Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 06. Apr. 2011 - 6 UF 40/11

bei uns veröffentlicht am06.04.2011

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarlouis vom 15. Februar 2011 – 20 F 4/11 EASO – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Dem Antragsteller und der Antragsgegnerin wird die jeweils von ihnen für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

Gründe

Aus der Verbindung der Mutter und des Vaters, die nicht miteinander verheiratet waren oder sind, ist am ... Dezember 2007 der verfahrensbetroffene Sohn N. hervorgegangen, für den der Vater die Vaterschaft anerkannt und die Eltern Sorgeerklärungen abgegeben haben. Die Familie hat zusammen in B. gelebt. Kurz vor Weihnachten 2010 hat sich die Mutter vom Vater getrennt und ist unter zwischen den Eltern streitigen Umständen mit N. nach S. gezogen.

Mit am 7. Januar 2011 beim Familiengericht eingegangenem Eilantrag hat der Vaters die Übertragung der Alleinsorge, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt. Die Mutter hat auf Zurückweisung des Antrags angetragen.

Durch die angefochtene, der Mutter am 17. Februar 2011 zugestellte einstweilige Anordnung vom 15. Februar 2011, auf die Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Vater nach mündlicher Anhörung der Eltern und des Kindes und Einholung eines Jugendamtsberichts das Aufenthaltsbestimmungsrecht für N. übertragen, der Mutter dessen – zwischenzeitlich erfolgte – Herausgabe an den Vater aufgegeben und dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete, am 1. März 2011 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der die Mutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich und die Herausgabe des Kindes an sich erstrebt und um deren Zurückweisung der Vater und der Verfahrensbeistand bitten, ist nach §§ 57 S. 2 Nr. 1 u. 2, 58 ff. FamFG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Die Entscheidung des Familiengerichts, das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig dem Vater zu übertragen, hält den Beschwerdeangriffen der Mutter stand.

Schon aus Rechtsgründen ohne Erfolg bekämpft diese die Auffassung des Familiengerichts, für die Bescheidung der Sache örtlich zuständig zu sein; eine Überprüfung dessen ist dem Senat wegen § 65 Abs. 4 FamFG verschlossen.

Unangefochten und rechtsbedenkenfrei hat sich das Familiengericht veranlasst gesehen, die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern nur im Bereich der Aufenthaltsbestimmung für das Kind vorläufig aufzuheben und es ansonsten bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen. Auch gegen die von den Beteiligten nicht beanstandete Annahme des Familiengerichts, dass in Bezug auf jenen Teilbereich der elterlichen Sorge ein Anordnungsgrund besteht, ist nichts zu erinnern, nachdem der Aufenthalt des Kindes zwischen den Eltern streitig ist und dieser aus Kindeswohlgründen dringend einer Regelung bedarf (§ 49 Abs. 1 FamFG).

Der von dieser Vorschrift weiter vorausgesetzte Anordnungsanspruch ist gegeben; denn es dient dem Wohle N. vorläufig besser, wenn er seinen Aufenthalt jedenfalls bis zur Erstellung des im Hauptsacheverfahren 20 F 32/11 SO eingeholten Sachverständigengutachtens beim Vater hat.

Bei seiner – zutreffend und insoweit unangegriffen auf § 1671 (Abs. 1 und) Abs. 2 Nr. 2 BGB gegründeten – Entscheidung hat sich das Familiengericht im Wesentlichen davon leiten lassen, dass N. bis zur Trennung der Eltern seinen gewöhnlichen Aufenthalt in deren Wohnung in B. gehabt habe, in der der Vater wohnen geblieben sei. Dort sei N. sozial integriert gewesen und habe den örtlichen Kindergarten besucht. Durch den mangels Zustimmung des Vaters eigenmächtigen Wechsel des Aufenthalts des Kindes durch die Mutter habe diese kindeswohlwidrig gehandelt und versucht, faktische Verhältnisse zu schaffen. Durch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater kehre das Kind in seine gewohnte Umgebung zurück und kehre bis zur Erstellung des im Hauptsacheverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens Ruhe ein.

Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Dabei kann dahinstehen, ob der Vater dem Auszug der Mutter mit dem Kind und auch einem Wechsel dessen gewöhnlichen Aufenthalts zugestimmt hat, wobei das Familiengericht dem Grunde nach zu Recht davon ausgegangen ist – und ggf. im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen haben wird –, dass eine eigenmächtige, spontane Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Lebenskreis mit dem Ziel seiner dauerhaften Verbringung in eine neue Umgebung in der ersten Phase der räumlichen Trennung der Eltern häufig nicht dem Wohl des davon betroffenen Kindes dient und solch eigenmächtiges Verhalten eines Elternteils gewichtig im Rahmen der Beurteilung seiner Erziehungseignung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 189 m. Anm. Völker in FamRB 2008, 365; Bespr. Völker/ Clausius in FF 2009, 54, jeweils auch zum Erfordernis besonderer Verfahrensbeschleunigung in solchen Fällen, um zu verhindern, dass der eigenmächtig handelnde Elternteil aus der von ihm ertrotzten Kontinuität ungerechtfertigte Vorteile ziehen kann).

Denn jedenfalls ist es bei kindbezogener Abwägung der Folgen (vgl. BVerfG JAmt 2011, 107; Senatsbeschluss vom 11. März 2011 – 6 UF 24/11 –) des vorläufigen Verbleibs des Kindes beim Vater gegen die seines einstweiligen Wechsels zur Mutter vorzugswürdig, wenn das infolge der angefochtenen Entscheidung in sein früheres räumliches und soziales Umfeld zurückgeführte Kind einstweilen – auch gemäß seinem gegenüber seinem Verfahrensbeistand geäußerten Wunsch – beim Vater verbleibt, wo es nach derzeitigem Erkenntnisstand angemessen versorgt wird.

Sollte im Hauptsacheverfahren der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden, so verzögerte sich der Wechsel des Kindes zu ihr um einen – allerdings angesichts der den Sachverständigen dort gesetzten Frist zur Erstellung ihres Gutachtens sehr überschaubaren – Zeitraum.

Ordnete der Senat im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren den Wechsel des Kindes zur Mutter an, so würde das Kind aus seinem derzeitigen sozialen Umfeld gerissen, was mit Belastungen für das Kind verbunden wäre. Würde dem Vater hiernach in der Hauptsache das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, so wäre zudem ein nochmaliger Aufenthaltswechsel des Kindes zurück zu diesem zu gewärtigen. Ein solcher mehrfacher Wechsel der unmittelbaren Bezugsperson und des Wohnumfeldes beeinträchtigte das Kindeswohl aber in wesentlichem Maße.

Wägt man die jeweiligen Folgen kindeswohlzentriert gegeneinander ab, so streitet dies dafür, es derzeit bei der Regelung des Familiengerichts zu belassen, nachdem eine vorläufige Prüfung der übrigen Sorgerechtsbelange (vgl. zu diesen BVerfGE 56, 363; BVerfG FuR 2008, 338; BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169; zum Ganzen und den diesbezüglichen Maßstäben eingehend Senatsbeschluss vom 20. Januar 2011 – 6 UF 106/10 –, juris, m.w.N.) unter Einbeziehung der vom Senat beigezogenen Akten 20 F 32/11 SO, 20 F 5/11 HK und 20 F 70/11 EAUG des Familiengerichts im Ergebnis jedenfalls kein solchermaßen erhebliches Übergewicht der für die Mutter sprechenden Gesichtspunkte zu Tage fördert, dass sie sich gegen die Nachteile eines vorläufigen erneuten Wechsels des Kindes durchsetzen könnten. Insbesondere hebt die Mutter insoweit vergebens sinngemäß auf das Bestehen eines biologischen Vorrangs der Mutter-Kind-Beziehung aufgrund des Alters des Kindes ab. Die von ihr – aus dem Zusammenhang gerissen zitierte – Textstelle aus BVerfG FamRZ 2003, 285 steht nicht ansatzweise in einem Zusammenhang mit der Situation von Eltern, die in der Vergangenheit gemeinsam Verantwortung für ihr Kind getragen haben. Einen naturgegebenen Vorrang der mütterlichen Bindung zum Kind gibt es jedenfalls dann nicht mehr, wenn das Kind – wie hier – auch eine gute Beziehung zum Vater aufgebaut hat.

Dass das Familiengericht dem Kind (erst) in der angefochtenen Endentscheidung (§§ 38 Abs. 1 S. 1, 158 Abs. 3 S. 1 FamFG) einen Verfahrensbeistand bestellt hat, ist zwar verfahrensfehlerhaft. Denn die hier nach § 158 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und 4 FamFG gebotene Bestellung ist so spät geschehen, dass der Verfahrensbeistand auf das erstinstanzliche Verfahren keinen Einfluss mehr nehmen konnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. März 2011 – XII ZB 407/10 –, juris, und – mutatis mutandis – BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – XII ZB 346/10 –, juris). Dieser im Beschwerdeverfahren von keinem Beteiligten gerügte Verfahrensmangel ist indes durch die Beteiligung des Verfahrensbeistandes am Beschwerdeverfahren geheilt worden.

Hiernach bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Der Senat sieht bei den gegebenen Umständen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz ab, weil von einer erneuten Anhörung bei den hier obwaltenden Gegebenheiten keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 – 6 UF 52/10 –, juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 4 i.V.m. § 84 FamFG; bei den gegebenen Umständen besteht kein Anlass, die Mutter von den ihr regelmäßig aufzuerlegenden Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes in der Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 41 S. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 FamGKG.

Beiden Eltern ist die jeweils von ihnen für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu verweigern. Der – anwaltlich vertretene – Vater hat auf seine erstinstanzliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug genommen, ohne gleichzeitig zu erklären, dass sich seine Verhältnisse seit Abschluss der ersten Instanz nicht geändert haben, so dass es nicht mehr darauf ankommt, dass – selbständig die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe tragend – bereits jene Erklärung nicht vollständig ausgefüllt worden ist. Der Beschwerde der Mutter mangelt es an hinreichender Erfolgsaussicht (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO).

Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 70 Abs. 4 FamFG).

Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 06. Apr. 2011 - 6 UF 40/11

Urteilsbesprechungen zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 06. Apr. 2011 - 6 UF 40/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 06. Apr. 2011 - 6 UF 40/11 zitiert 12 §§.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 38 Entscheidung durch Beschluss


(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. (2) Der Beschluss enthält

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 76 Voraussetzungen


(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. (2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskosten

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 40 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist,

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 158 Bestellung des Verfahrensbeistands


(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfah

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 65 Beschwerdebegründung


(1) Die Beschwerde soll begründet werden. (2) Das Beschwerdegericht oder der Vorsitzende kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung der Beschwerde einräumen. (3) Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 49 Einstweilige Anordnung


(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. (2)

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(1) Die Beschwerde soll begründet werden.

(2) Das Beschwerdegericht oder der Vorsitzende kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung der Beschwerde einräumen.

(3) Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden.

(4) Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2.
eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3.
Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4.
eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.
der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2.
die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 407/10
vom
16. März 2011
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1626 a ff., 1671, 1696; KSÜ Art. 16, 53; FGG §§ 12, 50, 50 b

a) Sorgeerklärungen können formwirksam gemäß § 1626 d BGB auch in Form einer
gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung erfolgen.

b) Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich
genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in
seine Heimat zurückzukehren. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings
(auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil
zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und
somit seine Erziehungseignung in Frage (im Anschluss an Senatsbeschluss
BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.).

c) Das Gericht darf die Verfahrenspflegschaft nicht dadurch ineffektiv machen, dass
es ohne nachvollziehbare Begründung den mit der Angelegenheit und vor allem
dem Kind vertrauten Verfahrenspfleger kurz vor Abschluss des Sorgerechtsverfahrens
entpflichtet und einen neuen bestellt, der nicht mehr die Möglichkeit hat, sich
in angemessener Weise mit der Sache vertraut zu machen.
BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10 - OLG Brandenburg
AG Potsdam
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des 3. Familiensenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. August 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den 1. Senat für Familiensachen (9. Zivilsenat) des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zurückverwiesen. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

A.

1
Die Kindeseltern (die Beteiligten zu 1 und 2) streiten um das alleinige Sorgerecht für ihre am 12. Oktober 2002 geborene Tochter J. .
2
Die Mutter besitzt die deutsche, der Vater die französische Staatsangehörigkeit. Zur Zeit der Geburt J. lebten die nicht miteinander verheirateten Eltern in Frankreich. Der Vater erkannte die Vaterschaft an. Nach der Geburt trennten sich die Eltern, und die Mutter kehrte mit J. nach Deutschland (P. ) zurück. Zuvor hatten die mit der Sache befassten französischen Gerichte einstweilen entschieden, dass die Eltern ge- meinsam sorgeberechtigt seien und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Mutter liege; zudem hatten sie ein umfangreiches Umgangsrecht zugunsten des Vaters beschlossen.
3
In einem Verfahren zur Anerkennung der umgangsrechtlichen Regelungen trafen die Eltern am 6. Juni 2005 vor dem Beschwerdegericht eine Vereinbarung , wonach es u.a. beim gemeinsamen Sorgerecht für J. verbleiben sollte und ihr gewöhnlicher Aufenthalt bei der Mutter sei. Zudem vereinbarten die Eltern, dass J. , "wenn irgend möglich, bereits im Kindergarten und/oder in der Schule zweisprachig, das heißt deutsch/französisch erzogen werden soll". Im Weiteren enthält die Vereinbarung eine umfangreiche Umgangsregelung , die im Wesentlichen zum Gegenstand hat, dass J. ab Oktober 2005 bis zu ihrer Einschulung monatlich zehn Tage beim Vater in Frankreich verbringt.
4
Da sich die Eltern nicht darüber einigen konnten, welche Schule J. in Deutschland besuchen sollte - die Mutter bevorzugte eine Einschulung an der vor Ort in M. befindlichen deutschen Grundschule, der Vater eine Einschulung in der deutsch/französischen J. -Grundschule in B. - stritten sie in einem Verfahren gemäß § 1628 BGB um die Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis. Nachdem das Amtsgericht dem Antrag der Mutter im einstweiligen Anordnungsverfahren stattgegeben hatte , übertrug das Beschwerdegericht die Befugnis einstweilen auf den Vater. Dieser Beschluss wurde auf Verfassungsbeschwerde der Mutter vom Verfassungsgericht des Landes B. aufgehoben, weil das Beschwerdegericht dem Kind keinen Verfahrenspfleger bestellt hatte. Anschließend übertrug auch das Amtsgericht dem Vater in der Hauptsache die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Schulwahl. Über die hiergegen von der Mutter eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht noch nicht entschieden. J. wird seit April 2010 nunmehr in der J. -Grundschule in B. beschult. Dies geht mit einer Fahrtzeit von insgesamt mindestens zwei Stunden einher.
5
Daneben ist vor dem Beschwerdegericht noch ein Umgangsrechtsverfahren anhängig.
6
Dem Rechtsbeschwerdeverfahren liegen gegenläufige Sorgerechtsanträge der Eltern zugrunde. Das Amtsgericht hat nach persönlicher Anhörung der Eltern, des Jugendamtes, der Verfahrenspflegerin und des Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. auf die Mutter übertragen und die weitergehenden Anträge beider Eltern zurückgewiesen, im Übrigen also die gemeinsame elterliche Sorge aufrechterhalten. Dabei ist das Amtsgericht davon ausgegangen , dass die Eltern mit der Vereinbarung vom 6. Juni 2005 eine Grundentscheidung für den Lebensmittelpunkt des Kindes bei seiner Mutter getroffen hätten.
7
Auf die hiergegen vom Kindesvater eingelegte befristete Beschwerde hat das Beschwerdegericht nach Austausch des Verfahrenspflegers und ohne Anhörung des Kindes dem Vater das alleinige Sorgerecht mit Beschluss vom 23. August 2010 übertragen und angeordnet, dass die Mutter das Kind bis zum 29. August 2010 herauszugeben habe. Hiergegen wendet sich die Mutter mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
8
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. August 2010 die vom Beschwerdegericht angeordnete sofortige Vollziehung seiner Entscheidung auf Antrag der Mutter einstweilen ausgesetzt.

B.

9
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts.
10
Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht weiterhin anwendbar, weil das Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 14 mwN).

I.

11
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
12
1. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO = EuEheVO). Hinsichtlich der Zuständigkeit geht die Brüssel IIa-VO nach ihrem Art. 61 dem Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung , Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (ABl. 2003 Nr. L 48 S. 3; BGBl. II 2009 S. 602, 603; 2010, 1527 - im Folgenden : Kinderschutzübereinkommen/KSÜ) vor (vgl. Staudinger/Henrich BGB (2008) Art. 21 EGBGB Rn. 82; Palandt/Thorn BGB 70. Aufl. Anhang zu Art. 24 EGBGB Rn. 2).
13
Danach sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen , die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also Deutschland.
14
2. Die Rechtsbeschwerde ist im vollen Umfang statthaft. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aF iVm Art. 111 FGG-RG.

II.

15
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
16
1. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen , dass der Beteiligte zu 2 auch nach deutschem Recht der rechtliche Vater von J. sei. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts bestehen auch keine Zweifel daran, dass das Sorgerecht nach wie vor den Eltern gemeinsam zustehe. Das folge namentlich aus Ziffer 1 der Elternvereinbarung vom 6. Juni 2006 (richtig 2005), dem ohne weiteres eine gemeinsame Sorgeerklärung nach deutschem Recht im Sinne des § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu entnehmen sei.
17
Eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene, die Voraussetzung für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts sei, bestehe zwischen den Eltern jedenfalls jetzt nicht mehr. Sie seien vielmehr offensichtlich heillos zerstritten und misstrauten einander zutiefst. Da sich die Mutter an die getroffene Elternvereinbarung nicht gebunden fühle und auch der Vater sich jetzt nicht mehr an ihr festhalten lassen wolle, sei sie letztlich "faktisch obsolet" geworden. Darauf, ob die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für eine Abänderung vorlägen, komme es aus heutiger Sicht schon deshalb nicht mehr entscheidend an.
18
Dem Kindeswohl entspreche es am besten, wenn dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen werde. Dass sich J. trotz der Zerstrittenheit ihrer Eltern bislang sehr erfreulich entwickelt habe, sei ein Verdienst beider Eltern. Dabei habe der Vater im Rahmen des von ihm wahrgenommenen Umgangsrechts eine beachtliche Integrationsleistung in Frankreich erbracht. Zwar habe der Sachverständige festgestellt, dass der Vater zu perseverierendem Verhalten neige, auf Positionen insistiere, in der Interaktion wenig flexibel sei, zur "Verbissenheit" neige, die Mutter im Elternkonflikt massiv abwerte und sie depotenziere; diese Feststellung deckten sich mit dem Eindruck, den auch das Beschwerdegericht vom Vater gewonnen habe. Es sei indes nicht erkennbar, dass sich diese Defizite irgendwie nachteilig auf J. auswirkten.
19
Bei der Mutter habe der Sachverständige Hinweise auf ängstlichabhängige Züge in ihrer Persönlichkeit erfasst. Die Beziehung der Mutter zum Kind habe er als "zu eng und ohne fehlende Distanz", um nicht zu sagen "symbiotisch" bzw. "partnerschaftlich" bezeichnet. Das Beschwerdegericht sehe kritische Züge einer "Parentifizierung" im Sinne einer Instrumentalisierung des Kindes für eigene Bedürfnisse. Dieser Gesichtspunkt lasse die Erziehungsfähigkeit der Mutter als eingeschränkt erscheinen. Hinzu komme ihre deutlich gering ausgeprägte Bindungstoleranz. Das Beschwerdegericht habe nicht verkannt, dass der Sachverständige hier zu einer anderen Wertung neige, wonach die Einschränkung beim Vater etwas größer sei. Kritisch sei aber bereits, dass die Mutter nach der Trennung mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt sei und dadurch zwischen dem Wohnort des Vaters und dem Aufenthaltsort des Kindes eine Distanz von rund 1.000 km geschaffen habe. Kritisch sei ferner die Tatsache, dass die Mutter sich bis zum heutigen Tage "kompromisslos" weigere , den Beteiligten zu 2 als Vater des Kindes im Geburtenbuch eintragen zu lassen. Hinzu komme die Tatsache, dass die Mutter offenkundig entschlossen sei, dem Kind in Deutschland ihren Namen "S. zu " geben, obwohl J. aufgrund einer gemeinsamen Elternentscheidung in Frankreich bereits seit ihrer Geburt rechtsverbindlich den Namen "C. " trage. Unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz sei schließlich auch die Tatsache kritisch , dass die Mutter sich von sich aus kaum, jedenfalls nicht hinreichend bemühe , die auch französische Identität des Kindes zu pflegen, obwohl die Eltern im Jahre 2005 ausdrücklich anderes vereinbart hätten.
20
Ähnlich kritische Verhaltensweisen seien jedenfalls seit Abschluss der Elternvereinbarung im Jahre 2005 auf Seiten des Vaters nicht mehr festzustellen, so dass insgesamt seine Erziehungskompetenz als deutlich besser angesehen werden müsse.
21
Schützenswerte Bindungen des Kindes bestünden nach allem, was der Senat ermittelt habe, sowohl zu beiden Elternteilen als auch zu den jeweiligen Herkunftsfamilien in Frankreich und in Deutschland.
22
Der gegenüber dem Verfahrenspfleger und auch dem Sachverständigen geäußerte Kindeswille spreche zwar eher für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter. J. habe sich in den letzten Monaten klar dahin positioniert , bei der Mutter leben und den Vater "nur" besuchen zu wollen, und Letzteres auch nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit. Jedoch stelle sich die Frage nach der Beachtlichkeit des Kindeswillens. Nach den Feststellungen des Sachverständigen neige J. dazu, ihre Mutter zu schützen, wenn sie diese bedroht sehe. Darüber hinaus könne sicher davon ausgegangen werden, dass sich das Kind bei der Mutter und in M. wohl und geborgen fühle. Das erkläre ohne weiteres, dass J. sich eine Veränderung der bestehenden Situation nicht wünsche, sage aber nichts darüber aus, dass sie einen Umzug zum Vater nach Frankreich letztlich nicht auch akzeptieren würde. Dies entspreche auch der Einschätzung des Verfahrenspflegers, der sich zwar den geäußerten Kindeswillen im Sinne einer Empfehlung an den Senat zu eigen gemacht habe, zugleich aber keinen Zweifel daran gelassen habe, dass es unter Kindeswohlgesichtspunkten weniger darauf ankomme, wie der Senat im Elternstreit entscheide, als darauf, dass mit dieser Entscheidung der Elternstreit beendet sei.
23
Auch der Gesichtspunkt der Kontinuität spreche für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter; J. habe praktisch während ihres gesamten bisherigen Lebens ihren Lebensmittelpunkt bei ihr in Deutschland gehabt. Allerdings relativiere sich auch dieses Argument, wenn man sich vergegenwärtige , dass sich das Kind seit seinem dritten Lebensjahr regelmäßig ungefähr ein Drittel seiner Zeit auch in Frankreich aufgehalten habe. J. habe sich deshalb auch in Frankreich gut integriert und werde sich aller Voraussicht nach mühelos dort zurechtfinden.
24
Bei der Gesamtabwägung müsse deswegen auch der Kontinuitätsgesichtspunkt hinter der besseren Erziehungseignung des Vaters zurückstehen.
25
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand.
26
a) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass die Kindeseltern die gemeinsame Sorge innehaben.
27
aa) Voraussetzung für die Ausübung der gemeinsamen Sorge ist die rechtliche Elternschaft. Das heißt, dass der Vater auch rechtlicher Vater im Sinne des § 1592 Nr. 2 und 3 BGB sein muss (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1626 a Rn. 5; NK-BGB/Rakete-Dombek 2. Aufl. § 1626 a Rn. 7).
28
Dass das Beschwerdegericht von der rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 2 ausgegangen ist, ist von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Dem entspricht im Ergebnis auch der Beschluss des Kammergerichts vom 23. September 2010 - 1 W 70/08, wonach im Geburtenbuch der Beteiligte zu 2 als Vater zu vermerken sei.
29
bb) Im Ergebnis zutreffend ist das Beschwerdegericht vom Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts ausgegangen.
30
Die Frage, welches Recht hier anzuwenden ist, richtet sich nach dem Kinderschutzübereinkommen.
31
(1) Gemäß Art. 53 Abs. 1 KSÜ ist das Übereinkommen auf Maßnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Übereinkommen am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (BGBl II 2010, 1527). Da es vorliegend nicht um die Anerkennung oder Vollstreckung von Maßnahmen, sondern vielmehr um die Frage des anwendbaren Rechts geht und das Revisionsgericht das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Recht anzuwenden hat, ist das Kinderschutzübereinkommen auf die vom Senat zu treffende Entscheidung anzuwenden (zum vergleichbaren Fall des Inkrafttretens des Haager Minderjährigenschutzabkommens BGH Beschluss vom 20. Dezember 1972 - IV ZB 20/72 - NJW 1973, 417 f.).
32
(2) Nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ bestimmt sich die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Damit ist das Statut durch Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ex nunc wandelbar (Finger FamRBint 2010, 95, 99; Schwarz NDV 2011, 39, 40).
33
Da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, ist somit deutsches Recht anwendbar. Dieses setzt für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemeinsame Sorgeerklärungen im Sinne von §§ 1626 a ff. BGB voraus.
34
Ausdrückliche Sorgeerklärungen, deren Form in § 1626 d BGB geregelt ist, liegen hier nicht vor. Indes ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffene Auslegung der Elternvereinbarung , wonach dieser entsprechende Sorgeerklärungen zu entnehmen sind, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. In der am 6. Juni 2005 geschlossenen und gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung hatten die Eltern ihren Willen bekundet, das Sorgerecht für J. gemeinsam auszuüben.
35
Zwar müssen gemäß § 1626 d BGB Sorgeerklärungen und Zustimmungen öffentlich beurkundet werden. Urkundsperson ist entweder der Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO) oder die Urkundsperson beim Jugendamt. Die Beurkundung kann allerdings auch durch einen gerichtlichen Vergleich ersetzt werden, § 127 a BGB (Staudinger/Coester BGB (2007) § 1626 d Rn. 6; DIJUF Rechtsgutachten JAmt 2004, 127, 128).
36
(3) Ob das Sorgerecht des Vaters daneben auch aus Art. 16 Abs. 3 KSÜ folgt, kann dahinstehen.
37
Nach dieser Vorschrift besteht die elterliche Verantwortung, die sich aus dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergibt, nach dem Umzug des Kindes in einen anderen Staat fort.
38
Zwar stand beiden Eltern nach der seit März 2002 in Frankreich bestehenden Rechtslage die elterliche Sorge gemeinsam zu, weil das Kindschaftsverhältnis ihnen gegenüber innerhalb eines Jahres nach der Geburt durch An- http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE163603377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE000202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE163603377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE000202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 12 - erkenntnis etabliert wurde (vgl. Art. 372 Abs. 1 Cciv, NK-BGB/Junggeburth 2. Aufl. Länderbericht Frankreich Rn. 168). Gemäß Art. 16 Abs. 3 KSÜ bleibt dem betroffenen Elternteil eine solche Sorgerechtsstellung erhalten (vgl. Finger FamRBint 2010, 95, 99 f.).
39
Die Frage, ob hier etwas anderes gilt, weil sich der Erwerb der Sorgerechtsstellung des Vaters zu einer Zeit vollzogen hat, als das Kinderschutzübereinkommen in Deutschland noch nicht in Kraft getreten war, kann hier nach dem oben zu (2) Gesagten allerdings unbeantwortet bleiben.
40
b) Allerdings begegnet die Entscheidung des Beschwerdegerichts, dem Vater das alleinige Sorgerecht zu übertragen, rechtlichen Bedenken; sie kann daher im Ergebnis keinen Bestand haben.
41
aa) Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
42
Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 11 mwN).
43
Maßstab für die Entscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beach- http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/11li/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=50&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307088901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 13 - tung des Kindeswillens angeführt (Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393 mwN und BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19).
44
bb) Die Beurteilung des Kindeswohls liegt in der Verantwortung der Tatsachengerichte. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN).
45
In welchem Umfang vom Familiengericht zur Beurteilung des Kindeswohls Tatsachen zu ermitteln sind, bestimmt sich aufgrund des hier noch anwendbaren - bis Ende August 2009 geltenden - Verfahrensrechts gemäß § 12 FGG (nunmehr § 26 FamFG). Das Gericht hat danach von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben, was auch für Antragsverfahren gilt. Dabei wirken das Elternrecht sowie das staatliche Wächteramt auch auf das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Sorgerechtsverfahren ein. Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Das Verfahren muss geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 30 unter Hinweis auf BVerfG FamRZ 2009, 1897 Rn. 18).
46
(1) Gemäß § 50 b Abs. 1 FGG hört das Gericht in einem Verfahren, das die Personensorge betrifft, das Kind persönlich an, wenn die Neigung, Bindung oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhalts angezeigt erscheint, dass sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft (Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169). Dabei kommen dem Kindeswillen zweierlei Funktionen zu. Zum einen kann ihm entnommen werden, zu welcher Person das Kind die stärksten Bindungen hat. Zum anderen dient er der Selbstbestimmung des Kindes. Je älter das Kind ist, desto mehr tritt die zweite Funktion in den Vordergrund.
47
(2) Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor, § 50 FGG (nach neuem Recht gemäß § 158 FamFG: Verfahrensbeistand). Die Einrichtung der Verfahrenspflegschaft ist Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger. Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern von dem Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32 mwN).
48
Das Familiengericht hat dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 33).
49
cc) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung in wesentlichen Punkten nicht gerecht. Sie beruht auf einer Verkennung der Gewichtung der jeweiligen Sorgerechtskriterien und vor allem auf unzureichenden Ermittlungen durch das Beschwerdegericht.
50
(1) Vor dem Hintergrund der erheblichen Auseinandersetzungen der Eltern ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Aufhebung der gemeinsamen Sorge für erforderlich erachtet hat (vgl. Schilling NJW 2007, 3233, 3237 ff. mwN).
51
(2) Schon die vom Beschwerdegericht getroffenen - teilweise auf unzureichenden Ermittlungen beruhenden (s. dazu unten) - Feststellungen rechtfertigen aber die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater nicht.
52
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung letztlich mit einer besseren Erziehungseignung des Vaters begründet, ohne diese aber nachvollziehbar darzustellen. Sein im Rahmen einer Gesamtabwägung gezogener Schluss, der Vater sei besser geeignet, beruht jedenfalls teilweise auf rechtlich nicht haltbaren Annahmen.
53
(a) Soweit das Beschwerdegericht festgestellt hat, der Vater neige zu perseverierendem Verhalten, insistiere auf Positionen, sei in der Interaktion wenig flexibel, neige zur "Verbissenheit", werte die Mutter im Elternkonflikt massiv ab und depotenziere sie, hat es nicht nachvollziehbar begründet, wieso diese Eigenschaften nicht zu einer negativen Bewertung der Bindungstoleranz des Vaters führen. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, es sei nicht erkennbar, dass sich diese Defizite irgendwie nachteilig auf J. auswirkten, hat sich das Gericht nicht mit der naheliegenden Frage befasst, ob dies möglicherweise ein Verdienst der Mutter ist. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass es aufgrund dieser Feststellungen zweifelhaft sei, ob der Vater nach einem Aufenthaltswechsel des Kindes den Umgang mit der Mutter in gleicher Weise unterstützen werde.
54
(b) Demgegenüber durfte das Beschwerdegericht unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz der Mutter nicht vorwerfen, dass diese nach der Trennung mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt ist, anstatt in Frankreich zu bleiben. Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in seine Heimat zurückzukehren. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob der Elternteil triftige Gründe anführen kann. Dementsprechend stehen dem Familiengericht keine Möglichkeiten zur Verfügung, die allgemeine Handlungsfreiheit des Elternteils einzuschränken, auch kann dem Elternteil seine Ausreise nicht in zulässiger Weise untersagt werden. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine Erziehungseignung in Frage (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.).
55
Dass die Mutter mit der Ausreise nach Deutschland den Zweck verfolgt hat, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, hat das Beschwerdegericht nicht positiv festgestellt, erscheint aber auch angesichts des tatsächlich praktizierten Umgangs ausgeschlossen.
56
(c) Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht bei der Prüfung, wie die Bindungstoleranz der Mutter zu bewerten ist, die tatsächliche Entwicklung nicht hinreichend berücksichtigt hat.
57
Weist das Beschwerdegericht noch zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Bindungstoleranz um die Fähigkeit und Bereitschaft handelt, die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu erhalten und zu fördern, so sind seine hierzu getroffenen und von der Einschätzung des Sachverständigen abweichenden Schlussfolgerungen nicht frei von Widersprüchen. Denn einerseits geht das Beschwerdegericht bei der Mutter von einer deutlich gering ausgeprägten Bindungstoleranz aus, andererseits stellt es fest, dass sich J. seit ihrem dritten Lebensjahr regelmäßig ungefähr ein Drittel der Zeit auch in Frankreich aufgehalten habe und deshalb dort gut integriert sei und sich aller Voraussicht nach mühelos zurechtfinden werde. Wenn das Beschwerdegericht in diesem Kontext ausführt, dass dies nur dem Verhalten des Vaters geschuldet sei, verkennt es, dass bei einer defizitären Bindungstoleranz regelmäßig der Kontakt zwischen Kind und umgangsberechtigten Elternteil erst gar nicht zugelassen wird mit der Folge, dass der umgangsberechtigte Elternteil insoweit auch keinen (positiven) Einfluss auf das Kind nehmen kann.
58
(d) Der Senat verkennt nicht, dass das Beschwerdegericht auch belastbare Feststellungen getroffen hat, die die Erziehungseignung der Mutter in Frage stellen könnten. Zu nennen wäre namentlich der Umstand, dass die Mutter weder den Vater noch den französischen Geburtsnamen des Kindes angegeben hatte, als sie in Deutschland eine Geburtsurkunde für das Kind beantragt hat. Daneben erscheint das - vom Sachverständigen festgestellte - partnerschaftliche Verhältnis zwischen Mutter und Kind problematisch, das seine Ursache nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts in einer ängstlichabhängigen Persönlichkeit der Mutter hat. Ob diese - verbleibenden - Einschränkungen im Vergleich mit den beim Vater festgestellten Defiziten - die möglicherweise das ängstliche Verhalten der Mutter befördern - genügen, die für einen Verbleib des Kindes bei der Mutter sprechenden Umstände wie namentlich die Kontinuität und den Kindeswillen, zu überwiegen, erscheint eher fernliegend.
59
(e) Außerdem fehlen Feststellungen dazu, wie sich die Lebenswirklichkeit des Kindes bei einem dauernden Aufenthalt bei dem Vater gestalten würde. Das Gericht hat sich vor allem nicht mit der Frage befasst, ob er J. die Möglichkeit geben würde, auch ihre deutsche Herkunft in ausreichendem Maße zu erfahren.
60
(3) Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Recht, dass die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Zum einen hätte das Beschwerdegericht das Kind persönlich anhören müssen. Zum anderen hätte es die ursprünglich für das Kind tätige Verfahrenspflegerin nicht entpflichten und damit ihre bereits getätigten Ermittlungen unberücksichtigt lassen dürfen.
61
(a) Um sich ein sicheres Bild von dem Willen, den Neigungen und den Bindungen des Kindes zu machen, hätte das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Verfahrens das betroffene Kind selbst persönlich anhören müssen, und zwar durch den gesamten Senat.
62
Das Beschwerdegericht hat in der Begründung, warum es die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, auf den aktuellen, "gegebenenfalls auch verfestigten" Kindeswillen Bezug genommen, ohne ihn jedoch durch eigene Anschauung hinreichend ermittelt zu haben. Demgegenüber haben das Amtsgericht, der Verfahrenspfleger und der Sachverständige mit J. gesprochen; sie sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass J. bei der Mutter bleiben sollte (Entsprechendes ergibt sich im Übrigen aus den Stellungnahmen der früheren Verfahrenspflegerin). Gleichwohl hat das Beschwerdegericht es nicht für erforderlich erachtet, das Kind persönlich anzuhören. Der Hinweis darauf, dass das Beschwerdegericht J. in dem Umgangs- sowie in dem Beschulungsverfahren "kennen gelernt" und sich einen persönlichen Eindruck von seinem Entwicklungsstand und auch von seinen Bindungen zu den Eltern wie auch zu Deutschland und zu Frankreich verschafft habe, vermögen die unterbliebene Anhörung nicht zu rechtfertigen. Während es im Beschulungsverfah- ren um die Frage ging, welche Schule J. besuchen solle, und das Umgangsverfahren ihren Umgang zum Vater zum Gegenstand hatte, geht es in dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren um die grundlegende Frage, wo das Kind, das seit der Trennung der Eltern immer bei der Mutter in Deutschland gelebt hat, künftig seinen Lebensmittelpunkt haben soll. In dieser besonderen Situation hätte das Beschwerdegericht, bevor es von der Entscheidung des Amtsgerichts bzw. der Empfehlung des Verfahrenspflegers abweicht, das - fast achtjährige - Kind mit einem möglichen Umzug zum Vater konfrontieren müssen.
63
Wie oben bereits dargelegt, lässt sich dem Willen des Kindes auch entnehmen , zu welcher Person es die stärkeren Bindungen hat. Von daher hätte das Gericht J. auch aus diesem Gesichtspunkt heraus anhören müssen , anstatt sich mit der Begründung zu begnügen, schützenswerte Bindungen des Kindes bestünden nach allem, "was der Senat ermittelt hat", sowohl zu beiden Eltern als auch zu den jeweiligen Herkunftsfamilien in Frankreich und in Deutschland.
64
Das Beschwerdegericht durfte sich auch nicht damit begnügen, einen entgegenstehenden Willen des Kindes zu unterstellen. Denn es gehört zu den Aufgaben des Familiengerichts, sich von dem Kind und seinem geäußerten Willen in dem jeweiligen Verfahrenskontext einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen.
65
Aus den vorgenannten Gründen hätte das Beschwerdegericht das Kind auch durch den gesamten Senat anhören müssen. Denn es ist in Sorgerechtsangelegenheiten in der vorliegenden Art angezeigt, dass sich das erkennende Gericht als solches einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 40).
66
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht dem Erfordernis der Kindesanhörung nicht der von den Beteiligten in dem Beschulungsverfahren im Termin vom 20. Mai 2010 erklärte Verzicht auf eine weitere Anhörung des Kindes entgegen. Abgesehen davon, dass die dem Gericht obliegende Amtsermittlung nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt, bezog sich der im Termin erklärte "Verzicht" soweit ersichtlich nur auf das Beschulungsverfahren.
67
Die angegriffene Entscheidung beruht auf der unterbliebenen Anhörung durch das Beschwerdegericht. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das Beschwerdegericht, das sich die Entscheidung nach eigenen Worten "nicht leicht gemacht" hat, bei einer Anhörung des Kindes, die einen möglichen Aufenthaltswechsel zum Gegenstand gehabt hätte, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
68
(b) Das Verfahren ist auch fehlerhaft, soweit es die Verfahrenspflegschaft anbelangt.
69
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das Beschwerdegericht die ursprünglich bestellte und seit über einem Jahr nicht nur in diesem, sondern auch in dem Umgangsrechts- und in dem Beschulungsverfahren engagiert tätige Verfahrenspflegerin kurz vor Abschluss des Verfahrens entpflichtet hat, nur weil sie sich zu dem Termin am 19. August 2010 im Urlaub befunden hat. Die hierzu vom Beschwerdegericht gegebene Begründung, die allein auf die Terminslage abstellt, ist angesichts des Umstandes, dass das Sorgerechtsverfahren bereits seit 2007 anhängig war, und der Bedeutung der Verfahrenspflegschaft gerade auch in diesem Fall nicht nachvollziehbar.
70
Demgegenüber musste der erst am 7. Juli 2010 bestellte neue Verfahrenspfleger kurzfristig J. kennenlernen und sich in die umfangreichen Verfahrensakten einarbeiten. Seinen Angaben zufolge hat er mit J. lediglich etwa 30 Minuten gesprochen und die Akten teilweise auch nur "selektiv" gelesen.
71
Mit dieser Verfahrensweise hat das Beschwerdegericht die Verfahrenspflegschaft ineffektiv gemacht. Zwar hat sich auch der Nachfolger für einen Verbleib J. bei ihrer Mutter ausgesprochen. Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, dass die angegriffene Entscheidung auch auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn hätte das Beschwerdegericht entweder die umfangreichen Erkenntnisse der ursprünglichen Verfahrenspflegerin für sich fruchtbar gemacht oder hätte der neue Verfahrenspfleger die Möglichkeit gehabt, sich intensiver mit dem Kind als auch mit den Akten zu beschäftigen, erscheint es durchaus denkbar, dass möglicherweise fundiertere Stellungnahmen das Beschwerdegericht dazu bewogen hätten, im Ergebnis doch anders zu entscheiden. Vor dem Hintergrund, dass das Familiengericht dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen hat, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 33), genügt das vom Beschwerdegericht eingeschlagene Verfahren nicht ansatzweise, dem Institut des Verfahrenspflegers gerecht zu werden.
72
c) Nach alledem konnte die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Sie war deswegen aufzuheben. Angesichts der gravierenden Verfahrensfehler war das Verfahren an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückzuverweisen. Bei dieser Entscheidung hat der Senat auch berücksichtigt, dass das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung vom 23. August 2010, die der Bevollmächtigten der Kindesmutter am 26. August 2010 zugegangen ist, angeordnet hat, dass die Mutter das Kind, das bis dahin immer bei ihr gelebt hat, bis zum 29. August 2010 um 12.00 Uhr an den Vater herauszugeben hat. Eine solch kurze Zeitspanne widerspricht dem Kindeswohl. Vor allem erlaubt sie es der Mutter nicht, ihre Tochter kindgerecht auf einen Wechsel ihrer Hauptbezugsperson und ihres Lebensmittelpunktes vorzubereiten.
73
Da das Beschwerdegericht den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt hat, ist der Senat gehindert, in der Sache selbst abschließend zu entscheiden.
74
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat daraufhin, dass die bestehende Regelung über den Aufenthalt des Kindes für die zu treffende Entscheidung nicht ohne Belang ist.
75
a) Dies folgt indes nicht schon aus den Entscheidungen der französischen Familiengerichte, die den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes bei der Mutter festgesetzt haben. Zwar sind diese Entscheidungen von den deutschen Gerichten anzuerkennen. Jedoch handelt es sich hierbei um eine einstweilige Regelung, die nach dem hier anwendbaren deutschen Verfahrensrecht durch die Entscheidung in der Hauptsache abgelöst wird (vgl. § 621 g iVm § 620 f Abs. 1 ZPO aF - jetzt § 56 FamFG) und damit keine bindende Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 111 Abs. 1 Satz 2 FGG-RG) darstellt.
76
b) Allerdings haben sich die Eltern im Juni 2005 vor dem Beschwerdegericht in Ziffer 2 ihrer Vereinbarung in Anlehnung an die vorgenannte Entscheidung darüber verständigt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Mutter sei. Hierbei handelt es sich um eine konkrete Ausgestaltung des gemeinsamen Sorgerechts, die über dessen bloße Bestätigung hinausgeht.
77
Zwar fallen gerichtlich gebilligte Elternvereinbarungen zum Sorgerecht - anders als solche zum Umgangsrecht - nicht unmittelbar unter § 1696 BGB, (so zu § 1696 BGB nF NK-BGB/Harms 2. Aufl. § 1696 Rn. 15; vgl. auch MünchKommBGB/Finger 5. Aufl. § 1696 Rn. 7; aA Hammer FamRZ 2005, 1209, 1214 [Fn. 59], 1215). Denn die Eltern können weder über das Sorgerecht im Ganzen noch über Teilbereiche hieraus wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht disponieren. Insoweit gelten die Vorschriften des materiellen Rechts (§§ 1671, 1672 und 1680 Abs. 2, 3 BGB), das die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil an eine gerichtliche Entscheidung und an bestimmte Voraussetzungen knüpft (s. hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6308, S. 414, mit der sie im Gesetzgebungsverfahren zum FamFG den Wunsch des Bundesrates abgelehnt hat, die Figur des "gerichtlich gebilligten Vergleichs" auf alle Kindschaftssachen des § 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu erstrecken, BT-Drucks. 16/6308, S. 376).
78
Auch wenn der Maßstab des § 1696 BGB für die zu treffende Entscheidung danach nicht maßgeblich ist, ändert das nichts an dem Umstand, dass die Eltern sich über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verständigt haben und dieser ursprüngliche Wille bei der nach § 1671 BGB zu treffenden Entscheidung zu beachten ist. Denn die im elterlichen Konsens getroffene Entscheidung lässt vermuten, dass sie dem Kindeswohl entspricht, weshalb sie eine gewisse Indizwirkung entfaltet (vgl. Hammer FamRZ 2005, 1209, 1210, 1214; s. auch OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1683, 1684; OLGR 2008, 797, 798, das den "Rechtsgedanken des § 1696" heranziehen bzw. die Norm analog anwenden will; ihm folgend Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1696 Rn. 2).
79
Soweit das Beschwerdegericht meint, die Vereinbarung sei "obsolet", weil sich beide Eltern von ihr gelöst hätten, verkennt es, dass die Mutter nach wie vor den Aufenthalt des Kindes bei sich begehrt.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 04.06.2010 - 43 F 106/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 23.08.2010 - 15 UF 77/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 346/10
vom
2. März 2011
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FamFG §§ 68 Abs. 3 Satz 2; 317 Abs. 1 Satz 1; 319 Abs. 1
1. In einem Unterbringungsverfahren kann das Beschwerdegericht nicht gemäß § 68
Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen,
wenn das Gericht des ersten Rechtszugs bei der Anhörung des Betroffenen zwingende
Verfahrensvorschriften verletzt hat.
2. Ist in einem Unterbringungsverfahren die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich
, hat diese so frühzeitig zu erfolgen, dass der Verfahrenspfleger noch
Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann.
BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10 - LG Lübeck
AG Lübeck
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. März 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Schilling
und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 30. Juni 2010 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (§ 128 b KostO). Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die gerichtliche Genehmigung seiner Unterbringung.
2
Er steht seit Dezember 1996 unter rechtlicher Betreuung. Auf Antrag der Betreuerin, der Beteiligten zu 2, genehmigte das Amtsgericht zunächst die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 28. Mai 2010 und bestellte den Beteiligten zu 1 zum Verfahrenspfleger.
3
Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 beantragte die Beteiligte zu 2, die Unterbringung des Betroffenen über den 28. Mai 2010 hinaus zu genehmigen. Am 27. Mai 2010 erfolgte die Anhörung des Betroffenen in Anwesenheit der Beteiligten zu 2 und der behandelnden Ärztin, die in diesem Termin ein schriftliches Kurzgutachten zur Frage der Notwendigkeit einer Verlängerung der Unterbringung des Betroffenen übergab.
4
Noch am gleichen Tag genehmigte das Amtsgericht die weitere Unterbringung des Betroffenen bis längstens 26. Mai 2011 und bestellte den Beteiligten zu 1 erneut zum Verfahrenspfleger.
5
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 1 im Namen des Betroffenen Beschwerde ein, die das Landgericht ohne dessen erneute Anhörung zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

6
Die gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt und wie folgt begründet:
8
Der Betroffene leide ausweislich der diversen in der Akte befindlichen Gutachten, zuletzt des Gutachtens der behandelnden Ärztin vom 27. Mai 2010, an einer chronifizierten paranoiden Psychose, die einer adäquaten medikamentösen Behandlung bedürfe. Aufgrund der krankheitsbedingt fehlenden Krankheitseinsicht könne diese Behandlung nicht ohne Unterbringung des Betroffe- nen durchgeführt werden. Die Vorgeschichte zeige, dass der Betroffene die erforderliche Medikation außerhalb einer stationären Behandlung immer wieder eigenmächtig absetze mit der Folge einer erneuten Exazerbation seiner Erkrankung. Der Betroffene bedürfe daher weiter einer hochstrukturierten Umgebung, damit eine langfristige Stabilisierung seines gesundheitlichen Zustandes erreicht werden könne. Eine mildere Maßnahme als die Unterbringung komme gegenwärtig nicht in Betracht.
9
Von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen habe die Kammer abgesehen , da von einer solchen keine zusätzlichen neuen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien.
10
2. Die angegriffene Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Das Beschwerdegericht durfte nicht von der persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen.
11
a) Nach § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich - gegebenenfalls in der üblichen Umgebung des Betroffenen (Satz 2) - von diesem einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Diese Vorschrift sichert im Unterbringungsverfahren nicht nur den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Durch sie soll auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung über den mit einer Unterbringung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, eingeholte Sachverständigengutachten (§ 321 FamFG), ärztliche Stellungnahmen oder sonstige Zeugenaussagen zu würdigen (Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 319 Rn. 1; MünchKommZPO/ Schmidt-Recla 3. Aufl. § 319 FamFG Rn. 1; OLG Hamm FamRZ 2008, 1116, 1117). Die Pflichten aus § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten daher gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren (MünchKommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 319 FamFG Rn. 3; Heiderhoff in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 319 Rn. 8).
12
aa) Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht jedoch von der Durchführung einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Obwohl das Beschwerdeverfahren als volle Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, stellt es § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG in das pflichtgemäße Ermessen des Beschwerdegerichts, in welchem Umfang es Ermittlungen und Beweiserhebungen wiederholt (Keidel/ Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 57 f.; Gutjahr in BeckOK FamFG [Stand: 1. August 2010] § 68 Rn. 44). Die Vorschrift dient der effizienten Nutzung gerichtlicher Ressourcen in der Beschwerdeinstanz, indem unnötige doppelte Beweisaufnahmen verhindert werden und auf die Durchführung eines Termins verzichtet werden kann, wenn die Sache bereits in der ersten Instanz im erforderlichen Umfang mit den Beteiligten erörtert wurde (BT-Drucks. 16/6308 S. 207 re. Sp.).
13
§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; BGHZ 184, 323, 329 = FGPrax 2010, 154 Rn. 13; vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 138/10 - BtPrax 2010, 278 Rn. 6). Macht das Be- schwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 59; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 68 Rn. 16; Gutjahr in BeckOK FamFG § 68 Rn. 44; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 495 zu §§ 69 i Abs. 6, 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG).
14
bb) Im Beschwerdeverfahren kann allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 57). In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen oder das gesamte Verfahren wiederholen (Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 68 Rn. 57; Gutjahr in BeckOK FamFG [Stand: 1. August 2010] § 68 Rn. 40). Dies gilt insbesondere dann, wenn das erstinstanzliche Gericht bei der Anhörung des Betroffenen zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat (Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 68 Rn. 8; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 495 zu §§ 69 i Abs. 6, 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG). Die Anhörung des Betroffenen in Unterbringungsverfahren nach § 319 Abs. 1 FamFG dient der Verwirklichung der in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechte eines Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen. Danach darf die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die Anhörung des Betroffenen nach § 319 Abs. 1 FamFG vor der Entscheidung über die Unterbringung gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten i.S.v. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 319 Rn. 1). Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhörung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.
15
b) Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlagen hätte das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall nicht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen dürfen, weil die vom Betreuungsgericht am 27. Mai 2010 durchgeführte Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet.
16
aa) Nach § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht in Unterbringungsverfahren dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Dieser Verpflichtung ist das Betreuungsgericht nur unzureichend nachgekommen, weil die Bestellung des Beteiligten zu 1 zum Verfahrenspfleger erst mit dem Beschluss erfolgte , mit dem das Betreuungsgericht zugleich abschließend über die Verlängerung der Unterbringung des Betroffenen entschieden hat.
17
bb) Zu welchem Zeitpunkt ein Verfahrenspfleger in Unterbringungssachen zu bestellen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Grundsätzlich muss die Bestellung jedoch so frühzeitig erfolgen, dass der Verfahrenspfleger noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann (BayObLG FamRZ 2000, 566; OLG Hamm FamRZ 2000, 494; OLG Naumburg FamRZ 2008, 186 jeweils zu § 70 b FGG; MünchKommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 317 Rn. 10; Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 317 Rn. 7; Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 2. Aufl. § 317 Rn. 11; Bassenge/Roth FamFG/RpflG 12. Aufl. § 317 Rn. 7; Diekmann in Jurgeleit Betreuungsrecht 2. Aufl. § 317 Rn. 8).
18
cc) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Unterbringungssache soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 89, 171 zu § 70 b FGG). Der Betroffene soll bei den besonders schwerwiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden (BT-Drucks. 11/4528 S. 93 zu § 70 b FGG). Der Verfah- renspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen (MünchKommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 317 FamFG Rn. 11; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 317 Rn. 8; BayObLG FamRZ 2002, 629 zu § 70 b FGG; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 182, 116, 135 f. = FamRZ 2009, 1656 Rn. 43 ff.).
19
Dies gebietet es zumindest dann, wenn das Betreuungsgericht bereits vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit einer Verfahrenspflegerbestellung erkennen kann, in Unterbringungssachen regelmäßig den Verfahrenspfleger bereits vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen (Bassenge/Roth FamFG/RpflG 12. Aufl. § 317 FamFG Rn. 7; für eine grundsätzliche Bestellung eines Verfahrenspflegers in Unterbringungssachen MünchKommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 317 FamFG Rn. 4). Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (BayObLG FamRZ 2002, 629). Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu (§ 320 Satz 1 i.V.m. § 315 Abs. 2 FamFG). Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (OLG Naumburg FamRZ 2008, 186; OLG Hamm FamRZ 2000, 494, 496; Bassenge/Roth FamFG/RpflG 12. Aufl. § 317 Rn. 7).
20
dd) Im hier zu entscheidenden Fall ist das Betreuungsgericht diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.
21
Das erkennende Betreuungsgericht hat bereits in dem vorangegangenen Unterbringungsverfahren dem Betroffenen den Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger bestellt und damit die Voraussetzungen des § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG für gegeben erachtet. Da sich nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen der Gesundheitszustand des Betroffenen während der erstmaligen Unterbringung nicht wesentlich verbessert hat, lagen bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens auf Verlängerung der Unterbringung für das Betreuungsgericht ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene zur Wahrnehmung seiner Rechte die Hilfe eines Verfahrenspflegers benötigt. Dennoch hat das Betreuungsgericht den Beteiligten zu 1 erneut erst in der abschließenden Entscheidung über die Unterbringung zum Verfahrenspfleger bestellt. Wie sich aus dem Protokoll der Anhörung des Betroffenen vom 27. Mai 2010 ergibt , war der Beteiligte zu 1 auch nicht aufgrund seiner Bestellung in dem vorangegangenen Unterbringungsverfahren bei der Anhörung des Betroffenen anwesend. Das Betreuungsgericht hat daher mit der Anhörung des Betroffenen eine zentrale Verfahrenshandlung ohne Beteiligung eines Verfahrenspflegers durchgeführt. Damit hat es die Rechte des Betroffenen erheblich verkürzt. Dies führt zur Verfahrensfehlerhaftigkeit der Anhörung und dazu, dass das Beschwerdegericht nicht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der Anhörung des Betroffenen absehen durfte.
22
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Anhörung des Betroffenen unter Beteiligung seines Verfahrenspflegers nachzuholen ist. Da die Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund Erfolg hat, kann die weitere von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob das Kurzgutachten der behandelnden Ärztin vom 27. Mai 2010 den Anforderungen des § 321 Abs. 1 FamFG genügt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - zur Veröffentlichung bestimmt und Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 321 Rn. 4) dahingestellt bleiben.
Hahne Dose Klinkhammer
Schilling Günter

Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 27.05.2010 - 4 XVII H 15914 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 30.06.2010 - 7 T 300/10 -

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in N. vom 31. März 2010 –Az. – wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.

4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am 31. August 2000 geschlossenen und seit dem 20. Oktober 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der im August 1976 geborenen Mutter und des im Juni 1968 geborenen Vaters ist die verfahrensbetroffene Tochter S. S., geboren am 00.00. 2000, hervorgegangen. S. lebt seit der Trennung der Eltern am 15. Mai 2007 bei der Mutter. Diese ist aus einer vorangegangenen Beziehung Mutter der weiteren Tochter S. M. L., geboren am 00.00. 1999, für die sie die alleinige elterliche Sorge innehat und die bei ihr wohnt.

In dem vor dem Familiengericht N. zwischen den Eltern geführten Verfahren Az. übernahm der Vater in einem Vergleich am 13. Juli 2007 die Verpflichtung, sich der Mutter – mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Kontakte zur Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern S. und S.M.L. sowie nach ausdrücklicher Vereinbarung – nicht mehr auf weniger als 50 Meter zu nähern, diesen Abstand im Falle zufälligen Zusammentreffens sofort wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Mutter zu bedrohen, zu beschimpfen und zu schlagen.

Dem lag ein Vorfall zugrunde, wegen dem der Vater im Strafverfahren Az. Amtsgericht N. mit Urteil vom 28. Januar 2009 der – zum Nachteil der Mutter begangenen – vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden wurde. Deswegen wurde er – unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Vater vom 7. Oktober 2009 bis zum 6. Mai 2010. Im Urteil ist festgestellt, dass sich der Vater am 15. Juni 2007 wegen des Sorge- und Umgangsrechts für S. mit der Mutter stritt und der Mutter derart heftig ins Gesicht schlug, dass diese im Bereich der Nase und der Lippe zu bluten begann.

Aus dem bei diesen Strafakten befindlichen Urteil des Amtsgerichts S. vom 7. Mai 2008 –Az.) – gehen zahlreiche, bis in das Jahr 1991 zurückreichende Vorstrafen des Vaters hervor, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung, wegen derer der Vater auch schon mehrfach Strafhaft erlitten hat. Letztmals hatte er bis November 2005 eine Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten verbüßt.

Mit Beschluss vom 20. September 2007 –Az., Az. und Az. – übertrug das Familiengericht S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. im Einvernehmen der Eltern auf die Mutter.

In der vorliegenden, vom vormaligen Scheidungsverbund, der am 4. Juli 2007 eingeleitet worden war, abgetrennten Folgesache Sorgerecht hat die Mutter beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für S. zu übertragen.

Der Vater hat um Zurückweisung des – vom Kreisjugendamt unterstützten – Antrags gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen.

Mit seiner gegen diesen ihm am 16. April 2010 zugestellten Beschluss gerichteten, am 30. April 2010 beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde beantragt der Vater, den angefochtenen Beschluss „aufzuheben“ und sucht um Bewilligung von „Verfahrenskostenhilfe“ für das Beschwerdeverfahren nach.

Das Jugendamt hat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen. Die Mutter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten Az. und Az. des Amtsgerichts S., Az. und Az. des Amtsgerichts N. sowie Az. der Staatsanwaltschaft S. vorgelegen.

II.

Die Senatsentscheidung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.).

Der nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässigen Beschwerde des Vaters bleibt ein Erfolg versagt.

Zu Recht, auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens und mit wohlerwogener Begründung hat das Familiengericht der Mutter – über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehend – nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für S. übertragen.

Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 75, 201; 61, 358). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 107, 150; 84, 168). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfGE 107, 150; BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592). Insbesondere auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 107, 150; 92, 158; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvQ 4/10 –, juris).

Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker S. 1065). Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen; ein solcher findet sich auch nicht in der Regelung des § 1671 BGB wieder. Genauso wenig kann vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (vgl. BVerfGE 107, 150; BGH FamRZ 2008, 592; 1999, 1646).

Freilich schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung des Sorgerechts aus; vielmehr kommt es darauf an, welche Auswirkungen eine fehlende Einigung bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Besteht zwischen den Eltern in den Grundlinien der Erziehung Einvernehmen und streiten sie nur über Nebenfragen, so besteht ebenso wenig Anlass, die gemeinsame Sorge aufzuheben, wie wenn unbeschadet bestehender Meinungsverschiedenheiten eine Kooperation auf der Elternebene noch möglich ist (BGH FamRZ 2008, 592). Denn aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, ist eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH FamRZ 2008, 592).

Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BGH FamRZ 2008, 592).

Muss hiernach die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, so haben sich die Gerichte allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit Teilentscheidungen – als milderes Mittel – zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015; BGH FamRZ 2005, 1167; vgl. zum Ganzen auch Senatsbeschluss vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385 m.w.N.).

Diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben hält die vom Familiengericht erkannte Aufhebung der gemeinsamen Sorge der Eltern für S. stand.

Bei den hier gegebenen Umständen ist eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen – auch in Teilbereichen – nicht mehr in einer Art und Weise möglich, die bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistete.

Angesichts der angezeigten kindeswohlzentrierten Betrachtungsweise kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern auf dem Verhalten vornehmlich eines Elternteils beruht. Unbeschadet dessen ist die Ablehnung der Mutter, sich mit dem Vater hinsichtlich wesentlicher Kindeswohlbelange auszutauschen und ein Einvernehmen anzustreben (§ 1687 S. 1 i.V.m. § 1627 BGB), leicht nachvollziehbar. Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren mit deutlichen Worten die Verantwortung für die Kommunikationsunfähigkeit der Eltern allein der Kindesmutter zuzuweisen versucht, entbehrt dies angesichts der von ihm gegen die Mutter begangenen Straftat einer belastbaren Grundlage, zumal das Familiengericht N. gegen den Vater mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 16. Dezember 2008 –Az. – ein Ordnungsgeld von 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verhängt hat, weil dieser der Mutter am Wochenende vom 29. auf den 31. Dezember 2007 im Beisein beider Kinder auf die Lippe geschlagen und sie am folgenden Wochenende bei Übergabe der Kinder als Kanakenhure beschimpft und ihr gedroht habe, sie in eine Schaufensterscheibe zu werfen und sie umzubringen.

Die soziale Beziehung der Eltern für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist hier nicht mehr tragfähig und zerrüttet. Der Mutter wäre es bei den gegebenen Umständen nicht zumutbar, hielte man sie an der gemeinsamen Sorge mit dem Vater fest. Es stünde dann vielmehr konkret zu erwarten, dass sich dies auch auf die Kinder nachteilig auswirkt, zumal weitere Angriffe des Vaters auf die Mutter zu befürchten sind. Denn dem Vater kann hinsichtlich seiner Gewaltbereitschaft nur eine negative Prognose bescheinigt werden. Er hat sich trotz des Ende 2007 – wie ihm bekannt war – bereits laufenden Strafverfahrens wegen des Vorfalls vom 15. Juni 2007, in dem er angesichts seiner erheblichen Vorstrafen mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechnen musste, dazu hinreißen lassen, erneut gegenüber der Mutter gewalttätig zu werden. Auch im jüngsten Strafvollstreckungsverfahren wurde eine Aussetzung der Vollstreckung seiner Reststrafe nach zwei Dritteln der Strafverbüßung mit Beschluss vom 27. Januar 2010 –Az. – wegen Fehlens einer günstigen Prognose abgelehnt.

Soweit der Vater im Beschwerdeverfahren in Abrede stellt, dass sein Alkoholproblem stationärer Behandlung bedarf, stellt er sich in diametralen Widerspruch zu seinen Äußerungen vor seiner jüngsten Haftentlassung, die in der Strafakte Az. in der Anhörungsniederschrift der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts S. vom 27. Januar 2010 niedergelegt sind. Dort hat er eingeräumt, eine Alkoholproblematik zu haben, und bekundet, er wolle eine Therapie in der Entzugsklinik T. absolvieren, habe diesbezüglich aber noch keine Bemühungen unternommen. Dies legt im Zusammenhang mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 11. Juli 2008 im Verfahren Az. ein beredtes Zeugnis ab. Darin wird dem Vater eine krankheitswertige Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.2) bescheinigt und eine hinreichende Chance einer Entwöhnungsbehandlung nur im Rahmen einer mehrmonatigen stationären Maßnahme gesehen. Der Sachverständige hat auch die Befürchtung geäußert, dass der Vater – dem der Gutachter eine impulsive Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat – unter dem Einfluss größerer Mengen Alkohol zu unbedachten Handlungen neigt, die auch das Kindeswohl erheblich gefährden können.

In Ansehung dessen hat sich der Vater im Verfahren Az. in einem Zwischenvergleich vom 19. März 2010 dazu verpflichtet, eine Beratung hinsichtlich seiner Alkoholproblematik in Anspruch zu nehmen, entsprechende Blutwertkontrollen vorzunehmen und dem Jugendamt und dem Gericht bis zum 30. Juni 2010 entsprechende Bescheinigungen vorzulegen. Sein Vortrag im Beschwerdeverfahren, er unterziehe sich einer „ambulanten Therapie“ bei der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle der Caritas, wird – worauf der Senat hingewiesen hat – von der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 17. Mai 2010 nicht getragen. Aus dieser geht nur hervor, dass der Vater an diesem Tag an der „offenen Sprechstunde“ teilgenommen hat. Ob er weitere Termine wahrgenommen hat und was Inhalt dieser Sprechstunde ist, erhellt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Hinweis des Vaters darauf, der Anstaltsarzt habe bescheinigt, dass eine behandlungsbedürftige Suchterkrankung nicht vorliege, ist ebenfalls unbehelflich. Aus dem zur Stützung dieser Behauptung vorgelegten Attest vom 5. März 2010 geht nur hervor, dass beim Vater bei Aufnahme keine Alkoholentzugszeichen festgestellt und keine Entzugsmedikamente verordnet worden seien. Dies sagt – auch in Gesamtschau mit dem vorgelegten Laborbericht vom 24. Juni 2010 – nichts über die Rückfallgefährdung des Vaters für den Fall aus, dass er die vom Sachverständigen für notwendig erachtete stationäre Therapie nicht in Angriff nimmt.

Dem Vorwurf des Vaters, die Mutter hintertreibe seinen Umgang mit S. und S. M. L., kommt – unabhängig von seiner Berechtigung, für die es an greifbaren Anhaltspunkten fehlt – keine entscheidende Bedeutung zu. Die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist nicht Voraussetzung für das hiervon unabhängig bestehende Umgangsrecht des Vaters, über dessen Ausgestaltung die Eltern im Verfahren Az. hinsichtlich beider Kinder streiten. Dort wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass das Umgangsrecht des Vaters mit S. M. L. nur aus § 1685 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB folgen kann, also die Feststellung voraussetzt, dass der Umgang dem Wohl S. M. L. dient. Dies wird angesichts ihrer in der Kindesanhörung vor dem Familiengericht deutlich zum Ausdruck gekommen ablehnenden Haltung und der Bedeutung des Willens eines inzwischen elfjährigen Kindes (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737 m.w.N.) genauer Prüfung bedürfen.

Insoweit, als sich der Vater auf den Willen S. und ihre enge emotionale Bindung zu ihm beruft, deutet zwar das Ergebnis der erstinstanzlichen Kindesanhörung jedenfalls auf Letzteres hin. Indessen hat dies im Lichte der dargestellten Aspekte bei der Frage der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein durchschlagendes Gewicht, wohl aber bei der Ausgestaltung des dem Vater – insoweit nach § 1684 Abs. 1 BGB – zustehenden Umgangsrechts.

Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nur in Teilbereichen dient vorliegend trotz des zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dem Wohle S.. Es ist aus den vorgenannten Gründen davon auszugehen, dass sich diese besser entwickeln wird, wenn man das sorgerechtliche Band, das die Eltern miteinander verbindet, restlos durchtrennt.

Hat das Familiengericht hiernach zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge vollständig aufgehoben, so findet es ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass und warum es – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade der Mutter die Alleinsorge übertragen hat. Eine auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 gegründete Übertragung der Alleinsorge auf den Vater kommt schon mangels eines dahingehenden Antrags des Vaters, den § 1671 Abs. 1 BGB ausweislich seines Wortlauts zwingend voraussetzt, nicht in Betracht (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2010, § 1, Rz. 273 m.w.N.). Soweit der Vater auf Erziehungsdefizite der Mutter verweist – und sich in diesem Zusammenhang zu der Bewertung versteigt, diese würde durch die Übertragung der Alleinsorge „belohnt“ –, nimmt die Mutter die insoweit angezeigten Jugendhilfemaßnahmen ausweislich der Stellungnahme des Kreisjugendamts im Beschwerdeverfahren weiter in Anspruch, sodass es fern liegt, die elterliche Sorge nach § 1671 Abs. 3 BGB abweichend zu regeln.

Der Senat hat unter den gegebenen Umständen von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal der anwaltlich vertretene Vater keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit – von ihm auch nicht angeregter – erneuter Anhörung sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschlüsse vom 18. Februar 2010 – 6 UF 96/09 – , vom 17. Dezember 2009 – 6 UF 92/09 – und vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –, FamRZ 2010, 1092).

Nach alledem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Dem Vater war die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte (richtig:) Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels zu verweigern (§ 14 FGG i. V. m. § 114 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 621e Abs. 2 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO).

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.