Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 10. März 2016 - 7 A 1720/14
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Einkaufsmarkts in eine Gaststätte durch Zeitablauf erloschen ist.
3Die Klägerin war Eigentümerin eines mit einem sechsgeschossigen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäude bebauten Grundstücks in L. mit der postalischen Bezeichnung B. N. 42. Während des Klageverfahrens ging das Grundstück in das Eigentum ihres Ehemannes über. Im Erdgeschoss des an der östlichen Seite des B. N. unmittelbar nördlich des N1. gelegenen Gebäudes befand sich ein Ladenlokal, das als Schlecker-Markt genutzt wurde. Das Grundstücke liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. (Arbeitstitel: Groß St. N2. in L. -Altstadt/Nord). Dieser Plan ist Gegenstand des Normenkontrollverfahrens 7 D 125/14.NE.
4Am 22.3.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Einkaufsmarkts in Gastronomie und die Änderung des Haupteingangs. Nach Beteiligung verschiedener Ämter erteilte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 22.7.2008 die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Erdgeschosses in eine Gaststätte mit bis zu 40 Gastplätzen sowie für die Änderung des Haupteingangs. Am 21.2.2011 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung. Durch Bescheid vom 6.10.2011 verlängerte die Beklagte die Geltungsdauer der Baugenehmigung bis zum 21.7.2012.
5Am 28.6.2012 ging bei der Beklagten ein Baukontroll-Bericht Nr. 1 des Prüfingenieurs für Baustatik W. vom 18.3.2011 ein, der die Ausführung neuer Fensteröffnungen im Objekt zum Gegenstand hatte und in dem es weiter heißt, auf das linke Fenster (Nr. 3) werde verzichtet. Am gleichen Tag ging bei der Beklagten eine Bescheinigung des Prüfingenieurs vom 11.4.2011 ein, die die Ausführung der gleichen Bauteile beinhaltete. Am 9.7.2012 ging bei der Beklagten ein Schreiben vom 25.6.2012 ein, in dem der Bauleiter der Klägerin der Beklagten den Beginn der Ausführung des genehmigten Vorhabens für den 2.7.2012 mitteilte.
6Bei einer im Rahmen der Bauüberwachung durchgeführten Ortsbesichtigung des Baugrundstücks am 30.1.2013 stellte die Beklagte fest, dass der Estrich fertiggestellt worden war. Außerdem waren nach diesen Feststellungen sämtliche Versorgungsleitungen im gesamten Gebäude erneuert und durch die Räumlichkeiten in das Kellergeschoß verlegt. Weiterhin wurde festgestellt, dass das Vordach und die Fassade fertiggestellt waren. Der anwesende Bauherrenvertreter teilte ferner mit, dass der weitere Ausbau der Gaststätte durch den Pächter erfolgen werde.
7Die Beklagte bat in einem Schreiben vom 6.2.2013 um Mitteilung, wann genau welche konkreten Bauarbeiten durchgeführt worden seien. Am 25.2.2013 gingen daraufhin bei der Beklagten der Baukontroll-Bericht Nr. 2 und eine Bescheinigung des Prüfingenieurs W. , jeweils vom 20.2.2013, ein, in denen dieser bestätigte, dass die Ausführung des Vordachs ohne sichtbare Mängel erfolgt sei. Mit Schreiben vom 28.2.2013, eingegangen am 4.3.2013, teilte der Architekt der Klägerin der Beklagten mit, mit den beiden Durchbrüchen zwischen Treppenhaus und N1. sowie der Änderung des Eingangs mit Vordach sei bereits im Frühjahr 2011 begonnen worden; die Arbeiten zur Änderung des Haupteingangs seien einschließlich Vordach abgeschlossen; für die weiteren Arbeiten sei unter dem 25.6.2012 die Anzeige des Baubeginns erfolgt. Nach Verzögerungen beim Mieterwechsel sei schon mit Abriss- und Entrümpelungsarbeiten sowie mit Estrich-, Heizungs- und Sanitärarbeiten begonnen worden. Zugleich beantragte er die Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung vom 22.7.2008 um ein weiteres Jahr. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 13.3.2013 mit, die Baugenehmigung vom 22.7.2008 sei zwischenzeitlich abgelaufen; die Verlängerung habe nur bis zum 21.7.2012 Geltung gehabt.
8Durch Schreiben vom 15.3.2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 22.7.2008 unverändert fortgelte. Dazu führte sie aus: Die ab dem 2.7.2012 von ihr durchgeführten Arbeiten dienten der Ausnutzung der Baugenehmigung. Sie bezögen sich auf die Herstellung des Gaststätteninnenraums und seien für die Aufnahme einer Gaststättennutzung zwingend erforderlich. Im Übrigen habe sie einen Anspruch auf Verlängerung dieser Baugenehmigung.
9Unter dem 25.4.2013 bat die Beklagte die Klägerin, das Bautagebuch des Bauleiters vorzulegen. Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten daraufhin durch Schreiben vom 30.5.2013, ein Bautagebuch könne nicht vorgelegt werden, da es ein solches nicht gebe, sie habe jedoch eine Reihe von Rechnungen zusammengestellt, mit denen die Hausverwaltung die im Objekt durchgeführten Baumaßnahmen abgerechnet habe, daraus ergebe sich eindeutig, dass nach der Baubeginnanzeige vom Juni 2012 mit dem Umbau des Ladenlokals begonnen worden sei.
10Die Klägerin hat am 15.6.2013 Klage erhoben. Sie hat zur Begründung der Klage im Wesentlichen geltend gemacht: Die Baugenehmigung vom 22.7.2008 sei nicht erloschen. Erste von ihr schon im Frühjahr 2011 begonnene Maßnahmen hätten sich zunächst auf die Durchbrüche zwischen dem Treppenhaus und dem N1. sowie die Änderung des Eingangs mit dem Vordach beschränkt. Für diese 2011 durchgeführten Baumaßnahmen habe sie keine Baubeginnan-zeige erstattet. Diese Anzeige sei dann aber im Juni 2012 mit Baubeginn am 2.7.2012 erstattet worden. Unmittelbar danach seien weiter notwendige Maßnahmen zur Einrichtung einer gastronomischen Nutzung in Abstimmung mit dem nun von ihr gefundenen Mieter für das Lokal durchgeführt worden. Diese Arbeiten seien im Juli 2012 erfolgt, wie sich aus den von ihr vorgelegten Rechnungen der T. -Immobilien-Service GmbH ergebe. Es seien Einbauten entfernt worden (WC-Anlage, Abhang-Decken und Wände). Die Ausführungen der Arbeiten könne weiterhin belegt werden durch Fotos, welche vom 13. bis zum 16.7.2012 im Objekt aufgenommen worden seien. Sie habe insoweit mit der weiteren Bauausführung vor dem 21.7.2012 begonnen, was zur Folge habe, dass die Frist des § 77 Abs. 1 BauO NRW nicht verstrichen sei. Hilfsweise stehe ihr aber jedenfalls ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung der erteilten Baugenehmigung um ein weiteres Jahr zu. Ein weiteres Hilfsbegehren auf Feststellung, dass die Beklagte zur Verlängerung der Baugenehmigung verpflichtet gewesen sei, hat die Klägerin zurückgenommen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12festzustellen, dass die ihr erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 22.7.2008 (Aktenzeichen: 63/B21/1002/2007) nach dem 21.7.2012 nicht erloschen ist,
13hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 4.3.2013 hin die Geltungsdauer der Baugenehmigung vom 22.7.2008 (Aktenzeichen: 63/B21/1002/2007) um ein weiteres Jahr bis zum 21.7.2013 zu verlängern.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat geltend gemacht: Die Baugenehmigung vom 22.7.2008 sei nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin erloschen, da die Bauausführung länger als ein Jahr unterbrochen worden sei. Nach den durchgeführten Durchbrüchen zwischen Treppenhaus und dem N1. und der Änderung des Haupteingangs im Frühjahr 2011 seien die nächsten Arbeiten nach den vorgelegten Rechnungen erst am 5.7.2012 und am 2.8.2012 erfolgt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Verlängerung der Baugenehmigung. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag stehe dem Vorhaben der Bebauungsplan Nr. entgegen.
17Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zum Hauptantrag im Wesentlichen ausgeführt: Die Genehmigung sei nach § 77 Abs. 1 1. Alternative BauO NRW erloschen, weil die Klägerin mit der weiteren Ausführung des Vorhabens nicht bis zum 21.7.2012, dem Ende der darin festgelegten Geltungsdauer, begonnen habe. Die in dem vorgelegten Rechnungskonvolut belegten Umzugs- und Elektrikerleistungen für die Demontage von Elektronikeinbauten sowie die Erstellung eines Baustromanschlusses seien als bloße Vorbereitungsarbeiten zu werten. Die weiteren belegten Arbeiten (Rückbau WC und Wasserleitung, für Abrissarbeiten Leitungen abgestopft, Demontage Fliesen mit Estrich, Abhangdecken, Wände, WC-Anlage und Abstemmen des vollflächig verklebten Heratekta an Wänden) seien nach §§ 65, 66 BauO NRW genehmigungsfrei. Die Frist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BauO NRW sei aber auch deshalb verstrichen, weil ausreichende objektive Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass die Klägerin subjektiv die Realisierung eines anderen Bauvorhabens beabsichtige. Dafür sprächen eindeutig die am 17.4.2014 eingereichten neuen Bauvorlagen.
18Die Klägerin trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor: Seit Juli 2012 seien, um das Gesamtvorhaben zur Umnutzung des früheren Schleckermarkts zu einer gastronomischen Nutzung verwirklichen zu können, vorhandene Elektronikeinbauten beseitigt, die WC-Anlage zurückgebaut sowie Abhangdecken, Zwischenwände und dergleichen mehr entfernt worden. Diese Maßnahmen seien entscheidender Bestandteil der Bauausführung gewesen.
19Dass erst im Januar 2013 weitere Baumaßnahmen durchgeführt worden seien, habe darauf beruht, dass sie, die Klägerin, sich vorher mit einem Mietinteressenten in Verhandlungen befunden habe, der die gastronomische Nutzung habe etablieren sollen. Bestrebungen für einen von der Baugenehmigung abweichenden Ausbau des Objekts habe es nicht gegeben. Die Bauarbeiten seien dann deshalb nicht weiter geführt worden, weil die Beklagte mit Schreiben vom 13.3.2013 mitgeteilt habe, die Aufnahme der genehmigten Nutzung sei unmöglich geworden. Die Arbeiten ab Juli 2012 seien als Fortführung der Bauarbeiten im Sinne von § 77 Abs. 1 BauO NRW zu werten. Richtigerweise seien genehmigungsfreie und genehmigungspflichtige Teile eines einheitlichen Gesamtvorhabens einheitlich zu betrachten. Vorliegend seien zudem Kosten in Höhe von 45.000 Euro entstanden, sodass nicht von bloßen Vorbereitungsmaßnahmen ausgegangen werden könne. Werde die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts unterstellt, würde dies dazu führen, dass die für sich verfahrensfreien Teile nicht vor Erteilung der Baugenehmigung begonnen werden dürften, mithin formell illegal wären. Andererseits würden sie aber keine hinreichende Bauausführung im Sinne des § 77 BauO NRW darstellen. Der Zeitraum der Unterbrechung der Arbeiten zwischen August 2012 und Januar 2013 sei nach der gesetzlichen Wertung des § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW unmaßgeblich. Anhaltspunkte für einen Genehmigungsverzicht seien nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht habe insoweit einen unzutreffenden Rechtssatz zugrundegelegt. Abgesehen davon habe sie keine Baumaßnahmen ausgeführt, die den Bauvorlagen vom 17.4.2014 entsprachen und vom Inhalt der Baugenehmigung vom 22.7.2008 abwichen. Sie wolle die ursprüngliche Genehmigung nach wie vor umsetzen. Dafür spreche auch der Umstand, dass sie am 26.11.2012 einen Mietvertrag unterzeichnet habe, dessen Gegenstand eine gastronomische Nutzung auf der Grundlage der erteilten Genehmigung gewesen sei. Es stehe ihr frei, mehrere Bauanträge zu stellen und sich anschließend für die Umsetzung des einen zu entscheiden. Gegen einen Verzichtswillen spreche auch der Verlängerungsantrag vom 28.2.2013.
20Die Klägerin beantragt,
21das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21.7.2014 zu ändern und festzustellen, dass die von der Beklagten am 22.7.2008 erteilte Baugenehmigung für eine gastronomische Nutzung im Erdgeschoss des Gebäudes B. N. 36 bis 42 (Gemarkung L. , Flur 31, Flurstück 1169) auch nach dem 21.7.2012 nicht erloschen ist.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Sie nimmt zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gerichtsakte des durch Rücknahme abgeschlossenen Verfahrens 2 K 2853/14, welches den Bauantrag vom 31.7.2013 in der Fassung vom 17.4.2014 betraf, sowie der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27Die hinsichtlich des erstinstanzlichen Hauptantrags weiter verfolgte Berufung ist zulässig.
28Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
29Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu I.), in der Sache aber nicht begründet (dazu II.).
30I. Die Klage ist zulässig.
31Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können; dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der hier erhobenen Feststellungsklage sind erfüllt.
32Die Feststellungsklage ist insbesondere nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
33Der Bauherr kann Feststellungsklage erheben, um klären zu lassen, ob eine Baugenehmigung gemäß § 77 Abs. 1 BauO NRW erloschen ist.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.2.2012 - 2 B 1525/11 -, BRS 79 Nr. 158 = BauR 2012, 927.
35Die Klägerin hat im Übrigen auch ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Ein solches Interesse ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nicht mehr Eigentümerin ist. Als Inhaberin der Baugenehmigung, über deren Fortgeltung gestritten wird, könnte sie das Vorhaben - mangels Anhaltspunkten für ein fehlendes Einverständnis des derzeitigen Eigentümers, ihres Ehemannes - aus öffentlich-rechtlicher Perspektive verwirklichen.
36II. Die Klage ist aber nicht begründet.
37Die Klägerin kann die begehrte Feststellung nicht verlangen. Denn die Baugenehmigung ist am 21.7.2012 erloschen.
38Nach § 77 Abs. 1 BauO NRW gilt, dass eine Baugenehmigung erlischt, wenn innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden ist. Nach § 77 Abs. 2 BauO NRW kann die Frist auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden, sie kann auch rückwirkend verlängert werden.
39Es steht in Anwendung dieser Regelung zur Überzeugung des Senats fest, dass die Baugenehmigung vom 22.7.2008 in der Fassung der rückwirkenden Verlängerung vom 6.10.2011 mit dem Ende der darin festgelegten Geltungsdauer bis zum 21.7.2012 erloschen ist.
40Die im Frühjahr 2011 begonnene Bauausführung steht dem Erlöschen am 21.7.2012 nicht entgegen (dazu 1.); dass die im Frühjahr 2011 begonnene Bauausführung mehr als ein Jahr unterbrochen war, führt nicht für sich genommen zum Erlöschen (dazu 2.); die Baugenehmigung ist aber erloschen, weil bis zum Ablauf der rückwirkend bis zum 21.7.2012 verlängerten Geltungsdauer nicht mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen worden ist (dazu 3.).
411. Die auch nach dem Vortrag der Klägerin im Frühjahr 2011 durchgeführten Bauarbeiten (Durchbrüche von Fenstern zum N1. , Änderung des Haupteingangs) stehen nicht als Beginn von Baumaßnahmen zur Vorhabenverwirklichung dem Erlöschen der Baugenehmigung am 21.7.2012 entgegen.
42Wird ein Bauvorhaben rechtzeitig innerhalb der Geltungsfrist begonnen und anschließend fortgeführt, kommt es für die Frage des Erlöschens nicht darauf an, wann das Bauvorhaben fertiggestellt wird. Die Baugenehmigung behält ihre Gültigkeit bis zur Baufertigstellung, ohne dass es auf die Dauer der Bauausführung ankommt. Eine Ausnahme gilt nach der gesetzlichen Wertung des § 77 Abs. 1 BauO NRW indes, wenn die Arbeiten für mehr als ein Jahr unterbrochen werden.
43Vgl. Johlen, in: Gädtke u. a., Bauordnung NRW, 12. Auflage, § 77 Rn. 4.
44Dies war hier der Fall. Zwischen den für die Zeit ab Juni/Juli 2012 belegten Arbeiten und den Maßnahmen vom Frühjahr 2011 lag ein Zeitraum von mehr als einem Jahr.
452. Diese Unterbrechung der Bauarbeiten aus dem Frühjahr 2011, die bis Juli 2012 währte, führte aber andererseits nicht etwa - wie die Beklagte wohl nach wie vor meint - schon für sich betrachtet dazu, dass ein Erlöschen der Baugenehmigung nach der ersten Alternative des § 77 Abs. 1 BauO NRW angenommen werden muss. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf eine „Überholung“ dieses Sachverhalts durch den Verlängerungsbescheid vom 6.10.2011 zutreffend ausgeführt. Auf diese Ausführungen (Seite 9 des Urteilsabdrucks) nimmt der Senat Bezug.
463. Die Baugenehmigung ist aber erloschen, weil die Klägerin nicht bis zum Ablauf der verlängerten Geltungsdauer am 21.7. 2012 mit der (weiteren) Ausführung des Bauvorhabens im Sinne des Gesetzes begonnen hat.
47Eine Bauausführung in Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung erfordert eine bauliche Tätigkeit, die in einem unmittelbaren, objektiven und nicht lediglich aus Sicht des Bauherrn bestehenden Zusammenhang mit dem genehmigten Bauvorhaben steht; bloße Vorbereitungs- oder Sicherungsmaßnahmen genügen nicht.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.10.2008
49- 7 A 696/07 -, juris, m. w. N.
50Bauvorhaben im Sinne des § 77 Abs. 1 BauO NRW ist das genehmigte Vorhaben. Maßgeblich ist hier die Baugenehmigung vom 22.7.2008 in der Fassung des Verlängerungsbescheids vom 6.10.2011.
51Bei den für die Zeit bis zum 21.7.2012 belegten Maßnahmen handelte es sich um Arbeiten, die nicht als Beginn der Ausführung des genehmigten Vorhabens zu werten sind. Dies hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
52Dass die in dem Konvolut mit Rechnungen vom 9.7.2012, 10.7.2012 und 2.8.2012 angesprochenen Tätigkeiten (Umzugsleistungen, Demontage Elektronikeinbauten, vierstündiger Einsatz eines Elektrikers am 5.7.2012 gemäß Rechnung vom 9.7.2012; Rückbau von 2 WCs und Wasserleitungen für Abrissarbeiten und Abstopfen von Leitungen zu 3,75 Arbeitsstunden am 5.7.2012 gemäß Rechnung vom 10.7.2012; Erstellen eines Baustromanschlusses für Abbrucharbeiten, 1 Arbeitsstunde am 5.7.2012 gemäß Rechnung vom 10.7.2012 und „Demontage Fliesen mit Estrich, Abhangdecken, WC-Anlage“ etc. sowie „Abstemmen des komplett vollflächig verklebten Heratekta an Wand“ am „2.8.2012“ gemäß Rechnung vom 2.8.2012 mit der Betreffzeilenangabe „Leistungszeitr.: Juli 2012“) in einem solchen unmittelbaren, objektiven Zusammenhang mit dem genehmigten Bauvorhaben standen, hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend aufgezeigt; dafür ist aber auch sonst nichts ersichtlich.
53Dies gilt zunächst für die zutreffend als Vorbereitungsmaßnahmen gewerteten Umzugsleistungen, die Demontage von Elektronikeinbauten und die Erstellung des Baustromanschlusses.
54Es gilt aber auch für die weiteren, vom Verwaltungsgericht als genehmigungsfrei und deshalb unerheblich gewerteten Arbeiten. Auch diesen Tätigkeiten lässt sich ein unmittelbarer, objektiver und nicht lediglich aus Sicht der Bauherrin bestehender Zusammenhang mit dem genehmigten Vorhaben nicht beimessen. Bei den hier in Rede stehenden Demontagearbeiten im Sanitärbereich handelte es sich ebenso wie bei der Demontage von Abhangdecken und Wandbelägen der Sache nach im weiteren Sinne um Räumungsarbeiten, die bei objektiver Beurteilung auch ohne Weiteres anderen denkbaren gewerblichen Nutzungen der Räumlichkeiten zugeordnet werden können.
55Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die im vorgelegten Rechnungskonvolut beschriebenen genehmigungsfreien Tätigkeiten im rechtlichen Ansatz zutreffend vorträgt, dass ein Gesamtvorhaben, das aus nicht genehmigungspflichtigen Teilen und genehmigungspflichtigen Teilen besteht, insgesamt genehmigungspflichtig ist,
56Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Urteil vom 12.8.1968 - VII A 738/67 -, BRS 20 Nr. 149,
57kommt es darauf hier nicht an. Es kann aus den vorstehenden Gründen nämlich dahinstehen, ob die angesprochenen Tätigkeiten auch wegen ihrer - bei isolierter Betrachtung gegebenen - Genehmigungsfreiheit nicht als Beginn der Ausführung des durch die Baugenehmigung zugelassenen Bauvorhabens im Sinne des § 77 Abs. 1 BauO NRW angesehen werden können.
58Für die Annahme eines Beginns der Ausführung genügt im Übrigen nicht der zeitliche Zusammenhang mit der unter Bezug auf die Baugenehmigung eingereichten Baubeginnanzeige vom 25.6.2012. Deshalb kommt es auch nicht maßgeblich darauf an, dass diese Anzeige erst am 9.7.2012 und damit nach den in den Rechnungen vom 9.7.2012 und 10.7.2012 genannten Arbeiten einging.
59Entgegen der Meinung der Klägerin kommt es auch nicht auf die Höhe der für die Arbeiten aufgewandten Beträge - behauptet werden Aufwendungen von 45.000 Euro - an. Abgesehen davon sind - ungeachtet der vorstehenden rechtlichen Bewertung der genannten Arbeiten - für den Zeitraum bis 21.7.2012 mit den vorgelegten Rechnungen ohnehin nur wesentlich geringere Aufwendungen belegt. Es kann aus den vorstehenden Gründen auch offen bleiben, ob sich aus dem nachfolgenden Bauantrag vom 31.7.2013 in der Fassung vom 17.4.2014, wie das Verwaltungsgericht erwogen hat, ergibt, dass die Klägerin ihr Vorhaben aufgegeben hat.
60Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
61Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
62Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 10. März 2016 - 7 A 1720/14
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 10. März 2016 - 7 A 1720/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Antragsgegnerin in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans, der einen Bereich der L. Altstadt zwischen Rheinufer und Rathaus betrifft.
3Der Antragsteller ist Eigentümer von Grundstücken mit der postalischen Bezeichnung B. N1. 36-42 in L1. . Das Grundeigentum des Antragstellers liegt im Geltungsbereich des angefochtenen Plans. Das Plangebiet wird im Osten von der am Rheinufer verlaufenden G. , im Norden von der N2.-----gasse , im Westen von dem Rathaus sowie Unter L2. und im Süden von dem I.---markt sowie der N3.-------gasse begrenzt. Der aus einem Plan und einem Ergänzungsplan mit jeweils zwei Blättern bestehende Bebauungsplan trifft im Wesentlichen folgende Festsetzungen: Zur Art der Nutzung legt der Plan Flächen für den Gemeinbedarf im Bereich der Kirche Groß St. N. und eines Kinderspielplatzes auf dem F.----markt , ein Kerngebiet östlich der N4.----gasse , öffentliche Verkehrsflächen, teils mit besonderer Zweckbestimmung als Fußgängerbereich, und im übrigen bebauten Bereich überwiegend ein besonderes Wohngebiet fest.
4Im besonderen Wohngebiet sind in den Erdgeschossen Läden (außer Sex-Shops) zulässig; im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind ferner Anlagen für kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig; Hotels sind im besonderen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig. In den mit einfacher Schrägschraffur, unterlegt mit rötlichem Farbton, gekennzeichneten Bereichen sind im Erdgeschoss neben Läden auch Schank- und Speisewirtschaften, sonstige Gewerbebetriebe und Wohnen zulässig; im ersten Obergeschoss sind Geschäfts- und Büroräume sowie Wohnen zulässig, ausnahmsweise können Nebenräume (ohne Küchen) von Schank- und Speisewirtschaften zugelassen werden; ab dem zweiten Obergeschoss ist nur Wohnen zulässig. In Bereichen mit einer in Rottönen unterlegten Kreuzschraffur, u. a. im nordöstlichen Bereich am B. N1. , sind im Erdgeschoss neben Läden auch Geschäfts- und Büroräume zulässig, Schank- und Speisewirtschaften können ausnahmsweise zugelassen werden; im ersten Obergeschoss sind Geschäfts- und Büroräume sowie Wohnen zulässig, ab dem zweiten Obergeschoss nur Wohnen. In den mit einfacher Schrägschraffur und Rottönen sowie schwarzer Punktierung unterlegten Bereichen sind im Erdgeschoss Läden und Geschäfts- und Büroräume zulässig; an der Nordseite des I1.--markts sind zusätzlich auch Schank- und Speisewirtschaften zulässig; ab dem ersten Obergeschoss sind Geschäfts- und Büroräume zulässig, an der Nordseite des I1.--markts können zusätzlich im ersten Obergeschoss ausnahmsweise Nebenräume (ohne Küchen) von Schank- und Speisewirtschaften zugelassen werden. In den mit einfacher Schrägschraffur, unterlegt mit orangenem Farbton, markierten Bereichen sind im Erdgeschoss neben Läden auch damit in unmittelbarem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehende Handwerksbetriebe zulässig sowie ferner Geschäfts- und Büroräume und Wohnen; ab dem ersten Obergeschoss ist nur Wohnen zulässig. Ferner enthält der Plan Baulinienfestsetzungen und Festsetzungen zum passiven Lärmschutz an den Fassaden des besonderen Wohngebiets. Wegen der Einzelheiten der Festsetzungen wird auf die Originalplanurkunde Bezug genommen, die dem Senat in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden ist.
5Ziel des Plans ist es nach der Satzungsbegründung, im Plangebiet des N5. insbesondere die Wohnnutzung zu erhalten und fortzuentwickeln. Hierzu wird in der Begründung für den Bereich Ostseite B. N1. bis zum C. zwischen N2.-----gasse und N6. sowie den Bereich an der G. zwischen G. 17, N3.-------gasse und C1.-----markt ,
6zur Begründung der nur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften festgestellt, diese sollten wegen ihres nicht unerheblichen Störpotentials begrenzt werden; sie seien bereits in einem Umfang vorhanden, dass zur Vermeidung eines städtebaulichen Missstands nur die ausnahmsweise Zulässigkeit gerechtfertigt sei. Im Anschluss finden sich in der Begründung nähere Erwägungen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine ausnahmsweise Zulassung von Schank- und Speisewirtschaften in Betracht kommt. Danach bedarf es u. a. des Nachweises im Genehmigungsverfahren, dass bei Betriebsänderungen oder Erweiterungen keine Störungen der Wohnnutzung am Standort insbesondere durch merkbar höhere Immissionen durch Lärm und Gerüche eintreten. Bei Neuerrichtung ist Voraussetzung, dass gleichzeitig ein gleichwertiger Betrieb im gleichen Bereich aufgegeben und der genannte Nachweis geführt wird.
7Das Planaufstellungsverfahren verlief im Wesentlichen wie folgt: Der Beschluss zur Aufstellung des Plans wurde vom Rat der Antragsgegnerin am 19.6.1979 gefasst. Der Stadtentwicklungsausschuss des Rats der Antragsgegnerin beschloss am 20.7.2004 die förmliche Offenlage nach § 3 Abs. 2 BauGB. Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses erfolgte im Amtsblatt vom 18.8.2004. Die Offenlage fand in der Zeit vom 30.8.2004 bis 29.9.2004 statt. Am 2.2.2005 wurde im Amtsblatt bekanntgemacht, dass eine erneute Offenlage vom 10.2.2005 bis 25.2.2005 erfolge. Der Plan wurde vom Rat als Satzung mit Begründung am 5.7.2005 beschlossen. Die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses erfolgte im Amtsblatt vom 20.7.2005. Am 20.12.2011 beschloss der Rat im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB eine im Februar 2012 bekannt gemachte Planänderung, nach der Hotels im gesamten Plangebiet nur noch ausnahmsweise zulässig sein sollten. Der Plan wurde im November 2013 - mit Anordnung der Rückwirkung zum 20.7.2005 - erneut bekannt gemacht. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass die in Bezug genommenen DIN-Vorschriften bei der Antragsgegnerin eingesehen werden können.
8Der Antragsteller hat am 12.11.2014 den Normenkontrollantrag gestellt.
9Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Antrag sei zulässig. Insbesondere sei die Antragsfrist eingehalten. Eine Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO sei nicht eingetreten. Der Antrag sei auch begründet. Der Bebauungsplan sei unwirksam. Er leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler, weil die öffentliche Auslegung im Februar 2005 gesetzeswidrig auf 14 Tage verkürzt worden sei. Ferner sei die öffentliche Bekanntmachung der Offenlage fehlerhaft gewesen, weil sie den Eindruck erweckt habe, es könnten nur während der Stunden der Offenlage Anregungen vorgebracht werden. Die Fehler seien nicht unbeachtlich geworden. Aus den Verfahrensvermerken sei nicht ersichtlich, dass eine öffentliche Auslegung stattgefunden habe. Der Hinweis nach § 215 BauGB habe sich auf die Rügefristen in der Fassung des BauGB 1997 bezogen. Die neue Bekanntmachung habe ebenfalls auf diese Fristen in der Fassung von 1997 hingewiesen. Schon deshalb sei nicht von einer Unbeachtlichkeit der gerügten Fehler auszugehen. Ferner sei die ursprüngliche Bekanntmachung nicht fehlerfrei gewesen, was aber Voraussetzung für den Lauf der Rügefrist gewesen wäre.
10Der Bebauungsplan Groß St. N. sei auch materiell unwirksam. Die Regelung über die nur ausnahmsweise Zulässigkeit von gastronomischen Betrieben sei unbestimmt. Sie sei auch städtebaulich nicht gerechtfertigt. Ferner liege damit eine planungsrechtlich unzulässige, vorhabenunabhängige Nutzungskontingentierung vor. Schließlich sei die Festsetzung abwägungsfehlerhaft. Es fehle an einer erforderlichen nochmaligen Abwägungsentscheidung im Rahmen des ergänzenden Verfahrens mit Rückwirkungsanordnung. Erweise sich das ursprüngliche Abwägungsergebnis als nicht mehr haltbar oder seien Festsetzungen funktionslos geworden, müsse in eine neue Abwägungsentscheidung eingetreten werden. Als Indiz für das Vorliegen eines solchen Sachverhalts sei bereits der Ablauf eines Zeitraums von 8 Jahren anzusehen. Zudem sei die damals beabsichtigte Entwicklung nicht eingetreten. Die Zahl der Gastronomiebetriebe sei konstant geblieben. Außerdem habe sich der Niedergang des Einzelhandels an diesem Standort fortgesetzt. Dies sei der Antragsgegnerin im Juni 2013 bekannt gewesen. Jedenfalls sei der Plan in Bezug auf die Festsetzung zur Begrenzung gastronomischer Nutzungen wegen der Vielzahl vorhandener Gaststätten funktionslos geworden. Es seien in der näheren Umgebung zahlreiche Nutzungsänderungsgenehmigungen hin zu Gastronomie erteilt worden. Soweit dies bereits bei Planerlass der Fall gewesen sein sollte, fehlte es der Festsetzung über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften an der Erforderlichkeit im Hinblick auf das Ziel der Planung. Die Wohnnutzungen seien bereits durch die Gliederung nach Geschossen hinreichend geschützt. Abwägungsfehlerhaft sei der Plan auch wegen unzutreffender Bestandsfeststellungen. Seit der Bestandsaufnahme im Jahr 2004 hätten sich am B. N1. die Gewichte weiter von Einzelhandel hin zu Gastronomie verschoben. Nach den örtlichen Gegebenheiten sei in diesem Zusammenhang insbesondere die Differenzierung der Zulässigkeit gastronomischer Nutzungen am B. N1. südlich des N7. einerseits und der nur ausnahmsweisen Zulässigkeit nördlich des N8. nicht nachvollziehbar. Hier fielen der äußere Regelungsgehalt der Festsetzung und das nach der Planbegründung eigentlich gewollte auseinander. Das angestrebte Ziel der Zurückdrängung gastronomischer Nutzungen zugunsten von Einzelhandel und Wohnen sei auch rechtlich nicht erreichbar. Die Festsetzungen zu den Lärmpegelbereichen seien unbestimmt. Es sei nicht erkennbar, ob sie sich auf die jeweiligen Fassaden oder auch auf die dahinter liegenden Flächen bezögen.
11Der Antragsteller beantragt,
12den Bebauungsplan Nr. Groß St. N. in L1. -Altstadt/Nord, bekannt gemacht im Amtsblatt der Stadt L1. vom 13.11.2013, S. 711, für unwirksam zu erklären.
13Die Antragsgegnerin beantragt,
14den Antrag abzulehnen.
15Der Antrag sei bereits verfristet. Er sei aber auch unbegründet. Der Plan sei in der Sache nicht mangelhaft. Die Offenlage im Februar 2005 sei in zulässiger Weise auf zwei Wochen verkürzt worden, weil vorher eine erste Offenlage für die Dauer eines Monats stattgefunden habe. Die Festsetzungen zur Steuerung gastronomischer Nutzungen seien aus den Gründen des rechtskräftigen Senatsurteils vom 30.1.2014 - 7 A 1066/11 - wirksam. Die städtebaulichen Verhältnisse seien im Übrigen analog zu bewerten.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Aufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Der Antrag ist zulässig (dazu A.) aber unbegründet (dazu B.).
19A. Der Antrag ist zulässig.
20I. Der Antragsteller ist als Eigentümer von Grundeigentum im Plangebiet mit Blick auf die getroffenen Festsetzungen im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.
21Vgl. zur Antragsbefugnis von Grundeigentümern im Plangebiet: OVG NRW, Urteil vom 13.2.2014 - 7 D 102/12.NE -, juris.
22II. Der Antrag ist nicht verfristet. Der Lauf der Frist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wurde durch die Bekanntmachung im Jahr 2013 erneut ausgelöst.
23Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für den Fristlauf die erneute Bekanntmachung maßgeblich, wenn ein Bebauungsplan nach Behebung eines Ausfertigungsmangels im ergänzenden Verfahren ein weiteres Mal bekannt gemacht wird.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.2015 - 4 CN 10.14 -, BauR 2015, 1981.
25Entsprechendes gilt bei einer - hier erfolgten - erneuten Bekanntmachung zur Behebung eines Bekanntmachungsmangels.
26III. Der Antragsteller ist nicht präkludiert. Zwar hat er während des ursprünglichen Planaufstellungsverfahrens keine Einwendungen erhoben. Dies ist indes unerheblich, da § 47 Abs. 2a VwGO erst zum 1.1.2007 in Kraft getreten ist und auf den Plan in der ursprünglichen Fassung noch nicht anwendbar war.
27B. Der Antrag ist aber unbegründet.
28Der Senat vermag ebenso wie im Rahmen der im Verfahren - 7 A 1066/11 - vorgenommenen inzidenten Plankontrolle,
29vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.1.2014 - 7 A 1066/11 -, BauR 2014, 1123, rechtskräftig,
30beachtliche Mängel des angegriffenen Plans nicht festzustellen.
31I. Der Plan leidet nicht an beachtlichen formellen Mängeln.
321. Formelle Mängel unter dem Aspekt der ordnungsgemäßen Verkündung des Plans,
33vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 29.7.2010 - 4 BN 21.10 -, BRS 76 Nr. 48 = BauR 2010, 1889,
34sind inzwischen rückwirkend behoben, da der Plan im November 2013 ordnungsgemäß erneut bekannt gemacht worden ist.
352. Dass der Plan an den vom Antragsteller behaupteten beachtlichen Verfahrensmängeln aus der Zeit bis zur erstmaligen Bekanntmachung im Jahr 2005 leidet, kann nicht festgestellt werden.
36a) Es kann nicht festgestellt werden, dass ein beachtlicher Mangel vorliegt, weil die Offenlagebekanntmachungen im Spätsommer 2004 bzw. Februar 2005 inhaltlich fehlerhaft waren, soweit es um den Hinweis zu der Zeitspanne geht, während der Einwendungen eingereicht bzw. vorgebracht werden durften.
37Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BauGB in der damals anwendbaren Fassung (vgl. dazu die Übergangsregelung der §§ 233 Abs. 1, 244 BauGB in der Fassung des Europarechtsanpassungsgesetzes 2004) waren Ort und Dauer der Auslegung mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekanntzumachen mit dem Hinweis darauf, dass Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können.
38Die Bekanntmachung hat danach in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregungen und Bedenken bewußt zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Die Bekanntmachung muss daher so formuliert sein, dass ein an der beabsichtigten Planung interessierter Bürger nicht davon abgehalten wird, sich mit Bedenken und Anregungen am Verfahren zu beteiligen. Sie darf aus diesem Grund keine Zusätze enthalten, die geeignet sind, als Beschränkung dieses jedermann zustehenden Rechts verstanden zu werden.
39Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.8.1997 - 8 S 1401/97 -, BRS 59 Nr. 16.
40Diese Anforderungen sind hier nicht missachtet worden. Entgegen der Meinung des Antragstellers war der Hinweis nicht in dem Sinne zu verstehen, dass Einwendungen nur während der Dienststunden (persönlich) vorgebracht und nicht auch innerhalb der Auslegungsfrist schriftlich auf postalischem Weg eingereicht werden konnten. Für den vernünftigen Adressaten der Bekanntmachung war es nach Überzeugung des Senats nicht zweifelhaft, dass die Anregungen auch schriftlich eingereicht werden konnten und lediglich während der Auslegungsfrist bei der Stadt L1. eingegangen sein mussten. Soweit darauf verwiesen wird, es könnten während der genannten „Zeiten“ Anregungen vorgebracht werden, bezieht sich dies nicht allein auf die vorstehend genannten Dienststunden, sondern auch auf die Offenlagefrist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 18.8.1997, auf die sich der Antragsteller beruft, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie einen anderen Sachverhalt betraf. Dort war ein zusätzlicher einschränkender Zusatz vorgenommen worden, nach dem die Anregungen „im Rathaus“ vorgebracht werden sollten. Ein solcher möglicherweise missverständlicher Zusatz fehlt hier. Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller als weiterer Beleg für seine Auffassung zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs; in dem dort beurteilten Sachverhalt enthielt die Bekanntmachung den einschränkenden Zusatz, die Bedenken und Anregungen seien in einem bestimmten Zimmer des Planungsamts vorzubringen.
41Vgl. Bay.VGH, Urteil vom 22.3.1982 - 25 XIV/78 -, NJW 1983, 297.
42Deshalb kann dahinstehen, ob der behauptete Mangel als Verfahrensmangel nicht ohnehin jedenfalls nachträglich unbeachtlich geworden wäre.
43b) Ferner hat die Offenlage vor der ersten Beschlussfassung auch tatsächlich stattgefunden. Der Senat hat auf der Grundlage der Akten, die während der mündlichen Verhandlung gemeinsam mit den Beteiligten eingesehen worden sind, keinen Zweifel, dass die Offenlage im genannten Zeitraum tatsächlich stattgefunden hat. Dafür spricht neben dem entsprechenden Vermerk auf dem Eingangsblatt der Beiakte 8 (Blatt 522) und den auf dem Offenlageexemplar unterzeichneten Verfahrensvermerken auch die Vielzahl der bei den Aufstellungsvorgängen befindlichen schriftlichen Einwendungen, die auf die Offenlage im genannten Zeitraum bezogen sind.
44c) Die Offenlagedauer im Februar 2005 war mit 2 Wochen nicht zu kurz bemessen. Es handelte sich um eine weitere Offenlage, bei der die Frist, wie die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung zutreffend dargelegt hat, entsprechend verkürzt werden durfte.
453. Die behaupteten formellen Mängel des nachfolgenden Ergänzungsverfahrens, das im Jahr 2013 stattfand, liegen nicht vor.
46Im Regelfall steht eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung im ergänzenden Verfahren nicht entgegen, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprünglichen Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich - im Ausnahmefall - die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.2008 - 4 BN 5.08 -BRS 73 Nr. 32 = BauR 2008, 1417.
48Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch ist dies sonst ersichtlich.
49Der bloße Zeitablauf von 8 Jahren ist in diesem Zusammenhang nicht geeignet, Anhaltspunkte für die Unhaltbarkeit des Abwägungsergebnisses zu begründen.
50Ebenso wenig ergibt sich eine Unhaltbarkeit des Abwägungsergebnisses aus dem Vortrag dazu, dass die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Entwicklung, die Zurückdrängung gastronomischer Nutzungen zugunsten von Wohnnutzungen und Einzelhandel, nicht eingetreten sei, weil der Einzelhandel weiter zurückgegangen und die gastronomische Nutzung konstant geblieben sei. Ungeachtet dessen bleibt das Abwägungsergebnis einer städtebaulichen Konzeption, die dieser Entwicklung entgegen wirken soll, haltbar. Es kann im Übrigen, wie nachstehend ausgeführt ist, auch nicht unter dem Aspekt der Funktionslosigkeit der Festsetzung von der Erforderlichkeit einer neuen Abwägungsentscheidung ausgegangen werden.
51II. Der Plan leidet auch nicht an beachtlichen materiellen Mängeln.
521. Die vom Antragsteller beanstandete Festsetzung des Bebauungsplans Groß St. N. , nach der im Bereich des Vorhabens in verschiedenen Bereichen Schank- und Speisewirtschaften nur ausnahmsweise zugelassen werden können, ist nicht in beachtlicher Weise unwirksam. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Regelung bestimmt genug (dazu a), städtebaulich gerechtfertigt (dazu b), sie verstößt nicht gegen das Verbot vorhabenunabhängiger Nutzungskontingentierung (c) und ist nicht abwägungsfehlerhaft (d); sie ist auch nicht nachträglich funktionslos geworden (dazu e).
53a) Die Schank- und Speisewirtschaften betreffende Ausnahmeregelung ist nicht etwa unbestimmt; es bedurfte insbesondere nicht der vom Antragsteller vermissten weiter gehenden ausdrücklichen Regelung der Voraussetzungen für die Betätigung des Ermessens im Rahmen der Entscheidung über die Ausnahmeerteilung.
54Das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Es gilt auch für Bebauungspläne. Die zeichnerischen und die textlichen Festsetzungen müssen aus sich heraus bestimmt, eindeutig und verständlich sein. Die von den Festsetzungen Betroffenen müssen vorhersehen können, welchen Einwirkungen ihre Grundstücke ausgesetzt sind. Ob eine Festsetzung den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügt, ist in aller Regel eine Frage der Auslegung des Plans im Einzelfall und keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, BRS 81 Nr. 21 = BauR 2013, 917.
56Nach § 31 Abs. 1 BauGB können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Daraus folgt, dass Art und Umfang der Ausnahmen ausdrücklich bestimmt sein müssen.
57Vgl. Reidt, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage, § 31 Rn. 12 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 - 4 C 16.97 -, BRS 60 Nr. 71.
58Diesen Anforderungen wird der Bebauungsplan Groß St. N. mit der in Rede stehenden Festsetzung gerecht. Die Festsetzung ergibt hinreichend deutlich, von welcher Regelung (hier der Art der baulichen Nutzung) und in welchem Umfang (hier generell für Vorhaben im Sinne von Schank- und Speisewirtschaften) eine Ausnahme zugelassen werden kann. Hiervon zu unterscheiden sind die Leitlinien der Ermessensbetätigung, die sich aus Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage ergeben und nicht ausdrücklich in der Satzung festgelegt werden müssen.
59Vgl. Reidt, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 31, Rn. 19.
60Danach reicht es vorliegend aus, dass sich aus der Satzungsbegründung des Bebauungsplans Groß St. N. ergibt, anhand welcher Kriterien Entscheidungen über die Ausnahmeerteilung getroffen werden sollen. Die in der Satzungsbegründung genannten Kriterien sind auch für sich genommen nicht etwa zu vage und deshalb ungeeignet, um das Ermessen bei der Entscheidung über eine Ausnahmeerteilung zu steuern. Soweit es um eine merkbare Steigerung der Geräuschbelastung geht, die zu einer Störung der Wohnnutzung führen könne, liegt es nahe, auf die einschlägigen Werte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA-Lärm - vom 26. August 1998 (GMBl. 1998, S. 503) abzustellen, die konkretisiert, wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen zu werten sind und hierbei in Ziff. 3.2 auch detaillierte Regelungen zur Relevanz von Zusatzbelastungen trifft. Unbestimmt ist die Regelung auch nicht deshalb, weil es an einer ausdrücklichen Vorgabe für die Ermessensbetätigung für den Fall mehrerer Anträge mit Bezugnahme auf die Aufgabe eines gleichwertigen Betriebs fehlt. Insoweit hat es der Plangeber der Baugenehmigungsbehörde überlassen, eine sachgerechte Lösung, etwa nach Maßgabe der Priorität der Stellung eines ordnungsgemäßen und bescheidungsreifen Bauantrags, zu finden. Dies ist nach den oben genannten Anforderungen nicht zu beanstanden.
61b) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der planerischen Konzeption, die maßgeblich auf eine Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung und die Begrenzung gastronomischer Nutzungen zielt, und diese deshalb auch im hier betroffenen Bereich nur als Ausnahmen vorsieht, die städtebauliche Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB fehlt.
62Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
63vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2013 - 4 CN 6.11 -, BRS 81 Nr. 2 = BauR 2013, 1402,
64der sich der Senat angeschlossen hat, sind im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht erforderlich Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Danach fehlt es nicht an der städtebaulichen Rechtfertigung der Regelung. Die hier in Rede stehende Festsetzung über die nur ausnahmsweise Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften beruht auf der positiven Planungskonzeption der Antragsgegnerin, die darauf zielt, dass Gaststätten in diesem Bereich nach Anzahl und Größe begrenzt werden, damit das Ziel der Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung nicht gefährdet wird. Einen groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriff vermag der Senat in einer solchen Konzeption nicht zu erkennen.
65c) Entgegen der Meinung des Antragstellers verstößt der Plan nicht gegen das Verbot vorhabenunabhängiger Nutzungskontingentierung. Für die Festsetzungen zu gastronomischen Nutzungen fehlt es nicht unter dem genannten Aspekt an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
66Die Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze zur Steuerung des Einzelhandels in einem Sondergebiet ist mangels Rechtsgrundlage grundsätzlich unzulässig. Eine baugebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung kann (als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung) nur dann ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i. V .m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist; dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.2008 - 4 CN 3.07 -, BRS 73 Nr. 77 = BauR 2008, 1273, und Beschluss vom 9.2.2011 - 4 BN 43.10 -, BRS 78 Nr. 46 = BauR 2011, 1118.
68Diese Anforderungen können auf die hier in Rede stehende Festsetzung nicht übertragen werden. Der Plan selbst enthält nämlich schon keine vergleichbare vorhabenunabhängige Kontingentierung. Soweit die Betätigung des Ermessens zu ähnlichen Auswirkungen führen sollte, wie der Antragsteller meint, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Planfestsetzung. Daraus, dass eine entsprechende Planfestsetzung unzulässig ist, folgt nicht, dass die behördliche Ermessensbetätigung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht zu einem solchen Ergebnis führen dürfte. Hinreichende Grundlage für daraus resultierende Kontingentier-ungen als Resultat behördlicher Ermessensbetätigung wäre insoweit § 31 Abs. 1 BauGB.
69Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 7.7.2011 - 2 D 39/09.NE -, BRS 78 Nr. 48 = juris, Rn. 77, m. w. Nachw.
70d) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Konzeption an den behaupteten beachtlichen Abwägungsmängeln leidet.
71Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. In der Rechtsprechung ist ferner geklärt, dass jeder Bebauungsplan grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen hat, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zulasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben. Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bebauungsplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln indes nicht aus; Festsetzungen eines Bebauungsplans können auch Ausdruck einer „planerischen Zurückhaltung“ sein. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung auf die Ebene des Planvollzugs sind allerdings überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen. Ein Konflikttransfer ist mithin nur zulässig, wenn die Durchführung der Maßnahmen zur Konfliktbewältigung auf einer nachfolgenden Stufe möglich und sichergestellt ist. Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde prognostisch zu beurteilen, da es um den Eintritt zukünftiger Ereignisse geht. Ist insoweit bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung die künftige Entwicklung hinreichend sicher abschätzbar, so darf sie dem bei ihrer Abwägung Rechnung tragen. Löst der Bebauungsplan von ihm aufgeworfene Konflikte nicht, obwohl ein Konfliktlösungstransfer unzulässig ist, so führt dies zur Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung. Lässt sich die planerische Lösung der Gemeinde unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen, fehlt es mithin an der Begründbarkeit der gemeindlichen Planung, dann führt dies zudem zu einem Fehler (auch) im Abwägungsergebnis. Denn ein solcher Fehler ist dann anzunehmen, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, mithin die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten würden. Anders als Mängel im Abwägungsvorgang ist ein Mangel im Abwägungsergebnis stets beachtlich; er führt unabhängig vom Vorliegen weiterer Mängel der Abwägung zur (Teil-) Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 ‑, BauR 2015, 1620.
73Der Plan ist in Anwendung dieser Grundsätze nicht in beachtlicher Weise abwägungsfehlerhaft.
74Der Antragsteller meint, es sei unstimmig, dass Gaststätten nur ausnahmsweise zulässig seien, obwohl sie tatsächlich überwiegend vorhanden seien, und beruft sich hierzu auf Rechtsprechung des Senats.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.9.2007 - 7 D 91/06. NE -, juris.
76Diese Rechtsprechung des Senats betrifft indes eine andere Fallgestaltung. Es ist vorliegend keineswegs so, dass eine im Rahmen der planerischen Konzeption an sich erwünschte Nutzung nur ausnahmsweise für zulässig erklärt wird. Vielmehr geht es darum, eine Konzeption umzusetzen, bei der künftig im Grundsatz Gaststätten begrenzt werden sollen, um die Wohnnutzung zu erhalten und fortzuentwickeln. Ferner kann hier auch eine in beachtlicher Weise fehlerhafte Bestandsaufnahme nicht erkannt werden. Ebenso wenig vermag der Senat im Hinblick auf die regionale Differenzierung der (ausnahmsweisen) Zulässigkeit gastronomischer Nutzungen einen Abwägungsfehler zu erkennen. Diese Regelungen beruhen vielmehr auf einer nachvollziehbaren Konzeption, die an den aufgezeigten Zielen der Planung der Antragsgegnerin ausgerichtet ist.
77Es kann dahin stehen, ob abgesehen davon etwaige Abwägungsmängel ohnehin nachträglich unbeachtlich geworden sind. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.2015 - 4 CN 10.14 -, BauR 2015, 1981,
79führt die erneute Bekanntmachung, wie aufgezeigt, nicht dazu, dass auch die Rügefrist nach § 215 BauGB erneut beginnt.
80e) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die genannte Festsetzung des Bebauungsplans Groß St. N. auch nicht zwischenzeitlich (teilweise) funktionslos und deshalb unwirksam geworden.
81Die Funktionslosigkeit einer Festsetzung tritt erst dann ein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich die Planung bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient.
82Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.2.2015 - 7 D 29/13 -, BauR 2015, 1111.
83Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach dem Inhalt der vorliegenden Akten kann nicht festgestellt werden, dass die städtebauliche Konzeption, die mit den in Rede stehenden Festsetzungen verwirklicht werden soll, für unabsehbare Zeit nicht mehr verwirklicht werden könnte.
842. Der Bebauungsplan Groß St. N. leidet auch nicht an anderen beachtlichen materiellen Mängeln. Insbesondere sind die Festsetzungen zum passiven Lärmschutz entgegen der Meinung des Antragstellers nicht wegen einer unbestimmten Darstellung der Lärmpegelbereiche fehlerhaft. Der Antragsteller rügt hierzu ohne Erfolg, es sei nicht klar, ob sich die Festsetzung nur auf die Fassadenbereiche hinter den Markierungen durch Pfeillinien beziehe oder auch auf die dahinter liegenden Flächen.
85Soweit im Bebauungsplan Bereiche mit unterschiedlichen Schallschutzklassen festgesetzt werden, sind die betreffenden Bereiche in der Planzeichnung allerdings eindeutig zu kennzeichnen. Dabei ist auch klarzustellen, für welche Bereiche innerhalb von Baufenstern die jeweiligen Schallschutzklassen gelten sollen. Eine mit der zeichnerischen Darstellung von Lärmpegelbereichen unterschiedlicher Schallschutzklassen kombinierte Planfestsetzung, Vorkehrungen passiven Lärmschutzes nach Maßgabe der DIN 4109 zu treffen, ist deshalb unwirksam, wenn die betreffenden Bereiche nicht eindeutig gekennzeichnet sind.
86Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, BRS 81 Nr. 21 = BauR 2013, 917, und 13.2.2014 - 7 D 102/12.NE -, juris.
87An der danach erforderlichen eindeutigen Festsetzung fehlt es hier indes nicht.
88Der Senat geht davon aus, dass sich die Anforderungen an den passiven Lärmschutz im vorliegenden Einzelfall nur auf die Fassaden in Höhe der Baulinien beziehen. Aus diesen Gründen ist unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse hinreichend klar, welche Anforderungen an den passiven Lärmschutz jeweils maßgeblich sind.
89Vgl. hierzu allg. OVG NRW, Urteil vom 15.5.2013 - 2 D 122/12.NE -, juris, und Urteil vom 20.2.2015 - 7 D 73/13.NE -, juris.
90Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
91Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
92Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.