Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 W 6/16

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2016:0301.9W6.16.00
bei uns veröffentlicht am01.03.2016

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 25.11.2015 —10 O 364/15 — in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 03.02.2016 wird zurückgewiesen.


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Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 W 6/16

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 W 6/16

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
Oberlandesgericht Köln Beschluss, 01. März 2016 - 9 W 6/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2011 - IV ZR 115/10

bei uns veröffentlicht am 09.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 115/10 Verkündet am: 9. November 2011 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG §

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2015 - IV ZR 269/14

bei uns veröffentlicht am 28.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR269/14 Verkündet am: 28. Oktober 2015 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Besondere Bedingungen und Risi

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 02. Okt. 2015 - 20 U 139/14

bei uns veröffentlicht am 02.10.2015

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.06.2014 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen H

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.06.2014 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ######### wegen des am ####2013 in der Autowerkstatt C-Straße, C2, entstandenen Brandes für alle hieraus resultierenden Schadensersatzansprüche Dritter wegen Personen- und Sachschäden oder sich daraus ergebende Vermögensschäden bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu gewähren hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR269/14 Verkündet am:
28. Oktober 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privat-Haftpflichtversicherung
(hier BBR-PHV Nr. 1.1.2);
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Ausfalldeckung in der
Privat-Haftpflichtversicherung (hier BBR AusfV Teil I Nr. 4 a);
1. Nehmen Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) zur Privaten
Haftpflichtversicherung die Gefahren eines "ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns"
neben den Gefahren eines Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes) und einer verantwortlichen
Betätigung in Vereinigungen aller Art vom Versicherungsschutz aus, so
setzt dies ein Verhalten voraus, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von
den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen
bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten. Der
Versicherer ist nicht schon dann leistungsfrei, wenn lediglich die schadenstiftende
Handlung ungewöhnlich und gefährlich ist (Fortführung des Senatsurteils vom
9. November 2011 - IV ZR 115/10, r+s 2012, 21 Rn. 12 ff.).
2. Die Voraussetzungen der nachfolgenden Klausel aus den Besonderen Bedingungen
und Risikobeschreibungen zur Forderungsausfallversicherung (hier BBR AusfV
Teil I Nr. 4 a)
"Der Versicherungsnehmer muss gegen den Dritten einen rechtskräftig
gewordenen und vollstreckbaren Titel (Urteil, Vollstreckungsbescheid,
gerichtlicher Vergleich) erwirkt haben. Gleichgestellt ist ein notarielles
Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel, aus der hervorgeht,
dass sich der Dritte persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung in
sein gesamtes Vermögen unterwirft. …"
sind auch erfüllt, wenn der Schädiger insolvent und die Schadensersatzforderung
des Versicherungsnehmers zur Insolvenztabelle festgestellt ist.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 269/14 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen
Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom
28. Oktober 2015

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Juni 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten im Rahmen einer Privathaftpflichtversicherung gehaltenen Forderungsausfallversicherung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (im Folgenden: AHB), Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privat-Haftpflichtversicherung (PHV Standard-Plus, im Folgenden: BBR PHV) sowie Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Ausfalldeckung in der Privat-Haftpflichtversicherung (Basis-Plus-Deckung, im Folgenden : BBR AusfV) zugrunde. Letztere lauten auszugsweise: "Teil I 1. Was ist versichert? Versichert ist der Versicherungsnehmer für den Fall, daß ein von ihm wegen eines Haftpflichtschadens, der während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung eingetreten ist, auf Schadenersatz in Anspruch genommener Dritter seiner Zahlungsverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist. Der Umfang der versicherten Schadenersatzansprüche richtet sich nach dem Deckungsumfang der Privat-Haftpflichtversicherung dieses Versicherungsvertrages. Der Versicherungsschutz wird in der Weise geboten, daß das Bestehen einer Privat-Haftpflichtversicherung des Schädigers in dem Umfang fingiert wird, wie die Versicherung des Versicherungsnehmers im Rahmen dieses Versicherungsvertrages besteht. Versicherungsschutz besteht des weiteren auch, wenn
a) der Schädiger vorsätzlich gehandelt hat. … 4. Unter welchen weiteren Voraussetzungen wird geleistet ? Weitere Voraussetzungen für den Versicherungsschutz sind:
a) Der Versicherungsnehmer muß gegen den Dritten einen rechtskräftig gewordenen und vollstreckbaren Titel (Urteil, Vollstreckungsbescheid, gerichtlicher Vergleich) erwirkt haben. Gleichgestellt ist ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel, aus der hervorgeht, daß sich der Dritte persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. …"
2
In Nr. 7 der vereinbarten AHB heißt es auszugsweise: "7. Ausschlüsse Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.1 Versicherungsansprüche aller Personen, 7.1.1 die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. …"
3
In den BBR PHV ist unter anderem geregelt: "1. Versichert ist im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der nachstehenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes. 1.1 Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus 1.1.1 den Gefahren eines Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes ), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art 1.1.2 oder eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns. …"
4
Im Übrigen enthalten auch die BBR PHV unter Nr. 10 Bestimmungen zur Forderungsausfallversicherung, die den oben zitierten Klauseln der BBR AusfV entsprechen.
5
Am 22. September 2010 wurde der Kläger auf dem Weg zur Arbeit von einer Person, der ihm hinter einer Hausecke aufgelauert hatte (im Folgenden: Schädiger), angegriffen und erheblich verletzt. Der Kläger leidet seither unter psychischen Folgen dieser Tat. Nachdem über das Vermögen des Schädigers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, stellte der Insolvenzverwalter am 16. Februar 2011 die Schmerzensgeld- forderung des Klägers in Höhe von 15.000 € rechtskräftig zur Insolvenz- tabelle fest. Der Kläger erhielt bisher keine Zahlung aus der Insolvenzmasse.
6
Er meint, die Beklagte müsse ihm 15.000 € Schmerzensgeld aus der Forderungsausfallversicherung ersetzen. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, da der Angriff des Schädigers ein nach Nr. 1.1.2 BBR PHV nicht versichertes "ungewöhnliches und gefährliches Tun" gewesen sei. Zudem liege kein vollstreckbarer Titel gegen den Schädiger im Sinne von Nr. 10.1.4 BBR PHV bzw. Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV vor.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


8
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
9
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger die begehrte Leistung aus der Forderungsausfallversicherung zu. Infolge des vorsätzlichen Angriffs des Schädigers habe er Anspruch auf Schmerzensgeld , so dass ein Haftpflichtschaden während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung entstanden sei. Für den Deckungsumfang sei die im Versicherungsvertrag vereinbarte Haftpflichtdeckung entscheidend, da nach Nr. 10.1.1 BBR PHV fingiert werde, zugunsten des Schädigers bestehe eine Privat-Haftpflichtversicherung im gleichen Umfang. Nr. 1.1.2 BBR PHV, wonach die Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus einem ungewöhnlichen und gefährlichen Tun nicht versichert ist, führe nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer bei einer der Tat des Schädigers vergleichbaren Handlung nicht versichert wäre, denn das schadensstiftende Geschehen selbst stelle kein solches ungewöhnliches und gefährliches Tun dar. Der Ausschluss setze vielmehr ein auf längere Dauer angelegtes Verhalten voraus, welches einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen schaffe. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes "Tun". Vom Versicherungsschutz seien nur solche Bereiche ausgenommen , denen sich der Versicherungsnehmer über eine gewisse Dauer widme.
10
Soweit der Schädiger vorsätzlich gehandelt habe, gehe die Klausel in Nr. 10.1.1 Satz 4 BBR PHV (entspricht Teil I Nr. 1 Satz 4 Buchst. a BBR AusfV) dem Leistungsausschluss in Nr. 7.1.1 AHB vor.
11
Die Eintragung einer Schadensersatzforderung in die Insolvenztabelle wirke gemäß § 178 Abs. 3 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wie ein rechtskräftiges Urteil. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei kein Grund ersichtlich, weshalb dies für die Eintrittspflicht des Versicherers nicht ebenso ausreichen solle, wie die in Nr. 10.1.4 BBR PHV (entspricht Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV) exemplarisch im Klammerzusatz aufgezählten anderen Vollstreckungstitel (Urteil, Vollstreckungsbescheid und gerichtlicher Vergleich).
12
II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
13
Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der zwischen den Parteien bestehenden Forderungsausfallversicherung zu.
14
1. Gemäß Teil I Nr. 1 Satz 1 BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 1 BBR PHV) besteht Versicherungsschutz für den Fall, dass ein vom Versicherungsnehmer wegen eines Haftpflichtschadens, der während der Wirksamkeit der Ausfalldeckung eingetreten ist, auf Schadenersatz in Anspruch genommener Dritter seiner Zahlungsverpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkommen kann, weil die Durchsetzung der Forderung gegen ihn gescheitert ist.
15
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Unstreitig wurde der Kläger in versicherter Zeit von dem Schädiger verletzt, weshalb ihm ein Schmerzensgeldanspruch zusteht, den er infolge der Insolvenz des Schädigers bisher nicht durchsetzen konnte.
16
2. Bei dem vom Kläger erlittenen Schaden handelt es sich um einen versicherten Haftpflichtschaden.
17
a) Teil I Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 2 und 3 BBR PHV) bestimmt, der Umfang der versicherten Schadenersatzansprüche richte sich in der Weise nach dem Deckungs- umfang der Privat-Haftpflichtversicherung des Versicherungsvertrages, dass das Bestehen einer Privat-Haftpflichtversicherung des Schädigers in dem Umfang fingiert werde, wie die Versicherung des Versicherungsnehmers im Rahmen des Versicherungsvertrages bestehe. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte eintrittspflichtig ist, weil - sieht man von der vorsätzlichen Schadenszufügung ab - auch der Kläger Deckungsschutz aus dem Versicherungsvertrag beanspruchen könnte, wenn er selbst eine schadenstiftende Handlung verübt hätte, wie sie ihm widerfahren ist.
18
b) In Nr. 1.1 AHB verspricht die Beklagte Deckungsschutz im Rahmen des versicherten Risikos unter anderem für den Fall, dass (wie hier der Schädiger) der Versicherungsnehmer wegen eines in versicherter Zeit eingetretenen Schadenereignisses, das einen Personenschaden zur Folge hatte, von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
19
Das versicherte Risiko wird dabei in Nr. 1 BBR PHV näher beschrieben. Danach ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes versichert. Nr. 1.1 BBR PHV nimmt zudem die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren eines Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (Nr. 1.1.1 BBR PHV) oder eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns (Nr. 1.1.2 BBR PHV) vom Versicherungsschutz aus.
20
Entgegen der Auffassung der Revision führen diese Risikoeinschränkungen nicht dazu, dass der Kläger, hätte er die Schädigung begangen , keinen Versicherungsschutz beanspruchen könnte.

21
aa) Die Revision meint, vorsätzliche Angriffe auf Dritte zählten schon nicht zu den versicherten Gefahren, die täglich auf den Versicherungsnehmer zukommen könnten. Der Versicherungsnehmer werde die "Zumutung", er laufe täglich Gefahr, schwere Straftaten zu begehen, entrüstet zurückweisen und den in Nr. 1 BBR PHV beschriebenen Bereich der Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson mithin nicht dahin verstehen, dass auch solche Straftaten darunter fielen.
22
Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Schutzbereich der privaten Haftpflichtversicherung durch die in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen regelmäßig gebrauchte Formulierung "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens" für sich genommen keine Einschränkung enthält, sondern weit abgesteckt ist und erst durch die begleitenden negativen Risikobeschreibungen eingeschränkt wird (Senatsurteile vom 25. Juni 1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142 unter I 2 b; vom 10. März 2004 - IV ZR 169/03, r+s 2004, 188 unter II 1; vom 9. November 2011 - IV ZR 115/10, r+s 2012, 21 Rn. 13). Daran hält der Senat fest, denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis der Klausel es ankommt, hat abgesehen von den aus den negativen Risikobeschreibungen ersichtlichen Begrenzungen des Versicherungsschutzes keine Anhaltspunkte dafür, dass bereits der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens eine Begrenzung des Versicherungsschutzes enthalten soll, zumal ihm keine Maßstäbe dafür an die Hand gegeben werden, Gefahren des täglichen Lebens von anderen, nicht alltäglichen Gefahren zu unterscheiden. Er wird das Leistungsversprechen mithin als Allgefahrenversicherung verstehen, von der nur die in den Be- sonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen eigens genannten Gefahrbereiche ausgenommen sein sollen.
23
bb) Der Versicherungsschutz entfällt auch nicht deshalb, weil die Beklagte, hätte der Kläger den schadenstiftenden Angriff verübt, infolge der Nichtversicherung der Gefahren eines ungewöhnlichen und gefährlichen Tuns (Nr. 1.1.2 BBR PHV) leistungsfrei wäre.
24
Das ergibt die Auslegung von Nr. 1.1.2 BBR PHV.
25
(1) Der Senat hat mit Urteil vom 9. November 2011 (IV ZR 115/10, r+s 2012, 21 Rn. 12 ff.) zu der Klausel eines anderen Haftpflichtversicherungsvertrages "Versichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers (VN) als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes , Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, …" (A. I. BBR 08/01) entschieden und näher begründet, ihre Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers seien nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die schädigende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstelle. Erforderlich sei, dass diese Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten geschehe, die ihrerseits "ungewöhnlich und gefährlich" sei. Aus dem Vergleich des Begriffs der "ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" mit den übrigen im selben Satzeinschub (in A. I. BBR) enthaltenen Ausnahmen folge, dass mit der "Beschäftigung" nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint sei, mithin eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt werde. Mit einer ungewöhnlichen und gefährlichen "Beschäftigung" sei ein Verhalten angesprochen, das - ähnlich wie die Ausübung eines Berufes oder Amtes - über eine nicht nur kurze Zeit fortdauere, sondern auf eine längere Dauer angelegt sei und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bilde. "Beschäftigung" ziele im Übrigen auch dem Wortsinne nach auf etwas, wofür der Versicherungsnehmer nicht nur punktuell, sondern wiederholt Arbeits- oder Freizeit aufwende.
26
(2) Anders als die Revision meint, lässt sich das im Ergebnis auf die hier in Rede stehende Formulierung eines ungewöhnlichen und gefährlichen "Tuns" übertragen mit der Folge, dass auch der in Nr. 1.1.2 BBR PHV geregelte Ausschluss nicht schon dann eingreift, wenn sich lediglich die schadenstiftende Handlung als ungewöhnlich und gefährlich erweist.
27
Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass die im vorgenannten Senatsurteil vom 9. November 2011 auf den Klauselwortlaut ("Beschäftigung" ) gestützte, ergänzende Erwägung bei der hier verwendeten Formulierung ("Tun") nicht greift, denn der neutrale Begriff des "Tuns" bringt das Erfordernis der Dauerhaftigkeit für sich genommen nicht ausreichend zum Ausdruck, sondern ließe sich auch auf eine einmalige Handlung beziehen. Entscheidend bleibt aber der - dem Versicherungsnehmer erkennbare - systematische Zusammenhang, in den der Risikoausschluss in Nr. 1 BBR PHV gestellt ist. Aus der Gegenüberstellung des zunächst weit gefassten Risikos der Gefahren des täglichen Lebens mit den einschränkenden negativen Risikobeschreibungen, mag sie hier auch nicht in einem Satzeinschub, sondern in Untergliederungspunkten der Nr. 1 BBR PHV erfolgen, erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer doch, dass mit dem ungewöhnlichen und gefährlichen Tun im Sinne von Nr. 1.1.2 BBR PHV nicht eine einzelne Handlung, sondern - ebenso wie bei den übrigen negativen Risikobeschreibungen der voranstehenden Nr. 1.1.1 BBR PHV - ein auf längere Dauer angelegter, von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbarer Bereich besonderer Gefahrenlagen angesprochen ist.
28
Bei einem anderen Klauselverständnis wäre der versprochene Versicherungsschutz weitgehend entwertet; käme es lediglich darauf an, ob die schadenstiftende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich einzustufen wäre, so ließe sich ihre Gefährlichkeit im Versicherungsfall regelmäßig dadurch belegen, dass sie zu einem Schaden geführt hat. Der Versicherungsschutz entfiele mithin schon dann, wenn die schädigende Handlung als ungewöhnlich einzustufen wäre. Der juristisch nicht vorgebildete durchschnittliche Versicherungsnehmer, dem die Bedingungen keine Anhaltspunkte dafür geben, was ein ungewöhnliches Tun ausmacht, müsste befürchten, den Versicherungsschutz in einer Vielzahl von Fällen zu verlieren. Er wird angesichts der im Grundsatz versprochenen Allgefahrendeckung nicht annehmen, dass er eine so weitgehende Einschränkung des Leistungsversprechens erfährt.
29
c) Der für die Haftpflichtversicherung in Nr. 7.1.1 AHB geregelte Deckungsausschluss für vorsätzliche Herbeiführung des Schadens findet in der Forderungsausfallversicherung keine Anwendung, wie sich aus Teil I Nr. 1 Abs. 2 Buchst. a BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.1 Abs. 4 Buchst. a BBR PHV) ergibt.
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3. Anders als die Revision meint, scheitert die Forderungsausfalldeckung nicht daran, dass der Schmerzensgeldanspruch des Klägers lediglich mittels Feststellung zur Insolvenztabelle (§ 178 InsO) tituliert ist.
31
a) Allerdings setzt Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV (entspricht Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV) voraus, dass der Versicherungsnehmer gegen den Dritten einen rechtskräftig gewordenen und vollstreckbaren Titel erwirkt haben muss, der in einem Klammerzusatz "(Urteil, Vollstreckungsbescheid , gerichtlicher Vergleich)" näher erläutert ist. Den aufgezählten Vollstreckungstiteln ausdrücklich gleichgestellt ist lediglich ein notarielles Schuldanerkenntnis mitqualifizierter Unterwerfungsklausel.
32
b) Die Auslegung der Klausel ergibt jedoch, dass auch die widerspruchslose Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle den vorgenannten Anforderungen genügt.
33
aa) Das folgt allerdings noch nicht aus dem Wortlaut der Klausel, denn ihm kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer keinen ausreichend deutlichen Hinweis darauf entnehmen, dass die im Klammerzusatz zur Erläuterung des Begriffs "vollstreckbarer Titel" aufgezählten Vollstreckungstitel lediglich Regelbeispiele sein sollen. Vielmehr erweckt der Klauselwortlaut für sich genommen den Anschein einer abschließenden Aufzählung, weil er keine Zusätze, wie etwa "z.B." oder "u.a." enthält.
34
bb) Dennoch wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck dahin verstehen, dass auch die Feststellung seines Schadensersatzanspruchs zur Insolvenztabelle nach § 178 Abs. 1 InsO dem Erfordernis der Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw.
der Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV, einen vollstreckbaren Titel erwirkt zu haben, genügt.
35
(1) Der Versicherungsnehmer wird den Regelungen in Nr. 4 BBR AusfV und in Nr. 10.1.4 BBR PHV entnehmen, dass der Versicherer die Ausfalldeckung erst dann leisten will, wenn der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Möglichkeiten, den begehrten Schadensersatz direkt vom Schädiger zu erhalten, ausgeschöpft hat. Deshalb fordern Nr. 4 Buchst. b BBR AusfV und Nr. 10.1.4 Buchst. b BBR PHV gleichlautend, der Versicherungsnehmer müsse den Fehlschlag oder die Aussichtslosigkeit einer Zwangsvollstreckung gegen den Schädiger nachweisen. Daraus wird der Versicherungsnehmer folgern, es komme für die Ausfalldeckung entscheidend darauf an, dass er zunächst erfolglos versucht, seinen Schadensersatz im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, falls diese nicht von vorn herein aussichtslos erscheint. Das Erfordernis, einen vollstreckbaren Titel gegen den Schädiger zu erwirken, wird der Versicherungsnehmer als Voraussetzung dieser Zwangsvollstreckung verstehen. Ihm erschließt sich aber nicht, dass mit der Aufzählung im Klammerzusatz der Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw. der Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV die Ausfalldeckung gerade im Fall der Insolvenz des Schädigers, bei der der Ausfall der Schadensersatzforderung besonders wahrscheinlich ist, ausgeschlossen werden soll.
36
(2) Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers eröffnet, kann der Geschädigte gegen ihn weder einen Haftpflichtprozess noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (weiter)betreiben (vgl. §§ 86, 89 InsO, 240 ZPO). Auch einen Vergleich kann er nicht mit dem Schuldner abschließen, weil die Befugnis, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO). Stattdessen ist er darauf verwiesen, seine Schadensersatzforderung gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden, wobei der Eintrag für eine festgestellte Forderung nach Betrag und Rang wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wirkt (§ 178 Abs. 3 InsO). Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens kann ein Gläubiger, dessen Forderung festgestellt ist, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO), wenn die Forderung im Prüfungstermin vom Schuldner nicht bestritten worden ist.
37
(3) Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass er im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schädigers mit der Eintragung seiner Forderung in die Insolvenztabelle die von Nr. 4 Buchst. a BBR AusfV bzw. der Nr. 10.1.4 Buchst. a BBR PHV geforderten Bemühungen, seinen Anspruch auf rechtlichem Wege durchzusetzen, erfüllt und insbesondere einen vollstreckbaren Titel erwirkt hat.
38
Bei einem anderen Verständnis der Klausel käme der Aufzählung dreier Vollstreckungstitel im Klammerzusatz anstelle einer vermeintlich verbraucherfreundlichen Erläuterung des Begriffes "vollstreckbarer Titel" in Wahrheit die Funktion eines Ausschlusses der Ausfallversicherungsleistung in Fällen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu. Das Versicherteninteresse bei Risikoausschlussklauseln geht in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. (Senatsurteile vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 41; vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20). Dem könnte die hier in Rede stehende Aufzählung, die keinerlei Hinweis darauf gibt, dass mit ihr eine weit reichende Einschränkung des Leistungsversprechens verbunden sein soll bei einem abweichenden Verständnis, nicht genügen.
39
(4) Der Versicherungsnehmer kann anhand des Bedingungstextes auch kein schützenswertes Interesse des Versicherers erkennen, der Eintragung in die Insolvenztabelle die Anerkennung als Vollstreckungstitel zu versagen. Auch die Revision zeigt ein solches Interesse des Versicherers nicht auf. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Anerkennung der Insolvenztabelleneintragung als Vollstreckungstitel für die Forderungsausfallversicherung ein erhöhtes Risiko falscher Titulierung von Ansprüchen einhergeht. Zwar handelt es sich bei der Eintragung in die Insolvenztabelle um keine gerichtliche Entscheidung über den Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers, dies ist aber auch bei einem gerichtlichen Vergleich oder einem Schuldanerkenntnis des Schädigers nicht der Fall, die nach der Bedingungslage genügen sollen.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 27.06.2013- 2 O 206/12 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 20.06.2014- 10 U 927/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 115/10 Verkündet am:
9. November 2011
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 100; AHB § 1 Nr. 1 BBR Privathaftpflichtversicherung (hier: A. I.)
Der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und
gefährlichen Beschäftigung in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen
(BBR) für die Privathaftpflichtversicherung setzt ein Verhalten voraus, das
auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen
Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer
gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten (Fortführung der Senatsurteile vom
17. Januar 1996 - IV ZR 86/95, VersR 1996, 495 unter II 2 a; vom 25. Juni 1997 - IV
ZR 269/96, BGHZ 136, 142, 146 f.; vom 10. März 2004 - IV ZR 169/03, VersR 2004,
591 unter 3 a).
Allein das Fällen dreier großer Bäume innerhalb eines Tages ist keine solche Beschäftigung.
BGH, Urteil vom 9. November 2011 - IV ZR 115/10 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 9. November
2011

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. März 2010 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 20. November 2009 geändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. … Deckung wegen des Vorfalles vom 9. Februar 2009 (behaupteter Schaden auf dem Grundstück der K. -GmbH, B. 61, B. , infolge Baumfällens) zu gewähren.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 661,16 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger fordert von seinem Privathaftpflichtversicherer Deckungsschutz wegen eines Vorfalles vom 9. Februar 2009. Dem Versicherungsvertrag aus dem Jahre 2005 liegen neben Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) "Besondere Bedingungen, Risikobeschreibungen und Zusatzbedingungen … Stand 08/01" (im Folgenden: BBR) zugrunde. Darin heißt es unter A. I.: "Versichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des Versiche- rungsnehmers (VN) als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäf- tigung, …"
2
Am 9. Februar 2009 fällte der Kläger auf dem von ihm bewohnten Grundstück seiner Eltern mit Hilfe einer Motorkettensäge drei circa 20 m hohe Pappeln mit einem Brusthöhendurchmesser von jeweils etwa 60 cm. Während die ersten beiden Bäume wie vom Kläger beabsichtigt auf das elterliche Grundstück fielen, stürzte der dritte Baum wider Erwarten auf ein Nachbargrundstück und verursachte dort Sachschäden an einem Gebäudedach, einem Schornstein, einer Satellitenantenne und einer Wäschespinne. Die Eigentümerin nimmt den Kläger deswegen auf Schadensersatz in Höhe von 7.181,75 € in Anspruch.
3
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil der Schaden bei einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung des Klägers eingetreten sei.

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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


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Das Rechtsmittel hat Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht geht davon aus, der Ausschlussgrund einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung werde nicht schon dadurch erfüllt, dass die schadenstiftende Handlung ungewöhnlich und gefährlich sei. Vielmehr müsse der Schaden im Rahmen einer allgemeinen Betätigung verursacht sein, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich sei. Dafür sei eine Tätigkeit von gewisser - nicht notwendig längerer - Dauer erforderlich; eine impulsive oder spontane Handlung reiche nicht aus. Soweit das Landgericht hierzu auf frühere Garten- und Baumfällarbeiten des Klägers abgestellt habe, stehe nicht fest, ob diese bereits ungewöhnlich und gefährlich gewesen seien. Entscheidend und für die Anwendung der Ausschlussklausel ausreichend sei aber, dass der Kläger am fraglichen Tage insgesamt drei Bäume gefällt habe. Das genüge für die Annahme einer Beschäftigung von einer gewissen Dauer, zumal der Kläger planvoll vorgegangen sei. Die Beschäftigung sei auch gefährlich gewesen, weil sie in Anbetracht der besonderen Größe und des Standortes der Bäume das Risiko eines Fremdschadens erhöht habe. Des Weiteren seien von Privatleuten durchgeführteBaumfällarbeiten einer solchen Größenordnung jedenfalls in der Nähe von Wohnbebauung selbst in ländlichen Gebieten ungewöhnlich.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Die Beklagte hat dem Kläger den begehrten Deckungsschutz zu gewähren.
9
1. In der Privathaftpflichtversicherung verspricht der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass Letzterer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das die Beschädigung von Sachen zur Folge hat, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (vgl. § 1 Nr. 1 AHB; § 100 VVG).
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Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.
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2. Entgegen der Annahme der Vorinstanzen kann die Beklagte den Versicherungsschutz nicht deshalb verweigern, weil sich die Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne des Risikoausschlusses aus A. I. BBR verwirklicht hätten.
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a) Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkennt, sind die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die die Haftpflicht auslösende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstellt. Der Leistungsausschluss ist vielmehr auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden ist, die ihrerseits "ungewöhnlich und gefährlich" ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt (Senatsurteile vom 17. Januar 1996 - IV ZR 86/95, VersR 1996, 495 unter II 2 a; vom 25. Juni 1997 - IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142, 146 unter II; vom 10. März 2004 - IV ZR 169/03, VersR 2004, 591 unter 3 a, jeweils m.w.N.).
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Das ergibt sich aus der Risikobeschreibung in A. I. BBR. Darin werden die von der Versicherung umfassten Gefahren durch Aufzählung negativer Komponenten des Haftpflichtversicherungsrisikos beschrieben (Senatsurteil vom 11. Dezember 1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145, 148 unter I). Der Schutzbereich der Haftpflichtversicherung wird durch die Wendung "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens", die für sich genommen keine Einschränkung enthält (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Juni 1997 aaO unter I 2), zunächst erkennbar weit abgesteckt , sodann aber durch die Ausnahmetatbestände nicht nur erläutert, sondern zugleich begrenzt (Senatsurteil vom 10. März 2004 aaO unter 1). Mit den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes und einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen werden bestimmte Gefahrenbereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen und so ein Rahmen für nicht versicherte Handlungen definiert. Das dient insbesondere der Abgrenzung des Schutzbereichs der Privathaftpflichtversicherung zu anderen Haftpflichtversicherungen und soll erläutern, für welche Lebensbereiche es nicht mehr gerechtfertigt ist, den Versicherungsnehmer als von der Privathaftpflichtversicherung geschützte "Privatperson" anzusehen. Gleiches gilt für den Ausschlussgrund der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung. Griffe die Ausschlussklausel hingegen schon dann ein, wenn die den Haftpflichtanspruch auslösende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist, wäre der grundsätzlich auch grob fahrlässige Schadenverursachung abdeckende Versicherungsschutz zumindest teilweise wertlos (Senatsurteil vom 17. Januar 1996 aaO).
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b) Anders als das Berufungsgericht meint, stellen die Baumfällarbeiten des Klägers vom 9. Februar 2009 keine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung dar.
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aa) Aus dem Vergleich des Begriffs der "ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" mit den übrigen im selben Satzeinschub in A. I. BBR enthaltenen Ausnahmen folgt, dass mit der "Beschäftigung" nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint ist, also eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt wird. Die in A. I. BBR aufgezählten Ausnahmetatbestände führen dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer , auf dessen Verständnis es bei der Klauselauslegung ankommt, vor Augen, dass nur solche Bereiche vom Schutz der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen werden, denen er sich über eine gewisse Dauer widmet. Nicht nur der Beruf - als meist über viele Jahre hinweg dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit -, sondern auch ein Betrieb, ein Dienst oder Amt, schließlich auch ein Ehrenamt oder die verantwortliche Betätigung in Vereinigungen aller Art werden nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mit der Vorstellung verbunden, dass solche Tätigkeiten in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg die Lebensumstände des Betroffenen prägen (vgl. beispielweise für den Begriff des Berufs Senatsurteil vom 11. Dezember 1980 - IVa ZR 29/80, BGHZ 79, 145, 151 f. unter II 2 d).
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Das führt den Versicherungsnehmer zu der Annahme, auch mit einer ungewöhnlichen und gefährlichen "Beschäftigung" sei ein Verhalten angesprochen, das - ähnlich wie die Ausübung eines Berufes oder Amtes - über eine nicht nur kurze Zeit fortdauert, sondern auf eine längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten (vgl. dazu OLG Hamburg VersR 1991, 92 f.; OLG Düsseldorf VersR 1994, 850 f.; ÖOGH VersR 1979, 69). Für diesen Bereich will der Versicherer im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung nicht einstehen. Die Beschäftigung muss ein Ausmaß annehmen, das es rechtfertigt, den Versicherungsnehmer mit Blick auf dieses eigenständige Betätigungsfeld nicht mehr als von der Versicherung geschützte Privatperson anzusehen. In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer dadurch bestärkt, dass die Klausel nicht von einer ungewöhnlichen und gefährlichen "Handlung", sondern von einer "Beschäftigung" spricht, was dem Wortsinne nach auf etwas zielt, wofür der Versicherungsnehmer nicht nur punktuell, sondern wiederholt Arbeits- oder Freizeit aufwendet (vgl. OLG Hamm r+s 2005, 334 f.).
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Umgekehrt erkennt der Versicherungsnehmer, dass es auf die Ungewöhnlichkeit oder Gefährlichkeit der schadenstiftenden Handlung selbst nicht ankommt. Entspringt sie einem vom Versicherungsschutz generell ausgenommenen Gefahrenbereich, etwa der beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers oder einer ungewöhnlich und gefährli- chen Beschäftigung, so greift der Leistungsausschluss unabhängig davon , ob auch das unmittelbar schadenverursachende Verhalten als ungewöhnlich und gefährlich anzusehen ist.
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bb) Die Baumfällarbeiten des Klägers vom 9. Februar 2009 erfolgten nicht im Rahmen einer solchen ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.
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(1) Soweit der Kläger in der Vergangenheit auf dem elterlichen Grundstück bereits des Öfteren Gartenarbeiten verrichtet und mitunter auch Bäume beschnitten oder gefällt hat, nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass dadurch eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung nicht belegt ist. Gartenarbeiten - auch an Bäumen - zählen in der Regel zu den normalen Handlungen von Privatleuten. Dafür, dass bereits von früheren Baumfällarbeiten des Klägers besondere Gefahren ausgegangen wären, ist nichts ersichtlich.
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(2) Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, der Kläger habe dadurch, dass er am 9. Februar 2009 nacheinander drei Bäume gefällt hat, bereits eine Tätigkeit von ausreichend langer Dauer entfaltet, um eine Beschäftigung im Sinne der Ausschlussklausel anzunehmen. Das Berufungsgericht hat lediglich die Einzelakte eines einmaligen , insgesamt auf wenige Stunden beschränkten, punktuellen Geschehens verknüpft (vgl. dazu OLG Hamm r+s 2000, 12 f.; OLG Koblenz VersR 1996, 444), ohne damit einen vom Kläger geschaffenen besonderen Gefahrenbereich darzulegen, der darauf angelegt war, über einen längeren, d.h. zumindest mehrere Wochen dauernden Zeitraum die mit dem Fällen großer Bäume verbundenen Gefahrenlagen mit einer gewis- sen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten zu lassen (vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Karlsruhe VersR 1988, 1175). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger am 9. Februar 2009 planvoll vorgegangen ist. Zwar hat die Rechtsprechung mehrfach eine "Beschäftigung" im Sinne der Ausschlussklausel bei spontanen oder impulsiven Handlungen, etwa der Begehung von Straftaten oder einer Flucht vor der Polizei, zu Recht verneint (OLG Düsseldorf VersR 1994, 850 f.; r+s 1997, 11; OLG Koblenz VersR 1996, 444; OLG Hamburg VersR 1991, 92 f.; OLG Saarbrücken VersR 2002, 351 f.; OLG Frankfurt am Main VersR 1996, 964, 965; a.A. OLG Jena VersR 2006, 1064 f.). Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluss, dass eine "Beschäftigung" schon dann vorliegt, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht spontan oder impulsiv, sondern planvoll verhält. Vielmehr vermag auch ein planvolles Vorgehen des Versicherungsnehmers die aufgezeigten Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung nicht zu erfüllen oder zu ersetzen, solange es sich - wie hier - auf ein punktuelles Geschehen von wenigen Stunden beschränkt.

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III. Gemäß § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat die Beklagte , welche die Versicherungsleistung mit Schreiben vom 20. Februar 2009 endgültig abgelehnt hat, die dem Kläger daraufhin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 535,60 € (1,3 Gebühren aus §§ 13, 14 RVG Nr. 2300 VV-RVG) zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 20 € und Mehrwertsteuer in Höhe von 105,56 € zu ersetzen.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 20.11.2009- 4 O 1064/09 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 31.03.2010- 7 U 1916/09 -