Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Feb. 2016 - 7 L 30/16
Tenor
- 1.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. wird abgelehnt.
- 2.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
- 3.
Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Der Antragsteller hat keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Zudem bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung ‑ wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt (unter II.) ‑ keine hinreichenden Erfolgsaussichten (§ 166 Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsordnung ‑ VwGO ‑ i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung ‑ ZPO ‑).
4II.
5Der Antrag,
6die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 52/16 des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 4. Dezember 2015 wiederherzustellen,
7ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
8Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller das Recht, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, aberkannt worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit im Ergebnis rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
9Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen Folgendes auszuführen: Die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt sich aus Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist derjenige als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, der gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann.
10Der Antragsteller ist gelegentlicher Cannabiskonsument und kann nicht zwischen Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen.
11Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis erfordert mehr als nur einen einmaligen Konsum, ist aber bereits bei zwei selbständigen Konsumvorgängen anzunehmen, sofern diese einen gewissen auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 ‑ 3 C 3/13 ‑, juris Rn. 19 ff. m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2014 ‑ 16 B 116/14 ‑, juris Rn. 3.
13Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, am Vorabend des Vorfalls erst- und letztmalig Cannabis konsumiert zu haben. Der Gutachter kommt jedoch in der seitens des Gerichts eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 11. Februar 2016 zu dem Ergebnis, dass die ermittelten Blutwerte sich nicht durch einen einmaligen Konsum ca. 20 Stunden vor der Verkehrskontrolle erklären lassen. Es sei davon auszugehen, dass entweder ein mehrmaliger Konsum vorliege oder aber im Falle eines einmaligen Konsums dieser nur wenige Stunden vor der Fahrt stattgefunden habe. Der vom Antragsteller behauptete Einmalkonsum 20 Stunden vor der Verkehrskontrolle ist daher nicht glaubhaft.
14Der Antragsteller hat auch nicht im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Hierzu hat das VG Gelsenkirchen ‑ 9 K 4303/15 ‑ unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und nach Anhörung eines Sachverständigen mit Urteil vom 20. Januar 2016 ausgeführt:
15„In dieser fehlenden Trennung liegt ein die Fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher Mangel. Er ist darin zu sehen, dass der Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
16BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, juris Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 29 f.
17Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element – wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit – abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.
18OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 23; Bayer. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, juris Rn. 16.
19Daraus folgt zugleich, dass nicht jede bei einem Kraftfahrzeugführer festgestellte THC-Konzentration die Annahme fehlender Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV rechtfertigt.
20Festgestellt werden muss eine THC-Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 29 (zu § 24a Abs. 2 StVG), OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 -, juris Rn. 27 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 30, 43 ff.
22Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit – zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt – nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als nahe liegend erscheinen lässt.
23OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 29 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 30, jeweils unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 39 und 51.
24Dabei dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen gestellt werden, je gewichtiger die bedrohten Rechtsgüter sind. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr stehen Gefahren für das Leben, die Gesundheit und das Eigentum und damit hochwertige Rechtsgüter anderer Bürger in Frage.
25Vgl. im Einzelnen bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Mai 2010 – 9 K 3406/09 –, juris Rn. 73 ff.
26In Bezug auf den zugrundezulegenden Gefährdungsmaßstab ist damit eine derartige Trennung zu fordern, bei der eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die vorangegangene Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Bereits die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit muss ausgeschlossen sein; eine signifikante Erhöhung des Unfallrisikos ist nicht zu fordern.
27BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 32 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 43 ff.
28Hat der Betroffene in der Vergangenheit ein Kraftfahrzeug unter einem THC-Pegel geführt, bei dem eine Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit möglich war, rechtfertigt das nach der der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu Grunde liegenden Wertung zugleich Zweifel daran, dass er künftig stets die gebotene Trennung von Cannabiskonsum und Fahren beachten wird; das wiederum führt zur Verneinung seiner Fahreignung.
29BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 33.
30Das vom Normgeber zu Recht verfolgte Ziel, Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Cannabiskonsum unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes soweit wie möglich auszuschließen, ist auch für die Bestimmung des im Rahmen der Nr. 9.2.2 der Anlag 4 maßgeblichen THC-Grenzwertes von Bedeutung. Abzustellen ist daher darauf, ab welchem THC-Wert eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit möglich ist oder – negativ formuliert – nicht mehr ausgeschlossen werden kann; insoweit handelt es sich um einen Risikogrenzwert.
31BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 37.
32Die Rechtsprechung – einschließlich der der erkennenden Kammer – hat bislang den THC-Wert, bei welchem eine solche Beeinträchtigung nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann, in Auswertung der medizinisch-toxikologischen Studien überwiegend mit 1 ng/ml Blutserum festgelegt.
33Vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, juris Rn. 29 (zu § 24a StVG); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 47 ff., nicht beanstandet durch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 39; OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 ‑ 16 A 2806/13 –, juris Rn. 31 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 34 ff., jeweils m.w.N., Beschlüsse vom 5. Februar 2015 – 16 B 8/15 –, juris Rn. 5 f., vom 4. Januar 2012 – 16 A 2075/11 –, juris Rn. 15 und vom 22. Mai 2012 ‑ 16 B 536/12 –, juris Rn. 5 ff., jeweils m.w.N.; OVG Thüringen, Beschluss vom 6. September 2012 – 2 EO 37/11 –, juris Rn. 16 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11 –, juris Rn. 14 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 –, juris Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. März 2006 – 10 S 2519/05 –, juris Rn. 7; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Februar 2009 – 4 LB 61/08 –, juris Rn. 35 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2009 – 1 S 17.09 –, juris Rn. 6; Nieders. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 – 12 ME 287/03 –, juris Rn. 7; a.A. (erst ab 2 ng THC/ml Blutserum) Bayer. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 – 11 CS 04.2348 –, juris Rn. 16 und vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 –, juris Rn. 45, offengelassen bei OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 M 142/06 –, juris Rn. 18.
34Grundlage dieser Rechtsprechung war insbesondere der Beschluss der sog. Grenzwertkommission vom 20. November 2002 – aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007,
35veröffentlicht in Blutalkohol 44 (2007), 311 –
36zu § 24a Abs. 2 StVG, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1,0 ng/ml im Blutserum liegt.
37Vorliegend war eine erneute Überprüfung dieses Grenzwertes geboten, da die Grenzwertkommission – eine fachübergreifende mit Wissenschaftlern aus den Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie (GTFCh) besetzte Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Verkehr – in ihrer Empfehlung aus September 2015,
38veröffentlicht in Blutalkohol 52 (2015), 322 f.,
39konkret in Bezug auf die Feststellung des Trennvermögens von Cannabiskonsum und Fahren i.S.d. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgeführt hat:
40„Die Grenzwertkommission empfiehlt (…) bei Feststellung einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu verneinen.“
41Nach Einholung des vom Vorsitzenden der Grenzwertkommission in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachtens geht das Gericht weiterhin vom Risikogrenzwert von 1 ng THC/ml Blutserum aus.
42Im Hinblick auf den oben dargelegten rechtlichen Maßstab, ist eine Erhöhung des Risikogrenzwertes nicht erforderlich. Der Empfehlung der Grenzwertkommission ist nicht die wissenschaftlich gesicherte Aussage zu entnehmen, dass es unterhalb des Grenzwertes von 3 ng THC/ml Blutserum nicht zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung verkehrssicherheitsrelevanter Fähigkeiten kommen kann.
43Bezüglich der neuen Empfehlung der Grenzwertkommission hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: Sie beruhe nicht auf grundlegenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihr lägen aber neue wissenschaftliche Auswertungen zugrunde.
44Anlass für die Empfehlung sei vielmehr das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – gewesen. Man habe sich aus wissenschaftlicher Sicht zu zwei (vgl. im Folgenden a) und b)) diesem Urteil zugrunde liegenden Annahmen äußern wollen.
45a) Zum einen sei es um eine Korrektur der Lesart der sog. Maastricht-I-Studie gegangen.
46Der Sachverständige hat dazu ausgeführt:
47„Aufgrund der sog. Maastricht-Studie kann bei dem Wert von 2,0 ng THC/ml Blutserum gesagt werden, dass es bei bestimmten verkehrsrelevanten Parametern zu einer signifikanten Verschlechterung der Leistung kommt. Andere Studien sind zu anderen, insbesondere höheren Werten gekommen. Auch bei gemessenen Werten von unter 2 ng THC/ml Blutserum ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit kommt. Die Empfehlung der Grenzwertkommission sollte insofern mit der Nennung des Wertes von 2 ng THC/ml Blutserum als Wert für die früheste Wirkung lediglich die Lesart der sog. Maastricht-Studie durch das Bundesverwaltungsgericht korrigieren.“
48Zu dieser Studie hat er erläutert:
49„Es kann bei einem THC-Wert unterhalb von 2,0 ng THC/ml Blutserum nicht festgestellt werden, ob durch diese Einwirkung das Leistungsverhalten des Betroffenen sich verschlechtert hat. Dies beruht auf dem Umstand, dass auch ein Placebokonsument Fehler in einem Umfang machen kann, der sich von der Fehlerrate eines Konsumenten von THC, dessen Konzentration unterhalb von 2 ng THC/ml Blutserum liegt, nicht unterscheidet.“
50Vor diesem Hintergrund liegt der maßgebliche Aussagegehalt der Passage
51„Eine Leistungseinbuße ließ sich in experimentellen Studien frühestens ab 2 ng THC/ml Serum nachweisen …“
52in der Empfehlung der Grenzwertkommission darin, dass unterhalb dieses Wertes aufgrund der sog. Maastricht-I-Studie Leistungseinbußen nach naturwissenschaft-lichen Standards nicht nachgewiesen sind.
53Dies deckt sich mit den Zusammenfassungen der Ergebnisse der Studie selbst durch die beteiligten Wissenschaftler:
54„Bei Werten von 5-30 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen der Probanden in allen Tests feststellbar. Im Bereich von 2-5 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen nur noch im feinmotorischen Test (CCT) messbar. Zwischen 1‑2 ng/ml waren Beeinträchtigungen im feinmotorischen Bereich auch hier nicht mehr signifikant. (…) Beim CCT war unter 2 ng/ml lediglich noch eine nicht signifikante Tendenz zu einer Beeinträchtigung zu erkennen. Unter 1 ng/ml ließen sich keine Unterschiede in der Leistung zwischen THC-Konsum und Placebo feststellen.“
55Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, in: Blutalkohol 43 (2006), 361, 368; sowie Möller, in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, B. II. 4. g) aa) Rn. 142.
56Demnach ist bei unter 2 ng THC/ml Blutserum eine Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen.
57Es ist jedenfalls wissenschaftlich umstritten, ab welchem Grenzwert von einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Dies beruht insbesondere darauf, dass gesicherte Erfahrungswerte zu Dosis-Blutkonzentrations-Wirkungsbeziehungen für Drogen – insbesondere THC – durch die medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung derzeit nicht bereitgestellt werden können. So ist es trotz mehrfacher Forschungsaufträge bislang nicht gelungen, aus wissenschaftlicher Sicht einen Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit festzulegen. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass eben die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schon oberhalb eines Grenzwertes von 1 ng THC/ml im Blutserum nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
58Vgl. dazu Möller, in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, C. III. 4. b) Rn. 32 und 59 („auch Wirkgrenzen nach unten nicht sicher definierbar“)¸ sowie allgemeiner Maatz, Fahrtüchtigkeit nach Drogenkonsum, Blutalkohol 43 (2006), 451 ff.; vgl. auch die umfassenden Ausführungen in VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3274/11 –, juris Rn. 41, 47 ff.
59In Auswertung der sog. Maastricht-I-Studie stellt beispielsweise Möller zu dem Vorschlag, gesetzlich in § 24a Abs. 1 StVG einen Grenzwert für ordnungswidriges Handeln bei 5 ng/ml festzuschreiben, fest:
60„Hierbei wurde nicht berücksichtigt, dass bei Gelegenheitskonsumenten durchaus die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Wirkungen bei THC-Konzentrationen auftreten können, die im Bereich von 1‑2 ng/ml liegen und im Bereich von 2‑5 ng/ml signifikant sind. Ein unterer Grenzwert sollte daher in jedem Fall bei 1 ng/ml liegen.“
61Möller, in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, B. II. 4. g) dd) Rn. 158a.
62In dieselbe Richtung geht die Äußerung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung:
63„Wie auch bereits bei meinen Ausführungen zum Beschluss der Grenzwertkommission zu § 24a StVG dargelegt, ist unter Umständen auch bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum eine cannabisbedingte verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbuße nicht ausgeschlossen.“
64b) Die zweite zentrale Aussage der Empfehlung der Grenzwertkommission ist nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei einem Wert von 1 ng THC/ml Blutserum nicht zwingend darauf geschlossen werden könne, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden erfolgt sei. Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt:
65„Bezüglich des Sachverhalts, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3/13 zugrunde lag, ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Konsumenten, der angibt, vor 24 Stunden letztmalig konsumiert zu haben, und bei dem die Blutuntersuchung ergibt, dass noch THC im Blut von über 1 ng/ml vorhanden ist, nicht zwingend die Schlussfolgerung erlaubt, dass es einen weiteren Konsumakt zwischen dem zugestandenen Konsum und der Abnahme der Blutprobe gegeben haben muss. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wie hoch konzentriert/dosiert der einen Tag zuvor aufgenommene Wirkstoff war.“
66Erläuternd hat der Sachverständige hierzu erklärt, dass aufgrund der Halbwertzeiten, die im Laufe des Abbauprozesses stetig höher würden und am Ende auf bis zu 24 Stunden ansteigen könnten, zwar 2 ng THC/ml Blutserum relativ schnell unterschritten würden, gerade im Bereich von 1 ng THC/ml Blutserum die Kurve aber sehr lang quasi parallel zu diesem Wert verlaufen könnte. Das Zeitfenster sei dementsprechend nicht so eng zu setzen. Selbst bei einem „normalen Joint“ müssten 24 Stunden angesetzt werden, um sicher zu sein, dass der Wert wieder unter 1 ng THC/ml Blutserum liege.
67Die zweite maßgebliche Aussage der Empfehlung der Grenzwertkommission betrifft nach diesen Ausführungen also die Frage, aus welchem THC-Wert – jedenfalls beim gelegentlichen Konsumenten – auf einen zeitnahen Cannabiskonsum geschlossen werden kann. Darauf aufbauend hat die Grenzwertkommission dann den Grenzwert von 3 ng THC/ml Blutserum vorgeschlagen, bei dessen Vorliegen auf mangelndes Trennungsvermögen im Sinne der Nichteinhaltung ausreichender Wartezeiten geschlossen werden könne.
68Dieses auf die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt abstellende Verständnis von Trennvermögen hat sie auch im zweiten Satz des ersten Absatzes ihrer Empfehlung vorangestellt. Dort heißt es:
69„Als Voraussetzung für die Fahreignung gelegentlicher Cannabiskonsumenten wird die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt gefordert (Trennungsvermögen, vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV).“
70Dazu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt:
71„Wenn das Trennvermögen so definiert wird, dass ein solches nicht vorliegt, wenn nach 4 bis 6 Std. Abstinenz ein bestimmter Grenzwert immer noch nicht unterschritten ist, so müsste dieser auf 3 ng THC/ml Blutserum festgesetzt werden. Dies entspricht der Empfehlung der Grenzwertkommission.“
72„Die Grenzwertkommission ist nicht dazu berufen, den Begriff des Trennens zu definieren. Wir haben in unserer Empfehlung das Verständnis vom Trennungsvermögen aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3/13 herausgelesen. Unter Zugrundlegung dieses Verständnisses haben wir dann unsere Empfehlung herausgegeben. Bei einer anderen Definition könnte es beim Wert von 1 ng THC/ml Blutserum verbleiben.“
73Und weiter:
74„Bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum kann es zu einer Verkehrsbeeinträchtigung kommen. Bezüglich des fehlenden Trennvermögens stellt die Grenzwertkommission hingegen auf 3 ng THC/ml Blutserum ab. Läge ein Trennen von Konsum und Fahren dann noch vor, wenn der Fahrer damit rechnen muss bzw. kann, dass noch wirkaktives THC in seinem Körper ist, dann würde derselbe Grenzwert wie der, der für § 24a StVG von der Grenzwertkommission festgelegt wurde, gelten.“
75Daraus folgt für die juristische Bewertung einerseits, dass in Fällen, bei denen lediglich ein gelegentlicher Konsum vorliegt und eine Konzentration von 3 ng THC/ml Blutserum oder mehr gemessen wird, vom Fahren unter einer akuten Rausch-wirkung, in der Leistungseinbußen wissenschaftlich unbestritten sind, ausgegangen werden kann. Zugleich wird in diesen Fällen auch von einer subjektiv vorwerfbar kurzen Wartezeit zwischen Konsum und Fahrantritt auszugehen sein, sodass diese Fälle schon nach dem alltäglichen Wortverständnis unschwer unter den Begriff des mangelnden Trennens gefasst werden können.
76Exemplarisch hat der Sachverständige insofern auf Nachfrage folgende Bewertung getroffen:
77„Wer im Straßenverkehr angetroffen wird und während der Verkehrsteilnahme, auch wenn dies nur einmalig ist, an einer Haschzigarette zieht, kann zwischen dem Fahren und dem Konsum nicht trennen.“
78Mit der rein zeitlichen Betrachtung knüpft die Empfehlung der Grenzwertkommission aber an einen sehr engen Begriff des mangelnden Trennvermögens an und schließt – wie der Sachverständige selbst konstatiert – andererseits nicht aus, dass aus juristischer Sicht auch andere Fallgestaltungen als Ausprägung des Tatbestandes des mangelnden Trennvermögens gefasst werden.
79Nur vor diesem Hintergrund erschließt sich auch der letzte Satz der Empfehlung der Grenzwertkommission, in der es heißt:
80„Eine Neubewertung des analytischen Grenzwertes von THC (1 ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24a Absatz 2 StVG ist nicht veranlasst.“
81Bei dem in diesem Beschluss festgesetzten Grenzwert handelt es sich zwar in erster Linie um einen analytischen Grenzwert. Er wurde aber empfohlen, „um den Nachweis der Substanz nicht völlig von der zunächst vom Gesetzgeber implizierten Wirkung zu lösen“.
82Möller, in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, C. III. 4. b) Rn. 59.
83So lässt sich auch erklären, dass der entsprechende Wert von 1 ng THC/ml Blutserum aus dem Beschluss aus dem Jahr 2002 durch die Grenzwertkommission in ihrer Empfehlung im Jahr 2007 auch in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das diesem Wert eine Aussage zur Wirkgrenze entnahm,
84BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 29,
85unverändert übernommen wurde.
86Dementsprechend hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zu dem durch die Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG festgelegten Grenzwert ausgeführt:
87„Bei 1 ng THC/ml Blutserum handelt es ich um einen rein analytischen Wert. Die Analysemethoden könnten so verfeinert werden, dass auch ein niedrigerer Wert ermittelt werden könnte. Dies würde aber im Hinblick auf die Fragestellung keinen weiteren Sinn ergeben. Bei dem Wert von 1 ng/ml handelt es sich um eine Wirkgrenze in Bezug auf § 24a StVG. Der Wert von 1 ng/ml ist insoweit zu verstehen, dass bei dieser Menge die Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht, wie sie das Bundesverfassungsgericht zur verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes für erforderlich hält.“
88Eben diese Möglichkeit einer Beeinträchtigung ist aber in rechtlicher Hinsicht wie oben dargelegt auch für die Frage des Trennens von Cannabiskonsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV maßgeblich. Der gelegentlich Cannabis konsumierende Autofahrer kann nach alledem nicht zwischen Konsum und Fahren hinreichend trennen, wenn er ein Kraftfahrzeug mit einer THC-Konzentration oberhalb eines Wertes von 1 ng/ml im Blutserum führt.
89So in Kenntnis der Empfehlung der Grenzwertkommission bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2015 – 14 L 3652/15 – und VG Münster, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 10 L 1391/15 –.
90Dies gilt selbst dann, wenn zwischen dem Konsum und der Fahrt bereits mehrere Stunden liegen, die die Annahme nahelegen könnten, dass die Wirkungsdauer des Konsumierten nicht mehr fortbesteht.
91Vgl. bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Mai 2010 – 9 K 3406/09 –, juris Rn. 70.
92Denn nicht ein bestimmter Zeitablauf zwischen Konsum und Fahren ist aus juristischer Sicht für das mangelnde Trennungsvermögen maßgeblich, sondern vielmehr – wie dargelegt – das Vorhandensein einer die Möglichkeit der verkehrs-relevanten Leistungseinbuße begründenden THC-Konzentration im Blutserum zum Zeitpunkt des Fahrens.
93Eine Erhöhung des Wertes ist auch im Hinblick auf die ebenfalls in der Empfehlung der Grenzwertkommission thematisierte Erforderlichkeit eines Sicherheitszuschlages nicht geboten. Begründet wird dieser mit den bei der konkreten Ermittlung des THC-Wertes einer einzelnen Blutprobe bestehenden Messwertschwankungen.
94Die entsprechende Passage in der Empfehlung lautet:
95„In empirischen Studien ist eine rechnerische Korrektur der Werte nicht erforderlich, da sich die Unsicherheiten der Einzelmessungen bei einer Gesamtbetrachtung der Daten herausmitteln. Um dagegen bei einer konkreten Einzelmessung eine Benachteiligung zu vermeiden, wäre eine Messwertschwankung von maximal 30% zu berücksichtigen. Ein nach Studienlage bestimmter Grenzwert müsste daher mit einem entsprechenden Sicherheitszuschlag belegt werden (Beispiel: nimmt man den obigen Wert von 2,0 ng THC/ml Blutserum an, so ergäbe sich rein rechnerisch eine Entscheidungsgrenze von 2,86 ng THC/ml Blutserum).“
96Der Sachverständige hat dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt:
97„Der Sicherheitszuschlag von 30 % wird empfohlen, weil eine individuelle Blutprobe, in einem einzigen Labor untersucht, mit einer Messungenauigkeit von 30 % versehen ist. Dies führt dazu, dass erst ab einer gemessenen Konzentration von 2,86 ng/ml mit Sicherheit gesagt werden kann, dass derjenige, dem die Blutprobe entnommen wurde, eine Konzentration von mindestens 2,0 ng THC/ml Blutserum hatte.“
98Eine Alternative wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen, die individuellen Messunsicherheiten des jeweiligen Labors abzuziehen.
99Insofern handelt es sich bei der Frage, zu wessen Lasten entsprechende – auch bei lege artis nach den Regeln der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie ermittelten Messwerten unvermeidbare – Messunsicherheiten gehen müssen, nicht um eine naturwissenschaftliche, sondern um eine wertende, originär juristische Fragestellung, die aufgrund des Normzwecks der jeweiligen Vorschrift zu beantworten ist.
100Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – ausgeführt:
101„Bei der Frage, ob solche Messungenauigkeiten einen „Sicherheitsabschlag“ erforderlich machen, handelt es sich nicht anders als bei der Bestimmung des Gefährdungsmaßstabes um eine Frage der Risikozurechnung. Es geht darum, ob die verbleibende Ungewissheit, dass der „wahre“ THC Wert nicht an der unteren sondern ebenso an der oberen Grenze dieser Schwankungsbreite liegen kann, von dem Cannabiskonsumenten, der sich nach dem Rauschmittelkonsum an das Steuer eines Kraftfahrzeugs selbst, oder aber von den anderen Verkehrsteilnehmern zu tragen ist. Da der Cannabiskonsument den Gefährdungstatbestand schafft, liegt es auf der Hand, dass die verbleibende Unsicherheit zu seinen Lasten gehen muss. Angesichts der Zielrichtung des Fahrerlaubnisrechts, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten und Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer soweit wie möglich auszuschließen, liegt in dieser Risikozuordnung eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Rechte.
102Unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass die bei der Untersuchung von Blutproben nicht zu vermeidenden Messungenauigkeiten bereits bei der Festsetzung der analytischen Grenzwerte berücksichtigt worden sind, die die Grenzwertkommission in Bezug auf die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Liste der berauschenden Mittel und Substanzen vorgenommen hat. Im Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Grenzwerte einen Sicherheitszuschlag enthalten (Blutalk 2007, 311).
103Verbleibende Schwankungsbreiten selbst bei lege artis erfolgenden THC-Messungen müssen auch nicht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu Gunsten des Betroffenen gehen und deshalb zu einem Sicherheitsabschlag führen. Dieser für eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung geltende Grundsatz kommt im Gefahrenabwehrrecht, dem die Fahrerlaubnis-Verordnung zuzurechnen ist, schon wegen dessen anderer Zielrichtung nicht zur Anwendung. Selbst für die strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Fahrten unter Cannabiseinfluss geht die Rechtsprechung im Übrigen davon aus, dass der gemessene THC-Wert nicht um einen Sicherheitsabschlag zu verringern ist (…).“
104Diesen Ausführungen, die in Übereinstimmung mit der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen stehen,
105vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 61 ff. m.w.N.,
106schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.
107Hinzu kommt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme – und erst Recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme – eine deutliche Verringerung der THC-Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis im jeweiligen Einzelfall nicht konkret berechnet werden kann, steht doch außer Frage, dass er stattfindet und sich zugunsten des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers auswirkt. Soweit sich die Messungenauigkeiten zu Lasten des Betroffenen auswirken, wird dies durch diesen Umstand jedenfalls in gewissem Umfang wieder relativiert.
108Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 67.“
109Dieser Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an.
110Nach alledem hat der Antragsteller durch seine Fahrt unter Cannabiseinfluss am 30. September 2015 belegt, dass er nach dem vorgenannten Maßstab nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann. Dass der Antragsteller unter der Wirkung von Cannabis ein Fahrzeug geführt hat, folgt aus dem Befundbericht des Labors L1. vom 9. Oktober 2015, aus dem sich eine THC-Konzentration von 1,9 µg/l (= ng/ml) ergibt.
111Bei feststehender Ungeeignetheit steht dem Antragsgegner kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung.
112Zudem ergibt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers daran, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, hinter dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung zurückstehen muss. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller sind vergleichsweise gering. Ihnen steht das öffentliche Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern gegenüber, das eindeutig überwiegt.
113Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, den insoweit erforderlichen Nachweis, dass er nunmehr zwischen Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann, in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV).
114Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes ‑ GKG ‑. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Erteilung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen, nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.
116Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 ‑ 16 E 550/09 ‑ juris.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Feb. 2016 - 7 L 30/16
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Feb. 2016 - 7 L 30/16 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.
(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. November 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1986 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis unter anderem der Klassen A und B. Am 19. Juli 2011 führte er gegen 13.15 Uhr in T. ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss. Das Gutachten des Universitätsklinikums C. ‑ Institut für Rechtsmedizin ‑ vom 19. August 2011 über die Untersuchung einer dem Kläger entnommenen Blutprobe ergab einen Wert des Cannabiswirkstoffs THC von 1,3 ng/ml sowie eine Konzentrationen des THC-Metaboliten THC‑COOH von 41,1 ng/ml. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen löste dieser Vorfall für sich genommen ‑ soweit bekannt ‑ nicht aus.
3Am 19. März 2013 geriet der Kläger gegen 16.50 Uhr in O. /Kreis T. -X. als Führer eines Personenkraftwagens in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Blutprobe ergab nach dem ärztlichen Befundbericht des Labors L. vom 28. März 2013 für THC einen Wert von 1,1 ng/ml sowie für THC‑COOH einen Wert von 14 ng/ml. Zusammenfassend kommt der Befundbericht zu dem Schluss, das Auffinden von THC und seinen Metaboliten beweise eine kürzliche Cannabiseinnahme. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe.
4Mit Ordnungsverfügung vom 9. April 2013 entzog der Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 23. April 2013 abzugeben. Zur Begründung führte er an, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gerechtfertigt. Der Kläger habe am 19. Juli 2011 und am 19. März 2013 jeweils unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Die in den nachfolgenden chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe. Damit sei bewiesen, dass er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren nicht trennen könne. Aufgrund der wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss sei zudem erwiesen, dass zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege.
5Am 8. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit dem Vorfall seien bei ihm abgesehen von mittelweit geöffneten Pupillen keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Das Ergebnis der nachfolgenden Blutprobe habe ihn dann sehr überrascht; er könne sich diesen Wert nicht erklären. Es stelle sich die Frage, ob der festgestellte Wert von 1,1 ng/ml THC überhaupt den Tatbestand des Cannabiskonsums erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige nicht jede nachgewiesene Menge eines berauschenden Mittels behördliches Einschreiten. Vielmehr müsse eine Konzen-tration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lasse, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gewesen sei. Einen bestimmten Grenzwert habe das Bundesverfassungsgericht nicht eingeführt. Es habe lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaube, der Betroffene habe bei der Verkehrsteilnahme unter einer tatbestandlich relevanten Rauschmittelwirkung gestanden. Dafür müssten aber konkrete Angaben und Hinweise vorliegen, an denen es hier fehle; denn bei der Verkehrskontrolle im März 2013 hätten die beteiligten Polizeibeamten keine Auffälligkeiten festgestellt, die für einen relevanten Cannabiseinfluss sprächen. Im Hinblick auf das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei entscheidend, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss einer solchen THC‑Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit signifikant erhöhe. Der derzeitige naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertige es nicht, bereits ab einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer solchen Risikoerhöhung auszugehen; vielmehr sei bei gelegentlichem Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme mit einem THC‑Wert zwischen 1 und 2 ng/ml vor einer etwaigen Fahrerlaubnisentziehung ein Gutachten einzuholen. Daran fehle es hier. Ferner stelle sich die Frage einer Messungenauigkeit. Da er, der Kläger, sich das Erreichen eines THC‑Wertes von 1,1 ng/ml nicht erklären könne, müsse der vom Labor L. ermittelte Befund diesbezüglich untersucht werden, zumal der festgestellte Wert den vom Beklagten zugrundegelegten Grenzwert nur geringfügig überschreite. Gehe man, wie in der Literatur diskutiert, von einer Messwerttoleranz von 30 bis 40% aus, sei im günstigsten Fall von einer THC‑Konzentration von nur 0,66 ng/ml und damit weit unter dem Grenzwert auszugehen. Er habe auch weder erkennen können noch erkennen müssen, dass er bei seiner Fahrt vom 19. März 2013 unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe. Schließlich sei er aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Aufgaben innerhalb des von seinem Vater und ihm geführten Handwerksbetrieb erfüllen zu können.
6Der Kläger, dessen zugleich mit der Klage gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben ist, hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen,
10und vorgetragen: Entscheidend sei, dass der Kläger in zwei Fällen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und dabei jeweils den maßgeblichen Grenzwert überschritten habe. Die zugrundeliegenden rechtsmedizinischen Gutachten seien in sich logisch, frei von Widersprüchen und beruhten auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es stehe mithin fest, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen und seinen Cannabiskonsum nicht kontrollieren könne.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf seine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewiesen.
12Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Das rechtsmedizinische Gutachten des Labors L. über die Untersuchung der Blutprobe aus dem Jahr 2013 lasse nicht erkennen, ob eine Messtoleranz berücksichtigt worden sei. Die Frage der Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages sei weder vom Bundesverfassungsgericht noch von der sog. Grenzwertkommission entschieden worden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehe bisher davon aus, der von der Grenzwertkommission im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG empfohlene "analytische Grenzwert" von 1,0 ng/ml enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aber noch aus. Wegen der gravierenden Folgen von Fahrerlaubnisentziehungen müsse zumindest gefordert werden, dass die mit der Blutuntersuchung beauftragten Labore verpflichtet würden, die Streubreite ihrer jeweiligen Messergebnisse offenzulegen. Zudem sei bei einer THC‑Konzentration von lediglich 1,1 ng/ml nicht von einem signifikant erhöhten Gefährdungsgrad für den Straßenverkehr auszugehen. Weiter erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Gefährdung des Familienbetriebes als unverhältnismäßig. Den Anforderungen der Sicherheit des Straßenverkehrs wäre schon dann ausreichend Rechnung getragen, wenn ihm, dem Kläger, die Gelegenheit eingeräumt würde, im Wege einer laufenden Abstinenzkontrolle durch eine anerkannteBegutachtungsstelle seine aktuelle Fahreignung nachzuweisen. Schließlich hat der Kläger noch ein vom AG T. im diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten-verfahren eingeholtes rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Q. vom 8. Juni 2014 vorgelegt, das unter anderem die Frage eines Cannabiskonsums des Klägers am 19. März 2013 und die Frage einer Messungenauigkeit betrifft. Auf die einzelnen gutachterlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
13Der Kläger beantragt,
14den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die Gerichtsakte 6 L 278/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
21Der Bescheid ist nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Umstand, dass möglicherweise das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss vom 19. März 2013 noch nicht abgeschlossen ist, steht der eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Klägers durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten und auch dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 nicht entgegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines noch anhängigen Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht kommt, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf, ist vorliegend nicht entsprechend anwendbar. Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung auch auf ein noch anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren scheidet aus, weil in diesem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB oder nach einer anderen Bestimmung nicht in Betracht kommt. Außerdem spricht die systematische Gegenüberstellung der genannten Bestimmung mit § 3 Abs. 4 StVG gegen die Anwendung des Berücksichtigungsverbotes des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfah-rens. Denn das Abweichungsverbot nach § 3 Abs. 4 StVG bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Feststellungen aus einem (abgeschlossenen) Strafverfahren, sondern auch auf Feststellungen in Bußgeldentscheidungen, soweit diese den zugrundegelegten Sachverhalt und die Beurteilung der Schuldfrage betreffen. Wenn demnach § 3 Abs. 4 StVG für seinen Anwendungsbereich das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich gleichstellt, während § 3 Abs. 3 StVG eine solche Gleichstellung nicht vorsieht, muss von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht im Wege der Analogie korrigiert werden kann.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ 16 E 726/12 ‑; Bay. VGH, Beschluss vom 7. September 2007 ‑ 11 CS 07.898, 11 C 07.1371 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 84 = juris, Rn. 18; OVG S.‑A., Beschluss vom 13. April 2012 ‑ 3 M 47/12 ‑, Blutalkohol 49 (2012), 327 = juris, Rn. 3 f.; a.A. Fromm/Schmidt, NZV 2007, 217, 219.
23Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch bedacht haben, dass unter bestimmten Umständen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann (vgl. die §§ 41 f. OWiG) und dass die Gefahr divergierender Entscheidungen in den jeweils noch laufenden Verfahren auch im Verhältnis zwischen Bußgeldstelle und Fahrerlaubnisbehörde bestehen kann.
24Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Es handelt sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 Abs. 3 FeV und den §§ 11 bis 14 FeV i. V. m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung.
25Der hier in Rede stehende Konsum von Cannabis wird in Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV behandelt. Der regelmäßige Konsum von Cannabis lässt die Fahreignung in jedem Fall entfallen (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung nicht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Die hier allein interessierende Trennung zwischen Konsum und Fahren betrifft die Frage, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Fahrerlaubnisinhaber bereit bzw. in der Lage ist, zuverlässig diesen Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen auseinanderzuhalten. Sind gelegentlicher Cannabiskonsum und mangelndes Trennen von Konsum und Fahren erwiesen, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Sachverhaltsauf-klärung die Fahrerlaubnis entziehen. Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.
26OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2006 ‑ 16 B 1392/05 ‑, juris, Rn. 2 bis 8, und Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, NJW 2013, 2841 = Blutalkohol 50 (2013), 146 und 196 = NZV 2014, 102 = NWVBl. 2013, 329 = juris, Rn. 22 f.
27Auch charakterliche Mängel können die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
28Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, NJW 2002, 2378 = juris, Rn. 49.
29Im Zusammenhang mit dem Merkmal des Trennens des Cannabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen kann nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichen. Es muss vielmehr eine Konzentration feststellbar sein, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.
30Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NJW 2005, 349 = NZV 2005, 270 = DAR 2005, 70 = Blutalkohol 42 (2005), 156 = juris, Rn. 29.
31Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit ‑ zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt ‑ nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lässt.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 39 und 51.
33Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt nach Auffassung des Senats und anderer Obergerichte bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 ‑ 16 A 2075/11 ‑, juris, Rn. 15, und vom 22. Mai 2012 ‑ 16 B 536/12 ‑, juris, Rn. 5, sowie Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 ‑ 10 S 2519/05 ‑, NJW 2006, 2135 = juris, Rn. 7, und Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, juris, Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 ‑ 1 S 17.09 ‑, NZV 2010, 531 = juris, Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, NJW 2012, 3526 = juris, Rn. 14; Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 ‑ 3 Bs 214/05 ‑, NJW 2006, 1367 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 ‑ 12 ME 287/03 ‑, juris, Rn. 7; Schl.‑H. OVG, Urteil vom 17. Februar 2009 ‑ 4 LB 61/08 ‑, juris, Rn. 36; Thür. OVG, Beschluss vom 6. September 2012 ‑ 2 EO 37/11 ‑, DAR 2012, 719 = juris, Rn. 16; a. A. (mangelnde Trennung erst oberhalb von 2,0 ng/ml THC) Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, Blutalkohol 43 (2006), 414 = juris, Rn. 16, und vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, DAR 2006, 407 = juris, Rn. 45; vgl. auch OVG M.‑V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 ‑ 1 M 142/06 ‑, juris, Rn. 18; Heß/Burmann, NJW 2007, 486, 492.
35In seinem Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑ hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:
36"Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 ‑ aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 ‑, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml im Serum liegt. Eine solche Konzentration kann ‑ einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags ‑ sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.
37Vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 29.
38Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt.
39Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche und somit für die rechtliche Beurteilung entscheidende Hinweise, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC‑Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht. Des Weiteren ist die Unfall‑ und Gefährdungshäufigkeit in der späteren Phase der Cannabiswirkung signifikant höher als im akuten Rauschzustand.
40Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung, Blutalkohol 43 (2006), 441 ff.
41Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem in Bezug genommenen Urteil vom 14. Juni 2010 ‑ 11 K 1059/10 ‑, juris, auf weitere Untersuchungen hingewiesen, die den von der Grenzwertkommission bestimmten Grenzwert bestätigen. So kommt etwa die Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem THC‑Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum in jedem Fall noch von einer möglichen Wirkung auszugehen ist, da auch noch im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach Rauchende bei den Versuchspersonen Störungen der Feinmotorik feststellbar waren.
42Vgl. die Darstellung bei Möller, Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensisch-toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109 ff., und Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff.
43Zudem hat das Verwaltungsgericht auf toxikologische Studien Bezug genommen, die belegen, dass das subjektive Einflussempfinden (High-Gefühl) eines Kraftfahrzeugführers noch vorhanden sein kann und damit verbunden auch relativ deutliche Ausfallerscheinungen auftreten können, obwohl nur noch eine sehr geringe (oder möglicherweise überhaupt keine) THC-Konzentration mehr im Blut nachweisbar ist.
44Vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 517 f.
45Dies erklärt sich damit, dass die THC-Konzentration im Blut nicht zwingend mit der THC-Konzentration im Gehirn korreliert, also nicht die Konzentration am Wirkort widerspiegelt.
46Vgl. Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, a. a. O., S. 446 f.
47Der Annahme, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC (im Blut) sei die Fahrtüchtigkeit möglicherweise eingeschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht nicht entgegengetreten. Auf einen bestimmten Mindestwert hat sich das Bundesverfassungsgericht indes nicht festgelegt, den Mindestwert von einem 1 ng/ml als ausreichenden Nachweis für die Feststellung von hinreichenden Konzentrationen von THC im Blut im Hinblick auf die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit aber auch nicht beanstandet.
48BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O., zu § 24a Abs. 2 StVG.
49Demgegenüber nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mangelnde Trennung erst ab einem THC‑Wert ab 2,0 ng/ml im Blutserum an.
50Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, a. a. O.; vgl. auch Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, a. a. O, und vom 13. Dezember 2010 ‑ 11 CS 10.2873 ‑, juris.
51Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Januar 2006 zahlreiche Gutachten zu der Frage der Fahruntüchtigkeit unter der Wirkung von Cannabis und der Bestimmung eines Grenzwerts ausgewertet, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und ist unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den bestehenden Unsicherheiten nicht gerechtfertigt erscheine, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestünden lediglich Eignungsbedenken (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Um sie zu klären, sei vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, mit dem ermittelt werden könne, ob der Betroffene künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde.
52Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen und toxikologischen Feststellungen geht der Senat von gesicherten Erkenntnissen aus, dass ab dem THC-Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung und damit eine drogenkonsumbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs möglich ist. Hierzu ist insbesondere auf die bereits angeführte Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O.) zu verweisen, die die tatsächlichen Annahmen des Bay. VGH in der Entscheidung vom 25. Januar 2006 eingehend berücksichtigen, ihnen mit Rücksicht auf neuere Untersuchungsergebnisse und mit einleuchtender Begründung aber nicht folgen. Aus diesem Grund liegen nicht nur Eignungsbedenken vor. Es ist daher bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.
53Des Weiteren stimmt der Senat nicht mit dem vom Bay. VGH gewählten Gefahrenmaßstab überein. Es heißt zwar in dem Beschluss vom 25. Januar 2006 (a. a. O., Rn. 17) zunächst, entscheidend sei, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöhe, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. An anderer Stelle setzt der Bay. VGH aber eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ausdrücklich voraus (a. a. O., Rn. 17). Ein solches besonderes Gefahrenerfordernis lässt sich aus den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht entnehmen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen.
54Der Verstoß gegen das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachte Trennungsgebot muss als im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV erwiesen angesehen werden können, um dem Betroffenen die Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entziehen. § 11 Abs. 7 FeV verlangt, dass die mangelnde Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststeht. So liegt es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit, also ab dem Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blutserum, am Straßenverkehr teilnimmt. Damit belegt er, dass er das entsprechende Trennungsvermögen nicht besitzt und deshalb zum Führen eines Fahrzeugs ungeeignet ist. Daraus folgt zugleich, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit als negative Folge des Konsums möglich ist. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist nicht erforderlich. Hierfür spricht schließlich, dass bei der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis Gefahrenabwehrrecht in Rede steht und insoweit eine Parallele zu dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 24a StVG besteht, das der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 als einfachrechtliche Vorschrift zugrundelag. Auch diese Norm hebt auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, nämlich einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ab.
55Ist von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften also bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt.
56Außerdem ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei einer möglichen drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit angesichts einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
57Vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O., juris, Rn. 18.
58Diese Annahme gründet sich auf die Unsicherheit des Dosis-Wirkungs-Effekts von Cannabis. THC ist, wie Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O., S. 446 f.) unter Hinweis auf die Untersuchung von Mura et al. (THC can be detected in brain while absent in blood, 2005, J. Anal. Toxicol. 29, S. 842) ausgeführt haben, eine hoch lipophile, d.h. gut fettlösliche Verbindung. Entsprechend hoch ist ihr Verteilungsfaktor und entsprechend lange dauert es bis zur Einstellung eines Fließgleichgewichts zwischen wasserreichen Kompartimenten wie etwa dem Blutserum und fettreichen Kompartimenten wie dem Gehirn in der Eliminationsphase. Die THC-Konzentration im Blut spiegelt daher die Konzentration am Wirkort nicht wider. Da die gesicherten medizinischen und toxikologischen Erkenntnisse bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit als möglich belegen, liegt eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betroffenen, also auch bei dem Kläger, bei Erreichen des Werts vor. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber aber ungeachtet dieser Gefährdung nicht bereit, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen, lässt dies auf einen charakterlichen Mangel schließen, der seine Nichteignung begründet. Denn der Fahrerlaubnisinhaber nimmt für seine privaten Bedürfnisse nicht hinnehmbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf. Dieses Verhalten genießt indes weder verfassungsrechtlichen noch einfachrechtlichen Schutz."
59An dieser Sichtweise hält der Senat fest. Neuere Erkenntnisse, welche die Sachgerechtigkeit des Abstellens auf einen Grenzwert von 1 ng/ml in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit methodische Zweifel an den Ergebnissen der Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (s.o.) geäußert worden sind, weil diese im Ausgangspunkt wesentlich auf "subjektiven polizeilichen Feststellungen im Raum München zu Verkehrsauffälligkeiten" beruhten,
60vgl. hierzu die Wiedergabe einer entsprechenden gutachterlichen Äußerung in VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, VRS 124 (2013), 168 = juris, Rn. 53,
61vermag der Senat nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, warum die Einschätzungen von Polizeibeamten, die in der Regel über vielfältige Erfahrungen mit Verkehrsteilnehmern unter dem Einfluss von Rauschmitteln (einschließlich Alkohol) verfügen, von vornherein unergiebig sein sollten, zumal das Erkennen drogenbedingter Auffälligkeiten im Straßenverkehr seit längerer Zeit einen Schwerpunkt der Fortbildung für Polizeibeamte bildet.
62Vgl. Bönke, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NZV 2005, 272; ders., Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 8; Möller, Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 16.
63Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Zugrundelegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum für die Annahme mangelnden Trennens i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auch kein Sicherheitsabschlag zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten bei der rechtsmedizinischen Feststellung des THC‑Gehaltes vorzunehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine ‑ wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende ‑ Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1‑ng/ml‑THC‑Grenze bereits berücksichtigt worden ist,
64vgl. die Empfehlung der Grenzwertkommission zur Änderung der Anlage zu § 24a StVG, Blutalkohol 44 (2007), 311; s. auch Wehowsky, Blutalkohol 43 (2006), 125, 130,
65und nicht (nochmals) durch Abschläge berücksichtigt werden muss. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG,
66vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 ‑ 3 Ss 205/06 ‑, NZV 2007, 248 = VRS 112 (2007), 130 = Blutalkohol 44 (2007), 101 = juris, Rn. 4 f. und Brandenb. OLG, Beschluss vom 30. März 2007 ‑ 1 Ss (OWi) 291B/06 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 135 = juris, Rn. 11 und 13, jeweils m. w. N.,
67und auch der ‑ soweit ersichtlich ‑ einhelligen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die indessen weit überwiegend diese Frage nicht eigens thematisiert, aber im Ergebnis die ermittelten Werte ohne Abschläge zugrundelegt.
68Ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages ablehnend VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 15); VG München, Urteil vom 17. Mai 2011 ‑ M 1 K 11.1120 ‑, juris, Rn. 21.
69Ob diese Praxis bereits mit dem Hinweis gerechtfertigt werden kann, der "wahre" Wert bei der Annahme oder dem Fürmöglichhalten einer Schwankungsbreite des Messergebnisses könne statistisch mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit an der untersten oder an der obersten Grenze des Schwankungsbereichs liegen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn es ‑ anders als nach den Empfehlungen der Grenzwertkommission und der dargestellten Rechtsprechung ‑ auf den zweifelsfreien Nachweis gerade einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr und nicht auf den abweichend definierten Eintritt einer abstrakten Straßenverkehrsgefährdung durch gesichert feststehende Drogenbeeinflussung ankäme, könnte die Sanktionierung von demnach "falsch positiven" Messbefunden schwerlich mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass in anders gelagerten Fällen, das heißt bei "falsch negativen" Befunden, auf die an sich erforderliche Sanktionierung verzichtet werden müsse, also möglicherweise rechtswidrigen Belastungen auch Fälle rechtswidriger Besserstellung gegenüberständen. Schwerer wiegt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme ‑ und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme ‑ eine deutliche Verringerung der THC‑Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis "polyphasisch" erfolgt und daher schwieriger als etwa beim Alkohol berechnet werden kann,
70vgl. Zwerger, Blutalkohol 43 (2006), 105, 110; Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441, 446 f.,
71steht doch außer Frage, dass THC verhältnismäßig schnell verstoffwechselt und jedenfalls bei einmalig und desgleichen wohl auch bei eher sporadisch konsumierenden Personen nach inhalativem Konsum selbst hoher Dosen zumindest überwiegend innerhalb von vier bis sechs Stunden auf Werte unterhalb von 1,0 ng/ml sinkt.
72Vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schnei-der/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 43 (2006), 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. (2010), § 3 Rn. 109 ff.; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 25.
73Im Übrigen dürfte es nicht oder allenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, im Einzelfall den "wahren" Wert der THC‑Konzentration zu ermitteln. Berücksichtigt man weiter, dass sich der jeweils Betroffene zu einem Zeitpunkt ans Steuer gesetzt hat, zu dem jedenfalls er selbst nicht das Ausmaß eines fortbestehenden THC‑Einflusses und einer darauf beruhenden Straßenverkehrsgefährdung abschätzen konnte, erscheint es hinnehmbar, ihm das Risiko zuzumuten, zugunsten der Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer und mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates auf deren höchstrangige Rechtsgüter die Unsicherheit hinzunehmen, die auf der (zumindest weitgehend) unvermeidlichen Schwankungsbreite der THC‑Messergebnisse beruht.
74Vgl. VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 38 f.).
75Dass der Kläger gelegentlich Cannabis konsumiert, folgt schon daraus, dass er bereits 2011 unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr angetroffen worden ist. Abgesehen davon fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers, das einen zumindest gelegentlichen Konsum in Frage stellen könnte.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 sowie 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
78Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit oder der Verkehrssicherheit bei gelegentlichem Konsum von Cannabis maßgeblich ist und ‑ hieraus folgend ‑ ab welcher THC‑Konzentration im Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungserfordernis nach Nr.9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt und für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. März 2010 - 1 K 1587/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. November 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1986 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis unter anderem der Klassen A und B. Am 19. Juli 2011 führte er gegen 13.15 Uhr in T. ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss. Das Gutachten des Universitätsklinikums C. ‑ Institut für Rechtsmedizin ‑ vom 19. August 2011 über die Untersuchung einer dem Kläger entnommenen Blutprobe ergab einen Wert des Cannabiswirkstoffs THC von 1,3 ng/ml sowie eine Konzentrationen des THC-Metaboliten THC‑COOH von 41,1 ng/ml. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen löste dieser Vorfall für sich genommen ‑ soweit bekannt ‑ nicht aus.
3Am 19. März 2013 geriet der Kläger gegen 16.50 Uhr in O. /Kreis T. -X. als Führer eines Personenkraftwagens in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Blutprobe ergab nach dem ärztlichen Befundbericht des Labors L. vom 28. März 2013 für THC einen Wert von 1,1 ng/ml sowie für THC‑COOH einen Wert von 14 ng/ml. Zusammenfassend kommt der Befundbericht zu dem Schluss, das Auffinden von THC und seinen Metaboliten beweise eine kürzliche Cannabiseinnahme. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe.
4Mit Ordnungsverfügung vom 9. April 2013 entzog der Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 23. April 2013 abzugeben. Zur Begründung führte er an, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gerechtfertigt. Der Kläger habe am 19. Juli 2011 und am 19. März 2013 jeweils unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Die in den nachfolgenden chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe. Damit sei bewiesen, dass er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren nicht trennen könne. Aufgrund der wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss sei zudem erwiesen, dass zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege.
5Am 8. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit dem Vorfall seien bei ihm abgesehen von mittelweit geöffneten Pupillen keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Das Ergebnis der nachfolgenden Blutprobe habe ihn dann sehr überrascht; er könne sich diesen Wert nicht erklären. Es stelle sich die Frage, ob der festgestellte Wert von 1,1 ng/ml THC überhaupt den Tatbestand des Cannabiskonsums erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige nicht jede nachgewiesene Menge eines berauschenden Mittels behördliches Einschreiten. Vielmehr müsse eine Konzen-tration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lasse, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gewesen sei. Einen bestimmten Grenzwert habe das Bundesverfassungsgericht nicht eingeführt. Es habe lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaube, der Betroffene habe bei der Verkehrsteilnahme unter einer tatbestandlich relevanten Rauschmittelwirkung gestanden. Dafür müssten aber konkrete Angaben und Hinweise vorliegen, an denen es hier fehle; denn bei der Verkehrskontrolle im März 2013 hätten die beteiligten Polizeibeamten keine Auffälligkeiten festgestellt, die für einen relevanten Cannabiseinfluss sprächen. Im Hinblick auf das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei entscheidend, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss einer solchen THC‑Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit signifikant erhöhe. Der derzeitige naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertige es nicht, bereits ab einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer solchen Risikoerhöhung auszugehen; vielmehr sei bei gelegentlichem Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme mit einem THC‑Wert zwischen 1 und 2 ng/ml vor einer etwaigen Fahrerlaubnisentziehung ein Gutachten einzuholen. Daran fehle es hier. Ferner stelle sich die Frage einer Messungenauigkeit. Da er, der Kläger, sich das Erreichen eines THC‑Wertes von 1,1 ng/ml nicht erklären könne, müsse der vom Labor L. ermittelte Befund diesbezüglich untersucht werden, zumal der festgestellte Wert den vom Beklagten zugrundegelegten Grenzwert nur geringfügig überschreite. Gehe man, wie in der Literatur diskutiert, von einer Messwerttoleranz von 30 bis 40% aus, sei im günstigsten Fall von einer THC‑Konzentration von nur 0,66 ng/ml und damit weit unter dem Grenzwert auszugehen. Er habe auch weder erkennen können noch erkennen müssen, dass er bei seiner Fahrt vom 19. März 2013 unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe. Schließlich sei er aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Aufgaben innerhalb des von seinem Vater und ihm geführten Handwerksbetrieb erfüllen zu können.
6Der Kläger, dessen zugleich mit der Klage gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben ist, hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen,
10und vorgetragen: Entscheidend sei, dass der Kläger in zwei Fällen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und dabei jeweils den maßgeblichen Grenzwert überschritten habe. Die zugrundeliegenden rechtsmedizinischen Gutachten seien in sich logisch, frei von Widersprüchen und beruhten auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es stehe mithin fest, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen und seinen Cannabiskonsum nicht kontrollieren könne.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf seine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewiesen.
12Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Das rechtsmedizinische Gutachten des Labors L. über die Untersuchung der Blutprobe aus dem Jahr 2013 lasse nicht erkennen, ob eine Messtoleranz berücksichtigt worden sei. Die Frage der Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages sei weder vom Bundesverfassungsgericht noch von der sog. Grenzwertkommission entschieden worden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehe bisher davon aus, der von der Grenzwertkommission im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG empfohlene "analytische Grenzwert" von 1,0 ng/ml enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aber noch aus. Wegen der gravierenden Folgen von Fahrerlaubnisentziehungen müsse zumindest gefordert werden, dass die mit der Blutuntersuchung beauftragten Labore verpflichtet würden, die Streubreite ihrer jeweiligen Messergebnisse offenzulegen. Zudem sei bei einer THC‑Konzentration von lediglich 1,1 ng/ml nicht von einem signifikant erhöhten Gefährdungsgrad für den Straßenverkehr auszugehen. Weiter erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Gefährdung des Familienbetriebes als unverhältnismäßig. Den Anforderungen der Sicherheit des Straßenverkehrs wäre schon dann ausreichend Rechnung getragen, wenn ihm, dem Kläger, die Gelegenheit eingeräumt würde, im Wege einer laufenden Abstinenzkontrolle durch eine anerkannteBegutachtungsstelle seine aktuelle Fahreignung nachzuweisen. Schließlich hat der Kläger noch ein vom AG T. im diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten-verfahren eingeholtes rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Q. vom 8. Juni 2014 vorgelegt, das unter anderem die Frage eines Cannabiskonsums des Klägers am 19. März 2013 und die Frage einer Messungenauigkeit betrifft. Auf die einzelnen gutachterlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
13Der Kläger beantragt,
14den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die Gerichtsakte 6 L 278/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
21Der Bescheid ist nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Umstand, dass möglicherweise das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss vom 19. März 2013 noch nicht abgeschlossen ist, steht der eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Klägers durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten und auch dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 nicht entgegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines noch anhängigen Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht kommt, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf, ist vorliegend nicht entsprechend anwendbar. Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung auch auf ein noch anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren scheidet aus, weil in diesem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB oder nach einer anderen Bestimmung nicht in Betracht kommt. Außerdem spricht die systematische Gegenüberstellung der genannten Bestimmung mit § 3 Abs. 4 StVG gegen die Anwendung des Berücksichtigungsverbotes des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfah-rens. Denn das Abweichungsverbot nach § 3 Abs. 4 StVG bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Feststellungen aus einem (abgeschlossenen) Strafverfahren, sondern auch auf Feststellungen in Bußgeldentscheidungen, soweit diese den zugrundegelegten Sachverhalt und die Beurteilung der Schuldfrage betreffen. Wenn demnach § 3 Abs. 4 StVG für seinen Anwendungsbereich das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich gleichstellt, während § 3 Abs. 3 StVG eine solche Gleichstellung nicht vorsieht, muss von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht im Wege der Analogie korrigiert werden kann.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ 16 E 726/12 ‑; Bay. VGH, Beschluss vom 7. September 2007 ‑ 11 CS 07.898, 11 C 07.1371 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 84 = juris, Rn. 18; OVG S.‑A., Beschluss vom 13. April 2012 ‑ 3 M 47/12 ‑, Blutalkohol 49 (2012), 327 = juris, Rn. 3 f.; a.A. Fromm/Schmidt, NZV 2007, 217, 219.
23Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch bedacht haben, dass unter bestimmten Umständen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann (vgl. die §§ 41 f. OWiG) und dass die Gefahr divergierender Entscheidungen in den jeweils noch laufenden Verfahren auch im Verhältnis zwischen Bußgeldstelle und Fahrerlaubnisbehörde bestehen kann.
24Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Es handelt sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 Abs. 3 FeV und den §§ 11 bis 14 FeV i. V. m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung.
25Der hier in Rede stehende Konsum von Cannabis wird in Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV behandelt. Der regelmäßige Konsum von Cannabis lässt die Fahreignung in jedem Fall entfallen (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung nicht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Die hier allein interessierende Trennung zwischen Konsum und Fahren betrifft die Frage, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Fahrerlaubnisinhaber bereit bzw. in der Lage ist, zuverlässig diesen Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen auseinanderzuhalten. Sind gelegentlicher Cannabiskonsum und mangelndes Trennen von Konsum und Fahren erwiesen, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Sachverhaltsauf-klärung die Fahrerlaubnis entziehen. Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.
26OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2006 ‑ 16 B 1392/05 ‑, juris, Rn. 2 bis 8, und Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, NJW 2013, 2841 = Blutalkohol 50 (2013), 146 und 196 = NZV 2014, 102 = NWVBl. 2013, 329 = juris, Rn. 22 f.
27Auch charakterliche Mängel können die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
28Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, NJW 2002, 2378 = juris, Rn. 49.
29Im Zusammenhang mit dem Merkmal des Trennens des Cannabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen kann nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichen. Es muss vielmehr eine Konzentration feststellbar sein, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.
30Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NJW 2005, 349 = NZV 2005, 270 = DAR 2005, 70 = Blutalkohol 42 (2005), 156 = juris, Rn. 29.
31Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit ‑ zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt ‑ nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lässt.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 39 und 51.
33Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt nach Auffassung des Senats und anderer Obergerichte bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 ‑ 16 A 2075/11 ‑, juris, Rn. 15, und vom 22. Mai 2012 ‑ 16 B 536/12 ‑, juris, Rn. 5, sowie Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 ‑ 10 S 2519/05 ‑, NJW 2006, 2135 = juris, Rn. 7, und Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, juris, Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 ‑ 1 S 17.09 ‑, NZV 2010, 531 = juris, Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, NJW 2012, 3526 = juris, Rn. 14; Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 ‑ 3 Bs 214/05 ‑, NJW 2006, 1367 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 ‑ 12 ME 287/03 ‑, juris, Rn. 7; Schl.‑H. OVG, Urteil vom 17. Februar 2009 ‑ 4 LB 61/08 ‑, juris, Rn. 36; Thür. OVG, Beschluss vom 6. September 2012 ‑ 2 EO 37/11 ‑, DAR 2012, 719 = juris, Rn. 16; a. A. (mangelnde Trennung erst oberhalb von 2,0 ng/ml THC) Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, Blutalkohol 43 (2006), 414 = juris, Rn. 16, und vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, DAR 2006, 407 = juris, Rn. 45; vgl. auch OVG M.‑V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 ‑ 1 M 142/06 ‑, juris, Rn. 18; Heß/Burmann, NJW 2007, 486, 492.
35In seinem Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑ hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:
36"Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 ‑ aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 ‑, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml im Serum liegt. Eine solche Konzentration kann ‑ einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags ‑ sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.
37Vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 29.
38Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt.
39Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche und somit für die rechtliche Beurteilung entscheidende Hinweise, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC‑Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht. Des Weiteren ist die Unfall‑ und Gefährdungshäufigkeit in der späteren Phase der Cannabiswirkung signifikant höher als im akuten Rauschzustand.
40Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung, Blutalkohol 43 (2006), 441 ff.
41Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem in Bezug genommenen Urteil vom 14. Juni 2010 ‑ 11 K 1059/10 ‑, juris, auf weitere Untersuchungen hingewiesen, die den von der Grenzwertkommission bestimmten Grenzwert bestätigen. So kommt etwa die Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem THC‑Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum in jedem Fall noch von einer möglichen Wirkung auszugehen ist, da auch noch im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach Rauchende bei den Versuchspersonen Störungen der Feinmotorik feststellbar waren.
42Vgl. die Darstellung bei Möller, Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensisch-toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109 ff., und Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff.
43Zudem hat das Verwaltungsgericht auf toxikologische Studien Bezug genommen, die belegen, dass das subjektive Einflussempfinden (High-Gefühl) eines Kraftfahrzeugführers noch vorhanden sein kann und damit verbunden auch relativ deutliche Ausfallerscheinungen auftreten können, obwohl nur noch eine sehr geringe (oder möglicherweise überhaupt keine) THC-Konzentration mehr im Blut nachweisbar ist.
44Vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 517 f.
45Dies erklärt sich damit, dass die THC-Konzentration im Blut nicht zwingend mit der THC-Konzentration im Gehirn korreliert, also nicht die Konzentration am Wirkort widerspiegelt.
46Vgl. Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, a. a. O., S. 446 f.
47Der Annahme, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC (im Blut) sei die Fahrtüchtigkeit möglicherweise eingeschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht nicht entgegengetreten. Auf einen bestimmten Mindestwert hat sich das Bundesverfassungsgericht indes nicht festgelegt, den Mindestwert von einem 1 ng/ml als ausreichenden Nachweis für die Feststellung von hinreichenden Konzentrationen von THC im Blut im Hinblick auf die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit aber auch nicht beanstandet.
48BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O., zu § 24a Abs. 2 StVG.
49Demgegenüber nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mangelnde Trennung erst ab einem THC‑Wert ab 2,0 ng/ml im Blutserum an.
50Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, a. a. O.; vgl. auch Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, a. a. O, und vom 13. Dezember 2010 ‑ 11 CS 10.2873 ‑, juris.
51Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Januar 2006 zahlreiche Gutachten zu der Frage der Fahruntüchtigkeit unter der Wirkung von Cannabis und der Bestimmung eines Grenzwerts ausgewertet, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und ist unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den bestehenden Unsicherheiten nicht gerechtfertigt erscheine, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestünden lediglich Eignungsbedenken (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Um sie zu klären, sei vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, mit dem ermittelt werden könne, ob der Betroffene künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde.
52Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen und toxikologischen Feststellungen geht der Senat von gesicherten Erkenntnissen aus, dass ab dem THC-Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung und damit eine drogenkonsumbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs möglich ist. Hierzu ist insbesondere auf die bereits angeführte Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O.) zu verweisen, die die tatsächlichen Annahmen des Bay. VGH in der Entscheidung vom 25. Januar 2006 eingehend berücksichtigen, ihnen mit Rücksicht auf neuere Untersuchungsergebnisse und mit einleuchtender Begründung aber nicht folgen. Aus diesem Grund liegen nicht nur Eignungsbedenken vor. Es ist daher bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.
53Des Weiteren stimmt der Senat nicht mit dem vom Bay. VGH gewählten Gefahrenmaßstab überein. Es heißt zwar in dem Beschluss vom 25. Januar 2006 (a. a. O., Rn. 17) zunächst, entscheidend sei, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöhe, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. An anderer Stelle setzt der Bay. VGH aber eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ausdrücklich voraus (a. a. O., Rn. 17). Ein solches besonderes Gefahrenerfordernis lässt sich aus den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht entnehmen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen.
54Der Verstoß gegen das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachte Trennungsgebot muss als im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV erwiesen angesehen werden können, um dem Betroffenen die Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entziehen. § 11 Abs. 7 FeV verlangt, dass die mangelnde Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststeht. So liegt es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit, also ab dem Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blutserum, am Straßenverkehr teilnimmt. Damit belegt er, dass er das entsprechende Trennungsvermögen nicht besitzt und deshalb zum Führen eines Fahrzeugs ungeeignet ist. Daraus folgt zugleich, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit als negative Folge des Konsums möglich ist. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist nicht erforderlich. Hierfür spricht schließlich, dass bei der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis Gefahrenabwehrrecht in Rede steht und insoweit eine Parallele zu dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 24a StVG besteht, das der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 als einfachrechtliche Vorschrift zugrundelag. Auch diese Norm hebt auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, nämlich einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ab.
55Ist von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften also bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt.
56Außerdem ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei einer möglichen drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit angesichts einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
57Vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O., juris, Rn. 18.
58Diese Annahme gründet sich auf die Unsicherheit des Dosis-Wirkungs-Effekts von Cannabis. THC ist, wie Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O., S. 446 f.) unter Hinweis auf die Untersuchung von Mura et al. (THC can be detected in brain while absent in blood, 2005, J. Anal. Toxicol. 29, S. 842) ausgeführt haben, eine hoch lipophile, d.h. gut fettlösliche Verbindung. Entsprechend hoch ist ihr Verteilungsfaktor und entsprechend lange dauert es bis zur Einstellung eines Fließgleichgewichts zwischen wasserreichen Kompartimenten wie etwa dem Blutserum und fettreichen Kompartimenten wie dem Gehirn in der Eliminationsphase. Die THC-Konzentration im Blut spiegelt daher die Konzentration am Wirkort nicht wider. Da die gesicherten medizinischen und toxikologischen Erkenntnisse bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit als möglich belegen, liegt eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betroffenen, also auch bei dem Kläger, bei Erreichen des Werts vor. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber aber ungeachtet dieser Gefährdung nicht bereit, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen, lässt dies auf einen charakterlichen Mangel schließen, der seine Nichteignung begründet. Denn der Fahrerlaubnisinhaber nimmt für seine privaten Bedürfnisse nicht hinnehmbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf. Dieses Verhalten genießt indes weder verfassungsrechtlichen noch einfachrechtlichen Schutz."
59An dieser Sichtweise hält der Senat fest. Neuere Erkenntnisse, welche die Sachgerechtigkeit des Abstellens auf einen Grenzwert von 1 ng/ml in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit methodische Zweifel an den Ergebnissen der Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (s.o.) geäußert worden sind, weil diese im Ausgangspunkt wesentlich auf "subjektiven polizeilichen Feststellungen im Raum München zu Verkehrsauffälligkeiten" beruhten,
60vgl. hierzu die Wiedergabe einer entsprechenden gutachterlichen Äußerung in VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, VRS 124 (2013), 168 = juris, Rn. 53,
61vermag der Senat nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, warum die Einschätzungen von Polizeibeamten, die in der Regel über vielfältige Erfahrungen mit Verkehrsteilnehmern unter dem Einfluss von Rauschmitteln (einschließlich Alkohol) verfügen, von vornherein unergiebig sein sollten, zumal das Erkennen drogenbedingter Auffälligkeiten im Straßenverkehr seit längerer Zeit einen Schwerpunkt der Fortbildung für Polizeibeamte bildet.
62Vgl. Bönke, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NZV 2005, 272; ders., Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 8; Möller, Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 16.
63Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Zugrundelegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum für die Annahme mangelnden Trennens i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auch kein Sicherheitsabschlag zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten bei der rechtsmedizinischen Feststellung des THC‑Gehaltes vorzunehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine ‑ wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende ‑ Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1‑ng/ml‑THC‑Grenze bereits berücksichtigt worden ist,
64vgl. die Empfehlung der Grenzwertkommission zur Änderung der Anlage zu § 24a StVG, Blutalkohol 44 (2007), 311; s. auch Wehowsky, Blutalkohol 43 (2006), 125, 130,
65und nicht (nochmals) durch Abschläge berücksichtigt werden muss. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG,
66vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 ‑ 3 Ss 205/06 ‑, NZV 2007, 248 = VRS 112 (2007), 130 = Blutalkohol 44 (2007), 101 = juris, Rn. 4 f. und Brandenb. OLG, Beschluss vom 30. März 2007 ‑ 1 Ss (OWi) 291B/06 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 135 = juris, Rn. 11 und 13, jeweils m. w. N.,
67und auch der ‑ soweit ersichtlich ‑ einhelligen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die indessen weit überwiegend diese Frage nicht eigens thematisiert, aber im Ergebnis die ermittelten Werte ohne Abschläge zugrundelegt.
68Ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages ablehnend VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 15); VG München, Urteil vom 17. Mai 2011 ‑ M 1 K 11.1120 ‑, juris, Rn. 21.
69Ob diese Praxis bereits mit dem Hinweis gerechtfertigt werden kann, der "wahre" Wert bei der Annahme oder dem Fürmöglichhalten einer Schwankungsbreite des Messergebnisses könne statistisch mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit an der untersten oder an der obersten Grenze des Schwankungsbereichs liegen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn es ‑ anders als nach den Empfehlungen der Grenzwertkommission und der dargestellten Rechtsprechung ‑ auf den zweifelsfreien Nachweis gerade einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr und nicht auf den abweichend definierten Eintritt einer abstrakten Straßenverkehrsgefährdung durch gesichert feststehende Drogenbeeinflussung ankäme, könnte die Sanktionierung von demnach "falsch positiven" Messbefunden schwerlich mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass in anders gelagerten Fällen, das heißt bei "falsch negativen" Befunden, auf die an sich erforderliche Sanktionierung verzichtet werden müsse, also möglicherweise rechtswidrigen Belastungen auch Fälle rechtswidriger Besserstellung gegenüberständen. Schwerer wiegt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme ‑ und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme ‑ eine deutliche Verringerung der THC‑Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis "polyphasisch" erfolgt und daher schwieriger als etwa beim Alkohol berechnet werden kann,
70vgl. Zwerger, Blutalkohol 43 (2006), 105, 110; Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441, 446 f.,
71steht doch außer Frage, dass THC verhältnismäßig schnell verstoffwechselt und jedenfalls bei einmalig und desgleichen wohl auch bei eher sporadisch konsumierenden Personen nach inhalativem Konsum selbst hoher Dosen zumindest überwiegend innerhalb von vier bis sechs Stunden auf Werte unterhalb von 1,0 ng/ml sinkt.
72Vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schnei-der/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 43 (2006), 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. (2010), § 3 Rn. 109 ff.; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 25.
73Im Übrigen dürfte es nicht oder allenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, im Einzelfall den "wahren" Wert der THC‑Konzentration zu ermitteln. Berücksichtigt man weiter, dass sich der jeweils Betroffene zu einem Zeitpunkt ans Steuer gesetzt hat, zu dem jedenfalls er selbst nicht das Ausmaß eines fortbestehenden THC‑Einflusses und einer darauf beruhenden Straßenverkehrsgefährdung abschätzen konnte, erscheint es hinnehmbar, ihm das Risiko zuzumuten, zugunsten der Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer und mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates auf deren höchstrangige Rechtsgüter die Unsicherheit hinzunehmen, die auf der (zumindest weitgehend) unvermeidlichen Schwankungsbreite der THC‑Messergebnisse beruht.
74Vgl. VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 38 f.).
75Dass der Kläger gelegentlich Cannabis konsumiert, folgt schon daraus, dass er bereits 2011 unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr angetroffen worden ist. Abgesehen davon fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers, das einen zumindest gelegentlichen Konsum in Frage stellen könnte.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 sowie 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
78Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit oder der Verkehrssicherheit bei gelegentlichem Konsum von Cannabis maßgeblich ist und ‑ hieraus folgend ‑ ab welcher THC‑Konzentration im Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungserfordernis nach Nr.9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt und für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. März 2010 - 1 K 1587/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.
(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. März 2010 - 1 K 1587/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. November 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Jahre 1986 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis unter anderem der Klassen A und B. Am 19. Juli 2011 führte er gegen 13.15 Uhr in T. ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss. Das Gutachten des Universitätsklinikums C. ‑ Institut für Rechtsmedizin ‑ vom 19. August 2011 über die Untersuchung einer dem Kläger entnommenen Blutprobe ergab einen Wert des Cannabiswirkstoffs THC von 1,3 ng/ml sowie eine Konzentrationen des THC-Metaboliten THC‑COOH von 41,1 ng/ml. Fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen löste dieser Vorfall für sich genommen ‑ soweit bekannt ‑ nicht aus.
3Am 19. März 2013 geriet der Kläger gegen 16.50 Uhr in O. /Kreis T. -X. als Führer eines Personenkraftwagens in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Ein Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Blutprobe ergab nach dem ärztlichen Befundbericht des Labors L. vom 28. März 2013 für THC einen Wert von 1,1 ng/ml sowie für THC‑COOH einen Wert von 14 ng/ml. Zusammenfassend kommt der Befundbericht zu dem Schluss, das Auffinden von THC und seinen Metaboliten beweise eine kürzliche Cannabiseinnahme. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe.
4Mit Ordnungsverfügung vom 9. April 2013 entzog der Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 23. April 2013 abzugeben. Zur Begründung führte er an, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gerechtfertigt. Der Kläger habe am 19. Juli 2011 und am 19. März 2013 jeweils unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Die in den nachfolgenden chemisch-toxikologischen Untersuchungen festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels gestanden habe. Damit sei bewiesen, dass er zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren nicht trennen könne. Aufgrund der wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss sei zudem erwiesen, dass zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege.
5Am 8. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Im Zusammenhang mit dem Vorfall seien bei ihm abgesehen von mittelweit geöffneten Pupillen keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden. Das Ergebnis der nachfolgenden Blutprobe habe ihn dann sehr überrascht; er könne sich diesen Wert nicht erklären. Es stelle sich die Frage, ob der festgestellte Wert von 1,1 ng/ml THC überhaupt den Tatbestand des Cannabiskonsums erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige nicht jede nachgewiesene Menge eines berauschenden Mittels behördliches Einschreiten. Vielmehr müsse eine Konzen-tration festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lasse, dass der Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt gewesen sei. Einen bestimmten Grenzwert habe das Bundesverfassungsgericht nicht eingeführt. Es habe lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab bestimmten Werten den Rückschluss erlaube, der Betroffene habe bei der Verkehrsteilnahme unter einer tatbestandlich relevanten Rauschmittelwirkung gestanden. Dafür müssten aber konkrete Angaben und Hinweise vorliegen, an denen es hier fehle; denn bei der Verkehrskontrolle im März 2013 hätten die beteiligten Polizeibeamten keine Auffälligkeiten festgestellt, die für einen relevanten Cannabiseinfluss sprächen. Im Hinblick auf das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei entscheidend, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsument unter dem Einfluss einer solchen THC‑Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit signifikant erhöhe. Der derzeitige naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertige es nicht, bereits ab einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer solchen Risikoerhöhung auszugehen; vielmehr sei bei gelegentlichem Cannabiskonsum und der Verkehrsteilnahme mit einem THC‑Wert zwischen 1 und 2 ng/ml vor einer etwaigen Fahrerlaubnisentziehung ein Gutachten einzuholen. Daran fehle es hier. Ferner stelle sich die Frage einer Messungenauigkeit. Da er, der Kläger, sich das Erreichen eines THC‑Wertes von 1,1 ng/ml nicht erklären könne, müsse der vom Labor L. ermittelte Befund diesbezüglich untersucht werden, zumal der festgestellte Wert den vom Beklagten zugrundegelegten Grenzwert nur geringfügig überschreite. Gehe man, wie in der Literatur diskutiert, von einer Messwerttoleranz von 30 bis 40% aus, sei im günstigsten Fall von einer THC‑Konzentration von nur 0,66 ng/ml und damit weit unter dem Grenzwert auszugehen. Er habe auch weder erkennen können noch erkennen müssen, dass er bei seiner Fahrt vom 19. März 2013 unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe. Schließlich sei er aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Aufgaben innerhalb des von seinem Vater und ihm geführten Handwerksbetrieb erfüllen zu können.
6Der Kläger, dessen zugleich mit der Klage gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben ist, hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen,
10und vorgetragen: Entscheidend sei, dass der Kläger in zwei Fällen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und dabei jeweils den maßgeblichen Grenzwert überschritten habe. Die zugrundeliegenden rechtsmedizinischen Gutachten seien in sich logisch, frei von Widersprüchen und beruhten auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es stehe mithin fest, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen und seinen Cannabiskonsum nicht kontrollieren könne.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf seine ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgewiesen.
12Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Das rechtsmedizinische Gutachten des Labors L. über die Untersuchung der Blutprobe aus dem Jahr 2013 lasse nicht erkennen, ob eine Messtoleranz berücksichtigt worden sei. Die Frage der Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages sei weder vom Bundesverfassungsgericht noch von der sog. Grenzwertkommission entschieden worden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehe bisher davon aus, der von der Grenzwertkommission im Zusammenhang mit der Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG empfohlene "analytische Grenzwert" von 1,0 ng/ml enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aber noch aus. Wegen der gravierenden Folgen von Fahrerlaubnisentziehungen müsse zumindest gefordert werden, dass die mit der Blutuntersuchung beauftragten Labore verpflichtet würden, die Streubreite ihrer jeweiligen Messergebnisse offenzulegen. Zudem sei bei einer THC‑Konzentration von lediglich 1,1 ng/ml nicht von einem signifikant erhöhten Gefährdungsgrad für den Straßenverkehr auszugehen. Weiter erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Gefährdung des Familienbetriebes als unverhältnismäßig. Den Anforderungen der Sicherheit des Straßenverkehrs wäre schon dann ausreichend Rechnung getragen, wenn ihm, dem Kläger, die Gelegenheit eingeräumt würde, im Wege einer laufenden Abstinenzkontrolle durch eine anerkannteBegutachtungsstelle seine aktuelle Fahreignung nachzuweisen. Schließlich hat der Kläger noch ein vom AG T. im diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten-verfahren eingeholtes rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. Q. vom 8. Juni 2014 vorgelegt, das unter anderem die Frage eines Cannabiskonsums des Klägers am 19. März 2013 und die Frage einer Messungenauigkeit betrifft. Auf die einzelnen gutachterlichen Ausführungen wird Bezug genommen.
13Der Kläger beantragt,
14den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und nach seinem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte, die Gerichtsakte 6 L 278/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
21Der Bescheid ist nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Der Umstand, dass möglicherweise das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss vom 19. März 2013 noch nicht abgeschlossen ist, steht der eigenständigen Prüfung der Fahreignung des Klägers durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten und auch dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. April 2013 nicht entgegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines noch anhängigen Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Betracht kommt, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf, ist vorliegend nicht entsprechend anwendbar. Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung auch auf ein noch anhängiges Ordnungswidrigkeitenverfahren scheidet aus, weil in diesem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB oder nach einer anderen Bestimmung nicht in Betracht kommt. Außerdem spricht die systematische Gegenüberstellung der genannten Bestimmung mit § 3 Abs. 4 StVG gegen die Anwendung des Berücksichtigungsverbotes des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfah-rens. Denn das Abweichungsverbot nach § 3 Abs. 4 StVG bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Feststellungen aus einem (abgeschlossenen) Strafverfahren, sondern auch auf Feststellungen in Bußgeldentscheidungen, soweit diese den zugrundegelegten Sachverhalt und die Beurteilung der Schuldfrage betreffen. Wenn demnach § 3 Abs. 4 StVG für seinen Anwendungsbereich das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich gleichstellt, während § 3 Abs. 3 StVG eine solche Gleichstellung nicht vorsieht, muss von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden, die nicht im Wege der Analogie korrigiert werden kann.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ 16 E 726/12 ‑; Bay. VGH, Beschluss vom 7. September 2007 ‑ 11 CS 07.898, 11 C 07.1371 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 84 = juris, Rn. 18; OVG S.‑A., Beschluss vom 13. April 2012 ‑ 3 M 47/12 ‑, Blutalkohol 49 (2012), 327 = juris, Rn. 3 f.; a.A. Fromm/Schmidt, NZV 2007, 217, 219.
23Der Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch bedacht haben, dass unter bestimmten Umständen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen kann (vgl. die §§ 41 f. OWiG) und dass die Gefahr divergierender Entscheidungen in den jeweils noch laufenden Verfahren auch im Verhältnis zwischen Bußgeldstelle und Fahrerlaubnisbehörde bestehen kann.
24Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn dieser sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Es handelt sich um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 Abs. 3 FeV und den §§ 11 bis 14 FeV i. V. m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung.
25Der hier in Rede stehende Konsum von Cannabis wird in Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV behandelt. Der regelmäßige Konsum von Cannabis lässt die Fahreignung in jedem Fall entfallen (Nr. 9.2.1). Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung nicht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Die hier allein interessierende Trennung zwischen Konsum und Fahren betrifft die Frage, ob der gelegentlich Cannabis konsumierende Fahrerlaubnisinhaber bereit bzw. in der Lage ist, zuverlässig diesen Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen auseinanderzuhalten. Sind gelegentlicher Cannabiskonsum und mangelndes Trennen von Konsum und Fahren erwiesen, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Sachverhaltsauf-klärung die Fahrerlaubnis entziehen. Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.
26OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2006 ‑ 16 B 1392/05 ‑, juris, Rn. 2 bis 8, und Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, NJW 2013, 2841 = Blutalkohol 50 (2013), 146 und 196 = NZV 2014, 102 = NWVBl. 2013, 329 = juris, Rn. 22 f.
27Auch charakterliche Mängel können die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
28Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, NJW 2002, 2378 = juris, Rn. 49.
29Im Zusammenhang mit dem Merkmal des Trennens des Cannabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen kann nicht jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichen. Es muss vielmehr eine Konzentration feststellbar sein, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.
30Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NJW 2005, 349 = NZV 2005, 270 = DAR 2005, 70 = Blutalkohol 42 (2005), 156 = juris, Rn. 29.
31Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit ‑ zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt ‑ nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lässt.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 ‑ 1 BvR 2062/96 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 39 und 51.
33Eine in diesem Sinne hinreichende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis, d.h. ein mangelndes Trennen zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen, liegt nach Auffassung des Senats und anderer Obergerichte bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 ‑ 16 A 2075/11 ‑, juris, Rn. 15, und vom 22. Mai 2012 ‑ 16 B 536/12 ‑, juris, Rn. 5, sowie Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 ‑ 10 S 2519/05 ‑, NJW 2006, 2135 = juris, Rn. 7, und Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, juris, Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 ‑ 1 S 17.09 ‑, NZV 2010, 531 = juris, Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, NJW 2012, 3526 = juris, Rn. 14; Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 ‑ 3 Bs 214/05 ‑, NJW 2006, 1367 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 ‑ 12 ME 287/03 ‑, juris, Rn. 7; Schl.‑H. OVG, Urteil vom 17. Februar 2009 ‑ 4 LB 61/08 ‑, juris, Rn. 36; Thür. OVG, Beschluss vom 6. September 2012 ‑ 2 EO 37/11 ‑, DAR 2012, 719 = juris, Rn. 16; a. A. (mangelnde Trennung erst oberhalb von 2,0 ng/ml THC) Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, Blutalkohol 43 (2006), 414 = juris, Rn. 16, und vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, DAR 2006, 407 = juris, Rn. 45; vgl. auch OVG M.‑V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 ‑ 1 M 142/06 ‑, juris, Rn. 18; Heß/Burmann, NJW 2007, 486, 492.
35In seinem Urteil vom 21. März 2013 ‑ 16 A 2006/12 ‑ hat der Senat hierzu folgendes ausgeführt:
36"Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist der Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 ‑ aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 ‑, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml im Serum liegt. Eine solche Konzentration kann ‑ einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags ‑ sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.
37Vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O. = juris, Rn. 29.
38Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt.
39Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche und somit für die rechtliche Beurteilung entscheidende Hinweise, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC‑Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht. Des Weiteren ist die Unfall‑ und Gefährdungshäufigkeit in der späteren Phase der Cannabiswirkung signifikant höher als im akuten Rauschzustand.
40Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung, Blutalkohol 43 (2006), 441 ff.
41Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem in Bezug genommenen Urteil vom 14. Juni 2010 ‑ 11 K 1059/10 ‑, juris, auf weitere Untersuchungen hingewiesen, die den von der Grenzwertkommission bestimmten Grenzwert bestätigen. So kommt etwa die Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass bei dem THC‑Grenzwert von 1 ng/ml im Blutserum in jedem Fall noch von einer möglichen Wirkung auszugehen ist, da auch noch im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach Rauchende bei den Versuchspersonen Störungen der Feinmotorik feststellbar waren.
42Vgl. die Darstellung bei Möller, Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensisch-toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109 ff., und Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 43 (2006), 361 ff.
43Zudem hat das Verwaltungsgericht auf toxikologische Studien Bezug genommen, die belegen, dass das subjektive Einflussempfinden (High-Gefühl) eines Kraftfahrzeugführers noch vorhanden sein kann und damit verbunden auch relativ deutliche Ausfallerscheinungen auftreten können, obwohl nur noch eine sehr geringe (oder möglicherweise überhaupt keine) THC-Konzentration mehr im Blut nachweisbar ist.
44Vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 517 f.
45Dies erklärt sich damit, dass die THC-Konzentration im Blut nicht zwingend mit der THC-Konzentration im Gehirn korreliert, also nicht die Konzentration am Wirkort widerspiegelt.
46Vgl. Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, a. a. O., S. 446 f.
47Der Annahme, ab einem Grenzwert von 1 ng/ml THC (im Blut) sei die Fahrtüchtigkeit möglicherweise eingeschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht nicht entgegengetreten. Auf einen bestimmten Mindestwert hat sich das Bundesverfassungsgericht indes nicht festgelegt, den Mindestwert von einem 1 ng/ml als ausreichenden Nachweis für die Feststellung von hinreichenden Konzentrationen von THC im Blut im Hinblick auf die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit aber auch nicht beanstandet.
48BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, a. a. O., zu § 24a Abs. 2 StVG.
49Demgegenüber nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mangelnde Trennung erst ab einem THC‑Wert ab 2,0 ng/ml im Blutserum an.
50Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 ‑ 11 CS 05.1711 ‑, a. a. O.; vgl. auch Beschlüsse vom 11. November 2004 ‑ 11 CS 04.2348 ‑, a. a. O, und vom 13. Dezember 2010 ‑ 11 CS 10.2873 ‑, juris.
51Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Januar 2006 zahlreiche Gutachten zu der Frage der Fahruntüchtigkeit unter der Wirkung von Cannabis und der Bestimmung eines Grenzwerts ausgewertet, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und ist unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den bestehenden Unsicherheiten nicht gerechtfertigt erscheine, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml von einer Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit und von mangelndem Trennen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml bestünden lediglich Eignungsbedenken (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV). Um sie zu klären, sei vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, mit dem ermittelt werden könne, ob der Betroffene künftig zwischen der Einnahme von Cannabis und der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen werde.
52Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen und toxikologischen Feststellungen geht der Senat von gesicherten Erkenntnissen aus, dass ab dem THC-Grenzwert von 1 ng/ml eine Wirkung und damit eine drogenkonsumbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs möglich ist. Hierzu ist insbesondere auf die bereits angeführte Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O.) zu verweisen, die die tatsächlichen Annahmen des Bay. VGH in der Entscheidung vom 25. Januar 2006 eingehend berücksichtigen, ihnen mit Rücksicht auf neuere Untersuchungsergebnisse und mit einleuchtender Begründung aber nicht folgen. Aus diesem Grund liegen nicht nur Eignungsbedenken vor. Es ist daher bei einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.
53Des Weiteren stimmt der Senat nicht mit dem vom Bay. VGH gewählten Gefahrenmaßstab überein. Es heißt zwar in dem Beschluss vom 25. Januar 2006 (a. a. O., Rn. 17) zunächst, entscheidend sei, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen habe, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden müsse, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöhe, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten. An anderer Stelle setzt der Bay. VGH aber eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ausdrücklich voraus (a. a. O., Rn. 17). Ein solches besonderes Gefahrenerfordernis lässt sich aus den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen jedoch nicht entnehmen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen.
54Der Verstoß gegen das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck gebrachte Trennungsgebot muss als im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV erwiesen angesehen werden können, um dem Betroffenen die Fahrerlaubnis ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entziehen. § 11 Abs. 7 FeV verlangt, dass die mangelnde Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen feststeht. So liegt es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet der wegen der gemessenen THC-Konzentration anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit, also ab dem Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blutserum, am Straßenverkehr teilnimmt. Damit belegt er, dass er das entsprechende Trennungsvermögen nicht besitzt und deshalb zum Führen eines Fahrzeugs ungeeignet ist. Daraus folgt zugleich, dass das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit als negative Folge des Konsums möglich ist. Eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit ist nicht erforderlich. Hierfür spricht schließlich, dass bei der Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis Gefahrenabwehrrecht in Rede steht und insoweit eine Parallele zu dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 24a StVG besteht, das der Entscheidung des BVerfG vom 21. Dezember 2004 als einfachrechtliche Vorschrift zugrundelag. Auch diese Norm hebt auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, nämlich einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ab.
55Ist von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften also bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt.
56Außerdem ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei einer möglichen drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit angesichts einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen.
57Vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O., juris, Rn. 18.
58Diese Annahme gründet sich auf die Unsicherheit des Dosis-Wirkungs-Effekts von Cannabis. THC ist, wie Drasch/von Meer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (a. a. O., S. 446 f.) unter Hinweis auf die Untersuchung von Mura et al. (THC can be detected in brain while absent in blood, 2005, J. Anal. Toxicol. 29, S. 842) ausgeführt haben, eine hoch lipophile, d.h. gut fettlösliche Verbindung. Entsprechend hoch ist ihr Verteilungsfaktor und entsprechend lange dauert es bis zur Einstellung eines Fließgleichgewichts zwischen wasserreichen Kompartimenten wie etwa dem Blutserum und fettreichen Kompartimenten wie dem Gehirn in der Eliminationsphase. Die THC-Konzentration im Blut spiegelt daher die Konzentration am Wirkort nicht wider. Da die gesicherten medizinischen und toxikologischen Erkenntnisse bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit als möglich belegen, liegt eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betroffenen, also auch bei dem Kläger, bei Erreichen des Werts vor. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber aber ungeachtet dieser Gefährdung nicht bereit, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen, lässt dies auf einen charakterlichen Mangel schließen, der seine Nichteignung begründet. Denn der Fahrerlaubnisinhaber nimmt für seine privaten Bedürfnisse nicht hinnehmbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf. Dieses Verhalten genießt indes weder verfassungsrechtlichen noch einfachrechtlichen Schutz."
59An dieser Sichtweise hält der Senat fest. Neuere Erkenntnisse, welche die Sachgerechtigkeit des Abstellens auf einen Grenzwert von 1 ng/ml in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit methodische Zweifel an den Ergebnissen der Untersuchung von Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger (s.o.) geäußert worden sind, weil diese im Ausgangspunkt wesentlich auf "subjektiven polizeilichen Feststellungen im Raum München zu Verkehrsauffälligkeiten" beruhten,
60vgl. hierzu die Wiedergabe einer entsprechenden gutachterlichen Äußerung in VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, VRS 124 (2013), 168 = juris, Rn. 53,
61vermag der Senat nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, warum die Einschätzungen von Polizeibeamten, die in der Regel über vielfältige Erfahrungen mit Verkehrsteilnehmern unter dem Einfluss von Rauschmitteln (einschließlich Alkohol) verfügen, von vornherein unergiebig sein sollten, zumal das Erkennen drogenbedingter Auffälligkeiten im Straßenverkehr seit längerer Zeit einen Schwerpunkt der Fortbildung für Polizeibeamte bildet.
62Vgl. Bönke, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑, NZV 2005, 272; ders., Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 8; Möller, Blutalkohol 41 (2004), Suppl. 1, S. 16.
63Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Zugrundelegung eines Grenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum für die Annahme mangelnden Trennens i. S. v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auch kein Sicherheitsabschlag zum Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten bei der rechtsmedizinischen Feststellung des THC‑Gehaltes vorzunehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine ‑ wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende ‑ Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1‑ng/ml‑THC‑Grenze bereits berücksichtigt worden ist,
64vgl. die Empfehlung der Grenzwertkommission zur Änderung der Anlage zu § 24a StVG, Blutalkohol 44 (2007), 311; s. auch Wehowsky, Blutalkohol 43 (2006), 125, 130,
65und nicht (nochmals) durch Abschläge berücksichtigt werden muss. Das entspricht auch der Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG,
66vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 ‑ 3 Ss 205/06 ‑, NZV 2007, 248 = VRS 112 (2007), 130 = Blutalkohol 44 (2007), 101 = juris, Rn. 4 f. und Brandenb. OLG, Beschluss vom 30. März 2007 ‑ 1 Ss (OWi) 291B/06 ‑, Blutalkohol 45 (2008), 135 = juris, Rn. 11 und 13, jeweils m. w. N.,
67und auch der ‑ soweit ersichtlich ‑ einhelligen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die indessen weit überwiegend diese Frage nicht eigens thematisiert, aber im Ergebnis die ermittelten Werte ohne Abschläge zugrundelegt.
68Ausdrücklich die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlages ablehnend VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 34 ff.); vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 ‑ 2 B 341/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 15); VG München, Urteil vom 17. Mai 2011 ‑ M 1 K 11.1120 ‑, juris, Rn. 21.
69Ob diese Praxis bereits mit dem Hinweis gerechtfertigt werden kann, der "wahre" Wert bei der Annahme oder dem Fürmöglichhalten einer Schwankungsbreite des Messergebnisses könne statistisch mit gleich hoher Wahrscheinlichkeit an der untersten oder an der obersten Grenze des Schwankungsbereichs liegen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn es ‑ anders als nach den Empfehlungen der Grenzwertkommission und der dargestellten Rechtsprechung ‑ auf den zweifelsfreien Nachweis gerade einer THC‑Konzentration von 1,0 ng/ml oder mehr und nicht auf den abweichend definierten Eintritt einer abstrakten Straßenverkehrsgefährdung durch gesichert feststehende Drogenbeeinflussung ankäme, könnte die Sanktionierung von demnach "falsch positiven" Messbefunden schwerlich mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass in anders gelagerten Fällen, das heißt bei "falsch negativen" Befunden, auf die an sich erforderliche Sanktionierung verzichtet werden müsse, also möglicherweise rechtswidrigen Belastungen auch Fälle rechtswidriger Besserstellung gegenüberständen. Schwerer wiegt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme ‑ und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme ‑ eine deutliche Verringerung der THC‑Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis "polyphasisch" erfolgt und daher schwieriger als etwa beim Alkohol berechnet werden kann,
70vgl. Zwerger, Blutalkohol 43 (2006), 105, 110; Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441, 446 f.,
71steht doch außer Frage, dass THC verhältnismäßig schnell verstoffwechselt und jedenfalls bei einmalig und desgleichen wohl auch bei eher sporadisch konsumierenden Personen nach inhalativem Konsum selbst hoher Dosen zumindest überwiegend innerhalb von vier bis sechs Stunden auf Werte unterhalb von 1,0 ng/ml sinkt.
72Vgl. Möller/Kauert/Tönnes/Schnei-der/Theunissen/Ramaekers, Blutalkohol 43 (2006), 361, 363, 365, 372; Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. (2010), § 3 Rn. 109 ff.; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 25.
73Im Übrigen dürfte es nicht oder allenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, im Einzelfall den "wahren" Wert der THC‑Konzentration zu ermitteln. Berücksichtigt man weiter, dass sich der jeweils Betroffene zu einem Zeitpunkt ans Steuer gesetzt hat, zu dem jedenfalls er selbst nicht das Ausmaß eines fortbestehenden THC‑Einflusses und einer darauf beruhenden Straßenverkehrsgefährdung abschätzen konnte, erscheint es hinnehmbar, ihm das Risiko zuzumuten, zugunsten der Sicherheitsinteressen der anderen Verkehrsteilnehmer und mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates auf deren höchstrangige Rechtsgüter die Unsicherheit hinzunehmen, die auf der (zumindest weitgehend) unvermeidlichen Schwankungsbreite der THC‑Messergebnisse beruht.
74Vgl. VGH Bad.‑Württ., Urteil vom 22. November 2012 ‑ 10 S 3174/11 ‑, a. a. O. (juris, Rn. 38 f.).
75Dass der Kläger gelegentlich Cannabis konsumiert, folgt schon daraus, dass er bereits 2011 unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr angetroffen worden ist. Abgesehen davon fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers, das einen zumindest gelegentlichen Konsum in Frage stellen könnte.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 sowie 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
78Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich der Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit oder der Verkehrssicherheit bei gelegentlichem Konsum von Cannabis maßgeblich ist und ‑ hieraus folgend ‑ ab welcher THC‑Konzentration im Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungserfordernis nach Nr.9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt und für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von Bedeutung.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. November 2005 - 3 K 2989/05 - geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.
(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.
(1) Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass
- 1.
Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 11. Mai 2011 (BGBl. I S. 821) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, - 2.
Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder - 3.
missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen
(2) Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn
- 1.
die Fahrerlaubnis aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe durch die Fahrerlaubnisbehörde oder ein Gericht entzogen war, - 2.
zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt, oder - 3.
wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden. § 13 Nummer 2 Buchstabe b bleibt unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.