Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 26. Aug. 2015 - 10 K 7064/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist der Vater des am 00.00.0000 geborenen L. M. Q. . Von 2003 bis August 2011 lebte L. M. im Haushalt des Klägers. Während dieser Zeit brach L. M. sowohl die Schulausbildung als auch die praktische Ausbildung ohne Abschluss ab, beging diverse Straftaten, darunter auch Eigentumsdelikte zum Nachteil des Klägers, und litt unter Alkohol- und Drogenmissbrauch. Nachdem L. M. Mitte August 2013 stationär in der B. Klinik X. in S. zur Suchtentwöhnung untergebracht worden war, beantragte sein Betreuer unter dem 16. Oktober 2013 beim Jugendamt der Beklagten die Gewährung stationärer Eingliederungshilfe. Am 9. Januar 2014 ging bei der Beklagten ein Arztbericht der B. Klinik und Kostenübernahmeantrag für stationäre Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII ein. Die L. M. behandelnden Fachärzte stellten darin die Diagnosen „Cannabisabhängigkeit, Alkoholabhängigkeit und paranoide Schizophrenie“. Ferner wurde in dem Arztbericht festgestellt, dass ein Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest bei L. M. einen unterdurchschnittlichen IQ von 92 ergeben habe und er bei weiteren spezifischen Intelligenzuntertests überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt habe. Unter dem 22. Januar 2014 leitete die Beklagte den Antrag von L. M1. auf Gewährung von Jugendhilfe an den Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Sozialhilfeträger mit der Bitte um Übernahme des Falles weiter, welche dieser ablehnte.
3Am 11. Februar 2014 begann die Unterbringung von L. M. im Schloss C. in S1. , einer Einrichtung zur psychischen sozialen und beruflichen Rehabilitation. Mit Schreiben vom gleichen Tag, zugestellt am 12. Februar 2014, informierte die Beklagte den Kläger über die Durchführung der Maßnahme und klärte ihn gleichzeitig darüber auf, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes für die Dauer der Hilfegewährung ruhe und er keine Unterhaltszahlungen zu erbringen habe. Er wurde gebeten, Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen, damit seine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag geprüft werden könne. Der Kläger legte daraufhin Nachweise über seine Einkommensverhältnisse vor. Mit weiterem Schreiben wies er die Beklagte darauf hin, dass der Kreis Kleve mit Bescheid vom 5. Mai 2014 bei L. M. ab dem 22. Januar 2014 einen Grad der Behinderung von 50 wegen einer Persönlichkeitsstörung und eines Suchtmittelmissbrauchs festgestellt habe. Aufgrund dessen würden für L. M. tatsächlich Leistungen nach dem SGB XII gewährt werden, so dass maximal ein Kostenbeitrag in Höhe von 26,- Euro monatlich von ihm verlangt werden dürfe.
4Mit Bescheid vom 29. September 2014 zog die Beklagte den Kläger zu einem Kostenbeitrag in Höhe von 510,- Euro monatlich für die Zeit ab dem 12. Februar 2014 heran.
5Dagegen hat der Kläger hat am 29. Juli 2014 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Der Kostenbeitrag sei zu Unrecht erhoben, weil es sich bei der gewährten Hilfe um keine Jugendhilfe, sondern Sozialhilfe nach § 53 SGB XII handele. Die Beklagte habe nicht dargelegt, warum die Jugendhilfe über das 21. Lebensjahr von L. M. hinaus zu verlängern sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass L. M. geistig behindert sei. Im Übrigen entspreche es im Hinblick auf das Verhalten von L. M. gegenüber dem Kläger in der Vergangenheit und unter Berücksichtigung dessen, dass sich L. M. ausschließlich durch den von ihm willentlich herbeigeführten Drogenmissbrauch in seine jetzige Lage gebracht habe, in Anlehnung an § 1611 BGB der Billigkeit, von der Heranziehung des Klägers zu einem Kostenbeitrag abzusehen.
6Der Kläger beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie verteidigt den Bescheid und führt insbesondere aus, dass die Anforderungen der §§ 41, 35a SGB VIII im Fall von L. M. erfüllt seien. Die Verfehlungen von L. M. hätten persönliche und wirtschaftliche Interessen des Klägers nicht so tiefgreifend beeinträchtigt, dass seine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag eine besondere Härte bedeutete. Außerdem sei L. M. Verhalten teilweise auch krankheitsbedingt und ihm damit nicht vorwerfbar.
11Die Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Mai 2015 den Kostenbeitrag des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 28. Februar 2015 auf 510,- Euro monatlich festgesetzt. Über den vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte noch nicht entschieden.
12Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, vgl. § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
15Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Der Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 29. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16Die Heranziehung des Klägers für die Kosten der jugendhilferechtlichen Maßnahme für seinen Sohn L. M. hat ihre rechtliche Grundlage in §§ 91 Abs. 1 Nr. 8, 5 lit. c, 92 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe –.
171. Der Kostenbeitrag ist dem Grunde nach rechtmäßig festgesetzt worden.
18a) Die Beklagte hat eine in den Anwendungsbereich der §§ 91 ff. SGB VIII fallende Maßnahme geleistet. Nach § 91 Abs. 1 Nr. 8, 5 lit. c SGB VIII werden Kostenbeiträge unter anderem zu der vollstationären Leistung der Eingliederungshilfe für seelische behinderte junge Volljährige in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie in sonstigen Wohnformen (§§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII) erhoben. Eine derartige Hilfe erbringt die Beklagte, indem sie dem Sohn des Klägers L. M. seit dem 11. Februar 2014 eine Eingliederungshilfe im Rahmen einer stationären Unterbringung in einer Wohngemeinschaft gewährt. Als Elternteil kann der Kläger nach § 92 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 SGB VIII zu den Kosten der Maßnahme durch Erhebung eines Kostenbeitrags herangezogen werden.
19b) Gegen den auf den 12. Februar 2014 gelegten Beginn des Beitragszeitraums ist mit Blick auf die in § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII normierte Aufklärungspflicht nichts zu erinnern. Nach dieser Vorschrift kann ein Kostenbeitrag bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Es müssen die dem Betroffenen in seinem Fall relevanten Informationen übermittelt werden, um vermögensrechtliche Fehldispositionen im Zusammenhang mit dem Entstehen der Kostenbeitragspflicht zu vermeiden.
20Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11. Oktober 2012 – 5 C 22.11 –, juris Rdnr. 9 ff.
21Diese Informationen hat der Kläger in dem ihm am 12. Februar 2014 zugestellten Schreiben der Beklagten vom 11. Februar 2014 erhalten. Dabei ist er besonders darauf hingewiesen worden, dass während der Dauer der Jugendhilfemaßnahme der Lebensunterhalt seines Sohnes sichergestellt sei, so dass er keinen Barunterhalt mehr, sondern möglicherweise einen Kostenbeitrag leisten müsse.
22Das Ende des Beitragszeitraums ist durch den Erlass des weiteren Bescheides vom 22. Mai 2015, durch den die Beklagte einen Kostenbeitrag für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 28. Februar 2015 festgesetzt hat, mittelbar auf den 31. Dezember 2014 gelegt worden.
23c) Die den Kostenbeitrag auslösende Jugendhilfeleistung ist auch rechtmäßig gewährt worden.
24Die Rechtmäßigkeit, insbesondere Erforderlichkeit, der Jugendhilfeleistung ist Voraussetzung für eine rechtmäßige Heranziehung zu einem Kostenbeitrag.
25Vgl. Oberveraltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 18. Juli 2013 – 12 A 892/13 –, juris Rdnr. 17, m. w. N.
26Die Voraussetzungen der Hilfegewährung lagen vor. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Abs. 3 und 4 SGB VIII sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 SGB VIII entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII ist junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII wird die Hilfe für junge Volljährige in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden.
27Die Hilfe für junge Volljährige durfte für L. M. zunächst aufgenommen werden, obwohl er zum Zeitpunkt des Hilfebeginns am 11. Februar 2014 bereits 20,5 Jahre alt und wahrscheinlich war, dass die Hilfemaßnahme länger als ein halbes Jahr, also bis zum Erreichen seines 21. Lebensjahres gewährt werden würde.
28Für einen Leistungsausschluss für junge Volljährige unter 21 Jahren gibt der Wortlaut des § 41 Abs. 1 SGB VIII nichts her. Der Gesetzgeber wollte mit der Hilfe für junge Volljährige gerade dem Umstand Rechnung tragen, dass der Hilfebedarf erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres – etwa bei entsprechend spätem Ausbildungsantritt oder der vorherigen Verbüßung einer Freiheitsstrafe – eintritt. Die Hilfe nach § 41 SGB VIII setzt dementsprechend nicht voraus, dass bereits bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Jugendhilfeleistungen erbracht worden sind. Aus § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII folgt lediglich, dass mit der Hilfe für den jungen Volljährigen nicht erst nach Erreichen seines 21. Lebensjahres begonnen werden darf. Für eine Differenzierung im darunterliegenden Alterssegment ist hingegen nichts ersichtlich. Gesetzesvorhaben mit dem Ziel, den Beginn einer Hilfe schon nach der Vollendung des 18. Lebensjahres auszuschließen und damit nur noch die Möglichkeit von Fortsetzungshilfen zuzulassen, die an vor der Volljährigkeit begonnene Hilfemaßnahmen anknüpfen, sind im parlamentarischen Prozess gescheitert.
29Zwar mag es – wie das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 21. Mai 2012 (L 20 SO 608/10) angenommen hat – bei baldiger Vollendung des 21. Lebensjahres unter Umständen für die Gesetzesanwendungspraxis sinnvoll sein, die Leistung bereits von Beginn an nicht der Jugendhilfe, sondern der – voraussichtlich ohnehin langfristig oder auf Dauer zu gewährenden – Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zuzuordnen. Vor dem Hintergrund, dass § 41 Abs. 1 SGB VIII nach einhelliger Auffassung keine Mindestdauer der Hilfe vor Vollendung des 21. Lebensjahres fordert, sondern nur voraussetzt, dass die Hilfegewährung vor diesem Zeitpunkt „eingeleitet“ bzw. „erbracht“ worden ist, gibt die Zeitdauer bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres aber kein Kriterium ab, das – als außerhalb des Regelfalles liegend – den Rechtsanspruch auf die Hilfe ausschließen könnte.
30Erforderlich, aber auch ausreichend bei einem Hilfebeginn vor Vollendung des 21. Lebensjahres ist entsprechend den tatbestandlichen Zielvorgaben in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erkennbarer Entwicklungsprozess in der Persönlichkeitsentwicklung und in der eigenverantwortlichen Lebensführung gegeben ist, der noch gefördert werden kann, die Eignung der Hilfemaßnahme also nicht völlig ausgeschlossen ist. Nur wenn auf der Grundlage einer nach den gewonnenen Erkenntnissen sorgfältig zu erstellenden Prognose nicht einmal Teilerfolge zu erwarten sind, die Persönlichkeitsentwicklung vielmehr stagniert, ist die Hilfe mangels Eignung und Erfolgsaussicht zu versagen.
31Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 12 A 391/13 –, juris Rdnr. 43 ff., m. w. N.
32Gemessen an diesen Maßstäben war die Eignung der Jugendhilfe für L. M. in dem Zeitraum von ihrem Beginn am 11. Februar 2014 bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres am 6. August 2014 nicht völlig ausgeschlossen. Es ist sogar ein positiver Entwicklungsprozess in seiner Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortlichen Lebensführung erkennbar geworden. Ausweislich des Arztberichtes der B. Klinik am X. 11. Dezember 2013, der die Grundlage für die Bewilligung der Jugendhilfe bildete, verlief die dortige stationäre Unterbringung positiv. L. M. habe sich motiviert und veränderungsbereit gezeigt. Um seine Therapieziele zu erreichen, sei eine weitere therapeutische Unterstützung nötig. Ausgehend davon war es gerechtfertigt, die Jugendhilfemaßnahme einzuleiten. Ausweislich des Hilfeplanes vom 11. März 2014 stagnierte die weitere Entwicklung von L. M. nicht, sondern er erzielte weitere Teilerfolge: So kommt er in seinem Alltag gut zurecht. Er ist arbeitsfähig und bereitet sich auf eine Ausbildung vor. Er kommt gut mit seinem Mitbewohner zurecht. Gleichzeitig sieht er für sich selbst noch ein hohes Risiko ohne Unterstützung rückfällig in der Sucht zu werden. Dazu sei auch erforderlich, dass er noch feste Freizeitinhalte entwickele.
33Die Hilfegewährung wurde auch nicht ab dem 6. August 2014 mit der Vollendung von L. M. 21. Lebensjahr und damit im Hinblick auf den Kostenbeitrag für den Beitragszeitraum vom 6. August bis zum 31. Dezember 2014 rechtswidrig geworden. Nach der Vollendung des 21. Lebensjahres des Hilfeempfängers stellt der Gesetzgeber zwar erhöhte Anforderungen an die Notwendigkeit der Hilfegewährung für junge Volljährige. Es muss dann eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein erkennbarer und schon Fortschritte zeigender Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Ziele vorliegt, der durch die Weitergewährung der Hilfemaßnahmen gefördert werden könnte.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Dezember 2013 – 12 A 391/13 –, juris Rdnr. 73 ff., m. w. N., und vom 21. März 2014 – 12 A 1845/12 –, juris Rdnr. 42.
35Es genügt, wenn Notizen erkennen lassen, dass der junge Volljährige zumindest auf einigen Gebieten kleine, aber ersichtliche Fortschritte gemacht hat und ausweislich der Auflistung konkreter Ziele und Maßnahmen in vieler Hinsicht weiterhin Verbesserungen erreichbar erscheinen. Die Erwartung einer spürbaren Verbesserung und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des jungen Volljährigen und seiner Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung setzt nicht die Aussicht auf erhebliche Fortschritte voraus. Auf die Geschwindigkeit, mit der der junge Mensch mehr Selbständigkeit erlangt, kommt es so lange nicht an, als das innerhalb des Maßnahmezeitraumes erreichbar erscheinende Zielstadium als eine jedenfalls merkliche Nachreifung der Persönlichkeit wahrzunehmen ist.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 12 A 391/13 –, juris Rdnr. 75 ff., m. w. N.
37Auch diesem erhöhten Maßstab ist L. M. Entwicklung ab dem 6. August 2014 bis zum hier allein maßgeblichen Ende des Beitragszeitraums am 31. Dezember 2014 gerecht geworden. Aus dem nächsten Hilfeplan vom 8. September 2014 geht hervor, dass L. M. weitere Fortschritte gemacht hat: Demnach ist er in der Trainingswerkstatt gut integriert. Sein Arbeitsmeister ist mit seinen Leistungen zufrieden und befürwortet die Ausbildung zum Maler und Lackierer. Aufgrund dessen wird als weiteres Ziel eine Nachmeldung zur Ausbildung genannt. In seiner Wohngruppe ist L. M. gut angekommen und integriert. Seine Dienste in der Wohngruppe erledigt er gewissenhaft und selbstständig. Da er weiterhin Sicherheit in lebenspraktischen Bereichen erlernen und festigen müsse, sei die Unterstützung durch die gewährte Maßnahme weiter erforderlich. Im Hinblick darauf, dass er aber bereits Teilerfolge erreicht hat und seine Entwicklung nicht stagniert, kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch sein weiterer Entwicklungsprozess zur Erreichung der weiteren Ziele führen wird.
38Vor diesem Hintergrund scheitert der Anspruch von L. M. auf Verlängerung der Hilfe für junge Volljährige über sein 21. Lebensjahr hinaus auch nicht am Vorliegen eines „begründeten Einzelfalles“, in dem nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Hilfe „für einen begrenzten Zeitraum“ fortgesetzt werden soll.
39Ein begründeter Einzelfall liegt vor, wenn es aufgrund der individuellen Situation des Hilfesuchenden inhaltlich nicht sinnvoll ist, die Hilfe – wie im Regelfall – mit dem 21. Lebensjahr zu beenden. Nur wenn im Zusammenhang mit andauernden Schwierigkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung zwingend ein fortbestehender sozialpädagogischer Hilfebedarf gegeben ist, kann die Fortsetzung der Hilfe über das 21. Lebensjahr hinaus gerechtfertigt sein. Einen solchen Ausnahmecharakter trägt gerade auch die dadurch problembelastete Lebenslage, dass durch eine – durch Suchterkrankung und ihre Folgeerscheinungen (hier paranoide Schizophrenie) – gestörte Biographie die Entwicklung von Unabhängigkeit und Autonomie erst verzögert und in ganz kleinen Schritten einsetzen lässt.
40Für die Dauer des „begrenzten Zeitraumes“ enthält das Gesetz keine Vorgaben. Der begrenzte Zeitraum im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII endet aber jedenfalls mit dem Erreichen des konkreten Entwicklungsziels oder aber mit der Erkenntnis, dass dieses Ziel in absehbarer Zeit nicht erreichbar sein wird. Der Begriff „für einen begrenzten Zeitraum“ ist hingegen nicht dahingehend auszulegen, dass eine vor dem 21. Lebensjahr begonnene Hilfe dann erst gar nicht fortgesetzt werden kann, wenn von vornherein absehbar ist, dass sie bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres – also während des gesamten für eine Hilfe nach § 41 Abs. 1 SGB VIII infrage kommenden Zeitraums – erforderlich bleibt. Bei einer derartigen Auslegung wären keine Fälle denkbar, in denen einem Hilfebedürftigen für den gesamten Zeitraum, der sich aus dem Begriff „junger Volljähriger“ ergibt (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII), Jugendhilfe geleistet werden kann. Eine derartige Auslegung kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Es sind vielmehr Fälle denkbar, in welchen das Ende des „begrenzten Zeitraumes“ mit der Vollendung des 27. Lebensjahres zusammenfällt. Gerade im Falle des Vorliegens einer seelischen Behinderung kommt regelmäßig eine Hilfegewährung nach § 41 Abs. 1 SGB VIII bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres in Betracht.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 12 A 391/13 –, juris Rdnr. 82 ff., m. w. N.
42Ausgehend von diesen Grundsätzen kann mit Blick auf die – wie dargelegt – weiterhin gegebene positive Entwicklung von L. M. , die allerdings noch nicht am Ende angelangt ist, indem sämtliche Ziele erreicht worden wären, sein Fall als begründeter Einzelfall eingestuft werden, in dem eine Fortsetzung der Hilfe für junge Volljährige über das 21. Lebensjahr hinaus gerechtfertigt erscheint.
43Die Erforderlichkeit der weiteren Hilfegewährung und damit Kostenbeitragserhebung über den hier streitgegenständlichen 31. Dezember 2014 hinaus hängt von der an den hier ausgeführten Grundsätzen zu bewertenden weiteren Entwicklung von L. M. ab.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2014 – 12 A 1845/12 –, juris Rdnr. 45 ff.
45d) Der Kostenbeitrag ist auch nicht deshalb dem Grunde nach rechtswidrig von der Beklagten festgesetzt worden, weil die für L. M. gewährte Maßnahme im Hinblick auf eine – wie der Kläger behauptet – bei L. M. vorliegenden geistigen Behinderung vorrangig vom Sozialhilfeträger nicht als Jugendhilfe, sondern als Sozialhilfe zu bewilligen gewesen wäre.
46Ein derartiger etwaiger Vorrang der Sozialhilfe ändert an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nichts. Denn unabhängig vom Bestehen eines vorrangigen Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII ist entscheidend, welche Leistung tatsächlich gewährt worden ist. Hier hat die Beklagte in Gestalt ihres Jugendamtes Leistungen der Jugendhilfe in Form der Eingliederungshilfe für junge Volljährige (§§ 41, 35a SGB VIII) gewährt und gewähren wollen.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 5 B 203/07 –, juris Rdnr. 3; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 4 LC 57/11 –, juris Rdnr. 42; nach VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 7 K 122/12 –, juris Rdnr. 28, fehlt es bei einem Vorrang der Sozialhilfe bereits an einer jugendhilferechtlichen Maßnahme, für die Kosten erhoben werden könnten.
48Allerdings sind nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die dem Grunde nach Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenen Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift dürfen die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten. Derartige Kosten bzw. Aufwendungen, die dem grundsätzlich Kostenbeitragspflichtigen in Rechnung gestellt werden können, verbleiben dem Jugendhilfeträger aber nicht, wenn er diese vorrangig von einem anderen Erstattungspflichtigen vollständig ersetzt verlangen kann.
49Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 4 LC 57/11 –, juris Rdnr. 44.
50Solange ein anderer Erstattungspflichtiger dem Leistenden dessen entstandenen Aufwendungen noch nicht erstattet hat, sind die Kosten dem Jugendhilfeträger zwar noch verblieben. Die gesetzliche Formulierung „zu den Kosten“ ist bei systematischer und teleologischer Auslegung aber einschränkend so auszulegen, dass bereits die Möglichkeit einer anderen, vorrangigen Kostenerstattung genügt, um die Kostenbeitragspflicht entfallen zu lassen. Denn wenn auf der einen Seite die Leistungsträger untereinander im Wege des Erstattungsanspruchs den Zustand herstellen können, der eingetreten wäre, wenn die Zuständigkeiten richtig verteilt worden wären, so gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gehört, dass der Kostenbeitragspflichtige so gestellt wird, als wäre seinem Kind Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gewährt worden und er dann auch nur einen (regelmäßig niedrigeren) Kostenbeitrag nach SGB XII hätte zahlen müssen.
51Vgl. Urteil des Einzelrichters vom 16. Juli 2014 – 10 K 5189/13 –, n. v.; ebenso in der Begründung: VG Stuttgart, aaO, juris Rdnr. 41; vgl. auch die Begründung des Niedersächsisches OVG, aaO, juris Rdnr. 45 unter Bezugnahme auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
52Hier hat die Beklagte als Träger der Jugendhilfe gegen den LVR als Träger der Sozialhilfe aber keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die Hilfegewährung entstandenen Aufwendungen. Es kann insoweit offen bleiben, welche Rechtsgrundlage für einen derartigen Kostenerstattungsanspruch vorliegend überhaupt anwendbar wäre. Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der allen Anspruchsgrundlagen gemeinsamen Voraussetzung, der vorrangigen Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers.
53Ein Vorrang der Sozialhilfe folgt insbesondere nicht daraus, dass L. M. – wie vom Kläger behauptet – geistig behindert wäre. Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch – also der Jugendhilfe – vor. L. M. ist aber weder körperlich noch geistig behindert noch von einer solchen Behinderung bedroht.
54Für eine körperliche Behinderung bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
55Nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Diseases: ICD-10) liegt eine (leichte) geistige Behinderung erst dann vor, wenn – in Abgrenzung zur bloßen „Lernbehinderung“ – der anhand standardisierter Intelligenztests festgestellte IQ weniger als 70 beträgt.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 12 A 391/13 –, juris Rdnr. 30, m. w. N.
57Ein solcher Befund wurde bei L. M. nicht erhoben. Das bei ihm im Rahmen der testpsychologischen Untersuchungen während seines stationären Aufenthaltes in der B. Klinik X. gemessene allgemein-intellektuelle Gesamtpotenzial ergab bei dem am 22. August 2013 durchgeführten Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest einen IQ von 92. Dieser Wert liegt zwar im unteren Durchschnittsbereich, ist aber deutlich vom Bereich einer geistigen Behinderung entfernt. Bei den weiter durchgeführten spezifischen Intelligenzuntertests erzielte L. M. Ergebnisse, die oberhalb des Durschnitts bzw. im oberen Durchschnitt lagen (vgl. Beiakte, Heft 3, Bl. 20). Folglich stellten die ihn untersuchenden und behandelnden Fachärzte auch nicht die Diagnose einer geistigen Behinderung, sondern ausschließlich Diagnosen aus dem Bereich der seelischen Behinderung (Störungen durch Alkohol; Störungen durch Cannabinoide; paranoide Schizophrenie, unvollständige Remission). Aus dem Bescheid des Kreis L2. vom 5. Mai 2014, durch den bei L. M. ab dem 22. Januar 2014 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt wurde, ergibt sich nichts anderes. Der Grad der Behinderung wurde nicht etwa wegen einer geistigen Behinderung festgestellt, sondern allein wegen einer Persönlichkeitsstörung und eines Suchtmittelmissbrauchs, also seelischer Behinderungen.
58Im Falle einer seelischen Behinderung kann zwar auch Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gewährt werden. Allerdings greift in diesem Fall der Grundsatz des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, wonach die Leistungen nach dem SGB VIII (Jugendhilfe) Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe) vorgehen.
592. Der von der Beklagten auf monatlich 510,- Euro festgesetzte Kostenbeitrag ist auch seiner Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Kläger hat insoweit keine Berechnungsfehler geltend gemacht. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
603. Schließlich sind auch keine anderen Gründe dafür gegeben, den Kläger von dem Kostenbeitrag ganz oder teilweise freizustellen.
61Insbesondere würde ein etwaiges Entfallen der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinem Sohn L. M. gemäß § 1611 Abs. 1 BGB wegen einer von diesem durch dessen Drogensucht selbst verschuldete Hilfsbedürftigkeit oder von diesem gegenüber dem Kläger begangener Verfehlungen nicht zum Entfall der Kostenbeitragspflicht führen. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob L. M. überhaupt im Sinne der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 1611 Abs. 1 BGB durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den unterhaltspflichtigen Kläger schuldig gemacht hat.
62§ 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII weist darauf hin, dass die Heranziehung der kostenbeitragspflichtigen Personen im Sinne des § 92 Abs. 1 SGB VIII ausschließlich durch einen Kostenbeitrag, also nicht mehr durch Übergang eines Unterhaltsanspruchs, erfolgt. Mit der Neufassung der Vorschriften über den Kostenbeitrag sind die verschiedenen Formen der Heranziehung aus dem Einkommen zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Heranziehung durch Kostenbeitrag aufgegeben worden. Sowohl die Leistungsgewährung als auch die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen werden damit ausschließlich nach öffentlichem Recht beurteilt und der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterstellt. Ziel war die Entflechtung des zuvor überaus komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich.
63Vgl. BT-Drucks. 15/3676, S. 28, 41.
64Wegen der Umstellung auf eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Heranziehung zu Kostenbeiträgen, deren Festsetzung sich nach einkommensabhängig gestaffelten Pauschalbeträgen bestimmt (§ 94 Abs. 5 SGB VIII), besteht Raum für Abweichungen von unterhaltsrechtlichen Regelungen. Gleichwohl kann auch der Gesetzesbegründung entnommen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Entflechtung des öffentlich-rechtlichen Kostenbeitragsrechts vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht „nicht zu materiellen Wertungswidersprüchen mit dem Unterhaltsrecht führt“.
65Vgl. BT-Drucks. 15/3676, S. 28, 41.
66Ein vom Gesetzgeber nicht gewollter, gravierender materieller Wertungswiderspruch liegt vor, wenn die Festsetzung des Kostenbeitrags im Ergebnis Grundprinzipien des Unterhaltsrechts nicht beachtet. Zu diesen elementaren Grundprinzipien des Unterhaltsrechts gehört, dass dem Kostenbeitragspflichtigen der so genannte Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt zu belassen ist.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 5 C 10/09 –, juris Rdnr. 14
68Dass darüber hinaus auch die Regelung des § 1611 Abs. 1 BGB zu den „elementaren Grundprinzipien des Unterhaltsrechts“ gehört, ist nicht erkennbar. Unabhängig davon ist ihre Anwendung im öffentlich-rechtlichen Kostenbeitragsrecht jedenfalls deshalb nicht geboten, weil das der Regelung des § 1611 Abs. 1 BGB zugrundeliegende persönliche Verhältnis zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten bei der Erhebung eines Kostenbeitrags nicht betroffen ist. Die Rechtfertigung des § 1611 Abs. 1 BGB für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs, nämlich dass der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat,
69vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 - XII ZB 607/12 –, juris Rdnr. 14,
70greift im Kostenbeitragsrecht nicht Platz. Denn wenn das Jugendamt den Kostenbeitragspflichtigen zu einem Kostenbeitrag heranzieht, ist kein „Familienband“ betroffen, das zerrissen sein könnte.
71Vgl. auch BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 148/09 –, juris Rdnr. 44, wonach sogar im Falle des § 94 SGB XII, in dem der unterhaltsrechtliche Anspruch auf den Sozialhilfeträger übergeht, § 1611 BGB grundsätzlich nicht anwendbar ist.
72Aus den gleichen Gründen könnte ein Entfall der Unterhaltspflicht nach § 1611 BGB auch nicht die Voraussetzungen einer besonderen Härte nach § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII erfüllen. Eine besondere Härte im Sinne des § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII liegt nur dann vor, wenn die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag zu einem Ergebnis führt, das den Leitvorstellungen der §§ 91 bis 93 SGB VIII nicht entspricht.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2011 – 12 A 805/11 –, juris Rdnr. 8.
74Wie dargelegt entspricht es aber gerade den Leitvorstellungen der §§ 91 bis 93 SGB VIII, dass der Kostenbeitrag vom Jugendamt erhoben werden kann unabhängig von der Qualität der persönlichen Beziehung des Kostenbeitragspflichtigen zum Hilfeempfänger. Wäre dies anders, so wäre die Erhebung eines Kostenbeitrags bereits dann in Frage gestellt, wenn zwischen dem Hilfeempfänger und dem Kostenbeitragspflichtigen – wie nicht selten der Fall – keine persönliche Beziehung mehr besteht. Genauso wenig stellt es einen atypischen Fall dar, dass die Notwendigkeit der gewährten Jugendhilfemaßnahme durch ein –diesem gegebenenfalls vorwerfbares – Verhalten des Jugendlichen oder jungen Volljährigen möglicherweise (mit-)verursacht wurde.
75Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 26. Aug. 2015 - 10 K 7064/14
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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:
- 1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen, - 2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen, - 3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen, - 4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.
(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.
(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
Wird Hilfe nach den §§ 33 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 3 oder 4 gewährt, so ist auch Krankenhilfe zu leisten; für den Umfang der Hilfe gelten die §§ 47 bis 52 des Zwölften Buches entsprechend. Krankenhilfe muss den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen. Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen sind zu übernehmen. Das Jugendamt kann in geeigneten Fällen die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung übernehmen, soweit sie angemessen sind.
(1) Im Sinne dieses Buches ist
- 1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen, - 2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, - 3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, - 4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, - 5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, - 6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.
(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.
(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.
(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung der Aufwendungen, die er für die Unterbringung von N. N1. , geboren am 1989, im psychiatrischen Pflegeheim Haus U. in H. ab dem 11. Dezember 2010 bis zum 30. April 2012 erbracht hat.
3Der vor der Unterbringung in L. wohnhafte N. N1. konsumierte seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Cannabis. Er hat keinen Schulabschluss, sondern lediglich ein Abgangszeugnis der Hauptschule. Nach der Schule war er zeitweilig in einer Jugendwerkstatt in W. im Metallbereich tätig. Bereits im Jahr 2007 stellte die Uni-Klinik L. den Verdacht auf eine drogeninduzierte Psychose. Am 17. Januar 2009 kam es erstmals zu einer stationären Aufnahme in der LVR-Klinik L. . Anlass war, dass Herr N1. einen Nachbarn bedroht hatte, da dieser zu laut gewesen sei. In der Klinik berichtete Herr N1. auch von paranoidem Erleben; so habe er sich auf der Straße bedroht gefühlt, jeder habe ihn angeschaut. Am 2. März 2009 wurde Herr N1. in die Tagesklinik S. Straße verlegt, wo er sich bis zum 16. April 2009 aufhielt. Zum Zeitpunkt der Entlassung hatte sich Herrn N1. s Zustand deutlich gebessert. Es war eine ambulante Weiterbehandlung in der Ambulanz S. Straße geplant, wo er zunächst auch noch Termine wahrnahm. Sodann verfiel er jedoch in alte Muster, verbrachte seine Tage mit Computerspielen und Cannabis-Konsum und nahm keine Behandlungstermine mehr wahr. Er zog sich im elterlichen Haus zunehmend sozial zurück. Nach Angaben seines Vaters hatte Herr N1. im August 2009 einen Platz in der Tages- und Abendschule erhalten, der Stufenleiter habe jedoch ihn - den Vater - angerufen und ihm mitgeteilt, dass N. den Inhalten des Unterrichts nicht folgen könne und mit den Lehrern kein vernünftiges Gespräch stattfinde.
4Der Vater des Herrn N1. beantragte beim Amtsgericht L. die Einrichtung einer Betreuung für seinen Sohn, woraufhin dieser am 18. Mai 2010 von Herrn T. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, untersucht wurde. Dieser diagnostizierte eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Herr N1. sei weitgehend handlungsunfähig und hilflos, es drohe der vollständige Verlust aller sozialen Bezüge, auch eine gesundheitliche Gefährdung sei nicht auszuschließen. Er kam zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Anordnung einer umfassenden Betreuung vorlägen. Weiter führte er aus, in Anbetracht der fehlenden Krankheitseinsicht und der Notwendigkeit einer stationären Heilbehandlung sollte dem zukünftigen Betreuer die Genehmigung erteilt werden, Herrn N1. für den Zeitraum von drei Monaten in der zuständigen psychiatrischen Klinik geschlossen unterzubringen. Der Betroffene sei nicht in der Lage, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Auf Grundlage dieses Gutachtens bestellte das Amtsgericht L. mit Beschluss vom 4. Juni 2010 einen Betreuer.
5Zuvor, nämlich am 25. Mai 2010, war Herr N1. aufgrund eines Beschlusses gemäß PsychKG in die M. -Klinik in L. eingeliefert worden, nachdem er wiederholt gewalttätig in seinem familiären Umfeld geworden war. Durch die in der Zwischenzeit fehlende Behandlung und Medikation und den erneuten exzessiven Cannabis-Konsum hatte sich der psychopathologische Befund des Herrn N1. seit dem letzten stationären Aufenthalt deutlich verschlechtert. Zusätzlich zur bestehenden Psychose hatte sich seine Kommunikationsfähigkeit deutlich verschlechtert. Die Unterbringung wurde einmal für weitere sechs Wochen verlängert, da sich zunächst kaum eine Krankheitseinsicht erreichen ließ. Am 6. Juli 2010 begutachtete ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung O. Herrn N1. . In seiner Kurzmitteilung über die Pflegebegutachtung kreuzte er an „ln erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz" und „24-Std. Betreuung notwendig". Ab dem 18. August 2010 verblieb Herr N1. freiwillig in der Klinik. Nach Beschreibung von Frau Q. -L1. vom Sozialdienst des M. -Klinikverbundes wirkte Herr N1. auch zu diesem Zeitpunkt noch sehr abgeflacht, redete kaum, war unsicher orientiert und wirkte sehr ängstlich, zuweilen gar misstrauisch. Er habe sich von Mitpatienten isoliert und nehme kaum an Therapien teil. Sie empfahl aufgrund dessen die Unterbringung in einem beschützten Heim mit intensiver 24-Stunden-Betreuung, wo mit niederschwelligen Angeboten begonnen werde und in kleinen Schritten an seiner Stabilisierung zu arbeiten sei. Von einem offen geführten Wohnheim riet sie ab. Der Stationsarzt, Herr B. , teilte in seiner Stellungnahme vom 23. August 2010 mit, dass sich der psychopathologische Befund des Herrn N1. zwar während seines Klinikaufenthaltes deutlich gebessert habe, nach wie vor aber bezüglich der Wahninhalte keine Krankheitseinsicht bestehe. Auch er empfahl aufgrund der nicht sicher auszuschließenden Gefährdungsaspekte die Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim. Dies gelte insbesondere bei fortgesetztem Cannabis-Konsum, der Patient habe sich jedoch während des stationären Aufenthaltes sehr abstinenzmotiviert gezeigt. Er prognostizierte eine gute Perspektive für den weiteren Krankheitsverlauf bei Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim mit 24-Stunden-Betreuung, wenn der Patient weiterhin Abstinenz bezüglich Cannabis einhalten könne und die antipsychotischen Medikamente regelmäßig einnehme.
6Bereits am 11. August 2010 hatte der Betreuer des Herrn N1. einen Antrag auf Eingliederungshilfe beim Kläger gestellt. Am 27. August 2010 zog Herr N1. in das Pflegeheim Haus U. . In einem Verlaufsbericht des Heims vom 27. Oktober 2010 wird ausgeführt, dass Herr N1. sich gut in den Stationsalltag eingefügt habe. Aufgrund seiner Erkrankung zeige er wenig Eigenmotivation, er müsse an Tätigkeiten wie Duschen und Kleidungswechsel erinnert werden, führe dies dann aber selbständig durch. Unter Anleitung wasche Herr N1. seine Kleidung selbst, müsse aber auch daran immer wieder erinnert werden. In Absprache mit dem Betreuer sei die Regelung getroffen worden, dass Herr N1. täglich für 25 Minuten das Haus selbständig verlassen könne, sich aber beim zuständigen Pflegepersonal ab- und rückmelden müsse. Herr N1. äußere seit Einzug ins Haus U. keinen Suchtdruck mehr. Zum Aufbau seiner Ausdauer und Kondition sei er in die Walk- und Schwimmgruppe integriert worden. Außerdem sei er in die Arbeitstherapie eingearbeitet worden, er sei zuständig für den Mülltransport und arbeite in der Holz- bzw. Gartengruppe mit. Er sei dabei absprachefähig und halte sich an Termine, bedürfe aber der wiederholten Anleitung und könne sich nur über einen Zeitraum von ca. 30 Minuten ausreichend konzentrieren.
7Am 17. November 2010 meldete der Kläger gegenüber der Beklagten Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X für die Herrn N1. gewährte Hilfe an.
8Am 23. November 2010 teilte der Kläger in einer E-Mail an den Betreuer des Herrn N1. mit, dass er die Kosten der Einrichtung Haus U. nur für sechs Monate werde übernehmen können, da im Pflegeheim konzeptionsgemäß keine Eingliederungshilfe geleistet werde und es sich deswegen nicht um eine geeignete Hilfe handele.
9Im Hilfeplan vom 3. Dezember 2010 wurden als zu erreichende Ziele angegeben: Drogenabstinenz; Stabilisierung der momentanen Situation; selbständige Strukturierung des Tagesablaufs; Aufstehen; Durchführen der Grundpflege; Medikamenteneinnahme; Arbeitstherapie; soll sich in seiner Umgebung sicher fühlen, Aufbau von Vertrauen lernen; soll lernen, eigene Krisen verbal zu äußern; Steigerung der Aufnahmefähigkeit, Konzentration und Koordination von kleinen Arbeitsabläufen; selbständiges Durchführen von Tätigkeiten des täglichen Lebens (Wäsche waschen, Einkaufen von Getränken und Tabak). Zur Erreichung dieser Ziele wurden verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die überwiegend - bis auf die professionelle Gesprächstherapie - das Personal des Hauses U. übernehmen sollte. Dabei handelte es sich insbesondere um Medikamententraining, Zimmerpflege, Strukturplan für Therapiebereich, Teilnahme an Gruppenaktivitäten, Gedächtnistraining, Arbeitstherapie Mülltransport, Teilnahme an der Holzwerkstatt, Einkaufstraining, Wäsche waschen, Schrank einräumen u. ä..
10In einer ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie der Familienambulanz in H. , Herrn B1. , vom 15. März 2011 teilt dieser mit, dass sich in den letzten Untersuchungen des Herrn N1. noch eine Restsymptomatik im Sinne eines Beeinflussungserlebens zeige. Er sei in der Sicht seiner Lage realitätsfern und überschätze seine Fähigkeiten deutlich. Bei seinem mangelnden Krankheitsbewusstsein bestehe ohne weitere umfangreiche Hilfe eine deutliche Rückfallgefahr. Neben einer tagesstrukturierenden Komponente sei auch weiterhin die Sicherstellung der Einnahme der Medikation notwendig. Die erforderliche umfangreiche Unterstützung sei allein über eine ambulante Hilfe nicht möglich und zu risikoreich.
11In der Hilfeplankonferenz am 15. März 2011 wurde der Fall des Herrn N1. beraten. Die Empfehlungen der Hilfeplankonferenz entsprachen dem beantragten Hilfeplan. Zudem sprach die Hilfeplankonferenz die Empfehlung aus, dass kein Wohnheimwechsel stattfinden solle.
12Mit Schreiben vom 19. April 2011 bewilligte der Kläger Leistungen der stationären Eingliederungshilfe und sagte die Übernahme der Kosten des Aufenthaltes in der stationären Betreuungseinrichtung ab 26. August 2010 zu.
13Unter dem 4. Mai 2011 sicherte die Beklagte dem Kläger Kostenerstattung für die Eingliederungshilfe im Fall N. N1. für die Zeit vom 26. August bis 10. Dezember 2010 zu. Für den Zeitraum ab dem 11. Dezember 2010 lehnte sie den Antrag auf Kostenerstattung ab. Zur Begründung führte sie aus, aus den Unterlagen gehe hervor, dass wegen der schweren psychischen Grunderkrankung von Herrn N1. mit einer dauerhaften Besserung und wesentlichen Veränderung seiner Situation nicht zu rechnen sei. Es sei vielmehr zu erwarten, dass die Beeinträchtigung seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und das daraus resultierende Hilfeerfordernis dauerhaft Bestand haben werde.
14Der Kläger wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 16. Juni 2011 nochmals an die Beklagte und wies diese auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 - hin, wonach die vorrangige sachliche Zuständigkeit der Jugendhilfe auch über das 21. Lebensjahr hinaus bestehen bleibe, soweit die Eignung der Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen sei bzw. nicht einmal Teilerfolge zu erwarten seien. Die M. -Klinik habe mit Bericht vom 23. August 2010 eine „gute Perspektive für den weiteren Krankheitsverlauf bei mittel- bis langfristiger Unterbringung in einem Wohnheim" prognostiziert. Vor diesem Hintergrund bat der Kläger um Überprüfung der Entscheidung. Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 erwiderte die Beklagte, dass der fragliche Bericht der M. -Klinik bei der Prüfung berücksichtigt worden sei. Der allgemeine soziale Dienst habe seinerzeit festgestellt, dass wegen der schweren psychischen Grunderkrankung des Herrn N1. mit einer dauerhaften Besserung und wesentlichen Veränderung seiner Situation nicht zu rechnen sei. Aus diesem Grund bleibe es bei der Entscheidung vom 4. Mai 2011.
15Nach einem sozialmedizinischen Gutachten der Agentur für Arbeit C. -H1. vom 18. Oktober 2011 war ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Falle von Herrn N1. bis auf weiteres nicht gegeben; es werde ärztlicherseits jedoch eine Eingliederung in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung „RAPS" befürwortet. In einer Beratung in der Agentur für Arbeit am 1. Dezember 2011 wurden Verfahren und Ablauf einer Maßnahme in der S1. -Werkstatt besprochen. Die Agentur bejahte die Voraussetzungen des § 136 SGB IX. Das Eingangsverfahren fand ab dem 1. Februar 2012 statt und sollte bis zum 30. April 2012 andauern. Ab dem 1. Mai 2012 war die Übernahme in den Berufsbildungsbereich geplant, in dem kognitives Training, begleitende Maßnahmen sowie Sozial- und Kommunikationstraining stattfinden sollten. Bei einem Auswertungsgespräch, das am 24. April 2012 in Anwesenheit des Vaters von Herrn N1. , dem gesetzlichen Betreuer und Mitarbeitern des Wohnheims stattfand, wurde jedoch vereinbart, dass die Maßnahme mit dem Ende des Eingangsverfahrens zunächst beendet werden sollte, da bei Herrn N1. in den zurückliegenden Wochen ein starker gesundheitlicher Abbau zu verzeichnen gewesen war. Es sollte daher zunächst über eine Tagesstruktur wieder stabilisiert werden.
16Mit seiner am 10. Oktober 2011 erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren - zunächst nur bezogen auf die bis dahin angefallenen Aufwendungen in Höhe von 27.482,63 Euro nebst Prozesszinsen - weiterverfolgt und vorgetragen, ihm stehe ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zu, da er gegenüber der Beklagten nur nachrangig zur Leistungsgewährung an Herrn N1. verpflichtet gewesen sei. Herr N1. habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Volljährige gemäß §§ 41, § 35a SGB VIII. Herr N1. sei junger Volljähriger im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII. Bei ihm habe eine seelische Behinderung vorgelegen, aufgrund derer seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt sei. Er sei zu einer eigenverantwortlichen und strukturierten Lebensführung nicht in der Lage. Die im Anschluss an die Unterbringung in der M. -Klinik L. im Haus U. fortgeführte stationäre Maßnahme diene dem Abbau der psychotischen Symptomatik bzw. der psychischen Stabilisierung des Betroffenen. Ziel der Maßnahme sei es, die vorliegende seelische Behinderung bzw. deren Folgen zu mildern und Herrn N1. in die Gesellschaft einzugliedern. Herr N1. habe zwar auch gegen den Kläger einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII; dieser gehe jedoch der Leistungspflicht der Beklagten im Range nach. Der Erstattungsanspruch scheitere auch nicht daran, dass wegen der bei Herrn N1. bestehenden schweren psychischen Grunderkrankung mit einer dauerhaften Besserung und wesentlichen Veränderung seiner Situation nicht zu rechnen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass ein Anspruch auf Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gemäß § 41 SGB VIII nicht nur gegeben sei, wenn Aussicht bestehe, dass der junge Volljährige mit der Hilfe seine Verselbständigung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder in einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus erreichen werde. Im Rahmen der Hilfegewährung reiche somit jede Aussicht auf eine spürbare Verbesserung und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung. Nur wenn nicht einmal Teilerfolge zu erwarten seien, sei die Hilfe mangels Eignung und Erfolgsaussicht zu versagen. Es lägen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die für Herrn N1. zu erbringende Hilfe von vornherein erfolglos verlaufen würde. Die Hilfe sei geeignet gewesen, die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung zu fördern. Aufgrund der Einschätzung der M. -Klinik vom 23. August 2010 sei zu erwarten gewesen, dass sich Teilerfolge nur langsam und kleinschrittig einstellen würden. Dies allein verhindere jedoch nicht die vorrangige sachliche Zuständigkeit der Jugendhilfe auch über das 21. Lebensjahr hinaus. Die Eignung der Maßnahme - die M. -Klinik habe immerhin eine gute Perspektive attestiert - sei jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen, was tatsächlich auch durch den bisherigen, durchaus positiven Verlauf der Maßnahme belegt werde. Es seien auch die Voraussetzungen einer Fortsetzungshilfe im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII gegeben. Die Hilfe für junge Volljährige finde keine absolute Grenze darin, dass der Leistungsberechtigte sein 21. Lebensjahr vollende. Das Gesetz bestimme lediglich, dass Fortsetzungshilfen über das 21. Lebensjahr hinaus Ausnahmecharakter haben sollten. Dahinter stehe die Annahme, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Adoleszenz regelmäßig abgeschlossen sei und auch die schulische oder berufliche Ausbildung beendet sei. Wenn aber im Zusammenhang mit andauernden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Verzögerungen in der Persönlichkeitsentwicklung zwingend ein fortbestehender Hilfebedarf gegeben sei, sei die Fortsetzung einer bereits eingeleiteten Hilfe gerechtfertigt. Die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen verfolge das Ziel, eine vorhandene Behinderung zu mildern. Auch die Milderung einer solchen Behinderung stelle - orientiert an den Möglichkeiten des Betroffenen - eine Entwicklung der Persönlichkeit dar, denn ohne die dargebotenen Hilfen würde sich dessen Persönlichkeit mit ausgeprägteren Störungen zeigen. Eine solche, die Behinderung nicht vollends beseitigende Hilfe sei daher häufig bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres und darüber hinaus erforderlich. In einem solchen Fall komme dem Passus „für einen begrenzten Zeitraum" in § 41 Abs. 1 SGB VIII eine Bedeutung im Sinne einer Vorverlegung des Endzeitpunktes der Hilfe jedenfalls nicht zu. Der Gesetzgeber habe die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen auf dem Niveau der Milderung als ausreichende Hilfe angesehen und diese bewusst der Jugendhilfe zugewiesen; die Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers für seelisch behinderte junge Menschen gehe der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers vor. Demnach sei die geeignete und erforderliche Hilfe gegebenenfalls bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres als Hilfe nach dem SGB VIII zu leisten. Es handele sich vorliegend auch um einen begründeten Einzelfall, dem der Gesetzgeber eine Hilfe gemäß § 41 SGB VIII über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus habe zubilligen wollen. Die Vorschrift fordere keine Mindestdauer der Hilfe vor Erreichen der Volljährigkeit oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Die gewährte Hilfe sei geeignet. Entscheidend für die Unterbringung im Haus U. sei gewesen, dass Herr N1. einer geschlossenen Einrichtung mit engmaschiger Kontrolldichte im Rahmen einer 24-Stunden-Betreuung bedurfte. Das Haus U. habe zum erforderlichen Zeitpunkt einen freien Platz gehabt, sodass in Absprache mit dem Kläger die Unterbringung in dieser Einrichtung veranlasst worden sei. Im Rahmen der Hilfeplankonferenz am 15. März 2011 sei dann einvernehmlich empfohlen worden, Herrn N1. in der Einrichtung zu belassen, da er dort bedarfsgerecht untergebracht sei und tatsächlich die benötigten Leistungen der Eingliederungshilfe erhalte. Er werde im Haus U. durch therapeutische Begleitung weiterhin im Hinblick auf seine Drogenabstinenz stabilisiert. Zudem sei er in verschiedene Therapiebereiche der Einrichtung integriert. Die Anleitung und Kontrolle bei der Tagesstrukturierung und den Verrichtungen des täglichen Lebens werde durch das Bezugspersonal gewährleistet.
17Mit seinem am 12. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 8. Juni 2012 hat der Kläger erklärt, dass sich die Gesamtforderung unter Berücksichtigung der in Höhe von 32.678,86 Euro weiter erbrachten Aufwendungen bis zum 30. April 2012 nunmehr auf 60.161,49 Euro belaufe.
18Der Kläger hat beantragt,
19festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die von ihm im Leistungszeitraum ab dem 11. Dezember 2010 bis zum 30. April 2012 im Hilfefall N. N1. erbrachten Aufwendungen in Höhe von 60.161,49 Euro zu erstatten und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 27.482,63 Euro seit dem 10. Oktober 2011 und aus einem Betrag von 32.678,86 Euro seit dem 12. Juni 2012 zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat vorgetragen, dass keine Verpflichtung zur Leistungsgewährung nach dem SGB VIII bestehe. Auch wenn eine seelische Behinderung vorliege, fehle es an der Erfüllung wesentlicher Tatbestandsmerkmale des § 41 SGB VIII. Das SGB VIII begrenze die Hilfen für junge Volljährige im Regelfall bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und gehe daher davon aus, dass das Ziel der Erreichung einer hinlänglichen Persönlichkeit und Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung in einem absehbaren Zeitraum erreicht werden könne, auch wenn die Leistung nicht eine Prognose voraussetze, dass bis zum 21. Lebensjahr (oder bis zu einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus) eine Verselbständigung des jungen Volljährigen tatsächlich erreicht werden könne. Nur in begründeten Einzelfällen solle die Hilfe gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII für einen begrenzten Zeitraum über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus fortgesetzt werden. Ein solcher liege vor, wenn der Hilfefall von der Vielzahl der typischen Jugendhilfefälle abweiche und der junge Volljährige mit Blick auf die Ziele des § 41 SGB VIII förderbar sei. Die Fortsetzung der Hilfe solle ausschließlich dem Zweck dienen, bereits eingeleitete Maßnahmen zu einem zeitlich festgelegten Abschluss zu bringen und einen vorzeitigen, sachlich nicht begründeten Abbruch zu vermeiden, um den Erfolg der Maßnahme nicht zu gefährden. Welche Hilfeziele in einem begrenzten Zeitraum über das 21. Lebensjahr hinaus von Herrn N1. erreicht werden könnten oder sollten, könne der Klagebegründung nicht entnommen werden. Es seien keine individuellen Ziele formuliert, von deren Erreichen in einem zeitlich bestimmbaren Abschnitt zumindest eine wesentliche Änderung des Hilfebedarfs zu erwarten sei. Der Fall, der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 - zugrundegelegen habe, sei insoweit nicht vergleichbar, als es sich dabei um eine Hilfe gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VIII als Fortführung einer bereits seit Jahren gewährten Jugendhilfe gehandelt habe, während vorliegend die Hilfegewährung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII über das 21. Lebensjahr hinaus streitig sei. Wesentlicher Unterschied sei, dass gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII ein Hilfeanspruch nur noch in begründeten Einzelfällen bestehen könne, es sich also nicht um eine regelhafte Weiterführung aller laufenden Fälle handeln könne und dass diese Einzelfälle prognostisch nur in einem begrenzbaren Zeitraum fortgesetzt würden. Die Zeitgrenzen des § 41 SGB VIII bezögen sich nicht auf einen abschließenden Hilfeleistungserfolg, sondern auf das Ende der Maßnahme. Der Hinweis auf die Fortführungsverpflichtung gelte in der Regel für langjährige Hilfefälle, nicht jedoch für Eingliederungshilfen, die erst wenige Monate vor Vollendung des 21. Lebensjahres hätten installiert werden müssen. Eine nach Volljährigkeit begonnene Eingliederungshilfe solle mit dem 21. Lebensjahr enden bzw. wenige Monate vor Vollendung des 21. Lebensjahres gar nicht erst vom Jugendhilfeträger aufgenommen werden. Während bei Nichtbehinderten eine Weiterführung der Hilfe zur Erziehung über das 21. Lebensjahr hinaus in der Regel das Ziel eines erfolgreichen Hilfeabschlusses habe, sei im Rahmen der Eingliederungshilfe eine abschließende Zielerreichung auch bis zum 27. Lebensjahr häufig nicht möglich. Die Ausgestaltung der weiteren Hilfe gemäß § 53 SGB XII könne damit auch als adäquate Anschlussmaßnahme betrachtet werden. Zudem handele es sich beim Haus U. nicht um eine anerkannte Eingliederungshilfeeinrichtung, sondern um ein Pflegeheim. In der Akte des Klägers würde die Hilfeart mehrfach als Hilfe zur Pflege bezeichnet. Der Kläger habe selbst Zweifel an der Geeignetheit gehabt, weswegen die Forderung im Raum gestanden habe, dass innerhalb von sechs Monaten ein Einrichtungswechsel erfolgen müsse. Dies sei jedoch nicht geschehen. Aus diesem Grund könne, selbst wenn ein Bedarf der Hilfe für junge Volljährige festgestellt würde, dieser nicht in geeigneter Weise im Rahmen der Hilfe zur Pflege gedeckt werden.
23Das Verwaltungsgericht hat der Klage nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Es hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zu. Insbesondere sei die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 41 i. V. m. § 35a SGB VIII leistungsverpflichtet gewesen. Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 SGB VIII hätten vorgelegen. Die angebotene Hilfe habe dem Ziel der Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortlichen Lebensführung entsprochen. Für den im Streit stehenden Leistungszeitraum sei ein positiver Entwicklungsprozess in der Person des Hilfeempfängers zu prognostizieren gewesen. Soweit die vernommenen Zeugen eine massive Verschlechterung seines Zustandes während des Eingangsverfahrens in der S1. -Werkstatt geschildert hätten, habe dies nicht dazu geführt, dass die Prognose bis zum Ende des streitigen Leistungszeitraums hätte korrigiert werden müssen. Auch dass der Hilfeempfänger das 21. Lebensjahr bereits vor diesem Zeitraum vollendet gehabt habe, stehe seinem Anspruch nach § 41 SGB VIII nicht entgegen. Denn hier gehe es um die Fortsetzung einer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres begonnenen Hilfegewährung. Auch habe es sich um einen begründeten Einzelfall i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII gehandelt, bei dem die Hilfe für einen begrenzten Zeitraum über den genannten Zeitpunkt hinaus fortgesetzt werden solle. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei seelischen Behinderungen typischerweise ein Bedarf über das 21. Lebensjahr hinaus bestehe. Insofern müsse davon auszugehen sein, dass in solchen Fällen regelmäßig die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII vorlägen. Die gewählte Hilfeform sei schließlich auch geeignet gewesen.
24Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 29. November 2013 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Nach Vollendung des 21. Lebensjahres stelle der Gesetzgeber erhöhte Anforderungen an die Notwendigkeit der Hilfegewährung für junge Volljährige. Es müsse dann eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 SGB VIII genannten Ziele vorliege, der durch die Weitergewährung der Hilfe gefördert werden könne. Daran habe es hier gefehlt, gerade auch im Hinblick auf die fehlende Krankheitseinsicht des Hilfeempfängers und seine „Vorgeschichte“, infolge derer nicht absehbar gewesen sei, ob er Drogenabstinenz und regelmäßige Medikation einhalten würde. Entsprechend der geringen Eigenmotivation des Herrn N1. habe der Hilfeplan nur sehr niederschwellige Ziele enthalten, die eine eigenverantwortliche Lebensführung in einem absehbaren, begrenzten Zeitraum nicht in Aussicht gestellt hätten. Dass Entwicklungsfortschritte nicht absehbar gewesen seien, hätten auch die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich gemacht. Über ein Jahr lang sei nicht einmal versucht worden, den Hilfeempfänger etwa in eine Behindertenwerkstatt zu integrieren. Der schließlich unternommene Versuch im Februar 2012 sei bereits in der Vorbereitungsphase gescheitert. Im vorliegenden Fall sei die Hilfe erst zwei Monate vor Vollendung des 21. Lebensjahres beantragt worden. Angesichts des ausgeprägten Krankheitsbildes und einhergehender Persönlichkeitsdefizite sei von Anfang an erkennbar gewesen, dass bis zur Vollendung dieses Lebensjahres keine Perspektive auf einen irgendwie gearteten Entwicklungserfolg innerhalb eines absehbaren Zeitraumes danach entstehen würde. In derartigen Fällen mit einem zukunftsoffenen Langzeitbedarf deutlich über das 21. Lebensjahr hinaus handele es sich - mangels eines „begrenzten Zeitraumes“ i. S. v. § 41 SGB VIII - von vornherein nicht um eine fortsetzungsfähige Maßnahme der Jugendhilfe. Nach Auffassung des LSG NRW bestehe in solchen Konstellationen sogar eine anfängliche, nicht erst ab 21. Lebensjahr einsetzende Leistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers.
25Die Beklagte beantragt,
26das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Juni 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Er vertritt den Standpunkt, dass der Hilfeempfänger bei Anwendung der im Zulassungsbeschluss dargelegten Grundsätze einen Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe gehabt habe. Die damaligen positiven Prognosen hätten sich zunächst durch die seit Hilfebeginn erzielten Fortschritte bestätigt. Auch wenn die im Hilfeplan angesprochenen Ziele niederschwellig gewesen sein mögen, seien sie doch den Anforderungen an einen gewissen Fortschritt gerecht geworden. Im Rahmen der Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII sei jede Aussicht auf eine spürbare Verbesserung und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung ausreichend. Anhaltspunkte dafür, dass die hier zu erbringende Hilfe von vornherein offensichtlich erfolglos verlaufen würde, hätten nicht vorgelegen; immerhin habe die M. -Klinik eine „gute Perspektive“ bescheinigt. Der positive Verlauf habe sich auch jedenfalls bis zur Aufnahme des Hilfeempfängers in das Eingangsverfahren der Werkstatt fortgesetzt. Die dann eingetretene Zustandsverschlechterung habe, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum nicht dazu geführt, dass die Prognose hinsichtlich der Persönlichkeitsentwicklung hätte korrigiert werden müssen. Bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres sei bei Herrn N1. ein Stabilisierungsprozess zu verzeichnen gewesen, der eine Entwicklung zu den angestrebten Zielen ermöglicht habe. Letztlich habe er befähigt werden können, ein Praktikum in der Werkstatt erfolgreich zu absolvieren. Das Verwaltungsgericht sei auch zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Hilfe über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus ausgegangen. Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des LSG NRW sei weder rechtskräftig noch in der Sache nachvollziehbar.
30Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21. März 2014 verwiesen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
33Die Berufung der Beklagten hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet. Die Leistungsklage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X nicht zu.
34Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss.
35Vgl. zu Vorstehendem etwa: BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 C 3.11 -, BVerwGE 142, 18, juris, m. w. N.
36Junge Menschen, d. h. Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII), können im Fall einer seelischen Behinderung sowohl einen Anspruch nach §§ 35a, 41 SGB VIII als auch einen Anspruch nach §§ 53 ff. SGB XII auf Eingliederungshilfe haben. Dabei gehen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII grundsätzlich die Leistungen nach dem SGB VIII denen nach dem SGB XII vor, es sei denn, der Leistungsempfänger ist körperlich oder geistig behindert.
37Vgl. zur Beschränkung des Leistungsvorranges des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen: BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 5 C 30.12 -, JAmt 2013, 532, juris, m. w. N.
38Hier fehlte es an einer (vorrangigen) Leistungspflicht der Beklagten als Trägerin der Jugendhilfe. Denn dem Hilfeempfänger stand ein Anspruch auf die - jugendhilferechtlich hier allein in Betracht kommende - Volljährigenhilfe nach § 41 SGB VIII nicht zu.
39Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (Satz 1). Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum hinaus gefördert werden (Satz 2).
40Die Hilfe nach § 41 SGB VIII setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
41vgl. Urteil vom 23. September 1999 - 5 C 26.98 -, BVerwGE 109, 325, juris,
42nicht voraus, dass die Aussicht besteht, dass der junge Volljährige innerhalb eines bestimmten Zeitraums seine Verselbständigung erreichen wird. Vielmehr genügt es, wenn die Hilfe eine erkennbare Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung erwarten lässt. Eine Prognose dahin, dass die Befähigung zu eigenverantwortlicher Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem begrenzten Zeitpunkt darüber hinaus überhaupt erreicht wird, verlangt § 41 SGB VIII weder nach dem Wortlaut noch der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie ist nicht notwendig auf einen bestimmten Entwicklungsabschluss gerichtet, sondern auch schon auf einen Fortschritt im Entwicklungsprozess bezogen. Die Hilfe dazu muss aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig, aber auch - wiederum bezogen auf den Hilfezweck - geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit eigenverantwortlicher Lebensführung zu fördern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist demnach, dass wahrscheinlich ein erkennbarer Entwicklungsprozess in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gegeben ist, der noch gefördert werden kann, die Eignung der gewährten Hilfemaßnahmen also nicht völlig ausgeschlossen ist, unabhängig davon, wann dieser Entwicklungsprozess zum Abschluss kommen und ob jemals das Optimalziel erreicht wird. Nur wenn auf der Grundlage einer nach den gewonnenen Erkenntnissen sorgfältig zu erstellenden Prognose nicht einmal Teilerfolge zu erwarten sind, die Persönlichkeitsentwicklung vielmehr stagniert, ist die Hilfe mangels Eignung und Erfolgsaussicht zu versagen.
43Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2010 - 12 A 518/09 -, juris, und vom 19. Dezember 2013 - 12 A 391/13 -, m. w. N.
44Nach der Vollendung des 21. Lebensjahrs des Hilfeempfängers stellt der Gesetzgeber allerdings erhöhte Anforderungen an die Notwendigkeit der Hilfegewährung für junge Volljährige. Es muss dann, wie die Beklagte zutreffend einwendet, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein erkennbarer und schon Fortschritte zeigender Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Ziele vorliegt, der durch die Weitergewährung der Hilfemaßnahme gefördert werden könnte.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2010, a. a. O.; BayVGH, Urteil vom 24. Mai 2006 - 12 B 04.1227 -, EuG 2007, 485, juris; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 41 Rn. 15; Wiesner, in: ders., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 41 Rn. 26.
46Der strengere Prüfungsmaßstab ist dem Charakter des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII als Ausnahmevorschrift geschuldet, der sich daraus erschließt, dass die Volljährigenhilfe „in der Regel“ nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt wird und lediglich „in begründeten Einzelfällen“ darüber hinaus fortgesetzt werden soll.
47Der Auffassung, die gesetzliche Verweisung auf „begründete Einzelfälle“ in § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII sei nur als Hinweis darauf zu verstehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt - nämlich an der Schwelle zur Vollendung des 21. Lebensjahres - das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nochmals geprüft werden müsse,
48so Mrozynski, ZfJ 1996, 159 (163),
49ist nicht zu folgen. Gegen diesen Standpunkt - der auch in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts,
50vgl. BT-Drs. 11/5948, S. 78,
51auf den die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII im Ursprung zurückgeht, keine Stütze findet - sprechen die Systematik und der Wortlaut des Gesetzes. Denn die Beschränkung einer Leistungsgewährung nach Vollendung des 21. Lebensjahres auf die in Halbsatz 2 angesprochenen „begründeten Einzelfälle“ füllt das bereits in Halbsatz 1 angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis weiter aus, dem eine Interpretation der Gesetzesstelle als bloßer und offensichtlich überflüssiger Hinweis auf eine ohnehin selbstverständliche Prüfungspflicht aber zuwiderliefe. Die Beifügung des Adjektivs „begründet“ verdeutlicht zudem, dass nicht in jedem gleichsam beliebigen Einzelfall, sofern er nur atypisch ist, eine Fortsetzungshilfe in Betracht kommt. Die Atypik des Falles hat sich vielmehr an der vom Gesetzgeber gesehenen Notwendigkeit, in bestimmten Konstellationen auch über die Regelaltersgrenze hinaus Volljährigenhilfe gewähren zu können, auszurichten; überdies muss eine Erreichung der mit dieser Hilfe verfolgten Ziele in gesteigertem Maße zu erwarten sein.
52Zumindest letzteres ist hier nicht zu erkennen. Dabei mag dahinstehen, ob in Ansehung des mit der Vollendung des 21. Lebensjahrs des Hilfeempfängers beginnenden Leistungszeitraums ein Entwicklungsprozess im dargelegten Sinne überhaupt wahrscheinlich war. Denn die vorliegenden Erkenntnisse gaben jedenfalls für eine hohe Wahrscheinlichkeit eines solchen Prozesses nichts her. Namentlich gilt dies für die ärztlichen bzw. sozialdienstlichen Stellungnahmen aus August 2010, die das Verwaltungsgericht zuvorderst herangezogen hat, ohne allerdings auf die erhöhten Wahrscheinlichkeitsanforderungen einzugehen.
53Soweit der Stationsarzt der M. -Klinik L. B. in seiner Stellungnahme vom 23. August 2010 abschließend ausführte, für den Hilfeempfänger bestehe „eine gute Perspektive für den weiteren Krankheitsverlauf bei mittel- bis langfristiger Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim mit 24h Betreuung und LZT bezüglich des Cannabiskonsums“, stand diese Prognose unter der ausdrücklichen Bedingung, dass „der Patient mit den aktuellen Ressourcen weiterhin Abstinenz bezüglich Cannabis halten kann und die antipsychotische Medikation regelmäßig eingenommen wird“. Da der Hilfeempfänger allerdings seinerzeit bereits seit Jahren regelmäßig Cannabis konsumiert hatte, und dies in der Zeit vor seiner Einweisung in die M. -Klinik L. im Mai 2010 sogar „exzessiv“, wie aus dem ärztlichen Schreiben vom 23. August 2010 hervorgeht, musste mit der - angesichts dieser Vorgeschichte nicht unwahrscheinlichen - Möglichkeit eines erneuten Drogenkonsums gerechnet werden, selbst wenn sich der Hilfeempfänger während des stationären Aufenthaltes „sehr abstinenzmotiviert gezeigt“ hatte. Ebenso wenig konnte als gesichert angesehen werden, dass die Medikation in der gebotenen Weise aufrechterhalten würde, da dem Hilfeempfänger auch im Zeitpunkt der Abfassung der Stellungnahme weiterhin „fehlende Krankheitseinsicht“ attestiert wurde. In diesem Zusammenhang ist bezeichnend, dass der Stationsarzt B. in seiner vorherigen formularmäßigen Stellungnahme vom 23. Juli 2010 das Feld „es besteht begründete Aussicht, dass die drohende Behinderung verhütet werden kann oder die vorhandene Behinderung oder deren Folgen beseitigt oder gemildert werden können“ nicht angekreuzt hatte; wäre ein förderbarer Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Ziele hochgradig wahrscheinlich gewesen, hätte Anlass bestanden, von einer begründeten Aussicht auf Milderung der Folgen der Behinderung auszugehen.
54Die sozialdienstliche Stellungnahme der Frau Q. -L1. vom 19. August 2010 gab ebenfalls nichts Stichhaltiges dafür her, dass die dargelegten Wahrscheinlichkeitsanforderungen erfüllt waren. Die darin verlautbarte Auffassung, der Hilfeempfänger benötige „ein beschütztes Heim mit intensiver 24 Std. Betreuung wo mit niederschwelligen Angeboten begonnen wird und in kleinen Schritten an seiner Stabilisierung gearbeitet wird“, sagte gleichermaßen nichts Wesentliches darüber aus, dass zu der gegebenen Zeit bereits manifeste Anhaltspunkte für eine erkennbare und schon Fortschritte zeigende Entwicklung vorgelegen hätten, die durch die hier in Rede stehende Hilfemaßnahme hätte weiter gefördert werden können.
55Schließlich lagen auch keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vor, dass während der Unterbringung des Hilfeempfängers im psychiatrischen Pflegeheim Haus U. , die am 27. August 2010 begann, eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten wäre, die eine signifikant günstigere Prognose hätte rechtfertigen können. Zwar ist dem Verlaufsbericht des Pflegeheims vom 27. Oktober 2010 und den Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen T1. und V. zu entnehmen, dass der Hilfeempfänger zu Beginn seines Aufenthalts zunächst gewisse Fortschritte machte, indem ihm etwa bescheinigt wurde, er habe keinen „Suchtdruck“ mehr geäußert und sich „insoweit gefestigt, dass er absprachefähig“ gewesen sei und Vereinbarungen und Termine eingehalten habe. Von einer hohen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Entwicklungsprozesses im dargelegten Sinne konnte indes nur ausgegangen werden, wenn deutliche Hinweise dafür vorgelegen hätten, dass solche oder ähnliche positive Veränderungen im Verhalten bzw. in der Befindlichkeit des Hilfeempfängers authentischer Ausdruck einer auf Nachhaltigkeit angelegten Fortentwicklung seiner Persönlichkeit und/oder Eigenverantwortlichkeit sind. An solchen Hinweisen fehlte es hier indes.
56Der Hilfeplan vom 3. Dezember 2010 ließ - vor allem angesichts der darin erneut angesprochenen fehlenden Einsicht in die „Drogenproblematik“ und des weiter erwähnten Mangels an jeglicher Eigeninitiative - nicht darauf schließen, dass begründete Aussichten auf eine Erreichung der formulierten Ziele bestanden. Die Fragwürdigkeit einer „guten Perspektive“ wird auch durch die Stellungnahme des Facharztes B1. vom 15. März 2011 verdeutlicht, in der - etliche Monate nach Aufnahme des Hilfeempfängers im Haus U. - nach wie vor von einem „mangelnden Krankheitsbewusstsein“ die Rede war. Herr N1. zeige sich, so die Stellungnahme, „in der Sicht seiner eigenen Lage und Erkrankung realitätsfern“ und überschätze seine Fähigkeiten; „ohne weitere umfangreiche Hilfen“ bestehe „eine deutliche Rückfallgefahr“. Auch die Angaben der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bieten keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass nennenswerte und Nachhaltigkeit versprechende Entwicklungsfortschritte während des Aufenthalts des Hilfeempfängers im Haus U. jemals hochgradig wahrscheinlich gewesen wären. Soweit anfänglich Fortschritte verzeichnet wurden, erschließt sich deren fragile Natur retrospektiv auch aus dem Umstand, dass der Hilfeempfänger, nachdem sich seine Lebensumstände mit dem Beginn des Eingangsverfahrens zur Eingliederung in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung geändert hatten, schon nach relativ kurzer Zeit massive Rückschritte in der Entwicklung zeigte; der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeuge T1. sprach in diesem Zusammenhang von einem „stetigen Abbau“, einhergehend mit zunehmenden Aggressionen. Im Gesamtbild drängt sich der Eindruck auf, dass in der gegebenen Situation wenig mehr als eine Stabilisierung des durch massive Beeinträchtigungen des Hilfeempfängers gekennzeichneten Zustands zu erwarten war; soweit eine - allenfalls kleinschrittige - Fortentwicklung überhaupt vorstellbar erschien, bestand keine Grundlage anzunehmen, dass mögliche Entwicklungsziele mit überwiegender, geschweige denn hoher Wahrscheinlichkeit erreicht würden.
57Das Vorbringen des Klägers stellt das Fehlen einer hohen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Entwicklungsprozesses nicht in Frage. Zwar macht der Kläger mit seiner Berufungserwiderung geltend, der Hilfeempfänger habe bei Anwendung der im Zulassungsbeschluss dargelegten Grundsätze einen Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe gehabt. Im Weiteren geht er auf das Vorliegen der erhöhten Wahrscheinlichkeitsanforderungen allerdings nicht mehr ein. Den Maßstab hoher Wahrscheinlichkeit wendet der Kläger auch der Sache nach ersichtlich nicht an, wenn er vorträgt, es lägen „keine Anhaltspunkte vor, dass die an Herrn M. zu erbringende Hilfe offensichtlich von vornherein erfolglos verlaufen würde“.
58Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO VwGO.
59Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
60Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Im Sinne dieses Buches ist
- 1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen, - 2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, - 3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, - 4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, - 5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, - 6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.
(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.
(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.
(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Kostenbeitragsbescheide des Beklagten vom 13.08.2010 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29.12.2011 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Kostenbeitragspflichtigen sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Kostenbeiträge dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten.
(2) Für die Bestimmung des Umfangs sind bei jedem Elternteil die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens und die Anzahl der Personen, die mindestens im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch oder Leistungsberechtigte nach § 19 unterhaltsberechtigt sind, angemessen zu berücksichtigen.
(3) Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen. Zahlt der Elternteil den Kostenbeitrag nach Satz 1 nicht, so sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in Anspruch zu nehmen. Bezieht der Elternteil Kindergeld nach § 1 Absatz 1 des Bundeskindergeldgesetzes, gilt Satz 2 entsprechend. Bezieht der junge Mensch das Kindergeld selbst, gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Die Heranziehung der Elternteile erfolgt nachrangig zu der Heranziehung der jungen Menschen zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes.
(4) Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.
(5) Für die Festsetzung der Kostenbeiträge von Eltern werden nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.
(6) (weggefallen)
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:
- 1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen, - 2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen, - 3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen, - 4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.
(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.
(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.
(1) Die Kostenbeitragspflichtigen sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Kostenbeiträge dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten.
(2) Für die Bestimmung des Umfangs sind bei jedem Elternteil die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens und die Anzahl der Personen, die mindestens im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch oder Leistungsberechtigte nach § 19 unterhaltsberechtigt sind, angemessen zu berücksichtigen.
(3) Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen. Zahlt der Elternteil den Kostenbeitrag nach Satz 1 nicht, so sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in Anspruch zu nehmen. Bezieht der Elternteil Kindergeld nach § 1 Absatz 1 des Bundeskindergeldgesetzes, gilt Satz 2 entsprechend. Bezieht der junge Mensch das Kindergeld selbst, gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Die Heranziehung der Elternteile erfolgt nachrangig zu der Heranziehung der jungen Menschen zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes.
(4) Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.
(5) Für die Festsetzung der Kostenbeiträge von Eltern werden nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.
(6) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
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Der Kläger wendet sich gegen die Höhe des Kostenbeitrages, den die Beklagte für die seinen Kindern gewährten Jugendhilfeleistungen erhoben hat.
- 2
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Der Kläger ist Vater eines 1990 geborenen Sohnes und einer 1992 geborenen Tochter. Die Beklagte gewährte den Kindern unter anderem in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2006 vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe (Heimerziehung und Eingliederungshilfe). Für diesen Zeitraum zog sie den Kläger mit Bescheiden vom 12. Mai 2006 zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von insgesamt 545 € heran (340 € für das erste und 205 € für das zweite Kind). Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte die Beklagte den Kostenbeitrag mit Änderungsbescheid vom 9. Januar 2007 auf insgesamt 440 € monatlich (275 € für das erste und 165 € für das zweite Kind). Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008 zurück.
- 3
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Mit seiner Klage begehrte der Kläger zunächst die vollständige Aufhebung der Kostenbeitragsbescheide. Im Klageverfahren hat er diese nur noch insoweit angegriffen, als der monatliche Kostenbeitrag insgesamt 350 € (250 € für seinen Sohn und 100 € für seine Tochter) übersteigt. Hierzu hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe die von seinem Einkommen abzusetzenden Fahrtkosten zu der 57 km von seinem Wohnort entfernten Arbeitsstelle als Lagerarbeiter bei der Be- und Entladung von Schiffen zu niedrig bemessen.
- 4
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Mit Urteil vom 22. September 2008 hat das Verwaltungsgericht die streitbefangenen Bescheide der Beklagten in dem vom Kläger beantragten Umfang aufgehoben. Von dem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1 790,35 € im maßgeblichen Zeitraum sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich die 25 %-Pauschale für Belastungen nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII abzusetzen. Denn der Kläger habe eine höhere Fahrtkostenbelastung nachgewiesen, die nach Grund und Höhe angemessen sei (§ 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Aufgrund seiner unregelmäßigen Arbeitszeiten könne er nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Die Höhe der Fahrtkosten für PKW müsse auch im Kostenbeitragsrecht nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien, hier des Oberlandesgerichts Schleswig bemessen werden. Danach seien für die Hin- und Rückfahrt jeweils eine Kilometerpauschale von 0,30 € für die ersten 30 km und von 0,20 € für die weitere Fahrstrecke anzusetzen. Dementsprechend ergebe sich für den Kläger eine tatsächliche monatliche Belastung in Höhe von 597,60 €, die von seinem Einkommen abzuziehen sei. Das danach für die Kostenbeitragsberechnung maßgebliche Einkommen sei der Stufe 6 der im Anhang zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung (KostenbeitragsV) enthaltenen Tabelle zuzuordnen. Da bei der Eingruppierung des Sohnes und der Tochter des Klägers jeweils die Unterhaltsverpflichtung für das andere (gleichrangige) Kind berücksichtigt werden müsse, sei gemäß § 4 KostenbeitragsV eine Herabstufung auf die Einkommensstufe 4 vorzunehmen.
- 5
-
Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. April 2009 zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts geteilt, dass die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII nach der für den Kläger günstigeren Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu bemessen seien.
- 6
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 93 Abs. 3 SGB VIII. Sie vertritt ihre Rechtsansicht weiter, die Fahrtkosten dürften nur in der pauschalisierten Höhe abgezogen werden, wie sie im Einkommenssteuerrecht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) oder im Sozialhilferecht (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) vorgesehen sei.
- 7
-
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Er macht ergänzend geltend, dass er durch die Heranziehung zu Kostenbeiträgen nicht schlechter gestellt werden dürfe, als er stehen würde, wenn er den gesetzlichen Unterhalt für seine Kinder zu leisten hätte.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass die Kostenbeitragsbescheide in dem vom Kläger angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen und daher insoweit vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden sind.
- 9
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Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Frage der Fahrtkostenberechnung ist die Heranziehung des Klägers jedenfalls in dem Umfang, in dem er die streitbefangenen Bescheide angegriffen hat, schon deshalb rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten, weil sie nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist. Die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag ist nur dann angemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem (erwerbstätigen) Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird (1.). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen wird dieser Selbstbehalt, der sich nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts bestimmt, hier durch den von der Beklagten geforderten Kostenbeitrag unterschritten (2.). Dieser Verstoß von Bundesrecht führt im vorliegenden Fall zur Zurückweisung der Revision, ohne dass allgemein zu klären ist, welche weitergehenden Rechtsfolgen eine Verletzung des Angemessenheitsgebots (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) nach sich zieht (3.).
- 10
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1. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Das Gebot der Angemessenheit richtet sich nicht nur an den nach § 94 Abs. 5 SGB VIII ermächtigten Verordnungsgeber, sondern gleichermaßen an die Kostenbeiträge erhebenden Jugendhilfeträger, die diesem Grundsatz auch bei der Kostenfestsetzung im Einzelfall Rechnung zu tragen haben. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist insoweit unmittelbarer Maßstab und Grenze für die Kostenbeteiligung. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "in angemessenem Umfang" ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Anwendung der uneingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt (vgl. zum gleichlautenden Begriff in § 85 Nr. 3 Satz 2 bzw. § 84 Abs. 1 BSHG: Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 5 C 5.93 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 14 und vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 5 C 30.86 - Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1).
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Die Kostenbeitragspflichtigen werden nur dann in angemessenem Umfang im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen herangezogen, wenn ihnen zumindest der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird. Dieser Inhalt des Rechtsbegriffs der Angemessenheit ergibt sich sowohl aus dem vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien mit diesem Merkmal verfolgten Zweck (1.1) als auch aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift (1.2). Von dieser anhand der anerkannten Auslegungsgrundsätze ermittelten Deutung des Norminhalts ist im Ansatz auch der Verordnungsgeber (unter Einschluss des der Kostenbeitragsverordnung zustimmenden Bundesrats) ausgegangen (1.3). Ob dieses Auslegungsergebnis darüber hinaus auch verfassungsrechtlich geboten ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (1.4).
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1.1 Die Beteiligung an den Kosten von Jugendhilfemaßnahmen durch die Erhebung von Kostenbeiträgen ist auf eine angemessene Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen begrenzt. Die Bemessung und Erhebung nach jugendhilferechtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Regelungen bezweckt hinsichtlich des Umfangs der Heranziehung keine Ablösung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Grund und Grenze der Heranziehung.
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Mit der Novellierung der §§ 91 ff. SGB VIII im Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK -) vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729), welches mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 die Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe neu geregelt hat, strebte der Gesetzgeber eine Verwaltungsvereinfachung und die Senkung des Vollzugsaufwands an (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung in BTDrucks 15/3676 S. 1 ff., 28). Deshalb wurde neben der Leistungsgewährung nun auch die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Nach der alten Gesetzesfassung (bis 2005) war unter bestimmten Voraussetzungen noch ein (gesetzlicher) Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs des Kindes/Jugendlichen gegen die Eltern auf den Träger der Jugendhilfe vorgesehen (vgl. § 94 Abs. 3 SGB VIII a.F.), der dazu führte, dass die Jugendhilfeträger in diesen Fällen die übergegangenen Ansprüche gegebenenfalls vor den Zivilgerichten geltend zu machen hatten. Dieses System der Heranziehung wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz ändern. Er verfolgte insoweit zwar das Ziel der "Entflechtung des bislang überaus komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich". Der Gesetzgeber wollte aber zugleich, dass diese Entflechtung nicht "zu materiellen Wertungswidersprüchen mit dem Unterhaltsrecht führt" (BTDrucks 15/3676 S. 28).
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Wegen der Umstellung auf eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Heranziehung zu Kostenbeiträgen, deren Festsetzung sich nach einkommensabhängig gestaffelten Pauschalbeträgen bestimmt (§ 94 Abs. 5 SGB VIII), besteht nach Maßgabe des Gestaltungsspielraumes, der hierbei dem Gesetz- und Verordnungsgeber zuzubilligen ist, zwar Raum für Abweichungen von unterhaltsrechtlichen Regelungen. Ein vom Gesetzgeber nicht gewollter, gravierender materieller Wertungswiderspruch zum Unterhaltsrecht besteht aber dann, wenn die Festsetzung des Kostenbeitrages im Ergebnis Grundprinzipien des Unterhaltsrechts nicht beachtet. Hierin findet auch die nach § 94 Abs. 5 SGB VIII eingeräumte Ausgestaltungs- und Pauschalierungsbefugnis des Verordnungsgebers ihre Grenze. Zu diesen elementaren Grundprinzipien des Unterhaltsrechts gehört, dass dem Unterhaltspflichtigen der sog. Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt zu belassen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet jede Unterhaltspflicht dort ihre Grenze, wo dem Betroffenen nicht die Mittel für den eigenen notwendigen Lebensbedarf verbleiben (BGH, Urteile vom 28. März 1984 - IVb ZR 53/82 - NJW 1984, 1614 f. und vom 2. Mai 1990 - XII ZR 72/89 - NJW 1991, 356 f.). Diese unterhaltsrechtliche "Opfergrenze", die auch im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern zu beachten ist (vgl. zu § 1603 Abs. 2 BGB: BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - NJW 1989, 524 <525>), wird in der unterhaltsrechtlichen Rechtspraxis durch den notwendigen oder kleinen Selbstbehalt (auch notwendiger Eigenbedarf genannt) konkretisiert (BGH, Urteil vom 2. November 1988 a.a.O.). Selbstbehalt in diesem Sinne ist der Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen von seinem Einkommen mindestens für den eigenen Unterhalt erhalten bleiben muss. Diese Opfergrenze wird allgemein etwas über dem Sozialhilfebedarf des in Anspruch Genommenen angesetzt (BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O., vom 2. November 1988 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Zu ihrer Bestimmung haben die Oberlandesgerichte in ihren unterhaltsrechtlichen Leitlinien (u.a. in der sog. Düsseldorfer Tabelle) Selbstbehaltsätze aufgestellt, von deren pauschalierten Werten im Regelfall ausgegangen werden darf (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O.).
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Es fehlt jeder Anhalt, dass der Gesetzgeber, der sowohl Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht vermeiden als auch die Zumutbarkeit der Heranziehung für den Beitragspflichtigen gewährleisten wollte (vgl. BTDrucks 15/3676 S. 42), die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag ermöglichen wollte, der den Pflichtigen im Hinblick auf diesen elementaren Selbstbehalt schlechter stellt als im Unterhaltsrecht und dem (erwerbstätigen) Beitragsschuldner nicht ebenso viel an Mitteln für den eigenen Lebensbedarf belässt wie dem (erwerbstätigen) Unterhaltspflichtigen. Dass der unterhaltsrechtliche Eigenbedarf die Beitragserhebung begrenzt, hat außerdem nicht nur in der Begrenzung auf den "angemessenen Umfang" des Kostenbeitrages im Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinen Niederschlag gefunden, sondern entspricht darüber hinaus auch der Zwecksetzung der jugendhilferechtlichen Kostenbeteiligung. Die Erhebung von Kostenbeiträgen bei teil- und vollstationärer Unterbringung dient zwar auch der Finanzierung der Jugendhilfeaufwendungen. Die Bestimmung der zum Kostenbeitrag Heranzuziehenden in § 92 Abs. 1 und 1a SGB VIII zeigt aber, dass der Sache nach die Kostenbeitragspflicht in den Fällen des § 92 Abs. 4 und 5 SGB VIII an eine Unterhaltspflicht anknüpft und die Unterhaltspflichtigen - nicht nur deswegen, weil sie den Unterhalt für den jungen Menschen wegen der jugendhilferechtlichen Leistungen "ersparen" - nicht aus ihrer materiellen Verantwortung gegenüber dem jungen Menschen entlassen werden sollen. Weil die teil- bzw. vollstationären Angebote auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des untergebrachten jungen Menschen umfassen und zum Erlöschen der darauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche führen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 -XII ZR 197/04 - NJW-RR 2007, 505; OLG Naumburg, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 8 UF 77/07 - juris), tritt insoweit der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag an die Stelle von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen. Einen im Vergleich zum Unterhalt erhöhten Kostenbeitrag hat der Gesetzgeber dabei nur für die hohen Einkommen angestrebt (BTDrucks 15/3676 S. 27). Für die unteren und mittleren Einkommensgruppen fehlt jeder Hinweis, dass aus Finanzierungsgründen eine Heranziehung ermöglicht werden sollte, welche die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit übersteigt und den Kostenbeitragspflichtigen dadurch schlechter stellt als er im Unterhaltsrecht hinsichtlich des notwendigen Eigenbedarfs stünde.
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1.2 Eine systematische Auslegung bestätigt, dass die Heranziehung nur dann im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in angemessenem Umfang erfolgt, wenn dem Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird.
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Das Kostenbeitragsrecht koppelt den Umfang der Heranziehung zum Teil ausdrücklich an bestehende Unterhaltspflichten. So schreibt § 94 Abs. 2 SGB VIII vor, dass weitere Unterhaltspflichten der kostenbeitragspflichtigen Person angemessen zu berücksichtigen sind. Eine Wechselwirkung zwischen Kostenerstattungs- und Unterhaltsrecht setzt auch § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII voraus, nach dem bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen ist, wenn die Zahlung eines Kostenbeitrages die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert. Dass ein Kostenbeitrag an die Stelle von Unterhaltsleistungen tritt, ergibt sich weiterhin aus § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, der - um zu verhindern, dass ein Unterhaltspflichtiger seiner Barunterhaltspflicht in unveränderter Höhe nachkommt, aber für den gleichen Zeitraum mit einem Kostenbeitrag belastet wird - den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, den Unterhalts- und Kostenbeitragspflichtigen über die Gewährung der Leistung zu unterrichten und über die Folgen für die Unterhaltspflicht aufzuklären (BTDrucks 15/3676 S. 41).
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Systematisch ergibt sich die Notwendigkeit, einen Abgleich mit dem Unterhaltsrecht vorzunehmen, vor allem aus § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, nach dem ein Kostenbeitrag nur erhoben werden kann, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Mit dieser Bezugnahme auf den Gleich- bzw. Vorrang wird die Rangfolge und Wertung des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts (§ 1609 BGB) übernommen. Wenn die unterhaltspflichtige Person nach zivilrechtlichen Berechnungen ihre Unterhaltspflichten nicht in vollem Umfang erfüllen kann, ist der Kostenbeitrag des Jugendhilfeträgers entsprechend zu reduzieren (vgl. etwa Schindler, in: Münder/Meysen/Trencek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 92 Rn. 26, 28). Bei Vorliegen gleich- oder vorrangiger Unterhaltsansprüche ist also - worauf auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11), wenn auch in anderem Zusammenhang, hinweist - eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen. § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII schützt zwar seinem Wortlaut nach nur die Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter. Die hiernach vorzunehmende Vergleichsberechnung nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen setzt aber voraus, dass dem Kostenbeitragspflichtigen in den Fällen des § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt verbleibt. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber diesen Selbstbehalt in den übrigen Kostenbeitragsfällen hat verkürzen wollen. Die gesetzessystematisch enge Verknüpfung mit dem Unterhaltsrecht weist vielmehr darauf hin, dass der Gesetzgeber keinen Bedarf zur ausdrücklichen Klarstellung gesehen hat, dass der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt auch gegenüber dem Kostenbeitragspflichtigen durchgehend zu gewährleisten ist.
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1.3 Bei Erlass der Kostenbeitragsverordnung hat auch der Verordnungsgeber im rechtlichen Ansatz § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dahin verstanden, dass die Kostenbeitragspflichtigen im Hinblick auf den ihnen verbleibenden Mindest- bzw. notwendigen Eigenbedarf nicht schlechter zu stellen sind als im Unterhaltsrecht. So heißt es bereits im Vorwort des von der Bundesregierung am 23. August 2005 an den Bundesrat übermittelten (vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellten) Entwurfs der Kostenbeitragsverordnung, dass die Bemessung der Pauschalbeträge "in enger Abstimmung mit unterhaltsrechtlichen Wertungen" erfolgt sei und damit "Wertungsunterschiede" vermieden werden sollen (BRDrucks 648/05
S. 1). Auch in den Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse (BRDrucks 648/1/05 S. 3 ff.), deren Änderungsvorschläge im Zustimmungsbeschluss des Bundesrates durchweg übernommen worden sind (vgl. BRDrucks 648/05 S. 1 ff.), wurde nochmals als Ziel der konkreten Beitragsbemessung hervorgehoben, "für Eltern in den unteren Einkommensgruppen eine Kostenbeitragspflicht festzulegen, deren Höhe den Kostenbeiträgen nach der geltenden Kostenheranziehung vergleichbar ist und die in etwa der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder entspricht" (BRDrucks 648/1/05 S. 3). Weiter heißt es dort in einer Anmerkung zu einer im Rahmen der Überprüfung eines Beitragssatzes angestellten unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung: "Die Höhe des tatsächlich zu zahlenden Unterhalts folgt aus der Berücksichtigung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts, der ab dem 1. Juli 2005 bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern bei 890 Euro monatlich liegt" (BRDrucks 648/1/05 S. 6).
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1.4 Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die vorstehende Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, nach der dem Kostenbeitragspflichtigen jedenfalls der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt zu belassen ist, auch von Verfassungs wegen geboten ist. Es liegt nahe - ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste -, die in der Rechtsprechung zum notwendigen Selbstbehalt im Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze auf das jugendhilferechtliche Kostenbeitragsrecht zu übertragen.
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Die mit der Auferlegung von Unterhaltsleistungen verbundene Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als unverhältnismäßig anzusehen, wenn die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche die Grenze des Zumutbaren überschreitet. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern (BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 - 1 BvR 1509/97 - NJW-RR 2002, 73 f. = FamRZ 2001, 1685 f. und vom 25. Juni 2002 - 1 BvR 2144/01 - NJW 2002, 2701 f. jeweils m.w.N.; vgl. ferner
Beschlüsse vom 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 u.a. - BVerfGE 87, 153 und vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 - BVerfGE 120, 125). Danach wäre es verfassungswidrig, wenn dem Unterhaltspflichtigen nicht einmal mehr der Sozialhilfebedarf verbliebe und er infolge der Unterhaltszahlungen selbst sozialhilfebedürftig würde (BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 18/83 - BSGE 57, 59 <63> und - diesem folgend - BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 a.a.O. Rn. 10 im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit der Menschenwürdegarantie <art. 1 abs. 1 gg> und dem Sozialstaatsprinzip<art. 20 abs. 1 gg>). Unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber sozialrechtliche Einstandspflichten losgelöst vom Unterhaltsrecht und strenger als dieses bestimmen kann (z.B. im Rahmen der Bedarfs- und Einsatzgemeinschaft nach § 7 Abs. 2, 3, § 9 Abs. 2 SGB II oder in Fällen, in denen nach §§ 19, 20 SGB XII eine Einsatzgemeinschaft besteht), bedarf zumindest für den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag bei Gewährung teil- und vollstationärer Leistungen keiner abschließenden Beurteilung. Überdies hat der Gesetzgeber durch die Beschränkung des Kostenbeitrages auf den "angemessenen Umfang" selbst zu erkennen gegeben, dass er einen etwa weitergehenden verfassungsrechtlichen Rahmen für die Heranziehung nicht hat ausschöpfen wollen.
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§ 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, stellt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht dar (vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 - FamRZ 2010, 626 f.). Dieser Grundsatz prägt seinerseits jedenfalls solche öffentlich-rechtlichen Einstandspflichten, die sich - wie der Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII - ungeachtet der eigenständigen öffentlich-rechtlichen Ausformung nach Grund und Bemessung an das Unterhaltsrecht anlehnen. Für die Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze auch der kostenbeitragsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist es jedenfalls verfassungsrechtlich statthaft - sofern nicht Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung bedingen -, auf die in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien festgelegten (an der sog. Düsseldorfer Tabelle orientierten) und grundsätzlich (etwas) über dem Sozialhilfebedarf liegenden Selbstbehaltsätze abzustellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 a.a.O. und vom 25. Juni 2002 a.a.O.; BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O. Rn. 32 ff.; BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Auch sonst ist diese Anknüpfung im Sozialrecht anerkannt (zu § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I s. etwa BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O.; zu § 94 Abs. 2 SGB VIII a.F. s.a. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1998 - BVerwG 5 C 25.97 - BVerwGE 108, 222).
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2. Der von der Beklagten erhobene Kostenbeitrag belässt dem Kläger nicht den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt.
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2.1 Nach Ziffer 21.2 der hier - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - heranzuziehenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Stand: 1. Juli 2005) betrug der notwendige (sog. kleine) Selbstbehalt eines Erwerbstätigen gegenüber seinen minderjährigen Kindern im streitbefangenen Zeitraum des Jahres 2006 monatlich 890 €. Auch wenn unterhaltsrechtlich keine strenge Bindung an die Tabellenwerte der Leitlinien besteht, dürfen die Tatgerichte sich an diesen Erfahrungs- und Richtwerten orientieren, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung bedingen (BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O., Diederichsen, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 1603 Rn. 32 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier von den Vorinstanzen jedoch weder festgestellt noch sonst von den Beteiligten dargetan worden.
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2.2 Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in der vollen von der Beklagten geforderten Höhe belässt dem Kläger bei der gebotenen unterhaltsrechtlichen (Vergleichs-)Berechnung weniger als diesen notwendigen Selbstbehalt.
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Nach den für das Revisionsgericht gem. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts belief sich das monatliche Nettoeinkommen des Klägers (nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) in dem streitbefangenen Zeitraum auf 1 790,35 €. Das Oberverwaltungsgericht hat weiterhin bindend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten monatlichen Fahrten zur Erzielung des Einkommens notwendig waren und der Kläger insbesondere nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen konnte. Die Bemessung (in Orientierung an Ziffer 10.2.2 Satz 1 der Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts) der hiernach abzugsfähigen Fahrtkosten in Höhe von monatlich 597,60 € entspricht den unterhaltsrechtlichen Maßstäben, auf die jedenfalls für die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung zur Prüfung, ob der Selbstbehalt gewährleistet ist, abzustellen ist. Sie steht rechnerisch zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Ob von dem hiernach unterhaltsrechtlich relevanten (bereinigten) Nettoeinkommen von nicht mehr als 1 192,75 € monatlich weitere Beträge unterhaltsrechtlich abzugsfähig waren, ist nicht festgestellt und bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung. Nach Abzug des Selbstbehalts - von hier 890 € - bleibt ein Betrag von monatlich 302,75 €, der unterhaltsrechtlich für Unterhaltszahlungen zur Verfügung steht. Der von der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden festgesetzte Kostenbeitrag von insgesamt 440 € belässt dem Kläger damit nicht den ihm als Erwerbstätigem zustehenden unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt - hier von 890 € - und führt demnach dazu, dass dem Kläger weniger an Einkommen verbliebe, als ihm wegen des notwendigen Selbstbehalts nach Unterhaltsrecht verblieben wäre. Der festgesetzte Kostenbeitrag ist insoweit, als er den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt nicht (vollständig) wahrt, nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.
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2.3 Diese Nichtbeachtung der durch den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt gezogenen Grenze ergibt sich unabhängig davon, ob im Übrigen der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII in der von der Beklagten oder in der vom Berufungsgericht für zutreffend erachteten Weise zu berechnen ist; denn in jedem Falle ist der Kostenbeitrag, der sich hiernach errechnete, so hoch, dass er in den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt eingriffe. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob für die Ermittlung des Einkommens, das bei der Anwendung der Kostenbeitragsverordnung zu berücksichtigen ist, die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII nach der Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu berechnen sind, kann deshalb ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob - woran der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, erhebliche Zweifel hat - die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 KostenbeitragsV (hier anwendbar in der Fassung vom 1. Oktober 2005, BGBl I S. 2907) auch auf die vollstationär untergebrachten Kinder des Klägers (unmittelbar) angewandt werden kann.
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3. Wegen des Verstoßes der Beklagten gegen das Gebot der angemessenen Heranziehung (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden, das der geforderte Kostenbeitrag in der vom Kläger angegriffenen, den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe nicht rechtmäßig ist und die streitbefangenen Bescheide hinsichtlich des übersteigenden Betrages aufzuheben waren. Ob dieser Verstoß auch eine weitergehende Aufhebung rechtfertigen würde und wie die damit zusammenhängende Frage zu beantworten ist, ob und gegebenenfalls welche weitergehenden Rechtsfolgen aus einem durch die Unterschreitung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts bedingten Verstoß gegen § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (im Allgemeinen) zu ziehen sind, hat der Senat wegen der hier vorliegenden Begrenzung des Streitgegenstandes im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht die Aufhebung der Bescheide zuletzt allein in der den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe begehrt, so dass die Bescheide bis zur Höhe dieses Betrages in Bestandskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Berufungs- und Revisionsverfahrens geworden sind. Der Senat lässt daher offen, ob etwa - im Fall der (systematischen) Verfehlung der Selbstbehaltsgrenze bei den unteren Einkommensgruppen trotz Berücksichtigung der Pauschale nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII - eine (teilweise) Nichtigkeit der Beitragssätze der Kostenbeitragsverordnung anzunehmen ist. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob dem durch eine Unterschreitung der Selbstbehaltsgrenze beeinträchtigten Angemessenheitsgebot durch eine gesetzeskonforme Auslegung der Kostenbeitragsverordnung, durch eine entsprechende Anwendung des § 4 KostenbeitragsV (etwa im Falle der Kostenbeitragspflicht für mehrere untergebrachte junge Menschen) oder im jeweiligen Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden kann, dass - im Umfang der Unterschreitung des notwendigen Selbstbehalts - eine zur Beitragsreduzierung führende besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 SGB VIII anzunehmen ist.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht Elternunterhalt.
- 2
- Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971; ihre Ehe wurde noch im selben Jahr geschieden. Der Antragsgegner verblieb im Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahr 1972 brach der Kontakt zu seinem 1923 geborenen Vater ab. Dieser bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte. Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten solle. Erläuternd führte der Vater in dem Testament aus, dass zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er starb im Februar 2012.
- 3
- Die Antragstellerin nimmt den - als Beamten tätigen - Antragsgegner wegen der seinem Vater in der Zeit von Februar 2009 bis einschließlich Januar 2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbrachten Leistungen auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 9.022,75 € in Anspruch.
- 4
- Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 6
- 1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2013, 1051 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
- 7
- Zwar bestehe ein unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf in der von der Antragstellerin vorgetragenen Höhe. Ebenso habe der Antragsgegner seine Leis- tungsfähigkeit nicht in Frage gestellt. Er könne sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch jedoch auf Verwirkung wegen einer schweren Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen.
- 8
- Diese müsse sich nicht in einzelnen, schwerwiegenden Übergriffen gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige ausdrücken. Sie könne unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers auch in einem Verhalten gesehen werden, das in seiner Gesamtschau einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung erkennen lasse und infolgedessen den Unterhaltspflichtigen als Person herabwürdige, zurücksetze oder kränke. Bei der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern sei insbesondere zu berücksichtigen , dass selbst scheinbar nur geringfügige Kränkungen und Verletzungen im Kindes- und Jugendalter in besonderer Weise traumatisierend wirken könnten und dann das Kind ein Leben lang belasteten.
- 9
- Gemessen hieran sei dem Vater des Antragsgegners auf der Grundlage des in seinen Grundzügen unstreitigen Sachverhalts sowie des vom Antragsgegner in der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks eine schwere Verfehlung vorzuwerfen; er habe mit seinem jede Beziehung vermeidenden Verhalten seinen Sohn in einer nicht mehr zu akzeptierenden Weise nachhaltig belastet. Unmittelbar vor der Trennung der Eltern sei es am 1. Mai 1971 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf der Vater die Mutter massiv beschimpft und beleidigt habe. Dieser von dem Antragsgegner miterlebte Vorfall sei - wie die Ausführungen im Scheidungsurteil zeigten - symptomatisch für die Beziehung innerhalb der Familie gewesen. Nach der daraufhin vollzogenen Trennung habe sich der Vater von der Familie abgewandt. In der Folgezeit habe es nur noch einige Postkartengrüße aus dem Urlaub gegeben. Zwar habe der Antragsgegner seinen Vater noch gelegentlich besucht. Diese sporadischen Kontakte seien aber bereits nach etwa einem Jahr endgül- tig zum Erliegen gekommen. Wie der Antragsgegner in seiner Anhörung geschildert habe, habe er nach dem Scheitern der Ehe seiner Eltern mehrfach von sich aus den Kontakt zu seinem Vater gesucht, um wieder eine Vater-SohnBeziehung herzustellen. Wenn der Vater dann auf die Mitteilung von dem bestandenen Abitur nur mit einem Achselzucken reagiert habe, habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihn jedenfalls ab 1972 die Person seines inzwischen fast erwachsenen Sohnes und dessen Zukunft nicht mehr berührt hätten. Dieser Eindruck habe sich in der Reaktion auf die Mitteilung von der beabsichtigten Verlobung bestätigt, die der Vater nur mit den Worten "Du bist ja verrückt" quittiert habe. Er habe offensichtlich kein Interesse an seiner Schwiegertochter und den Zukunftsplänen des Paares gezeigt. Dass dieses nach außen getragene Desinteresse noch immer nachwirke und den Antragsgegner bis heute belaste , sei ihm bei der Schilderung der Vorfälle deutlich anzumerken gewesen. Wenn der Antragsgegner nach diesen Erfahrungen von sich aus keine weiteren Kontakte mehr zu seinem Vater gesucht habe, sei dies nachvollziehbar und könne nicht als einfache Kontaktlosigkeit bagatellisiert werden. Nicht einmal das Zusammentreffen auf der Beerdigung des Großvaters habe dazu geführt, dass noch persönliche Worte zwischen beiden gewechselt worden seien. In seinem notariellen Testament aus dem Jahr 1998 habe der Vater bestätigt, zu seinem Sohn seit etwa 27 Jahren keinen Kontakt mehr zu haben. Mit der gewählten laienhaften Formulierung, sein Sohn solle nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten , spiegele er seine innere Einstellung und dokumentiere nachdrücklich den bereits früher vollzogenen Bruch mit seinem Kind. Er habe ihn damit ersichtlich von allen Zuwendungen ausschließen wollen, soweit ihm das Recht einen Gestaltungsspielraum gelassen habe.
- 10
- Der dem Vater anzulastende Bruch der Eltern-Kind-Beziehung werde nicht durch die langjährigen Ehekonflikte relativiert. Diese hätten unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch gegen- über seinem damals noch minderjährigen Sohn zurückzuziehen. Unabhängig von der Frage der elterlichen Sorge sei er nicht von der jedem Eltern-KindVerhältnis immanenten Pflicht zu wechselseitigem Beistand und Rücksichtnahme , und damit über die Schulzeit hinaus Kontakt zu seinem Sohn zu halten, entbunden gewesen. Wenn der Vater gleichwohl die Bemühungen seines bereits durch die Ehekonflikte erheblich belasteten Sohnes um eine Aufrechterhaltung verwandtschaftlicher Bindungen zurückgewiesen habe und es zu einem endgültigen Bruch habe kommen lassen, habe er einen groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme offenbart, so dass die Voraussetzungen für eine schwere Verfehlung gegeben seien. Da die Folgen seines Handelns für den Vater erkennbar gewesen seien und er diese bewusst in Kauf genommen habe, sei an einem Vorsatz nicht zu zweifeln.
- 11
- Bei dieser Ausgangslage sei eine Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen grob unbillig, so dass die Verwirkung nicht zu einer Kürzung, sondern zum Wegfall des Anspruchs führe. Wer sich bewusst und dauerhaft von jeglichen Beziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinen Kindern ablöse, stelle sich außerhalb des familiären Solidarverbandes. Geschehe dies zudem noch in einer Weise, die für das nunmehr unterhaltspflichtige Kind traumatisierend gewirkt habe, müsse diesem die Auferlegung einer Zahlungspflicht in besonderer Weise als unbillig erscheinen - und zwar unabhängig von dem zuvor im Rahmen des Familienverbandes erhaltenen Unterhalt.
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- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 13
- a) Gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Unterhaltspflicht entfällt vollständig, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten im Hinblick darauf grob unbillig wäre, § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 14
- aa) Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt. Daher kann sich auch eine - durch Unterlassen herbeigeführte - Verletzung elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 a BGB, der auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern Anwendung findet (Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1618 a Rn. 1), als Verfehlung gegen das Kind darstellen (Senatsurteile vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 32 und vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 15
- Eine "schwere Verfehlung" im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt. Bereits in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde eingeräumt, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, die Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat, nicht nur zu beschränken, sondern ganz wegfallen zu lassen (BT-Drucks. V/2370 S. 41). Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen; eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben. Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine familiären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat.
- 16
- bb) Eine vom Unterhaltsberechtigten ausgehende Kontaktverweigerung kann, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Verwirkung des Unterhalts gemäß § 1611 Abs. 1 BGB begründen.
- 17
- Beim Kindesunterhalt vermag allerdings die Ablehnung jeder persönlichen Kontaktaufnahme zu dem unterhaltspflichtigen Elternteil durch das (volljährige ) Kind allein oder auch in Verbindung mit unhöflichen und unangemessenen Äußerungen diesem gegenüber eine Herabsetzung oder den Ausschluss des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB nicht zu rechtfertigen (Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - FamRZ 1995, 475, 476). Beim Elternunterhalt kann eine Verwirkung demgegenüber dann gerechtfertigt sein, wenn der Elternteil sein Kind, das er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert hat. Dann offenbart das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden kann (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 18
- b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen hält die Beschwerdeentscheidung den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
- 19
- Zwar stellt der vom Tatrichter festgestellte, vom Vater des Antragsgegners ausgegangene Kontaktabbruch eine Verfehlung i.S.v. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB dar. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich indes nicht um eine schwere Verfehlung im Sinne dieser Vorschrift.
- 20
- aa) Indem der Vater des Antragsgegners eine Beziehung zu seinem Sohn vermieden und dadurch den Antragsgegner nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nachhaltig belastet hat, hat der Vater gegen seine Verpflichtung verstoßen, seinem Sohn beizustehen und auf seine Belange Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1980 mit § 1618 a auch im Verhältnis zu volljährigen Kindern in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. Juli 1979, BGBl. I 1061). Auch wenn diese Norm zu dem Zeitpunkt, als der Vater den Kontakt zum Antragsgegner im Jahr 1972 abgebrochen hatte, noch nicht galt, begründete sie jedenfalls für die Zeit ab 1980 das Eltern-Kind-Verhältnis prägende Rechtspflichten, deren künftige Verletzung unter den Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 21
- Die in Form der Kontaktverweigerung begangene Verfehlung hat der Vater nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts noch dadurch dokumentiert , dass er seinen Sohn im Jahr 1998 enterbt hat. Die Errichtung dieses Testaments selbst stellt allerdings keine Verfehlung dar. Vielmehr hat der Vater lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht (vgl. §§ 2064 ff., 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB).
- 22
- Zu Recht hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten des Vaters seinem Sohn gegenüber nicht durch die seinerzeit langjährig bestehenden Ehekonflikte relativiert wurde. Denn die persönlichen Konflikte haben unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch gegenüber seinem Sohn zurückzuziehen.
- 23
- bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts handelt es sich jedoch nicht um eine schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB.
- 24
- Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem Sohn aufgekündigt haben. Sein Verhalten offenbart jedoch nicht einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden könnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560 mwN). Denn bis zur Trennung der Eltern im Jahr 1971 und mithin in den ersten 18 Lebensjahren des Antragsgegners war der Vater Teil des Familienverbands und hat sich um den Antragsgegner gekümmert. Der Vater hat daher gerade in den regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erfordernden Lebensphasen seines Sohnes bis zum Erreichen der Volljährigkeit im Wesentlichen den aus seiner Elternstellung folgenden Rechtspflichten genügt. Als es im Jahr 1972 zum Kontaktabbruch kam, war der damals fast 19-jährige Antragsgegner zwar nach damaliger Rechtslage noch nicht volljährig, hatte jedoch bereits erfolgreich das Abitur abgelegt und damit eine gewisse Selbständigkeit erlangt. Das in die Zeit ab dem 19. Lebensjahr des Antragsgegners fallende Verhalten des Vaters stellt sich im Hinblick darauf nicht als eine schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB dar. Insoweit unterscheidet sich dieser Fall maßgeblich von der vom Senat im Jahr 2004 entschiedenen Konstellation , in der die (unterhaltsberechtigte) Mutter ihr Kind im Kleinkindalter verlassen hatte (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004,
1559).
- 25
- 3. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben, § 74 Abs. 5 FamFG. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.
- 26
- a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Danach hat der Antragsgegner den vom Amtsgericht festge- setzten Betrag von 9.022,76 € zu zahlen.
- 27
- b) Nach den weiteren, von Rechts wegen nicht zu beanstandenden und von dem Antragsgegner auch nicht angegriffenen Ausführungen des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen der übrigen Alternativen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Verwirkung des Unterhalts hier nicht vor. Der Vater des Antragsgegners ist mithin weder durch eigenes Verschulden bedürftig geworden, noch hat er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Antragsgegner gröblich verletzt.
- 28
- c) Ebenso wenig steht § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einem Anspruchsübergang auf die Antragstellerin entgegen.
- 29
- Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geht der Anspruch nicht über, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde.
- 30
- Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Übergangs des Unterhaltsanspruchs (s. hierzu Senatsurteil vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 44 ff. mwN) liegen ersichtlich nicht vor.
- 31
- Soweit es die vom Antragsgegner geltend gemachte Verfehlung anbelangt , werden die entsprechenden Umstände abschließend von § 1611 BGB erfasst. Nach dem unstreitigen Sachverhalt sind auch keine sozialen Belange ersichtlich, die einen Übergang des Anspruchs nach öffentlich-rechtlichen Krite- rien ausschließen könnten, wie sich nicht zuletzt auch aus dem Beschluss des Amtsgerichts ergibt. Weder hat der Antragsgegner seinen Vater betreut oder gepflegt, noch erscheint die Inanspruchnahme des Antragsgegners angesichts der festgestellten Einkommensverhältnisse unzumutbar, zumal die Unterhaltspflicht ohnehin zeitlich begrenzt ist. Schließlich sind auch keine Belange der Familie zu erkennen, die eine Heranziehung zum Unterhalt in Frage stellen könnten. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
AG Delmenhorst, Entscheidung vom 27.03.2012 - 22 F 125/11 UK -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 25.10.2012 - 14 UF 80/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Elternunterhalt für seine 1935 geborene Mutter aus übergegangenem Recht in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin ist Trägerin der öffentlichen Hilfe, die der Mutter des Beklagten , Frau M., seit November 2005 gewährt wird. Frau M. befindet sich seit April 2005 in einem Pflegeheim. Sie litt schon während der Kindheit des Beklagten an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik und damit einhergehend an Antriebsschwäche und Wahnideen. Frau M. hat den 1961 geborenen Beklagten bis zur Trennung und Scheidung von ihrem damaligen Ehemann im Jahr 1973 - mit Unterbrechungen wegen zum Teil längerer stationärer Krankenhausaufenthalte - erzogen und versorgt. Seit spätestens 1977 besteht - bis auf gele- gentliche Zusammentreffen auf Familienfeiern - kein Kontakt mehr zwischen dem Beklagten und seiner Mutter.
- 3
- Die Klägerin forderte den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 9. November 2005 zur Auskunftserteilung auf. Dieser erteilte Auskunft und berief sich auf Verwirkung gemäß § 1611 BGB. Nach Bezifferung des Anspruchs im Dezember 2006 und Zahlungsaufforderung im März 2007 hat die Klägerin schließlich im April 2008 Klage erhoben.
- 4
- Das Familiengericht hat den Anspruch auf Zahlung von Elternunterhalt für den Zeitraum von November 2005 bis einschließlich März 2007 gemäß § 242 BGB als verwirkt angesehen. Im Übrigen hat es den Beklagten zur Zahlung rückständigen sowie laufenden Elternunterhalts für die Zeit von Mai 2008 an in Höhe von monatlich 649 € verurteilt.
- 5
- Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, rückständigen Elternunterhalt an die Klägerin bereits ab November 2005 und laufenden Unterhalt zu zahlen, u.a. von Januar bis Juni 2009 in Höhe von 674 € sowie von Juli 2009 an in Höhe von monatlich 701 €.
- 6
- Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2010, 303 veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 9
- Der Klägerin stehe gegen den Beklagten für die Zeit von November 2005 an Elternunterhalt zu. Die Mutter des Beklagten sei spätestens seit November 2005 unterhaltsbedürftig. Nach Abzug ihrer eigenen Einkünfte von den für sie aufgewandten Heimkosten, dem Barbedarf und den notwendigen einmaligen Beihilfen verbleibe für sie ein ungedeckter Restbedarf von mehr als 701 € monatlich. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des Beklagten, das sich in den Jahren von 2005 bis 2008 zwischen 3.077,47 € und 3.319,44 € bewegt habe, der jeweils hinzuzurechnenden Steuererstattung und unter Beachtung der unterhaltsrechtlich relevanten Abzüge sei der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend leistungsfähig.
- 10
- Der rückständige Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht nach § 242 BGB verwirkt. Es bestünden bereits Bedenken dagegen, dass das erforderliche Zeitmoment erfüllt sei. Jedenfalls lägen keine Umstände vor, die es rechtfertigten , dass sich der Beklagte habe darauf einrichten dürfen, von der Klägerin nicht mehr auf Elternunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Der Beklagte habe aus dem Inhalt der außergerichtlichen Schreiben der Klägerin vom 18. April 2006 und vom 27. August 2007 zweifelsfrei erkennen können, dass diese die auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüche seiner Mutter weiter verfolge.
- 11
- Der Unterhaltsanspruch der Mutter des Beklagten sei auch nicht gemäß § 1611 BGB verwirkt. Das einmalige Zerschneiden der Kleidung der Kinder, die Verursachung des Waschzwangs und das mehrfache - seinem Umfang nach nicht näher dargelegte - Aussperren aus der Wohnung stellten vor dem Hinter- grund der psychischen Erkrankung der Mutter des Beklagten ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine schwere Verfehlung dar. Soweit der Beklagte seiner Mutter vorwerfe, sie habe den Kontakt zu ihm nach der Trennung abgebrochen und dabei jedes Maß an emotionaler Zuneigung missen lassen, sei sein Vortrag widersprüchlich. Nach dem Inhalt der Beiakten habe seine Mutter im Jahr 1975 einen Antrag auf Regelung der Umgangskontakte gestellt, der an dem Willen des Beklagten gescheitert sei. Ebenso wenig könne eine gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne von § 1611 BGB angenommen werden.
- 12
- Im Übrigen fehle es an einem für eine Verwirkung erforderlichen Verschulden der unterhaltsbedürftigen Mutter des Beklagten. Die vom Beklagten beschriebenen Betreuungsausfälle und ihre Unfähigkeit, spätestens ab 1971 für den Naturalunterhalt und ab dem Zeitpunkt der Trennung vom Vater des Beklagten für seinen Barunterhalt aufzukommen, beruhten unstreitig auf der Erkrankung seiner Mutter an schizophrener Psychose.
- 13
- Schließlich stünde dem Übergang des Unterhaltsanspruchs der Mutter auf die Klägerin auch § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht entgegen. Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liege dann vor, wenn mit der Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zum Elternunterhalt soziale Belange vernachlässigt würden. Seien lediglich familiäre Belange betroffen, komme eine Anwendung des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht in Betracht. Diese Einschränkung folge daraus, dass den familiären Belangen bereits durch die Vorschrift des § 1611 BGB hinreichend Rechnung getragen sei. Es müssten daher Umstände vorliegen, die es gerade aus dem Blickwinkel des Sozialrechts unzumutbar erscheinen ließen, wenn jemand zum Unterhalt für seine Eltern herangezogen werde. Daran fehle es. Ziel der Gewährung der öffentlichen Hilfe für die Mutter des Beklagten sei nicht die Entlastung des Beklagten von seiner Unterhaltsverpflichtung. Einer solchen Zielsetzung stünde bereits entgegen, dass der Beklagte aufgrund seiner relativ hohen Einkünfte und mangels weiterer Unterhaltsverpflichtungen wirtschaftlich ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sei, den begehrten Unterhalt für seine Mutter zu leisten. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Heranziehung des Beklagten zu den der Klägerin entstandenen Kosten zu einer nachhaltigen Störung des Familienfriedens führte.
- 14
- Schließlich sei ein kausaler Zusammenhang der schicksalhaften Erkrankung der Mutter mit einem Handeln des Staates oder seiner Organe, der soziale Belange begründen könnte, anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eines psychisch erkrankten Kriegsheimkehrers (Senatsurteil vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097) nicht feststellbar.
II.
- 15
- Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
- 16
- 1. Allerdings weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass seine Revision uneingeschränkt zulässig sei.
- 17
- Zwar hat das Berufungsgericht die Revision "im Hinblick auf den unbestimmten Rechtsbegriff der 'unbilligen Härte' im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und die erforderliche Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift im Verhältnis zu den Tatbeständen der Verwirkung nach § 1611 BGB" zugelassen. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass - sollte hierin eine Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage liegen - diese unbeachtlich sei.
- 18
- Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278; BGH Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02 - BGHR ZPO (1. Januar 2002) § 543 - Revisionszulassung, beschränkte 1).
- 19
- Die Frage der Verwirkung bzw. des Anspruchsübergangs betrifft den gesamten Streitgegenstand, also auch die Geltendmachung rückständigen Unterhalts. Da das Berufungsgericht eine Verwirkung gemäß § 242 BGB abgelehnt hat, mithin den Anspruch von November 2005 an zuerkannt hat, obliegt auch dieser Teil des Streitgegenstands der weiteren Überprüfung, ob er möglicherweise der Verwirkung nach § 1611 BGB unterliegt bzw. ob insoweit ein Übergang des Anspruchs auf die Klägerin wegen unbilliger Härte gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Es fehlt mithin an einem tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes, der eine auf diesen Teil beschränkte Überprüfung durch das Revisionsgericht erlaubte.
- 20
- 2. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von Elternunterhalt aus übergegangenem Recht gemäß §§ 1601 BGB, 94 SGB XII verurteilt.
- 21
- a) Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung nach § 242 BGB bzw. § 1611 BGB abgelehnt und einen Anspruchsübergang auf die Klägerin gemäß § 94 SGB XII bejaht habe. Die übrigen Feststellungen bzw. Ausführungen des Berufungsgerichts zu Grund und Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs greift die Revision nicht an. Insoweit sind Rechtsfehler auch nicht ersichtlich.
- 22
- b) Ebenso wenig sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zu beanstanden , wonach der rückständige Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt ist.
- 23
- aa) Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698; vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ 2007, 453, 455 und vom 10. Dezember 2003 - XII ZR 155/01 - FamRZ 2004, 531, 532). Für Unterhaltsansprüche sind an das Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahe legen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1699). Dieselben Anforderungen gelten, wenn die aus übergegangenem Recht klagende Behörde tätig wird. Zwar ist diese - anders als der ursprüngli- che Unterhaltsgläubiger - nicht lebensnotwendig auf die Realisierung der Forderungen angewiesen. Jedoch ist die Behörde aufgrund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1699).
- 24
- Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, d.h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Dabei kommt es jedoch nicht auf konkrete Vertrauensinvestitionen des Unterhaltsschuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme an (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1699).
- 25
- bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass hier eine Verwirkung nach § 242 BGB ausscheidet.
- 26
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 9. November 2005 zur Auskunftserteilung über sein Einkommen aufgefordert. Nachdem dieser die geforderte Auskunft erteilt und zugleich den Einwand der Verwirkung gemäß § 1611 BGB erhoben hatte, hat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 18. April 2006 und vom 16. November 2006 vergeblich aufgefordert, seinen Vortrag zu den eine mögliche Verwirkung begründenden Umständen zu ergänzen und entsprechende Belege einzureichen. Sodann hat die Klägerin ihre Ansprüche mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 beziffert. Den Beklagten hat sie mit Schreiben vom 1. März 2007 vergeblich zur Zahlung des Elternunterhalts aufgefor- dert. Nach einer schriftlichen Zahlungserinnerung vom 27. August 2007 hat sie im April 2008 Klage erhoben.
- 27
- Damit ist weder dem Zeitmoment noch dem Umstandsmoment Rechnung getragen.
- 28
- (1) Für das Zeitmoment sind nicht nur die Aufforderung der Klägerin zur Auskunftserteilung, die Bezifferung des Unterhaltsanspruchs und die Zahlungsaufforderung von Bedeutung. Vielmehr fallen hierunter auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung dienen , wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen.
- 29
- Aus einer Gesamtschau des Schriftverkehrs ergibt sich, dass das Verhalten der Klägerin von dem Bemühen getragen war, den Anspruch zeitnah durchzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass sie dem Beklagten zugleich die Möglichkeit eingeräumt hat, im Hinblick auf die lang zurückliegenden Geschehnisse den von ihm geltend gemachten Verwirkungseinwand zu erhärten. Dabei liegt der längste Abstand von rund acht Monaten zwischen der Zahlungsaufforderung vom 27. August 2007 und der Klagerhebung im April 2008.
- 30
- (2) Selbst wenn man die Schreiben der Klägerin, die dem Beklagten die Möglichkeit einräumen sollten, den Streit außergerichtlich beizulegen, bei der Prüfung des Zeitmoments unberücksichtigt ließe, stünde jedenfalls - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - das Umstandsmoment einer Verwirkung nach § 242 BGB entgegen. Denn dem Beklagten musste aufgrund dieser Schreiben klar sein, dass die Klägerin nach wie vor mit der Prüfung des Anspruchs beschäftigt war, um diesen bei Fehlen erheblicher Einwendungen ggf. einer gerichtlichen Durchsetzung zuzuführen. Dass sich das ganze Verfahren zeitlich gestreckt hat, kann der Klägerin auch deshalb nicht zum Vorwurf ge- macht werden, weil der Beklagte ausweislich der in Bezug genommenen Schreiben nichts weiter vorgetragen hatte.
- 31
- c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung des auf die Klägerin übergegangenen Unterhaltsanspruchs gemäß § 1611 BGB abgelehnt hat.
- 32
- aa) Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn der Unterhaltsberechtigte u.a. seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Unterhaltspflicht entfällt vollständig, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten im Hinblick darauf grob unbillig wäre, § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei kann sich eine gröbliche Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht i.S.v. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auch auf die Gewährung von Naturalunterhalt beziehen (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560). Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tief greifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Dabei kann sich auch eine - durch Unterlassen herbeigeführte - Verletzung elterlicher Pflichten wie etwa der Aufsichtspflicht oder der Pflicht zu Beistand und Rücksicht i.S.v. § 1618 a BGB als Verfehlung gegen das Kind darstellen (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 33
- bb) Dass das Berufungsgericht diese Voraussetzungen aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen nicht als gegeben angesehen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 34
- (1) Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht seitens Frau M. verneint. Nach seinen Feststellungen ist davon auszugehen, dass Frau M. ab dem neunten bzw. zehnten Lebensjahr des Beklagten krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, die Kindesbetreuung sicherzustellen. Eine Verpflichtung der Mutter des Beklagten zur Betreuung und Pflege ihrer Kinder habe nur bis zu der Trennung der Eltern im Jahre 1972 bzw. 1973 und dem anschließenden Aufenthalt des Beklagten beim Vater bestanden.
- 35
- Dass das Berufungsgericht auf Grundlage dieser - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen eine gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflicht verneint hat, ist vor dem Hintergrund der Erkrankung von Frau M., wegen derer sie sich ab 1971 mehrfach in längerfristige stationäre Behandlung begeben musste, nicht zu beanstanden. Denn da die Mutter krankheitsbedingt nicht in der Lage war, den Beklagten angemessen zu betreuen, war sie wegen dieser Einschränkungen - wie ein Barunterhalt schuldender Elternteil bei wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit - nicht zum Unterhalt verpflichtet; entsprechendes gilt für die nach der Trennung der Eltern eingetretene Barunterhaltspflicht. Damit kann nicht von einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht ausgegangen werden.
- 36
- (2) Zu Recht hat das Berufungsgericht zudem entschieden, dass sich Frau M. nicht vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Beklagten schuldig gemacht habe.
- 37
- (a) Das Berufungsgericht hat bereits den objektiven Tatbestand als nicht erfüllt angesehen. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass § 1611 BGB eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift ist. Wenn das Berufungsgericht unter dieser Prämisse das einmalige Zerschneiden der Kleidung der Kinder, die Ver- ursachung des Waschzwangs beim Beklagten und das mehrfache Aussperren der Kinder aus der Wohnung ohne Hinzutreten besonderer Umstände vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung der Mutter nicht als schwere Verfehlung qualifiziert, ist diese tatrichterliche Würdigung als vertretbar zu erachten.
- 38
- Soweit der Beklagte seiner Mutter vorwirft, sie habe den Kontakt zu ihm nach der Trennung abgebrochen und dabei jedes Maß an emotionaler Zuneigung missen lassen, weist das Berufungsgericht zu Recht auf die Widersprüchlichkeit dieses Vortrages hin. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat seine Mutter im Jahr 1975 einen Antrag auf Regelung der Umgangskontakte gestellt. Zutreffend verweist es zudem darauf, dass der Antrag letztendlich am Willen des Beklagten gescheitert sei. Auch wenn der Grund für die Ablehnung der Umgangskontakte durch den Beklagten letztlich das damalige Verhalten seiner Mutter gewesen sein dürfte, ändert dies nichts an der Tatsache, dass sich seine Mutter im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Fortführung des Mutter-Kind-Verhältnisses bemüht hat. Von einer schweren vorsätzlichen Verfehlung kann daher nicht gesprochen werden.
- 39
- (b) Im Übrigen träfe die Mutter des Beklagten an einer schweren Verfehlung - was auch die Revision einräumt - kein Verschulden.
- 40
- Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB setzt die Verwirkung voraus, dass der Unterhaltsberechtigte sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Deshalb setzt die Anwendung von § 1611 BGB insoweit - worauf die Revision zutreffend hinweist - ein Verschulden voraus (MünchKommBGB/Born 5. Aufl. § 1611 Rn. 27; Staudinger/Engler BGB Neubearb. 2000 § 1611 Rn. 25).
- 41
- Soweit die Revision in Anlehnung an das Pflichtteilsrecht und unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2005 zu § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB (FamRZ 2005, 872, 877) meint, ein Verschulden im rechtstechnischen Sinne sei nicht erforderlich, vielmehr genüge es, wenn der Unterhaltsberechtigte in einem natürlichen Sinne vorsätzlich handle , verkennt sie, dass in § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anders als in § 1611 Abs. 1 BGB - ein schuldhaftes Verhalten als Tatbestandsmerkmal nicht aufgenommen worden ist; hierauf hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgestellt (BVerfG FamRZ 2005, 872, 877). Zwar hatte § 1611 Abs. 2 BGB in seiner bis zum 1. Juli 1970 geltenden Fassung für die Verwirkung u.a. auch auf die Pflichtteilsentziehungstatbestände verwiesen (vgl. Palandt/Lauterbach BGB 26. Aufl. § 1611 BGB). Jedoch war damals schon Voraussetzung für eine Verwirkung, dass sich der Unterhaltsberechtigte einer Verfehlung "schuldig" gemacht hatte, die den Unterhaltspflichtigen berechtigte, ihm den Pflichtteil zu entziehen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 1611 BGB zum 1. Juli 1970, mit der er das Tatbestandsmerkmal des sittlichen Verschuldens um die weiteren - hier zu prüfenden - Verwirkungsgründe ergänzt hat, erläutert, dass auf die Pflichtteilsentziehungsgründe nicht mehr abgestellt werden solle, weil die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils einerseits und für eine Beschränkung des Unterhalts andererseits nicht übereinzustimmen bräuchten (BT-Drucks. V/2370, S. 41).
- 42
- d) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, dass § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einem Anspruchsübergang auf die Klägerin nicht entgegensteht.
- 43
- aa) Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geht der Anspruch nicht über, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung der vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 32 und vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098 zu der entsprechenden Vorgängervorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG).
- 44
- Während die Frage, ob der Unterhaltsanspruch nach § 1611 BGB verwirkt ist, rein zivilrechtlicher Natur ist, richtet sich die Frage des Anspruchsübergangs nach § 94 SGB XII nach öffentlichem Recht. Deshalb genügt eine zivilrechtlich einzuordnende Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialhilfe auszuschließen (vgl. BVerwGE 58, 209, 214 zu § 91 Abs. 3 BSHG aF; Oestreicher/Decker SGB XII/SGB II Stand Dezember 2005 § 94 SGB XII Rn. 170; s. auch Klinkhammer FamRZ 2004, 1283). Vielmehr umfasst § 1611 BGB für die Prüfung einer etwaigen Verwirkung nur die für das zivilrechtlich zu beurteilende Familienverhältnis in Frage kommenden Tatbestandsmerkmale. Sind die Voraussetzungen für eine Verwirkung erfüllt, kommt § 94 SGB XII ohnehin nicht zum Tragen, weil es an einem Unterhaltsanspruch fehlt, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte (Senatsurteile vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 32 und vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098). Aber auch eine an sich unter § 1611 Abs. 1 BGB fallende Sachverhaltskonstellation, die jedoch nicht alle Tatbestandsmerkmale dieser Norm - wie etwa das Verschulden - erfüllt und deshalb nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt, ist grundsätzlich nicht unter § 94 SGB XII zu subsumieren.
- 45
- Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange er- fasst, die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen (vgl. BVerwGE 58, 209, 215 f.). Das Berufungsgericht hat dies zutreffend damit umschrieben, dass ein erkennbarer Bezug zum Sozialhilferecht , insbesondere ein kausaler Zusammenhang zu einem Handeln des Staates oder seiner Organe, vorliegen müsse. Dies zeichnet etwa den vom Senat im Jahr 2004 entschiedenen Fall aus (Senatsurteil vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097). Zwar reichte dort das krankheitsbedingte Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten, das die Lockerung der Familienbande zur Folge hatte - ebenso wie hier - nicht dafür aus, den Anspruch gemäß § 1611 BGB als verwirkt anzusehen. Die der Vernachlässigung zugrunde liegende psychische Erkrankung war jedoch durch den - dem Staat zuzurechnenden - Kriegsdienst des Vaters verursacht worden.
- 46
- Entscheidend ist nach alledem, ob aus der Sicht des Sozialhilferechts durch den Anspruchsübergang soziale Belange berührt werden. Die Härte kann in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen oder in derjenigen des Hilfeempfängers vorliegen. Bei der Auslegung der Härteklausel ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu beachten (Senatsurteile vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098 und vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 33). Eine unbillige Härte liegt danach insbesondere vor, wenn und soweit der - öffentlich-rechtliche - Grundsatz der familiengerechten Hilfe, nach dem u.a. auf die Belange und Beziehungen in der Familie Rücksicht zu nehmen ist (vgl. § 16 SGB XII), einer Heranziehung entgegensteht. Weitere Gründe sind, dass die laufende Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Höhe und Dauer des Bedarfs zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung des Unterhaltspflichtigen und der übrigen Familienmitglieder führen würde, wenn die Ziel- setzung der Hilfe infolge des Übergangs gefährdet erscheint oder wenn der Unterhaltspflichtige den Sozialhilfeempfänger bereits vor Eintritt der Sozialhilfe über das Maß einer zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut oder gepflegt hat (Senatsurteile vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01 - FamRZ 2004, 1097, 1098 und vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 34 mwN).
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- Soweit die Revision darauf hinweist, dass der Gesetzgeber in § 94 Abs. 2 SGB XII eine Sonderbehandlung von Eltern behinderter volljähriger Kinder dergestalt vorsieht, dass der Rückgriff auf bestimmte Höchstbeträge begrenzt ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2010 - XII ZR 170/08 - FamRZ 2010, 1418 Rn. 22 ff.), beruht dies auf anderen gesetzgeberischen Erwägungen, die auf den Elternunterhalt nicht übertragbar sind.
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- bb) Das Berufungsgericht hat unter Beachtung dieser Anforderungen zu Recht einen Ausschluss des Anspruchübergangs verneint. Es hat darauf abgestellt , dass der Beklagte aufgrund seiner relativ hohen Einkünfte und dem Nichtbestehen weiterer Unterhaltsverpflichtungen wirtschaftlich ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sei, den begehrten Unterhalt zu leisten. Ebenso wenig sei eine nachhaltige Störung des Familienfriedens ersichtlich. Zudem habe der Beklagte seine Mutter vor Inanspruchnahme weder betreut noch gepflegt. Dass das Berufungsgericht dabei keine Umstände für gegeben erachtet hat, die es gerade aus dem Blickwinkel des Sozialrechts unzumutbar erscheinen lassen, den Beklagten zum Unterhalt für seine Mutter heranzuziehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Vor allem ist nicht zu beanstanden und im Übrigen von der Revision auch nicht gerügt, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten, wonach die Kriegserlebnisse seiner Mutter mitursächlich für ihre psychische Erkrankung an Schizophrenie gewesen seien, als Behauptung ins Blaue hinein qualifiziert hat.
- 49
- Nach alledem ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte aus der familiären Verantwortung gegenüber seiner Mutter entlassen werden sollte. Wäre der Staat für die Mutter nicht in Vorleistung getreten, hätte sie gegen den Beklagten ohnehin ihren Unterhaltsanspruch durchsetzen können. Wegen der vom Gesetz geforderten familiären Solidarität rechtfertigen die als schicksalsbedingt zu qualifizierende Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen auf den Beklagten es nicht, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden. Hahne Dose Klinkhammer Schilling Günter
AG Bottrop, Entscheidung vom 14.11.2008 - 14 F 187/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.08.2009 - II-2 UF 241/08 -
(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.
(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.
(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit
- 1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder - 2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:
- 1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen, - 2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen, - 3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen, - 4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.
(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.
(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.
(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.