47

(bb) Vor diesem Hintergrund ist die in mehreren Parallelverfahren vertretene Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (vgl. zB 5. Oktober 2015 - 17 Sa 1675/14 -) unzutreffend, bei § 8 Buchst. e IA/SP handle es sich entgegen der systematischen Stellung im Teil Sozialplan rechtlich um eine Interessenausgleichsregelung. Die Folgen der Versetzung für die betroffenen Flugbegleiter/innen wären vielmehr - den Sozialplan hinweggedacht - mit Wirkung ab 1. Mai 2014 in vollem Umfang eingetreten: Diese hätten auf eigene Kosten und außerhalb der Dienstzeit zum Dienstantritt am neuen Stationierungsort gelangen müssen. Diese Nachteile werden durch § 8 IA/SP abgemildert, so zB durch die Zahlung der Auslagenpauschale oder Erstattung der Umzugskosten. Der Sozialplan trägt durch diese Wahlmöglichkeiten der gesetzlichen bzw. tariflichen Zielvorgabe Rechnung, die Nachteile möglichst einzelfallbezogen auszugleichen und die unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei den Beschäftigten, die sich für die Variante virtuelle Stationierung entschieden haben, erfolgte die Abmilderung durch die zeitlich begrenzte weitere Anwendung der tariflichen „Dead-Head“-Bestimmungen, obwohl hierauf wegen der Umsetzung der Organisationsänderung gerade kein Rechtsanspruch bestand.

48

(3) Die Möglichkeit der virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP lässt nicht den Schluss zu, die unternehmerische Entscheidung zur Umgestaltung des Direktverkehrs und zur Schließung der dezentralen Stationierungsorte sei zum 1. Mai 2014 noch nicht umgesetzt worden, eine Versetzung zu diesem Termin nach Frankfurt am Main oder München sei deshalb noch nicht erforderlich und die Maßnahme verstoße gegen § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.

49

(a) Wie dargelegt, handelt es sich um eine von fünf Wahlmöglichkeiten in einem Sozialplan, die dem Ausgleich oder der Milderung der Folgen der Versetzungen dient. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sozialplan oder aus anderen Umständen, dass dieser etwa darauf angelegt gewesen wäre, dass alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Mitarbeiter/innen sich für diese Variante entscheidet. Ein solches Verhalten hat auch die Klägerin nicht behauptet und eine solche Situation ist erkennbar nicht eingetreten.

50

(b) Bei § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich nicht um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um eine mit der Personalvertretung abgeschlossene Vereinbarung, die er durchführen muss. Deshalb ist die Annahme falsch, die Regelung mache deutlich, dass nach der Interessenlage der Beklagten eine Versetzung zum 1. Mai 2014 noch unterbleiben konnte und diese lediglich „auf Vorrat“ erfolgt sei. Ebenso wenig trägt das Argument, die Beklagte hätte die anderen Maßnahmen der Stationsschließung auch durchführen können, ohne die Klägerin während der Dauer der virtuellen Stationierung zu versetzen. Zum einen würde es sich um eine andere Organisationsentscheidung handeln als diejenige, für die sich die Beklagte willkürfrei entschieden hat. Zum anderen würde sich bei einem Verzicht auf die Versetzung der Anspruch der Flugbegleiter/innen aus § 8 Buchst. e IA/SP verstetigen oder jedenfalls entgegen dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien erheblich verlängern, da die virtuelle Stationierung gerade die Versetzung voraussetzt.

51

(4) Auch luftfahrtrechtliche Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die Heimatbasis der Klägerin für die Zeit der virtuellen Stationierung weiterhin Hamburg und deshalb die Versetzung nach Frankfurt am Main ausgeschlossen sei. Die entsprechenden Bestimmungen verlangen lediglich, dass eine Heimatbasis festgelegt wird. Dies ist im Fall der Klägerin seit dem 1. Mai 2014 Frankfurt am Main; von dort aus wird sie geplant und eingesetzt. Dass die Klägerin für einen vorübergehenden Zeitraum gemäß § 8 Buchst. e IA/SP auf Kosten der Beklagten zu diesem Stationierungsort befördert wird und die übrigen tariflichen Bestimmungen für „Dead-Head“-Zeiten Anwendung finden, führt nicht dazu, dass Hamburg entgegen der anderweitigen Benennung durch die Beklagte wieder zur Heimatbasis der Klägerin wird. Deshalb wird in § 8 Buchst. e IA/SP im Übrigen von den Betriebsparteien gerade zwischen dem gewählten Stationierungsort und dem (nur) virtuellen Stationierungsort unterschieden.

52

g) Das Landesarbeitsgericht durfte vor diesem Hintergrund zu Recht davon ausgehen, dass das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts gegenüber den berechtigten Interessen der Beklagten an der Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung zurücktreten muss.

53

aa) Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass eine Flugbegleiterin nach dem Vertragszweck nicht die berechtigte Erwartung haben kann, die sozialen und sonstigen Vorteile eines dauerhaft ortsfesten Arbeitseinsatzes in Anspruch nehmen zu können. Längere Ortsabwesenheiten gehören grundsätzlich zum Berufsbild. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Belastungen und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Landesarbeitsgericht - auch im Hinblick auf die Organisation der Kinderbetreuung - nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen, denen notfalls durch einen Umzug begegnet werden kann. Die für die Klägerin entstehenden Nachteile sind durch die Regelungen des Sozialplans für die Zeit der virtuellen Stationierung in Hamburg weitestgehend beseitigt und im Folgenden für mehrere Jahre wirtschaftlich deutlich abgemildert.

54

bb) Umstände, die auf die Möglichkeit hindeuten könnten, unter Aufrechterhaltung der getroffenen und umgesetzten unternehmerischen Entscheidung unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin auf deren Versetzung zu verzichten, hat diese nicht aufgezeigt. Dies gilt auch im Hinblick auf die noch stattfindenden Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München. Die Beklagte hat konkret dargelegt, dass die jeweiligen Umläufe in Frankfurt am Main oder München beginnen und das Kabinenpersonal dort seine Arbeit aufnimmt. Die Klägerin ist dem nicht substanziiert entgegengetreten. Ein dauerhafter Einsatz der Klägerin mit dem Stationierungsort Hamburg wäre damit nicht vereinbar. Ebenso wenig ergibt sich aus § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB über die Bestimmungen des Sozialplans hinaus ein Anspruch auf eine dauerhafte virtuelle Stationierung in Hamburg. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine solche grundsätzlich möglich wäre. Sie wäre aber nicht mit der getroffenen Organisationsentscheidung vereinbar, sondern würde einen Teil der enthaltenen Maßnahmen wirtschaftlich entwerten und die Beklagte dauerhaft mit Dead-Head-Kosten belasten. Gleiches gilt im Hinblick die von der Klägerin geltend gemachte Möglichkeit des dauerhaften Einsatzes auf Zubringerflügen. Auch ein solcher wäre grundsätzlich möglich, allerdings nicht mit der Organisationsentscheidung vereinbar, wonach auch insoweit keine Flugumläufe mehr ab Hamburg beginnen und der Personaleinsatz von den Einsatzorten Frankfurt am Main oder München aus erfolgt.

55

4. Die bei der Beklagten gebildete Personalvertretung ist ordnungsgemäß gemäß § 88 TV PV beteiligt worden. Zwischen den Parteien ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme vor einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamburg unstreitig geworden, dass die Personalvertretung mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 unter Beifügung einer Personalliste zur Versetzung ua. der Klägerin angehört wurde und am 16. Dezember 2013 der Maßnahme zugestimmt hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, aufgrund des der Personalvertretung bekannten Inhalts des Interessenausgleichs habe der Inhalt der Unterrichtung den Anforderungen des TV PV genügt, ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht mehr infrage gestellt.

56

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    D. Kiel    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 - 2 Sa 71/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

2

Die 1974 geborene und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 6. Mai 1996 zunächst als Flugbegleiterin und sodann als Purserette in Vollzeit zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.281,55 Euro brutto bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. April 1996 lautet auszugsweise:

        

1.    

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

… [Die Klägerin] wird ab dem 06.05.1996 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Hamburg beschäftigt. Der Einsatzort Hamburg umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region.

        

(2)     

… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.

        

2.    

Rechte und Pflichten

        

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“

3

Die Klägerin ist vom Stationierungsort Hamburg aus eingesetzt worden; dort waren etwa 230 Flugbegleiter/Purser stationiert (Stand Februar 2014). Teilweise ist es zu „Dead-Head“-Beförderungen auf Kosten der Beklagten nach Frankfurt am Main oder München gekommen, wo die Flugbegleiter/innen dann ihre Tätigkeit aufnahmen.

4

Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP). Dieser lautet auszugsweise:

        

„ERSTER ABSCHNITT: INTERESSENAUSGLEICH

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Dieser Interessenausgleich gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 3 Ziele und Maßnahmen

        

Erklärung der L zu den Zielen und Maßnahmen:

        

3.1 ‚Zur Verbesserung der Marktsituation und notwendigen Verringerung der Kosten wurden von der Geschäftsleitung nach umfangreichen Untersuchungen folgende Maßnahmen beschlossen.

                 

Die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, wurden zum 1.1.2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt.

                 

Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig. ...

        

3.2 Der Arbeitgeber wird die von der Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffenen Mitarbeiter zur Weiterbeschäftigung nach Frankfurt oder München versetzen bzw. ggf. eine Änderungskündigung aussprechen.‘

        

3.3 Die Betriebspartner begleiten diesen Prozess, indem sie für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie z. B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Arbeitnehmerüberlassung gemäß Schlichtungsvereinbarung, befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) entwickeln. Näheres regelt der Sozialplan.

        

…       

        

§ 5 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

        

Betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlass der Schließung der Stationierungsorte Berlin, Hamburg und Stuttgart […] sind ausgeschlossen.

        

ZWEITER ABSCHNITT: SOZIALPLAN

        

§ 6 Ziele des Sozialplans

        

Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen.

        

§ 7 Geltungsbereich

        

Dieser Sozialplan gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser der L AG, die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 8 Abmilderung der Folgen

        

Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):

                 

a)    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung

                 

b)    

Direkter Einsatz aus FRA oder MUC

                 

c)    

Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012

                 

d)    

Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                 

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

                 

f)    

Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe

        

Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.

        

Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.

        

…       

        

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

        

Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der G.

        

Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …

        

Nach Ablauf der zwei Jahre des virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort wird der Mitarbeiter zum darauffolgenden Winter- bzw. Sommerflugplanwechsel gemäß Ergebnis der nach § 4 erfolgenden Mitarbeiterbefragung in FRA (Einsatzgruppe nach Bedarf) oder MUC eingesetzt werden.

        

Privilegierte Rückkehroption

        

Für den Fall, dass L einen Stationierungsort zu einem späteren Zeitpunkt wieder eröffnet oder neuer Bedarf besteht, wird dem von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter eine Rückkehrmöglichkeit zu seinem ursprünglichen Stationierungsort eingeräumt, von der er vor allen Anderen Gebrauch machen kann. ...“

5

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2013 für eine „Versetzung an den Standort FRA“ (Frankfurt am Main). Außerdem kreuzte sie den Wunsch nach der Reiseregelung „5 Jahre S7, mit Selbstbuchungstool“ an.

6

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013, dem eine Personalliste beigefügt war, auf welcher der Name der Klägerin verzeichnet ist, bat die Beklagte die zuständige Personalvertretung um Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen im Zusammenhang mit der Schließung dezentraler Stationierungsorte. Am 16. Dezember 2013 stimmte die Personalvertretung den Versetzungen der in der Personalliste aufgeführten Arbeitnehmer zu.

7

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Mai 2014 nach Frankfurt am Main. Ebenso sind alle anderen bisher in Hamburg stationierten Flugbegleiter/innen versetzt worden. Die Klägerin widersprach der Versetzung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2014. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2014 unter Vorbehalt an.

8

Die Zubringerflüge von Hamburg nach Frankfurt am Main und München werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung vom 17. Dezember 2013 sei unwirksam. Der Einsatzort in Hamburg habe sich über Jahre verfestigt. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel sei intransparent, weil sie nicht zwischen den verschiedenen Örtlichkeiten (Dienstort, Einsatzort, Arbeitsort) unterscheide. Die Versetzungsentscheidung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen, die Beklagte habe keine Einzelfallabwägung vorgenommen. Es gebe - schon wegen der Zubringerflüge - weiterhin ein Flugvolumen von Hamburg aus, welches immer noch mehrere hundert Flüge pro Monat betrage. Außerdem habe sich die Beklagte selbst in der Lage gesehen, den betroffenen Mitarbeitern die Möglichkeit anzubieten, befristet für zwei Jahre an ihrem bisherigen Stationierungsort Hamburg „virtuell“ zu verbleiben. Die Beklagte bediene überdies wieder Flugstrecken für die G und setze weiterhin Cockpitpersonal von Hamburg aus ein. Gleiches gelte für Flugbegleiterinnen mit Dienstbeginn ab Hamburg („On-Duty“). Auch führe die Beklagte Flugumläufe durch, die in Hamburg endeten. Zudem müsse auch in Hamburg eine Standby-Reserve vorgehalten werden. Auch unabhängig hiervon könne die Beklagte die Klägerin weiterhin ab Hamburg einsetzen und sie „Dead-Head“ nach Frankfurt am Main oder München befördern. Durch die Versetzungsmaßnahme habe sie gravierende Belastungen zu tragen, nämlich die Anreisekosten nach Frankfurt am Main, Übernachtungen bei einer Anreise am Vortag oder einer Rückkehr ohne Rückflugmöglichkeit nach Hamburg und die Einschränkung des Lebensmittelpunkts im Hamburg. Ein Umzug sei für sie mit Härten verbunden und ihrer Familie nicht, zumindest nicht ohne Weiteres, möglich.

10

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, sie habe im Herbst 2012 beschlossen, eine strukturelle Reform des Direktverkehrs vorzunehmen. Sukzessive sollten sämtliche L-Direktverkehre auf die G GmbH verlagert werden. Die Entscheidung sei auch umgesetzt worden, wie den Flugplänen zu entnehmen sei. Ihre direkten Europaverkehre, welche alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt am Main und München umfassten, würden bereits seit dem 1. Januar 2013 von der G GmbH kommerziell verantwortet. Für den Stationierungsort Hamburg bedeute dies, dass fast alle Flüge von und nach Hamburg seit dem 1. Mai 2014 durch die G GmbH geflogen würden. Ausgenommen seien die Zubringerflüge nach Frankfurt am Main und München. Das bisherige Flugvolumen habe sich am Standort Hamburg um 53,09 % verringert. Vor diesem Hintergrund habe sie entschieden, die dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart zum 30. April 2014 zu schließen und kein fliegendes Personal mehr vor Ort zu stationieren. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in Frankfurt am Main oder München. Damit entfielen die „Dead-Head“-Beförderungen und die Einsatzzeit erhöhe sich. Rechne man diese Kosten und diejenigen für die gesonderte Umlaufplanung und Umlauferstellung, für Standby-Reserven, für Infrastruktur vor Ort und das Personal vor Ort (Teamleiter) zusammen, ergäben sich Einsparungen in Höhe von etwa 1,17 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes Gewicht zu.

12

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben rechtskräftig die Unwirksamkeit der Änderungskündigung festgestellt, im Übrigen haben sie die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Versetzung vom 17. Dezember 2013 ist wirksam.

14

I. Die Beklagte durfte die Klägerin mit Wirkung ab 1. Mai 2014 vom Stationierungsort Hamburg zum Stationierungsort Frankfurt am Main versetzen.

15

1. Bereits das Arbeitsgericht ging zutreffend davon aus, dass die Parteien nicht einvernehmlich Frankfurt am Main als neuen Stationierungsort festgelegt haben. Die Beklagte hat im weiteren Verlauf des Rechtsstreits an dieser erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten.

16

2. Die vertraglichen Regelungen der Parteien sind rechtswirksam und lassen eine Versetzung der Klägerin an einen anderen Einsatzort zu. Eine Konkretisierung der Beschäftigung auf den Stationierungsort Hamburg ist nicht eingetreten.

17

a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zu Recht aus.

18

aa) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).

19

bb) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).

20

cc) Nach diesen Grundsätzen enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine abschließende Festlegung des Einsatzorts. Ziff. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar als Einsatzort Hamburg vor. In Ziff. 1 Abs. 2 behält sich die Beklagte jedoch das Recht vor, die Klägerin an einem anderen Ort einzusetzen. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt.

21

b) Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind rechtswirksam.

22

aa) Entgegen der Auffassung der Revision genügt die Regelung in Ziff. 1 des Arbeitsvertrags dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(vgl. zu den Anforderungen zB BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286).

23

(1) Regelmäßiger Arbeitsort einer/eines Flugbegleiterin/Flugbegleiters ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort. Das Flugzeug wird auch nicht zwangsläufig am Einsatzort bestiegen. Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 20 mwN).

24

(2) Aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise war aus den von der Beklagten gestellten Vertragsregelungen deutlich erkennbar, was mit Einsatzort iSv. Ziff. 1 des Arbeitsvertrags gemeint war und dass sich die Beklagte in Abs. 2 einen Einsatz an einem anderen Einsatzort in diesem Sinne vorbehielt (vgl. zur Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 16 [ebenfalls eine Flugbegleiterin betreffend]). Einer weiteren Bestimmung des Begriffs des Einsatzorts oder Arbeitsorts im Arbeitsvertrag bedurfte es nicht.

25

bb) Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 31; 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 23).

26

c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Einsatzort nicht dadurch auf Hamburg konkretisiert, dass die Klägerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am Main rund 17 Jahre von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN). Andere Umstände hat die Klägerin nicht benannt.

27

3. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe von ihrem Weisungsrecht bei der Versetzung wirksam nach § 106 GewO Gebrauch gemacht und die Grundsätze billigen Ermessens gewahrt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht geht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen aus und wendet diese rechtsfehlerfrei auf den Einzelfall an. Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgerichts unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung Stand.

28

a) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es - anders als die Revision annimmt - nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 26). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128). Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Entgegen der Auffassung der Revision ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung, sondern auf den Zeitpunkt des Endes der virtuellen Stationierung abgestellt hätte.

29

aa) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 40 mwN).

30

bb) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 41 f.).

31

cc) Eine soziale Auswahl - wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG - findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).

32

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Versetzung vom 17. Dezember 2013 nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht durfte unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vortrags der Parteien annehmen, die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Direktverkehr strukturell zu reformieren, einen erheblichen Teil der Flüge - mit Ausnahme der Zubringerflüge - nicht mehr selbst durchzuführen und die meisten dezentralen Stationierungsorte, darunter den Stationierungsort Hamburg, vollständig zu schließen.

33

aa) Bereits die Schlichtungsempfehlung zur Beilegung des Tarifkonflikts im Jahre 2012 sah Maßnahmen vor, die mit den Auswirkungen des Wechsels von Flugzeugen des Direktverkehrs in das AOC (Air Operator Certificate) der G für die Flugbegleiter/innen zusammenhingen und die Möglichkeit einer Arbeitnehmerüberlassung von der Beklagten zu G beinhalteten. In einem „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12. November 2012 sowie zum Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal“ vom 12. April 2013 ist dies tarifrechtlich umgesetzt worden. Auch der IA/SP vom 8. Mai 2013 war eine Reaktion auf die geplanten Maßnahmen und benennt diese ausdrücklich als „Schließung und Einschränkung von dezentralen Stationierungsorten für das Kabinenpersonal in Deutschland“. In dem IA/SP ist die Position der Beklagten wiedergegeben, wonach die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, zum 1. Januar 2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt wurden. Darüber hinaus heißt es dort: „Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig.“ Im Folgenden kam es zur Versetzung aller betroffenen Flugbegleiter/innen, soweit diese nicht von anderen vorgesehenen Maßnahmen, wie beispielsweise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Gebrauch machten. Über die Wirksamkeit dieser Versetzungen wurden und werden eine Vielzahl von Rechtsstreiten geführt.

34

bb) Vor diesem Hintergrund war ein einfaches Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen im Hinblick auf die unternehmerische Organisationsentscheidung der Beklagten nicht ausreichend. Ein solches ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur zulässig, wenn es um Tatsachen geht, die nicht Gegenstand der Wahrnehmung einer Partei sind. Davon kann - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht in der von der Revision vertretenen Allgemeinheit ausgegangen werden. Vielmehr hätte es näherer Darlegungen durch die Klägerin bedurft, ob trotz der aufgezeigten Umstände die Existenz jeglicher unternehmerischer Organisationsentscheidung oder ggf. welcher Teile oder Maßnahmen bestritten werden sollte.

35

c) Ebenso wenig ist revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht von einer Umsetzung dieser Organisationsentscheidung durch die Beklagte ausgegangen ist. Die bisher in Hamburg und den anderen zur Schließung vorgesehenen dezentralen Stationierungsorten stationierten Mitarbeiter/innen des Kabinenpersonals sind versetzt worden. Das ergibt sich auch aus der entsprechenden Anhörung der Personalvertretung und der Vielzahl laufender Rechtsstreite und ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Ebenso wenig wurde von ihr - unabhängig von deren rechtlicher Bedeutung oder Bewertung - bestritten, dass die Beklagte diverse Maßnahmen vor Ort vorgenommen hat, wie die Kündigung der Räume und den Abbau des bisher vorhandenen stationären Personals. Gleiches gilt bezüglich des Umstands, dass die Flugumläufe der Zubringerflüge seit dem Wirksamwerden der Versetzungen in Frankfurt am Main bzw. München beginnen. Streitig ist allerdings zwischen den Parteien, in welchem Umfang sich durch diese Maßnahmen die Anzahl der Flüge der Beklagten von und nach Hamburg reduziert hat. Auf die entsprechenden Revisionsrügen kommt es aber - ausgehend von der zutreffenden Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht entscheidungserheblich an. Nicht die exakte Zahl der Flüge ist danach maßgeblich, sondern dass die getroffene Organisationsentscheidung der Beklagten, die von vornherein den Bestand der Zubringerflüge nicht berührte, tatsächlich umgesetzt wurde. Hinsichtlich der weiteren Behauptungen der Klägerin zum Einsatz von Crews/Flugbegleitern ab Hamburg durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der entsprechende Vortrag nicht ausreichend ist, um eine fehlende Umsetzung der Entscheidung anzunehmen. Hierzu hätte es zumindest der konkreten Darlegung bedurft, dass es sich um andere Flüge als Zubringerflüge handelt und diese Mitarbeiter ihre Flugumläufe in Hamburg starten. Dass einzelne Flugbegleiter dort übernachten, sagt über den Stationierungsort im Übrigen nichts aus. Mit dem Vortrag der Klägerin zur Durchführung von Flügen durch die Beklagte für die G hat sich das Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt und ua. zutreffend darauf hingewiesen, dass Hamburg davon überhaupt nicht betroffen war.

36

d) Auf Grundlage der festgestellten Umsetzungsmaßnahmen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Reform der Direktverkehre und die damit verbundene Zentralisierung der Stationierungsorte sei auf Dauer angelegt, ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte, die hiergegen sprechen könnten, hat die Klägerin nicht benannt. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ergeben sich solche insbesondere nicht aus der sog. privilegierten Rückkehroption gemäß § 8 Buchst. b und Buchst. e IA/SP. Die Bestimmungen sehen vor, dass die von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter/innen im Fall der Wiedereröffnung oder Neueröffnung des ursprünglichen Stationierungsorts eine vorrangige Rückkehrmöglichkeit gegenüber anderen Beschäftigten haben. Dabei handelt es sich um eine typische Sozialplanregelung, die berücksichtigt, dass unternehmerische Organisationsentscheidungen stets prognostischen Charakter haben und sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen oder unternehmenspolitische Strategien mittel- oder langfristig verändern können. Wird aufgrund einer neuen unternehmerischen Entscheidung der frühere Zustand wieder hergestellt oder eine Organisationsstruktur geschaffen, die einen Einsatz am früheren Stationierungsort zuließe, bestünde trotzdem nicht ohne Weiteres ein Rechtsanspruch auf Rückversetzung. Einen solchen Anspruch gewährt erst die Sozialplanregelung. Dass die getroffene Maßnahme von vornherein nicht auf Dauer angelegt war, lässt sich einer solchen Regelung jedoch nicht entnehmen.

37

e) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten als willkürlich oder missbräuchlich anzusehen. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, welche wirtschaftlichen Erwartungen sie mit der Umsetzung der getroffenen Maßnahmen verbindet, insbesondere im Zusammenhang mit der Reduzierung sog. Dead-Head-Kosten, der Einsatzmöglichkeiten der betroffenen Flugbegleiter/innen und entfallender Kosten an den bisherigen dezentralen Stationierungsorten. Ob dies im Einzelnen zutrifft und sich tatsächlich realisiert, unterliegt ebenso wenig einer gerichtlichen Kontrolle wie die Beurteilung, ob andere Organisationsentscheidungen möglich und ggf. wirtschaftlich sinnvoller gewesen wären (vgl. dazu auch BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 47). Eine solche Zweckmäßigkeitskontrolle der unternehmerischen Entscheidung findet nicht statt. Deshalb ist auch unerheblich, ob die Auffassung der Klägerin zutrifft, wonach die weiteren Einsparungen vor Ort (Schließung der Station, Abzug des stationären Personals etc.) unabhängig von der Versetzung der Flugbegleiter/innen hätten realisiert werden können und deren Einsatz auch ohne örtliche Arbeitsstrukturen von Hamburg aus möglich wäre. Dabei würde es sich um eine andere Organisation des Betriebs handeln, die der Beklagten nicht gegen deren Willen auferlegt werden kann.

38

Entgegen der Auffassung der Revision sind auch die Kosten des Sozialplans vom 8. Mai 2013 den erzielten Einsparungen nicht „gegenzurechnen“. Vielmehr handelt es sich dabei um die Erfüllung der gesetzlich und tariflich (§ 117 Abs. 2 BetrVG iVm. § 95 TV PV) vorgesehenen Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Betriebsänderungen mit der Personalvertretung einen Ausgleich oder eine Milderung der durch die Maßnahmen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Betroffenen zu schaffen. Dies mag die erwünschten wirtschaftlichen Effekte reduzieren, aufzehren oder zunächst sogar zu Mehrbelastungen (Restrukturierungskosten) führen. Diese vorübergehenden Belastungen lassen aber nicht den Schluss zu, die Entscheidung sei willkürlich erfolgt.

39

f) Die Umsetzung des unternehmerischen Gesamtkonzepts der Beklagten bedingt die Veränderung der Stationierungsorte der betroffenen Arbeitnehmer und damit deren Versetzungen. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen; die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere steht die nach § 8 Buchst. e IA/SP für einen begrenzten Zeitraum mögliche virtuelle Stationierung am bisherigen Stationierungsort einer solchen Annahme nicht entgegen.

40

aa) Nach der Reform der Direktverkehre werden ab Hamburg durch die Beklagte nur noch die Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München durchgeführt. Die Flugumläufe beginnen dort und nicht mehr wie bisher auch an dezentralen Stationierungsorten. Dies würde zwar - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - nicht zwangsläufig eine Veränderung des Stationierungsorts der Klägerin bedingen, da Flüge in bestimmten Fällen auch an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen starten. Die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten in solchen Fällen ist aber - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 32) - vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bleibt. Eine dauerhafte Stationierung der Klägerin in Hamburg wäre damit nicht vereinbar.

41

bb) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ändert die in § 8 Buchst. e IA/SP vorgesehene Möglichkeit des befristeten virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort daran nichts.

42

(1) § 8 IA/SP sieht für die von Versetzungen betroffenen Mitarbeiter der vollständig geschlossenen Stationierungsorte fünf Wahlmöglichkeiten vor. Diese beinhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, den direkten Wechsel nach Frankfurt am Main oder München gegen Zahlung einer Auslagenpauschale bzw. der Umzugskosten und eine zeitlich begrenzte Arbeitnehmerüberlassung oder den sofortigen Wechsel zu G unter bestimmten Bedingungen. Darüber hinaus ist der befristete Verbleib am bisherigen Standort für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Übergang des letzten Flugzeugs in den Verantwortungsbereich (AOC) der G vorgesehen (virtuelle Stationierung). Nach § 8 Buchst. e IA/SP erfolgt in dieser Zeit der Einsatz der Flugbegleiter/innen, die sich für diese Variante entschieden haben, „Dead-Head“ vom virtuellen Stationierungsort aus. Die Mitarbeiter/innen werden damit während der Laufzeit dieser Regelung so gestellt, als ob sie weiterhin in Hamburg stationiert wären. Zusätzlich erhalten sie nach Ablauf der virtuellen Stationierung weitere Leistungen.

43

(2) Bei der befristeten virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich um eine Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Angehörigen des Bordpersonals infolge der Betriebsänderung entstehen iSv. § 95 Abs. 1 Satz 2 TV PV(inhaltsgleich mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

44

(a) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (Fitting 28. Aufl. § 112, 112a Rn. 2). Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen (BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 107, 91). Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan knüpft hingegen erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23, BAGE 150, 136).

45

(b) Der virtuelle befristete Verbleib am bisherigen Stationierungsort ist eine solche Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung der durch die Versetzungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile.

46

(aa) Die Durchführung der Betriebsänderung wird durch die Bestimmungen des Sozialplans nicht beschränkt oder zeitlich verschoben. Die Beklagte brauchte zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt die Direktverkehre mit Ausnahme der Zubringerflüge nicht mehr selbst durchzuführen und konnte die dezentralen Stationen tatsächlich schließen, dh. beispielsweise Mietverträge kündigen und örtliches Personal abziehen. Schließlich durfte sie alle gewünschten Versetzungen aussprechen und ihre Flugumläufe neu, nämlich nur noch von den zentralen Stationierungsorten Frankfurt am Main und München aus, planen und die Mitarbeiter/innen dementsprechend einsetzen. Alle Teile des Gesamtkonzepts der Betriebsänderung blieben deshalb durch die Bestimmungen des Sozialplans unberührt.

47

(bb) Vor diesem Hintergrund ist die in mehreren Parallelverfahren vertretene Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (vgl. zB 5. Oktober 2015 - 17 Sa 1675/14 -) unzutreffend, bei § 8 Buchst. e IA/SP handle es sich entgegen der systematischen Stellung im Teil Sozialplan rechtlich um eine Interessenausgleichsregelung. Die Folgen der Versetzung für die betroffenen Flugbegleiter/innen wären vielmehr - den Sozialplan hinweggedacht - mit Wirkung ab 1. Mai 2014 in vollem Umfang eingetreten: Diese hätten auf eigene Kosten und außerhalb der Dienstzeit zum Dienstantritt am neuen Stationierungsort gelangen müssen. Diese Nachteile werden durch § 8 IA/SP abgemildert, so zB durch die Zahlung der Auslagenpauschale oder Erstattung der Umzugskosten. Der Sozialplan trägt durch diese Wahlmöglichkeiten der gesetzlichen bzw. tariflichen Zielvorgabe Rechnung, die Nachteile möglichst einzelfallbezogen auszugleichen und die unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei den Beschäftigten, die sich für die Variante virtuelle Stationierung entschieden haben, erfolgte die Abmilderung durch die zeitlich begrenzte weitere Anwendung der tariflichen „Dead-Head“-Bestimmungen, obwohl hierauf wegen der Umsetzung der Organisationsänderung gerade kein Rechtsanspruch bestand.

48

(3) Die Möglichkeit der virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP lässt nicht den Schluss zu, die unternehmerische Entscheidung zur Umgestaltung des Direktverkehrs und zur Schließung der dezentralen Stationierungsorte sei zum 1. Mai 2014 noch nicht umgesetzt worden, eine Versetzung zu diesem Termin nach Frankfurt am Main oder München sei deshalb noch nicht erforderlich und die Maßnahme verstoße gegen § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.

49

(a) Wie dargelegt, handelt es sich um eine von fünf Wahlmöglichkeiten in einem Sozialplan, die dem Ausgleich oder der Milderung der Folgen der Versetzungen dient. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sozialplan oder aus anderen Umständen, dass dieser etwa darauf angelegt gewesen wäre, dass alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Mitarbeiter/innen sich für diese Variante entscheidet. Ein solches Verhalten hat auch die Klägerin nicht behauptet und eine solche Situation ist erkennbar nicht eingetreten.

50

(b) Bei § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich nicht um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um eine mit der Personalvertretung abgeschlossene Vereinbarung, die er durchführen muss. Deshalb ist die Annahme falsch, die Regelung mache deutlich, dass nach der Interessenlage der Beklagten eine Versetzung zum 1. Mai 2014 noch unterbleiben konnte und diese lediglich „auf Vorrat“ erfolgt sei. Ebenso wenig trägt das Argument, die Beklagte hätte die anderen Maßnahmen der Stationsschließung auch durchführen können, ohne die Klägerin während der Dauer der virtuellen Stationierung zu versetzen. Zum einen würde es sich um eine andere Organisationsentscheidung handeln als diejenige, für die sich die Beklagte willkürfrei entschieden hat. Zum anderen würde sich bei einem Verzicht auf die Versetzung der Anspruch der Flugbegleiter/innen aus § 8 Buchst. e IA/SP verstetigen oder jedenfalls entgegen dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien erheblich verlängern, da die virtuelle Stationierung gerade die Versetzung voraussetzt.

51

(4) Auch luftfahrtrechtliche Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die Heimatbasis der Klägerin für die Zeit der virtuellen Stationierung weiterhin Hamburg und deshalb die Versetzung nach Frankfurt am Main ausgeschlossen sei. Die entsprechenden Bestimmungen verlangen lediglich, dass eine Heimatbasis festgelegt wird. Dies ist im Fall der Klägerin seit dem 1. Mai 2014 Frankfurt am Main; von dort aus wird sie geplant und eingesetzt. Dass die Klägerin für einen vorübergehenden Zeitraum gemäß § 8 Buchst. e IA/SP auf Kosten der Beklagten zu diesem Stationierungsort befördert wird und die übrigen tariflichen Bestimmungen für „Dead-Head“-Zeiten Anwendung finden, führt nicht dazu, dass Hamburg entgegen der anderweitigen Benennung durch die Beklagte wieder zur Heimatbasis der Klägerin wird. Deshalb wird in § 8 Buchst. e IA/SP im Übrigen von den Betriebsparteien gerade zwischen dem gewählten Stationierungsort und dem (nur) virtuellen Stationierungsort unterschieden.

52

g) Das Landesarbeitsgericht durfte vor diesem Hintergrund zu Recht davon ausgehen, dass das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts gegenüber den berechtigten Interessen der Beklagten an der Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung zurücktreten muss.

53

aa) Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass eine Flugbegleiterin nach dem Vertragszweck nicht die berechtigte Erwartung haben kann, die sozialen und sonstigen Vorteile eines dauerhaft ortsfesten Arbeitseinsatzes in Anspruch nehmen zu können. Längere Ortsabwesenheiten gehören grundsätzlich zum Berufsbild. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Belastungen und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Landesarbeitsgericht - auch im Hinblick auf die Organisation der Kinderbetreuung - nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen, denen notfalls durch einen Umzug begegnet werden kann. Die für die Klägerin entstehenden Nachteile sind durch die Regelungen des Sozialplans für die Zeit der virtuellen Stationierung in Hamburg weitestgehend beseitigt und im Folgenden für mehrere Jahre wirtschaftlich deutlich abgemildert.

54

bb) Umstände, die auf die Möglichkeit hindeuten könnten, unter Aufrechterhaltung der getroffenen und umgesetzten unternehmerischen Entscheidung unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin auf deren Versetzung zu verzichten, hat diese nicht aufgezeigt. Dies gilt auch im Hinblick auf die noch stattfindenden Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München. Die Beklagte hat konkret dargelegt, dass die jeweiligen Umläufe in Frankfurt am Main oder München beginnen und das Kabinenpersonal dort seine Arbeit aufnimmt. Die Klägerin ist dem nicht substanziiert entgegengetreten. Ein dauerhafter Einsatz der Klägerin mit dem Stationierungsort Hamburg wäre damit nicht vereinbar. Ebenso wenig ergibt sich aus § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB über die Bestimmungen des Sozialplans hinaus ein Anspruch auf eine dauerhafte virtuelle Stationierung in Hamburg. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine solche grundsätzlich möglich wäre. Sie wäre aber nicht mit der getroffenen Organisationsentscheidung vereinbar, sondern würde einen Teil der enthaltenen Maßnahmen wirtschaftlich entwerten und die Beklagte dauerhaft mit Dead-Head-Kosten belasten. Gleiches gilt im Hinblick die von der Klägerin geltend gemachte Möglichkeit des dauerhaften Einsatzes auf Zubringerflügen. Auch ein solcher wäre grundsätzlich möglich, allerdings nicht mit der Organisationsentscheidung vereinbar, wonach auch insoweit keine Flugumläufe mehr ab Hamburg beginnen und der Personaleinsatz von den Einsatzorten Frankfurt am Main oder München aus erfolgt.

55

4. Die bei der Beklagten gebildete Personalvertretung ist ordnungsgemäß gemäß § 88 TV PV beteiligt worden. Zwischen den Parteien ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme vor einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamburg unstreitig geworden, dass die Personalvertretung mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 unter Beifügung einer Personalliste zur Versetzung ua. der Klägerin angehört wurde und am 16. Dezember 2013 der Maßnahme zugestimmt hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, aufgrund des der Personalvertretung bekannten Inhalts des Interessenausgleichs habe der Inhalt der Unterrichtung den Anforderungen des TV PV genügt, ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht mehr infrage gestellt.

56

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    D. Kiel    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 21.08.2012, AZ: 8 Ca 499/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Bürozimmerzuteilung auf demselben Betriebsgelände.

2

Der am ... August 1956 geborene Kläger wurde von der Beklagten mit Dienstvertrag vom 1. Juli 1984, in dem es auszugsweise heißt (Ablichtung in Bl. 156 ff. d.A.), als Direktionsassistent eingestellt:

3

„Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des D Werkes der E Kirche in Deutschland (E) in ihrer jeweils gültigen Fassung [- nachfolgend AVR -].
§§ 1, 2...
§ 3 Der Einsatz erfolgt vorläufig im D-Zentrum Z, C-Stadt. ... Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes in derselben Einrichtung ist jederzeit möglich ... .“

4

Der Kläger übt seit 2006 die Tätigkeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit mit Zuständigkeit für alle Einrichtungen der Beklagten einschließlich Außeneinrichtungen, R Beschäftigungsgesellschaft mbH und Ambulantem Dienst mit außerhalb des Betriebsgeländes gelegenen Betriebsstätten in K, H, A, A, K und W aus. Er ist Mitglied der nach dem Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der E Kirche in Deutschland i.V.m. dem Gesetz über das Mitarbeitervertretungsgesetz in der E Kirche der P (Protestantische Landeskirche) entsprechend dem Umsetzungsbeschluss des Hauptausschusses des D Werkes P zum Mitarbeitervertretungsrecht - nachfolgend MVG.E-PF - gebildeten Mitarbeitervertretung. Seine monatliche Bruttovergütung lag zuletzt bei 4.450,93 EUR (so das Arbeitsgericht).

5

Mit Übernahme der Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit im Jahr 2006 bezog der Kläger das Büro seines Funktionsvorgängers im örtlichen Arbeitsbereich der technischen Abteilung - zu der auch Hausmeister und Schreiner, Schlosser und Elektriker zählen. Nahe der technischen Abteilung sind die Hauptverwaltung und die Direktion der Beklagten angesiedelt. Im März 2009 „zog“ der Kläger einen Stock höher, ins Obergeschoss desselben Gebäudes, in dem außer ihm die Mitglieder der Abteilung Informationstechnik untergebracht sind.

6

Im Frühjahr 2011 wurde der Kläger operativ behandelt und war anschließend für ca. fünf Wochen Arbeitsunfähigkeit erkrankt. Auf Anregung der Beklagten erklärte er sich mit der Durchführung eines betriebliches Eingliederungsmanagement einverstanden. Der Kläger versprach sich davon auch eine Verbesserung seiner arbeitsvertragliche Situation als Fachkraft für Arbeitssicherheit. Das Erstgespräch fand am 9. September 2011 statt, die Fallbesprechung mit dem Integrationsteam am 6. Dezember 2011. Der Kläger führte hierin u.a. eine Belastungssituation wegen übermäßiger Arbeit und - nach Ausscheiden eines Direktors - unzureichend empfundener Funktionswertschätzung aus. Er gab nach dem unbestritten gebliebenen Protokoll zur betrieblichen Atmosphäre an (Aktenvermerk in Anlage K 1, Bl. 8 ff. d.A.):

7

„- Das Betriebsklima im IT-Bereich, in dem Herr ... [der Kläger] sein Büro hat, hat sich sehr nachteilig geändert, seit es dort eine neue Leitung gibt. Dies könnten auch andere MitarbeiterInnen bestätigen. Zum Beispiel sind Bürotüren immer geschlossen und die Eingangstür verschlossen, der Arbeitsplatz ist isoliert.

8

- Als Mobbing empfindet Herr ... [der Kläger] folgende Begebenheit: Im Gebäude, in dem die IT-Abteilung untergebracht ist, befindet sich ein Lagerraum. Dieser wurde ... als Raucherraum genutzt. Als er ... [der Kläger] am 18.112011 von ... in das Gebäude zurückkam, befand sich ein Schild 'Sensibler Bereich - RAUCHVERBOT' an der Tür. Selbst wenn es sich bei dem Lagerraum auf einmal um einen 'sensiblen Bereich' handeln sollte, ist die Art und Weise des Umgangs miteinander in dieser Angelegenheit doch sehr bedenkenswert.“

9

Die Fallbesprechung endete mit folgender Vereinbarung (Anlage K 1, Bl. 10 f. d.A.):

10

„Folgende Vorgehensweise wird vereinbart:

11

Der Arbeitsplatz von Herrn ... [dem Kläger] wird sowohl was die Ergonomie betrifft als auch räumlich überprüft.

12

Herr ... [der Kläger] weist darauf hin, dass es durch ein BEM für einen Mitarbeiter zu keinen Nachteilen kommen darf. Der Umzug in ein anderes Büro käme... einer 'Bestrafung' als Folge des heutigen Gespräches gleich '(Warum soll ich wegen anderen umziehen?)'.

13

Um die Prozesse bei der Informationsvergabe und Rückmeldung ... zu verbessern, werden diese von Herrn ... [dem Kläger] neu beschrieben.

14

...
Die gesetzlich vorgeschriebenen Einsatzzeiten werden überprüft.

15

Es werden Überlegungen angestellt, wie der Bereich Arbeitssicherheit wieder einen höheren Stellenwert bekommen kann. Eine Maßnahme könnte z.B. wieder die Teilnahme am Einführungstag ... sein.

16

Die Zuordnung und weitere Ausstattung der Arbeitssicherheit muss grundsätzlich betrachtet und neu bewertet werden.“

17

Mit Schreiben vom 24. Januar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er als Fachkraft für Arbeitssicherheit in die Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden werde, dass die Auswertung seiner Arbeitszeit zu der Erkenntnis geführt habe, die ihm zur Verfügung stehende Arbeitszeit reiche für die Bewältigung der einzelnen Arbeitsverpflichtungen nicht vollständig aus, so dass eine zeitliche Entlastung in Gestalt einer externen Vergabe von Gefährdungsbeurteilungen geschaffen werde, und dass zur Beseitigung von Reibungspunkten mit Mitarbeitern der IT-Abteilung eine neue Raumsituation geschaffen werde, und zwar durch Zuweisung eines Büroraumes im Erdgeschoss des sog. Oberlinhauses - sie (die Beklagte) beabsichtige mit all diesen Veränderungen, die Arbeitsabläufe der klägerischen Tätigkeit zu optimieren und seine Beschäftigungssituation insgesamt zu verbessern (Ablichtung in Anlage K 2, Bl. 12 f. d.A.). Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 avisierte sie (die Beklagte) einen Umzug des Klägers für den 29. Februar 2012 (Ablichtung in Bl. 42 d.A.). Nach Einwänden des Klägers mit Bevollmächtigtenschreiben vom 13. Februar 2012 (Anlage K 3, Bl. 14 ff. d.A.) und Antwort der Beklagtenbevollmächtigten vom 17. Februar 2012 (Anlage K4, Bl. 19 ff.) wurde der Umzug schlussendlich zum 29. März 2012 vollzogen (wie sich aus der terminlich nicht anders zu folgernden Antragstellung ergibt). Der Kläger war vom Tag der Räumung seines ehemaligen Büros bis zum Ende des Monats Mai 2012 arbeitsunfähig erkrankt.

18

Bei dem neu zugewiesenen Büroraum im sog. Oberlinhaus handelt es sich um ein etwas größeres als das vormalige, in der Fensterfront nach Süden ausgerichtetes Zimmer in einem aus den 1960er Jahren stammende Gebäude, das bis 2006 als Kranken- und Pflegeeinrichtung genutzt und anschließend wegen der Untersagung zur Unterbringung Aufsichts- oder Betreuungsbedürftigen (aufgrund von Unzulänglichkeiten im Untergeschossbereich) umgewidmet worden war. In dem zugewiesenen Büroraum befinden sich außer einer Wandleuchte keine auf die frühere Nutzung hindeutenden Rückstände. Das Oberlinhaus beherbergt seit 2006 u.a. den Betriebsarzt, die Mitarbeitervertretung (in deren Räumlichkeiten auch eine dem Kläger zugängliche Teeküche vorhanden ist), die Beschäftigungstherapie, ein Büro, das mit zwei Mitarbeiterinnen der Barbetragskontoverwaltung besetzt ist, den Berufsbildungsbereich der Hauswirtschaft und das Büro des Einrichtungspfarrers. Ein gebäudeeigenes Zeiterfassungsterminal ist vorhanden. Eine Klimaanlage fehlt. Wie schon in der vormaligen Raumumgebung des Klägers gibt es auch keinen besonders ausgewiesenen Sozialraum. Weiter lassen sich wegen der Hanglage manche Gebäudefenster nur einen Spalt breit öffnen. Die Entfernung des am Rand des Betriebsgeländes liegenden Hauses zur ehemaligen Büroumgebung des Klägers beträgt 500m bis 550m. Die Beklagte hat zur optischen Verdeutlichung Lichtbilder zur Akte gereicht (Bl. 76-82 d.A.).

19

Der Kläger hat zu seiner am 5. April 2012 erhobenen Klage - erstinstanzlich zusammengefasst - vorgebracht:

20

Es sei aufgrund der Stabsstellenfunktion einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, die insoweit einem der Direktoren unterstellt sei, sinnvoll, einen Büroraum lokal wie seit 2009 gehandhabt einzunehmen. Ein derart zentral gelegener Arbeitsplatz gewährleiste für kurze Wege zu den relevanten Bereichen und Personen. Im Grunde genommen seien im Gebäude der Stabs- und Verwaltungsbereiche alle Verwaltungsfachkräfte der Beklagten arbeitsplatzmäßig angesiedelt. Mit dem technischen Bereich im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes habe eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zudem regelmäßig zu tun. Umgekehrt erbringe das neu zugewiesene Zimmer durch seine unmittelbare Nähe zum Tagungsraum der Mitarbeitervertretung oder zum Dienstzimmer des Betriebsarztes keine nennenswerten Funktionsvorteile.

21

Auf das Integrationsgespräches vom 6. Dezember 2012 habe nicht die Zuweisung eines anderen Bürozimmers folgen dürfen. Niemand, der sich einem Konfliktpräventionsverfahren öffne, dürfe dafür gestraft werden. Weil die neue Arbeitsumgebung eine Isolation bedeute, könne sie nicht als seiner Gesundheit zuträglich angesehen werden. Sie weise vielmehr objektiv nachteilige Züge auf und müsse als gesundheitsgefährdend empfunden werden (Beweis: medizinisches Sachverständigengutachten). § 106 Satz 3 GewO verpflichte zum besonderen Schutz. Wegen der psychischen Belastung infolge der ungerechten und einseitigen Maßnahme sei bei ihm eine Gürtelrose ausgebrochen.

22

Die Beklagte habe mit der räumlichen Veränderung kein gestörtes Betriebsklima bereinigen können. Von den Mitarbeitern im IT-Bereich sei das Klima nicht als gestört empfunden worden. Bloßer Vorwand sei auch, dass das ehemalige Büro für eine andere Mitarbeiterin benötigt werde. Eine Revisionsmitarbeiterin sei dort erst ab 1. Mai 2012 untergebracht worden. Zuvor habe sie in einem anderen Büro der Hauptverwaltung gesessen (was unstreitig ist). Am 1. Mai 2012 sei auch noch ein anderes Bürozimmer frei gewesen (Beweis: Ortstermin), wie überhaupt im März und April 2012 noch andere freie Arbeitsräume im Bereich der Haupt- und Nebenverwaltungsgebäude vorhanden gewesen seien (Beweis: Parteivernehmung des Beklagtenvorstands).

23

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

24

festzustellen, dass die Verlegung des klägerischen Arbeitsplatzes vom Verwaltungsbereich in das Erdgeschoss des sog. Oberlinhauses vom 29. März 2012 rechtswidrig ist.

25

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und dazu zusammengefasst vorgetragen:

26

Die angegriffene Raumzuweisung entspreche billigem Ermessen. Sie (die Beklagte) sei gehalten gewesen, auf die vom Kläger am 6. Dezember 2011 bekundeten „Missstände“, namentlich auch die Spannungen mit der IT-Abteilung zu reagieren. Dem entspreche die Neuzuweisung eines Büros, das für den Kläger attraktiver, weil es größer, sachgerechter und zu den wesentlichen Orten näher gelegen sei (Beweis: Zeugnis Frau L-H, Herr O). Der Vorgänger des Klägers sei in erster Linie Leiter des technischen Bereiches gewesen - und deshalb auch in dessen Umgebung angesiedelt - und bloß zusätzlich noch Fachkraft für Arbeitssicherheit (was unstreitig blieb). Das ehemalige Büro des Klägers sei im Übrigen wegen Besetzung mit einer anderen Mitarbeiterin benötigt worden, was bereits vor Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagement so vorgesehen gewesen sei. Die Neuordnung und Ausweitung der Abteilung Informationstechnik habe einen zusätzlichen Platz für eine Revisorin notwendig erscheinen lassen, die bereits mit örtlicher Stellenausschreibung vom 3. Dezember 2011 gesucht und nach einem Vorstellungsgesprächen im Januar 2012 ausgewählt worden sei (was ebenfalls unstreitig blieb). Die Umsiedlung ins neue Büro habe erst nach Übergabe- und Abschlussarbeiten im alten Bereich stattfinden können. Aus Datenschutzgründen sei es geboten, die mit der Aufbewahrung von Prüfungsunterlagen und vertraulichen Unternehmens- sowie personenbezogenen Informationen umgehende Beschäftigte in einem abgeschlossenen Büro des IT-Bereichs anzusiedeln. Der Kläger habe damit indes weder isoliert noch „bestraft“ werden sollen. Er könne, weil er bis Juni 2012 im neuen Büro keinen Tag gearbeitet gehabt habe (was im Wesentlichen weiter unstreitig blieb), auch nicht aufgrund der neuen Raumumgebung krank geworden sein.

27

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2012 - 8 Ca 499/12 - abgewiesen (auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz in Bl. 84 ff. d.A. Bezug genommen wird) und dazu wesentlich ausgeführt: Nachdem der Kläger im Gespräch mit dem Integrationsteam mehrere Gründe dargelegt habe, die seiner gesundheitlichen Entwicklung schädlich seien, habe die Beklagte ermessensgerecht gehandelt, indem sie hierauf reagiert habe (andernfalls hätte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Belange des Klägers unwichtig zu nehmen). Hinsichtlich der vermeintlichen Störungen im Betriebsklima müsse dies auch gelten, wenn letztlich nur subjektives Empfinden des Klägers für die Störung ursächlich gewesen sei. Da nicht die gesamte IT-Abteilung habe umgesetzt werden können, sei auch das einzig mögliche Mittel gewählt worden. Objektive Gründe dafür, zwingend bei der Verwaltung angesiedelt werden zu müssen, habe der Kläger weder angeführt, noch ergäben sich hierfür zwingende Anhalte. Wie die eingesehenen Lichtbilder veranschaulichten, gebe es auch an der Ausstattung des neuen Büros nichts auszusetzen. Eine Bestrafung könne der Kläger schlussendlich schon deshalb nicht unterstellen, weil auf die im Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement aufgezeigte Reihe von Problemen mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen - wie etwa der flankierenden Reduzierung der Arbeitsmenge und weiteren Verbesserungen - reagiert worden sei (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe in Bl. 88 ff. Bezug genommen).

28

Der Kläger hat gegen das ihm am 31. August 2012 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 26. September 2012, eingegangen am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30. November 2012 verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 29. November 2012, eingegangen am gleichen Tag, auch begründet.

29

Der Kläger trägt zweitinstanzlich zusammengefasst vor:

30

Er sei im Oberlinhaus - wegen der Entfernung und weil dort keine andere Verwaltungseinheit angesiedelt sei - entgegen dem Arbeitsgericht sehr wohl isoliert. Die neue Umgebung berge die Gefahr entstehender oder sich verstärkender gesundheitlicher Belastungen. Von einem jahrelang innegehabten und allseits als sinnvoll empfundenen räumlichen Arbeitsplatz könne man nicht ohne weiteres wegversetzt werden. Bei dem Präventionsgespräch vom 6. Dezember 2011 sei der Hinweis, dass die Mitarbeiter der Abteilung Informationstechnik ihn möglicherweise schneiden würden, lediglich am Rande erwähnt und auch nur auf subjektives Empfinden bezogen worden. Objektive Betriebsablaufstörungen hätten nicht existiert. Die von der Beklagten veranlassten - hinsichtlich seiner Arbeitsmenge indes nur geringfügig wirkenden - Entlastungen hätten die Notwendigkeit einer räumlichen Arbeitsplatzverlegung ebenfalls nicht mit sich gebracht. Er bezweifle, dass die Beklagte die vorgetragenen Überlegungen zur Ermessensausübung überhaupt angestellt habe.

31

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31. August 2012 - 8 Ca 499/12 - abzuändern und

33

festzustellen, dass die Verlegung des klägerischen Arbeitsplatzes vom Verwaltungsbereich der Beklagten in das Erdgeschoss des sog. Oberlinhauses vom 29. März 2012 rechtswidrig ist.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor:

37

Im Gespräch vom 6. Dezember 2011 habe eine Tätigkeitsanalyse stattgefunden, die nicht nur Arbeitsüberlastungen, sondern auch weitere Unzufriedenheiten hervorgebracht habe, die sodann insgesamt zur Bewältigung angestanden hätten. Ein Büro im Oberlinhaus, das größer sei und die Möglichkeit gebe, in unmittelbarer Nähe zum Betriebsarzt zu sein - mit dem der Kläger eng zusammenarbeite -, bedeute keine Isolierung; schon gar nicht gegenüber dem vormaligen Zustand. Der Kläger sei zudem wegen seiner Reisetätigkeiten nicht den ganzen Tag im Büro. Andere Räumlichkeiten seien am 29. März 2012 wegen Umbaumaßnahmen nicht verfügbar gewesen (Beweis: Zeugnis Frau L-H).

38

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen (des Klägers vom 29. November 2012 [Bl. 123 ff. d.A.], der Beklagten vom 19. Dezember 2012 [Bl. 141 ff. d.A.]) sowie die zur Akte gereichten Unterlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

39

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

I.

40

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. d ArbGG. Sie wurde frist- und formgerecht i.S.v. § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß binnen verlängerter Frist begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 ZPO.

II.

41

Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Beklagte hat keine Rechte des Klägers verletzt, als sie dessen Büroarbeitsplatz auf ihrem Betriebsgelände zum 29. März 2012 verlegte.

42

1. Ob die Klage bei Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch zulässig war, konnte dahinstehen.

43

a) Den Bestimmtheitsanforderungen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wurde genügt. Die antragsgemäß bezeichnete Maßnahme (Verlegung des klägerischen Arbeitsplatzes vom Verwaltungsbereich der Beklagten in das Erdgeschoss des sog. Oberlinhauses vom 19. März 2012) war gegenständlich so klar gekennzeichnet, dass unmissverständlich blieb, worüber das Gericht entscheiden sollte, d.h. um welchen Streitgegenstand es ging und welche Frage mit Rechtskraftwirkung zu behandeln war (vgl. BAG 18.5.2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4).

44

b) Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO musste allerdings auch bei Schluss der mündlichen Verhandlung noch vorhanden sein, was Zweifeln unterlag.

45

aa) Eine Feststellungsklage ist als sog. Elementenfeststellungsklage, die sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränkt, was namentlich bei begehrten Feststellung über die Reichweite des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts - wie vorliegend - der Fall ist, generell von ausreichendem Feststellungsinteresse getragen (BAG 18.1.2012 - 10 AZR 779/10 - Rn. 22, juris). Die besondere Sachurteilsvoraussetzung muss allerdings während des gesamten Verfahrens gegeben sein (BAG 22.2.2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 16, juris). Für Feststellungen über vergangene Rechtsverhältnisse oder darin enthaltene Elemente gilt, dass ein Interesse an alsbaldiger Feststellung nur dann weiter besteht, wenn hieraus noch konkrete Folgen für die Gegenwart oder Zukunft in Rede stehen - es ist insofern nicht Aufgabe der Gerichte, einer Partei zu bescheinigen, ob sie im Recht war oder nicht (BAG 26.9.2002 - 6 AZR 523/00 - zu I 2 der Gründe, NZA 2003, 230).

46

bb) Zweifel ergaben sich vorliegend deshalb, weil die Parteien im Verhandlungstermin vom 15. Februar 2013 Umstände vorbrachten, nach denen der Kläger seit dem 24. Januar 2013 in einer veränderten Beschäftigungs- und Raumsituation stand. Seit 1. Januar 2013 wird der Kläger vorwiegend als Inklusionsbeauftragter und lediglich noch in Restaufgaben als Fachkraft für Arbeitssicherheit beschäftigt. Weiter bot die Beklagte ihm am 24. Januar 2013 an, wieder in das Zimmer umzuziehen, in dem er bereits zwischen 2006 und 2009 gesessen hatte. Mit beiden Umständen war die vorliegend in Streit gestellte Beschäftigung als ausschließliche Fachkraft für Arbeitssicherheit im Oberlinhaus räumlich wie sachlich an sich erledigt (vgl. zur Unmöglichkeit einer Beschäftigung auf weggefallenen Arbeitsplätzen etwa LAG München 18.8.2011 - 2 Sa 62/10 - zu I 4 d der Gründe, juris). Eine Zulässigkeit der Klage wäre mithin nur noch in Betracht gekommen, wenn Umstände vorlagen, die eine Rückverweisung in die ab 29. März 2012 gegebene Arbeits- und Aufgabenumgebung noch nahe gelegt hätten.

47

cc) Weitere Aufklärung hierzu konnte indes unterbleiben. Ein Feststellungsinteresse ist als echte Prozessvoraussetzung nämlich nur für ein stattgebendes Urteil Voraussetzung und kann dahinstehen, wenn eine Sachentscheidung auch aus anderen Gründen ergehen kann, insbesondere die Klage in der Sache selbst abweisungsreif ist (BAG 6.10.2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 16, NZA 2012, 94). Ebendies war vorliegend der Fall.

48

2. Die Klage ist nicht begründet. Die Beklagtenweisung zum 29 März 2012 verstieß nicht gegen rechtliche Bestimmungen. Die veränderte Büroraumzuweisung auf demselben Betriebsgelände war insbesondere unter den Voraussetzungen des § 106 Satz 1 GewO rechtmäßig, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmt, soweit diese Bedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

49

a) Ein Verstoß gegen Beteiligungsgesetze oder tarifvertragsähnliches Recht schied dabei aus.

50

aa) Ein Verstoß gegen einen Mitbestimmungstatbestand aus § 42 Abs. 1 Nr. 6 („Umsetzung innerhalb einer Dienststelle unter gleichzeitigem Ortswechsel“) oder Nr. 7 („Versetzung oder Abordnung zu einer anderen Dienststelle von mehr als drei Monaten Dauer“) MVG.E-P kommt nicht in Betracht. Es fehlt für eine „Umsetzung“ an einer damit verbundenen Übertragung neuer Aufgaben innerhalb derselben Dienststelle (BAG 10.11.1992 - 1 AZR 185/92 - zu II 2 der Gründe, NZA 1993, 331). Unstreitig wurde die Arbeitsaufgabe des Klägers nämlich zum 29. März 2012 nicht verändert. Weiter fand auch kein Ortswechsel statt, denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestimmt sich ein Arbeitsort weder durch die räumliche Lage des Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebsgebäudes noch durch das Betriebsgebäude und -gelände als Ganzes; es kommt vielmehr entscheidend auf den Sitz des Betriebs und damit in der Regel den Bezirk der politischen Gemeinde an, in welcher das Betriebsgebäude liegt (BAG 17.6.2008 - 1 ABR 38/07 -, Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 47). Außerdem liegt auch keine Versetzung im Sinne eines dauerhaften Wechsels in eine andere Dienststelle vor (BAG 15.8.2006 - 9 AZR 571/05 - Rn. 24, NZA 2007, 1310), denn die Dienststelle des Klägers blieb die gleiche. Auch eine Abordnung, die begrifflich eine zeitweiligen Übertragung einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle meint (BVerwG 16.4.2012 - 6 P 1/11 - Rn. 44, NZA-RR 2012, 610), kam damit nicht in Betracht.

51

bb) Es lag weiter auch kein Anhörungsverstoß nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AVR i.V.m. der Verweisungsklausel vor § 1 des Dienstvertrags vor („Vor der Umsetzung, Versetzung oder Abordnung ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter zu hören“). Soweit die Wendungen der AVR begrifflich mit denen des Mitarbeitervertretungsrechts übereinstimmen, gilt das bereits aus vorstehenden Erwägungen. Soweit weitergehend begrifflich Inhalte des allgemeinen Arbeitsrechts gemeint sein sollten, kommt ein Verstoß bezüglich einer Versetzung in Betracht. Eine Versetzung im allgemein arbeitsrechtlichen Sinn lag aber ebenfalls nicht vor.

52

(1) Eine Versetzung meint anknüpfend an § 95 Abs. 3 BetrVG allgemein die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die entweder voraussichtlich länger als einen Monat dauern wird oder (bei kürzerer Dauer) mit einer erheblichen Änderung der äußeren Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet wird (LAG Rheinland-Pfalz 24.9.2009 - 10 SaGa 9/09 - zu II 1 der Gründe, juris), wobei Arbeitsbereich der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht ist. Nicht jede noch so geringe Veränderung nimmt dem angestammten Arbeitsbereich allerdings sein bisheriges Gepräge, namentlich nicht jede marginale räumlichen Änderungen ohne Ortswechsel oder sonst veränderten Rahmenbedingungen (vgl. BAG 17.6.2008 - 1 ABR 38/07 -, Rn. 21 f., 24, AP BetrVG 1972 § 99 Nr 47), wie etwa Raumänderungen von einer in eine andere (Fabrik-) Halle (Preis in Wlotzke/ Preis / Kreft BetrVG 4. Aufl. § 99 Rn. 28; Lakies, BB 2003, 364, 368).

53

(2) Vorliegend geht es bei der in Streit stehenden Änderung um ein bloßes Raumzuweisungsproblem. Der Kläger war keine Veränderung konkreter Arbeitsabläufe in technischer oder organisatorischer Weise ausgesetzt. Allein der räumliche Abstand des alten zum neuen Büro von 500m oder 550m hieß nicht, dass sich in Arbeitsabläufen nennenswertes änderte. Die Beklagte hatte zudem auf den mehrere Landkreise umfassenden Einrichtungsbezug der Tätigkeit als alleinige Fachkraft für Arbeitssicherheit aufmerksam gemacht, was die Richtigkeit ihrer weiteren Behauptung nahe legte, dass Arbeitszeiten im Bürozimmer nicht bei 100 %, sondern ggf. nur bei der Hälfte der Dienstzeiten lagen oder liegen konnten. Weiter war auch hinsichtlich logistischer Einbindungen der neuen Umgebung keine nennenswerte Veränderung erkennbar. Selbst wenn der frühere Büroraum luftliniengemäß näher bei der Einrichtungsleitung gelegen haben mochte und der Kläger in Stabsfunktion unmittelbar den Direktoren unterstand, war weder dargetan, welche erschwerten Begegnungsmöglichkeiten das bei dem (lichtbildgemäß - vgl. Bl. 82 d.A.) mit Kraftfahrzeugen befahrbaren Betriebsgelände aufgrund der Raumänderung bergen sollte, noch welche Kommunikation überhaupt „vis-à-vis“ abgewickelt werden musste und nicht per Telefon, E-Mail oder im Schriftverkehr statt fand und weiterhin abgewickelt werden konnte. Ob und welche erschwerten Kommunikationsbedingungen darüber hinaus begründet sein mochten, ergab sich auch bei Anhörung des Klägers persönlich im Termin vom 15. Februar 2013 nicht. Schließlich fehlte zur pauschalen Behauptung schlechterer technischer Anbindungen im neuen Büro jede Substanz, nachdem dort (lichtbildgemäß - vgl. Bl. 78 - 81 d.A.) Schreibtisch, Regale und Schränke - und zwar in nicht erkennbar veralteter oder unergonomischer Ausführung - sowie Telefon- und PC-Anlage vorhanden waren.

54

(3) Darüber hinaus war dem Kläger ohnehin, wenn auch nicht in ausdrücklicher Aufforderung, so doch zumindest faktisch Gelegenheit zur Stellungnahme i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 AVR eröffnet worden, indem ihm die Beklagte mit Schreiben vom 24. Januar 2012 schon sämtliche Umstellungen eröffnet, eine genaue terminliche Fixierung indes noch offen gelassen hatte. Dass der Kläger dies als entsprechende Äußerungsmöglichkeit auffasste, ergibt sein am 13. Februar 2012 abgesetztes Bevollmächtigtenschreiben. Damit war den wesentlichen Zweckerfordernissen der AVR-Norm genügt (vgl. Sächsisches LAG 9.8.2007 - 6 SaGa 10/07 - juris).

55

b) Ein Verstoß gegen materielle Grenzen des Dienstvertrags kommt ebenfalls nicht in Betracht.

56

aa) Zum dienstlichen Einsatzort heißt es in § 3 Abs. 1 des Vertrags vom 1. Juli 1984, dass dieser (vorläufig) im D-Zentrum Z in C-Stadt liegen werde. Dem genügte die ursprüngliche wie auch die angegriffene Bürozuweisung, da auch das neu zugewiesene Zimmer auf dem Betriebsgelände des Hauptsitzes lag. Zudem erklärt § 3 Abs. 2 Satz 2 HS 1 Dienstvertrag die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes in der selben Einrichtung für jederzeit möglich.

57

bb) Auch durch zeitweilige Nichtausübung des örtlichen Direktionsrechts wurde eine Zuweisungsänderung nicht ausgeschlossen. Die Nichtausübung des Zuweisungsrechts bedeutet auch bei längerem Zeitablauf nicht, dass keine Änderung eintreten kann. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, damit ein Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, nicht in anderer Weise eingesetzt zu werden (BAG 26.9.2012 - 10 AZR 416/11 - Rn. 27, juris). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich ein Arbeitnehmer ggf. im Laufe der Zeit an Orte und persönliche Umgebungen der Arbeitsausführung gewöhnt (LAG Rheinland-Pfalz 27.1.2010 - 8 SA 525/09 - zu I der Gründe, juris). Vorliegend trug der Kläger selbst vor, seit 2006 in dreijähriger Folge Bürozimmerveränderungen erfahren zu haben, was gegen jegliches schützenswerte Vertrauen in den fortwährenden Beibehalt eines Raums sprach, und dem in Streit stehenden Änderungsentschluss der Beklagten als gewissermaßen turnusgemäß erscheinen ließ.

58

c) Auch lag kein Verstoß gegen arbeitsschutzgesetzliche Normen vor.

59

aa) Die Grenzen aus § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB IX waren gewahrt. Die Beklagte hat weder sensible Daten des Klägers, die ihr im Rahmen des durchgeführten Eingliederungsmanagements bekannt geworden waren, missbraucht, noch verbindliche Vereinbarungen aus dem betrieblichen Eingliederungsmanagement missachtet oder fehlinterpretiert.

60

(1) Nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist der Arbeitnehmer über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten vorab zu informieren. Wie die mehrstufige Abfolge mit Erst- und Fallgespräch vorliegend andeutet und die formulargemäße Protokollierung mit Hinweis auf den „Vordruck 'Dokumentation der Ergebnisse und Aktivitäten im Rahmen des BEM'“ weiter erkennen lässt, verläuft die institutionalisierte Gesundheitsprävention nach § 84 Abs. 2 SGB IX bei der Beklagten in „geordneten Bahnen“. Es wäre Sache des Klägers gewesen, angesichts dieser Umstände darzulegen, dass und inwieweit bei der Informationsabgabe und Datenbehandlung gegenüber dem gesetzlichen Regelmodell Defizite bestanden. Er war für die anspruchsbegründenden Tatsachen nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet (vgl. allgemein BAG 27.6.2012 - 5 AZR 496/11 - Rn. 13, juris). Ohne Vorbringen war davon auszugehen, dass die gesetzlichen Vorgaben des „informed consent“ eingehalten waren.

61

(2) Es fehlen auch Anhaltspunkte für einen Missbrauch ordnungsgemäß erhobener Daten. Eine Verletzung der Grenzen aus § 32 Abs. 1 i.V.m. §§ 1, 3, 27 BDSG, die auch im Rahmen des Gesundheitspräventionsverfahrens gelten (vgl. Düwell in Dau/ Düwell/ Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 31), steht mangels automatisierter Nutzung nicht in Frage. Für eine Verletzung des allgemeinen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG fehlt es an einer Verkennung des vereinbarten Rahmens. Dem Einzelnen ist nach der grundgesetzlichen Regelung gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BAG 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - Rn. 37, NZA 2011, 453). Das verwehrt aber nicht die Disposition im Rahmen von Teilnahmen an Verfahren i.S.d. § 84 Abs. 2 SGB IX. Hiermit war der Kläger nach (zu unterstellender, s.o.) Unterrichtung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX einverstanden, so dass der bestimmungsgemäße Datengebrauch durch die Verfahrensbeteiligten nicht weiter zu beanstanden war. Es konnte deshalb auch nicht missbräuchlich, sondern nur folgerichtig sein, wenn schlussendlich vereinbarte Abhilfen gerade unter Berücksichtigung der im Verfahren erhobenen Daten verabfolgt wurden. Der Gefahr des Missbrauchs steht im gesetzlichen Modell zudem auch das institutionalisierte Verfahren unter Teilnahme sachverständiger wie auch betrieblich maßgeblicher Entscheidungsträger entgegen.

62

(3) Die Beklagte hat mit der veränderten Raumzuweisung auch nicht den Rahmen der getroffenen Vereinbarung verlassen.

63

(a) Der Aktenvermerk vom 6. Dezember 2012 weist eine abschließende Vereinbarung mit Vorgehensweisen aus, die (sinngemäß) wesentlich an den Arbeitgeber adressiert sind und u.a. die Überprüfung des Arbeitsplatzes des Klägers in ergonomischer wie räumlicher Hinsicht beinhalteten. Es entspricht gut begründeter Ansicht, dass die Durchführung derartiger Vereinbarungen nicht nur mit Vorschlags- sondern mit Pflichtengehalt versehen sind (Düwell in Dau/ Düwell/ Joussen SGB IX § 84 Rn. 87), was vorliegend annehmen lässt, dass die Beklagte die Vereinbarung keinesfalls einfach ignorieren konnte. Wenn sie sodann - wie vorliegende - im Rahmen der Übereinkunft bewegte und den vormaligen Arbeitsplatz des Klägers in räumlicher Lage überprüfte, war das mithin nicht rechtswidrig. Indem sie zudem die vom Kläger geäußerten Belastung, „isoliert“ zu sein und „gemobbt“ zu werden, zur Grundlage der Änderung nahm, entsprach auch das den vereinbarten Pflichten. Es war denkbare Folge der Prüfung.

64

(b) Soweit der Kläger meint, die Vereinbarung habe aufgrund seines geäußerten Vorbehalts keine Raumänderungen gestattet, folgt ihm die Berufungskammer nicht. Die niedergelegte Übereinkunft unterliegt für ihr zutreffendes Verständnis der Auslegung.

65

(aa) Vertragsbestimmungen sind gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Weiter sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 19.6.2011 - 9 AZR 226/10 - Rn. 17, juris).

66

(bb) Schon begrifflich gibt das Protokoll zur vereinbarten Prüfpflicht lediglich hinweisartige Ergänzungen des Klägers wieder. Diese betreffen auch nicht etwa Verweigerungen gegen die Prüfung als solche, sondern thematisieren nur befürchtete Folgen. Dass es dem Kläger dabei auch nicht um eine Unterlassung der ermessensgerechter Abhilfen gehen konnte, sondern nur um die Unterbindung etwaigen Fehlgebrauchs, folgt eindrücklich aus seinem ergänzenden Einwand, das Eingliederungsmanagement dürfe nicht zu einem „Nachteil“ führen bzw. - auf sich bezogen - nicht in einen „bestrafenden“ Umzug münden, was pointiert in der Betroffenheitsbekundung („Warum ich ... ?“) endeten. Wäre es dem Kläger nicht bloß um einen - so ausgedrückten - Hinweis auf die Grenzen des Ermessensgebrauchs gegangen, sondern weitergehend darum, selbst unter den als drängend geschilderten Umständen („isoliert“, „gemobbt“) in jedem Fall weiter beschäftigt werden zu wollen, koste es was es wolle (vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen solcher Wünsche etwa BAG 17.2.1998 - 9 AZR 130/97 - zu I 3 der Gründe, NZA 1999, 33; Düwell in Dau/ Düwell/ Joussen SGB IX § 84 Rn. 43), hätte er das schon aus Rücksicht auf etwaige Abwicklungs- und Haftungsprobleme der Beklagten unmissverständlich und klar sagen müssen. Auch in der anschließenden Äußerung mit (Bevollmächtigten-) Schreiben vom 13. Februar 2012 gab der Kläger stattdessen lediglich wieder den fehlgebrauchsbezogenen Einwand vor, Deeskalationsmaßnahmen dürften nicht bloß zu seinen Lasten gehen. Bei wohlverstandener Berücksichtigung aller betroffenen Interessen musste die Beklagte deshalb bei Lösung der Raumfrage annehmen, auch nach der Klägeransicht einer Vornahmepflicht aufgrund der Vereinbarung vom 6. Dezember 2011 zu unterstehen, und dabei den Grenzen der § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB und § 612a BGB zu unterliegen. Allein in diesen Grenzen hinterfragte der Kläger die Maßnahme auch im vorliegenden Verfahren.

67

bb) Weiter lag kein Verstoß gegen § 618 Abs. 1 BGB i.V.m. Vorschriften der ArbStättV oder gefahrenabwehrrechtlichen Nutzungsbeschränkungen vor. Den Lichtbildern in Bl. 76 ff. d. A. entsprechend waren sämtliche für Bürozimmer typische Ausstattungen, namentlich Schreibtisch, Stuhl, Regale und Schränke, PC- und Telefonanlage vorhanden, was dem Rahmen des § 25 ArbStättV genügte. Unstreitig ist zwischen den Parteien auch eine größere Raumabmessung als in der vormaligen Umgebung, was von hinreichenden Größenverhältnissen i.S.d. § 23 ArbStättV ausgehen lässt. Der vom Kläger vermeintlich als leicht veraltet behauptete Baubestand ließ sich keinem der in §§ 5 ff. ArbStättV enthaltenen Tatbestände zuordnen. Auch fehlte jeder Anhalt, dass die Sanitärraume nicht den Standards der §§ 34 ff. ArbStättV genügen mochten. Das Fehlen eines gesonderten Pausenraums war durch die individuelle Zimmerbelegung nach § 29 Abs. 1 Satz 2 ArbStättV unschädlich. Wegen der nach Süden weisenden Fensterfront waren aus Bl. 78 d.A. Jalousien zu erkennen, was § 9 Abs. 2 ArbStättV Genüge tat. Dass geeignete Vorrichtungen gegen Erwärmung nicht bedarfsweise geschaffen werden konnten (vgl. § 6 Abs. 4 ArbStättV) war sodann weder dargetan, noch anzunehmen, sodass es keiner Klimaanlage bedurfte. Der Umstand, dass sich die Fenster ggf. nur teilweise öffnen ließen, hieß nicht, dass die Belüftung unter den Voraussetzungen des § 5 ArbStättV zweifelhaft sein musste. Die vorhandenen Fenstersicherungen waren vielmehr wegen Absturzgefahr nach § 12 ArbStättV geboten. Die im Jahr 2006 in Bezug auf Unterbringungszwecke ordnungsbehördlich ausgesprochene Teilnutzungsuntersagung betraf schließlich weder den Zweck der Büronutzung, noch gab sie irgendwelchen Anhalt, dass den Brandschutzregelungen in § 13 ArbStättV nicht genügt worden sein könnte.

68

d) Die Beklagte hat auch nicht die Grenzen des ihr nach allgemeinem Arbeitsrecht obliegenden Direktionsrechts (§ 106 GewO) verkannt.

69

aa) Dabei scheidet ein Verstoß gegen § 106 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX mangels Vorliegen einer Behinderung im gesetzlichen Sinn von vorne herein aus. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft deshalb beeinträchtigt wird. An eben diesem Verständnis knüpft der Gesetzgeber auch in § 106 Satz 3 GewO an (LAG Hamm 18.11.2010 - 15 Sa 508/10 - zu I 2 d der Gründe, juris; 12.11.2009 - 17 Sa 1002/09 - zu I 2 d der Gründe, juris; HWK/ Lembke 4. Aufl. § 106 GewO Rn. 130). Der Kläger hat indes für eine dauerhafte Beeinträchtigung seiner körperlichen und seelischen oder geistigen Gesundheit keinerlei konkrete Angaben gemacht und auch nicht erkennen lassen, dass er in irgendeiner Weise am gesellschaftlichen Leben verhindert sein sollte. Der Kläger meint sogar für die im Jahr 2011 aufgetretenen Krankheitszeiten, dass fraglich sei, ob überhaupt die Grenzen des § 84 Abs. 2 SGB IX erreicht gewesen seien (Anlage K 3 S. 2, Bl. 15 d.A.). Auch die im laufenden Verfahren geschilderte Gürtelrose ließ nicht zwingend auf nachhaltige Beeinträchtigungen i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX schließen. Die Raumveränderung ist vor diesem Hintergrund auch nicht nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1, § 1 AGG zu hinterfragen. Der in § 1 AGG verwendete Begriff der Behinderung greift ebenfalls auf § 2 Abs. 1 SGB IX zurück (BT-Drucks. 16/ 1780 S. 31) und wird nicht schon durch ggf. auch gravierende Einzelerkrankung erfüllt (Bauer/ Göpfert/ Krieger AGG 3. Aufl. § 1 Rn. 44).

70

bb) Die in Streit stehende Maßnahme wahrt auch die Grenzen der Billigkeit.

71

(1) Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO i.V.m. § 315 Abs. 3 BGB. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Grenzen seines Bestimmungsrechtes beachtet hat (BAG 26.9.2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 33, juris). Entgegen der Ansicht des Klägers geschieht dies allerdings nur im Wege einer Ergebniskontrolle und nicht der Verfahrenskontrolle (BAG 2.7.2008 - 4 AZR 246/07 - Rn. 32, juris). Es kommt also nicht darauf an, wer welche Gesichtspunkte zu welchem Zeitpunkt erstmals als entscheidungsrelevant erkannt, erwogen oder gar ausgesprochen hat, sondern nur, ob sie im Ergebnis für oder wider die streitige Maßnahme sprechen. Auch Gesichtspunkte, auf die sich eine der Partei erstmals im Rechtsstreit beruft, sind vom Gericht zu berücksichtigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern 8.3.2011 - 5 Sa 269/10 - AfP 2011, 614). In der Sache selbst verlangt eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen die Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen, etwa auch Vorteile aus einer Regelung, Risikoverteilungen zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltspflichten. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit einer getroffenen Ermessensentscheidung liegt beim Arbeitgeber, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt ist, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 26.9.2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 34 ff., 41, juris).

72

(2) Vor diesem Hintergrund liegt kein relevanter Fehler vor.

73

(a) Der neue Büroraum ist für den Kläger weder nachteilig noch unzumutbar.

74

(aa) Der Kläger unterliegt in seinen Arbeitsabläufen (wie bei Erörterung der Frage, ob eine Versetzung vorliegt, dargetan) keiner erkennbaren Veränderung. Die von ihm unter Bezugnahme auf zwei Funktionsvorgänger geäußerte Ansicht, aus Gründen der Sachnähe bei der Technik oder den Werkstätten sitzen zu müssen, war schon aufgrund des Unterschieds unmaßgeblich, dass beide Vorgänger im Wesentlichen Leiter ihrer Bereiche waren und nur zusätzlich noch Fachkraftsaufgaben erfüllten. Zudem war die bei Zeiten der Funktionserfüllung zu leistende Reisetätigkeit vom Kläger nicht weiter bestritten.

75

(bb) Darüber hinaus ist die neue Umgebung (wie sich aus der Prüfung nach § 618 Abs. 1 BGB i.V.m. Normen der ArbStättV und etwaiger Gefahrenabwehr ergab) auch nicht weiter gesundheitsgefährdend. Soweit der Kläger pauschal anderes behauptet, war aus Beklagtensicht - mangels Kenntnismöglichkeit - kein einlassungsfähiger Vortrag gegeben. Der Kläger wäre im Rahmen abgestufter Darlegungs- und Beweislast gehalten gewesen, näheres zu seiner medizinischen Lage darzutun (zur abgestuften Darlegungslast allgemein etwa BAG 26.6.2008 - 2 AZR 264/07 - Rn. 26, 28, AP KSchG 1969 § 23 KSchG Nr. 42). Anderes galt auch nicht im Hinblick auf die im März 2012 aufgebrochene Gürtelrose, deren Auslöser mangels Einzugs vor Ende Mai 2012 jedenfalls nicht die Raumumgebung sein konnte.

76

(cc) Der Kläger war weiter auch nicht in seinem beruflichen Fortkommen gehindert. Er meint zwar, im Oberlinhaus sei keine „Verwaltung“ mehr vorhanden (was offensichtlich auf die entscheidungstragenden Amtsträger der Einrichtungsleitung anspielt, nicht auf die durchaus administrativ tätigen Dienstleister im Rahmen des Rechnungswesens oder der Arbeitsmedizin). Jedoch muss sich damit allein mangels weiterer Anhalte keinerlei aufstiegs- oder einflussbezogene Veränderung für seine Stabsfunktion in unmittelbarer Unterstellung der Direktoren verbinden. Es fehlt insofern jeder Vortrag, ob überhaupt und in welcher Folge und mit welcher Spontaneität vormals kürzere Wege zu etwaigen Konsultationen geführt hatten. Auch war nicht ersichtlich, dass Einbindungen in konkrete Leitentscheidungen vom Bestehen kurzer Wege zu einem der Direktoren oder anderen Führungsträgern abhingen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Stabsfunktionsträger auf einheitlichem Betriebsgelände allein wegen weniger hundert Meter auseinanderliegender, mit Fahrzeugen aber überbrückbarer Büroentfernung ungleichmäßige Leitungsämter ausübten, lässt sich nicht erkennen.

77

(dd) Hinsichtlich der pauschal behaupteten „Isolation“ am neuen Ort muss sich der Kläger schon im Ansatz entgegenhalten lassen, selbiges bereits im vorherigen Raum empfunden und geäußert zu haben, wie aus dem Gesprächsprotokoll vom 6. Dezember 2011 hervorgeht. Dass diese Empfindung weniger mit dem Arbeitsort zu tun haben musste, als mit dem wesentlich auf sich allein gestellt zu erfüllenden Aufgabenfeld einer Fachkraft für Arbeitssicherheit (nebst Schriftverkehr, Grundbetreuungsaufgaben usw.) lag anhand der gesprächsweise am 6. Dezember 2011 weiter geschilderten Arbeitsüberlastung zudem nah. Hinsichtlich fehlender Sozialräume hatte die Beklagte unbestritten angemerkt, dass diese auch im vorherigen Büroumfeld nicht vorhanden gewesen waren. Sofern es dem Kläger darüber hinaus allgemein um das Fehlen von Menschen in seiner Gebäudeumgebung ging, war ihm entgegen zu halten, dass die von der Beklagten aufgezählten Dienstleistungen im Oberlinhaus, (Bewegungstherapie, Hauswirtschaft, Arzt, Mitarbeitervertretung sowie etwaige sonstige Nutzer) alles andere als die Annahme rechtfertigten, das Haus sei „ausgestorben“.

78

(ee) Der Kläger hatte auch keine sonstigen, außervertraglichen Nachteile angedeutet, namentlich nicht für Einkommen, soziale Lebensverhältnisse (die unverändert blieben) oder sonstige Auswirkungen auf seinen privaten Lebenskreis, die ihm den Umzug erschwert oder unmöglich gemacht haben sollten.

79

(b) Die Beklagte hatte indes triftige Gründe für eine veränderte Büroraumzuweisung.

80

(a) Zum einen war der vom Kläger ehemals innegehabte Raum für einen anderen Nutzungszweck vorgesehen, nämlich die Nutzung durch eine neu eingestellte Revisorin. Dieser war, weil zweckgerecht, nicht bloß als vorgeschoben anzusehen, da die zu Beschäftigende mit sensiblen Daten befasst war und deshalb in die Nähe der IT-Abteilung gesetzt werden musste. Die Beklagte hatte zudem unbestrittenermaßen auf die bereits im Dezember 2011 erfolgte Stellenausschreibung und das im Januar nachfolgende Auswahlverfahren verwiesen, sowie weiter erklärt, dass die Zäsur bis zum 1. Mai 2012 mit den Abwicklungsarbeiten im zwischenzeitlich eingenommenen Arbeitsraum zusammenhing. Der weitere Einwand des Klägers, es hätten im Zeitraum April/ Mai 2012 noch andere leere Büroräume zur Verfügung gestanden, verfängt aufgrund des aufgezeigten Nähebezugs zur IT-Abteilung nicht.

81

(b) Zudem war die Zuweisung des anderen Bürozimmers aus Gründen der innerbetrieblichen Konfliktmeidung geboten.

82

(aa) Im Falle innerbetrieblicher Konflikte zwischen Arbeitnehmern ist es - ohne Rücksicht auf die Ursachen des Konflikts - Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, ob und wie er hiergegen durch Ausübung seines Direktionsrechts vorgeht. Ist der Konflikt dadurch entstanden, dass ein oder mehrere Arbeitnehmer gegen andere Vorwürfe erheben, kommt es nicht darauf an, ob diese Vorwürfe begründet sind. Es ist vielmehr allein Sache des Arbeitgebers zu bestimmen, ob und wie er auf solche Konfliktlagen direktionsrechtsgemäß reagiert (BAG 12.9.1996 - 5 AZR 30/95 - zu 1 c der Gründe, NZA 1997, 381; 24.4.1996 - 5 AZR 1031/94 - zu 2 b, c der Gründe, NZA 1996, 220; LAG Rheinland-Pfalz 24.9.2009 - 10 SaGa 9/09 - zu II 1 der Gründe, juris). Bei Prüfung verabfolgter Maßnahmen dürfen die Anforderungen an ein arbeitgeberseitiges Konfliktmanagement nicht überspannt werden, insbesondere nicht derart, dass ein (mittelbarer) Zwang entsteht, betriebliche Belastungen oder Störungen einstweilen und auf im Einzelfall nicht absehbare Zeiten zu tolerieren (LAG Schleswig-Holstein 2.5.2007 - 6 Sa 504/06 - zu 5 b der Gründe, juris). Der Arbeitgeber muss die Situation auch nicht mit aus seiner Sicht ungewissen Ergebnissen daraufhin prüfen, wer die Ursache für den Konflikt gesetzt hat, sondern kann unmittelbar auf die für ihn einfachste und nachhaltigste und aus seiner Sicht zweckmäßigste Maßnahmen zurückgreifen (LAG Baden-Württemberg 28.11.2008 - 3 Sa 96/07 - zu 1 b bb der Gründe, juris). Es steht der Grenzwahrung billigen Ermessens auch nicht weiter entgegen, wenn die Konfliktlage im Einzelfall gar nicht von dem oder den Maßnahmebetroffenen ausging (LAG Rheinland-Pfalz 11.6.2010 - 9 SA 76/10 - zu II 1 b der Gründe, juris). Auch das subjektive Empfinden des Betroffenen ist für die Beurteilung der Billigkeit nicht weiter von Belang (LAG Schleswig-Holstein 12.2.2002 - 5 Sa 409c/01 - zu 3.2 der Gründe, juris).

83

(bb) Die Beklagte hat ihr Handeln nachvollziehbar aus Gründen der Konfliktlösung verabfolgt.

84

(aaa) Sie konnte und musste aufgrund des Gespräches vom 6. Dezember 2011 von einem innerbetrieblichen Konflikt ausgehen. Der Kläger hatte dort unter Bezugnahme auf objektive, zeitlich und örtlich konkretisierte sowie im Laufe des Rechtsstreits unbestritten gebliebene Gesichtspunkte erklärt, sich im räumlichen Büroumfeld „isoliert“und „gemobbt“ vorzukommen. Da das Gespräch dem Zweck der Aufdeckung und Lösung bestehender Arbeitsbelastungsfaktoren unter gegenseitigem Vertrauen beruhte, musste die Beklagte die geschilderte Problemlage als wahrheitsgemäß dargetan und in der Sache ernsthaft auffassen. Hieran änderte auch der Klägervorbehalt nichts, dass etwaige Maßnahmen nicht ihn treffen dürften, wie neben der dargelegten Auslegung dieses Einwands auch aus dem Umstand folgt, dass der Kläger noch am 2. Februar 2012 in der Personalabteilung nach einem Mobbingbeauftragten fragte (so der unbestrittene Beklagtenvortrag im Schriftsatz vom 24. April 2012; S. 6, Bl. 33 d.A.). Soweit der Kläger im Verfahren einwendete, dass niemand aus der IT-Abteilung von einem objektiven Konflikt ausgegangen sei, stellt das auf unerhebliche Beurteilungsgrundlagen ab. Selbst wenn nachträglich besehen, niemand aus der IT-Abteilung dem Kläger persönlich Böses gewollt haben mochte, als er die Türen rigoros verschloss und im Lagerraum mit plakativem Hinweis Raucher für unerwünscht erklärte, waren die vorgekommenen Ereignisse schon objektiv nicht zu leugnen und in ihrer erschütternden Auswirkung auf den Kläger nicht aus der Welt geschafft. Aus Sicht der Beklagten musste schon nach klägerseitiger Schilderung vom Dezember 2011 eine Eskalation befürchtet werden, auf die sie mit Deeskalationen, wie vom Kläger noch im Februar 2012 für tunlich erachtet, reagierte.

85

(bbb) Mildere Mittel zur Lösung der räumlichen Konfliktlage hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger dabei nicht. Die vom Kläger hiergegen schon am 6. Dezember 2011 aufgeworfene Frage: „Warum ich?“, hat das Arbeitsgericht sinngemäß und zutreffend damit beantwortet, dass die einzig denkbare Alternative in der Auslagerung der gesamten IT-Abteilung bestanden hätte, was - wenn nicht unmöglich, so doch - unzumutbar gewesen wäre (S. 6 der Urteilsniederschrift zu I 2 der Gründe, Bl- 89 d.A.). Der Kläger hat hiergegen auch in zweiter Instanz keine Einwände vorgebracht. Er hat zudem auch nicht weiter erkennen lassen, wie sich seine Problemlage anders als durch eine Raumänderung hätte lösen lassen. Die von ihm in diesem Zusammenhang allein thematisierte (und zwischen den Parteien streitig gebliebene) Frage, ob nicht in anderen Gebäuden der Einrichtung gegen Ende März 2012 Bürozimmer frei gewesen seien, bedurfte keiner Vertiefung. Aus der Raumzuweisung im Oberlinhaus ergaben sich für den Kläger (nach den vorstehenden Ausführungen) keine objektiv nachvollziehbaren beruflichen, gesundheitlichen, persönlichen oder sozialen Nachteile, so dass ihn andere Raumzuweisungen jedenfalls nicht weniger „belastet“ haben konnten.

86

e) Die Maßnahme verstößt auch nicht gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.

87

aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit. Der Arbeitnehmer soll in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber geschützt werden, ob er - auch vor dem Hintergrund des für Arbeitsverhältnisse typischen Ungleichgewichts, das sich durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers ergibt - seine Rechte ausüben will oder nicht. Rechtsausübung meint dabei jede Wahrnehmung von Rechtspositionen (BAG 21.9.2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 31 ff., NZA 2012, 317). Eine Benachteiligung i.S.v. § 612a BGB setzt nicht notwendig voraus, dass sich die Situation des Arbeitnehmers gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert. Das Maßregelungsverbot kann auch verletzt sein, wenn dem Arbeitnehmer Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, weil sie ihre Rechte nicht ausgeübt haben (BAG 15.9.2009 - 9 AZR 685/08 - Rn. 40, AP BGB § 611 BGB Lehrer, Dozenten Nr. 186). Allerdings musste für die Tatbestandvoraussetzung „Benachteiligung“ ein Arbeitgeber zwischen verschiedenen Maßnahmen auswählen können (BAG 14.12.2011 - 5 AZR 675/10 - Rn. 23, NZA 2012, 618). Das Maßregelungsverbot setzt weiter voraus, dass zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bildet (BAG 16.5.2012 - 10 AZR 174/11 - Rn. 18, juris). Den Arbeitnehmer trifft zudem die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom Arbeitgeber benachteiligt wurde. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet (BAG 21.9.2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 37, NZA 2012, 317).

88

bb) Vor diesem Hintergrund ist vorliegend von keiner Maßregelung bei Zuweisung eines anderen Arbeitsraums zum 29. März 2012 auszugehen.

89

(1) Zu Gunsten des Klägers mag angenommen werden, dass die Beteiligung an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX als Rechtswahrnehmung in den Schutzbereich des § 612a BGB fällt.

90

(2) Nachteil ist allerdings nicht schon jede subjektive Empfindung, vielmehr bedarf es objektiver Anhaltspunkte, dass die veränderten Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld wirklich schlechter sind (LAG Niedersachsen 15.10.2010 - 6 Sa 282/10 - zu II 3 der Gründe, LAGE GewO 2003 § 106 Nr. 8). Soweit das in Gestalt negativer Arbeitsbedingungen der Fall sein sollte, gilt nach den vorstehenden Ausführungen, dass - weil keine Verschlechterung im objektiven Sinn eintrat - auch keine Benachteiligung vorgekommen sein konnte. Auch in Gestalt vorenthaltener Vorteile kann die Umdisposition einzelner Arbeitsräume kaum als Nachteil gelten. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass im Laufe eines Arbeitslebens nie Raumänderungen eintreten. Ob allein die dann noch verbleibende Direktionsrechtsausübung als solche - die ohne Arbeitnehmerverhalten ggf. ausgeblieben wäre - schon einen Nachteil darstellt, oder nicht vielmehr als Sozial- und rechtsadäquates Verhalten gelten muss und mithin unerheblich zu bleiben hat (zur Neutralität in diesem Sinn bei schadensersatzrechtlichem Zusammenhang etwa BAG 16.5.2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 85, NZA 2007, 1154), bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hatte jedenfalls nach klägerischer Kundgabe ohne Gewärtigung verschlimmerter Lagen keine alternative Abhilfemöglichkeit. Sie war aufgrund der eingliederungsmanagementgemäßen Vereinbarung gerade gehalten zu handeln (vgl. Düwell in Dau/ Düwell/ Joussen SGB IX § 84 Rn. 87) und konnte aufgrund ihrer Fürsorgepflicht sogar von einer „Versetzungs“-Pflicht aufgrund schutzwürdigen Interesses des Klägers und ihr möglicher wie zumutbarer Veränderung ausgehen (LAG Rheinland-Pfalz 13.4.2005 - 9 Sa 932/04 - zu I 2 der Gründe, juris). Auch der Kläger hat - wie dargelegt - nichts dazu ausgeführt, wie die Konfliktlage anders als durch Raumänderung hätte behoben werden können.

91

(3) Zudem scheidet eine Maßregelung auch wegen mangelnder Kausalität aus. Die Raumänderung des Klägers geschah zwar anlässlich der Vereinbarung im betrieblichen Eingliederungsmanagement, nicht jedoch bloß deshalb, weil der Kläger sich diesem Verfahren gestellt hatte. Der Kläger übersieht bei seiner gegenteiligen Mutmaßung zunächst, dass die Initiative zum Verfahren gerade von der Beklagtenseite kam und eine kontrafaktische Vermutung, dass, wer fremde Angebote annimmt, rechtlich nicht Vorteile erlangt, sondern die Gefahr von Nachteilen gewärtigen muss, eher fern liegt. Darüber hinaus ging der Vereinbarung im Abschluss der protokollierten Fallbesprechung vom 6. Dezember 2011 - soweit ersichtlich - auch genau der regulierte Suchprozess zur Ermittlung individuell angepasster Lösungen für den Erhaltung von Arbeitsplätzen durch Überwindung der Arbeitsunfähigkeit sowie zur Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeiten voraus (Düwell in Dau/ Düwell/ Joussen SGB IX § 84 Rn. 28), der Zweck der Gesundheitsprävention ist (AnwKArbR/ Euler § 84 SGB IX Rn. 1). Nicht die Teilnahme oder der Lösungssuchprozess als solcher waren mithin Ursache für die spätere Raumänderungsprüfung, sondern erst die anschließend getroffene Vereinbarung. Für diese ergab sich isoliert besehen die bezeichnete Vornahmepflicht ggf. auch aus Gründen der Fürsorge nach § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG, die einen Arbeitgeber zur Evaluation und ggf. Änderung belastender Arbeitsumgebungen auch jenseits des Verfahrens nach § 84 Abs. 2 SGB IX anhält (vgl. BAG 19.5.2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 26, NZA 2010, 1119; HWK/ Lembke § 106 GewO Rn. 124). Ferner wurde mit Sicherstellung der reibungslosen Arbeitsvertragserfüllung zugleich auch der arbeitnehmerseitige Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung erfüllt (vgl. LAG Baden-Württemberg 28.11.2008 - 3 Sa 96/07 - zu 1 b bb der Gründe, juris). Der Kläger beanstandet vor diesem Hintergrund folglich zu Unrecht, dass das Arbeitsgericht den fehlenden Ursachenzusammenhang aus dem ganzen Maßnahmenbündel infolge des durchgeführten Eingliederungsmanagements angenommen hat. Genau dies ist nämlich konkrete Folge der Vereinbarung vom 6. Dezember 2011 und denkgesetzlich selbst dann noch vorhanden, wenn man den gesamten vorangegangenen Suchprozess beiseite lässt.

B.

92

Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe, die die Zulassung der Revision nahe legten, beinhaltete der Einzelfall nicht, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 15.09.2010 abgeändert und die Klage auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

2.Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Weisung der Beklagten vom 10. September 2009, nach der die Klägerin zukünftig in der Lokalredaktion M tätig werden sollte und nicht mehr wie bisher in der Lokalredaktion in W.

2

Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängern seit 1971 als Redakteurin beschäftigt. In dem heute noch maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 29. Juni 1993 wurde vereinbart, dass für das Anstellungsverhältnis die gehalts- und manteltarifvertraglichen Regelungen für Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen gelten sollten. Beide Parteien sind darüber hinaus auch kraft Mitgliedschaft tarifgebunden.

3

Die Klägerin war bis 2004 der Hauptredaktion in N, Ressort Sonderaufgaben, zugewiesen. Unter § 4 des Arbeitsvertrages ist allerdings vereinbart: "Der Verlag behält sich unter Wahrung der Interessen des Redakteurs die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes vor."

4

Im September 2004 versetzte die damalige Arbeitgeberin die Klägerin in die Lokalredaktion nach W. Dagegen wandte sich die Klägerin mit einem Verfahren, das sie bis zum Bundesarbeitsgericht führte. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG hat die Klage mit Urteil vom 11.04.2006 ( 9 AZR 557/05 - BAGE 118, 22 = AP Nr. 17 zu § 307 BGB = NJW 2006, 3303 = DB 2007, 289) abgewiesen.

5

In Folge dieser Versetzung hat die Klägerin seit September 2004 die Tätigkeit als Redakteurin in der Lokalredaktion W ausgeübt. Die letzte Rechtsvorgängerin der Beklagten ist die Kurierverlags GmbH & Co. KG, die u.a. die regionale Tageszeitung "Nordkurier" mit einer Vielzahl von Regionalausgaben herausgibt. Die Mantel-/Hauptredaktion in N erstellt die überregionalen Seiten der Tageszeitung. Für die Lokalredaktionen wurden 2007 eigene Gesellschaften gegründet, die dann im Wege des Teilbetriebsübergangs die Lokalredaktionen übernommen haben. Auf diese Weise ist das Arbeitsverhältnis der Parteien im November 2007 begründet worden.

6

Die Beklagte gibt den regionalen Teil "Müritz-Zeitung" des "Nordkurier" heraus. Sie verfügt über Redaktionen in W, D und M. Die Redaktion M besteht aus den Standorten M und T.

7

Die Klägerin verdient bei der Beklagten monatlich rund 5.000,00 Euro brutto. Sie ist Mitglied des Betriebsrates der Beklagten und sie wurde 2010 erneut in diesen gewählt.

8

Im Spätsommer 2009 hat sich ein Kollege der Klägerin aus der Redaktion in M das Leben genommen, was zum faktischen Zusammenbruch der Arbeitsfähigkeit der dortigen Arbeitseinheit geführt hatte. Neben vielen anderen Maßnahmen, zum Beispiel dem gemeinsamen Besuch eines Trauerseminars, wollte die Beklagte den faktischen Stillstand in M auch durch die personelle Verstärkung durch eine Redakteurin überwinden, wobei die Beklagte sich hierfür die Klägerin auserkoren hatte.

9

Aus diesem Grunde ist die Klägerin wenige Stunde vor Antritt ihres 4wöchigen Jahresurlaubs am 28. August 2009 von ihrem Chef ohne Ankündigung des Themas gebeten worden, umgehend zu einem Gespräch zu erscheinen. Das Gespräch dauerte dann höchstens 10 Minuten. Der Vorgesetzte erläuterte der Klägerin, dass man sie nach M versetzen werde. Die Klägerin war schockiert und wollte das Gespräch abbrechen oder jedenfalls eine weitere Person hinzuziehen, worauf der Vorgesetzte entgegnete, dass sei nicht nötig, es sei ohnehin alles gesagt. Während ihres Urlaubs hat die Klägerin dann auch noch die schriftliche Versetzungsverfügung vom 10. September 2009 erhalten, deren Wirksamkeit Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.

10

Zuvor hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat über die beabsichtige Maßnahme unterrichtet; eine förmliche Beteiligung nach § 99 BetrVG ist im Hinblick auf § 118 Absatz 1 BetrVG nicht erfolgt. Der Betriebsrat hat mit seinem Schreiben vom 10. September 2009 Bedenken gegen die Maßnahme geltend gemacht. In dem Schreiben heißt es auszugsweise wörtlich:

11

"1.Da die [Klägerin] nur Stunden vor ihrem Sommerurlaub über Ihr Ansinnen informiert wurde und derzeit im Ausland weilt, war dem Betriebsrat ein klärendes Gespräch mit der Betroffenen nicht möglich. Das heißt, etwaige Nachteile konnten von uns nicht ausreichend abgewogen werden.

12

2.Der Betriebsrat sieht seine Arbeit insoweit beeinträchtigt, als dass mit dieser Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes seine bisherige gleichmäßige Präsenz in allen drei Lokalausgaben beendet wird. Dies betrifft insbesondere den Standort W als Sitz des Verlages mit der weitaus größten Mitarbeiterzahl an einem Standort."

13

Mit außergerichtlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1. Oktober 2009 wurde die Beklagte ersucht, die Gründe für die Versetzung mitzuteilen. In dem außergerichtlichen Antwortschreiben vom 2. Oktober 2009 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem Vorverfahren verwiesen, die der Klägerin bestens bekannt sei wie die redaktionellen Notwendigkeiten bei der jetzigen Versetzung.

14

Mit ihrer Klage, Eingang beim Arbeitsgericht Neubrandenburg im Oktober 2009, begehrt die Klägerin die gerichtliche Feststellung, dass die streitige Versetzungsmaßnahme unwirksam ist.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. September 2009 stattgegeben, den Streitwert auf 5.000,00 Euro festgesetzt und in der Hauptsache wie folgt erkannt:

16

"Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin aus der Lokalredaktion W in die Lokalredaktion M zum 28.09.2009 unwirksam ist."

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

18

Mit der Berufung, die vorliegend keinen formellen Bedenken unterliegt, verfolgt die Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter.

19

Sie trägt dazu vor, sie habe ihr Leistungsbestimmungsrecht zur Änderung des Arbeitsorts nach § 106 Satz 1 GewO wirksam ausgeübt. Die Zuweisung zur Lokalredaktion M wäre aufgrund des Todes des Redakteurs zwingend erforderlich geworden. Sie sei dabei auf die besonderen Kenntnisse der Klägerin als langjährig erfahrene Redakteurin angewiesen, um diesen Verlust zumindest ansatzweise aufzufangen. Insbesondere aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und Betriebszugehörigkeit sei die Besetzung der Stelle durch sie geradezu prädestiniert. Sie verfüge über ein ausgeprägtes journalistisches Fachwissen und sei in allen fachlichen Themen und Gebieten branchenübergreifend einsetzbar. Auch wäre sie in besonderem Maße persönlich geeignet, mit einer so schwierigen Situation umzugehen. Diese psychologische Stärke wäre unverzichtbar gewesen in der konkreten Situation und auch dringend erforderlich, um die Redakteure in M und T zu begleiten.

20

Auch nach einer zusätzlich vorgenommenen Auswahl zwischen mehreren Redakteuren wäre die besondere Qualifikation der Klägerin ausschlaggebend bei der Besetzung der Stelle der für den Arbeitgeber wichtigen Lokalredaktion in M gewesen.

21

Überwiegende Interessen der Klägerin hätten dem nicht entgegengestanden. Die Kilometerdifferenz vom Wohnort der Klägerin nach M im Verhältnis zu dem Einsatzort W liege bei etwa 2 km. Auch beeinträchtige die Versetzung die Tätigkeit der Klägerin im Betriebsrat nicht, denn die Klägerin sei nicht daran gehindert, zu den Sitzungen und zu der sonstigen Betriebsratsarbeit sich an den Sitz der Beklagten nach W zu begeben. Insoweit stehe die Klägerin gleich mit allen andern Mitgliedern des Betriebsrats, die an den Außenstandorten in M (mit T) oder in D tätig sind.

22

Der vom Gericht angeregte Kompromissvorschlag einer lediglich befristeten "Abordnung" der Klägerin würde das von ihr eingeleitete und aus mehreren Bausteinen bestehende Krisenmanagement zur Erlangung von Stabilität und Sicherheit in der Redaktion M und T die Grundlage entziehen und in sich zerfallen lassen. Dies könne weder im Interesse der Klägerin sein, noch im Interesse des bestehenden Betriebsrates. An der streitigen Versetzung müsse daher festgehalten werden.

23

Die Beklagte beantragt, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

24

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

25

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

26

Die Klägerin empört sich darüber, dass ihr die streitige Maßnahme erst wenige Stunden vor Antritt ihres Jahresurlaubs angekündigt worden sei; dies könne und müsse man als "Akt der seelischen Grausamkeit" ansehen. Schon dies zeige, dass die Maßnahme billigem Ermessen nicht entsprechen könne. Die Versetzung sei vielmehr willkürlich erfolgt und deshalb unwirksam.

27

Keines der Argumente, die die Beklagte für die Versetzung ins Feld führe, sei stichhaltig; daraus müsse gefolgert werden, die Argumente seien nur vorgeschoben.

28

Soweit die Beklagte behaupte, es habe das Bedürfnis bestanden, die durch den Tod eines Kollegen in M entstandene Lücke zu schließen, hätte dieses Bedürfnis zumindest nicht im Zeitpunkt der Versetzungsentscheidung bestanden. Denn im Zuge eines Redakteur-Tausches wäre der bald darauf verstorbene Redakteur von Juni 2009 bis einschließlich August 2009 gar nicht in der Lokalredaktion M tätig gewesen.

29

Es sei auch nicht richtig, dass es am leichtesten gefallen wäre, jemanden aus der Redaktion in W nach M zu versetzen, da die Redaktion in W die größte Redaktion der Beklagten sei. Denn das von der Beklagten zum Beleg vorgelegte Organigramm spiegele nicht die tatsächliche personelle Situation zum Entscheidungszeitpunkt wider. Tatsächlich seien in allen drei Teilredaktionen die Anzahl der Redakteure nahezu identisch verteilt gewesen.

30

Der Vortrag der Beklagten zu ihrer fachlichen Einschätzung erfülle sie mit Stolz. Jedoch wäre die Behauptung falsch, dass es unter den anderen Kollegen und Kolleginnen bei der Beklagten keine gäbe mit vergleichbaren fachlichen Fähigkeiten. Jeder ausgebildete Redakteur mit einem gewissen Maß an beruflicher Erfahrung in einer Lokalredaktion könne sein journalistisches Fachwissen themenübergreifend einsetzen.

31

Auch die überaus positive Bewertung ihrer Sozialkompetenz durch die Beklagte freue sie. Dieser Vortrag könne jedoch nicht sachgerecht zur Begründung der Auswahlentscheidung herangezogen werden, und auch in der Lokalredaktion M mit der Außenstelle in T wäre ein ebenso menschlich wie psychologisch befähigter Mitarbeiter zugegen. Sowohl diese Gründe als auch die fehlende Berücksichtigung ihrer persönlichen Belange, machten die Willkür bei der getroffenen Entscheidung deutlich.

32

Bei der Abwägung der Interessen hätte die Beklagte in jedem Fall berücksichtigen müssen, dass sie als Mitglied des Betriebsrates in der Lokalredaktion W präsent gewesen sei. Der Betriebsratsvorsitzende wäre zu der Zeit in D und das weitere Mitglied in M bzw. T tätig gewesen. Die Auswirkungen für die Betriebsratstätigkeit seien durch die Beklagte nicht berücksichtigt worden.

33

Hinsichtlich ihrer persönlichen Belange habe keine Berücksichtigung gefunden, dass sie aufgrund einer in den Schriftsätzen konkret beschriebenen familiärer Belastungssituation selbst seinerzeit psychisch labil gewesen wäre. Durch Freitod ihres Kollegen, der auch ihr sehr nahe gegangen wäre, sei ihre persönliche Belastungssituation noch erheblich vergrößert worden. Durch das Herausreißen aus ihrem gewohnten Arbeitsumfeld in Folge der Versetzung trete eine dritte schwere psychische Belastung hinzu. Diese Umstände hätten in der Summe auch zu ihrer zeitweiligen Arbeitsunfähigkeiten beigetragen.

34

Im Wege des gerichtlichen Vergleiches hätte sie sich vorstellen können, für bis zu zwei Jahre in M zu arbeiten. In dieser Zeit hätte man die größten Probleme in M überwinden können, so dass auch kein Anlass bestanden hätte, sie dort länger einzusetzen. Das habe das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung zutreffend hervorgehoben.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36

Die Berufung ist begründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, denn die streitige Versetzungsmaßnahme mit der schriftlichen Weisung vom 10. September 2009 begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Daher lässt das Gericht offen, ob der Feststellungsantrag in der gestellten Fassung zulässig ist.

37

1.Zutreffend ist der Ausgangspunkt, den das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil eingenommen hat. Ob die Beklagte berechtigt war, den der Klägerin zugewiesenen Ort der Arbeit zu ändern, richtet sich nach § 106 Satz 1 GewO.

38

Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

39

Vorliegend ist das Direktionsrecht der Beklagten nicht durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eingeschränkt. - Der Arbeitsort ist - was zwischen den Parteien nicht in Streit steht - weder in dem Anstellungsvertrag vom 29. Juni 1993 noch danach durch beiderseitige Absprache vertraglich festgeschrieben worden. Die vertraglichen Abreden der Parteien ohne Festlegung des Arbeitsortes stehen auch in Einklang mit § 2 des MTV für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen, der nach § 15 des Arbeitsvertrages vom 29. Juni 1993 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Nach der Tarifvorschrift haben Redakteurinnen zwar einen Anspruch auf eine schriftlichen Arbeitsvertrag, dort ist aber lediglich das Arbeitsgebiet und nicht der Arbeitsort der Redakteurin festzulegen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in dem Vorprozess der Parteien ausführlich begründet (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/06 - BAGE 118, 22 = AP Nr. 17 zu § 307 BGB = NJW 2006, 3303 = DB 2007, 289); darauf wird Bezug genommen.

40

2.Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts genügt die streitige Versetzungsmaßnahme auch noch den Anforderungen billigen Ermessens im Sinne von § 106 GewO.

41

a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Durch die Beklagte sind bei der Ausübung ihres Direktionsrechts - was sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt - zusätzlich die Interessen des Redakteurs zu wahren. Beide Anforderungen meinen im Grund dasselbe (BAG 11. April 2006 aaO) und können daher gemeinsam geprüft werden.

42

Für die Ausübung des Direktionsrechts und die Leistungsbestimmung kommt es darauf an, ob die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Beurteilung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 315 Absatz 3 Satz 2 BGB.

43

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 401/09 - NZA 2011, 161 = ZTR 2011, 90), es kommt nicht auf die tatsächliche nachträgliche Entwicklung an. Maßgeblich sind außerdem allein die objektiven Verhältnisse (BAG 14. Oktober 2008 - 9 AZR 511/07 - AP Nr. 41 zu § 1 Altersteilzeit = DB 2009, 2159 = ZTR 2009, 306). Das bedeutet, es kommt nur auf die Gesichtspunkte an, die für und wider die streitige Maßnahmen sprechen, und auf deren spezifisches Gewicht. Unerheblich ist dagegen, wer diese Gesichtspunkte zu welchem Zeitpunkt erstmals als entscheidungsrelevant erkannt oder gar ausgesprochen hat. Auch Gesichtspunkte, auf die sich eine der Parteien erstmals im Rechtsstreit beruft, sind daher bei der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen.

44

b) Wegen dieses objektiven Maßstabes kann dem Arbeitsgericht nicht gefolgt werden, wenn es meint, von den Mängeln bei der Anhörung der Klägerin auf fehlendes billiges Ermessen bei der Ausübung des Direktionsrechts schließen zu können. Es drängt sich vorliegend zwar gerade zu auf, dass die die Art und Weise, in der die Beklagte die Anhörung der Klägerin zu der beabsichtigten Maßnahme durchgeführt hat, nicht geeignet war, die Argumente, die die Klägerin gegen diese Maßnahme ins Feld führen würde, ans Tageslicht zu befördern. Darauf kommt es aber auch nicht an. Wenn die Beklagte nicht an den Argumenten der Klägerin interessiert ist, geht sie zwar das Risiko ein, später bei einem Rechtsstreit mit Argumenten konfrontiert zu werden, die ausreichend gewichtig und schlechterdings nicht widerlegbar sind. Sie verletzt damit aber nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, die Grundsätze des billigen Ermessens.

45

c) Ein Verstoß gegen billiges Ermessen im Sinne von § 106 GewO ist nicht erkennbar.

46

Die streitige Maßnahme beruht auf einem sachlichen Anlass. Die Beklagte hatte durch den tragischen Freitod des Kollegen der Klägerin allen Anlass, durch eine personelle Maßnahme die Funktionsfähigkeit der Redaktion am Standort M wieder herzustellen. Das hat auch das Arbeitsgericht richtig erkannt und auch die Klägerin hat dagegen keine durchgreifenden Einwände vorgebracht. Für diese Bewertung kommt es insbesondere nicht darauf an, ob der verstorbene Kollege zuletzt vorübergehend an eine andere Redaktion abgeordnet war, denn sein Stammarbeitsplatz war bis zuletzt M und gerade den dortigen Kolleginnen und Kollegen ist sein Tod besonders nahe gegangen. Zwischen den Parteien ist insoweit auch unstreitig, dass die Klägerin sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht in besonderem Maße geeignet ist, ihre Arbeitsleistung in einem so schwierigen Umfeld zu erbringen und zu der von allen erhofften alsbaldigen Überwindung der Krisensituation konstruktiv beizutragen.

47

Die von der Klägerin gegen ihre Versetzung ins Feld geführten Argumente sind sachbezogen, haben jedoch kein durchschlagendes Gewicht.

48

Soweit die Klägerin konkret auf Schwierigkeiten aus ihrem eigenen familiären Umfeld hinweist, ist eine Verschlechterung der Situation der Klägerin durch die streitige Maßnahme nicht erkennbar. Man darf davon ausgehen, dass die Klägerin mit dem Hinweis auf die Probleme im familiären Umfeld darauf hinweisen will, dass sie so viel Zeit wie möglich dort verbringen muss und will, um zur Überwindung der Probleme beizutragen. Da sie auf der anderen Seite den Umfang der Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht in Frage stellt, kann es also im Wesentlichen nur um die Fahrzeiten von der Wohnung zur Arbeit und zurück gehen. Da die Klägerin aber nach wie vor ihren Wohnsitz in N hat, ist es vom Zeitaufwand für die Fahrten zur Arbeit und wieder nach Hause her gesehen, gleichgültig, ob die Klägerin in W oder in M arbeitet.

49

Soweit die Klägerin mit dem Argument der Belastung aus dem familiären Umfeld auf ihre eigene Situation im Sinne einer besonderen Belastung aufmerksam machen will, ist das ebenfalls ein sachlich zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass die Belastung der Klägerin durch ihre Familie seinerzeit ein Ausmaß erreicht hatte, das der Versetzung hinderlich entgegen stand.

50

d) Es hält sich auch noch im Rahmen des billigen Ermessens, dass die Beklagte sich die Klägerin als die zu versetzende Person ausgewählt hat, obwohl es wohl auch andere Redakteure oder Redakteurinnen gegeben hätte, die man ebenfalls hätte versetzen können.

51

Die Beklagte hat sich insoweit darauf berufen, dass jemand aus der Redaktion in W versetzt werden sollte, da man dort infolge der Größe der Redaktion den Abgang am besten hätte verkraften können. Je größer eine Organisationseinheit ist, desto leichter ist es möglich, durch kleinere Verschiebung der Arbeitsaufgaben und kleinere Änderungen der Arbeitsabläufe den Ausfall eines Beschäftigten zu verkraften. Der Gesichtspunkt ist nachvollziehbar und er hat auch den nötigen Sachbezug. - Die von der Klägerin dagegen erhobenen tatsächlichen Einwendungen greifen nicht durch. Es mag zwar zutreffen, worauf die Klägerin beharrt, dass auf der betrieblichen Hierarchieebene, auf der sich die Klägerin befindet, an allen drei Standorten der Beklagten (W, M und D) in etwa gleich viel Redakteure tätig waren. Da aber auch die Führungsmannschaft der Beklagten ihren Sitz in W hat, ist die dortige Redaktion insgesamt gesehen trotzdem größer. Daher fällt es dort leichter, den Weggang der Klägerin zu verkraften, weil man notfalls einen Teil der Aufgaben der Klägerin auch durch Arbeitnehmer, die über der Klägerin stehen, wahrnehmen lassen kann.

52

Soweit die Klägerin weitere Kollegen und Kolleginnen namentlich benannt hat, die auch für eine Versetzung in Betracht gekommen wären, folgt daraus noch nicht notwendig, dass die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Maßnahme unbillig war. Dafür hätte es des Vortrages weiterer Umstände bedurft, aus denen das Gericht schließen könnte, dass es sich der Beklagten hätte aufdrängen müssen, statt der Klägerin eine dieser Personen zu versetzen; jedenfalls hätte es des Vortrages bedurft, welche Vorteile sich für die Beklagte aus der Versetzung dieser anderen Personen hätte ergeben sollen, oder weshalb es den genannten Person leichter gefallen wäre, die schwierige Aufgabe in M zu übernehmen. Derartigen Vortrag hat die Klägerin nicht geleistet, obwohl dieser Gesichtspunkt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Sie hat immer nur argumentiert, diese Personen wären in gleicher Weise geeignet gewesen, die Aufgabe zu übernehmen. Wenn es aber mehrere Personen gibt, die für die Maßnahme mehr oder wenig gleichermaßen in Betracht kommen, genügt es noch billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber für seine Maßnahme eine dieser Personen auswählt. Das hat er hier getan.

53

e) Das Berufungsgericht vermag sich schließlich nicht dem Argument der Klägerin und des Arbeitsgerichts anzuschließen, dass die Versetzung unbillig ist, weil es auch ein milderes Mittel zu ihr gegeben hätte, nämlich die nur vorübergehende Abordnung nach M für ein oder zwei Jahre.

54

Das Berufungsgericht hat bereits in tatsächlicher Hinsicht Zweifel, ob eine Abordnung, die nach der Struktur des Problems in T ja mindestens ein bis zwei Jahre hätte andauern müssen, gegenüber der tatsächlich ausgesprochenen Versetzung eine mildere Maßnahme wäre. Denn erfahrungsgemäß ist es immer die Startphase an einem neuen Arbeitsplatz, die so unkalkulierbar ist und daher im Regelfall als eine besondere Herausforderung begriffen wird. Beginnt man erst einmal Wurzeln am Arbeitsplatz zu schlagen, wird vieles einfacher. Muss man dann aber nach 2 Jahren schon wieder wechseln, ist das möglicherweise belastender als die einmalige Versetzung auf Dauer. - Interessanterweise hat ja auch nicht die Klägerin sich darauf berufen, es sei weniger einschneidend, sie nur vorübergehend abzuordnen. Dies war vielmehr das Argument des Arbeitsgerichts, dem sich die Klägerin dann im Berufungsrechtszug erst angeschlossen hat. Da es auf eine objektive Sicht der Dinge ankommt, also darauf, wie die Beteiligten dieses Berufskreises die in Rede stehenden Maßnahmen bewerten würden, kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es eine klare Reihenfolge in der Bewertung gibt; der eine kommt mit der dauerhaften Versetzung besser zurecht, der andere mit der nur vorübergehenden Abordnung.

55

Das Berufungsgericht hält es aber auch für falsch, den offensichtlich dem Kündigungsschutzrecht entlehnten Gedanken der Verhältnismäßigkeit in der dort praktizierten Schärfe auf das auf § 106 GewO fußende Recht der Versetzung zu übertragen. Das Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis bildet in aller Regel die Existenzgrundlage für den Arbeitnehmer, häufig sogar für seine ganze Familie. Das ist der Grund, weshalb das Bundesarbeitsgericht seit nunmehr gut 25 Jahren bei jeder ordentlichen Kündigung, auf die das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, und bei jeder außerordentlichen Kündigung prüft, ob die Kündigung wirklich das letzte Mittel war, um dem Problem des Arbeitgebers wirksam zu begegnen. Bei Direktionsmaßnahmen im Allgemeinen und bei Versetzungsmaßnahmen im Besonderen sind die Interessen des Arbeitnehmers bei weitem nicht so existentiell berührt, wie bei Kündigungen, denn das Arbeitsverhältnis als Einkommensquelle wird nicht in Frage gestellt. Diese unterschiedliche Bewertung der Interessen in der Konfliktsituation wird auch vom Gesetzgeber so gesehen. Während die Kündigung ausschließlich und nur dann in Betracht kommt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt oder einer der drei engmaschigen Gründe aus § 1 KSchG, ist der Arbeitgeber bei einer Versetzung eben "nur" an den Maßstab des billigen Ermessens gebunden, der im Regelfall dazu führt, dass mehrere oder gar viele Maßnahmen zur Behebung eines konkreten Problems alle gleichzeitig noch billigem Ermessen entsprechen können.

56

An dieser Abstufung der rechtlichen Bindung des Arbeitgebers und damit auch an der Abstufung der Kontrolldichte durch das Arbeitsgericht ist festzuhalten. § 106 GewO fordert lediglich, dass die Maßnahme des Arbeitgebers noch billigem Ermessen entspricht. Sie fordert damit nicht stets den optimalen Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. Erst dann, wenn sich einem objektiven Beobachter aufdrängen muss, dass der Arbeitgeber hier zu einer Maßnahme gegriffen hat, die deutlich über das Ziel, welches er mit ihr verfolgt, hinausschießt, und die Maßnahme den Arbeitnehmer damit sozusagen unnötig belastet, kann sie gegen billiges Ermessen verstoßen. Davon kann hier aber keine Rede sein.

57

3. Mit der streitigen Maßnahme hat die Beklagte auch nicht gegen andere Gesetze verstoßen.

58

a) Das Berufungsgericht hat geprüft, ob in der Maßnahme der Beklagten eine feindliche Haltung gegenüber der Klägerin zum Ausdruck kommt, ob sich also hinter der Fassade der sachlichen Begründbarkeit der Maßnahme ein Versuch verbirgt, die Klägerin rechtswidrig zu schädigen.

59

Das Gericht hat sich zu dieser Prüfung ernsthaft veranlasst gesehen, da die Art und Weise, wie man die Klägerin in die Entscheidungsfindung eingebunden hat, und wie man dann versucht hat, ihr die schwierige Maßnahme näher zu bringen, Erstaunen wenn nicht gar Entsetzen in der Kammer ausgelöst hat. Gemessen am Maßstab der guten Führung eines Unternehmens ("good governance") kann man die Ankündigung und Umsetzung der Maßnahme gegenüber der Klägerin nur als eine katastrophale Fehlleistung der betroffen Führungsperson bezeichnen, die jegliches Gespür für die positive Kraft einer konstruktiven und offenen Kommunikation vermissen lässt.

60

Von dieser katastrophalen Fehlleistung des Vorgesetzten kann aber nicht auf eine feindliche Einstellung des Vorgesetzten oder gar der Beklagten gegenüber der Klägerin geschlossen werden. Dazu hätte es der Feststellung weiterer Umstände bedurft, mit denen man den Anfangsverdacht einer feindlichen Einstellung hätte erhärten können. Solche Umstände sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Auch der Umgang der Parteien in der mündlichen Verhandlung hat dem Gericht nicht den Eindruck vermittelt, dass es zwischen den handelnden Personen Feindschaften gibt. Auch der Vorprozess der Parteien wirkt nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr belastend im Arbeitsverhältnis fort, zumal den ja auch die Beklagte gewonnen hatte und die Klägerin sich in ihr Schicksal gefügt hat und mit der Arbeit in der Redaktion in Waren sich in diesem Sinne inzwischen auch angefreundet hatte.

61

b) Die Maßnahme ist auch nicht wegen mangelhafter Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend begründet. Darauf wird Bezug genommen. Die Klägerin hat eine mangelhafte Beteiligung im Berufungsrechtszug auch nicht gerügt.

62

Die Maßnahme verstößt im Übrigen auch nicht gegen § 103 Absatz 3 BetrVG. Danach bedarf eine Versetzung, die zum Verlust des Amtes als Betriebsrat führen würde, der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats. Diese Situation ist hier nicht gegeben, denn die Versetzungsmaßnahme spielt sich innerhalb des Betriebes ab, für den der Betriebsrat gewählt wurde, dem die Klägerin angehört. Sie ist auch nach der Versetzung noch berechtigt Mitglied des für die Beklagte gebildeten Betriebsrats geblieben.

63

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin als die unterlegene Partei zu tragen (§ 91 ZPO).

64

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 - 2 Sa 71/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

2

Die 1974 geborene und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 6. Mai 1996 zunächst als Flugbegleiterin und sodann als Purserette in Vollzeit zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.281,55 Euro brutto bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. April 1996 lautet auszugsweise:

        

1.    

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

… [Die Klägerin] wird ab dem 06.05.1996 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Hamburg beschäftigt. Der Einsatzort Hamburg umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region.

        

(2)     

… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.

        

2.    

Rechte und Pflichten

        

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“

3

Die Klägerin ist vom Stationierungsort Hamburg aus eingesetzt worden; dort waren etwa 230 Flugbegleiter/Purser stationiert (Stand Februar 2014). Teilweise ist es zu „Dead-Head“-Beförderungen auf Kosten der Beklagten nach Frankfurt am Main oder München gekommen, wo die Flugbegleiter/innen dann ihre Tätigkeit aufnahmen.

4

Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP). Dieser lautet auszugsweise:

        

„ERSTER ABSCHNITT: INTERESSENAUSGLEICH

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Dieser Interessenausgleich gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 3 Ziele und Maßnahmen

        

Erklärung der L zu den Zielen und Maßnahmen:

        

3.1 ‚Zur Verbesserung der Marktsituation und notwendigen Verringerung der Kosten wurden von der Geschäftsleitung nach umfangreichen Untersuchungen folgende Maßnahmen beschlossen.

                 

Die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, wurden zum 1.1.2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt.

                 

Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig. ...

        

3.2 Der Arbeitgeber wird die von der Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffenen Mitarbeiter zur Weiterbeschäftigung nach Frankfurt oder München versetzen bzw. ggf. eine Änderungskündigung aussprechen.‘

        

3.3 Die Betriebspartner begleiten diesen Prozess, indem sie für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie z. B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Arbeitnehmerüberlassung gemäß Schlichtungsvereinbarung, befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) entwickeln. Näheres regelt der Sozialplan.

        

…       

        

§ 5 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

        

Betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlass der Schließung der Stationierungsorte Berlin, Hamburg und Stuttgart […] sind ausgeschlossen.

        

ZWEITER ABSCHNITT: SOZIALPLAN

        

§ 6 Ziele des Sozialplans

        

Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen.

        

§ 7 Geltungsbereich

        

Dieser Sozialplan gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser der L AG, die in einem Arbeitsverhältnis mit der L AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. …

        

§ 8 Abmilderung der Folgen

        

Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):

                 

a)    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung

                 

b)    

Direkter Einsatz aus FRA oder MUC

                 

c)    

Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012

                 

d)    

Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                 

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

                 

f)    

Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe

        

Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.

        

Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.

        

…       

        

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

        

Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der G.

        

Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …

        

Nach Ablauf der zwei Jahre des virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort wird der Mitarbeiter zum darauffolgenden Winter- bzw. Sommerflugplanwechsel gemäß Ergebnis der nach § 4 erfolgenden Mitarbeiterbefragung in FRA (Einsatzgruppe nach Bedarf) oder MUC eingesetzt werden.

        

Privilegierte Rückkehroption

        

Für den Fall, dass L einen Stationierungsort zu einem späteren Zeitpunkt wieder eröffnet oder neuer Bedarf besteht, wird dem von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter eine Rückkehrmöglichkeit zu seinem ursprünglichen Stationierungsort eingeräumt, von der er vor allen Anderen Gebrauch machen kann. ...“

5

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2013 für eine „Versetzung an den Standort FRA“ (Frankfurt am Main). Außerdem kreuzte sie den Wunsch nach der Reiseregelung „5 Jahre S7, mit Selbstbuchungstool“ an.

6

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013, dem eine Personalliste beigefügt war, auf welcher der Name der Klägerin verzeichnet ist, bat die Beklagte die zuständige Personalvertretung um Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen im Zusammenhang mit der Schließung dezentraler Stationierungsorte. Am 16. Dezember 2013 stimmte die Personalvertretung den Versetzungen der in der Personalliste aufgeführten Arbeitnehmer zu.

7

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Mai 2014 nach Frankfurt am Main. Ebenso sind alle anderen bisher in Hamburg stationierten Flugbegleiter/innen versetzt worden. Die Klägerin widersprach der Versetzung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2014. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2014 unter Vorbehalt an.

8

Die Zubringerflüge von Hamburg nach Frankfurt am Main und München werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung vom 17. Dezember 2013 sei unwirksam. Der Einsatzort in Hamburg habe sich über Jahre verfestigt. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel sei intransparent, weil sie nicht zwischen den verschiedenen Örtlichkeiten (Dienstort, Einsatzort, Arbeitsort) unterscheide. Die Versetzungsentscheidung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen, die Beklagte habe keine Einzelfallabwägung vorgenommen. Es gebe - schon wegen der Zubringerflüge - weiterhin ein Flugvolumen von Hamburg aus, welches immer noch mehrere hundert Flüge pro Monat betrage. Außerdem habe sich die Beklagte selbst in der Lage gesehen, den betroffenen Mitarbeitern die Möglichkeit anzubieten, befristet für zwei Jahre an ihrem bisherigen Stationierungsort Hamburg „virtuell“ zu verbleiben. Die Beklagte bediene überdies wieder Flugstrecken für die G und setze weiterhin Cockpitpersonal von Hamburg aus ein. Gleiches gelte für Flugbegleiterinnen mit Dienstbeginn ab Hamburg („On-Duty“). Auch führe die Beklagte Flugumläufe durch, die in Hamburg endeten. Zudem müsse auch in Hamburg eine Standby-Reserve vorgehalten werden. Auch unabhängig hiervon könne die Beklagte die Klägerin weiterhin ab Hamburg einsetzen und sie „Dead-Head“ nach Frankfurt am Main oder München befördern. Durch die Versetzungsmaßnahme habe sie gravierende Belastungen zu tragen, nämlich die Anreisekosten nach Frankfurt am Main, Übernachtungen bei einer Anreise am Vortag oder einer Rückkehr ohne Rückflugmöglichkeit nach Hamburg und die Einschränkung des Lebensmittelpunkts im Hamburg. Ein Umzug sei für sie mit Härten verbunden und ihrer Familie nicht, zumindest nicht ohne Weiteres, möglich.

10

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, sie habe im Herbst 2012 beschlossen, eine strukturelle Reform des Direktverkehrs vorzunehmen. Sukzessive sollten sämtliche L-Direktverkehre auf die G GmbH verlagert werden. Die Entscheidung sei auch umgesetzt worden, wie den Flugplänen zu entnehmen sei. Ihre direkten Europaverkehre, welche alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt am Main und München umfassten, würden bereits seit dem 1. Januar 2013 von der G GmbH kommerziell verantwortet. Für den Stationierungsort Hamburg bedeute dies, dass fast alle Flüge von und nach Hamburg seit dem 1. Mai 2014 durch die G GmbH geflogen würden. Ausgenommen seien die Zubringerflüge nach Frankfurt am Main und München. Das bisherige Flugvolumen habe sich am Standort Hamburg um 53,09 % verringert. Vor diesem Hintergrund habe sie entschieden, die dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart zum 30. April 2014 zu schließen und kein fliegendes Personal mehr vor Ort zu stationieren. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in Frankfurt am Main oder München. Damit entfielen die „Dead-Head“-Beförderungen und die Einsatzzeit erhöhe sich. Rechne man diese Kosten und diejenigen für die gesonderte Umlaufplanung und Umlauferstellung, für Standby-Reserven, für Infrastruktur vor Ort und das Personal vor Ort (Teamleiter) zusammen, ergäben sich Einsparungen in Höhe von etwa 1,17 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes Gewicht zu.

12

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben rechtskräftig die Unwirksamkeit der Änderungskündigung festgestellt, im Übrigen haben sie die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Versetzung vom 17. Dezember 2013 ist wirksam.

14

I. Die Beklagte durfte die Klägerin mit Wirkung ab 1. Mai 2014 vom Stationierungsort Hamburg zum Stationierungsort Frankfurt am Main versetzen.

15

1. Bereits das Arbeitsgericht ging zutreffend davon aus, dass die Parteien nicht einvernehmlich Frankfurt am Main als neuen Stationierungsort festgelegt haben. Die Beklagte hat im weiteren Verlauf des Rechtsstreits an dieser erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten.

16

2. Die vertraglichen Regelungen der Parteien sind rechtswirksam und lassen eine Versetzung der Klägerin an einen anderen Einsatzort zu. Eine Konkretisierung der Beschäftigung auf den Stationierungsort Hamburg ist nicht eingetreten.

17

a) Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zu Recht aus.

18

aa) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 25).

19

bb) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).

20

cc) Nach diesen Grundsätzen enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine abschließende Festlegung des Einsatzorts. Ziff. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar als Einsatzort Hamburg vor. In Ziff. 1 Abs. 2 behält sich die Beklagte jedoch das Recht vor, die Klägerin an einem anderen Ort einzusetzen. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt.

21

b) Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind rechtswirksam.

22

aa) Entgegen der Auffassung der Revision genügt die Regelung in Ziff. 1 des Arbeitsvertrags dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(vgl. zu den Anforderungen zB BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286).

23

(1) Regelmäßiger Arbeitsort einer/eines Flugbegleiterin/Flugbegleiters ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort. Das Flugzeug wird auch nicht zwangsläufig am Einsatzort bestiegen. Es ist durchaus üblich und wird durch den Flugplan bestimmt, dass der Flug an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen startet. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 20 mwN).

24

(2) Aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise war aus den von der Beklagten gestellten Vertragsregelungen deutlich erkennbar, was mit Einsatzort iSv. Ziff. 1 des Arbeitsvertrags gemeint war und dass sich die Beklagte in Abs. 2 einen Einsatz an einem anderen Einsatzort in diesem Sinne vorbehielt (vgl. zur Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 16 [ebenfalls eine Flugbegleiterin betreffend]). Einer weiteren Bestimmung des Begriffs des Einsatzorts oder Arbeitsorts im Arbeitsvertrag bedurfte es nicht.

25

bb) Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 31; 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 23).

26

c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Einsatzort nicht dadurch auf Hamburg konkretisiert, dass die Klägerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am Main rund 17 Jahre von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - auch nicht stillschweigend - getroffen. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 24 mwN). Andere Umstände hat die Klägerin nicht benannt.

27

3. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe von ihrem Weisungsrecht bei der Versetzung wirksam nach § 106 GewO Gebrauch gemacht und die Grundsätze billigen Ermessens gewahrt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht geht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen aus und wendet diese rechtsfehlerfrei auf den Einzelfall an. Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgerichts unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung Stand.

28

a) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es - anders als die Revision annimmt - nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 - 10 AZR 710/14 - Rn. 26). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128). Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Entgegen der Auffassung der Revision ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung, sondern auf den Zeitpunkt des Endes der virtuellen Stationierung abgestellt hätte.

29

aa) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 40 mwN).

30

bb) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 41 f.).

31

cc) Eine soziale Auswahl - wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG - findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).

32

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Versetzung vom 17. Dezember 2013 nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht durfte unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vortrags der Parteien annehmen, die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Direktverkehr strukturell zu reformieren, einen erheblichen Teil der Flüge - mit Ausnahme der Zubringerflüge - nicht mehr selbst durchzuführen und die meisten dezentralen Stationierungsorte, darunter den Stationierungsort Hamburg, vollständig zu schließen.

33

aa) Bereits die Schlichtungsempfehlung zur Beilegung des Tarifkonflikts im Jahre 2012 sah Maßnahmen vor, die mit den Auswirkungen des Wechsels von Flugzeugen des Direktverkehrs in das AOC (Air Operator Certificate) der G für die Flugbegleiter/innen zusammenhingen und die Möglichkeit einer Arbeitnehmerüberlassung von der Beklagten zu G beinhalteten. In einem „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12. November 2012 sowie zum Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal“ vom 12. April 2013 ist dies tarifrechtlich umgesetzt worden. Auch der IA/SP vom 8. Mai 2013 war eine Reaktion auf die geplanten Maßnahmen und benennt diese ausdrücklich als „Schließung und Einschränkung von dezentralen Stationierungsorten für das Kabinenpersonal in Deutschland“. In dem IA/SP ist die Position der Beklagten wiedergegeben, wonach die direkten Europaverkehre der L, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, zum 1. Januar 2013 kommerziell und organisatorisch mit G in einer Gesellschaft auf Basis der G GmbH zusammengeführt wurden. Darüber hinaus heißt es dort: „Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig.“ Im Folgenden kam es zur Versetzung aller betroffenen Flugbegleiter/innen, soweit diese nicht von anderen vorgesehenen Maßnahmen, wie beispielsweise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Gebrauch machten. Über die Wirksamkeit dieser Versetzungen wurden und werden eine Vielzahl von Rechtsstreiten geführt.

34

bb) Vor diesem Hintergrund war ein einfaches Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen im Hinblick auf die unternehmerische Organisationsentscheidung der Beklagten nicht ausreichend. Ein solches ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur zulässig, wenn es um Tatsachen geht, die nicht Gegenstand der Wahrnehmung einer Partei sind. Davon kann - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt - nicht in der von der Revision vertretenen Allgemeinheit ausgegangen werden. Vielmehr hätte es näherer Darlegungen durch die Klägerin bedurft, ob trotz der aufgezeigten Umstände die Existenz jeglicher unternehmerischer Organisationsentscheidung oder ggf. welcher Teile oder Maßnahmen bestritten werden sollte.

35

c) Ebenso wenig ist revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht von einer Umsetzung dieser Organisationsentscheidung durch die Beklagte ausgegangen ist. Die bisher in Hamburg und den anderen zur Schließung vorgesehenen dezentralen Stationierungsorten stationierten Mitarbeiter/innen des Kabinenpersonals sind versetzt worden. Das ergibt sich auch aus der entsprechenden Anhörung der Personalvertretung und der Vielzahl laufender Rechtsstreite und ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Ebenso wenig wurde von ihr - unabhängig von deren rechtlicher Bedeutung oder Bewertung - bestritten, dass die Beklagte diverse Maßnahmen vor Ort vorgenommen hat, wie die Kündigung der Räume und den Abbau des bisher vorhandenen stationären Personals. Gleiches gilt bezüglich des Umstands, dass die Flugumläufe der Zubringerflüge seit dem Wirksamwerden der Versetzungen in Frankfurt am Main bzw. München beginnen. Streitig ist allerdings zwischen den Parteien, in welchem Umfang sich durch diese Maßnahmen die Anzahl der Flüge der Beklagten von und nach Hamburg reduziert hat. Auf die entsprechenden Revisionsrügen kommt es aber - ausgehend von der zutreffenden Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht entscheidungserheblich an. Nicht die exakte Zahl der Flüge ist danach maßgeblich, sondern dass die getroffene Organisationsentscheidung der Beklagten, die von vornherein den Bestand der Zubringerflüge nicht berührte, tatsächlich umgesetzt wurde. Hinsichtlich der weiteren Behauptungen der Klägerin zum Einsatz von Crews/Flugbegleitern ab Hamburg durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der entsprechende Vortrag nicht ausreichend ist, um eine fehlende Umsetzung der Entscheidung anzunehmen. Hierzu hätte es zumindest der konkreten Darlegung bedurft, dass es sich um andere Flüge als Zubringerflüge handelt und diese Mitarbeiter ihre Flugumläufe in Hamburg starten. Dass einzelne Flugbegleiter dort übernachten, sagt über den Stationierungsort im Übrigen nichts aus. Mit dem Vortrag der Klägerin zur Durchführung von Flügen durch die Beklagte für die G hat sich das Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt und ua. zutreffend darauf hingewiesen, dass Hamburg davon überhaupt nicht betroffen war.

36

d) Auf Grundlage der festgestellten Umsetzungsmaßnahmen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Reform der Direktverkehre und die damit verbundene Zentralisierung der Stationierungsorte sei auf Dauer angelegt, ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte, die hiergegen sprechen könnten, hat die Klägerin nicht benannt. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ergeben sich solche insbesondere nicht aus der sog. privilegierten Rückkehroption gemäß § 8 Buchst. b und Buchst. e IA/SP. Die Bestimmungen sehen vor, dass die von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter/innen im Fall der Wiedereröffnung oder Neueröffnung des ursprünglichen Stationierungsorts eine vorrangige Rückkehrmöglichkeit gegenüber anderen Beschäftigten haben. Dabei handelt es sich um eine typische Sozialplanregelung, die berücksichtigt, dass unternehmerische Organisationsentscheidungen stets prognostischen Charakter haben und sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen oder unternehmenspolitische Strategien mittel- oder langfristig verändern können. Wird aufgrund einer neuen unternehmerischen Entscheidung der frühere Zustand wieder hergestellt oder eine Organisationsstruktur geschaffen, die einen Einsatz am früheren Stationierungsort zuließe, bestünde trotzdem nicht ohne Weiteres ein Rechtsanspruch auf Rückversetzung. Einen solchen Anspruch gewährt erst die Sozialplanregelung. Dass die getroffene Maßnahme von vornherein nicht auf Dauer angelegt war, lässt sich einer solchen Regelung jedoch nicht entnehmen.

37

e) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten als willkürlich oder missbräuchlich anzusehen. Die Beklagte hat plausibel dargelegt, welche wirtschaftlichen Erwartungen sie mit der Umsetzung der getroffenen Maßnahmen verbindet, insbesondere im Zusammenhang mit der Reduzierung sog. Dead-Head-Kosten, der Einsatzmöglichkeiten der betroffenen Flugbegleiter/innen und entfallender Kosten an den bisherigen dezentralen Stationierungsorten. Ob dies im Einzelnen zutrifft und sich tatsächlich realisiert, unterliegt ebenso wenig einer gerichtlichen Kontrolle wie die Beurteilung, ob andere Organisationsentscheidungen möglich und ggf. wirtschaftlich sinnvoller gewesen wären (vgl. dazu auch BAG 13. November 2013 - 10 AZR 1082/12 - Rn. 47). Eine solche Zweckmäßigkeitskontrolle der unternehmerischen Entscheidung findet nicht statt. Deshalb ist auch unerheblich, ob die Auffassung der Klägerin zutrifft, wonach die weiteren Einsparungen vor Ort (Schließung der Station, Abzug des stationären Personals etc.) unabhängig von der Versetzung der Flugbegleiter/innen hätten realisiert werden können und deren Einsatz auch ohne örtliche Arbeitsstrukturen von Hamburg aus möglich wäre. Dabei würde es sich um eine andere Organisation des Betriebs handeln, die der Beklagten nicht gegen deren Willen auferlegt werden kann.

38

Entgegen der Auffassung der Revision sind auch die Kosten des Sozialplans vom 8. Mai 2013 den erzielten Einsparungen nicht „gegenzurechnen“. Vielmehr handelt es sich dabei um die Erfüllung der gesetzlich und tariflich (§ 117 Abs. 2 BetrVG iVm. § 95 TV PV) vorgesehenen Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Betriebsänderungen mit der Personalvertretung einen Ausgleich oder eine Milderung der durch die Maßnahmen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Betroffenen zu schaffen. Dies mag die erwünschten wirtschaftlichen Effekte reduzieren, aufzehren oder zunächst sogar zu Mehrbelastungen (Restrukturierungskosten) führen. Diese vorübergehenden Belastungen lassen aber nicht den Schluss zu, die Entscheidung sei willkürlich erfolgt.

39

f) Die Umsetzung des unternehmerischen Gesamtkonzepts der Beklagten bedingt die Veränderung der Stationierungsorte der betroffenen Arbeitnehmer und damit deren Versetzungen. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen; die Angriffe der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere steht die nach § 8 Buchst. e IA/SP für einen begrenzten Zeitraum mögliche virtuelle Stationierung am bisherigen Stationierungsort einer solchen Annahme nicht entgegen.

40

aa) Nach der Reform der Direktverkehre werden ab Hamburg durch die Beklagte nur noch die Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München durchgeführt. Die Flugumläufe beginnen dort und nicht mehr wie bisher auch an dezentralen Stationierungsorten. Dies würde zwar - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - nicht zwangsläufig eine Veränderung des Stationierungsorts der Klägerin bedingen, da Flüge in bestimmten Fällen auch an einem anderen Flughafen als dem dem fliegenden Personal zugeordneten Einsatzflughafen starten. Die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten in solchen Fällen ist aber - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 32) - vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bleibt. Eine dauerhafte Stationierung der Klägerin in Hamburg wäre damit nicht vereinbar.

41

bb) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ändert die in § 8 Buchst. e IA/SP vorgesehene Möglichkeit des befristeten virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort daran nichts.

42

(1) § 8 IA/SP sieht für die von Versetzungen betroffenen Mitarbeiter der vollständig geschlossenen Stationierungsorte fünf Wahlmöglichkeiten vor. Diese beinhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, den direkten Wechsel nach Frankfurt am Main oder München gegen Zahlung einer Auslagenpauschale bzw. der Umzugskosten und eine zeitlich begrenzte Arbeitnehmerüberlassung oder den sofortigen Wechsel zu G unter bestimmten Bedingungen. Darüber hinaus ist der befristete Verbleib am bisherigen Standort für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Übergang des letzten Flugzeugs in den Verantwortungsbereich (AOC) der G vorgesehen (virtuelle Stationierung). Nach § 8 Buchst. e IA/SP erfolgt in dieser Zeit der Einsatz der Flugbegleiter/innen, die sich für diese Variante entschieden haben, „Dead-Head“ vom virtuellen Stationierungsort aus. Die Mitarbeiter/innen werden damit während der Laufzeit dieser Regelung so gestellt, als ob sie weiterhin in Hamburg stationiert wären. Zusätzlich erhalten sie nach Ablauf der virtuellen Stationierung weitere Leistungen.

43

(2) Bei der befristeten virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich um eine Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Angehörigen des Bordpersonals infolge der Betriebsänderung entstehen iSv. § 95 Abs. 1 Satz 2 TV PV(inhaltsgleich mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

44

(a) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (Fitting 28. Aufl. § 112, 112a Rn. 2). Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen (BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 107, 91). Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan knüpft hingegen erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23, BAGE 150, 136).

45

(b) Der virtuelle befristete Verbleib am bisherigen Stationierungsort ist eine solche Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung der durch die Versetzungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile.

46

(aa) Die Durchführung der Betriebsänderung wird durch die Bestimmungen des Sozialplans nicht beschränkt oder zeitlich verschoben. Die Beklagte brauchte zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt die Direktverkehre mit Ausnahme der Zubringerflüge nicht mehr selbst durchzuführen und konnte die dezentralen Stationen tatsächlich schließen, dh. beispielsweise Mietverträge kündigen und örtliches Personal abziehen. Schließlich durfte sie alle gewünschten Versetzungen aussprechen und ihre Flugumläufe neu, nämlich nur noch von den zentralen Stationierungsorten Frankfurt am Main und München aus, planen und die Mitarbeiter/innen dementsprechend einsetzen. Alle Teile des Gesamtkonzepts der Betriebsänderung blieben deshalb durch die Bestimmungen des Sozialplans unberührt.

47

(bb) Vor diesem Hintergrund ist die in mehreren Parallelverfahren vertretene Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (vgl. zB 5. Oktober 2015 - 17 Sa 1675/14 -) unzutreffend, bei § 8 Buchst. e IA/SP handle es sich entgegen der systematischen Stellung im Teil Sozialplan rechtlich um eine Interessenausgleichsregelung. Die Folgen der Versetzung für die betroffenen Flugbegleiter/innen wären vielmehr - den Sozialplan hinweggedacht - mit Wirkung ab 1. Mai 2014 in vollem Umfang eingetreten: Diese hätten auf eigene Kosten und außerhalb der Dienstzeit zum Dienstantritt am neuen Stationierungsort gelangen müssen. Diese Nachteile werden durch § 8 IA/SP abgemildert, so zB durch die Zahlung der Auslagenpauschale oder Erstattung der Umzugskosten. Der Sozialplan trägt durch diese Wahlmöglichkeiten der gesetzlichen bzw. tariflichen Zielvorgabe Rechnung, die Nachteile möglichst einzelfallbezogen auszugleichen und die unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei den Beschäftigten, die sich für die Variante virtuelle Stationierung entschieden haben, erfolgte die Abmilderung durch die zeitlich begrenzte weitere Anwendung der tariflichen „Dead-Head“-Bestimmungen, obwohl hierauf wegen der Umsetzung der Organisationsänderung gerade kein Rechtsanspruch bestand.

48

(3) Die Möglichkeit der virtuellen Stationierung nach § 8 Buchst. e IA/SP lässt nicht den Schluss zu, die unternehmerische Entscheidung zur Umgestaltung des Direktverkehrs und zur Schließung der dezentralen Stationierungsorte sei zum 1. Mai 2014 noch nicht umgesetzt worden, eine Versetzung zu diesem Termin nach Frankfurt am Main oder München sei deshalb noch nicht erforderlich und die Maßnahme verstoße gegen § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.

49

(a) Wie dargelegt, handelt es sich um eine von fünf Wahlmöglichkeiten in einem Sozialplan, die dem Ausgleich oder der Milderung der Folgen der Versetzungen dient. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sozialplan oder aus anderen Umständen, dass dieser etwa darauf angelegt gewesen wäre, dass alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Mitarbeiter/innen sich für diese Variante entscheidet. Ein solches Verhalten hat auch die Klägerin nicht behauptet und eine solche Situation ist erkennbar nicht eingetreten.

50

(b) Bei § 8 Buchst. e IA/SP handelt es sich nicht um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um eine mit der Personalvertretung abgeschlossene Vereinbarung, die er durchführen muss. Deshalb ist die Annahme falsch, die Regelung mache deutlich, dass nach der Interessenlage der Beklagten eine Versetzung zum 1. Mai 2014 noch unterbleiben konnte und diese lediglich „auf Vorrat“ erfolgt sei. Ebenso wenig trägt das Argument, die Beklagte hätte die anderen Maßnahmen der Stationsschließung auch durchführen können, ohne die Klägerin während der Dauer der virtuellen Stationierung zu versetzen. Zum einen würde es sich um eine andere Organisationsentscheidung handeln als diejenige, für die sich die Beklagte willkürfrei entschieden hat. Zum anderen würde sich bei einem Verzicht auf die Versetzung der Anspruch der Flugbegleiter/innen aus § 8 Buchst. e IA/SP verstetigen oder jedenfalls entgegen dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien erheblich verlängern, da die virtuelle Stationierung gerade die Versetzung voraussetzt.

51

(4) Auch luftfahrtrechtliche Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die Heimatbasis der Klägerin für die Zeit der virtuellen Stationierung weiterhin Hamburg und deshalb die Versetzung nach Frankfurt am Main ausgeschlossen sei. Die entsprechenden Bestimmungen verlangen lediglich, dass eine Heimatbasis festgelegt wird. Dies ist im Fall der Klägerin seit dem 1. Mai 2014 Frankfurt am Main; von dort aus wird sie geplant und eingesetzt. Dass die Klägerin für einen vorübergehenden Zeitraum gemäß § 8 Buchst. e IA/SP auf Kosten der Beklagten zu diesem Stationierungsort befördert wird und die übrigen tariflichen Bestimmungen für „Dead-Head“-Zeiten Anwendung finden, führt nicht dazu, dass Hamburg entgegen der anderweitigen Benennung durch die Beklagte wieder zur Heimatbasis der Klägerin wird. Deshalb wird in § 8 Buchst. e IA/SP im Übrigen von den Betriebsparteien gerade zwischen dem gewählten Stationierungsort und dem (nur) virtuellen Stationierungsort unterschieden.

52

g) Das Landesarbeitsgericht durfte vor diesem Hintergrund zu Recht davon ausgehen, dass das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts gegenüber den berechtigten Interessen der Beklagten an der Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung zurücktreten muss.

53

aa) Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass eine Flugbegleiterin nach dem Vertragszweck nicht die berechtigte Erwartung haben kann, die sozialen und sonstigen Vorteile eines dauerhaft ortsfesten Arbeitseinsatzes in Anspruch nehmen zu können. Längere Ortsabwesenheiten gehören grundsätzlich zum Berufsbild. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Belastungen und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Landesarbeitsgericht - auch im Hinblick auf die Organisation der Kinderbetreuung - nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen, denen notfalls durch einen Umzug begegnet werden kann. Die für die Klägerin entstehenden Nachteile sind durch die Regelungen des Sozialplans für die Zeit der virtuellen Stationierung in Hamburg weitestgehend beseitigt und im Folgenden für mehrere Jahre wirtschaftlich deutlich abgemildert.

54

bb) Umstände, die auf die Möglichkeit hindeuten könnten, unter Aufrechterhaltung der getroffenen und umgesetzten unternehmerischen Entscheidung unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin auf deren Versetzung zu verzichten, hat diese nicht aufgezeigt. Dies gilt auch im Hinblick auf die noch stattfindenden Zubringerflüge von und nach Frankfurt am Main und München. Die Beklagte hat konkret dargelegt, dass die jeweiligen Umläufe in Frankfurt am Main oder München beginnen und das Kabinenpersonal dort seine Arbeit aufnimmt. Die Klägerin ist dem nicht substanziiert entgegengetreten. Ein dauerhafter Einsatz der Klägerin mit dem Stationierungsort Hamburg wäre damit nicht vereinbar. Ebenso wenig ergibt sich aus § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB über die Bestimmungen des Sozialplans hinaus ein Anspruch auf eine dauerhafte virtuelle Stationierung in Hamburg. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine solche grundsätzlich möglich wäre. Sie wäre aber nicht mit der getroffenen Organisationsentscheidung vereinbar, sondern würde einen Teil der enthaltenen Maßnahmen wirtschaftlich entwerten und die Beklagte dauerhaft mit Dead-Head-Kosten belasten. Gleiches gilt im Hinblick die von der Klägerin geltend gemachte Möglichkeit des dauerhaften Einsatzes auf Zubringerflügen. Auch ein solcher wäre grundsätzlich möglich, allerdings nicht mit der Organisationsentscheidung vereinbar, wonach auch insoweit keine Flugumläufe mehr ab Hamburg beginnen und der Personaleinsatz von den Einsatzorten Frankfurt am Main oder München aus erfolgt.

55

4. Die bei der Beklagten gebildete Personalvertretung ist ordnungsgemäß gemäß § 88 TV PV beteiligt worden. Zwischen den Parteien ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme vor einer anderen Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamburg unstreitig geworden, dass die Personalvertretung mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 unter Beifügung einer Personalliste zur Versetzung ua. der Klägerin angehört wurde und am 16. Dezember 2013 der Maßnahme zugestimmt hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, aufgrund des der Personalvertretung bekannten Inhalts des Interessenausgleichs habe der Inhalt der Unterrichtung den Anforderungen des TV PV genügt, ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht mehr infrage gestellt.

56

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    D. Kiel    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 4.7.2012, Az.: 4 Ca 3346/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entfernung zweier Abmahnungen aus seiner Personalakte.

2

Der Kläger ist seit dem 14.02.1979 bei der Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Bestimmung:

3

"Der Angestellte verpflichtet sich, die erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen zu besuchen mit dem Ziele, die aufgabenorientierten Fähigkeiten für die Berufsausübung zu erwerben."

4

Vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 nahm der Kläger auf Weisung der Beklagten an einer Fortbildungsveranstaltung teil, in der Kenntnisse über "erweiterte Versorgungsmaßnahmen" vermittelt werden sollten. Gegenstand dieser Fortbildungsveranstaltung waren folgende Maßnahmen der medizinischen Notfallversorgung:

5

- Intubation

- Supraglottische Atemhilfe

- Periphere Venenpunktion

- Applikation ausgewählter Medikamente und Infusionslösungen

- Defibrillaton.

6

Teil dieser Fortbildungsveranstaltung ist auch eine Prüfung bzw. Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen". Der Kläger weigerte sich wiederholt, an dieser Leistungskontrolle teilzunehmen.

7

Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 08.08.2011 eine Abmahnung folgenden Inhalts:

8

"Abmahnung

9

Sehr geehrter geehrter Herr A.,

10

bei der jährlichen rettungsdienstlichen Fortbildungsveranstaltung, an welcher sie vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 auf Aufforderung teilnahmen, haben Sie die Teilnahme an der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" verweigert, obwohl diese Bestandteil der Fortbildungsmaßnahme ist und Ihre Teilnahme hieran wie die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme insgesamt angeordnet war.

11

Mit Schreiben vom 08.04.2011 wurden Sie daher aufgefordert, an einem von zwei Ihnen alternativ angebotenen Nachprüfungsterminen an der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" teilzunehmen. Beide Termine haben Sie ungenutzt verstreichen lassen.

12

Dieses Verhalten stellt eine wiederholte Arbeitsverweigerung dar und kann nicht hingenommen werden. Wegen dieser gravierenden Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten erteile ich Ihnen hiermit eine Abmahnung.

13

Kommen Sie weiteren Aufforderungen, wie für den uneingeschränkten Einsatz in Ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Rettungsassistent erforderlich, an der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" teilzunehmen, wiederum nicht nach, müssen Sie mit schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis zur Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses rechnen.
…"

14

Nachdem sich der Kläger in der Folgezeit erneut weigerte, an der betreffenden Leistungskontrolle teilzunehmen, erteilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2012 eine weitere Abmahnung folgenden Inhalts:

15

"2. Abmahnung

16

Sehr geehrter Herr A.,

17

wiederum haben Sie die Teilnahme an der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" am 08.03.2012 verweigert.

18

Aufgrund dessen werden Sie erneut abgemahnt.

19

Sollten Sie diese Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" nochmals verweigern, sehen wir uns veranlasst, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen.
…"

20

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.07.2012 (Bl. 110 - 113 d.A.).

21

Der Kläger hat beantragt:

22

Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung des Klägers vom 8. August 2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung des Klägers vom 21. März 2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.07.2012 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 10 dieses Urteils (= Bl. 113 - 118 d.A.) verwiesen.

26

Gegen das ihm am 16.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.08.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 17.09.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.10.2012 begründet.

27

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Maßnahmen, die Gegenstand der Fortbildungsveranstaltung gewesen seien, von § 3 RettAssG umfasst seien, denn dort sei nur generell die Rede von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten. Da die Beklagte selbst keine Möglichkeit sehe, ihm gegenüber die Anwendung der in der Fortbildungsveranstaltung erlernten Maßnahmen auch in der Praxis zu fordern, bestehe auch gerade keine vertragliche Verpflichtung seinerseits, die in der Fortbildungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse auch tatsächlich umzusetzen. Weder der Arbeitsvertrag noch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen sähen vor, dass er sich Leistungskontrollen unterziehen müsse. Soweit das Arbeitsgericht die Leistungskontrolle als sinnvollen Annex zur Weiterbildungspflicht ansehe, so bedeute dies noch lange nicht, dass dadurch eine bindende vertragliche Verpflichtung zur Teilnahme an der Leistungskontrolle bestehe. Die Anordnung, an einer Fortbildung nebst Leistungskontrolle teilzunehmen, entspreche auch nicht billigem Ermessen. Da die Beklagte selbst die Auffassung vertrete, die fehlende Leistungskontrolle stehe seinem Einsatz als Fahrer von Rettungsfahrzeugen nicht entgegen, sei es unbillig, wenn sie trotzdem von ihm die Teilnahme an der Leistungskontrolle verlange. Die Beklagte verhalte sich insoweit widersprüchlich.

28

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 17.10.2012 (Bl. 137 - 141 d.A.) Bezug genommen.

29

Der Kläger beantragt,

30

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 08.08.2011 und vom 21.03.2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.

31

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

33

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 19.11.2012 (Bl. 146 - 151 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

34

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

II.

35

Die auf Entfernung der Abmahnungsschreiben vom 08.08.2011 und vom 21.03.2012 aus der Personalakte des Klägers gerichtete Klage ist nicht begründet.

36

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung kann sich in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB ergeben. Bei der Abmahnung, die in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde, handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individual-rechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtliche Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG vom 23.06.2009 - 2 AZR 606/08 - NZA 2009, 1111). Soweit dem Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen wird, kommt es nicht darauf an, ob dieser Pflichtenverstoß dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist; es reicht aus, wenn der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten rügt (BAG v. 07.09.1988 - 5 AZR 625/87 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Abmahnung). Allerdings ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG v. 09.08.1984 - 2 AZR 400/83 - AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

37

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der beiden Abmahnungsschreiben aus seiner Personalakte.

38

Weder die Abmahnung vom 08.08.2011 noch die vom 21.03.2012 enthalten unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Die Richtigkeit der dort wiedergegebenen Tatsachen wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt.

39

Die Abmahnungen beruhen auch nicht auf einer fehlerhaften Bewertung des Verhaltens des Klägers. Der im Abmahnungsschreiben vom 08.08.2011 ausdrücklich erhobene und im Abmahnungsschreiben vom 21.03.2012 zumindest konkludent wiederholte Vorwurf, die Weigerungen des Klägers, an der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" teilzunehmen, stellten eine Arbeitsverweigerung und damit zugleich eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, trifft zu.

40

Der Arbeitgeber ist im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 GewO grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer anzuweisen, an Schulungen teilzunehmen, soweit diese Schulungen bzw. Fortbildungsmaßnahmen der Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit förderlich sind, d.h. soweit die im Rahmen der Schulung vermittelten Kenntnisse typischerweise im vereinbarten Tätigkeitsbereich einzusetzen sind (vgl. LAG Hessen v. 11.04.2007 - 8 Sa 1279/06 - zitiert nach Juris; Preis, in: Frankfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 106 GewO Rd.Ziff. 14). Vorliegend haben die Parteien im Arbeitsvertrag darüber hinaus ausdrücklich vereinbart, dass der Kläger verpflichtet ist, die für den Erwerb der aufgabenorientierten Fähigkeiten für die Berufsausübung erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen zu besuchen. Zu diesen Fortbildungsmaßnahmen gehört zweifellos auch die Schulung in der Zeit vom 15.03. bis 17.03.2011, zu welcher der Kläger entsandt wurde und in der Kenntnisse über "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" vermittelt wurden. Gemäß § 3 RettAssG entspricht es dem Berufsbild eines Rettungsassistenten, u.a. am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke oder verletzte Personen unter sachgerechter Betreuung zu befördern. Hieraus ergibt sich für den Rettungsassistenten zugleich eine Garantenstellung, die den Arztvorbehalt des HeilPrG verdrängt (vgl. Heuchemer, Bolsinger, NZA-RR 2009, 408; vgl. auch ArbG Koblenz v. 07.11.2008 - 2 Ca 1567/08, NZA-RR 2009 419).

41

Die in der Fortbildungsveranstaltung vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 vermittelten Kenntnisse der medizinischen Notfallversorgung (Intubation, Supraglottische Atemhilfe, Periphere Venenpunktion, Applikation ausgewählter Medikamente und Infusionslösungen, Defibrillation) dienen daher zweifellos der Ausübung der dem Berufsbild eines Rettungsassistenten entsprechenden Tätigkeiten. Es handelte sich somit eine "erforderliche Ausbildungsveranstaltung" im Sinne der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung. Hieraus ergibt sich zugleich die Berechtigung der Beklagten, den Kläger zur Teilnahme an der betreffenden Ausbildungsmaßnahme aufzufordern sowie dessen Verpflichtung, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

42

Die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme umfasste zugleich auch die Pflicht, weisungsgemäß sich der Leistungskontrolle "Erweiterte Versorgungsmaßnahmen" zu unterziehen. Unstreitig ist diese Leistungskontrolle nämlich Teil der betreffenden Fortbildungsmaßnahme. Im Übrigen stellt sich die Überprüfung, ob die vermittelten Kenntnisse vom Arbeitnehmer erlernt wurden, auch als sinnvoller und im allgemeinen üblicher Annex einer Fortbildungsmaßnahme dar. Der Arbeitgeber hat regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Feststellung und Dokumentierung, dass der Arbeitnehmer die ihm bei einer Fortbildungsmaßnahme vermittelten und für seine Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse beherrscht. Der Arbeitnehmer seinerseits ist verpflichtet, diese Kenntnisse zu erwerben und vorzuhalten, was durch eine entsprechende Leistungskontrolle nachgewiesen werden kann. Dies gilt insbesondere im höchst verantwortungsvollen Tätigkeitsbereich eines Rettungsassistenten, der im Notfall vor Eintreffen eines Arztes lebensrettende Maßnahmen ergreift.

43

Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sich im Rahmen der Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung auch der dazu gehörenden Leistungskontrolle zu unterziehen, nicht billigem Ermessen i.S.v. § 106 GewO entspricht, sind nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten bezüglich der Teilnahme des Klägers an der betreffenden Fortbildungsveranstaltung nebst Leistungskontrolle. Es ist in diesem Zusammenhang - entgegen der Ansicht des Klägers - ohne Belang, dass es der Beklagten bei Fehlen von Kenntnissen des Klägers im Bereich der Notfallversorgung möglich wäre, ihn nunmehr (ausschließlich) als Fahrer einzusetzen. Ein überwiegendes Interesse des Klägers, sich der Leistungskontrolle zu verweigern, ist nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und welche Nachteile der Kläger im Falle des Nichtbestehens der Leistungskontrolle zu befürchten hätte. Diesbezüglich käme allenfalls in Betracht, dass der Kläger (vorübergehend, d.h. bis zu einer erfolgreichen Wiederholungsprüfung) von der Beklagten lediglich als Fahrer eingesetzt würde. Insoweit macht der Kläger jedoch selbst geltend, dass ein Einsatz als Fahrer ebenfalls eine vertragsgemäße Beschäftigung darstellt.

44

Die streitbefangenen Abmahnungen verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will und ob er deswegen eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will. Eine Abmahnung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte, etwa weil dem Arbeitnehmer ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern lag. Es ist der Beklagten daher vorliegend keinesfalls verwehrt, durch Erteilung von Abmahnungen deutlich zu machen, dass sie die Weigerung des Klägers, wirksame arbeitgeberseitige Weisungen zu befolgen, nicht hinnimmt.

III.

45

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

46

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.