Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 17. Mai 2017 - 3 L 186/14
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14. August 2014 – 2 A 777/13 – wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen den Teilwiderruf einer ihr von dem Beklagten erteilten Baugenehmigung für ein Vogelhaus zur Papageienhaltung.
- 2
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 widerrief der Beklagte seine der Klägerin am 3. März 2011 unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Vogelvoliere zur Haltung von Papageien, soweit diese eine Haltung von mehr als zwei Papageien gestattete. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2013 zurück. Die gegen die Bescheide eingelegte Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. August 2014 – 2 A 777/134 – nach Durchführung einer Inaugenscheinnahme ab.
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Nach Zustellung des Urteils am 1. September 2014 hat die Klägerin rechtzeitig am 24. September einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, den sie ebenfalls rechtzeitig am 30. Oktober 2014 begründet hat.
II.
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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist jedoch unbegründet und war deshalb abzulehnen.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).
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1. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.
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Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein.
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Soweit die Klägerin rügt, die Behörde habe ausdrücklich nicht die Baugenehmigung zurücknehmen wollen, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Gericht hat nämlich offen gelassen, ob der Widerruf mit einem möglichen Verstoß gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot begründet werden könnte und den angefochtenen „Widerrufs“bescheid gemäß § 47 VwVfG M-V in eine Teilrücknahme nach § 48 VwVfG umgedeutet. Dass die Voraussetzungen einer Umdeutung bzw. der Rücknahme eines teilweise rechtswidrigen Verwaltungsaktes durch das G e r i c h t nicht vorliegen, hat die Klägerin nicht gerügt. Soweit sie Ausführungen dazu macht, dass die beklagte Behörde ihren Bescheid widerrufen und nicht teilweise zurücknehmen wollte, stellt sie die Umdeutung durch das Verwaltungsgericht nicht in Frage. Unter den Voraussetzungen des § 47 VwVfG sind auch die Verwaltungsgerichte ermächtigt, Verwaltungsakte umzudeuten (vgl. VGH München, B. v. 24.10.2008 - 9 ZB 05.3209 - BayVBl 2010, 543). Eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes ist damit nicht verbunden (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 09.04.2009 – 3 B 116/08 –, juris). Von diesem Ausgangspunkt kommt es auch nicht darauf an, ob neue Erkenntnisse des Beklagten zu der Aufhebungsentscheidung geführt haben, da hier § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG MV (durch das Gericht) nicht angewandt wird.
- 9
Die Klägerin trägt weiter vor, dass – wenn man der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts folge – die Haltung von mehr als zwei Papageien in einem allgemeinen Wohngebiet überhaupt nicht zulässig wäre. Es liege auf der Hand, dass diese Rechtsauffassung (des Verwaltungsgerichts) nicht haltbar sei. Mit diesem Vortrag fehlt es schon an der Darlegung von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit einer solchen Auffassung. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht diesen Rechtsgrundsatz nicht aufgestellt. Es hat nämlich darauf abgestellt, dass die Haltung von mehr als zwei Papageien in einem allgemeinen Wohngebiet auch unter Berücksichtigung der h i e r maßgeblichen Baugebiets nicht üblich ist.
- 10
Auch geht der weitere Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe gar keine Ermessensentscheidung getroffen, sondern sich zur Begründung der angefochtenen Entscheidung auf seinen Widerrufsvorbehalt bezogen, ins Leere. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass eine Ermessensentscheidung schon daraus ersichtlich ist, dass er die Baugenehmigung nicht insgesamt, sondern lediglich teilweise widerrufen habe. Dass sein Ermessen dabei auf einen Widerruf und nicht auf eine Rücknahme orientiert ist, steht dem nicht entgegen, insbesondere widerspricht der Rücknahmebescheid, in den der Widerrufsbescheid umgedeutet worden ist, nicht der erkennbaren Absicht der erlassenen Behörde (vgl. § 47 Abs. 2 VwVfG M-V).
- 11
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass das Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme hätte anordnen müssen, wobei die Anordnung einer Lärm-/ Schallpegelmessung nahe gelegen hätte, fehlt es wiederum an einer Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin übersieht hier zunächst, dass das Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme tatsächlich durchgeführt hat, nämlich durch Inaugenscheinnahme der Vogelvoliere und der Ortslage am 14.08.2014.
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Entscheidend ist indes, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen hat, ob ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO vorliegt. Maßgebend stellt das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die dort zitierte Rechtsprechung darauf ab, dass eine Voliere mit mehr als zwei Papageien in dem hier betroffenen allgemeinen Wohngebiet und der hier gegebenen Größe der Anlage nicht mehr als eine in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässige Nebenanlage i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 2 BauNVO angesehen werden kann. Es komme nicht darauf an, ob die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm eingehalten würden.
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2. Auch der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist mit dem o. g. Vortrag, auf den die Klägerin hierfür Bezug nimmt, nicht dargelegt.
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Die Klägerin macht einen Aufklärungsmangel geltend. Eine Aufklärungsrüge kann grundsätzlich als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend gemacht werden. Zwar ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Daneben besteht jedoch auch im Verwaltungsprozess die Prozessförderungspflicht der Beteiligten (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Abs. 4 VwGO sowie § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. den §§ 130 Nrn. 3 bis 5 und 138 Abs. 1 ZPO): Im Grundsatz hat jeder Prozessbeteiligte den Prozessstoff umfassend vorzutragen; das gilt insbesondere für die in seine Sphäre fallenden Ereignisse. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, obwohl ihm das ohne weiteres möglich und zumutbar wäre, so hat dies grundsätzlich in gewissem Umfang eine Verringerung der Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Gerichts zu Folge. Namentlich wenn die eigenen Angaben eines Beteiligten zu erkennbar erheblichen und in seiner Sphäre liegenden Umständen widersprüchlich oder unstimmig sind, können weitere Ermittlungen des Verwaltungsgerichts nicht veranlasst sein. Ist ein Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertreten, so darf von ihm erwartet werden, dass er mit allen dafür zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln auf eine ihm geboten erscheinende gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts hinwirkt. Deshalb und weil die Darlegungspflicht des Zulassungsantragstellers dem Revisionsrecht nachgebildet ist, sind in einem solchen Falle an die zur Erhebung einer Aufklärungsrüge nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegungen keine geringeren Anforderungen zu stellen, als an die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Der Zulassungsantragsteller muss daher substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände der Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B. v. 20. 9. 2007 -, 4 B 38.07).
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Dass die Klägerin Beweisanträge zur Einholung eines Sachverständigengutachtens in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gestellt hat, trägt sie nicht vor und ist auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich.
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Einer Beweiserhebung ist im Übrigen die Frage nicht zugänglich, ob der Beklagte sein Ermessen ausgeübt hat. Es handelt sich um eine Rechtsfrage.
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3. Letztlich dringt die Klägerin auch nicht mit ihrem Vortrag durch, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerfG 3. Kammer 1. Senat, B. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06). Die Zulassungsschrift - gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz - muss somit eine klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufwerfen, von der zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Berufungsverfahren dazu dienen kann, diese Sach- oder Rechtsfrage in über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu klären und dadurch die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die angesprochene Frage muss zudem entscheidungserheblich sein. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
- 19
Dass die von ihr aufgeworfene Frage, ob und in welchem Umfang die Haltung von Papageien in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei, umstritten sei und eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern hierzu bislang nicht existiere, rechtfertigt eine Zulassung der Berufung nicht. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung greift auf die Grundsätze des BVerwG zurück, wonach § 14 Abs. 1 S. 2 BauNVO als Annex zum Wohnen eine Kleintierhaltung nur zulässt, wenn sie in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nach Art und Anzahl der Tiere nicht sprengt (vgl. BVerwG, B. v. 15.10.1993 - 4 B 165.93 -, BRS 55 Nr. 51). Weiterhin ist maßgebend, ob im Einzelfall die Üblichkeit der Kleintierhaltung abweichend von der typisierenden Betrachtung bejaht werden kann, wenn eine konkrete Betrachtung ergibt, dass in der Nachbarschaft vergleichbare Nutzungen vorhanden sind und sich die Bewohner des Baugebiets damit abgefunden haben (OVG Münster, B. v. 08.01.2014 - 2 B 1196/13 - NVwZ-RR 2014, 376; vgl. auch OVG Münster, U. v. 18.02.2016 – 10 A 985/14 – BauR, 2016, 1123; vgl. zur Genehmigung eines Vogelhauses zur hobbymäßigen Sittichzucht in einem noch ländlich geprägten Wohngebiet: VG Regensburg, U. v. 20.12.2012 – RO 2 K 12.1562 – juris; siehe auch zur Überschreitung des üblichen Maßes nach Art und Umfang einer Haltung von 9 Kakadus in einem reinen Wohngebiet: OVG Münster, B. v. 08.01.2014 – 2 B 1196/13 – NVwZ-RR 2014, 376). Diese Betrachtung, die das Verwaltungsgericht angestellt hat (Seite 7 2. Absatz des Umdrucks) führt zu einer Einzelfallbewertung, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
- 21
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
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Hinweis:
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 17. Mai 2017 - 3 L 186/14
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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 17. Mai 2017 - 3 L 186/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tenor
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Tenor
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Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2009 - 13 A 476/08, 13 A 477/08 und 13 A 478/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
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Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2009 - 13 A 798/09, 13 A 799/09 und 13 A 800/09 - gegenstandslos.
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...
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 24.000 € (in Worten: vierundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in einer postregulierungsrechtlichen Streitigkeit.
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I.
- 2
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Gemäß § 19 Satz 1 des Postgesetzes (PostG) bedürfen Entgelte, die ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen (vgl. § 5 Abs. 1, § 51 PostG) erhebt, der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde, sofern der Lizenznehmer auf dem betreffenden Markt marktbeherrschend ist. "Maßstäbe der Entgeltgenehmigung" enthält § 20 PostG.
- 3
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Die "Arten und Verfahren der Entgeltgenehmigung" regelt § 21 PostG; nach dessen Absatz 1 genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte (entweder) auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (Nr. 1) oder auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienstleistungen (Nr. 2, sog. Price-Cap-Regulierung).
- 4
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Nach § 23 Abs. 1 PostG ist der Lizenznehmer verpflichtet, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen. Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, sind mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist, so sind die Verträge unwirksam (§ 23 Abs. 2 PostG).
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II.
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1. Am 26. Juli 2002 beschloss die (damalige) Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), die der Price-Cap-Regulierung (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG) unterliegenden Dienstleistungen der "Deutsche Post AG", der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens der vorliegenden Verfassungsbeschwerde, entsprechend § 1 Abs. 2 der Post-Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) in drei Körbe zusammenzufassen. Die vom Beschwerdeführer, einem eingetragenen Verein, der nach seinen Angaben Kunde der Beigeladenen ist, hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln ab. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil blieb erfolglos (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. November 2004 - 13 A 4245/03 -, juris).
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2. Mit Beschluss vom 12. September 2002 (Amtsblatt der RegPT 2002, S. 1448) genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die von der Beigeladenen zur Genehmigung vorgelegten Entgelte für das Jahr 2003. Entsprechende Beschlüsse ergingen am 24. September 2003 (Amtsblatt der RegTP 2003, S. 1193) für das Jahr 2004 und am 23. November 2004 (Amtsblatt der RegTP 2004, S. 1874) für das Jahr 2005.
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3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Genehmigungsbeschlüsse jeweils Klage, die vom Verwaltungsgericht Köln mit in der Begründung gleichen Urteilen vom 16. und 27. November 2007 abgewiesen wurde.
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Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Beschwerdeführer klagebefugt. Zwar sei er nicht Adressat der Entgeltgenehmigung. Doch könne der angefochtene Beschluss in seine Rechte eingreifen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf einen möglichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber Kunden der Beigeladenen wie dem Beschwerdeführer sei bei dem angefochtenen Beschluss anzunehmen. Dies folge aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthielten, mit der Maßgabe wirksam würden, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts trete, und die Verträge unwirksam seien, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehle, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig sei. Danach stehe den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht entschieden, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets die Klagebefugnis habe, um gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis sei aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kunde - wie hier der Beschwerdeführer - geltend mache, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle. Hinzu komme, dass eine Überprüfung der Entgelte durch die Zivilgerichte ausgeschlossen sei.
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Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Ob er im Übrigen rechtmäßig sei, könne deshalb dahinstehen. Ein subjektives Recht des Beschwerdeführers ergebe sich nicht aus den Vorschriften des PostG. Auch Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Zwar könne ein Verwaltungsakt, der ein Privatrechtsverhältnis unmittelbar gestalte, das von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Recht der Vertragsfreiheit verletzen. Dem Schutzbereich der Norm unterfalle prinzipiell auch die Freiheit, den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der Gegenseite auszuhandeln. Allerdings gewährleiste Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung in diesem Sinne gehörten alle formell und materiell im Einklang mit der Verfassung stehenden Rechtsnormen. Für eine Berufung auf die grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit sei daher kein Raum, soweit diese Freiheit durch ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und inhaltlich verfassungsgemäßes Gesetz eingeschränkt sei. Dies sei durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung von marktbeherrschenden Unternehmen, insbesondere die §§ 19 bis 23 PostG geschehen.
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4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts und machte dabei neben dem Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Es fehle eine höchstrichterliche Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, so dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolge.
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5. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 19. März 2009 verband das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und lehnte die Anträge auf Zulassung der Berufung ab.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des Verwaltungsgerichts ergäben sich nicht daraus, dass dieses zwar die Klagebefugnis des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit einer fehlenden Überprüfbarkeit behördlich genehmigter Entgelte durch die Zivilgerichte angenommen, eine tatsächliche Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG aber nicht bejaht habe.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei ebenfalls nicht gegeben. Angesichts des dargelegten Ausgangspunkts der fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen subjektiven Rechten werde eine über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige und der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienende Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aufgezeigt. Bei diesem Ansatz sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei höchstrichterlich zu klären, dass Postkunden ein Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, nicht relevant. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts beruhten auf einer individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Beschwerdeführer.
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6. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde weiterhin angegriffenen Beschluss vom 23. Juni 2009 wies das Oberverwaltungsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 19. März 2009 zurück.
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III.
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1. Mit seiner am 22. Juli 2009 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Daneben macht er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
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Das Oberverwaltungsgericht habe § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise falsch angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Für die Entscheidung sei eine klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage entscheidungserheblich gewesen, die sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen könne und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühre.
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Das Oberverwaltungsgericht setze sich mit seinem Beschluss diametral in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2007 (I ZR 125/04, NVwZ-RR 2008, S. 154). Nach dessen Auffassung führe die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts über die Entgeltfestsetzung dazu, dass eine zivilrechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltfestsetzung nicht möglich sei. Es sei, so der Bundesgerichtshof, mit Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht zu vereinbaren, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre.
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Im Ergebnis verweigere das Oberverwaltungsgericht die vom Bundesgerichtshof aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes hergeleitete materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigung. Vom Bundesverwaltungsgericht sei die Frage bislang ersichtlich nicht entschieden worden.
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2. Die Beigeladene des Ausgangsverfahrens meint, die Verfassungsbeschwerde müsse schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil der Beschwerdeführer den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend begründet habe. In der Begründung des Berufungszulassungsantrags fänden sich weder Ausführungen dazu, ob und inwieweit sich die Frage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lasse, noch werde die Frage der Klärungsbedürftigkeit erschöpfend begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Übrigen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.
- 20
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3. a) Dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
- 21
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b) Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Postrecht zuständigen 6. Revisionssenats übermittelt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Nichtzulassungsentscheidung äußert. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Rechtsauffassung der Vorinstanz führe dazu, dass die privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung für den Drittanfechtungskläger dann keine Rechtskreiserweiterung gegenüber eventuell ohnehin bestehenden subjektiven Rechten aus einfachem Recht bewirke, wenn das Regulierungsregime für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation eingreife. Dieser Rechtsstandpunkt sehe sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass es (jedenfalls) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten nicht nur eine zivilrechtliche Kontrolle, sondern auch eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt bliebe; dies lasse an der Richtigkeit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts immerhin zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Davon abgesehen dürfte die in Rede stehende Begrenzung der subjektiven Rechte des Vertragspartners des regulierten Unternehmens im Anwendungsbereich sowohl des § 23 Abs. 2 PostG als auch des § 37 Abs. 2 TKG weit über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung erlangen, was eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nahegelegt hätte.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat, wie sich aus der nachfolgenden Begründung ergibt, die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Berufungszulassung im Verwaltungsprozess bereits hinlänglich geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 zulässig und offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Mit der Aufhebung dieses Beschlusses wird der Beschluss vom 23. Juni 2009 gegenstandslos.
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1. Unzulässig ist allerdings die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da sie nicht näher begründet worden ist.
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2. Zulässig ist hingegen die jedenfalls der Sache nach geltend gemachte Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Insbesondere hat der Beschwerdeführer in Bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dessen willkürliche Anwendung er ausschließlich rügt, den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft.
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Das Oberverwaltungsgericht beanstandet nicht, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hätte. Dafür ist auch nichts erkennbar.
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Zwar beschränkt sich der Beschwerdeführer insoweit in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die Forderung nach einer "höchstrichterlichen Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zusteht und dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolgt". Doch dürfen diese Ausführungen nicht isoliert betrachtet werden. Das verfassungsrechtliche Gebot, den Rechtsweg nicht in unzumutbarer Weise zu erschweren (ausführlich unten 3 b), zwingt die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe bei der Prüfung der Zulassungsgründe dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>). Infolgedessen müssen auch die eingehenderen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bereits in diesen hatte der Beschwerdeführer - jedenfalls der Sache nach - darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht sich noch nicht mit der Frage, ob dem Postkunden ein Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG zusteht, beschäftigt hat. Schon hiermit hatte der Beschwerdeführer eine konkrete, seiner Auffassung nach noch nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts offensichtlich von Bedeutung war. Bei seinen Ausführungen zum Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO griff er dies offensichtlich lediglich noch einmal auf und verwies zudem in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die Genehmigung der - hier in Rede stehenden - Postentgelte auch von Kunden angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156 [Rn. 27 ff.]>).
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Dass die Frage über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung hat, liegt auf der Hand. Sogar der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen im Ausgangsverfahren hält es für wünschenswert, "dass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen auch Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung werden, um sie so einer endgültigen Klärung zuzuführen" (vgl. Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 <1465>). Angesichts dessen bedurfte es im vorliegenden Fall keines ausdrücklichen Hinweises auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache.
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3. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Oberverwaltungsgericht hätte zur Klärung der Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, die Berufung zulassen müssen, da er das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ohne Verfassungsverstoß nicht verneinen konnte.
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a) Die vom Beschwerdeführer insofern in erster Linie auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch gestützte Rüge bezieht sich der Sache nach auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der für den Bereich des Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt - wie die im Ausgangsverfahren angefochtenen Entgeltgenehmigungen - speziellen Regelung (vgl. BVerfGE 107, 395 <403>).
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b) Wenn prozessrechtliche Vorschriften Rechtsbehelfe vorsehen, verbietet die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften, die die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 104, 220 <232>). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. BVerfGK 5, 369 <373>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164>) und dadurch die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. BVerfGK 5, 369 <374>; 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungen der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGK 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009, a.a.O.). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Berufung und damit in einem nächsten Schritt auch zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).
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c) Das Oberverwaltungsgericht hat den Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in sachlich nicht vertretbarer Weise angewandt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Es hätte der Rechtssache bei der gebotenen Berücksichtigung dieses Grundrechts grundsätzliche Bedeutung beimessen müssen.
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Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts geboten erscheint; der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>).
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Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, erfüllt diese Voraussetzungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit ihr noch nicht beschäftigt. Der Bundesgerichtshof hat sie - anders als das Verwaltungsgericht, jedoch ohne Bindung für dieses - bejaht. Der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge vom 23. Juni 2009, das Urteil des Bundesgerichtshofs enthalte keine Ausführungen zu den Zulässigkeits- und Begründetheitserfordernissen verwaltungsgerichtlicher Klagen, verkennt, dass sich angesichts des Standpunkts des Bundesgerichtshofs, der im Übrigen ersichtlich davon ausgeht, dass der Postkunde nicht nur klagebefugt ist, sondern auch und vor allem einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156>), die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit verengt hat.
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In der zur Zeit der angegriffenen Entscheidungen vorhandenen Literatur wurde die Frage auch unterschiedlich beantwortet (vgl. Lübbig, in: Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Auflage 2004, § 22 Rn. 65 ff. einerseits, Gramlich, CR 2000, S. 816 <823> andererseits; siehe neuerdings auch Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 ff.; Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 11 Rn. 74 mit Fn. 144; vgl. ferner Mayen, MMR 2000, S. 117 ff. zur telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung).
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Die Zuerkennung der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch die Verwaltungsgerichte ist für den Postkunden ohne Wert, wenn im Rahmen der Begründetheit der Klage ausschließlich darauf abgestellt wird, dass selbst bei Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts eine Verletzung in eigenen Rechten ausscheidet. Mit seinem Standpunkt stellt das Oberverwaltungsgericht den Beschwerdeführer, was die obergerichtliche und in einem sich dann möglicherweise anschließenden Revisionsverfahren höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Frage betrifft, praktisch rechtsschutzlos, da der Bundesgerichtshof insofern die Verwaltungsgerichte am Zuge sieht, bei diesen aber die Berufungszulassung verweigert wird.
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Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts dafür, dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen soll, ist nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer wollte offensichtlich geklärt wissen, ob ein Kunde der Beigeladenen einen Anspruch auf eine inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung hat. Das Oberverwaltungsgericht geht hingegen von der von ihm im Rahmen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angenommenen "fehlenden Verletzung des Klägers in eigenen subjektiven Rechten" sowie der "individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Kläger" aus. Dass sich der Beschwerdeführer von anderen Kunden der Beigeladenen unterscheiden soll, behauptet das Oberverwaltungsgericht indes nicht und ist auch nicht ersichtlich. Auch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (sowie des Verwaltungsgerichts) zur (angeblich) fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten gehen nicht vom Einzelfall aus, sondern beanspruchen ersichtlich Geltung für alle Postkunden und hätten deshalb einer grundsätzlichen Klärung bedurft.
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4. Da die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses bereits auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wegen der Nichtzulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Oberverwaltungsgericht mit der - vom Beschwerdeführer ohnehin nicht ausdrücklich gerügten - Verneinung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ebenfalls die Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzt hat.
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5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Der Wert von - hier wegen der drei Ausgangsverfahren dreimal - 8.000 € entspricht demjenigen, der in der Regel festgesetzt wird, wenn einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird. Er erscheint auch hier angemessen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden. Eine Festsetzung, die am Streitwert des Ausgangsverfahrens orientiert ist, ist nicht angezeigt, denn mit der stattgebenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist keine Vorwegnahme der nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht zu treffenden Entscheidung verbunden.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Ordnungsverfügung und der Gebührenbescheid der Beklagten vom 21. Juni 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladenen, diese als Gesamtschuldner, tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladenen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks B. (Gemarkung L., Flur 10, Flurstücke 320 und 372) in H., das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 70 „B.“ der Stadt H., der für das Grundstück der Klägerin und die umgebenden Grundstücke ein Reines Wohngebiet (WR) gemäß § 3 BauNVO festsetzt.
3Sie hat in dem auf dem Grundstück aufstehenden Wohngebäude mehrere Papageienvögel gehalten. Bereits am 27. Oktober 2005 hatte ihr die Bauaufsicht der Beklagten die Haltung aller exotischen Vögel auf ihrem Grundstück bestandskräftig untersagt. Zuvor hatte das Ordnungsamt der Beklagten am 20. Oktober 2004 der Klägerin ebenfalls bestandskräftig aufgegeben, sicherzustellen, dass die acht Papageien, die sie in ihrem Haus halte, die Ruhe der Anwohner nicht störten. Um diese Störungen zu vermeiden sei die Haltung im Freien beziehungsweise bei geöffneten Fenstern und/oder Türen nur in der Zeit zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr sowie von 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr zulässig. Außerhalb dieser Zeiten seien die Vögel in geschlossenen Räumen zu halten; sämtliche Fenster und Türen seien fest zu verschließen.
4Im Rahmen eines Ortstermins durch den Kreis L1. – Untere Landschaftsbehörde – am 17. Dezember 2012 wurde festgestellt, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt neun Kakadus in ihrem Wohngebäude hielt.
5Am 21. Juni 2013 erließ die Bauaufsicht der Beklagten die hier im Streit stehende Ordnungsverfügung, mit der sie die Klägerin aufforderte, bis zum 20. Juli 2013 die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf ihrem Grundstück einzustellen, die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnete und für den Fall, dass die Klägerin der Verfügung nicht oder nicht vollständig nachkommen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro androhte. Zur Begründung führte sie aus, es sei festgestellt worden, dass die Klägerin auf ihrem Grundstück neun Papageienvögel halte, was nach den Festsetzungen des Bebauungsplans unzulässig sei. Wegen ihrer besonderen Eigenart sei die Haltung von exotischen Vögeln im festgesetzten Reinen Wohngebiet nur bedingt gebietsverträglich und im Übermaß unzulässig. Durch die Vögel werde die Wohnruhe in einer mit dem Charakter eines Reinen Wohngebietes nicht zu vereinbarenden Weise empfindlich gestört. Der damit von der Klägerin verursachte formell und materiell baurechtswidrige Zustand stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gemäß § 3 BauO NRW dar. Da die Haltung nur eines Papageienvogels mit den Grundsätzen des Tierschutzrechts unvereinbar wäre, werde der Klägerin die Haltung von zwei Papageienvögeln zugestanden, was noch gerade gebietsverträglich sei. Wegen der bei der Haltung von zwei Papageienvögeln zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen der Nachbarschaft müssten aber geeignete Maßnahmen getroffen werden, um diese Lärmbeeinträchtigungen zu minimieren. Ebenfalls am 21. Juni 2013 erließ die Beklagte einen Gebührenbescheid für die Ordnungsverfügung in Höhe von 400 Euro.
6Die Klägerin hat am 15. Juli 2013 Klage erhoben und diese im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Es sei nicht ersichtlich, warum die Haltung von neun Papageienvögeln in einem Reinen Wohngebiet unzulässig sein sollte. Es liege insbesondere keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor. Lediglich in den vom Ordnungsamt festgelegten Zeiten zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr sowie zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr würden die Vögel ins Freie gelassen beziehungsweise die Fenster der Räume geöffnet, in denen sie sich aufhielten. Bei einer solchen Handhabung störten die Vögel die Wohnruhe nicht. Die Haltung der Papageienvögel sei sozialadäquat und baugebietskonform. Lediglich ein Raum ihres Hauses werde dafür genutzt. Die anderen Räume dienten ausschließlich Wohnzwecken. Ferner sei die in der Ordnungsverfügung genannte Frist zur Aufgabe der Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln deutlich zu kurz bemessen. Die Ordnungsverfügung sei auch unverhältnismäßig, da sie, die Klägerin, nur noch für eine Übergangszeit mit ihren Vögeln in dem Haus wohne und dieses ab Anfang 2014 vermieten werde.
7Den ebenfalls am 15. Juli 2013 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 20. September 2013 (11 L 1286/13) abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Nutzungsuntersagung finde ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 und 2 BauO NRW. Eine Baugenehmigung, die der Klägerin die Nutzung ihres Wohnhauses zur Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln erlaube, liege nicht vor. Die ausgeübte Nutzung sei auch nicht mehr von der bauaufsichtlichen Genehmigung zur Wohnnutzung umfasst, weil sie bauplanungsrechtlich keine der Wohnnutzung zu- und untergeordnete Nebennutzung darstelle. Die Haltung der Papageienvögel sei vielmehr materiell baurechtswidrig, weil sie gegen Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoße. In einem Reinen Wohngebiet seien gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude und gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienten und die seiner Eigenart nicht widersprächen. Hierzu gehörten grundsätzlich auch Anlagen zur Kleintierhaltung, jedoch nur, wenn die gehaltenen Kleintiere in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich seien und die Kleintierhaltung den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitgestaltung nicht überschreite. Zur Beantwortung der Frage der Üblichkeit sei regelmäßig eine typisierende Betrachtungsweise maßgeblich. Neben der Art der gehaltenen Tiere seien auch deren Zahl und das jeweils damit verbundene Störpotenzial zu berücksichtigen. Gemessen hieran sei die von der Klägerin ausgeübte Nutzung in dem maßgeblichen Reinen Wohngebiet unzulässig, weil sie nicht als üblich anzusehen sei. Eine vergleichbare Tierhaltung mit entsprechendem Störpotenzial sei in dem Gebiet ansonsten nicht vorhanden. Die Wohnruhe in der Umgebung werde durch die gehaltenen Papageienvögel erheblich beeinträchtigt. Papageienvögel zeigten ein erhebliches, überdurchschnittlich hohes Geräuschverhalten, so dass die Haltung von mehr als zwei Tieren in einem Reinen Wohngebiet nicht hinnehmbar sei. Die hier beanstandete Nutzung gehe über eine als sozialadäquat und dem Wohnen untergeordnete Haustierhaltung im Sinne einer typischen Freizeitbetätigung hinaus. Die für eine annähernd artgerechte Haltung von Papageienvögeln dieser Art und in dieser Anzahl mindestens erforderliche Nutzung eines ganzen Raumes zur Unterbringung der Tiere entziehe diesen Raum dem eigentlichen Wohnzweck gänzlich. Damit trete die Tierhaltung gegenüber der zulässigen Wohnnutzung deutlich hervor und überschreite den Rahmen, der für eine typische Freizeitgestaltung angemessen erscheine. Die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Nutzungsuntersagung sei auch nicht unverhältnismäßig. Auch der Gebührenbescheid sei rechtmäßig.
8Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Januar 2014 (2 B 1196/13) die hiergegen am 7. Oktober 2013 eingelegte Beschwerde zurückgewiesen.
9Die Klägerin zog im weiteren Verlauf des Verfahrens aus ihrem Haus aus und meldete sich am 27. Oktober 2014 mit neuem Wohnsitz in der Stadt S. an. Im Sommer 2015 zog sie zurück in ihr Haus und meldete sich am 1. August 2015 wieder in H. an. Seit dieser Zeit hält sie dort keine Papageienvögel.
10Während des laufenden Klageverfahrens wurden durch - mittlerweile bestandskräftige - Verfügung des Kreises L1. vom 24. Juni 2011 in Gestalt des Bescheides vom 14. Oktober 2011 vier der im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung von der Klägerin gehaltenen Papageienvögel aus artenschutzrechtlichen Gründen beschlagnahmt. Die noch verbliebenen Papageienvögel der Klägerin sind derzeit bei Dritten untergebracht.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Bescheide der Beklagten vom 21. Juni 2013 aufzuheben.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat zur Begründung auf die Ordnungsverfügung und den Gebührenbescheid verwiesen.
16Die Beigeladenen haben beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie haben sich im Wesentlichen dem Vortrag der Beklagten angeschlossen.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die in dem Eilverfahren ergangenen Beschlüsse Bezug genommen.
20Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vertiefend vor, dass die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 BauNVO nicht heranzuziehen sei, da die Papageienvögel hier nicht in einer untergeordneten Nebenanlage, sondern in dem Wohnhaus selbst gehalten würden. Auch eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 BauNVO scheide aus. Unzulässigen Immissionen jeglicher Art, die durch die Haltung von Tieren in Wohngebäuden entstünden, könne allein mit den Mitteln des allgemeinen Ordnungsrechts begegnet werden. Ferner sei die Begrenzung auf die Haltung von lediglich zwei Vögeln willkürlich und im baurechtlichen Sinn auch nicht erforderlich. Damit sei die Ordnungsverfügung auch unverhältnismäßig.
21Die Klägerin beantragt,
22das angefochtene Urteil zu ändern und die Ordnungsverfügung sowie den Gebührenbescheid der Beklagten vom 21. Juni 2013 aufzuheben.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Die Beigeladenen beantragen,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1-4) Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Berufung ist begründet.
30Die Klage ist zulässig.
31Die Klägerin ist durch die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 21. Juni 2013, mit der ihr aufgegeben worden ist, die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf ihrem Grundstück einzustellen, nach wie vor beschwert und daher klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Ordnungsverfügung hat ihre Wirksamkeit nicht verloren. Ein Verwaltungsakt bleibt nach § 43 Abs. 2 VwVfG NRW wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Ein Verwaltungsakt erledigt sich im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wenn die mit der Anfechtungsklage bekämpfte, den Kläger beschwerende Regelung wegfällt. Ob ein Wegfall der Beschwer eingetreten ist, ist nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsakts und nicht nach dem Klägerinteresse zu beurteilen.
32Vgl.OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 11 A 2734/93 –, juris, Rn. 23.
33Nach diesen Maßstäben hat sich die Ordnungsverfügung nicht erledigt. Sie dient nach ihrem objektiven Regelungsgehalt weiterhin der dauerhaften Verhinderung der Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf dem Grundstück der Klägerin. Diese Nutzung ist weder dadurch, dass die Klägerin nach Erlass der Ordnungsverfügung zeitweise nicht mehr auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück gewohnt hat, auf das sich Ordnungsverfügung bezieht, noch dadurch, dass sie derzeit, um der Ordnungsverfügung zu entsprechen, keine Papageienvögel auf diesem Grundstück hält, dauerhaft aufgegeben worden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Befragen erklärt, es sei für sie nicht ausgeschlossen, dass sie ‑ wenn sie mit ihrer Klage Erfolg habe ‑ auf ihrem Grundstück wieder mehr als zwei Papageienvögel halten werde.
34Die Klage ist auch begründet.
35Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 21. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36Gemäß § 61 Abs. 1 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden unter anderem bei der Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden und in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine auf diese Vorschrift gestützte Nutzungsuntersagung setzt zumindest voraus, dass die untersagte Nutzung formell baurechtswidrig ist oder dass sie materiell baurechtswidrig ist und der Nutzungsuntersagung keine bauaufsichtliche Genehmigung entgegensteht.
37Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die für das Wohnhaus der Klägerin im Jahre 2000 erteilte Baugenehmigung steht der Nutzungsuntersagung, die auch die Haltung von Papageienvögeln in der Wohnung der Klägerin erfasst, entgegen. Zudem ist die Ordnungsverfügung in einer zu ihrer Aufhebung führenden Weise ermessensfehlerhaft.
38Die der Klägerin untersagte Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf ihrem Grundstück ist, soweit die Papageienvögel in ihrer Wohnung gehalten werden, im Rahmen der Variationsbreite der Baugenehmigung von der genehmigten Wohnnutzung umfasst und damit formell legal. Die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung steht damit der angefochtenen Ordnungsverfügung entgegen. Da sich die mit der Ordnungsverfügung ausgesprochene Nutzungsuntersagung angesichts des in ihr zum Ausdruck gebrachten einheitlichen Regelungswillens nicht dahingehend aufspalten lässt, dass sie sich einerseits auf die Nutzung des Wohnhauses der Klägerin und andererseits auf die Nutzung ihres Grundstücks im Übrigen beziehen soll, ist sie insgesamt rechtswidrig.
39Die Haltung von Haustieren in einer Wohnung entspricht grundsätzlich üblicher Wohnnutzung und lässt sich von der sonstigen Wohnnutzung nicht trennen. Die Zulässigkeit dieser Form der Tierhaltung ist Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit, die den Einzelnen im Rahmen der Gesetze berechtigt, das Wohnen als bedeutenden Teil seiner Existenz nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Haustiere, die in einer Wohnung gehalten werden, leben typischerweise gemeinsam mit den Tierhaltern in mehreren oder allen auch im Übrigen zum Wohnen genutzten Räumen. Diese Art der Nutzung von zum Wohnen genehmigten Räumen auch für die Haltung von Haustieren ist von der Genehmigung zur Wohnnutzung gedeckt, solange die Tierhaltung nicht gewerblich motiviert und dem Wohnen zu- und untergeordnet ist. Einer gesonderten Baugenehmigung zur Haltung von Haustieren in der beschriebenen Weise bedarf es nicht. Zu den Haustieren, die traditionell und häufig in der Wohnung gehalten werden, gehören neben beispielhaft zu nennenden Hunden und Katzen auch Vögel einschließlich der Papageienvögel, zu denen unter anderem auch Wellensittiche zählen.
40Die Haltung von Haustieren in der Wohnung liegt erst dann außerhalb der Variationsbreite einer Baugenehmigung zur Wohnnutzung, wenn das Wohnen im Übrigen gegenüber der Tierhaltung in den Hintergrund tritt. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.
41Die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln in der Wohnung der Klägerin hält sich grundsätzlich innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Wohnnutzung. Diese Variationsbreite wäre nur verlassen, wenn das Wohnen mit mehr als zwei Papageienvögeln – also bereits mit drei Papageienvögeln – baurechtlich ein aliud im Vergleich zum Wohnen mit bis zu zwei Papageienvögeln oder zum Wohnen ohne Papageienvögel wäre. Ein aliud liegt nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts immer dann vor, wenn sich das tatsächlich verwirklichte Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem genehmigten Vorhaben baulich oder im Hinblick auf die Nutzung unterscheidet. Ein solcher baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem verwirklichten und dem genehmigten Vorhaben ist anzunehmen, wenn sich für das abweichend von der Baugenehmigung verwirklichte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt. Das ist hier nicht der Fall. Dass die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln in der Wohnung der Klägerin – unabhängig von der Art und der Zahl der gehaltenen Tiere sowie der konkreten Umstände der Haltung – das Wohnen im Übrigen gegenüber der Tierhaltung derart in den Hintergrund treten lassen würde, dass die Nutzung insgesamt nicht mehr von der für das Wohnhaus erteilten Baugenehmigung gedeckt sein könnte, ist fernliegend.
42Die von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Auffassung, die Haltung von Papageienvögeln sei eine Nutzung, die bei der in Anwendung der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung gebotenen typisierenden Betrachtung wegen ihres Störpotenzials in einem Reinen Wohngebiet nicht gebietsverträglich sei, teilt der Senat nicht.
43In welchen Baugebieten das Wohnen zulässig, eingeschränkt zulässig oder unzulässig ist, bestimmen die §§ 2 bis 9 BauNVO. Einer darüber hinausgehenden willkürfreien Differenzierung nach einer bestimmten, typisierenden Ausgestaltung des Wohnens, etwa nach der Art und der Zahl der in der Wohnung gehaltenen Haustiere, an die das Kriterium der Gebietsverträglichkeit der Art der Nutzung anknüpfen könnte, ist die Wohnnutzung angesichts der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, der sie unterliegt, nicht zugänglich.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 4 B 60.07 –, juris, Rn. 9, zur Gebietsverträglichkeit freiberuflicher Nutzungen.
45Ein derart kleinteiliger Eingriff in die den Kernbereich der Privatsphäre betreffende Gestaltungsfreiheit des Einzelnen bei Verwirklichung seiner Wohnvorstellungen ist mit den auf die Nutzung des Bodens ausgerichteten Baugebietsvorschriften auch nicht bezweckt.
46Im Übrigen wäre, wollte man die Haltung von Papageienvögeln im Reinen Wohngebiet typisierend als gebietsunverträglich ansehen, auch die Haltung eines Papageienvogels dort nicht zulässig. Dass eine typisierende Betrachtung dann trotzdem dazu führen könnte, die Haltung von zwei Papageienvögeln im Reinen Wohngebiet – wie in der Begründung der Ordnungsverfügung ausgeführt – als noch gebietsverträglich zu erachten, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zur mündlichen Verhandlung ist auch kein Bediensteter der Beklagten erschienen, um dem Senat die Überlegungen zu erläutern, die dieser in der Ordnungsverfügung vertretenen Rechtsauffassung zugrunde liegen.
47Ob die mit der Haltung von Haustieren in einer Wohnung im Einzelfall verbundenen Emissionen sozialadäquat sind oder die in einem Reinen Wohngebiet besonders schützenswerte Wohnruhe in einer unzumutbaren Weise stören, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Tierhaltung als Teil des Wohnens von der für das Wohngebäude erteilten Baugenehmigung gedeckt ist, ohne Bedeutung. Solchen Störungen kann ‑ wie anderen Störungen, die von einer dem Wohnen unterfallenden und davon untrennbaren Nutzung ausgehen, beispielsweise lauter Musik oder dem Rauch eines Grills ‑ auf der Grundlage von Rechtsvorschriften außerhalb des Baurechts, beispielsweise des Immissionsschutzrechts, begegnet werden. So sind nach § 12 LImSchG NRW Tiere so zu halten, dass durch den von ihnen verursachten Lärm Dritte nicht mehr als nur geringfügig belästigt werden. Diesen Weg hatte die Beklagte selbst mit ihrer Ordnungsverfügung vom 20. Oktober 2004 gewählt.
48Auf die Beantwortung der in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts und des 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts in den Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aufgeworfenen Frage, ob durch die Nutzung eines Raumes in einer Wohnung allein zur Haltung von Haustieren dieser Raum dem Wohnen gänzlich entzogen wird und welche rechtlichen Folgen dies gegebenenfalls hätte, kommt es hier schon deswegen nicht an, weil die Ordnungsverfügung die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf dem Grundstück generell untersagt und nicht etwa nur dann, wenn Räume des Wohngebäudes durch die Tierhaltung dem Wohnen möglicherweise gänzlich entzogen werden.
49Ebenso wenig kommt es hier darauf an, ob die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf dem Grundstück der Klägerin nach § 14 BauNVO zulässig wäre und den von der Rechtsprechung hierzu aufgestellten Kriterien genügen würde. Die Vorschrift behandelt allein die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen. Die Ordnungsverfügung regelt jedoch nicht, jedenfalls nicht konkret, die Haltung von Papageienvögeln in einer solchen Nebenanlage, sondern untersagt die Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln auf dem gesamten Grundstück und damit auch – und das ist hier mit Blick auf die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung ausschlaggebend – für die Wohnung der Klägerin. Dass gegebenenfalls bestimmte Nutzungen im Rahmen der Hauptnutzung zulässig, in einer untergeordneten Nebenanlage oder Einrichtung aber unzulässig sein können, ergibt sich aus der in § 14 BauNVO getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, hinsichtlich der Zulässigkeit von Hauptanlagen und Nebenanlagen zu differenzieren. So können Nebenanlagen unter Umständen auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen errichtet werden. Zudem dienen sie zwar dem Nutzungszweck des Grundstücks oder dem des Baugebiets, erfüllen diesen Nutzungszweck aber regelmäßig nicht selbst. Sie müssen daher gegebenenfalls anderen baurechtlichen Anforderungen genügen als die Hauptnutzung und bedürfen – je nach Anlage – einer eigenständigen Baugenehmigung.
50Schließlich ist die Ordnungsverfügung auch deshalb aufzuheben, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat. Sie hat nicht erkannt, dass die Haltung von Haustieren – auch die von Papageienvögeln – in der Wohnung als Teil des Wohnens grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des Einzelnen unterliegt. Sie hätte gerade wegen dieser grundsätzlich gegebenen Gestaltungsfreiheit der Klägerin trotz der festgestellten Belästigungen der Nachbarn durch den Lärm, der von den auf dem Grundstück der Klägerin gehaltenen neun Kakadus verursacht wurde, prüfen müssen, ob die von ihr gewählte zahlenmäßige Einschränkung der Haltung von Papageienvögeln aller Arten zwingend für das gesamte Grundstück ausgesprochen werden musste oder ob auch ein milderes, gleichermaßen geeignetes und die Gestaltungsfreiheit der Klägerin angemessen berücksichtigendes Mittel, etwa eine Anordnung, die auf die Änderung der konkreten Form der Haltung der Kakadus abzielte, in Betracht gekommen wäre. Denkbar wäre beispielsweise, anzuordnen, dass die Haltung von Kakadus und bestimmter anderer Arten von Papageienvögeln auf dem Grundstück der Klägerin nur in deren Wohnhaus zulässig ist, verbunden mit der Verpflichtung, durch näher bestimmte Maßnahmen baulicher oder sonstiger Art sicherzustellen, dass Dritte durch den von den Vögeln verursachten Lärm nicht mehr als nur geringfügig belästigt werden. Ebenso hätte die Beklagte prüfen müssen, ob der Erlass dieser weiteren Ordnungsverfügung anstelle einer Durchsetzung der beiden bestandskräftigen Ordnungsverfügungen zweckmäßig und geboten war. Weder der Ordnungsverfügung noch den Verwaltungsvorgängen ist zu entnehmen, dass die Beklagte solche oder vergleichbare Erwägungen angestellt und weshalb sie die Wahl eines anderen Mittels verworfen hat. Sie hat sich vielmehr den Weg zu einer fehlerfreien Ermessensausübung verstellt, indem sie undifferenziert jegliche Haltung von mehr als zwei Papageienvögeln in einem Reinen Wohngebiet ungeachtet der konkreten Papageienart und der konkreten Umstände der Haltung für gebietsunverträglich und sich daher für berechtigt gehalten hat, ohne die Legalisierungswirkung der für das Wohnhaus der Klägerin erteilten Baugenehmigung in den Blick zu nehmen, die Haltung von Papageienvögeln losgelöst von der konkret beanstandeten Nutzung entsprechend ihrer Ausgangsüberlegung für das gesamte Grundstück einzuschränken.
51Die Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung führt zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Gebührenbescheids, der die Klägerin ebenfalls in ihren Rechten verletzt und daher nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben ist.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
53Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
54Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.