Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13

bei uns veröffentlicht am23.07.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Untersagung der Nutzung eines Gebäudes als bordellartiger Betrieb.
Die Klägerin hat im Erd-, Unter- und Obergeschoss des auf dem Flurstück Nr. ... der Gemarkung ... stehenden Gebäudes ... Räumlichkeiten angemietet, in denen sie seit dem 01.11.2009 den FKK- und Sauna-Club „...“ betreibt. Für das umliegende Gebiet existiert kein Bebauungsplan.
Die Errichtung des Gebäudes wurde am 15.10.1979 bauaufsichtlich genehmigt. Die Beklagte genehmigte am 06.06.1983 die Umnutzung des ursprünglichen Lagers im Untergeschoss in einen Verkaufsraum für Fleisch- und Wurstwaren sowie am 31.09.1990 in einen Laden (Videothek) und der Büroräume im Erdgeschoss in eine Naturheilkundepraxis. Hinsichtlich der ursprünglichen Büroräume im Obergeschoss wurde bislang keine Umnutzung zur Genehmigung gestellt. Ohne baurechtliche Genehmigung wird das Gebäude seit Sommer 2003 auch zur Ausübung der Prostitution genutzt.
Nach einer baurechtlichen Prüfung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Holzanbaus an das Untergeschoss des Anwesens im Mai 2011 kündigte die Bauordnungsbehörde der Beklagten der Klägerin fernmündlich und mündlich eine Untersagung der Nutzung desselben als bordellartiger Betrieb an. In der Folge fanden mehrere Ortsbegehungen statt, bei denen brandschutz- und gesundheitsrechtliche Mängel festgestellt wurden, deren Behebung die Beklagte im Wege der Bau- und der Gewerbeaufsicht verfügte.
Im Rahmen einer Besprechung am 26.09.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Betrieb sei aufgrund seiner Lage in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig. Eine baurechtliche Genehmigung könne daher nicht erteilt werden, so dass beabsichtigt sei, die Nutzung nun zu untersagen. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie habe sich vor der Eröffnung ihres Betriebs mit allen Ämtern in Verbindung gesetzt und abgestimmt.
Mit Verfügung vom 07.05.2013 untersagte die Beklagte der Klägerin die Nutzung des Unter-, Erd- und Obergeschosses im Gebäude ... als bordellartiger Betrieb und drohte ihr für den Fall, dass sie der Nutzungsuntersagung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft der Verfügung nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Zur Begründung führte sie aus, der ohne die erforderliche Baugenehmigung aufgenommene Betrieb sei bauplanungsrechtlich nicht zulässig. In einem allgemeinen Wohngebiet, dessen Charakter die näheren Umgebung des bordellartigen Betriebs entspreche, sei ein solcher weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Bordellartige Prostitution sei nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise regelmäßig als störende Nutzung anzusehen und widerspreche dem Leitbild eines dem Wohnen dienenden Baugebiets. Sie führe wegen der negativen, milieubedingten Auswirkungen von Bordellen und bordellartigen Betrieben auf das Wohnumfeld zu einer Gebietsunverträglichkeit. Störungsfreies Wohnen solle insbesondere in den Abend- und Nachtstunden sichergestellt werden, in denen jedoch typischerweise der Betrieb im „...“ stattfinde. Die Unverträglichkeit der Prostitution werde im vorliegenden Fall auch aufgrund seiner kurzen Entfernung von nur 100 Metern zum Stadtteilzentrum „...“ des ... Verbandes deutlich, zu dem unter anderem eine Kindertageseinrichtung (Kindergarten und Eltern-Kind-Bibliothek) sowie ein Jugendtreff gehörten. Der Betrieb der Klägerin laufe außerdem dem übergeordneten Ziel einer Steigerung der Wohnqualität und einer Aufwertung des gesamten Wohngebiets zuwider. Die Wahrung des Gebietscharakters als allgemeines Wohngebiet stelle einen nachbarschützenden Anspruch dar, dessen Durchsetzung im öffentlichen Interesse stehe. Unter Berücksichtigung dessen sei die Nutzungsuntersagung verhältnismäßig. Das öffentliche Interesse an der Schaffung baurechtskonformer Zustände sowie an der Erhaltung des Gebietscharakters überwiege gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin am Weiterbetrieb ihres Unternehmens.
Gegen die am 13.05.2013 zugestellte Verfügung erhob die Klägerin am 12.06.2013 Widerspruch. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, die streitbefangene Liegenschaft werde laut Aktenvermerken des damals zuständigen Mitarbeiters im Gewerbeamt der Beklagten vom 17.11.2009 und vom 05.05.2011 seit Jahren als auch der Prostitution dienender Club genutzt, ohne dass es je zu milieubedingten Störungen gekommen sei. Sie habe im Hinblick auf die erwartete weitere Duldung und Genehmigung des Betriebs auf der Grundlage der Forderungen und Auflagen der Beklagten erhebliche Investitionen getätigt. Im Übrigen machten die erteilten brandschutz- und gesundheitsrechtlichen Auflagen für den Weiterbetrieb nur Sinn, wenn man diesen dem Grunde nach für genehmigungsfähig halte. Mit der Nutzungsuntersagung setze sich die Beklagte daher in Widerspruch zu ihrem bisherigen Handeln. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht sei die Charakterisierung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet zwar zutreffend. Da von dem seit Jahren völlig unauffälligen Club jedoch nachweislich keinerlei Störungen ausgingen, handle es sich um einen klassischen nichtstörenden Gewerbebetrieb. Zwischen den Grundstücken des ... Verbands und der Klägerin befänden sich ferner zwei weitere, mit großen Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke. Sichtkontakte oder das Übergreifen sonstiger Eindrücke zwischen den Liegenschaften seien damit ausgeschlossen. Ebenso wenig werde direkt angrenzende Wohnbevölkerung belästigt oder gar gestört. Schließlich sei die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig. Die Klägerin habe aus Gründen des Vertrauensschutzes jedenfalls einen Anspruch auf weitere Duldung ihres Betriebs.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2013, zugestellt am 19.10.2013, kosten- und gebührenpflichtig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Nutzung als FKK- und Sauna-Club sei in dem gegebenen faktischen allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig. Die Unvereinbarkeit mit dem Wohnen ergebe sich aus den negativen milieubedingten Auswirkungen auf das das Wohnumfeld prägende soziale Klima. Dies stelle ein wesentliches Stören dar, das auch einer ausnahmsweisen Zulassung entgegenstehe. Auf konkrete Beeinträchtigungen oder darauf, ob sich Nachbarn über Auswirkungen beschwerten, komme es für die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit demgegenüber nicht an. Lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung vor, müsse eine solche bei Nichtvorliegen besonderer Umstände auch ausgesprochen werden. Dies sei erforderlich, um der Aufgabe der Baurechtsbehörde nachzukommen, dafür Sorge zu tragen, dass die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Da bereits die Feststellung ausreiche, dass besondere Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von einem Einschreiten geböten, nicht vorlägen, sei es im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens irrelevant, ob der bordellartige Betrieb tatsächlich feststellbare nachteilige Auswirkungen auf besonders schützenswerte Einrichtungen in der Nähe habe. Die Nutzungsuntersagung sei auch verhältnismäßig. Die Klägerin könne sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, da sie vor Aufnahme ihres Betriebs die erforderliche Baugenehmigung nicht eingeholt habe und daher mit dem Risiko leben müsse, dass ihre Investitionen im Falle einer Nutzungsuntersagung verloren seien. Darüber hinaus könne davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Investitionen, insbesondere diejenigen in die erforderlichen Anpassungen für den Brandschutz, auch bei rechtmäßigen Nutzungen angefallen wäre. Überdies stellten die angegebenen 30.000,00 Euro angesichts der mit bordellartigen Betrieben zu erzielenden enormen Einnahmen keine Größe dar, die aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu einem Absehen von einer Nutzungsuntersagung führen müssten. Das Verhalten der Beklagten sei auch nicht widersprüchlich gewesen. Bei ihren Forderungen zum Brand- und Gesundheitsschutz aus den Jahren 2010 und 2011 sei es um gefahrenabwehrrechtliche Belange gegangen, die schneller als und unabhängig von bauplanungsrechtlichen Fragen zu klären gewesen seien. Sie stünden damit einer späteren, aus bauplanungsrechtlichen Gründen ausgesprochenen Nutzungsuntersagung nicht entgegen. Dass die Beklagte mit einer Nutzungsuntersagung bis ins Jahr 2013 zugewartet habe, sei für die Klägerin im Vergleich zu einer sofortigen Nutzungsuntersagung insgesamt eher günstig. Hierdurch habe sie den Betrieb länger ausüben und Gewinne erzielen können.
Am 18.11.2013 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen und trägt vor, die streitbefangene Liegenschaft werde seit Jahren zur Ausübung der Prostitution genutzt, ohne dass es je zu milieubedingten Störungen gekommen sei. Im Hinblick auf die erwartete weitere Duldung nicht zuletzt auf der Grundlage der Forderungen und Auflagen der Beklagten in der Zeit von 2009 bis 2012 habe sie sehr erhebliche Investitionen von insgesamt 154.215,41 Euro getätigt und darüber hinaus Inventar für 62.236,35 Euro angeschafft. Mit der Nutzungsuntersagung handle die Beklagte im Hinblick darauf widersprüchlich. Diese widerspreche außerdem deren langjähriger Verwaltungspraxis. Die Beklagte habe nach ihrem bisherigen Konzept sowohl Saunaclubs als auch Terminwohnungen zur Ausübung der Prostitution grundsätzlich geduldet, sofern diese keine städtebaulichen Spannungen verursacht hätten. Es sei davon auszugehen, dass in Baden-Baden gegenwärtig ca. 20 bis 25 derartiger Einrichtungen betrieben würden. Die Klägerin könne insoweit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung verlangen. Sofern die Beklagte ihre Verwaltungspraxis ändern wolle, müsse sie nachprüfbar nicht nur ein neues Handlungskonzept, sondern auch dessen planvolle Umsetzung in der alltäglichen Verwaltungspraxis, insbesondere das planmäßige Vorgehen gegen bereits vorhandene geduldete Einrichtungen, darlegen. Die Nutzungsuntersagung stelle sich jedenfalls unter Vertrauensschutzaspekten als unverhältnismäßig dar. Keiner der Anwohner habe sich über den Betrieb des Clubs auch nur beschwert, so dass ein nachbarschützender Anspruch zur Wahrung des Gebietscharakters konstruiert wirke. Vor dem Hintergrund der in Erfüllung städtischer Auflagen getätigten erheblichen Investitionen für den Gesundheit- und Brandschutz verletze die Untersagung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Unabhängig hiervon sei sie nach wie vor der Auffassung, dass es sich bei der untersagten Nutzung um einen klassischen nicht störenden Gewerbebetrieb handle. Im Hinblick auf Funktion und Zweck des Prostitutionsgesetzes erschienen die allein generell-präventiven Erwägungen im Widerspruchsbescheid zu einer generellen Unvereinbarkeit von Wohnnutzung und Clubbetrieb rechtlich nicht haltbar.
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Die Klägerin beantragt,
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die Nutzungsuntersagungsverfügung der Beklagten vom 07.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 18.10.2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, die Nutzungsuntersagung sei schon aufgrund der formellen Baurechtswidrigkeit gerechtfertigt. Die Nutzung sei darüber hinaus aus den in den angefochtenen Bescheiden genannten Gründen materiell baurechtswidrig und verstoße seit ihrer Aufnahme gegen planungsrechtliche Vorschriften. An der städtebaulichen Bewertung ändere auch der Hinweis auf das Prostitutionsgesetz nichts. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe das Vorhaben auch zu städtebaulichen Spannungen geführt und Störungen verursacht. Unter anderem habe der Betrieb zu Nachbarbeschwerden aus dem Bereich der ... Straße geführt. Einen Genehmigungsanspruch aufgrund langjähriger Verwaltungspraxis gebe es nicht. Weder habe die Beklagte der Klägerin eine Genehmigung zugesichert noch eine solche in vergleichbaren Fällen erteilt. Die Nutzungsuntersagung sei ermessensfehlerfrei ausgesprochen worden. Ein Anspruch auf Duldung bestehe nicht. Die angegriffene Verfügung diene der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände und insbesondere der Erhaltung des Gebietscharakters eines allgemeinen Wohngebiets, dem entscheidendes Gewicht zukomme. Des Weiteren müssten die sich aus den zugelassenen Beschwerden ergebenden Störungen ebenso berücksichtigt werden wie die angestrebte Aufwertung des Wohngebiets. Besondere Umstände, die es ausnahmsweise angezeigt erscheinen ließen, von einem Einschreiten abzusehen, lägen nicht vor. Der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung stehe auch nicht der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Man habe die Klägerin bereits am 15.07.2010 unterrichtet, dass die ungenehmigt vorgenommenen Nutzungsänderung wohl nicht genehmigungsfähig sei, woraufhin sie ihren Antrag auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis für einen Barbetrieb in ihrem Sauna-Club zurückgezogen habe. Auch aus dem vordringlichen Tätigwerden wegen der Brandschutzmängel oder der Auflage des Gesundheitsamts im Hinblick auf den Whirlpool habe die Klägerin nicht schließen können, dass auf ein Einschreiten verzichtet werde. Die Beklagte habe auch schriftlich ausdrücklich betont, dass eine Entscheidung über die baurechtliche Zulässigkeit noch ergehe. Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes sei nicht zu prüfen gewesen, ob die Nutzung baurechtlich genehmigt bzw. grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Diese Prüfung gehöre auch nicht zum Aufgabenbereich der Gewerbeaufsicht. Ihre Investitionen begründeten von daher keinen Vertrauensschutz, zumal die Klägerin in der Zwischenzeit erhebliche Einnahmen erzielt habe. Das Einschreiten gegen ihren Betrieb sei auch nicht willkürlich erfolgt. Die Beklagte greife in Umsetzung eines im Jahr 2013 verabschiedeten Vergnügungsstättenkonzept baurechtswidrige Nutzungen im Bereich der Prostitution gemessen am jeweiligen Störungsgrad und im Rahmen ihrer personellen Möglichkeiten auf. Das Vergnügungsstättenkonzept treffe nicht nur Negativaussagen zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit von Vergnügungsstätten und Bordellen, sondern weise auch mögliche Eignungsgebiete aus.
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Die Beklagte hat das von Ihrem Gemeinderat am 25.11.2013 beschlossene Vergnügungsstättenkonzept für die Stadt ... vorgelegt.
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Die Kammer hat das Betriebsgrundstück und seine nähere Umgebung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.07.2014 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin den Vorsitzenden und die beisitzenden Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
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Für das weitere Vorbringen der Beteiligten sowie die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden und der beisitzenden Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit vom 23.07.2014 hinderte eine Entscheidung der Kammer in der Sache nicht. Das gegen alle beteiligten Berufsrichter der Kammer gerichtete Ablehnungsgesuch konnte unberücksichtigt bleiben, da die Klägerin für dieses keine individuellen Ablehnungsgründe geltend gemacht, sondern ausschließlich Gründe anführt hat, die eine Befangenheit der abgelehnten Richter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu begründen vermögen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.03.2013 – 1 BvR 2853/11, Rdnrn. 28 ff.; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2011 – 4 BN 13/11, Rdnr. 2 ; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 54 Rdnr. 16; Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25.Ergl. 2013, § 54 Rdnr. 55 m.w.N.).
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Soweit die Klägerin eine Besorgnis der Befangenheit damit begründen möchte, ihr Antrag auf Terminsverlegung vom 13.07.2014 habe nicht abgelehnt werden dürfen, ist der Ablehnungsantrag schon deswegen unzulässig, weil sie sich zunächst in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt hat. Denn damit hat sie ihr Ablehnungsrecht insoweit verloren (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO, vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 54 Rdnr. 14a m.w.N.). Die Ablehnung der Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, an der ohnehin nicht alle abgelehnten Richter mitgewirkt haben, könnte die Besorgnis der Befangenheit im Übrigen in der Sache allenfalls dann begründen, wenn erhebliche Gründe für die Terminsverlegung offensichtlich vorgelegen hätten, die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar gewesen und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt worden wäre oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung eines Beteiligten aufgedrängt hätte (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2006 – V ZB 194/05, Rdnr. 31 ; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 42 Rdnr. 23 m.w.N.). Dies ist aus den in der gerichtlichen Verfügung vom 15.07.2014 genannten Gründen, die einer Terminsverlegung entgegen standen, aber offensichtlich nicht der Fall.
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Soweit das Ablehnungsgesuch darauf gestützt wird, die Kammer habe den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Beweisantrag nicht ablehnen dürfen, ist es ebenfalls von vorneherein untauglich. Denn die bloße Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung wie die Ablehnung des Beweisantrags kann einen Befangenheitsgrund der abgelehnten Richter schlechterdings nicht begründen (vgl. Bundesverfassungsgericht, a.a.O, Rdnr. 30 ). Das prozessuale Ablehnungsrecht kann insbesondere nicht dazu missbraucht werden, um die Unanfechtbarkeit der in § 146 Abs. 2 VwGO genannten Zwischenentscheidungen zu umgehen und den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens auf diese Weise zu verzögern. Eine andere Beurteilung der Rechtslage genügt daher regelmäßig nicht, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.10.2011 – 9 B 82.11, Rdnr. 5 ). Dementsprechend kann ein Ablehnungsgesuch allenfalls dann auf die Fehlerhaftigkeit einer Zwischenentscheidung gestützt werden, wenn schlüssig dargetan wird, dass diese auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.08.2012 – VII B 183/11, Rdnrn. 13 f.; Beschluss vom 29.11.1999 – XI B 41/99, Rdnr. 9; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.06.1991 – 5 ER 614/90, Rdnr. 4 ). Auf derartige Umstände hat sich die Klägerin in ihrem Ablehnungsgesuch aber nicht bezogen, sondern den Berufsrichtern der Kammer in der Sache lediglich pauschal die nach ihrer Auffassung zu Unrecht erfolgte Ablehnung des Beweisantrags vorgeworfen. Individuelle Ablehnungsgründe sind damit nicht beschrieben. Das Ablehnungsgesuch stellte sich damit als offenkundig rechtsmissbräuchlich dar.
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2. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Nach § 65 Satz 2 LBO kann die Nutzung untersagt werden, wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt vor, wenn die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2009 – 5 S 347/09, Rdnr. 22 m.w.N. ).
24 
aa) Die Nutzung des von der Klägerin angemieteten Anwesens zur Prostitution ist nicht von einer Baugenehmigung gedeckt. Bauaufsichtlich genehmigt sind die Nutzungen des Untergeschosses als Laden (Videothek), des Erdgeschosses als Naturheilkundepraxis sowie des Obergeschosses als Büroräume. Der Betrieb des „...“ stellt sich im Vergleich hierzu als aliud dar, für das insbesondere im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit grundlegend andere Anforderungen gelten, so dass sich die Genehmigungsfrage insoweit neu stellt (vgl. hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 – 3 S 2236/11, Rdnrn. 11 ff. ).
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bb) Die aufgenommene Nutzung verstößt seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht.
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Bei dem von der Kammer in Augenschein genommenen FKK- und Sauna-Club der Klägerin handelt es sich unzweifelhaft und von der Klägerin auch nicht bestritten um einen bordellartigen Betrieb, dessen Geschäftszweck in der Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Erbringung sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt besteht. Gewerberechtlich angemeldet als gewerbliche Zimmervermietung werden neben Sauna und Whirlpool ein Erotikkino und Zimmer vorgehalten, die zur Ausübung der Prostitution gegen individuelle Bezahlung genutzt werden können.
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Für das Gebiet, in dem das Baugrundstück belegen ist, existiert kein Bebauungsplan. Da es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens daher nach § 34 BauGB. Danach sind Vorhaben zulässig, die sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, sofern die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
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Die Kammer bewertet das Baugebiet nach der Inaugenscheinnahme der Umgebungsbebauung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 4 BauNVO. Dabei sieht die Kammer die angrenzende Bebauung zwischen der ... Straße und der ... Straße, insbesondere die Bebauung entlang der im rückwärtigen Bereich des Baugrundstücks verlaufenden ... Straße als prägenden Bebauungszusammenhang an. Maßstabsbildend ist dabei die Umgebung, soweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (st. Rspr., vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.05.2014 – 4 B 38.13, Rdnr. 7 m.w.N. ). Nach diesem Maßstab wirkt sich das Vorhaben auf die benachbarte Bebauung auf der südlichen Seite der ... Straße und entlang der ... Straße aus. Die Umgebung wird ihrerseits durch die dortige, in großen Teilen von ihrem Erscheinungsbild einheitliche Bebauung eines ehemaligen Kasernengeländes geprägt.
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Die so abgegrenzte nähere Umgebung charakterisiert sich wesentlich durch die dort vorherrschende Wohnnutzung. Das Stadtteilzentrum der Caritas mit den Bedürfnissen der Anwohnerschaft dienenden Einrichtungen ist als wohngebietstypisch einzustufen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Nur vereinzelt finden sich gewerbliche Nutzungen wie den benachbarten Getränkemarkt und das von der Klägerin im selben Gebäude betriebene Restaurant. Diese stellen ihrerseits schon ihrem Umfang nach das Vorherrschen der Wohnnutzung nicht in Frage. Ihrer Art nach erweisen sie sich ebenfalls als in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) oder jedenfalls als nicht wesentlich störend (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Gleiches gilt für die ebenfalls vorkommenden Verwaltungsgebäude, welche dem Gebiet ihrerseits ebenso wenig das Gepräge geben (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Die Umgebung ist daher, was von der Klägerin ursprünglich auch nicht bestritten wurde, als faktisches allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren.
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Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1 BauNVO). Allgemein zulässig sind dort neben Wohngebäuden unter anderem die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Sonstige nicht störende Gewerbebetriebe können ausnahmsweise zugelassen werden (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Der bordellartige Betrieb der Klägerin stellt sich dort weder als allgemein zulässig noch als ausnahmsweise zulassungsfähig dar. Denn in einem – auch faktischen – allgemeinen Wohngebiet ist die gewerbsmäßige Ausübung der Prostitution auf Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise bauplanungsrechtlich als generell unzulässig anzusehen, ohne dass es auf das jeweilige Störpotenzial im Einzelfall ankäme. Dies folgt aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den den bauplanungsrechtlichen Begriffen des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zur Prostitution oder zu prostitutionsähnlichen Zwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, welche die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten und allgemein Belästigungen befürchten lassen, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.1997 – 4 B 8.97, Rdnr. 8; Beschluss vom 28.06.1995 – 4 B 137.95, Rdnr. 3; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 – OVG 10 S 3.05, Rdnr. 11; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.1995 - 5 S 846/95; Rdnr. 21 ; Stühler, BauR 2010, S. 1013, 1033). Aus dem Prostitutionsgesetz kann die Klägerin unabhängig von der hier nicht streiterheblichen gaststättenrechtlichen Bewertung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.03.2009 – 8 B 2/09 ) mit Blick auf das Bauplanungsrecht nichts Abweichendes ableiten (vgl. hierzu Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.06.2010 – 1 A 659/08, Rdnr. 7; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 – OVG 10 S 3.05, Rdnr. 13; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.01.2004 – 8 B 11983/03.OVG, Rdnr. 5; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2002 – 5 S 149/01, Rdnr. 28 ).
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Selbst wenn man entgegen der Einschätzung der Kammer von einem Mischgebietscharakter der Umgebungsbebauung ausgehen wollte, stünde der Charakter des Betriebs der Klägerin seiner bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit entgegen. Denn auch in Mischgebieten sind bordellartige Betriebe aufgrund der mit ihnen regelmäßig verbundenen Auswirkungen, insbesondere der typischen milieubedingten Unruhe, mit der umliegenden Wohnnutzung schlechterdings unvereinbar. Sie sind als von der Typik her generell störende Gewerbebetriebe auch in Mischgebieten, erst Recht aber in allgemeinen Wohngebieten wie hier, weder zulässig noch zulassungsfähig (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.09.2013 – 4 C 8.12, Rdnr. 14 m.w.N. ).
32 
Da die Ausübung der Prostitution in dem Gebäude zu keinem Zeitpunkt mit dem materiellen Baurecht in Einklang stand, kann sich die Klägerin insoweit auch nicht mit Blick auf die bisherige Nutzung durch andere Betreiber auf Bestandsschutz berufen.
33 
cc) Nachdem die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung mithin vorlagen, stand es im Ermessen der Beklagten, eine solche auch zu verfügen. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) im Zusammenhang mit der Untersagungsentscheidung liegen nicht vor.
34 
Dies gilt einerseits für das Entschließungsermessen. Insoweit war zugunsten der Klägerin insbesondere kein schutzwürdiges Vertrauen zu berücksichtigen.
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Nachdem für das Grundstück eine Baugenehmigung zur Nutzung als bordellartiger Betrieb nicht vorlag, durfte die Klägerin allein aus dem Umstand, dass das Gebäude in der Vergangenheit bereits unbeanstandet zu Prostitutionszwecken genutzt worden war, nicht darauf schließen, dass die Bauaufsicht der Beklagten auch zukünftig nicht gegen die baurechtswidrige Nutzung einschreiten würde. Eine schlichte, hier allein in Rede stehende passive Duldung hindert ein Einschreiten ohne Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzlich nicht (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.05.2012 – 14 CS 12.242, Rdnr. 18; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.11.2008 – 7 A 103/08, Rdnrn. 48 f. ). Die Befugnis zum Erlass bauaufsichtlicher Maßnahmen unterliegt mangels verzichtbarer subjektiver Rechtsposition auch nicht der Verwirkung (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014 – 15 ZB 12.2736, Rdnr. 18; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.06.2012 – 8 A 10291/12, Rdnr. 28 ), zumal die Voraussetzungen einer solchen ohnehin nicht gegeben wären. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass das Gewerbeaufsichtsamt der Beklagten am 12.08.2010 eine gesundheitspolizeiliche Anordnung getroffen und ihr Bauordnungsamt die Beseitigung der brandschutzrechtlichen Mängel prioritär behandelt hat. Gleiches gilt für Einschätzungen der Gewerbeaufsicht hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Klägerin und der Störungsintensität des Betriebs. Das Gewerbeaufsichtsamt ist, was der Klägerin auch bekannt sein musste, im Rahmen seiner Tätigkeit schon nicht berufen, Aussagen zur Baurechtskonformität der Gebäudenutzung zu treffen. Entsprechende bindende schriftliche Zusicherungen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) lassen sich den Akten des Gewerbeaufsichtsamtes auch nicht entnehmen. Vielmehr wurde sie von dort ausweislich einer Aktennotiz vom 15.07.2010 über die Problematik der baurechtlichen Zulässigkeit der Nutzungsänderung informiert. Seitens des Bauordnungsamts wurde die Klägerin bereits im Mai 2011 mündlich darauf hingewiesen, dass der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung beabsichtigt sei. Eben diese Ankündigung führte noch im selben Monat zur Mandatierung der ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin. Nach Durchführung eines Ortstermins und Feststellung sowohl erheblicher Abweichungen der tatsächlichen Situation von dem genehmigten Bestand als auch von brandschutzrechtlichen Mängeln hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2011 mitgeteilt, dass aus Gründen der Gefahrenabwehr zunächst die brandschutztechnischen erforderlichen Maßnahmen zu klären und umzusetzen seien. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über die baurechtliche Zulässigkeit des Betriebs der Klägerin noch ausstehe. Zur Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit mit Schreiben vom 30.04.2012 angeforderte Bauvorlagen hat die Klägerin am 06.06.2012 vorgelegt. Nach Mitteilung des Ergebnisses der baurechtlichen Prüfung mit Schreiben vom 03.08.2012 und mündlicher Besprechung am 26.09.2012 konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass eine Nutzungsuntersagung entgegen der Ankündigung der Beklagten nicht ergeht und ihr Betrieb weiter geduldet wird. Im Übrigen war es in Anbetracht der insoweit drohenden Gefahren für Leib und Leben auch in der Sache angebracht, dass die Beklagte zunächst die Einhaltung der brandschutzrechtlichen Vorgaben sichergestellt hat, bevor sie das Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Nutzungsuntersagung fortgeführt hat. Darüber, dass eine solche droht, konnten bei der Klägerin vernünftige Zweifel nicht bestehen.
36 
Einen Vertrauensschutz und eine entsprechende Ermessensreduzierung kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte gegen andere Prostitutionsbetriebe in ihrem Zuständigkeitsbereich in der Vergangenheit nicht bauaufsichtlich vorgegangen ist. Das Einschreiten gegen die Klägerin verstößt insoweit insbesondere nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn ihr Betrieb wurde nicht willkürlich herausgegriffen, sondern die Beklagte geht in Umsetzung ihres Vergnügungsstättenkonzepts nach und nach gegen baurechtswidrige Prostitutionsbetriebe vor und nimmt hierbei – was nicht zu beanstanden ist – sachlich begründete Priorisierungen vor (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.02.1992 – 7 B 106/91, Rdnr. 2; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 – 3 S 1962/13, Rdnr. 50 ). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung ist hierin selbst dann nicht zu sehen, wenn die Beklagte – wie die Klägerin vorträgt – gegen Bordellbetriebe, die sie trotz Gebietsunverträglichkeit mangels Nachbarbeschwerden im Einzelfall nicht als wesentlich störend eingestuft hat, in der Vergangenheit nicht bauaufsichtlich vorgegangen sein sollte. Eine Selbstbindung auch für zukünftige Fälle kann hierin jedenfalls nicht gesehen werden, solange die Beklagte hiergegen nunmehr wie hier planmäßig vorgeht und nicht nur Einzelfälle willkürlich herausgreift. Aus einer rechtlich fehlerhaften Duldung anderer Betreiber könnte die Klägerin einerseits kein eigenes Recht auf Duldung herleiten, da ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht besteht (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.12.2013 – OVG 10 S 26.13, Rdnr. 14 ). Im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot ist es darüber hinaus zum anderen ohne Belang, dass die Beklagte bereits vor Fertigstellung des am 25.11.2013 von ihrem Gemeinderat beschlossenen Vergnügungsstättenkonzepts entschieden hat, gegen den Betrieb der Klägerin einzuschreiten (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 – 3 S 1962/13, Rdnr. 53 ).
37 
Die Nutzungsuntersagung stellt sich in der Sache auch unter Berücksichtigung der Investitionen der Klägerin, welche diese ohne Vorliegen der erforderlichen Baugenehmigung und zumindest teilweise erst nach der Ankündigung des Erlasses einer Nutzungsuntersagung und damit letztlich auf eigenes Risiko durchgeführt hat, als verhältnismäßig dar. Darauf, ob der Betrieb über die aktenkundigen Beschwerden hinaus von der Nachbarschaft tatsächlich als störend empfunden oder diese erheblich und spürbar beeinträchtigt wird, kommt es insoweit nicht entscheidend an (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55.07, Rdnr. 6 zum bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz). Es stellt sich insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft dar, dass die Beklagte den Belangen des – Nachbarschutz entfaltenden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.08.2013 – 4 B 39.13, Rdnrn. 3 f. m.w.N. ) – Gebietserhaltungsanspruchs und den in der angefochtenen Entscheidung dargelegten städtebaulichen Zielen höheres Gewicht beigemessen hat als dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Fortführung der baurechtswidrigen Nutzung. Im Übrigen ist hinsichtlich der Entscheidung über das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände der Begründungspflicht regelmäßig bereits damit genügt, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Baurechtswidrigkeit beseitigt werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.08.1980 – 4 B 67.80, Rdnr. 6; Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 14.08.2013 – 3 L 4/08, Rdnr. 110 ). Vom Normalfall abweichende Umstände liegen mit Blick auf den der Gebietstypik widersprechende Nutzung jedenfalls nicht vor (vgl. hierzu auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2003 – 5 S 2750/01, Rdnr. 28 ).
38 
b) Die Zwangsgeldandrohung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 23 LVwVG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, da die Beklagte für die Einstellung des Betriebs eine Frist von zwei Monaten ab Bestandskraft der Untersagungsverfügung gesetzt hat (§ 2 Nr. 1 LVwVG). Hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeld (§§ 23, 19 Abs. 3 LVwVG) hat die Klägerin nichts erinnert.
39 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40 
3. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
41 
Beschluss
42 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 19.11. 2013 gemäß §§ 52 Abs. 1 GKG auf 60.600,00 Euro festgesetzt. Dabei hat sich die Kammer unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestandspläne für die Schätzung des durch die Nutzungsuntersagung verursachten Schadens gemäß Ziff. 9.4 an Ziff. 9.1.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit angelehnt (404 Quadratmeter multipliziert mit 150,00 Euro).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
19 
1. Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden und der beisitzenden Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit vom 23.07.2014 hinderte eine Entscheidung der Kammer in der Sache nicht. Das gegen alle beteiligten Berufsrichter der Kammer gerichtete Ablehnungsgesuch konnte unberücksichtigt bleiben, da die Klägerin für dieses keine individuellen Ablehnungsgründe geltend gemacht, sondern ausschließlich Gründe anführt hat, die eine Befangenheit der abgelehnten Richter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu begründen vermögen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.03.2013 – 1 BvR 2853/11, Rdnrn. 28 ff.; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2011 – 4 BN 13/11, Rdnr. 2 ; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 54 Rdnr. 16; Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25.Ergl. 2013, § 54 Rdnr. 55 m.w.N.).
20 
Soweit die Klägerin eine Besorgnis der Befangenheit damit begründen möchte, ihr Antrag auf Terminsverlegung vom 13.07.2014 habe nicht abgelehnt werden dürfen, ist der Ablehnungsantrag schon deswegen unzulässig, weil sie sich zunächst in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt hat. Denn damit hat sie ihr Ablehnungsrecht insoweit verloren (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO, vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 54 Rdnr. 14a m.w.N.). Die Ablehnung der Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, an der ohnehin nicht alle abgelehnten Richter mitgewirkt haben, könnte die Besorgnis der Befangenheit im Übrigen in der Sache allenfalls dann begründen, wenn erhebliche Gründe für die Terminsverlegung offensichtlich vorgelegen hätten, die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar gewesen und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt worden wäre oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung eines Beteiligten aufgedrängt hätte (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2006 – V ZB 194/05, Rdnr. 31 ; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 42 Rdnr. 23 m.w.N.). Dies ist aus den in der gerichtlichen Verfügung vom 15.07.2014 genannten Gründen, die einer Terminsverlegung entgegen standen, aber offensichtlich nicht der Fall.
21 
Soweit das Ablehnungsgesuch darauf gestützt wird, die Kammer habe den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Beweisantrag nicht ablehnen dürfen, ist es ebenfalls von vorneherein untauglich. Denn die bloße Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung wie die Ablehnung des Beweisantrags kann einen Befangenheitsgrund der abgelehnten Richter schlechterdings nicht begründen (vgl. Bundesverfassungsgericht, a.a.O, Rdnr. 30 ). Das prozessuale Ablehnungsrecht kann insbesondere nicht dazu missbraucht werden, um die Unanfechtbarkeit der in § 146 Abs. 2 VwGO genannten Zwischenentscheidungen zu umgehen und den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens auf diese Weise zu verzögern. Eine andere Beurteilung der Rechtslage genügt daher regelmäßig nicht, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.10.2011 – 9 B 82.11, Rdnr. 5 ). Dementsprechend kann ein Ablehnungsgesuch allenfalls dann auf die Fehlerhaftigkeit einer Zwischenentscheidung gestützt werden, wenn schlüssig dargetan wird, dass diese auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.08.2012 – VII B 183/11, Rdnrn. 13 f.; Beschluss vom 29.11.1999 – XI B 41/99, Rdnr. 9; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.06.1991 – 5 ER 614/90, Rdnr. 4 ). Auf derartige Umstände hat sich die Klägerin in ihrem Ablehnungsgesuch aber nicht bezogen, sondern den Berufsrichtern der Kammer in der Sache lediglich pauschal die nach ihrer Auffassung zu Unrecht erfolgte Ablehnung des Beweisantrags vorgeworfen. Individuelle Ablehnungsgründe sind damit nicht beschrieben. Das Ablehnungsgesuch stellte sich damit als offenkundig rechtsmissbräuchlich dar.
22 
2. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
a) Nach § 65 Satz 2 LBO kann die Nutzung untersagt werden, wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt vor, wenn die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2009 – 5 S 347/09, Rdnr. 22 m.w.N. ).
24 
aa) Die Nutzung des von der Klägerin angemieteten Anwesens zur Prostitution ist nicht von einer Baugenehmigung gedeckt. Bauaufsichtlich genehmigt sind die Nutzungen des Untergeschosses als Laden (Videothek), des Erdgeschosses als Naturheilkundepraxis sowie des Obergeschosses als Büroräume. Der Betrieb des „...“ stellt sich im Vergleich hierzu als aliud dar, für das insbesondere im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit grundlegend andere Anforderungen gelten, so dass sich die Genehmigungsfrage insoweit neu stellt (vgl. hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 – 3 S 2236/11, Rdnrn. 11 ff. ).
25 
bb) Die aufgenommene Nutzung verstößt seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht.
26 
Bei dem von der Kammer in Augenschein genommenen FKK- und Sauna-Club der Klägerin handelt es sich unzweifelhaft und von der Klägerin auch nicht bestritten um einen bordellartigen Betrieb, dessen Geschäftszweck in der Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Erbringung sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt besteht. Gewerberechtlich angemeldet als gewerbliche Zimmervermietung werden neben Sauna und Whirlpool ein Erotikkino und Zimmer vorgehalten, die zur Ausübung der Prostitution gegen individuelle Bezahlung genutzt werden können.
27 
Für das Gebiet, in dem das Baugrundstück belegen ist, existiert kein Bebauungsplan. Da es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens daher nach § 34 BauGB. Danach sind Vorhaben zulässig, die sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, sofern die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
28 
Die Kammer bewertet das Baugebiet nach der Inaugenscheinnahme der Umgebungsbebauung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 4 BauNVO. Dabei sieht die Kammer die angrenzende Bebauung zwischen der ... Straße und der ... Straße, insbesondere die Bebauung entlang der im rückwärtigen Bereich des Baugrundstücks verlaufenden ... Straße als prägenden Bebauungszusammenhang an. Maßstabsbildend ist dabei die Umgebung, soweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (st. Rspr., vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.05.2014 – 4 B 38.13, Rdnr. 7 m.w.N. ). Nach diesem Maßstab wirkt sich das Vorhaben auf die benachbarte Bebauung auf der südlichen Seite der ... Straße und entlang der ... Straße aus. Die Umgebung wird ihrerseits durch die dortige, in großen Teilen von ihrem Erscheinungsbild einheitliche Bebauung eines ehemaligen Kasernengeländes geprägt.
29 
Die so abgegrenzte nähere Umgebung charakterisiert sich wesentlich durch die dort vorherrschende Wohnnutzung. Das Stadtteilzentrum der Caritas mit den Bedürfnissen der Anwohnerschaft dienenden Einrichtungen ist als wohngebietstypisch einzustufen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Nur vereinzelt finden sich gewerbliche Nutzungen wie den benachbarten Getränkemarkt und das von der Klägerin im selben Gebäude betriebene Restaurant. Diese stellen ihrerseits schon ihrem Umfang nach das Vorherrschen der Wohnnutzung nicht in Frage. Ihrer Art nach erweisen sie sich ebenfalls als in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) oder jedenfalls als nicht wesentlich störend (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Gleiches gilt für die ebenfalls vorkommenden Verwaltungsgebäude, welche dem Gebiet ihrerseits ebenso wenig das Gepräge geben (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Die Umgebung ist daher, was von der Klägerin ursprünglich auch nicht bestritten wurde, als faktisches allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren.
30 
Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1 BauNVO). Allgemein zulässig sind dort neben Wohngebäuden unter anderem die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Sonstige nicht störende Gewerbebetriebe können ausnahmsweise zugelassen werden (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Der bordellartige Betrieb der Klägerin stellt sich dort weder als allgemein zulässig noch als ausnahmsweise zulassungsfähig dar. Denn in einem – auch faktischen – allgemeinen Wohngebiet ist die gewerbsmäßige Ausübung der Prostitution auf Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise bauplanungsrechtlich als generell unzulässig anzusehen, ohne dass es auf das jeweilige Störpotenzial im Einzelfall ankäme. Dies folgt aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den den bauplanungsrechtlichen Begriffen des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zur Prostitution oder zu prostitutionsähnlichen Zwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, welche die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten und allgemein Belästigungen befürchten lassen, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.1997 – 4 B 8.97, Rdnr. 8; Beschluss vom 28.06.1995 – 4 B 137.95, Rdnr. 3; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 – OVG 10 S 3.05, Rdnr. 11; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.1995 - 5 S 846/95; Rdnr. 21 ; Stühler, BauR 2010, S. 1013, 1033). Aus dem Prostitutionsgesetz kann die Klägerin unabhängig von der hier nicht streiterheblichen gaststättenrechtlichen Bewertung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.03.2009 – 8 B 2/09 ) mit Blick auf das Bauplanungsrecht nichts Abweichendes ableiten (vgl. hierzu Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.06.2010 – 1 A 659/08, Rdnr. 7; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 – OVG 10 S 3.05, Rdnr. 13; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.01.2004 – 8 B 11983/03.OVG, Rdnr. 5; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2002 – 5 S 149/01, Rdnr. 28 ).
31 
Selbst wenn man entgegen der Einschätzung der Kammer von einem Mischgebietscharakter der Umgebungsbebauung ausgehen wollte, stünde der Charakter des Betriebs der Klägerin seiner bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit entgegen. Denn auch in Mischgebieten sind bordellartige Betriebe aufgrund der mit ihnen regelmäßig verbundenen Auswirkungen, insbesondere der typischen milieubedingten Unruhe, mit der umliegenden Wohnnutzung schlechterdings unvereinbar. Sie sind als von der Typik her generell störende Gewerbebetriebe auch in Mischgebieten, erst Recht aber in allgemeinen Wohngebieten wie hier, weder zulässig noch zulassungsfähig (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.09.2013 – 4 C 8.12, Rdnr. 14 m.w.N. ).
32 
Da die Ausübung der Prostitution in dem Gebäude zu keinem Zeitpunkt mit dem materiellen Baurecht in Einklang stand, kann sich die Klägerin insoweit auch nicht mit Blick auf die bisherige Nutzung durch andere Betreiber auf Bestandsschutz berufen.
33 
cc) Nachdem die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung mithin vorlagen, stand es im Ermessen der Beklagten, eine solche auch zu verfügen. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) im Zusammenhang mit der Untersagungsentscheidung liegen nicht vor.
34 
Dies gilt einerseits für das Entschließungsermessen. Insoweit war zugunsten der Klägerin insbesondere kein schutzwürdiges Vertrauen zu berücksichtigen.
35 
Nachdem für das Grundstück eine Baugenehmigung zur Nutzung als bordellartiger Betrieb nicht vorlag, durfte die Klägerin allein aus dem Umstand, dass das Gebäude in der Vergangenheit bereits unbeanstandet zu Prostitutionszwecken genutzt worden war, nicht darauf schließen, dass die Bauaufsicht der Beklagten auch zukünftig nicht gegen die baurechtswidrige Nutzung einschreiten würde. Eine schlichte, hier allein in Rede stehende passive Duldung hindert ein Einschreiten ohne Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzlich nicht (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.05.2012 – 14 CS 12.242, Rdnr. 18; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.11.2008 – 7 A 103/08, Rdnrn. 48 f. ). Die Befugnis zum Erlass bauaufsichtlicher Maßnahmen unterliegt mangels verzichtbarer subjektiver Rechtsposition auch nicht der Verwirkung (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014 – 15 ZB 12.2736, Rdnr. 18; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.06.2012 – 8 A 10291/12, Rdnr. 28 ), zumal die Voraussetzungen einer solchen ohnehin nicht gegeben wären. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass das Gewerbeaufsichtsamt der Beklagten am 12.08.2010 eine gesundheitspolizeiliche Anordnung getroffen und ihr Bauordnungsamt die Beseitigung der brandschutzrechtlichen Mängel prioritär behandelt hat. Gleiches gilt für Einschätzungen der Gewerbeaufsicht hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Klägerin und der Störungsintensität des Betriebs. Das Gewerbeaufsichtsamt ist, was der Klägerin auch bekannt sein musste, im Rahmen seiner Tätigkeit schon nicht berufen, Aussagen zur Baurechtskonformität der Gebäudenutzung zu treffen. Entsprechende bindende schriftliche Zusicherungen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) lassen sich den Akten des Gewerbeaufsichtsamtes auch nicht entnehmen. Vielmehr wurde sie von dort ausweislich einer Aktennotiz vom 15.07.2010 über die Problematik der baurechtlichen Zulässigkeit der Nutzungsänderung informiert. Seitens des Bauordnungsamts wurde die Klägerin bereits im Mai 2011 mündlich darauf hingewiesen, dass der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung beabsichtigt sei. Eben diese Ankündigung führte noch im selben Monat zur Mandatierung der ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin. Nach Durchführung eines Ortstermins und Feststellung sowohl erheblicher Abweichungen der tatsächlichen Situation von dem genehmigten Bestand als auch von brandschutzrechtlichen Mängeln hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2011 mitgeteilt, dass aus Gründen der Gefahrenabwehr zunächst die brandschutztechnischen erforderlichen Maßnahmen zu klären und umzusetzen seien. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über die baurechtliche Zulässigkeit des Betriebs der Klägerin noch ausstehe. Zur Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit mit Schreiben vom 30.04.2012 angeforderte Bauvorlagen hat die Klägerin am 06.06.2012 vorgelegt. Nach Mitteilung des Ergebnisses der baurechtlichen Prüfung mit Schreiben vom 03.08.2012 und mündlicher Besprechung am 26.09.2012 konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass eine Nutzungsuntersagung entgegen der Ankündigung der Beklagten nicht ergeht und ihr Betrieb weiter geduldet wird. Im Übrigen war es in Anbetracht der insoweit drohenden Gefahren für Leib und Leben auch in der Sache angebracht, dass die Beklagte zunächst die Einhaltung der brandschutzrechtlichen Vorgaben sichergestellt hat, bevor sie das Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Nutzungsuntersagung fortgeführt hat. Darüber, dass eine solche droht, konnten bei der Klägerin vernünftige Zweifel nicht bestehen.
36 
Einen Vertrauensschutz und eine entsprechende Ermessensreduzierung kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte gegen andere Prostitutionsbetriebe in ihrem Zuständigkeitsbereich in der Vergangenheit nicht bauaufsichtlich vorgegangen ist. Das Einschreiten gegen die Klägerin verstößt insoweit insbesondere nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn ihr Betrieb wurde nicht willkürlich herausgegriffen, sondern die Beklagte geht in Umsetzung ihres Vergnügungsstättenkonzepts nach und nach gegen baurechtswidrige Prostitutionsbetriebe vor und nimmt hierbei – was nicht zu beanstanden ist – sachlich begründete Priorisierungen vor (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.02.1992 – 7 B 106/91, Rdnr. 2; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 – 3 S 1962/13, Rdnr. 50 ). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung ist hierin selbst dann nicht zu sehen, wenn die Beklagte – wie die Klägerin vorträgt – gegen Bordellbetriebe, die sie trotz Gebietsunverträglichkeit mangels Nachbarbeschwerden im Einzelfall nicht als wesentlich störend eingestuft hat, in der Vergangenheit nicht bauaufsichtlich vorgegangen sein sollte. Eine Selbstbindung auch für zukünftige Fälle kann hierin jedenfalls nicht gesehen werden, solange die Beklagte hiergegen nunmehr wie hier planmäßig vorgeht und nicht nur Einzelfälle willkürlich herausgreift. Aus einer rechtlich fehlerhaften Duldung anderer Betreiber könnte die Klägerin einerseits kein eigenes Recht auf Duldung herleiten, da ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht besteht (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.12.2013 – OVG 10 S 26.13, Rdnr. 14 ). Im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot ist es darüber hinaus zum anderen ohne Belang, dass die Beklagte bereits vor Fertigstellung des am 25.11.2013 von ihrem Gemeinderat beschlossenen Vergnügungsstättenkonzepts entschieden hat, gegen den Betrieb der Klägerin einzuschreiten (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 – 3 S 1962/13, Rdnr. 53 ).
37 
Die Nutzungsuntersagung stellt sich in der Sache auch unter Berücksichtigung der Investitionen der Klägerin, welche diese ohne Vorliegen der erforderlichen Baugenehmigung und zumindest teilweise erst nach der Ankündigung des Erlasses einer Nutzungsuntersagung und damit letztlich auf eigenes Risiko durchgeführt hat, als verhältnismäßig dar. Darauf, ob der Betrieb über die aktenkundigen Beschwerden hinaus von der Nachbarschaft tatsächlich als störend empfunden oder diese erheblich und spürbar beeinträchtigt wird, kommt es insoweit nicht entscheidend an (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55.07, Rdnr. 6 zum bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz). Es stellt sich insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft dar, dass die Beklagte den Belangen des – Nachbarschutz entfaltenden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.08.2013 – 4 B 39.13, Rdnrn. 3 f. m.w.N. ) – Gebietserhaltungsanspruchs und den in der angefochtenen Entscheidung dargelegten städtebaulichen Zielen höheres Gewicht beigemessen hat als dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Fortführung der baurechtswidrigen Nutzung. Im Übrigen ist hinsichtlich der Entscheidung über das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände der Begründungspflicht regelmäßig bereits damit genügt, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Baurechtswidrigkeit beseitigt werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.08.1980 – 4 B 67.80, Rdnr. 6; Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 14.08.2013 – 3 L 4/08, Rdnr. 110 ). Vom Normalfall abweichende Umstände liegen mit Blick auf den der Gebietstypik widersprechende Nutzung jedenfalls nicht vor (vgl. hierzu auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2003 – 5 S 2750/01, Rdnr. 28 ).
38 
b) Die Zwangsgeldandrohung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 23 LVwVG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, da die Beklagte für die Einstellung des Betriebs eine Frist von zwei Monaten ab Bestandskraft der Untersagungsverfügung gesetzt hat (§ 2 Nr. 1 LVwVG). Hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeld (§§ 23, 19 Abs. 3 LVwVG) hat die Klägerin nichts erinnert.
39 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40 
3. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
41 
Beschluss
42 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 19.11. 2013 gemäß §§ 52 Abs. 1 GKG auf 60.600,00 Euro festgesetzt. Dabei hat sich die Kammer unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestandspläne für die Schätzung des durch die Nutzungsuntersagung verursachten Schadens gemäß Ziff. 9.4 an Ziff. 9.1.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit angelehnt (404 Quadratmeter multipliziert mit 150,00 Euro).
43 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13 zitiert 18 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete


(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als 1.Wohnbauflächen(W)2.gemischte Bauflächen(M)3.gewerbliche Bauflächen(G)4.Sonderbauflächen

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 54


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwal

Zivilprozessordnung - ZPO | § 43 Verlust des Ablehnungsrechts


Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 3323/13 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Gründe 1 1. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen alle Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist offensichtlich missbräuchlich. Es ist deswegen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Okt. 2009 - 5 S 347/09

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Tenor Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 06. November 2008 - 9 K 1660/07 - wird geändert. Der Nutzungsuntersagungsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidium

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

1

1. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen alle Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist offensichtlich missbräuchlich. Es ist deswegen unter Mitwirkung der abgelehnten, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts aber zuständigen Richter zu verwerfen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <37>; stRspr). Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens soll der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771).

2

Offensichtlich missbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch jedenfalls dann, wenn es sich nicht gegen einen einzelnen Richter, sondern gegen ein ganzes Kollegium richtet und nur mit solchen Umständen begründet wird, die die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (Beschluss vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28). Das ist hier der Fall.

3

Die bloße Vorbefassung der zur Entscheidung berufenen Richter mit der Sache vermag die Besorgnis der Befangenheit von vornherein nicht zu begründen (Beschluss vom 4. Mai 2009 - BVerwG 8 B 20.09 - juris Rn. 11). Soweit der Antragsteller den Befangenheitsantrag gegen die zur Entscheidung berufenen Senatsmitglieder (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke) "nunmehr auch noch zusätzlich" damit begründet, der so besetzte Spruchkörper habe im Verfahren BVerwG 4 BN 13.10 unter Umgehung und Verletzung der für die Behandlung von Ablehnungsgesuchen anerkannten Regeln ohne richterlichen Hinweis und ohne vorherige Anhörung über seine Ablehnungsanträge selbst entschieden, beschränkt sich auch dieses Vorbringen auf den Einwand der Vorbefassung. Die Ablehnung früherer Befangenheitsanträge begründet keine "neue" Tatsache für eine Befangenheit; der offensichtliche Missbrauch des Ablehnungsrechts liegt auf der Hand. Die Prüfung des erneuten Ablehnungsantrags setzt auch keine Beurteilung des eigenen Verhaltens der abgelehnten Richter voraus und ist deshalb keine Entscheidung in eigener Sache. Im Übrigen wiederholt der Antragsteller weitgehend sein Vorbringen in früheren Verfahren und begründet nochmals, aus welchen Gründen nach seiner Ansicht die Revision jeweils hätte zugelassen oder einem Befangenheitsgesuch stattgegeben werden müssen.

4

Soweit das Ablehnungsgesuch die nicht an dieser Entscheidung mitwirkenden Mitglieder des Senats betrifft, fehlt es überdies am Rechtsschutzbedürfnis, weil diese Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan mangels Vertretungsfall nicht zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen sind.

5

2. Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat die Nichtigkeitsklage sowohl als unzulässig als auch als unbegründet abgewiesen. Ist die Entscheidung der Vorinstanz auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4, stRspr). Wenn nur bezüglich einer selbständig tragenden Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

7

Der Antragsteller greift beide Teile der Begründung an. Da jedenfalls in Bezug auf den zweiten Teil der Begründung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Klage unbegründet ist, die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen, kann die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben.

8

2.1 Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

9

Der Antragsteller rügt, das Oberverwaltungsgericht habe durch die unterlassene Aufklärung der Tatsachen, die der in Rede stehenden geschäftsverteilungsplanmäßigen Umverteilung zu Grunde lagen, gegen seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen (Beschwerdebegründung S. 22).

10

Der gemachte Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Ferner kann ein Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung nur vorliegen, wenn die vermisste Aufklärung auf der Grundlage der Rechtsansicht des Tatsachengerichts geboten war, denn ein Gericht ist nur gehalten, diejenigen Beweise zu erheben, die nach seiner Rechtsauffassung erforderlich sind.

11

Den genannten Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Zum einen wird nicht dargelegt, dass die jetzt vermissten Aufklärungsmaßnahmen in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt worden wären; zum anderen fehlt es insbesondere an einer Darlegung, dass es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts auf die vermisste Tatsachenaufklärung überhaupt angekommen wäre. Es genügt daher nicht, darauf zu verweisen, der Antragsteller habe beim Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts erfolglos die Beiziehung der Besetzungsakten sowie Verwaltungsvorgänge und aller in den Jahren 2008 und 2009 vom 1., 6. und 8. Senat bearbeiteten Prozessakten beantragt. Dass er einen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, macht der Antragsteller nicht geltend. Er zeigt auch nicht auf, dass das Gericht, das seine Rechtsauffassung im Einzelnen dargelegt und unter anderem zutreffend darauf hingewiesen hat, dass eine übermäßige oder ungenügende Auslastung eines Spruchkörpers nicht erst bei einem Änderungsbeschluss gemäß § 21e Abs. 3 GVG, sondern schon von vornherein vermieden werden muss, von Amts wegen Anlass zu weiterer Sachaufklärung gehabt hätte. Auch ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen gerichtlichen Verfahrens ist nicht zu erkennen.

12

Soweit der Antragsteller eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht (Beschwerdebegründung S. 24), und dabei bemängelt, das Gericht sei nicht auf alle seine rechtlichen Überlegungen eingegangen, wirft er der Vorinstanz im Wesentlichen vor, es sei seiner Rechtsauffassung nicht gefolgt. Damit kann eine Verfahrensrüge jedoch nicht begründet werden.

13

Das gilt auch soweit der Antragsteller rügt, das Urteil gebe wesentliche Teile des vom Antragsteller vorgetragenen und zweifelsohne objektiv entscheidungserheblichen Prozessstoffes nicht wieder (Beschwerdebegründung S. 20). Auch hier zeigt er keinen Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf, sondern setzt seine Rechtsauffassung zur Bedeutung des Abstraktionsprinzips und des Erfordernisses der Vorausbestimmtheit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entgegen.

14

2.2 Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

15

Die Beschwerde wirft die Frage auf:

Ist eine Umverteilung bereits anhängiger Verfahren nur im Falle einer ansonsten nicht hinreichenden Berücksichtigung kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang und damit nur als ultima ratio zulässig, d.h. beispielsweise nur dann, wenn infolge einer Beschränkung der Umverteilung auf nur neu anhängige Verfahren andere kollidierende Verfassungsgüter, insbesondere die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, über einen unzumutbar langen Zeitraum hinweg nicht mehr gewährleistet wären?

16

Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da sie, soweit der aufgeführte Beispielsfall betroffen ist, auf einem Sachverhalt beruht, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Denn nach den Feststellungen des Gerichts sind nicht ausschließlich anhängige Verfahren im neuen Kalenderjahr einem anderen Senat zugewiesen worden. Vielmehr ist der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts für sämtliche Verfahren zuständig geworden, die aus dem betreffenden Landkreis stammen, somit also auch - und in erster Linie - für neu anhängig werdende Verfahren. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch grundlegend von demjenigen, der dem von der Beschwerdebegründung genannten Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 - (NJW 2005, 2689) zu Grunde liegt. Denn die dort angegriffene - überdies nachträgliche - Änderung eines Geschäftsverteilungsplans erfasste ausschließlich ein einziges bereits anhängiges Verfahren. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass gegen eine Regelung des jährlichen Geschäftsverteilungsplans, nach der auch alle noch anhängigen Sachen eines Sachgebiets auf einen anderen Senat übergehen, nichts einzuwenden ist (Urteil vom 18. Oktober 1990 - BVerwG 3 C 19.88 - Buchholz 300 § 21e GVG Nr. 19 S. 3 f.)

17

Die Fragen:

Auf welche Weise kann sichergestellt werden, dass sich die mit der richterlichen Geschäftsverteilung zusammenhängenden Vorgänge nicht in einer für die Öffentlichkeit verborgenen und öffentlicher Kontrolle gänzlich oder weitgehend entzogenen Sphäre abspielen? Welche grundlegenden Verfahrensvorkehrungen müssen getroffen werden, damit eine möglichst umfassende möglichst manipulationsfeste Transparenz des gesamten mit Erlass und Änderung eines richterlichen Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Verfahrens in der Öffentlichkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt sichergestellt ist?

Welche der Wichtigkeit des grundrechtlichen Schutzguts angemessenen materiell-inhaltlichen Anforderungen sind an die mit Erlass und Änderung eines richterlichen Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Entscheidungen und ihre Begründung zu stellen, damit bislang mögliche, so gut wie nie erkannte bzw. aufgedeckte und tatsächlich ganz offensichtlich aber leider sehr wohl vorkommende Manipulationen künftig erkannt und/oder im Idealfalle zumindest erschwert oder gar unmöglich gemacht werden können?

würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen und überdies nicht grundsätzlich geklärt werden können. Das Oberverwaltungsgericht nimmt in seinem Urteil Bezug auf das Antwortschreiben des Präsidenten dieses Gerichts auf vom Antragsteller gestellte Anfragen zum hier maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2009. Danach berücksichtigt diese Geschäftsverteilung die Belastung des Vorsitzenden des erkennenden Senats durch die gleichzeitige Übernahme der Aufgaben des Vorsitzenden des 6. Senats, der durch eine Erkrankung bereits seit Monaten ausgefallen und für einen unabsehbaren Zeitraum nicht dienstfähig war. Die genannten Umstände rechtfertigen die durch den Geschäftsverteilungsplan 2009 vorgenommenen Zuweisungen auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres; weitergehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die im vorliegenden Verfahren zu klären wären, ergeben sich nicht. Im Übrigen stellt der Antragsteller selbst nicht in Abrede, dass ihm die Hintergründe für die von ihm kritisierte Geschäftsverteilung auf eine entsprechende Anfrage mitgeteilt worden sind.

18

Auch die Frage:

Hat die Nichtaufklärbarkeit oder nicht erfolgte oder unterlassene Aufklärung der mit der gerichtlichen Geschäftsverteilung zusammenhängenden tatsächlichen Vorgänge im Falle des Bestehens eines Verdachts manipulativer Zuständigkeitsveränderungen Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr zur Konsequenz?

ergibt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht von einer Nichtaufklärbarkeit ausgegangen. Auch das Bestehen eines "Verdachts manipulativer Zuständigkeit" hat es nicht angenommen.

19

2.3 Der Senat hat sämtliche Darlegungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung und der ergänzenden Begründung vom 3. Juni 2011 zur Kenntnis genommen und gewürdigt; von einer weiteren Begründung sieht der Senat jedoch nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 194/05
vom
6. April 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Über ein Ablehnungsgesuch gegen den nach § 348 oder § 348a ZPO zuständigen
Einzelrichter hat nach § 45 Abs. 1 ZPO die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnten
Richters zu entscheiden.
BGH, Beschl. v. 6. April 2006 - V ZB 194/05 - OLG Zweibrücken
LG Landau i.d. Pfalz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. November 2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufgehoben. Die Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau i.d. Pfalz vom 26. September 1995 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 31.378,00 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz von Feuchtigkeitsschäden, die nach seinem Vortrag durch Bauarbeiten an dem Haus der Beklagten auf dem benachbarten Grundstück entstanden sein sollen. Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben. Die Beklagte hat in dem Rechtsstreit Beweiseinreden gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen unter Vorlage einer Stellungnahme eines von ihr eingeholten Gutachtens erhoben.
2
Das Landgericht hat durch den Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung Termin zur Anhörung des Sachverständigen anberaumt. Dieser ist auf Anträge der Parteien mehrfach verlegt worden. Dem vierten Antrag der Beklagten auf erneute Verlegung des Termins zur Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Verhinderung des von ihr beauftragten Sachverständigen hat das Gericht nicht stattgegeben.
3
Die Beklagte hat ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters gestellt, das sie mit Äußerungen des Richters über strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Zivilrechtsstreit sowie mit der Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung begründet hat.
4
Das Landgericht hat mit Entscheidung der Kammer das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung durch den Einzelrichter an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beklagte, das Ablehnungsgesuch unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses für begründet zu erklären.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, nach der Neuregelung der funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1881, 1887) habe über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter nicht mehr die Kammer, sondern der durch deren Geschäftsverteilungsplan nach § 21g Abs. 4 GVG zu dessen Vertreter bestimmte Richter als Einzelrichter zu entscheiden.
6
Eine eigene Entscheidung in der Sache hält das Beschwerdegericht nicht für sachdienlich, weil bei prozessordnungsgemäßer Behandlung die Sache nicht bei dem Senat, sondern nach § 568 Satz 1 ZPO bei dem zuständigen Senatsmitglied als Einzelrichter angefallen wäre.

III.

7
1. a) Die Rechtsbeschwerde ist auf Grund der Zulassung im Beschluss des Beschwerdegerichts statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
8
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen nach § 575 ZPO zulässig. Die Beklagte ist durch den Beschluss des Beschwerdegerichts beschwert, obwohl das Beschwerdegericht den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 26. September 2005 aufgehoben hat. Die Beschwer wird hier durch die Nichtbescheidung des Antrags in der Sache begründet (vgl. zum Berufungsverfahren: BGHZ 18, 107, 108; 31, 358, 361).
9
2. Die Rechtsbeschwerde bleibt indes im Ergebnis ohne Erfolg.
10
a) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Bestimmung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nach § 45 Abs. 1 ZPO zuständigen Richters durch das Beschwerdegericht.
11
aa) Die Frage, ob die Kammer, ohne den abgelehnten Einzelrichter, oder der Vertreter des abgelehnten Einzelrichters, für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig ist, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte streitig.
12
Die Oberlandesgerichte Köln (OLGR 2005, 481, 482), Frankfurt (OLGR 2004, 271), Schleswig (OLGR 2005, 10, 11) sowie der 14. Zivilsenat (NJW-RR 2005, 1660) und der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 82) vertreten die Auffassung, dass auch nach den Änderungen durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz weiterhin die Kammer nach § 45 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufen sei. Demgegenüber sind die Oberlandesgerichte Karlsruhe (OLGR 2003, 523 und OLGR 2004, 490), Naumburg (OLGR 2005, 789, 791 und 830, 832), der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 592), das Kammergericht (NJW 2004, 2104, 2105) sowie das Beschwerdegericht der Ansicht, dass der Vertreter eines abgelehnten Einzelrichters als Einzelrichter für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig sei.
13
Im Schrifttum wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Kammer für diese Entscheidung zuständig sei (Hartmann in Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rdn. 4; HKZPO /Kayser, § 45 Rdn. 2; Musielak/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rdn. 2; SteinJonas /Bork, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 45 Rdn. 2; a.A. Fölsch, SchlHAnz 2004, 137 ff).
14
bb) Der Senat teilt die Auffassung des Beschwerdegerichts nicht. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter an einem Kollegialgericht wird auch nach der Neuregelung der Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO allein durch § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt. Danach ist hier die Kammer unter Ausschluss des abgelehnten Richters zuständig.
15
(1) § 45 Abs. 1 und 2 ZPO enthalten Vorschriften zur Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Der zuständige Richter für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter an einem Kollegialgericht wird durch § 45 Abs. 1 ZPO, derjenige für ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter des Amtsgerichts durch § 45 Abs. 2 ZPO festgelegt.
16
(a) Für die Zuständigkeit der Kammer spricht bereits der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO. Danach entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Der Rechtsbeschwerde ist darin zuzustimmen, dass diese Regelung nur dann einen Sinn ergibt, wenn man bei dem Landgericht unter dem Gericht im Sinne der Vorschrift die nach § 60 GVG zu bildende und nach § 72 GVG mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden besetzte Kammer versteht (so auch OLG Schleswig OLGR 2005, 10 f.), während bei einer Zuständigkeit des Einzelrichters der letzte Satzteil „ohne dessen Mitwirkung“ nicht passte, weil ein Einzelrichter nicht an der Entscheidung mitwirkt, sondern diese trifft und der abgelehnte Einzelrichter über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch nicht selbst entscheiden darf.
17
(b) Ein anderer Wille des Gesetzgebers lässt sich der Entstehungsgeschichte des Zivilprozessrechtsreformgesetzes nicht entnehmen. Diese weist vielmehr darauf hin, dass es - wie zuvor - bei der Zuständigkeit der Kammer bleiben sollte. Mit dem Reformgesetz wurde der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dahin geändert, dass der nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters passende Nachsatz „ohne dessen Mitwirkung“ eingefügt wurde. Die Begründung dazu lässt erkennen, dass insoweit eine Klarstellung entsprechend der bisherigen Rechtsprechung gewollt war und die Vorschrift damit § 27 StPO angepasst werden sollte (BT-Drucks. 14/3750, S. 189). Eine Absicht des Gesetzgebers dahin, nunmehr entsprechend den für die Hauptsache geltenden Anordnungen in §§ 348, 348a ZPO eine Zuständigkeit des Vertreters des Einzelrichters auch für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu bestimmen, lässt sich hieraus nicht entnehmen. Im Gegenteil; der aus der Begründung ersichtliche Wille des Gesetzgebers ging dahin, die bisherige, sich auf die Zuständigkeit der Kammer beziehende Rechtsprechung zu bestätigen und fortzuführen.
18
(2) Die Zuständigkeit des (Vertreters des) Einzelrichters lässt sich auch nicht unter Verweis auf die Regelung der Zuständigkeit für die Hauptsache in §§ 348, 348a ZPO damit begründen, dass diese Anordnung sich auch auf alle Nebenverfahren beziehe (so aber OLG Naumburg OLGR 2005, 789, 790). Das Verfahren in der Hauptsache und das Ablehnungsverfahren sind voneinander zu trennen. Der gesetzliche Richter für das selbständige Zwischenverfahren der Richterablehnung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 64. Aufl., § 46 Rdn. 1) ist in § 45 Abs. 1 ZPO abweichend bestimmt worden (OLG Schleswig OLGR 2005, 10, 11). Der dazu berufene Richter soll danach gerade nicht der Richter sein, der anstelle des Abgelehnten für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig wäre.
19
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aus den vorstehenden Gründen rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben.
20
aa) Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt indes nicht in Betracht, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
21
Das Rechtsbeschwerdegericht ist bei einer die Ausgangsentscheidung aufhebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts auch gegenüber der Rechtsbeschwerdeführerin zu einer solchen Endentscheidung befugt, ohne damit gegen das Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius) zu verstoßen , wenn das Beschwerdegericht auch nach einer Zurückverweisung zu keiner anderen Entscheidung in der Sache gelangen könnte (vgl. für das Revisionsverfahren : BGH, Urt. v. 22. Januar 1997, VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716).
22
bb) So ist es hier. Das Landgericht hat zu Recht das Ablehnungsgesuch der Beklagten für unbegründet erklärt. Die von der Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen.
23
(1) Eine solche Besorgnis ist aus dem in anderer Sache erfolgten, in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Hinweis auf strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten nicht gerechtfertigt.
24
(a) Das Landgericht hat die Geltendmachung dieses Ablehnungsgrundes aus einer Äußerung des Richters einem anderen Verfahren schon nach § 43 ZPO als ausgeschlossen angesehen, weil die Beklagte auch nach der jetzt als Ablehnungsgrund vorgetragenen Äußerung des Richters weiter streitig verhandelt und am Schluss jener Sitzung Sachanträge gestellt habe. Für einen solchen verfahrensübergreifenden Ausschluss hat sich das OLG Hamm (NJW 1967, 1864, 1865) ausgesprochen. Demgegenüber vertreten das OLG Karlsruhe (MDR 1992, 409) sowie das Schrifttum (HK-ZPO/Kayser, § 43 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Felber, 2. Aufl., § 43 Rdn. 8, Stein-Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 43 Rdn. 6; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 43 Rdn. 2; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 44 Rdn. 7) die Ansicht, dass der Verlust des Ablehnungsrechtes infolge weiterer Verhandlung vor dem Richter nach Kenntnis der Partei von dem Ablehnungsgrund sich nur auf das jeweilige Verfahren beziehe und dessen Geltendmachung in einem anderen Rechtsstreit nicht ausschließe (innerprozessuale Präklusionswirkung). Eine vermittelnde Auffassung (OLG Celle NJW 1960, 1670; OLG Koblenz MDR 1968, 60, 61; MDR 1989, 647) geht schließlich davon aus, dass § 43 ZPO der Geltendmachung des Ab- lehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren nur dann entgegenstehe, wenn zwischen den Verfahren ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht oder die Partei in Kenntnis des Ablehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren sich in diesem Rechtsstreit in eine Verhandlung eingelassen oder Sachanträge gestellt hat.
25
Die Rechtsbeschwerde hat die Anwendung des § 43 ZPO durch das Landgericht als rechtsfehlerhaft gerügt. Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es hier indes nicht.
26
(b) Der protokollierte Hinweis des abgelehnten Richters auf strafrechtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Verfahren ist kein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr., BGHZ 77, 70, 72; Senat, BGHZ 156, 269, 270). Dies ist hier nicht der Fall.
27
Nach dem vorgelegten Protokoll aus dem vorangegangen Rechtsstreit ist der Hinweis des abgelehnten Richters über die strafgerichtlichen Verurteilungen nicht „aus heiterem Himmel“ erfolgt, sondern war eine Reaktion auf das Vorbringen der Parteien. Die Gegenseite hatte der Beklagten (die Klägerin im vorangegangenen Verfahren war) Urkundenfälschung vorgeworfen, was die Beklagte mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen hatte, dass sie nicht vorbestraft sei.
28
(aa) Bei dieser Sachlage war ein richterlicher Hinweis auf die Verurteilungen nicht fernliegend. Angesichts dieses Streits im Vorprozess um die Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der Beklagten war der jetzt abgelehnte Richter berechtigt , die ihm bekannten Umstände dazu mitzuteilen. Rechtskräftige Verurtei- lungen einer Partei in Strafsachen, von denen der Richter aus seiner dienstlichen Tätigkeit weiß, sind gerichtsbekannte Tatsachen (Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 291 Rdn. 2). Die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen der Beklagten wegen Nötigung, übler Nachrede und falscher Verdächtigung gehörten zu den Umständen, die bei der Würdigung des Wahrheitsgehalts des Vortrags der Beklagten nach § 138 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden konnten. Der Richter ist - wenn zwischen den Parteien Streit darüber entstanden ist, ob eine Partei zur Verfolgung ihrer Ziele im Rechtsstreit möglicherweise auch vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt - im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet, diejenigen Tatsachen, die er bei der Würdigung des Vortrages der Parteien zu berücksichtigen gedenkt, den Parteien mitzuteilen, indem er sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung macht (vgl. BVerfGE 10, 177, 182). Das ist hier geschehen. Die Beklagte musste insoweit auch die Offenbarung der für sie unangenehmen Tatsache einer vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilung hinnehmen. Für die Prüfung eines vom Gegner vorgehaltenen Verstoßes gegen das Wahrheitsgebot aus § 138 Abs. 1 ZPO war es auch nicht entscheidend, dass das Strafmaß bei der vorangegangenen Verurteilung unter der für die Aufnahme in das Strafregister in § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a BRZG bestimmten Grenze zurückblieb und die Beklagte sich daher nach § 53 Abs. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte.
29
(bb) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde, dass der abgelehnte Richter den gebotenen Hinweis nicht korrekt erteilt habe. Insoweit rügt die Beklagte zwar zu Recht, dass der Richter nicht nur die einschlägigen Verurteilungen erwähnt, sondern die Klägerin als vorbestraft bezeichnet hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen der geringen Höhe der gegen sie verhängten Strafe sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte. Bei vernünftiger Würdigung des Gesamtzusammenhanges der protokollierten Vorgänge stellt sich der richterliche Hinweis jedoch nicht als unsachliches, unangemessenes Verhalten dar, das Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters begründen könnte. Bei verständiger Würdigung der Umstände war die Äußerung des Richters eine auf Grund des Vortrages der Beklagten veranlasste Reaktion, um den Eindruck zu korrigieren, dass keine strafrechtlichen Verurteilungen vorlägen , die Zweifel an der Beachtung der Wahrheitspflicht begründen könnten.
30
Der Umstand, dass die Äußerung von der Beklagten nicht beanstandet wurde, sondern die Parteien zunächst über eine vergleichsweise Lösung und nach dem Scheitern der Vergleichsbemühungen des Gerichts streitig weiter verhandelt haben, weist darauf hin, dass auch die Beklagte diesen Hinweis des Gerichts damals nicht anders verstanden hat.
31
(2) Das Ablehnungsgesuch ist auch nicht im Hinblick darauf begründet, dass der Richter dem Terminsverlegungsantrag vom 1. Juli 2005 nicht stattgegeben hat. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen , die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte (BGHZ 27, 163, 167; OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292) oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (OLG Köln NJW-RR 1997, 828; KG MDR 2005, 708). An beidem fehlt es.
32
Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Gericht die von der Beklagten geltend gemachte Verhinderung des Dipl. Ing. R. , den diese bei der Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen zuziehen wollte, zwar bei dem Antrag auf Terminsverlegung vom 31. Mai 2005 als erheblichen Grund, bei dem Antrag vom 8. Juli 2005 jedoch als unerheblich bewertet hat. Die Rechtsbeschwerde berücksichtigt nicht, dass der Antrag vom 8. Juli 2005 der vierte Terminsverlegungsantrag der Beklagten für die von ihr beantragte Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen war. Den vorhergehenden Anträgen vom 17. Mai, 31. Mai und 8. Juni 2005, die sie mit einer Verhinderung ihres Anwalts oder eines zur Anhörung hinzuzuziehenden Gehilfen begründet hatte, war von dem Richter entsprochen worden. Der Grund, den die Partei für eine Vertagung benennt, kann unterschiedlich zu würdigen sein, wenn er bei mehrfach hintereinander erfolgten Verlegungsanträgen wiederholt vorgebracht wird. Da das Gericht auch das Interesse des Gegners an einer Beendigung des Rechtsstreits berücksichtigen muss (OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292), konnte der Richter den Antrag auf Terminsverlegung wegen Verhinderung eines Gehilfen schließlich zurückweisen, ohne das Grundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör zu verletzen oder den Kläger zu bevorzugen.

III.

33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts, der hier dem Wert der Hauptsache entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1968, IV ZB 3/68, NJW 1968, 796), aus § 3 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 26.09.2005 - 2 O 182/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 18.11.2005 - 3 W 220/05 -

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 06. November 2008 - 9 K 1660/07 - wird geändert. Der Nutzungsuntersagungsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Nutzungsuntersagungsbescheid des Landratsamts Enzkreis.
Er ist Miteigentümer des im unbeplanten Innenbereich gelegenen Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) in Maulbronn. Das Grundstück ist mit einem Gebäude bebaut, in dessen Erdgeschoss sich eine Garage, ein Stall und Kellerräume befinden. In dem Stall hielt der Kläger im Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids (April 2007) zwei Schweine, eine Ziege und eine Kuh („Paula“); derzeit ist der Stall mit drei Kühen („Paula“ und zwei Abkömmlinge), einer Ziege und mehreren Hasen belegt. Das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss des Gebäudes Schafhof ... werden vom Kläger und seiner Familie zu Wohnzwecken genutzt.
Auf dem westlich anschließenden Grundstück Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof ...), das dem Kläger ebenfalls gehört, befindet sich ein „Gebäude zur landwirtschaftlichen Nutzung“, dessen Errichtung - nach Abbruch einer bereits vorhandenen Scheune - vom Landratsamt Enzkreis mit Bescheid vom 06.09.1988 genehmigt wurde. Dieses Grundstück nutzt der Kläger für die Lagerung von landwirtschaftlichen Geräten, Heu, Tierfutter und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Auf dem hieran wiederum westlich anschließenden, im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück Flst. Nr. 1445/4 (Schafhof ...) befindet sich ein Wohnhaus. In Bezug auf dieses Grundstück wurde dem Kläger mit Bescheid vom 06.05.1988 eine Genehmigung zum „Abbruch der vorhandenen Scheune“ und zum „Neubau einer Doppelhaushälfte mit Garage im EG“ erteilt.
Auf Nachbarbeschwerden hin, wonach die ursprünglich vorhandene Landwirtschaft mit Großviehhaltung im Gebäude Schafhof ... im Jahre 1983 aufgegeben, im Jahre 2005 jedoch wieder ein Rind eingestellt worden sei, wandte sich die Stadt Maulbronn an das Landratsamt mit der Bitte, die baurechtswidrige Tierhaltung zu beenden.
Am 04.01.2006 stellte das Landratsamt bei einer Ortsbesichtigung fest, dass auf dem Grundstück zwei Schweine, eine Ziege und ein Rind gehalten würden. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 30.03.2006 gab der Kläger gegenüber dem Landratsamt an, seit 1983 seien auf dem Grundstück ununterbrochen 1 bis 2 Schweine und ab dem Jahre 1991 auch eine Ziege gehalten worden. Im Zeitraum 1983 bis 2005 seien allerdings keine Rinder mehr vorhanden gewesen, erst im Juni 2005 habe er Kuh „Paula“ angeschafft. Zur Futterbeschaffung diene ein ca. 40 Ar großes Außenbereichsgrundstück, auf dem er auch Gemüse für den Eigenbedarf anpflanze. Notwendige landwirtschaftliche Geräte (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse) seien im landwirtschaftlichen Gebäude im Schafhof untergestellt. Landwirtschaft und Tierhaltung erfolgten ausschließlich zum Eigenverbrauch; etwa 2 mal im Jahr werde eine Hausschlachtung vorgenommen. Ein „Wiederauflebenlassen“ der Landwirtschaft sei nicht beabsichtigt, allerdings wolle er in dem Stall zukünftig auch ein Kalb großziehen, das nach ca. 3 Monaten entweder weiterverkauft oder nach 18 Monaten geschlachtet werden solle. Auch die Ziege solle evt. 1-2 Junge erhalten, die zum Schlachten (nach ca. 2 Monaten) großgezogen würden.
Mit Bescheid vom 19.09.2006 untersagte das Landratsamt Enzkreis dem Kläger die Nutzung des Grundstücks Schafhof ... und der darauf befindlichen Gebäude zum Zwecke der Großtierhaltung, insbesondere zur Haltung von Schweinen, Rindern und Ziegen. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, die Haltung der Rinder, des Schweins und der Ziege bis spätestens 31.12.2006 aufzugeben. Die Verfügung ist auf §§ 47 und 65 LBO gestützt. Die Haltung von Großtieren auf dem Grundstück sei baurechtlich nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig. Das Grundstück befinde sich in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO i.V.m. § 34 BauGB. In der Umgebung gebe es keine landwirtschaftlichen Betriebe und keine Großtierhaltung, weshalb nicht von einem Dorfgebiet auszugehen sei. In einem allgemeinen Wohngebiet sei die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen aber unzulässig. Sie sei auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO genehmigungsfähig, weil diese Vorschrift nur Anlagen für die Haltung von Kleintieren betreffe. Die durch die Nutzung von Rindern, Schweinen und Ziegen verursachte Geruchs- und Geräuschbelästigung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme und sei den Nachbarn nicht mehr zumutbar. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Zwar sei die Errichtung eines Stalls und damit auch die Großtierhaltung auf dem Grundstück Schafhof Nr. ... baurechtlich einmal genehmigt worden. Die Großtierhaltung sei nach dem Ableben des Vaters des Klägers im Jahre 1983 aber aufgegeben worden und wirke nach mehr als 20 Jahren nicht mehr nach.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 19.09.2006 Widerspruch, den das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 16.04.2007 mit der Maßgabe zurückwies, dass die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen zwei Monate nach Bestandskraft der Entscheidung des Landratsamts zu beenden sei. Zur Begründung wurde die Argumentation des Ausgangsbescheides vertieft und im Wesentlichen ausgeführt: Eine in früherer Zeit mit Sicherheit stattgefundene landwirtschaftliche Nutzung im Bereich Schafhof könne nicht mehr festgestellt werden. Auch würden nirgends mehr Schweine, Pferde, Kühe, Ziegen oder andere größere Nutztiere gehalten. Mit der Ausprägung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet sei eine (Hobby-)Nutztierhaltung nicht vereinbar. Der Rahmen werde vorgegeben durch § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach allenfalls Kleintierhaltung zulässig sei. Die Haltung von Schweinen, Kühen und Ziegen falle nicht hierunter. Bestandsschutz komme dem Kläger nicht zu, denn er entfalle, wenn die Nutzung über mehrere Jahre unterbrochen worden sei. Die Rechtsprechung setzt diese Grenze bei 2 Jahren an. Hier sei die Großtierhaltung einige Jahre nach dem Tod des Vaters des Klägers aufgegeben worden; für einige Jahre habe überhaupt keine Großtierhaltung mehr stattgefunden. Erst seit 1991 seien sukzessive Schweine, Ziegen und Kühe wieder angeschafft worden. Wegen Überschreitung der 2-Jahresfrist führe auch die Tatsache, dass dem Kläger von der Stadt Maulbronn im Jahr 1988 eine Gülleleitung zugestanden worden sei, zu keinem anderen Ergebnis. Außerdem falle lediglich eine im Rahmen des landwirtschaftlichen Nebenerwerbs betriebene Tierhaltung unter den Bestandsschutz, nicht aber die vom Kläger nunmehr ausgeübte Hobbytierhaltung.
Am 18.05.2007 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er beim Verwaltungsgericht im Wesentlichen vorgetragen hat: Das Gebiet Schafhof und sein Grundstück seien schon immer durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt gewesen. Noch Mitte der 1980er Jahre seien am Schafhof überwiegend landwirtschaftliche Betriebe (auch) mit Großtierhaltung angesiedelt gewesen. Er allein sei noch übrig. Vor dem Umbau des Anwesens im Jahre 1988 habe sein Vater eine Vollerwerbslandwirtschaft mit z.T. bis zu 30 Rindern und ebenso viel Schweinen betrieben, die nach dessen Tod im Jahre 1983 von ihm und seiner Mutter weitergeführt worden sei. Seine Mutter habe ihm den Betrieb 1985/1986 überlassen. Nach dem Abbruch und dem Neuaufbau der Scheuer im Jahre 1988 habe er den Tierbestand zwar reduziert und eine Nebenerwerbslandwirtschaft betrieben. Die Tierhaltung sei aber bis in die Gegenwart zu keinem Zeitpunkt aufgegeben gewesen. Seit 1983 seien ohne Unterbrechung stets 1 - 2 Schweine und seit 1991 auch eine Ziege gehalten worden. Es handele sich nicht um Hobbytierhaltung; die Tiere dienten vielmehr der Eigenversorgung der Familie und bildeten eine wesentliche Grundlage der Lebenshaltung. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks Schafhof ... im Rahmen der eigenen Bedarfsdeckung sei schon immer legal gewesen. Dies zeige sich daran, dass noch im November 1988 vom Landratsamt die Baufreigabe zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung erteilt und von der Gemeinde Maulbronn eine Gülleleitung zu dem vorhandenen Stall erlaubt worden sei. In dem im Zuge der Baulanderweiterung aufgestellten Bebauungsplan sei der Schafhof zudem als Mischgebiet ausgewiesen.
Der Beklagte hat die ergangenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt: Für den Schafhof bestehe kein Bebauungsplan. Lediglich im Flächennutzungsplan sei das Gebiet als Mischgebiet ausgewiesen. Bei der Tierhaltung des Klägers handele es sich nicht um Landwirtschaft i.S.v. § 201 BauGB, sondern um Hobbytierhaltung, die keinen Bestandsschutz vermitteln könne. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sei auch nicht schon immer legal gewesen. Die im Jahre 1987 erteilte Genehmigung zum Abbruch der Scheune und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Zwecke habe sich auf die Errichtung eines Lager- und Bergeraums bezogen, nicht aber auf die Errichtung eines Stalles und damit die Ermöglichung von Tierhaltung.
10 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage mit Urteil vom 06.11.2008 abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung sei § 65 Satz 2 LBO, dessen Voraussetzungen vorlägen. Für die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks Schafhof ... liege zwar keine Baugenehmigung vor; nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten werde das Grundstück aber seit Jahrhunderten als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. Es könne offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bei einer solchen Sachlage allein nach der materiellen Rechtslage zu beurteilen sei. Denn jedenfalls wäre die derzeitige Nutzung von einer solchen Genehmigung nicht gedeckt. Die Landwirtschaft sei bis 1973 als Vollerwerbslandwirtschaft, danach bis 1987 als Nebenerwerbslandwirtschaft geführt worden. Hiervon unterscheide sich die vom Kläger im Jahre 1987 vorgenommene Umstellung der Tierhaltung zum Eigenbedarf. Sie werde von der Variationsbreite der Genehmigung für die vorher ausgeübte Nutzung nicht mehr erfasst, sondern stelle eine andersartige Nutzung dar. Die Tierhaltung zum Eigenbedarf erfülle nicht den Begriff des landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes, denn es fehle an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Zwar trage die Tierhaltung des Klägers zur Versorgung der Familie und damit zur Ersparnis von Aufwendungen bei, dies sei mit einer Gewinnerzielungsabsicht aber nicht gleichzusetzen, weil ersparte Aufwendungen keine positiven Einkünfte verschafften. Auch besitze der Kläger nur wenige Tiere und sei sein Kapitaleinsatz entsprechend gering. Die Tierhaltung zum Eigenbedarf werde baurechtlich auch nicht als Minus von dem Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs umfasst, was sich an § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zeige, wonach die Tierhaltung zu Eigenbedarf von der Privilegierung nicht erfasst sei. Die Frage, welche Nutzungsformen zum Begriff des landwirtschaftlichen Betriebes gehörten, könne im Baurecht nur einheitlich beantwortet werden. Deshalb gelte die Wertung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auch für Tierhaltung im Innenbereich. Das - unterstellte - Vorliegen einer Baugenehmigung für die frühere landwirtschaftliche Nutzung vermittele der derzeitigen Nutzung auch keinen Bestandsschutz, weil diese außerhalb der Variationsbreite der Genehmigung läge. Für einen über Art. 14 Abs. 1 GG vermittelten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz sei daneben kein Raum. Auch aus der am 06.09.1988 erteilten Genehmigung für die Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung folge kein Bestandsschutz. Denn diese Genehmigung beschränke sich auf das Grundstück Schafhof .../1 (Flst. Nr. 1445/2) und erfasse nicht die in den Bauzeichnungen nur nachrichtlich mitgeteilte Stallnutzung auf dem Grundstück Schafhof .... Entsprechendes gelte für die mit Bescheid vom 28.10.1987 erteilten Genehmigungen der Stadt Maulbronn für die Abwasserleitungen, die für die Grundstücke Schafhof .../1 und ... erteilt worden seien. Auch aus der Genehmigung einer Gülleleitung für das Grundstück Schafhof ... lasse sich nicht schließen, dass auch die landwirtschaftliche Nutzung dieses Grundstücks durch das zuständige Landratsamt baurechtlich genehmigt sei.
11 
Die Nutzung des Grundstücks zur Tierhaltung zum Eigenbedarf sei auch materiell illegal. Bauplanungsrechtlich sei sie an § 34 BauGB zu messen. Die nähere Umgebung entspreche bereits seit 1987 einem reinen Wohngebiet i.S.d. § 3 BauNVO. Solche Gebiete dienten ausschließlich dem Wohnen. Die Tierhaltung des Klägers sei weder nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig noch nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB und § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise genehmigungsfähig. Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB lägen nicht vor. Dabei könne offen bleiben, ob überhaupt einer der drei Befreiungsgründe eingreifen würde. Denn jedenfalls ergebe eine Würdigung der nachbarlichen Belange, dass die Tierhaltung des Klägers für die Nachbarn nicht zumutbar sei. Die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen sei typischerweise mit erheblichen Geräusch- und Geruchsimmissionen verbunden und die Bebauung des Schafhofs sei zu dicht, als dass eine Beeinträchtigung der Nachbarn ausgeschlossen wäre. Mit einer Großtierhaltung verbundene Immissionen hätten diese nicht hinzunehmen. Selbst wenn die vom Kläger ausgeübte Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre, ändere sich nichts am Ergebnis. Denn die Nutzung füge sich nicht in die nähere, durch Wohnnutzung geprägte Umgebung ein. Sie führe zur Beeinträchtigungen der Nachbarschaft, die diese nicht hinnehmen müssten.
12 
Mit Beschluss vom 05.02.2009 hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung gegen dieses Urteil wegen Vorliegens ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen.
13 
Daraufhin hat der Kläger seine Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ob eine bestimmte Nutzung eine baurechtlich bedeutsame Nutzungsänderung darstelle, sei danach zu entscheiden, welche Nutzung genehmigt worden sei bzw. Bestandsschutz genieße. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass seine derzeitige Tierhaltung keinen Bestandsschutz genieße. Unstreitig werde das Grundstück bereits seit Jahrhunderten als Hofstelle genutzt. Noch bis 1973 habe sein Vater dort eine Vollerwerbslandwirtschaft betrieben, die dann altersbedingt bis 1983 als Nebenerwerbslandwirtschaft mit einem über Jahre reduzierten Viehbestand fortgesetzt worden sei. 1983 seien noch 6 Rinder und ca. 15 Scheine gehalten worden. Aus Altersgründen habe seine Mutter das Grundstück je zur Hälfte auf die beiden Söhne übertragen. Er habe auf seinem Grundstücksteil den vorhandenen Stall bestehen lassen und in den Jahren 1988 bis 1990 die baufällige Scheune - überwiegend in Eigenarbeit - neu aufgebaut. Zuvor seien im Jahre 1986 die letzten 4 Rinder verkauft worden, da die an der Hofstelle vorbeiführende Straße saniert worden sei und die aus dem Stall quer über die Straße verlaufende Gülleleitung die Sanierungsarbeiten behindert hätte. Aus diesem Grund sei er mit der Stadt Maulbronn übereingekommen, die Gülleleitung vorübergehend während der Bauarbeiten stillzulegen, wofür ihm die Wiedererrichtung der Leitung zugesichert worden sei. Jährlich mindestens 2 Schweine seien aber auch während der gesamten Dauer des Abbruchs und Wiederaufbaus der Scheune gemästet und geschlachtet worden. Mit Fertigstellung des Neubaus im Jahre 1990 sei der Stall wieder mit einer größeren Anzahl von Schweinen und Ziegen belegt worden. Festzuhalten sei, dass er - nachdem ihm seine Mutter den Betrieb übergeben habe - ununterbrochen Schweine und Ziegen gehalten habe. Die Änderung des Viehbestands nach Zahl und Zusammensetzung ändere nichts an dem gegebenen Bestandsschutz, weil die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert geblieben sei. Auch eine vorübergehende faktische Beendigung der Nutzung bringe den Bestandsschutz nicht zum Erlöschen, da dieser über eine gewisse Zeitspanne nachwirke, innerhalb derer an den früheren Zustand wieder angeknüpft werden dürfe. Er habe zu keiner Zeit erkennbar gemacht, seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgeben zu wollen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hänge der Bestandsschutz auch nicht vom Fortbestand eines landwirtschaftlichen Voll- oder Nebenerwerbsbetriebes ab. Die Überlegungen des Verwaltungsgerichts zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienten dem Schutz des Außenbereichs und seien auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Auch wenn die Tierhaltung nicht als Nebenerwerbslandwirtschaft anzusehen sei, diene sie doch der Selbstversorgung seiner Familie und sei damit nicht nur ein Hobby, sondern ein landwirtschaftlicher Gewerbebetrieb. Weder die Haltung von Schweinen und Ziegen noch die Haltung der 2005 angeschafften Kuh „Paula“ überschreite den durch den Bestandsschutz gesteckten Rahmen. Die Untersagungsverfügung stehe zudem in Widerspruch zu der im Jahre 1987 erteilen Genehmigung zum Abbruch und Neuaufbau seiner Scheune. Diese Genehmigung legalisiere ausdrücklich den Bau eines Gebäudeteils zur landwirtschaftlichen Nutzung, weshalb im Nachhinein nicht von einem reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO ausgegangen werden könne. Daran ändere auch nichts, dass sich diese Genehmigung auf das Grundstück Schafhof .../1 (Flst. Nr. 1445/2) beziehe. Dieses Grundstück bilde zusammen mit dem Grundstück Schafhof Nr. ... (Flst. Nr. 1445/1) seit jeher eine Einheit, wie sich bereits daraus ergebe, dass in der Baugenehmigung ein „Gebäudeteil“ genehmigt worden sei.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 06.11.2008 - 9 K 1660/07 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 aufzuheben.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Zur Begründung beruft er sich auf den Sachvortrag in erster Instanz und führt ergänzend aus: Seit der Änderung der BauNVO im Jahre 1990 sei Kleintierhaltung in Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO grundsätzlich in allen Baugebietstypen gestattet, in Wohn- und Mischgebieten allerdings nur als hobbymäßige Haltung. Die Nutztierhaltung sei in Wohn- und Mischgebieten unzulässig, weil sie den Rahmen der Liebhaberei übersteige. Nach Verkauf der restlichen Rinder im Jahre 1986 und der Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1987 seien auf dem Grundstück des Klägers lediglich in deutlich reduziertem Umfang Schweine und Ziegen gehalten worden, welche allerdings nicht zu den Großtieren gehörten. Es lasse sich nicht begründen, dass mit dem Einstellen der Kuh „Paula“ im Jahre 2005 die frühere Großtierhaltung weitergeführt werde, denn von 1988 bis 2005 habe keine solche Haltung mehr stattgefunden. Mit einem Wiederaufnehmen der Großtierhaltung sei nach so einem langen Zeitraum nicht mehr zu rechnen gewesen, ein etwaiger Bestandsschutz sei deshalb untergegangen. Auch für die weitere Nutztierhaltung sei kein Bestandsschutz anzuerkennen. Die derzeitige Tierhaltung zur Selbstversorgung werde nicht mehr von der Variationsbreite der - zugunsten des Klägers unterstellten - Baugenehmigung für die landwirtschaftliche Nutzung des Anwesens erfasst. Denn die im Verhältnis zur ursprünglichen Nutzung verringerte Zahl der gehaltenen Schweine und Ziegen, insbesondere deren dann nur noch hobbymäßige Haltung zur Eigenversorgung stelle eine andersartige Nutzung dar. Mit der Aufgabe des letzten landwirtschaftlichen Betriebs in dem Gebäude des Klägers und der damit einhergehenden Aufgabe der Nutztierhaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Zwecks in den Jahren 1986/1987 sei der Gebietscharakter von einem faktischen Dorfgebiet zu einem Wohngebiet „gekippt“. Die Änderung der Nutzungsart sei spätestens mit dem Um- bzw. Ausbau der Gebäude zu Wohnzwecken auch nach außen sichtbar geworden. Deshalb könne sich die frühere Nutzung des Anwesens des Klägers nicht mehr prägend auf den Gebietscharakter auswirken. Auch dann, wenn man davon ausgehe, dass sich die Umgebung aufgrund einer reduzierten Fortführung der Nutztierhaltung nicht einem Gebiet i.S.d. BauNVO zuordnen lasse, ergebe sich die Zulässigkeit der Tierhaltung nicht unter dem Aspekt des Bestandsschutzes. Die Angaben des Klägers zur Anzahl der gehaltenen Tiere und zu den maßgeblichen Zeiträumen ergäben keine eindeutige Sachlage. Nur im Zeitraum von 1994 bis 1997 sei eine Nutztierhaltung (Schweine, Geflügel) eindeutig belegt. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass er aus Unkenntnis in den darauffolgenden Jahren bis 2004 keine Tierbestandsmeldung an die Tierseuchenkasse gemeldet habe, sei dies als Schutzbehauptung zu werten. Vielmehr sei davon auszugehen, das spätestens seit 2001 keine dauerhafte Unterbringung von Tieren auf dem Grundstück mehr erfolgt und die Tierhaltung erst 2005 mit der Meldung an die Tierseuchenkasse wieder fortgeführt worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe aber die BauNVO in der heutigen Fassung gegolten und sei eine prägende Nutztierhaltung nicht mehr vorhanden gewesen. Die Umgebung habe sich zwischenzeitlich der neuen Rechtslage entsprechend darauf eingestellt, dass in dem Gebäude keine Nutztierhaltung mehr stattfinde. Zudem sei auch eine Tierhaltung zum Zwecke der Eigenversorgung - halte man die durchgängige Tierhaltung selbst für nachgewiesen - weder formell durch eine Baugenehmigung abgedeckt noch in materieller Hinsicht zulässig. Durch die veränderte Nutzung sei die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen. Die Untersagung der Tierhaltung stehe auch nicht in Widerspruch zu der im Jahre 1987 erteilten Genehmigung zum Abbruch einer Scheune und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung. Der Gebäudeteil sei nur als „Lager- und Bergeraum“, aber nicht zur Tierhaltung genehmigt worden. Dieser Raum werde auch tatsächlich nicht zum Zweck der Tierhaltung genutzt. Außerdem habe im Jahre 1987 noch von der Zulässigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen werden können, denn das Anwesen des Klägers als letzte landwirtschaftliche Hofstelle sei damals noch existent gewesen. Mit endgültigem Verzicht auf die Fortführung der Landwirtschaft sei die Umgebung aber zum Wohngebiet geworden. Zugleich sei damit die erteilte Baugenehmigung hinsichtlich der genehmigten baulichen Maßnahmen verbraucht und hinsichtlich der zugelassenen Nutzung - nach Ablauf der dreijährigen Geltungsdauer - erloschen.
19 
Der Kläger hat hierauf erwidert: Es sei unmaßgeblich, ob Schweine und Ziegen nach der BauNVO 1990 hobbymäßig in Wohn- und Mischgebieten gehalten werden dürften. Entscheidend seien die von einer solchen Tierhaltung auf ihre Umgebung einwirkenden Immissionen. Insofern habe sich aber durch das Einstellen einer Kuh im Jahre 2005 und die - aus Kapazitätsgründen - hiermit einhergehende Reduktion des Schweinebestandes allenfalls zugunsten der Umgebung etwas geändert. Rinderhaltung stelle grundsätzlich eine emissionsarme Tierhaltung dar. Die mehr als 30 m entfernt liegenden Nachbarn seien deshalb keinen unzumutbaren Belästigungen ausgesetzt. Das laute Muhen der Kuh, gegen das sich die Nachbarbeschwerden ursprünglich gerichtet hätten, habe längst aufgehört, nachdem das Tier sich an seinen neuen Stall gewöhnt habe. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei eine zur Eigenversorgung weitergeführte Tierhaltung als funktionsgerechte Nutzung einer landwirtschaftlichen Hofstelle und nicht als Hobby anzusehen. Aber auch dann, wenn es sich um ein „Hobby“ handele, sei die Tierhaltung in Wohngebieten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Entscheidend sei, dass der Bestandschutz an die von ihm niemals aufgegebene Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen anknüpfe. Ob die Haltung im Rahmen einer Voll- oder Nebenerwerbslandwirtschaft erfolge, sei irrelevant. Eine Aufgabe der Tierhaltung lasse sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht daraus schließen, dass in den Jahren 1998 bis 2004 keine Bestandmeldung an die Tierseuchenkasse erfolgt sei. Die vorgelegten Tierarztrechnungen aus den Jahren 1998 und 2000 belegten auch für diese Zeit einen Tierbestand.
20 
Dem Senat haben die einschlägigen Akten des Landratsamts Enzkreis und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vorgelegen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Grundstücks des Klägers und dessen näherer Umgebung. Bezüglich der dort getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15.10.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Sie ist daher aufzuheben (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
22 
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt, untersagt werden. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG - wie bei einer Abbruchsanordnung - voraus, dass die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 -, juris Rdnr. 55; Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, juris Rdnr. 21; Beschl. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, DÖV 1996, 750 = VBlBW 1996, 300 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Da es sich bei der angefochtenen Nutzungsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen, soweit es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht; für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung des Beklagten ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 - , a.a.O.).
23 
1. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat ist die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) durch eine Baugenehmigung gedeckt.
24 
a) Allerdings ergibt sich dies nicht schon aus der dem Kläger erteilten Baugenehmigung vom 06.05.1988 zum Abbruch einer Scheune und Neubau einer Einfamiliendoppelhaushälfte mit Garage. Diese Genehmigung betrifft zum einen das Flurstück Nr. 1445/4 (Schafhof ...) und legalisiert zum anderen nicht die Tierhaltung. Auch die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 06.09.1988 zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung betrifft nicht das streitgegenständliche Grundstück, sondern das angrenzende Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof .../1).
25 
b) Die Tierhaltung auf dem Flurstück Nr. 1445/1 ist jedoch von Alters her genehmigt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wurde das Grundstück jahrhundertelang, noch bis in die 1980er Jahre hinein, unbeanstandet als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten gegenüber dem Senat zudem erklärt, es sei unstreitig, dass die auf dem Grundstück früher betriebene Vollerwerbs- und Nebenerwerbslandwirtschaft (baurechtlich) genehmigt gewesen sei. Dies wird auch durch die vorliegende „Genehmigungsurkunde für Bausachen nach § 114 WürttBauO“ vom 11.11.1952 bestätigt (VG-Akte Bl. 147), wonach „im Dachstock des bestehenden Wohngebäudes Schafhof ... nebst Vornahme von baulichen Veränderungen an dem schon bestehenden Dachaufbau“ der Einbau einer Wohnung genehmigt wurde. In dieser Urkunde wird Bezug genommen auf einen Bauplan vom 22.08.1952, in dem (als Bestand) im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... ein Farrenstall und ein Stall eingezeichnet sind. In Bezug auf den Farrenstall findet sich eine Roteinzeichnung, die vermutlich bereits im Jahre 1947 Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens war. Eine Baugenehmigungsurkunde liegt insoweit zwar nicht vor; auch sind der WürttBauO damaliger Fassung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ein Stall zum damaligen Zeitpunkt genehmigungsfrei errichtet werden konnte. Vor dem Hintergrund spricht jedoch - ungeachtet des Fehlens einer förmlichen (Bau-)Genehmigung zur Legalisierung der Tierhaltung - gleichwohl auch nach Aktenlage alles dafür, dass die Tierhaltung in dem Gebäude von Alters her formell legal ist und sich insbesondere auf die Haltung der bei landwirtschaftlichen Betrieben in der Region traditionell zu findenden Tierarten (Rinder, Schweine, Ziegen, Geflügel) erstreckt.
26 
c) Die Legalisierungsfunktion der von Alters her bestehenden Baugenehmigung ist in der Folgezeit auch nicht entfallen. Eine Baugenehmigung bleibt (bei je nach Bezugszeitraum direkter oder sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG) wirksam, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 19.07.1989 - 8 S 1869/89 -, NVwZ-RR 1990, 171; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, juris Rdnrn. 32-34; im Ausgangspunkt auch Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, BauR 2003, 1539 = juris Rdnr. 31f). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es insoweit keinen vom einfachen Recht losgelösten, bundesrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG vorgegebenen Bestandsschutz: Handelt es sich bei einer Genehmigungsnorm um eine solche des Landesrechts, so beurteilt sich nach diesem Recht, ob und wie sich nachträgliche Veränderungen auf den in früherer Zeit legal geschaffenen Baubestand auswirken (BVerwG, Urt. v. 07.11.1997 - 4 C 7.97 -, NVwZ 1998, 735).
27 
Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rücknahme, einen Widerruf, eine anderweitige Aufhebung der Baugenehmigung oder deren Beendigung durch Zeitablauf (z.B. auch nach Art. 114, Art. 117 WürttBauO) bestehen hier nicht. Nach Lage der Dinge kommt allein der Beendigungsgrund „auf andere Weise“ in Betracht, hier in der Form, dass die Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung auf dem Flst. 1445/1 gegenstandslos geworden ist aufgrund eines entsprechenden Verzichts des Klägers oder doch einer einem solchen Verzicht gleichkommenden Unterbrechung der genehmigten Nutzung.
28 
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 04.03.2009, - 3 S 1467/07 -, a.a.O.; Beschl. v. 19.07.1989, - 8 S 1869/89 -, a.a.O.; Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, a.a.O.) verliert eine einmal erteilte Baugenehmigung ihre Legalisierungswirkung dann, wenn der Verzicht entweder ausdrücklich erklärt wurde oder ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Letzteres kann bei einer (zeitweiligen) Unterbrechung der genehmigten Nutzung der Fall sein, sofern die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme dieser Nutzung nicht mehr rechnet. Im zweiten Jahr nach Beendigung der Nutzung spricht für eine solche Annahme eine Regelvermutung, die jedoch im Einzelfall durch gegenteilige Anhaltspunkte entkräftet werden kann (Senatsurt. v. 20.05.2003, a.a.O.). In diesem Zusammenhang kann insbesondere von Bedeutung sein, dass die unterbrochene Nutzung nicht durch eine andere ersetzt wird und die baulichen Anlagen für eine Fortführung der unterbrochenen Nutzung weiterhin tauglich sind.
29 
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Legalisierungswirkung der von Alters her bestehenden Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung in dem Gebäude Schafhof ... nicht entfallen. Einen ausdrücklichen Verzicht auf diese Legalisierungswirkung haben der Kläger - oder einer seiner Rechtsvorgänger - zu keiner Zeit erklärt. Auch durch ihr Verhalten haben weder der Kläger noch einer seiner Rechtsvorgänger in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht - bzw. bei Dritten eine entsprechende Erwartung geweckt -, dass sie dauerhaft und endgültig auf eine Großviehhaltung in dem Gebäude Schafhof ... verzichten. Unstreitig wurden in diesem Gebäude bis zum Jahr 1973 im Rahmen einer Vollerwerbslandwirtschaft ca. 30 Rinder und 30 Schweine gehalten. Danach hielt der Vater des Klägers bis zu seinem Tod im Jahre 1983 noch ca. 6 Rinder und 15 Schweine im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes. Die letzten Rinder wurden zwar im Jahre 1986 verkauft, der Kläger hat aber im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren durchgängig vorgetragen, er habe ohne Unterbrechung immer 1 bis 2 Schweine für den Eigenbedarf gehalten (vgl. BA Nutzungsuntersagung Bl. 63 und 97; VG-Akte Bl. 69f und GA Bl. 75). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er dies nochmals dargelegt. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Zwar liegt ein Schreiben der Tierseuchenkasse vom 27.08.2008 (VG-Akte, Bl. 175) vor, wonach für die Zeit vom 03.12.1997 bis 03.12.2004 zur Tierbesitzer-Nummer 0173331 des Klägers keine Tierbestandsmeldung festzustellen sei. Der Kläger hat dies aber überzeugend damit erklärt, dass die Schweine an dem jeweiligen Stichtag verkauft bzw. geschlachtet gewesen seien und er irrtümlich angenommen habe, den Bestand nicht melden zu müssen. Letztlich kann es dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Tierbestand nicht an die Tierseuchenkasse gemeldet wurde. Denn die unterbliebene Meldung lässt zur Überzeugung des Senats in jedem Fall keinen Schluss darauf zu, dass der Kläger in der fraglichen Zeit tatsächlich keine Tiere gehalten hatte. Er hat Tierarztrechnungen vom 12.05.1998, 06.11.2000 und vom 15.01.2001 vorgelegt (GA, Bl. 191 und Klägerdokumentation), wonach jedenfalls am 15.04.1998, 11.09.2000, 18.09.2000, 19.10.2000 und 06.11.2000 Schweine untersucht und behandelt wurden. Die Tierarztrechnungen erstrecken sich zwar nicht auf den gesamten in dem Schreiben der Tierseuchenkasse genannten Zeitraum, sie sind aber geeignet, die - gegen eine ununterbrochene Tierhaltung des Klägers sprechende - Indizwirkung dieses Schreibens zu widerlegen. Auch zahlreiche Nachbarn haben in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 08.06.2008 (VG-Akte Bl 83) bestätigt, dass die Tierhaltung nach dem Tode des Vaters des Klägers „von dessen Sohn kontinuierlich weitergeführt“ worden sei.
30 
Durch die damit zur Überzeugung des Senats feststehende, bis heute ununterbrochene Schweinehaltung hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die von Alters her genehmigte Nutzung des Stalls zur Tierhaltung weiterhin in Anspruch nimmt.
31 
2. Die Legalisierungswirkung der von Alters her genehmigten Tierhaltung deckt auch jedenfalls den Umfang des vom Kläger derzeit gehaltenen Tierbestandes ab. Denn auch insoweit steht dem Kläger ein durch die Genehmigung vermittelter Bestandsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG zur Seite. Der Bestandsschutz sichert dem Eigentümer das durch Eigentumsausübung Geschaffene und verleiht einem rechtmäßig begründeten Bestand bzw. einer rechtmäßig begründeten Nutzung - innerhalb gewisser Grenzen - Durchsetzungskraft auch gegenüber neuen, entgegenstehenden gesetzlichen Anforderungen (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, NVwZ 1989, 667, 668). Die Grenzen des Bestandsschutzes sind u.a. dann erreicht, wenn der Berechtigte in einem Gebäude eine andere als die genehmigte Nutzung aufnimmt, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart steht und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988, a.a.O und Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 27). Geht es um Tierhaltung, kann auch eine Änderung der Nutzungsweise relevant werden, sofern sie für die Nachbarschaft höhere Belastungen mit sich bringt. Wird eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung für eine Tierhaltung einschließende landwirtschaftliche Nutzung erteilt, so ist damit aber nicht automatisch jede beliebige Art der Tierhaltung legalisiert. Auch insoweit ist darauf abzustellen, ob die Tierhaltung sich innerhalb des Spektrums von Variationsmöglichkeiten hält, das ausgeschöpft werden darf, ohne dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
32 
a) Die im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... von Alters her genehmigte Tierhaltung steht in Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung. Die derzeitige Tierhaltung des Klägers hält sich, sowohl was die Art als auch die Zusammensetzung des Tierbestandes betrifft, innerhalb der Variationsbreite einer solchen Nutzung: Die Stallkapazität wurde im Vergleich zum genehmigten Umfang nicht vergrößert. Auch hat sich die Immissionssituation für die Nachbarschaft bei dieser Vergleichsbetrachtung nicht verschlechtert, sondern verbessert, weil der Tierbestand bei weitem nicht den Umfang erreicht, der bei Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1983 und - erst recht - bei Aufgabe der Vollerwerbslandwirtschaft im Jahre 1973 vorhanden war. Unerheblich ist deshalb, dass der Umfang der Tierhaltung zwischenzeitlich auf nur 1 bis 2 Schweine absank und in der Folgezeit wieder - durch Anschaffung einer Ziege im Jahr 1991 und einer Kuh im Jahre 2005 - maßvoll anstieg auf einen nach wie vor innerhalb des ursprünglich genehmigten Rahmens bleibenden Bestand. Dem Kläger war es unbenommen, seinen Viehbestand nach Zahl und Zusammensetzung im Rahmen der vorhandenen Stallkapazitäten zu variieren, solange die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01 1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 28).
33 
b) Unerheblich ist es ferner, dass der Kläger seine Tierhaltung in den 1980er Jahren von einer Tierhaltung im Rahmen der Nebenerwerbslandwirtschaft auf eine solche „zum Eigenbedarf“ umgestellt hat. Denn im einen wie im anderen Falle handelt es sich - worauf es hier allein ankommt - um eine „landwirtschaftliche“ Tierhaltung. Abzustellen ist auf den Begriff der Landwirtschaft in § 201 BauGB. Diese Definition gilt nicht nur im Rahmen des BauGB - und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen -, sondern kann auch für das Bauordnungsrecht herangezogen werden (Sauter, LBO, § 50 Rdnr. 21; Brügelmann, BauGB, § 201 Rdnr. 2). Danach fällt unter den Begriff der Landwirtschaft insbesondere auch die „Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
34 
aa) Nach den - unbestrittenen - Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (BA Nutzungsuntersagung, Bl. 63) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte, Bl. 193 Rücks.) erwirtschaftet er das Futter für seine Tiere selbst auf einer eigenen, 40 Ar großen Außenbereichsfläche, auf der er Gemüse, Grünfutter, Futterrüben und Mais anbaut. Zusätzliches Grünfutter erhält er aus Grünflächen der Stadt Vaihingen, die er regelmäßig mäht. Die Anteile des Grünfutters aus eigenen Flächen und aus Flächen der Stadt sind nach den Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte Bl. 193 Rücks.) zwar ungefähr gleich. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Futterrüben- und (Futter-)Maisanbaues auf eigenen Flächen ergibt sich aber insgesamt ein Überwiegen der eigenen Futtergrundlage, zumal der Kläger aus verpachteten Flächen auch noch Getreide erhält, das er als Futter für seine Tiere verwendet.
35 
bb) Das Begriffsmerkmal des „landwirtschaftlichen Betriebes“ ist hier ebenfalls erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und aller Bausenate des Verwaltungsgerichtshofs setzt ein landwirtschaftlicher „Betrieb“ eine bestimmte Organisation, ferner eine nachhaltige und ernsthafte Bewirtschaftung voraus; es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - 4 C 67.82 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 234 = NVwZ 1986, 916 = PBauE § 35 Abs. 1 BauGB Nr. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.08.1995 - 5 S 3229/94 - BauR 1996, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.1994 - 8 S 1716/93 -; Urt. v. 07.08.1991 - 3 S 1075/90 -, BauR 1992, 208). An der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers bestehen angesichts der langjährigen Praxis keine Zweifel. Der Kläger verfügt zudem über entsprechende Maschinen (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse, Fräse), die teilweise in dem zur landwirtschaftlichen Nutzung genehmigten Nebengebäude Schafhof .../1 untergebracht sind. Auch hat er eine in seinem Eigentum stehende und damit rechtlich gesicherte Betriebsfläche zur Verfügung. Auch das Merkmal der Lebensfähigkeit dieses Betriebes, das nach der genannten Rechtsprechung gerade bei Nebenerwerbsbetrieben eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt, ist gegeben. Eine Gewinnerzielung kann auch dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Betätigung primär oder sogar ausschließlich der Selbstversorgung dient. Der Gewinn liegt in diesem Fall in der Sicherung des Lebensunterhalts des Betriebsinhabers und seiner Familie in Form ersparter Aufwendungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, die Annahme einer solchen Betriebsform davon abhängig zu machen, dass die erzeugten Produkte zunächst verkauft und sodann mit dem hieraus erwirtschafteten Erlös wiederum angeschafft werden (Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr.15; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 31). Soweit in der Literatur im Falle der ausschließlichen Selbstversorgung die Betriebseigenschaft unter Hinweis auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs bereits aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen wird (Sauter, LBO, § 50, Rdnr. 22 unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ, Urt. v. 20.04.1977 - III 1424/75 -) überzeugt dies nicht. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 20.04.1977 betrifft den Begriff des „Erwerbsgartenbaus“ nach § 146 BBauG und damit nicht die vorliegende Fallkonstellation. Auch das Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 07.09.1989 (- 8 S 1217/88 -, RdL 1990, 120f), in dem ein landwirtschaftlicher Zweck im Falle der Selbstversorgung ebenfalls abgelehnt wurde, führt hier nicht weiter, denn es ist zum Begriff der „gartenbaulichen Erzeugung“ i.S.d. § 201 BauGB ergangen.
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Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr, dass mithilfe des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht letztlich der Bereich der „Liebhaberlandwirtschaft“ bzw. „Hobbylandwirtschaft“ von dem Kreis der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung abgegrenzt werden soll, um einen Missbrauch der Privilegierungstatbestände zur Durchsetzung tatsächlich nicht privilegierter Nutzungen im Außenbereich zu verhindern (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 46). Auch in diesem Zusammenhang scheitert die Annahme eines privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes aber nicht zwingend daran, dass kein Gewinn erwirtschaftet wird. Ein privilegierter Betrieb kann vielmehr auch bei fehlender Gewinnerzielung vorliegen, sofern andere gewichtige Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit die Betriebseigenschaft sprechen (BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 a.a.O.). Diese Wertung muss erst recht gelten, wenn es - wie hier - nicht um die Abgrenzung von privilegierten und nicht privilegierten Nutzungen im Außenbereich geht, sondern um die rechtliche Einordnung einer Tierhaltung im Innenbereich. Zwar ist die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb anzunehmen ist, nicht anhand unterschiedlicher Kriterien zu beantworten je nachdem, ob eine privilegierte Nutzung im Außenbereich in Rede steht oder nicht. Die o.g. von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sind vielmehr einheitlich anzuwenden. Besteht allerdings im Einzelfall nicht die Gefahr, dass unter dem Etikett des „landwirtschaftlichen Betriebes“ tatsächlich Liebhaber- bzw. Hobbytierhaltung stattfindet, so ist die Indizwirkung des Merkmals der Gewinnerzielung in seiner Bedeutung herabgemindert und kann das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs desto leichter anhand der sonstigen Umstände angenommen werden. Solche Umstände liegen - wie aufgezeigt - vor, weil der Kläger die hier in Rede stehenden (Groß-)Tiere nicht zum Zwecke der Liebhaberei, sondern aus Gründen der Selbstversorgung hält.
37 
3. Ist die Tierhaltung des Klägers nach dem Ausgeführten bereits formell legal ist, so steht damit zugleich fest, dass auch in materieller Hinsicht nicht die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vorliegen. Denn die untersagte Nutzung verstößt nicht - wie erforderlich - seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht. Zumindest bis in die 1980er Jahre hinein war die landwirtschaftliche Tierhaltung im dem hier in Rede stehenden Umfang auch in materieller Hinsicht genehmigungsfähig. Auf die weitere Frage, ob die Tierhaltung des Klägers nach den derzeit geltenden Vorschriften des Bauplanungsrechts zugelassen werden könnte, kommt es daher von Rechts wegen nicht mehr entscheidungserheblich an. Mit Blick auf den am 15.10.2009 durchgeführten Augenscheinstermin weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Anwesens des Klägers jedenfalls nicht einem reinen Wohngebiet und wohl auch nicht einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet entsprechen dürfte. Nach dem Ergebnis des Augenscheins spricht viel dafür, dass in dem Quartier des Schafhofs eine Gemengelage vorliegt, in der die Wohnnutzung zwar in Teilbereichen überwiegt, andere Teilbereiche aber weiterhin landwirtschaftlich (z.B. Schafhof ... und .../1) bzw. von Mischgebietselementen (Schafhof 24 - Firma für „Dienstleistungen rund ums Haus“ -, Schafhof 8 - Restaurationswerkstatt - und Schafhof 4 - Antiquitätenladen - ) geprägt sind. Dies hätte zur Konsequenz, dass hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 34 Abs. 1 BauGB und nicht § 34 Abs. 2 BauGB heranzuziehen wäre (BVerwG, Beschl. v. 02.07.1991 - 4 B 1.91 -, BauR 1991, 569; BayVGH a.a.O.).
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
39 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
41 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
42 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Sie ist daher aufzuheben (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
22 
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt, untersagt werden. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG - wie bei einer Abbruchsanordnung - voraus, dass die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 -, juris Rdnr. 55; Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, juris Rdnr. 21; Beschl. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, DÖV 1996, 750 = VBlBW 1996, 300 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Da es sich bei der angefochtenen Nutzungsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen, soweit es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht; für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung des Beklagten ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 - , a.a.O.).
23 
1. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat ist die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) durch eine Baugenehmigung gedeckt.
24 
a) Allerdings ergibt sich dies nicht schon aus der dem Kläger erteilten Baugenehmigung vom 06.05.1988 zum Abbruch einer Scheune und Neubau einer Einfamiliendoppelhaushälfte mit Garage. Diese Genehmigung betrifft zum einen das Flurstück Nr. 1445/4 (Schafhof ...) und legalisiert zum anderen nicht die Tierhaltung. Auch die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 06.09.1988 zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung betrifft nicht das streitgegenständliche Grundstück, sondern das angrenzende Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof .../1).
25 
b) Die Tierhaltung auf dem Flurstück Nr. 1445/1 ist jedoch von Alters her genehmigt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wurde das Grundstück jahrhundertelang, noch bis in die 1980er Jahre hinein, unbeanstandet als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten gegenüber dem Senat zudem erklärt, es sei unstreitig, dass die auf dem Grundstück früher betriebene Vollerwerbs- und Nebenerwerbslandwirtschaft (baurechtlich) genehmigt gewesen sei. Dies wird auch durch die vorliegende „Genehmigungsurkunde für Bausachen nach § 114 WürttBauO“ vom 11.11.1952 bestätigt (VG-Akte Bl. 147), wonach „im Dachstock des bestehenden Wohngebäudes Schafhof ... nebst Vornahme von baulichen Veränderungen an dem schon bestehenden Dachaufbau“ der Einbau einer Wohnung genehmigt wurde. In dieser Urkunde wird Bezug genommen auf einen Bauplan vom 22.08.1952, in dem (als Bestand) im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... ein Farrenstall und ein Stall eingezeichnet sind. In Bezug auf den Farrenstall findet sich eine Roteinzeichnung, die vermutlich bereits im Jahre 1947 Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens war. Eine Baugenehmigungsurkunde liegt insoweit zwar nicht vor; auch sind der WürttBauO damaliger Fassung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ein Stall zum damaligen Zeitpunkt genehmigungsfrei errichtet werden konnte. Vor dem Hintergrund spricht jedoch - ungeachtet des Fehlens einer förmlichen (Bau-)Genehmigung zur Legalisierung der Tierhaltung - gleichwohl auch nach Aktenlage alles dafür, dass die Tierhaltung in dem Gebäude von Alters her formell legal ist und sich insbesondere auf die Haltung der bei landwirtschaftlichen Betrieben in der Region traditionell zu findenden Tierarten (Rinder, Schweine, Ziegen, Geflügel) erstreckt.
26 
c) Die Legalisierungsfunktion der von Alters her bestehenden Baugenehmigung ist in der Folgezeit auch nicht entfallen. Eine Baugenehmigung bleibt (bei je nach Bezugszeitraum direkter oder sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG) wirksam, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 19.07.1989 - 8 S 1869/89 -, NVwZ-RR 1990, 171; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, juris Rdnrn. 32-34; im Ausgangspunkt auch Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, BauR 2003, 1539 = juris Rdnr. 31f). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es insoweit keinen vom einfachen Recht losgelösten, bundesrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG vorgegebenen Bestandsschutz: Handelt es sich bei einer Genehmigungsnorm um eine solche des Landesrechts, so beurteilt sich nach diesem Recht, ob und wie sich nachträgliche Veränderungen auf den in früherer Zeit legal geschaffenen Baubestand auswirken (BVerwG, Urt. v. 07.11.1997 - 4 C 7.97 -, NVwZ 1998, 735).
27 
Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rücknahme, einen Widerruf, eine anderweitige Aufhebung der Baugenehmigung oder deren Beendigung durch Zeitablauf (z.B. auch nach Art. 114, Art. 117 WürttBauO) bestehen hier nicht. Nach Lage der Dinge kommt allein der Beendigungsgrund „auf andere Weise“ in Betracht, hier in der Form, dass die Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung auf dem Flst. 1445/1 gegenstandslos geworden ist aufgrund eines entsprechenden Verzichts des Klägers oder doch einer einem solchen Verzicht gleichkommenden Unterbrechung der genehmigten Nutzung.
28 
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 04.03.2009, - 3 S 1467/07 -, a.a.O.; Beschl. v. 19.07.1989, - 8 S 1869/89 -, a.a.O.; Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, a.a.O.) verliert eine einmal erteilte Baugenehmigung ihre Legalisierungswirkung dann, wenn der Verzicht entweder ausdrücklich erklärt wurde oder ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Letzteres kann bei einer (zeitweiligen) Unterbrechung der genehmigten Nutzung der Fall sein, sofern die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme dieser Nutzung nicht mehr rechnet. Im zweiten Jahr nach Beendigung der Nutzung spricht für eine solche Annahme eine Regelvermutung, die jedoch im Einzelfall durch gegenteilige Anhaltspunkte entkräftet werden kann (Senatsurt. v. 20.05.2003, a.a.O.). In diesem Zusammenhang kann insbesondere von Bedeutung sein, dass die unterbrochene Nutzung nicht durch eine andere ersetzt wird und die baulichen Anlagen für eine Fortführung der unterbrochenen Nutzung weiterhin tauglich sind.
29 
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Legalisierungswirkung der von Alters her bestehenden Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung in dem Gebäude Schafhof ... nicht entfallen. Einen ausdrücklichen Verzicht auf diese Legalisierungswirkung haben der Kläger - oder einer seiner Rechtsvorgänger - zu keiner Zeit erklärt. Auch durch ihr Verhalten haben weder der Kläger noch einer seiner Rechtsvorgänger in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht - bzw. bei Dritten eine entsprechende Erwartung geweckt -, dass sie dauerhaft und endgültig auf eine Großviehhaltung in dem Gebäude Schafhof ... verzichten. Unstreitig wurden in diesem Gebäude bis zum Jahr 1973 im Rahmen einer Vollerwerbslandwirtschaft ca. 30 Rinder und 30 Schweine gehalten. Danach hielt der Vater des Klägers bis zu seinem Tod im Jahre 1983 noch ca. 6 Rinder und 15 Schweine im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes. Die letzten Rinder wurden zwar im Jahre 1986 verkauft, der Kläger hat aber im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren durchgängig vorgetragen, er habe ohne Unterbrechung immer 1 bis 2 Schweine für den Eigenbedarf gehalten (vgl. BA Nutzungsuntersagung Bl. 63 und 97; VG-Akte Bl. 69f und GA Bl. 75). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er dies nochmals dargelegt. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Zwar liegt ein Schreiben der Tierseuchenkasse vom 27.08.2008 (VG-Akte, Bl. 175) vor, wonach für die Zeit vom 03.12.1997 bis 03.12.2004 zur Tierbesitzer-Nummer 0173331 des Klägers keine Tierbestandsmeldung festzustellen sei. Der Kläger hat dies aber überzeugend damit erklärt, dass die Schweine an dem jeweiligen Stichtag verkauft bzw. geschlachtet gewesen seien und er irrtümlich angenommen habe, den Bestand nicht melden zu müssen. Letztlich kann es dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Tierbestand nicht an die Tierseuchenkasse gemeldet wurde. Denn die unterbliebene Meldung lässt zur Überzeugung des Senats in jedem Fall keinen Schluss darauf zu, dass der Kläger in der fraglichen Zeit tatsächlich keine Tiere gehalten hatte. Er hat Tierarztrechnungen vom 12.05.1998, 06.11.2000 und vom 15.01.2001 vorgelegt (GA, Bl. 191 und Klägerdokumentation), wonach jedenfalls am 15.04.1998, 11.09.2000, 18.09.2000, 19.10.2000 und 06.11.2000 Schweine untersucht und behandelt wurden. Die Tierarztrechnungen erstrecken sich zwar nicht auf den gesamten in dem Schreiben der Tierseuchenkasse genannten Zeitraum, sie sind aber geeignet, die - gegen eine ununterbrochene Tierhaltung des Klägers sprechende - Indizwirkung dieses Schreibens zu widerlegen. Auch zahlreiche Nachbarn haben in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 08.06.2008 (VG-Akte Bl 83) bestätigt, dass die Tierhaltung nach dem Tode des Vaters des Klägers „von dessen Sohn kontinuierlich weitergeführt“ worden sei.
30 
Durch die damit zur Überzeugung des Senats feststehende, bis heute ununterbrochene Schweinehaltung hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die von Alters her genehmigte Nutzung des Stalls zur Tierhaltung weiterhin in Anspruch nimmt.
31 
2. Die Legalisierungswirkung der von Alters her genehmigten Tierhaltung deckt auch jedenfalls den Umfang des vom Kläger derzeit gehaltenen Tierbestandes ab. Denn auch insoweit steht dem Kläger ein durch die Genehmigung vermittelter Bestandsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG zur Seite. Der Bestandsschutz sichert dem Eigentümer das durch Eigentumsausübung Geschaffene und verleiht einem rechtmäßig begründeten Bestand bzw. einer rechtmäßig begründeten Nutzung - innerhalb gewisser Grenzen - Durchsetzungskraft auch gegenüber neuen, entgegenstehenden gesetzlichen Anforderungen (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, NVwZ 1989, 667, 668). Die Grenzen des Bestandsschutzes sind u.a. dann erreicht, wenn der Berechtigte in einem Gebäude eine andere als die genehmigte Nutzung aufnimmt, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart steht und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988, a.a.O und Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 27). Geht es um Tierhaltung, kann auch eine Änderung der Nutzungsweise relevant werden, sofern sie für die Nachbarschaft höhere Belastungen mit sich bringt. Wird eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung für eine Tierhaltung einschließende landwirtschaftliche Nutzung erteilt, so ist damit aber nicht automatisch jede beliebige Art der Tierhaltung legalisiert. Auch insoweit ist darauf abzustellen, ob die Tierhaltung sich innerhalb des Spektrums von Variationsmöglichkeiten hält, das ausgeschöpft werden darf, ohne dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
32 
a) Die im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... von Alters her genehmigte Tierhaltung steht in Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung. Die derzeitige Tierhaltung des Klägers hält sich, sowohl was die Art als auch die Zusammensetzung des Tierbestandes betrifft, innerhalb der Variationsbreite einer solchen Nutzung: Die Stallkapazität wurde im Vergleich zum genehmigten Umfang nicht vergrößert. Auch hat sich die Immissionssituation für die Nachbarschaft bei dieser Vergleichsbetrachtung nicht verschlechtert, sondern verbessert, weil der Tierbestand bei weitem nicht den Umfang erreicht, der bei Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1983 und - erst recht - bei Aufgabe der Vollerwerbslandwirtschaft im Jahre 1973 vorhanden war. Unerheblich ist deshalb, dass der Umfang der Tierhaltung zwischenzeitlich auf nur 1 bis 2 Schweine absank und in der Folgezeit wieder - durch Anschaffung einer Ziege im Jahr 1991 und einer Kuh im Jahre 2005 - maßvoll anstieg auf einen nach wie vor innerhalb des ursprünglich genehmigten Rahmens bleibenden Bestand. Dem Kläger war es unbenommen, seinen Viehbestand nach Zahl und Zusammensetzung im Rahmen der vorhandenen Stallkapazitäten zu variieren, solange die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01 1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 28).
33 
b) Unerheblich ist es ferner, dass der Kläger seine Tierhaltung in den 1980er Jahren von einer Tierhaltung im Rahmen der Nebenerwerbslandwirtschaft auf eine solche „zum Eigenbedarf“ umgestellt hat. Denn im einen wie im anderen Falle handelt es sich - worauf es hier allein ankommt - um eine „landwirtschaftliche“ Tierhaltung. Abzustellen ist auf den Begriff der Landwirtschaft in § 201 BauGB. Diese Definition gilt nicht nur im Rahmen des BauGB - und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen -, sondern kann auch für das Bauordnungsrecht herangezogen werden (Sauter, LBO, § 50 Rdnr. 21; Brügelmann, BauGB, § 201 Rdnr. 2). Danach fällt unter den Begriff der Landwirtschaft insbesondere auch die „Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
34 
aa) Nach den - unbestrittenen - Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (BA Nutzungsuntersagung, Bl. 63) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte, Bl. 193 Rücks.) erwirtschaftet er das Futter für seine Tiere selbst auf einer eigenen, 40 Ar großen Außenbereichsfläche, auf der er Gemüse, Grünfutter, Futterrüben und Mais anbaut. Zusätzliches Grünfutter erhält er aus Grünflächen der Stadt Vaihingen, die er regelmäßig mäht. Die Anteile des Grünfutters aus eigenen Flächen und aus Flächen der Stadt sind nach den Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte Bl. 193 Rücks.) zwar ungefähr gleich. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Futterrüben- und (Futter-)Maisanbaues auf eigenen Flächen ergibt sich aber insgesamt ein Überwiegen der eigenen Futtergrundlage, zumal der Kläger aus verpachteten Flächen auch noch Getreide erhält, das er als Futter für seine Tiere verwendet.
35 
bb) Das Begriffsmerkmal des „landwirtschaftlichen Betriebes“ ist hier ebenfalls erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und aller Bausenate des Verwaltungsgerichtshofs setzt ein landwirtschaftlicher „Betrieb“ eine bestimmte Organisation, ferner eine nachhaltige und ernsthafte Bewirtschaftung voraus; es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - 4 C 67.82 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 234 = NVwZ 1986, 916 = PBauE § 35 Abs. 1 BauGB Nr. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.08.1995 - 5 S 3229/94 - BauR 1996, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.1994 - 8 S 1716/93 -; Urt. v. 07.08.1991 - 3 S 1075/90 -, BauR 1992, 208). An der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers bestehen angesichts der langjährigen Praxis keine Zweifel. Der Kläger verfügt zudem über entsprechende Maschinen (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse, Fräse), die teilweise in dem zur landwirtschaftlichen Nutzung genehmigten Nebengebäude Schafhof .../1 untergebracht sind. Auch hat er eine in seinem Eigentum stehende und damit rechtlich gesicherte Betriebsfläche zur Verfügung. Auch das Merkmal der Lebensfähigkeit dieses Betriebes, das nach der genannten Rechtsprechung gerade bei Nebenerwerbsbetrieben eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt, ist gegeben. Eine Gewinnerzielung kann auch dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Betätigung primär oder sogar ausschließlich der Selbstversorgung dient. Der Gewinn liegt in diesem Fall in der Sicherung des Lebensunterhalts des Betriebsinhabers und seiner Familie in Form ersparter Aufwendungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, die Annahme einer solchen Betriebsform davon abhängig zu machen, dass die erzeugten Produkte zunächst verkauft und sodann mit dem hieraus erwirtschafteten Erlös wiederum angeschafft werden (Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr.15; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 31). Soweit in der Literatur im Falle der ausschließlichen Selbstversorgung die Betriebseigenschaft unter Hinweis auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs bereits aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen wird (Sauter, LBO, § 50, Rdnr. 22 unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ, Urt. v. 20.04.1977 - III 1424/75 -) überzeugt dies nicht. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 20.04.1977 betrifft den Begriff des „Erwerbsgartenbaus“ nach § 146 BBauG und damit nicht die vorliegende Fallkonstellation. Auch das Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 07.09.1989 (- 8 S 1217/88 -, RdL 1990, 120f), in dem ein landwirtschaftlicher Zweck im Falle der Selbstversorgung ebenfalls abgelehnt wurde, führt hier nicht weiter, denn es ist zum Begriff der „gartenbaulichen Erzeugung“ i.S.d. § 201 BauGB ergangen.
36 
Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr, dass mithilfe des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht letztlich der Bereich der „Liebhaberlandwirtschaft“ bzw. „Hobbylandwirtschaft“ von dem Kreis der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung abgegrenzt werden soll, um einen Missbrauch der Privilegierungstatbestände zur Durchsetzung tatsächlich nicht privilegierter Nutzungen im Außenbereich zu verhindern (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 46). Auch in diesem Zusammenhang scheitert die Annahme eines privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes aber nicht zwingend daran, dass kein Gewinn erwirtschaftet wird. Ein privilegierter Betrieb kann vielmehr auch bei fehlender Gewinnerzielung vorliegen, sofern andere gewichtige Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit die Betriebseigenschaft sprechen (BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 a.a.O.). Diese Wertung muss erst recht gelten, wenn es - wie hier - nicht um die Abgrenzung von privilegierten und nicht privilegierten Nutzungen im Außenbereich geht, sondern um die rechtliche Einordnung einer Tierhaltung im Innenbereich. Zwar ist die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb anzunehmen ist, nicht anhand unterschiedlicher Kriterien zu beantworten je nachdem, ob eine privilegierte Nutzung im Außenbereich in Rede steht oder nicht. Die o.g. von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sind vielmehr einheitlich anzuwenden. Besteht allerdings im Einzelfall nicht die Gefahr, dass unter dem Etikett des „landwirtschaftlichen Betriebes“ tatsächlich Liebhaber- bzw. Hobbytierhaltung stattfindet, so ist die Indizwirkung des Merkmals der Gewinnerzielung in seiner Bedeutung herabgemindert und kann das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs desto leichter anhand der sonstigen Umstände angenommen werden. Solche Umstände liegen - wie aufgezeigt - vor, weil der Kläger die hier in Rede stehenden (Groß-)Tiere nicht zum Zwecke der Liebhaberei, sondern aus Gründen der Selbstversorgung hält.
37 
3. Ist die Tierhaltung des Klägers nach dem Ausgeführten bereits formell legal ist, so steht damit zugleich fest, dass auch in materieller Hinsicht nicht die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vorliegen. Denn die untersagte Nutzung verstößt nicht - wie erforderlich - seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht. Zumindest bis in die 1980er Jahre hinein war die landwirtschaftliche Tierhaltung im dem hier in Rede stehenden Umfang auch in materieller Hinsicht genehmigungsfähig. Auf die weitere Frage, ob die Tierhaltung des Klägers nach den derzeit geltenden Vorschriften des Bauplanungsrechts zugelassen werden könnte, kommt es daher von Rechts wegen nicht mehr entscheidungserheblich an. Mit Blick auf den am 15.10.2009 durchgeführten Augenscheinstermin weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Anwesens des Klägers jedenfalls nicht einem reinen Wohngebiet und wohl auch nicht einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet entsprechen dürfte. Nach dem Ergebnis des Augenscheins spricht viel dafür, dass in dem Quartier des Schafhofs eine Gemengelage vorliegt, in der die Wohnnutzung zwar in Teilbereichen überwiegt, andere Teilbereiche aber weiterhin landwirtschaftlich (z.B. Schafhof ... und .../1) bzw. von Mischgebietselementen (Schafhof 24 - Firma für „Dienstleistungen rund ums Haus“ -, Schafhof 8 - Restaurationswerkstatt - und Schafhof 4 - Antiquitätenladen - ) geprägt sind. Dies hätte zur Konsequenz, dass hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 34 Abs. 1 BauGB und nicht § 34 Abs. 2 BauGB heranzuziehen wäre (BVerwG, Beschl. v. 02.07.1991 - 4 B 1.91 -, BauR 1991, 569; BayVGH a.a.O.).
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
39 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
41 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
42 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07. Juni 2011 - 1 K 3957/09 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 372.612,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der allein auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) gestützte Antrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die Antragsbegründung den - der Zulässigkeitsebene zuzurechnenden - Anforderungen nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Danach muss ein Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts substantiiert mit Argumenten in Frage stellen, wofür es einer Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils bedarf, deren Tiefe und Intensität sich nach der jeweiligen Tiefe der Entscheidungsgründe richtet. Denn jedenfalls liegen die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Die Klägerin ist nach eigenen Angaben Pächterin der im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehenden Gewerbeeinheit ... ...-... (Flst.-Nrn. 2426, 2427 und 2429/1) in ... Sie begehrt im Hauptantrag festzustellen, dass die im EG und 1. OG dieses Gebäudes beantragte „Nutzungsänderungen in 4 Spielecenter gem. § 33i GewO“ mit insgesamt 620,55 qm Spielfläche und (4 x 12 =) 48 Geldspielgeräten nach § 50 Abs. 2 LBO verfahrensfrei ist. Hilfsweise erstrebt sie die Verpflichtung der Beklagten, die beantragte Nutzungsänderung zu genehmigen. Bislang befand sich in dem Gewerbeanwesen ein am 13.02.1998/23.06.1999 genehmigtes „Blue movie center“ mit 2 Kinosälen im 1. OG sowie einem Videokabinenbereich (16 Kabinen), einer Spielothek (148,60 qm) und einem davon räumlich getrennten Erotik-Shop im EG. Adressatin der Baugenehmigung war die ... ... ...-... AG.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage in beiden Anträgen abgewiesen: Der Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die beantragte Umwandlung des Erotik-/Sexkinos und der übrigen Nutzungen in die Spielhalle sei nicht nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfahrensfrei. Es handle sich zum einen um eine Nutzungsänderung. Dem stehe nicht entgegen, dass sowohl die alte als die neue Nutzung Vergnügungsstätten seien. Die neue Nutzung überschreite die Variationsbreite der bisherigen Nutzungen und werfe auch die Genehmigungsfrage neu auf. Die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung sowie der Belang der Fortentwicklung vorhandener Ortsteile könnten berührt werden. Von der neuen Spielhalle mit vier Spielcentern gingen andere Auswirkungen auf die Umgebung aus als von dem bisherigen Sexkino mit der kleineren Spielhalle. Aufgrund der Anforderungen des nunmehr maßgeblichen neuen Bebauungsplans 11/42 von 2006 ergäben sich auch andere Anforderungen an das Bauvorhaben als bisher. Das Spielcenter sei auch nicht im Hinblick auf die schon früher genehmigte Spielothek im EG teilweise verfahrensfrei, da es auf das Vorhaben als unteilbares Ganzes ankomme. Mangels Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens sei die Klage auch im - nach § 75 VwGO zulässigen - Hilfsantrag insgesamt unbegründet. Das Vorhaben widerspreche den textlichen Festsetzungen Nrn. 3.1 und 3.3 des Bebauungsplans 11/42. Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.3 seien unstreitig nicht gegeben. Der Bebauungsplan 11/42 sei wirksam, die hiergegen vorgebrachten Bedenken der Klägerin teile die Kammer nicht. Ob die zahlenmäßige Beschränkung von Vergnügungsstätten und Sexshops auf einen Betrieb je Quadrat von § 1 Abs. 5 bis Abs. 9 BauNVO gedeckt sei, könne offen bleiben. Denn auch bei Unwirksamkeit dieser Teilfestsetzung wäre jedenfalls der Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe und Vergnügungsstätten in den Erd- und Untergeschossen in Nr. 3.3 wirksam. Denn diese Festsetzung hätte der Plangeber in jedem Fall getroffen und aufrechterhalten wollen. Auf Bestandsschutz könne die Klägerin sich schon deswegen nicht berufen, weil dieser aus bundesrechtlicher Sicht mit Aufgabe der bislang zulässigen Nutzung geendet habe. Dies sei bei - wie hier - einer Nutzungsänderung nach § 29 BauGB immer der Fall, da sich dann die Genehmigungsfrage neu stelle. Der Hilfsantrag sei schließlich seinerseits nicht teilweise im Hinblick auf die im EG bereits genehmigt gewesene Spielothek erfolgreich, da die Klägerin ein einheitliches Vorhaben begehre.
II.
Mit ihrer Antragsbegründung, auf deren Berücksichtigung der Senat beschränkt ist, vermag die Klägerin die Richtigkeit dieses Urteils weder im Ergebnis noch hinsichtlich der tragenden Begründung erschüttern.
1. Mit den eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Gültigkeit der Ausschlussregelungen des Bebauungsplans 11/42 und zur Auslegung des Plans für den Fall einer Teilrechtswidrigkeit der „Kontingentierungsklausel“ für die Obergeschosse in Nr. 3.3 der Bebauungsvorschriften (künftig: BV) setzt sich die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht auseinander. Sie hält den Bebauungsplan vielmehr ausdrücklich für gültig und versucht, daraus eine für sie günstige Auslegung herzuleiten.
2. Vor diesem Hintergrund sieht auch der Senat keinen Anlass, sich vertieft mit der Wirksamkeit der für den hier einschlägigen Gebietsteil MK 2 einschlägigen Festsetzung in Nr. 3.1 der BV und insbesondere mit der Frage zu befassen, ob die Kontingentregelung für Obergeschosse in Nr. 3.3 der BV noch von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, was im Hinblick auf § 1 Abs. 9 BauNVO jedenfalls zweifelhaft erscheint (vgl. nunmehr aber § 25 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 15.12.2011). Der Senat bemerkt gleichwohl, dass jedenfalls gegen den – ausnahmslosen - Ausschluss nach Nr. 3.3 der BV für die dort aufgeführten Betriebe in den Erd- und Untergeschossen aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Ausschlussregelung dürfte sowohl hinsichtlich der erforderlichen „besonderen“ städtebaulichen Gründe (sog. „trading-down-Effekt“ - Sicherung der Geschäftsvielfalt und Gebietsattraktivität, Verhinderung einer Absenkung des Niveaus in den besonders empfindlichen und optisch „ausstrahlenden“ unteren Geschossen des am ... gelegenen Baugebiets) als auch bezüglich der im einzelnen ausgeschlossenen Betriebsarten von § 1 Abs. 9 i.V.m. § 1 Abs. 5 und Abs. 8 BauNVO gedeckt sein (zur Abwehr des „trading-down-Effekts“ als rechtfertigender Ausschlussgrund von Spielhallen im Kerngebiet vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 -, BauR 2009, 76 ff.; Urt. v. 15.09.1994 - 4 C 13.93 -, NVwZ 1995, 698 ff.; zur Berechtigung des Ausschlusses von Sexshops und Vergnügungsstätten in bestimmten Planbereichen der Beklagten vgl. auch bereits Urt. des Senats v. 03.03.2005 - 3 S 1524/04 -, VBlBW 2006, 142 ff.).
a) § 1 Abs. 9 BauNVO ermächtigt ausdrücklich zu einer Feindifferenzierung der in § 1 Abs. 5 BauNVO (unter Bezugnahme auf die Baugebietsvorschriften der §§ 2 bis 9 BauNVO) genannten „groben“ Nutzungsarten. Allerdings steht dem Plangeber hierbei - anders als in Sondergebieten - kein „Anlagenerfindungsrecht“ zu. Vielmehr kann er nur solche Anlagentypen regeln, die es in der sozialen und ökonomischen Realität unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse in der Standortgemeinde bereits gibt (BVerwG, Beschl. v. 27.07.1998 - 4 BN 31.98 -, ZfBR 1998, 317 f.; Beschl. v. 23.10.2006 - 4 BN 1.06 -, juris). Diese „realen“ Anlagentypen müssen zudem hinreichend bestimmt gekennzeichnet werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.2012 - 8 S 260/11 -, juris).
b) Diese Voraussetzungen dürften vorliegend erfüllt sein. Die von der Ausschlussregelung erfassten „Sexshops“ stellen zweifellos eine in der Realität vorhandene und hinreichend konturierte Unterart eines Einzelhandelsbetriebs dar. Überdies hat die Beklagte die Betriebsart „Sexshop“ im Definitionskatalog der BV des Bebauungsplans 11/42 zusätzlich detailliert umschrieben. Die übrigen in Nr. 3.3 genannten Betriebe bilden ihrerseits in der sozialen und ökonomischen Realität existierende Unterarten einer „Vergnügungsstätte“ ab. Vergnügungsstätten lassen sich kennzeichnen als Gewerbebetriebe besonderer Art, die dem „Amüsement“, der kommerziellen Freizeitgestaltung, Zerstreuung und Entspannung, dem geselligen Beisammensein, der Bedienung der Spielleidenschaft oder der Bedienung der erotisch/sexuellen Interessen des Menschen dienen. Sie werden auch umschrieben als gewerbliche Nutzungsarten, die sich in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder des Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung widmen. Als Anlagen mit bodenrechtlichem Bezug knüpfen sie nicht an Definitionen des Vergnügungssteuerrechts an, sondern stellen auf typische städtebaulich relevante (negative) Folgewirkungen ab, wie auf Lärmbelästigungen, Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes und des Gebietscharakters, aber auch der Verschlechterung der Qualität des jeweiligen Baugebiets mit seiner spezifischen Zweckbestimmung (zu alldem vgl. Beschl. d. Senats v. 28.11.2006 - 3 S 2377/06 -, VBlBW 2007, 189 ff. m.w.N.). Diese Anforderungen einer Vergnügungsstätte werden nicht nur von Spielhallen (BVerwG, Beschl. v. 04.049.2008 - 4 BN 9.08 - a.a.O.), sondern auch von den übrigen in Nr. 3.3 der BV aufgeführten Betrieben erfüllt (Nacht- und Tanzbars, Stripteaselokale, Peepshows und Sexkinos). Allerdings verzichtet der Bebauungsplan 11/42 auf den eingeführten Gattungsbegriff der „Spielhallen“ (vgl. dazu auch die Umschreibung in § 33i GewO) und zählt statt dessen verschiedene Unterarten dieses Betriebstypus auf, nämlich Automatenspielhallen, Videospielhallen, Computerspielhallen, Spielcasinos sowie Spielbanken. Diese Feindifferenzierung dürfte mit § 1 Abs. 9 BauNVO zu vereinbaren sein. Denn die genannten Spielhallentypen fanden bzw. finden in der sozialen Realität durchaus eine Entsprechung und sie erscheinen, bezogen auf ihre Betriebseigenart, Ausstattung und Betriebsweise auch inhaltlich noch hinreichend konturiert. So ist das Vorhaben der Klägerin mit 4 Spielcentern zu je 12 Geldspielgeräten ohne weiteres als „Automatenspielhalle“ oder aber - je nach Ausstattung - als (privates) „Spielcasino“ einzustufen. Baurechtlich handelt es sich dabei um eine einheitliche, nach Größe, Umfang und Ausstrahlung eindeutig kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Dass jeder der 4 „Spielcenter“ dabei einer gesonderten gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33i GewO i.V.m. § 3 Abs. 2 der Spielverordnung - SpielV - bedarf, ist für die baurechtliche Einstufung unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 17.94 -, BauR 1996, 674 ff.).
3. Die im Übrigen in der Antragsbegründung vorgetragenen Einwendungen der Klägerin sind nicht geeignet die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zum Hauptantrag (dazu a.) wie zum Hilfsantrag (dazu b.) in Zweifel zu ziehen.
10 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Hauptantrag zu Recht abgewiesen, da die Voraussetzungen einer Verfahrensfreiheit nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO nicht vorliegen. Danach muss die zu beurteilende Nutzung - zum einen - eine Nutzungsänderung darstellen. Für diese dürfen - zum anderen - keine „anderen oder weitergehenden“ Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung. Gemessen daran stellt der Übergang von den bisherigen Nutzungen der Räumlichkeiten im EG/OG des Gebäudes ... ...-... zu der beantragten Großspielhalle eine Nutzungsänderung dar, die aber nicht verfahrensfrei ist.
11 
aa) Bei Nutzungsänderungen ist zwischen solchen im bauordnungsrechtlichen Sinn nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 12 Nr. 1 LBO und solchen im bauplanungsrechtlichen Sinn nach § 29 S. 1 BauGB zu unterscheiden. Die bauplanungsrechtliche Nutzungsänderung ist dabei enger zu fassen, da sie - wie auch sonst beim Vorhabenbegriff nach § 29 BauGB - eine bodenrechtliche Bedeutsamkeit des Änderungsvorgangs erfordert (zum Verhältnis beider Nutzungsänderungsbegriffe vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.1981 - 4 C 83.77 -, NJW 1981, 1224 f.; Urt. v. 11.02.1977 - 4 C 8.75 -, NJW 1977, 1932 f.; Sauter, LBO, § 50 Rn. 207). Eine Nutzungsänderung einer baulichen Anlage nach § 29 Satz 1 BauGB setzt demnach zum einen voraus, dass durch den Wechsel der Nutzungsart oder des Nutzungszwecks der Anlage die der genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird; insofern besteht Identität mit den landesrechtlichen Anforderungen. Des Weiteren müssen durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung zusätzlich aber auch bodenrechtliche Belange, wie sie sich insbesondere aus § 1 Abs. 6 BauGB ergeben, neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (st. Rspr. d. BVerwG, vgl. etwa Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 -, NVwZ 2011, 269 ff., sowie Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264 ff. m.w.N.). Dabei kann die Nutzungsänderung, sofern sie äußerlich klar erkennbar ist, als sog. Benutzungsänderung oder aber, ohne äußerliche Erkennbarkeit, als Funktionsänderung erfolgen (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.09.1991 - 3 S 1644/91 -, VBlBW 1992, 101).
12 
bb) Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht eine Nutzungsänderung (in der äußerlich klar erkennbaren Form einer Benutzungsänderung) angenommen.
13 
Bisher waren im Gebäudering ... ...-... im OG zwei „Blue-movie“ -Kinosäle und eine dazugehörige Filmstätte mit (zuletzt) 16 Einzelkabinen genehmigt. Außer diesem als „Sexkino“ einzustufenden Betrieb befanden sich im EG zusätzlich eine genehmigte Spielothek mit - soweit aus den Plänen ersichtlich - einer Mischung aus Geldspiel- und Unterhaltungsspielgeräten (u.a. Flipper, Billardtisch) sowie ein davon räumlich getrennter als „Sexshop“ zu qualifizierender „Erotikshop“. Die Variationsbreite der genehmigten Nutzungen ist mit diesen Genehmigungen in räumlicher Hinsicht sowie nach dem Nutzungszweck eindeutig festgelegt und begrenzt worden. An die Stelle der genannten Betriebe / Betriebsarten soll nunmehr ein einheitliches Vorhaben, nämlich eine beide Geschosse umfassende Automatenspielhalle mit - die gewerberechtlichen Vorgaben ausnutzend - insgesamt 48 Geldspielgeräten in 4 Sälen („Spielcentern“) treten. Zwar mag beim Übergang von der bisherigen Spielothek im EG auf die heutige Spielhalle, soweit die Flächen identisch sind, die Nutzungsbandbreite mit der heutigen Spielhalle noch gewahrt sein, wenngleich sich auch hier ein Wandel von einer gemischten Spieleinrichtung zu einem ausschließlich auf Gewinnspiele abzielenden Betrieb vollzogen hat. Darauf kommt es jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Denn im Streit steht nicht der Austausch der Spielothek gegen eine einzelne Spielhalle an gleicher Stelle. Vergleichsgegenstand ist vielmehr, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, das Gesamtvorhaben der neuen Großspielhalle auf zwei Geschossen.
14 
cc) Durch die neue Nutzung als Automatenspielhalle können auch bodenrechtliche Belange neu berührt werden, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt. Die Möglichkeit der „Berührung“ bodenrechtlicher Belange bedeutet dabei, worauf hinzuweisen ist, lediglich, dass diese Belange neu zu prüfen sind, nicht jedoch, dass sie notwendigerweise auch verletzt sein müssen.
15 
Vorliegend besteht ein derartiges neues Prüferfordernis. Denn die bisherige Nutzung der Räumlichkeiten als Sexkino und Sexshop spricht durchaus andere Kunden-/Besucherkreise an, als die jetzige Automatenspielhalle. Ein Sexkino bzw. Sexshop und eine Spielhalle zielen zudem auf die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse (Stimulation sexuellen Interesses, Voyeurismus einerseits, Stimulation des Spieltriebs mit potenzieller Suchtwirkung mit nachteiligen Folgen für Persönlichkeit und Finanzen andererseits). Hieraus können sich auch unterschiedliche Auswirkungen auf städtebaulich erhebliche Belange ergeben. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch der jungen Menschen, sowohl im Hinblick auf die Fortentwicklung vorhandener Ortsteile, zu der auch die Verbesserung der bestehenden Gebietsqualität gehört (vgl. § 1 Abs. 6 Nrn. 3 und 4 BauGB sowie BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 a.a.O. [Änderung einer Diskothek in eine Spielhalle]). Ferner ist eine Neubeurteilung anhand des Vergnügungsstätten-Konzepts der Beklagten in den Blick zu nehmen (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Überdies ist zu berücksichtigen, dass die neue Spielhallennutzung nicht nur baurechtlich, sondern auch gewerberechtlich erlaubnispflichtig ist, wobei die dortigen Anforderungen sich teilweise mit städtebaulichen Belangen decken. So ist nach § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO die Erlaubnis für Spielhallen und ähnliche Unternehmen zu versagen, wenn der Betrieb eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, aber auch schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten lässt. Schließlich ist mit Blick auf städtebauliche Belange auch auf die Größe der geplanten Spielhalle abzustellen. Es handelt sich um eine Großspielhalle mit 4 Spielcentern, welche die Grenze zur Kerngebietstypik von (herkömmlich) 100 qm Spielfläche um ein Vielfaches übersteigt. Mit 4 Spielsälen und insgesamt 48 Geldspielgeräten nutzt das Vorhaben auch die jeweils zulässigen Höchstmaße einer gewerberechtlichen Spielhallenkonzession nach § 33i i.V.m. § 3 Abs. 2 der SpielV von maximal 12 Geldspielgeräten je Erlaubniseinheit voll aus. Dementsprechend ist die Spielhalle auf Kunden aus einem äußeren Umfeld ausgerichtet. Dieser Gesichtspunkt wirft städtebaulich ein Prüfungsbedürfnis dahingehend auf, ob das Vorhaben im Einzelfall der Eigenart des Baugebiets nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO widerspricht. Wäre dies der Fall, wäre auch die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, wie sie in Nr. 3.3 der BV vorgesehen ist, ausgeschlossen (vgl. etwa Beschl. d. Senats v. 26.08.2009 - 3 S 1057/09 -, BauR 2010, 439 ff.; BayVGH, Urt. v. 06.07.2005 - 1 D 01.1513 -, juris).
16 
dd) Für die neue (nach § 50 Abs. 2 LBO wie nach § 29 Satz 1 BauGB) geänderte neue Nutzung des Vorhabens als kerngebietstypische Automatenspielhalle gelten sowohl „weitere“ als auch „andere“ rechtliche Anforderungen als für die Vorgängernutzungen. Die geänderten Anforderungen sind bauplanungsrechtlicher Natur, so dass es auf die bauordnungsrechtliche Frage der jeweiligen Stellplatzvoraussetzungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 LBO nicht ankommt. Während der frühere Bebauungsplan 11/40 der Beklagten vom 19.03.1991 Ausschlussregelungen nur im EG und nur für einen engeren Kreis an Vergnügungsstätten und Spielhallenarten enthielt, weitet der Bebauungsplan 11/42 diesen Verbotskatalog qualitativ und quantitativ aus. Insbesondere erstreckt er den Ausschluss der Vergnügungsstättenarten/Spielhallen und schränkt die betroffenen Vergnügungsstätten auch in den Obergeschossen - durch ihre Herabstufung als nur noch ausnahmsweise und „singulär“ zulässig - wesentlich ein.
17 
b) Der Zulassungsantrag hat auch bezüglich des Hilfsantrags (Verpflichtung auf die Genehmigung der Nutzungsänderung) keinen Erfolg.
18 
aa) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der erstrebten Baugenehmigung hat, weil die neue Nutzung gegen den § 30 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplan 11/42 verstößt, der jedenfalls bezüglich des Spielhallenausschlusses im EG wirksam ist. Mit dem Verwaltungsgericht kann ferner auch hier offen bleiben, ob die „Kontingentregelung“ für die Zulassung von Vergnügungsstätten in den Obergeschossen rechtlich möglich ist. Denn der Klage könnte auch bei angenommener Ungültigkeit dieser Regelung nicht teilweise - Spielhallennutzung nur im OG - stattgegeben werden. Denn die Klägerin als Bauherrin hat nach ihrem erkennbaren Willen im Bauantrag eine einheitliche Automatenspielhalle mit 4 Spielcentern in beiden Geschossen beantragt. Anhaltspunkte, dass sie beabsichtigte, etwa nur die beiden Spielcenter im OG zu verwirklichen, sind nicht ersichtlich. Angesichts des auf ein einheitliches „Vorhaben“ gerichteten Antrags war die Beklagte zur Ablehnung der Baugenehmigung insgesamt berechtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.08.1991 - 4 B 20.091 -, ZfBR 1992, 41 f., sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.06.2006 - 8 S 1737/05 -, BauR 2006, 2106 [Ls.]).Aus dem gleichen Grund könnte die Klägerin verlangen, dass ihr die Spielhallennutzung im Erdgeschoss teilweise auf der Fläche der bisher dort vorhandenen Spielothek genehmigt wird. Abgesehen davon bestehen, was das Erdgeschoss betrifft, auch bereits Zweifel an der objektiven Teilbarkeit des Vorhabens. Denn das anstelle der bisherigen Spielothek geplante „Spielcenter 2“ stimmt baulich und flächenmäßig nicht völlig mit der Vorgängeranlage überein.
19 
bb) Die Klägerin kann, indem sie sich auf die der ... ... AG erteilten Genehmigungen vom 13.02.1998/23.06.1999 beruft, ihren Genehmigungsanspruch auch nicht (ganz oder teilweise) aus Bestandsschutzgründen herleiten. Dabei kann offen bleiben, ob diese Genehmigungen erloschen sind, wie das Verwaltungsgericht meint, oder ob sie - mangels Erfüllung der Unwirksamkeitsvoraussetzungen nach § 43 Abs. 2 LVwVfG - noch fortbestehen, wie die Klägerin behauptet (zur Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG auf Baugenehmigungen vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2009 - 5 S 374/09 -, VBlBW 2010, 597 ff.; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, BauR 2009, 1881 ff.). Denn selbst bei Fortgeltung dieser Baugenehmigungen könnten sie - in ihrer Eigenschaft als vorhabenbezogene Verwaltungsakte - keinen (formellen) Bestandsschutz für die neue Nutzung als Automatenspielhalle begründen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - und in Abweichung seiner von der Klägerin zitierten früheren Auffassung - kann Bestandsschutz nicht mehr aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden, sondern findet grundsätzlich nur im Umfang und nach Maßgabe der einfach gesetzlichen (bauplanungs- wie bauordnungsrechtlichen) Vorschriften in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG statt. Außerhalb der einfachgesetzlichen Ausgestaltungsvorschriften gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz mehr (grundlegend BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, NVwZ 1999, 523 ff.; s. auch Urt. v. 12.03.1998 - 4 C 10.97 -, NVwZ 1998, 842 ff.). Greift - auf bauplanungsrechtlicher Ebene - § 29 BauGB tatbestandlich ein, so richtet sich die Zulässigkeit eines Vorhabens ausschließlich nach den §§ 30 bis 37 BauGB. Bestandsschutzgrundsätze haben daneben als Zulassungsmaßstab keinen Platz (BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 a.a.O.).
20 
Stellt sich demnach - wie hier - der Wechsel in der Nutzung eines Gewerbebetriebs als Nutzungsänderung nach § 29 Satz 1 BauGB dar, weil die Variationsbreite der bisherigen genehmigten Nutzung überschritten wird, endet auch der bisherige Bestandsschutz. (BVerwG, Beschl. v. 11.07.2001 - 4 B 36.01 -, BRS 64 Nr. 73). Ein Beendigungsgrund liegt insbesondere vor, wenn die neue Nutzung gegenüber der bisherigen - etwa unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 9 BauNVO - einer gesonderten Festsetzung durch einen Bebauungsplan unterworfen werden könnte (BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264 ff.). Dies ist hier der Fall. Denn der Bebauungsplan 11/42 hat neue - strengere - Regelungen auch für Spielhallen nach § 1 Abs. 9 BauNVO getroffen.
21 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.1.5 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die gesamte Spielfläche für der Bemessung des Streitwerts (600,-- EUR je qm) herangezogen. Denn die Klägerin ist erstmalige Betreiberin der beantragten Automatenspielhalle. Die Fläche der bisher genehmigten Vergnügungsstätten, einschließlich der Spielothek, und der daraus erzielte Gewinn waren daher nicht in Abzug zu bringen. Betreiberin und Nutznießerin dieser Betriebe war nicht die Klägerin sondern ein Dritter.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die vom Beklagten erlassene zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagungsverfügung vom 28. Juni 2011, mit der ihnen die derzeitige Haltung von 3 Eseln, 2 Schweinen und 2 Ziegen auf dem klägerischen Anwesen und die Nutzung von benachbarten Grundstücken als Weide für die genannten Tiere untersagt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2012 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Kläger.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich der Sache nach auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Die aufgrund eines Ortstermins getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die nähere Umgebung zum Grundstück der Kläger einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, sind nicht ernstlich zweifelhaft.

aa) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich „im oben genannten maßgeblichen Straßengeviert“ (N. Straße, G.-straße, B.-straße und B.-weg) abgesehen von einem weiteren Architekturbüro, einem Feuerwehrhaus und einem Schuhmachermeister ausschließlich Wohngebäude befinden. Soweit die Kläger vortragen, in der G.-straße befinde sich auch eine Theaterwerkstatt mit Tanzstudio, liegt dieses Gebäude außerhalb des Straßengevierts. Angesichts des mittig innerhalb des Straßengevierts liegenden Anwesens der Kläger hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, dass wohl nur die Bebauung innerhalb des Straßengevierts für das Grundstück der Kläger prägend sein kann. Auch hiergegen ist nichts zu erinnern. Selbst aber wenn man das westlich der G.-straße an der N. Straße (Haus-Nr. 14) anliegende Grundstück berücksichtigen würde, an dessen Gebäude eine Tafel mit der Aufschrift „Theaterlabor“ angebracht ist, so stellte das den Charakter der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet nicht infrage. Denn auch Anlagen für kulturelle Zwecke sind im allgemeinen Wohngebiet zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Unerheblich ist auch, dass das im Straßengeviert gelegene Feuerwehrhaus im allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zugelassen werden kann und eine Ausnahmegenehmigung nicht vorgelegt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO; vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2014 - 9 B 10.2528 - juris). Dass in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 BauNVO Vorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind, steht der Annahme eines allgemeinen „faktischen“ Wohngebiets noch nicht entgegen (BVerwG, B.v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 - juris). Ob für die Errichtung des Feuerwehrhauses ausdrücklich eine Ausnahme nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO erteilt wurde, kann dahinstehen, weil eine bauaufsichtlich zugelassene Nutzung Bestandsschutz genießt. Ohne Einfluss auf den Wohngebietscharakter der näheren Umgebung ist schließlich, dass außerhalb des Straßengevierts auf der Zufahrt zur FlNr. ... südlich der N. Straße weidende Kühe auf eine Breite von 5 m bis an die Straße herankommen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass das unbebaute Grundstück FlNr. ... in den Außenbereich übergeht, nicht mehr am Bebauungszusammenhang teilnimmt und in bodenrechtlicher Hinsicht für das Straßengeviert, in dessen Mitte sich das klägerische Grundstück befindet, nicht mehr prägend ist. Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Nichts anderes gilt für den Vortrag, weiter westlich direkt nach dem W. Weg würden ebenfalls Kühe weiden. Davon abgesehen wird die Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB durch die vorhandene Bebauung und ihre Nutzung geprägt, nicht aber durch außerhalb der umgebenden Bebauung vorhandene Flächen für weidende Kühe. Soweit eingewandt wird, die G.-straße steige nach Norden hin deutlich an, wurde dies vom Verwaltungsgericht berücksichtigt. Danach ändere auch eine Unterteilung des Straßengevierts wegen des Höhenversatzes zur G.-straße hin nichts an der Einstufung des Gebiets als allgemeines Wohngebiet, weil die angeführten Nutzungen (weiteres Architekturbüro, Feuerwehrhaus, Schuhmachermeister und Wohngebäude) allesamt im unteren Teil des Straßengevierts liegen würden. Auch dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die von den Klägern eingewandten Lärmwirkungen aus der umliegenden Landwirtschaft lassen den Gebietscharakter der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet unberührt. Ob die in der Baugenehmigung vom 25. Januar 1999 festgelegten Immissionswerte in Höhe der Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet ebenfalls für das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets sprechen, kann dahinstehen.

bb) Soweit die Kläger in ihrem außerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingegangenem Schriftsatz vom 29. Mai 2013 u. a. einwenden, das Verwaltungsgericht habe seine Feststellungen im Ortstermin nur nach den Äußerlichkeiten der jeweiligen Anwesen getroffen, alleine vom äußeren Augenschein könne nicht auf die tatsächliche Aufgabe der Landwirtschaft geschlossen werden, berufen sie sich auf eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO). Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 - 8 B 125/09 - juris Rn. 23 m. w. N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht, weil schon nicht hinreichend konkret dargelegt wird, hinsichtlich welcher ehemals landwirtschaftlich genutzter Gebäude in der näheren Umgebung weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären. Aus dem etwaigen Bestehen einer landwirtschaftlichen Betriebsnummer können jedenfalls keine Schlussfolgerungen auf den Fortbestand einer landwirtschaftlichen Hofstelle in der näheren Umgebung gezogen werden.

b) Der Vortrag, im Zeitpunkt der Genehmigung des Kleintierstalls am 25. Januar 1999 habe erst recht kein allgemeines Wohngebiet vorgelegen, weil zu diesem Zeitpunkt die Grundstücke nördlich und östlich des Klägergrundstücks noch unbebaut und südlich der N. Straße landwirtschaftlich genutzte Flächen vorhanden gewesen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Auch wenn die beiden Wohnhäuser auf den unmittelbar östlich und nördlich an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundstücken im Jahr 1999 noch nicht errichtet waren, ändert das angesichts der weit überwiegenden Wohnbebauung ebenso wenig den Wohngebietscharakter der näheren Umgebung wie die seinerzeit noch geringere Dichte der Bebauung. Aus „ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäuden“ im Bereich der N. Straße oder landwirtschaftlich genutzten Flächen südlich der N. Straße lässt sich nichts für die Annahme gewinnen, die nähere Umgebung habe im Jahr 1999 noch keinem allgemeinen Wohngebiet entsprochen.

c) Der Einwand, den Klägern sei mit Bescheid vom 25. Januar 1999 ein Kleintierstall mit einer Fläche von 23 m² bauaufsichtlich genehmigt worden, die Bebauung sei zu dieser Zeit vollkommen anders gewesen, lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufkommen.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich aus dem in der Bauvorlage im Bestand eingezeichneten Kleintierstall keine Rechte zu Art und Umfang der Tierhaltung über das durch § 14 BauNVO zulässige Maß hinaus ableiten lassen. Das ist nicht zu beanstanden. Es ist schon zweifelhaft, ob sich die Feststellungswirkung der erteilten Baugenehmigung auf eine im Bestand eingetragene Nutzung erstreckt. Unabhängig davon ergibt sich aber weder aus dem Bauantrag noch aus einer Betriebsbeschreibung, dass eine Tierhaltung mit den von den Klägern gehaltenen Arten und im ausgeübten Umfang genehmigt ist. Soweit die Kläger darlegen, dass unmittelbar an das Klägergrundstück erst im Jahr 2005 und 2010 gebaut worden sei, wird auf die vorstehenden Ausführungen in Nr. 1 Buchst. b) verwiesen.

d) Der Einwand, in der Genehmigung seien weder eine Tierart noch eine bestimmte Anzahl benannt, Tierart und Tieranzahl würden somit den Klägern überlassen bleiben, geht fehl.

Mangels Angaben in den Bauvorlagen zum Umfang der beabsichtigten Tierhaltung im Kleintierstall bemisst sich deren Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Insoweit führt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass die Kleintierhaltung nur Tiere erfasst, deren Haltung in Baugebieten typischerweise üblich und ungefährlich ist und, soweit es um Wohngebiete geht, typischerweise einer im Rahmen der Wohnnutzung liegenden Freizeitbetätigung dient (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1984 - 4 B 20/84 - NVwZ 1984, 647). Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die von den Klägern ausgeübte Haltung von Eseln, Schweinen und Ziegen in einem Stallgebäude und auf Weideflächen nach Art und Anzahl der Tiere einem allgemeinen Wohngebiet widerspricht und dass diese Tierhaltung das in diesem Gebiet nach der Verkehrsanschauung Übliche überschreitet, weil das Anwesen der Kläger inmitten des faktischen Wohngebiets und nicht etwa am äußersten Rand des Baugebiets im Übergang zum Außenbereich liegt. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn eingestellt wird, dass zwei Wohngebäude nördlich und östlich des Klägergrundstücks erst in den Jahren 2005 und 2010 errichtet wurden. Die von den Klägern konkret ausgeübte Tierhaltung in einem Stallgebäude und auf Weideflächen hält sich nicht im Rahmen des für eine Wohnnutzung Üblichen. Sowohl Esel als auch Ziegen und Schweine sind unabhängig von ihrer Einstufung als Groß- oder Kleintiere typischerweise nicht in einem Wohngebiet zu erwarten; ihre Haltung liegt nicht im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung. Auch ändert sich die Lage des klägerischen Anwesens inmitten des faktischen Wohngebiets nicht dadurch, dass zwei Wohngebäude im Jahr 1999 noch nicht errichtet waren. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob Ziegen oder Schweine als Kleintiere i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO anzusehen sind. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass die von den Klägern aufgenommene Tierhaltung eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt, für die es an einer Genehmigung fehlt. Das ist nicht ernstlich zweifelhaft.

e) Auch der Umstand, dass der Kläger seit dem 22. November 2012 einen landwirtschaftlichen Betrieb aufgenommen hat, der aus dem streitgegenständlichen Anwesen und einem weitaus größeren Anwesen an anderer Stelle besteht, lässt keine andere rechtliche Bewertung zu. Denn die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung im gegenständlichen Anwesen ist im vorliegenden allgemeinen Wohngebiet nicht zulassungsfähig.

Ebenso wenig lässt sich aus dem Betrieb des Bio-Ladens der Kläger oder ihrer Tätigkeit im Bereich der Tierkinesiologie ableiten, eine Tierhaltung in dem von den Klägern betriebenen Umfang sei gleichsam mitgenehmigt.

f) Auch die weiteren Darlegungen der Kläger zum Vorliegen eines Bestandsschutzes führen nicht zur Zulassung der Berufung.

Angesichts des geringen Umfangs der Tierhaltung der Kläger (nach dem Formblatt „Allgemeine Viehzählung“ vom 3. Dezember 1992 3 Schafe und 8 Hühner) bestehen keine ernstlichen Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass sich die Kläger auf keinen aus der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung folgenden Bestandsschutz für ihre Tierhaltung berufen können. Insbesondere ist auszuschließen, dass sich aus der (erst) in der Bauvorlage zur Baugenehmigung vom 25. Januar 1999 im Bestand eingetragenen Bezeichnung „Kleintierstall“ ergeben könnte, dieser dürfe nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden. Unabhängig davon ist nicht zu ersehen, dass die von den Klägern gehaltenen Tiere zu irgendeinem Zeitpunkt anderen als Freizeitzwecken oder einem über die eigene Versorgung hinausgehenden landwirtschaftlichen Zweck gedient hätten.

g) Mit dem Vortrag, bei der Tierzählung am 3. Dezember 1992 habe der Kläger bereits die Haltung von 3 Schafen angegeben, der Beklagte habe diese Haltung geduldet und mit Bescheid vom 25. Januar 1999 auch noch einen Kleintierstall genehmigt, werden keine ernstlichen Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufgezeigt.

Amtliche Viehzählungen erfolgen auf Grundlage des Gesetzes über Agrarstatistiken (AgrStatG) bzw. des früheren Viehzählungsgesetzes. Die amtliche Viehzählung dient der Erfassung der Viehbestände für die Agrarstatistik und nicht der bauaufsichtlichen Kontrolle; sie wurde vom Veterinäramt durchgeführt und nicht von der Bauaufsichtsbehörde. Dementsprechend kann auch nicht davon ausgegangen werden, die für bauaufsichtliche Maßnahmen zuständige Bauaufsichtsbehörde habe eine Nutztierhaltung geduldet. Davon abgesehen unterliegt die Befugnis zum Erlass bauaufsichtlicher Maßnahmen nicht der Verwirkung, weil sie kein subjektives Recht ist, auf das verzichtet werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.1969 - 133 II 66 - BayVBl 1970, 103). Auch hindert die schlichte Duldung den Erlass einer Nutzungsuntersagung ohne Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2012 - 14 CS 12.242 - juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 6.12.2011 - 15 CS 11.2402 - juris Rn. 12; jeweils m. w. N.). Als Vorschrift zur Art der baulichen Nutzung gewährt § 14 BauNVO dem Nachbarn zudem unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen ein Abwehrrecht in Gestalt eines Gebietserhaltungsanspruchs (BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 4 C 12/03 - juris Rn. 28). Insoweit wäre es unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Bauaufsichtsbehörde trotz längerer Duldung eines baurechtswidrigen Zustands aus Anlass von Nachbarbeschwerden gegen eine nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung bauaufsichtlich einschreitet.

h) Dass Lärmwirkungen auch von der östlich verlaufenden Eisenbahnstrecke und von umliegenden Bauernhöfen verursacht werden, verhilft dem Zulassungsantrag der Kläger nicht zum Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass es auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen durch die Kläger nicht ankommt, weil die von den Klägern ausgeübte Tierhaltung bereits den Rahmen des für eine Wohnnutzung Üblichen übersteigt. Das ist, wie bereits ausgeführt wurde, nicht ernstlich zweifelhaft.

2. Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO

Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Die Wertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 5. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine baugebietswidrige Wohnnutzung.

2

Sie sind Eigentümer der in der Gemarkung R… gelegenen Grundstücke Flurstück Nrn. …, … und …, auf denen sie eine Spedition betreiben. Im Nordwesten grenzt an diese Parzellen das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen an (Flurstück Nr. …). Der am 1. August 1991 in Kraft getretene Bebauungsplan „In der Langenbach“ setzt für diese Flurstücke ein Gewerbegebiet fest. Im Süden des Speditionsgeländes schließt sich ein ebenfalls mit Wohnhäusern bebautes Mischgebiet an.

3

Das Wohnhaus der Beigeladenen wurde 1913 errichtet. 1986 wurde das Hausgrundstück vom Land Rheinland-Pfalz - Straßenverwaltung - angekauft, da es zu einem großen Teil für den Straßenbau benötigt wurde. Von Anfang 1988 bis Mitte 1991 nutzte die Straßenverwaltung das Gebäude als Büro. Nach Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme verkaufte das Land Rheinland-Pfalz das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom Dezember 1992 zum Preis von 90.000,00 DM an die Kläger, die das Gebäude seither zu Wohnzwecken nutzen.

4

Im Jahr 1995 erteilte der Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon.

5

Seit etwa 1999 beanstandete die Bauaufsichtsbehörde den Umfang des Lkw-Betriebes auf dem Speditionsgrundstück. Ein schalltechnisches Gutachten vom April 2001 ergab, dass bei 6 Lkw-Abfahrten von dem Grundstück in der lautesten Nachtstunde am Wohngebäude der Beigeladenen der Immissionsrichtwert für Gewerbegebiete (50 dB(A)) nicht eingehalten werden könne. Am 25. Juli 2003 verfügte der Beklagte ein Nachtfahrverbot für LKW. Schließlich wurde den Klägern am 13. Februar 2007 eine Baugenehmigung u.a. für einen Abstellplatz mit der Maßgabe erteilt, dass in der lautesten Nachtstunde maximal 3 Pkw-Parkvorgänge und 3 Lkw-Abfahrten zulässig seien.

6

Hinsichtlich der Wohnnutzung des Gebäudes der Beigeladenen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2004 fest, dass diese Wohnnutzung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegen baurechtliche Bestimmungen verstoße und ein Bestandsschutz aus einer früher zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzung nicht mehr bestehe. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Kreisverwaltung aber bereit sei, aufgrund der besonderen Umstände des Falles von einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die rechtswidrige Wohnnutzung abzusehen, allerdings nur dann, wenn keine strengeren Lärmschutzanforderungen als die für ein Betriebswohngebäude im Gewerbegebiet gestellt würden. Diese Duldungsentscheidung stelle eine sachgerechte Interessenabwägung dar und verschaffe den Beigeladenen eine „gewisse verfestigte Rechtsposition“. Die von den Beigeladenen gegen die Feststellung der Baurechtswidrigkeit ihrer Wohnnutzung erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG -). Im Rahmen einer Petition der Beigeladenen, mit der sie die Erstreckung der Duldung auch auf ihre Kinder erreichen wollten, teilte der Landrat des Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2008 mit, dass die Beigeladenen auch künftig mit einem Einschreiten nicht rechnen müssten, sofern nicht besondere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art ein Einschreiten erforderten. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Fall der Übernahme des Gebäudes durch die Kinder der Beigeladenen gelten.

7

Mit Schreiben vom 21. November 2008 bat der damalige Bevollmächtigte der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen rechtskräftig festgestellte Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung um Aufklärung, in welcher Weise die Bauverwaltung einzuschreiten gedenke. In seiner Antwort teilte der Beklagte mit, dass den Interessen des Speditionsunternehmens durch die „Gleichstellung“ des Hauses mit einem Betriebswohngebäude hinreichend Rechnung getragen worden sei. Nachdem eine erneute Bitte um bauaufsichtliches Einschreiten im September 2009 erfolglos geblieben war, beantragten die Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 förmlich, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Zumindest müsse die im Bescheid vom 6. Februar 2004 ausgesprochene Duldung eingeschränkt werden.

8

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 ab und führte zur Begründung aus: Der im Falle der Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruchs grundsätzlich bestehende Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide hier wegen besonderer Umstände des Falles aus. Zunächst sei der Nachbaranspruch verwirkt. Darüber hinaus stünden einem Einschreiten auch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten der Beigeladenen entgegen. Ihnen sei nicht erkennbar gewesen, dass sie 1992 ein illegales Wohngebäude erwarben. Hinzu komme, dass ihnen 1995 die Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon bauaufsichtlich genehmigt worden sei, woraufhin die Beigeladenen nicht unerhebliche Investitionen getätigt hätten. Mit der „Gleichstellung“ des Wohngebäudes der Beigeladenen mit einer Betriebswohnung sei den Interessen des Speditionsbetriebs hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen behalte sich die Kreisverwaltung ein Einschreiten vor, sofern dies wegen besonderer Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art im öffentlichen Interesse erforderlich werde. Demzufolge werde auch der Hilfsantrag auf Einschränkung der Duldung abgelehnt. Ob das Ableben der Beigeladenen oder andere Umstände ein Einschreiten erfordere, werde zu gegebener Zeit im Einzelfall zu entscheiden sein.

9

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 zurückgewiesen. Zuvor hatten die Beigeladenen ausgeführt, dass die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen des im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschlusses erfolglos geblieben sei.

10

Die Kläger haben zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage vorgetragen: Die Verweigerung des bauaufsichtlichen Einschreitens sei ermessensfehlerhaft. Die Nachbarschaft zu den Beigeladenen gestalte sich denkbar ungünstig. Es komme immer wieder zu neuen Anzeigen beim Gewerbeaufsichtsamt und anderen Ämtern. Dadurch würden die Abläufe in ihrem Speditionsbetrieb empfindlich gestört. Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei auch nicht verwirkt. Zweifelsfrei Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hätten sie erst nach Abschluss des auf den Bescheid vom 6. Februar 2004 bezogenen Verfahrens der Beigeladenen gehabt. Sollte doch von einer Duldung auszugehen sein, müsse diese jedoch jedenfalls beschränkt werden.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe ein Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nicht zu. Zwar sei die von den Beigeladenen ausgeübte Wohnnutzung formell und materiell baurechtswidrig. Jedoch liege ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger nicht vor. Mit der in der Duldungsverfügung vom 6. Februar 2004 enthaltenen Gleichstellung des Gebäudes der Beigeladenen mit einem im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Betriebswohngebäude sei dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters Genüge getan. Eine negative Vorbildwirkung durch die geduldete Wohnnutzung sei nicht zu befürchten, da sich in dem festgesetzten Gewerbegebiet neben dem Grundstück der Beigeladenen lediglich noch die Grundstücke der Kläger befänden. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hilfsantrag abzuweisen. Ein Bedürfnis für eine Konkretisierung oder Einschränkung der Duldung vom 6. Februar 2004 bestehe derzeit nicht.

12

Die Kläger haben zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt: Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei nicht verwirkt. Sie hätten rechtzeitig nach rechtskräftiger Feststellung der Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung der Beigeladenen ein bauaufsichtliches Einschreiten beantragt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihr Gebietsbewahrungsanspruch sehr wohl verletzt. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO lasse lediglich Betriebswohnungen ausnahmsweise zu. Eine Baugenehmigung für eine reine Wohnnutzung - wie hier - sei deshalb rechtswidrig. Dann sei aber eine dahingehende Duldungsentscheidung ebenfalls rechtswidrig. Es gehe nicht an, dass sich die Behörde durch ihr eigenes Verhalten an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hindere.

13

Die Kläger beantragen,

14

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. Dezember 2011 den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Unterlassung der Nutzung des Grundstücks P… Straße in R… zu Wohnzwecken unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Nach seiner Auffassung ist die Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 gegenüber den Klägern bestandskräftig geworden. Im Übrigen sei die Behörde durchaus bauaufsichtlich eingeschritten, indem sie nämlich das Wohnhaus der Beigeladenen einer Betriebswohnung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gleichgestellt habe. Die darüber hinaus ausgesprochene Duldung stelle gerade unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zugunsten der Beigeladenen eine rechtmäßige Ermessensentscheidung dar.

18

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie tragen ergänzend vor: Dem Anspruch auf Einschreiten stehe bereits die Bestandskraft des Duldungsbescheids vom 6. Februar 2004 entgegen. Die Kläger hätten nach Kenntnis hiervon länger als ein Jahr nichts dagegen unternommen. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Einschreiten auch infolge der Untätigkeit der Kläger gegenüber der bereits seit 1992 ausgeübten Wohnnutzung verwirkt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung hat keinen Erfolg.

23

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihren Antrag, gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Denn die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt.

24

Rechtsgrundlage für das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten ist § 81 Satz 1 LBauO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen. Dieser Ermächtigung zum bauaufsichtlichen Einschreiten korrespondiert ein subjektiver Anspruch eines Nachbarn auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sofern die verletzte Vorschrift nachbarschützend ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -).

25

1. Die Wohnnutzung der Beigeladenen ist sowohl formell baurechtswidrig, weil sich die ursprünglich im Jahr 1913 genehmigte Wohnnutzung des Hauses infolge der Umnutzung zum Baubüro erledigt hat, als auch materiell baurechtswidrig, weil sie nicht genehmigungsfähig ist. In einem Gewerbegebiet sind Wohngebäude grundsätzlich nicht zulässig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO können lediglich Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber untergeordnet sind, ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen für die reine Wohnnutzung der Beigeladenen nicht vor. All dies steht zwischen den Beteiligten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und den Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG - rechtskräftig fest.

26

Die Kläger können sich auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung durch die Beigeladenen berufen. Denn die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne hat für die Nachbarn im Plangebiet kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, LS 2). Soweit das Verwaltungsgericht zwischen objektiver Rechtswidrigkeit der Grundstücksnutzung und dem Umfang des Gebietsbewahrungsanspruchs des Nachbarn differenziert, gilt es klarzustellen, dass der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des Nachbarn in vollem Umfang den objektiv-rechtlichen Anforderungen an die Gebietsverträglichkeit entspricht. So hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Nachbar auch dann einen Anspruch auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O., S. 161 und juris, Rn. 23). Dass die baugebietswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen aufgrund der getroffenen Duldungsentscheidung zu keinen strengeren Lärmschutzvorkehrungen als den in einem Gewerbegebiet erforderlichen zwingt, ist deshalb für die Frage des Verstoßes gegen den Gebietsbewahrungsanspruch unerheblich.

27

2. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung in § 81 Satz 1 LBauO haben die Kläger keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die im Haus der Beigeladenen stattfindende Wohnnutzung, weil der Beklagte dies zum jetzigen Zeitpunkt fehlerfrei abgelehnt hat.

28

a) Es kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, ob dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch der Einwand der Verwirkung oder die Unanfechtbarkeit der Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 entgegengehalten werden kann. In beiden Fällen neigt der Senat allerdings dazu, dies zu verneinen.

29

Dass die Kläger seit Aufnahme der Wohnnutzung durch die Beigeladenen im Jahr 1992 lange Zeit untätig geblieben sind, dürfte deshalb keine Verwirkung ihrer nachbarlichen Ansprüche auf bauaufsichtliches Einschreiten begründen, weil in den 1990er Jahren keiner der Beteiligten erkannt hatte, dass die 1913 erteilte Baugenehmigung zur Wohnnutzung infolge der Umnutzung des Hauses durch die Straßenverwaltung unwirksam geworden war (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22).

30

Hinsichtlich des Bescheids vom 6. Februar 2004 dürfte zwar von einem Duldungsverwaltungsakt auszugehen sein. Hierfür sprechen die Formulierungen „Duldungsentscheidung“ und „Verschaffen einer verfestigten Rechtsposition“. Indes dürfte diese Duldungsentscheidung gegenüber den Klägern nicht unanfechtbar geworden sein. Eine unmittelbare Anwendung der Anfechtungsfristen nach §§ 57, 58 und 70 VwGO scheidet mangels förmlicher Bekanntgabe des Verwaltungsakts den Klägern gegenüber aus. Das Berufen auf die fehlende Bekanntgabe der Duldungsentscheidung dürfte ihnen auch nicht nach Treu und Glauben versagt werden können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von den Beigeladenen zitierten Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, ausgeführt, dass einem Nachbar dann, wenn er sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erlangt hat oder hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein könne, dass die Baugenehmigung ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (vgl. BVerwGE 44, 294, Leitsatz 2). Die danach erforderliche Treuwidrigkeit dürfte den Klägern hier allerdings nicht vorgehalten werden können. So haben sie in dem mit dem Beklagten geführten Rechtsstreit um das Nachtfahrverbot vom 25. Juli 2003 bereits im Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2004 die in dem „Feststellungsbescheid“ (vom 6. Februar 2004) erklärte Duldung der Wohnnutzung der Beigeladenen als „evident rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft“ kritisiert. Dass sie darüber hinaus keine weiteren Schritte eingeleitet, sondern zunächst den Rechtsstreit zwischen den Beigeladenen und dem Beklagten über die Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung abgewartet haben, erscheint legitim. Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Rechtsstreits sind die Kläger dann alsbald aktiv geworden und haben um bauaufsichtliches Einschreiten nachgesucht.

31

b) Der Beklagte hat den Antrag der Kläger, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten, im Bescheid vom 10. Februar 2011 jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt.

32

Zwar kann ein Nachbar nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften grundsätzlich ein bauaufsichtliches Einschreiten zum Zwecke der Beseitigung des Rechtsverstoßes beanspruchen. Eine solche Ermessensreduzierung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So ist anerkannt, dass sie dann nicht eintritt, wenn eine Befreiung oder eine Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 22. Oktober 1987 - 1 A 108/85 - und 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -, jew. m.w.N.). Der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist ferner eingeschränkt, soweit der Einschreitenspflicht der Behörde ihrerseits rechtliche Schranken entgegenstehen. Denn der subjektive Anspruch des Nachbarn kann nicht weitergehen als die objektive Pflicht der Bauaufsichtsbehörde.

33

Der Beklagte sieht sich derzeit zu Recht aus Gründen des Vertrauensschutzes an dem Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber den Beigeladenen gehindert.

34

(1) Zwar können polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht verwirkt werden. Denn im Unterschied zu subjektiven privaten Rechten sind sie nicht verzichtbar, müssen vielmehr im öffentlichen Interesse zur Gewährleistung rechtmäßiger Zustände aufrechterhalten bleiben (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. April 2008 - 10 S 1388/06 -, NVwZ-RR 2008, 696; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 53 Rn. 44). Von dem Tatbestand der Verwirkung ist jedoch der Umstand zu unterscheiden, dass sich das Gebrauchmachen von einer Eingriffsermächtigung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen kann, wenn sich eine Behörde damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt und schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen verletzt. So ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts anerkannt, dass eine Bauaufsichtsbehörde dann am ermessensfehlerfreien Erlass einer Beseitigungsverfügung gehindert sein kann, wenn sie durch ihr vorangegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand beim Bauherrn geschaffen und dieser im Vertrauen darauf nicht unerhebliche und nur schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat (sog. „aktive Duldung“, vgl. OVG RP, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 1 A 68/77 -, AS 15, 324 [326]; Urteil vom 22. November 2011 - 8 A 11101/11.OVG -, DVBl. 2012, 250; ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2008 -7 A 103/08-, NVwZ-RR 2009, 364 und juris, Rn. 48 f; Decker, in: Simon/Busse, BayBauO, 107. Ergänzungslieferung 2012, Art. 76, Rn. 227 m.w.N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 53, Rn. 27).

35

Die Begrenzung der Einschreitenspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes schränkt die Durchsetzung des objektiven Rechts und der damit korrespondierenden subjektiven Nachbaransprüche zwangsläufig ein. Diese Zurücknahme der Rechtsdurchsetzung ist aber durch die gegenläufigen, ihrerseits ebenfalls rechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt (vgl. zu dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot des Vertrauensschutzes bei Erlass baurechtlicher Beseitigungsverfügungen: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 -1 BvR 1860/02-, NVwZ 2005, 203 [Pirmasenser Amnestie]). Die widerstreitenden Positionen müssen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Hierzu dient das den Bauaufsichtsbehörden eingeräumte Ermessen. Dabei wird dem Gebot zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände von vornherein dadurch in besonderem Maße Ausdruck verliehen, dass die Hinnahme rechtswidriger Zustände aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für einen vorübergehenden Zeitraum erlaubt sein kann. Keinesfalls darf die auf schutzwürdiges Vertrauen gestützte Duldung in ihrer Wirkung derjenigen einer Baugenehmigung gleichkommen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 29. März 1993 - 4 UE 470/90 -, BauR 1994, 229 und juris, Rn. 13; Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 6. Aufl. 2010, S. 186 m.w.N.).

36

(2) Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Beklagten, aktuell nicht gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen in ihrem Haus P… Str. einzuschreiten, rechtlich nicht zu beanstanden.

37

Der Beklagte hat zu Recht erkannt, dass durch die Baugenehmigung zur Errichtung der Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon im Jahr 1995 ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war. Die Beigeladenen mussten diese Baugenehmigung so verstehen, dass die Berechtigung zur Wohnnutzung in dem von ihnen erworbenen Haus nicht in Frage gestellt wird. Die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweisende Genehmigung ist auch von den Klägern nicht beanstandet worden; gestritten wurde im Rahmen der Bauausführung lediglich um einen geringfügigen Terrassenüberbau. Da die Beigeladenen im Vertrauen auf die Berechtigung ihrer Wohnnutzung auch nicht unerhebliche Investitionen getätigt haben, würde die Bauaufsichtsbehörde gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen, wenn sie hierauf im Rahmen der Entscheidung über die Durchsetzung des Gebietsbewahrungsanspruchs nicht Rücksicht nähme.

38

Andererseits hat der Beklagte bei seinen, dem Bescheid vom 11. Februar 2011 zugrunde liegenden Ermessenserwägungen auch die schutzwürdigen Interessen der Kläger gewürdigt und ihnen in gebotenem Maße Rechnung getragen. Wie vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt, hat die Behörde nämlich die Duldung des baurechtswidrigen Zustands an die Bedingung geknüpft, dass die Beigeladenen keine strengeren Lärmschutzanforderungen geltend machen, als dies für eine Betriebswohnung in einem Gewerbebetrieb beansprucht werden könnte. Dies bedeutet, dass sich die Beigeladenen mit den in einem Gewerbegebiet zwangsläufig entstehenden und als gebietsverträglich zu bewertenden Geräuscheinwirkungen, einschließlich auftretender Geräuschspitzen, abzufinden haben. Sofern sie darüber hinaus Schutzvorkehrungen auch unterhalb des in einem Gewerbegebiet üblichen Niveaus beanspruchen und gegenüber dem Beklagten geltend machen, stellen sie damit die ihnen lediglich unter der vorgenannten Bedingung gewährte Duldung in Frage. Ferner hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 10. Februar 2011 den Interessen der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass er sich die Möglichkeit des Einschreitens in der Zukunft ausdrücklich vorbehalten und dabei durchaus offengelassen hat, ob nicht der – von den Klägern angesprochene – Zeitpunkt des Ablebens der Beigeladenen und damit die Beendigung der derzeit praktizierten baurechtswidrigen Nutzung des Hauses einen Anlass für ein Einschreiten darstellt. Soweit darin eine Einschränkung gegenüber der großzügigeren, nämlich eine Anschlussnutzung durch die Kinder der Beigeladenen einschließende Duldungsregelung im Schreiben des Landrats vom 15. September 2008 zu sehen ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn § 50 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG stellt Aufhebungen bzw. Einschränkungen von Verwaltungsakten anlässlich oder gelegentlich eines Rechtsbehelfsverfahrens - wie hier - von Vertrauensschutzerwägungen nach §§ 48 oder 49 VwVfG frei (vgl. Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 50 Rn. 2).

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, einen von ihm errichteten Anbau an ein Wohngebäude abzubrechen.
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 das Grundstück Flst.-Nr. ... im Gewann W..., Gemarkung B., U... 13. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war das Grundstück mit einem im Jahr 1985 genehmigten Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m² bebaut. Das Grundstück befindet sich im Bereich des Wochenendhausgebiets „Wanne“. Für dieses Gebiet beschloss der Gemeinderat der Gemeinde B. am 21.3.1961 unter Aufhebung bisher geltender Bestimmungen den Erlass einer „Ortsbausatzung über die Errichtung von Wochenendhäusern auf den Markungen des Gemeindebezirks B.“ (OBS). Nach § 2 OBS sind Wochenendhäuser nur für den vorübergehenden Aufenthalt, insbesondere über das Wochenende oder in Ferienzeiten, bestimmt. Nach § 4 OBS darf die Grundfläche der Wochenendhäuser 35 m² nicht überschreiten.
Schon im Jahr 1994 kam es zu Beschwerden einzelner Grundstückseigentümer gegenüber dem Landratsamt Heilbronn, wonach andere Eigentümer sich über die Regelungen der Ortsbausatzung hinwegsetzten, ihre Wochenendhäuser „schwarz“ erweiterten und zum dauerhaften Wohnen nutzten. Nach einem vom damaligen Dezernenten gebilligten Aktenvermerk vom 9.6.1996 wurde jedoch von einem Einschreiten abgesehen, da es sich um Erweiterungsbauten meist älterer Leute handele und daher mit künftigen Erweiterungen nicht mehr zu rechnen sei. Im Jahr 2007 waren so im Gebiet „Wanne“ eine erhebliche Anzahl von Gebäuden mit einer Grundfläche von mehr als 35 m2 vorhanden sowie eine erhebliche Anzahl von Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt wurden. Die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks schrieben im März 2007 die Stadtverwaltung B.s mit Fragen zur zulässigen Bebauung an und forderten sie zum Einschreiten gegen „illegal erstellte Anbauten“ auf. Dieses Schreiben leitete die Stadtverwaltung mangels Baurechtszuständigkeit an das Landratsamt weiter. Dem Landratsamt kamen in diesem Zusammenhang Zweifel an der Gültigkeit der Ortsbausatzung. In einem von Sachgebietsleiter am 13.4.2007 unterschriebenen Vermerk wurde deswegen vorgeschlagen:
„Weiteres Vorgehen:
1. Erhebung des rechtlichen Status…
2. Zielbesprechung. Bisherigen Baulichkeiten sollen geduldet werden, neue Bauten unter best. festzulegenden Bedingungen genutzt und ggf. neu gebaut werden dürfen. Gemeinde muss hier mit ins Boot genommen werden… Bebauungsplan durch Gemeinde als Ziel“.
Der Bürgermeister der Stadt B. erklärte jedoch im Juni 2007 gegenüber dem Landratsamt, die Aufstellung eine Bebauungsplans sei nicht beabsichtigt. Daraufhin ordnete das Baurechtsamt eine Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße an. Das Vermessungsamt ermittelte danach die Grundflächen der vorhandenen Gebäude und fertigte zwei entsprechende Karten, die das Datum 16.1.2008 tragen Auf dem Grundstück des Klägers ist in den Karten neben einer Garage ein Hauptgebäude mit einer Grundfläche von rund 38 m2 verzeichnet.
Der Sachgebietsleiter der Baurechtsbehörde entschied am 28.3.2008, die Karten dem Bürgermeister zuzuleiten mit der nochmaligen Anregung, einen Bebauungsplan aufzustellen. Falls die Stadt dem nicht nachkomme, würden Bauvorhaben, deren Zustand auf den Karten dokumentiert sei, genehmigt oder zumindest geduldet. Neufälle, die die in den Karten verzeichneten Maße der baulichen Anlagen überschritten, müssten dagegen zurückgebaut werden. Der Bürgermeister antwortete darauf am 17.4.2008, dass für den Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Legalisierung bisheriger Verstöße „auf gar keinen Fall in Betracht“ komme. Man wünsche sogar, Altfälle aufzugreifen.
Bereits Mitte Dezember 2007 hatte das Landratsamt einen Hinweis auf einen Schwarzbau im Bereich des Unteren Wannenwegs erhalten. Daraufhin stellte ein Baukontrolleur am 31.1.2008 auf dem klägerischen Grundstück einen Erweiterungsbau fest, durch den sich die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes auf rund 92 m² erhöht. Mit Verfügung vom 4.2.2008 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an und forderte den Kläger auf, Planunterlagen einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über einen erneuten Ortstermin am 27.3.2008 wurde „der Anbau zwischenzeitlich fertig gestellt. Der Innenausbau war bis auf Streicharbeiten (gerade in Garage) abgeschlossen. Daher hat sich Herr H. nicht an den Baustopp gehalten“.
Mit Schreiben vom 28.3.2008 wurde der Kläger zum Erlass einer Abbruchs- und Rückbauanordnung angehört. Mit Schriftsatz vom 2.6.2008 legte er Planunterlagen über den Umfang der Baumaßnahmen vor und führte aus, die Bestimmungen der Ortsbausatzung seien durch die tatsächliche Handhabung und Entwicklung in den letzten Jahren wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Nun ausgerechnet gegen ihn einzuschreiten, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig.
10 
Mit Verfügung vom 4.9.2008 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger an, den errichteten Anbau abzubrechen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anbau sei formell und materiell baurechtswidrig. Er sei ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtet worden und könne als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da er Bestimmungen der wirksamen Ortsbausatzung verletze und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Das Anordnungsermessen sei dahingehend auszuüben, die Beseitigung des Anbaus zu verlangen. Denn das Interesse des Klägers an der Erhaltung einer durch eigenmächtiges Handeln erlangten Position sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtsgemäßer Zustände nachgeordnet. Ein weniger belastendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die Anordnung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
11 
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 7.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Überbauung seines Grundstücks richte sich nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. Maßgeblich hierfür sei die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung. In diese füge sich sein Bauvorhaben ein.
12 
Mit Bescheid vom 18.1.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der errichtete Anbau sei materiell rechtswidrig, da er gegen § 4 OBS verstoße, der als Bestimmung eines einfachen Bebauungsplans fortgelte. Dieser einfache Bebauungsplan sei auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Denn das von ihm umfasste Wochenendhausgebiet bestehe aus 101 Grundstücken. Im März 2010 seien auf 33 Grundstücken Wohnsitze gemeldet gewesen und auf 29 Grundstücken sei die Gebäudegrundfläche von 35 m² überschritten worden. Der ganz überwiegende Teil der Grundstücke werde daher nicht entgegen den Regelungen der Ortsbausatzung genutzt. Die Abbruchsanordnung sei auch ermessensfehlerfrei. Zwar sei sie für den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, doch habe er aufgrund seiner Vorgehensweise das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Die Abbruchsanordnung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser hindere die Baurechtsbehörde bei Schwarzbauten nicht, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen, denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gehandelt. Ferner verstoße die Abbruchsanordnung auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Landratsamt habe sich dazu entschieden, alle Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 35 m², die in einer vom Vermessungsamt gefertigten Karte eingezeichnet seien, nicht mehr aufzugreifen. Dagegen werde gegen alle Gebäude bzw. Gebäudeteile, die in der Karte eine zulässige Gebäudegrundfläche aufwiesen und später vergrößert würden, vorgegangen.
13 
Der Kläger hat am 18.2.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Mit Urteil vom 9.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage nach Einnahme eines Augenscheins abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Abbruchsanordnung sei nicht zu beanstanden. Denn für den Anbau fehle es an einer Baugenehmigung, er verstoße gegen materielles Recht und auf andere Weise als durch den Erlass der Abbruchsanordnung könnten rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden. Die materielle Rechtswidrigkeit lasse sich allerdings nicht auf einen Verstoß gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde B. stützen, das die Satzung mangels Bekanntmachung nicht wirksam zustande gekommen sei. Damit richte sich die Zulässigkeit des Anbaus nach § 35 BauGB. Denn das Vorhaben des Klägers liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, da sich die in seiner Umgebung vorhandene Bebauung nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstelle. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben könne der Anbau des Klägers somit nur zugelassen werden, wenn er keine öffentlichen Belange beeinträchtige. Er lasse jedoch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Zudem fehle es an einer ausreichenden Erschließung jedenfalls in abwasserrechtlicher Hinsicht. Das somit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Abbruchsanordnung sei fehlerfrei ausgeübt worden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es nicht, rechtswidrige Zustände stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Die Baurechtsbehörde müsse sich für ihr Vorgehen nur bestimmte Regeln setzen und diese auch befolgen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz werde nur dann begründet, wenn sie zeitgleich oder später errichtete vergleichbare Vorhaben ungleich behandele. Nach diesen Maßgaben habe das Landratsamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn es sei gegen den klägerischen Anbau noch in dessen Errichtungsphase eingeschritten. Weiter sei glaubhaft, dass seither gegen jeden weiteren bekannt gewordenen Fall eines Ausbaus der Häuser im Gewann Wanne eingeschritten werde.
14 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 11.9.2013 die Berufung zugelassen.
15 
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung geltend, die angefochtene Abbruchsanordnung und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung fehlten und überdies das Anordnungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Anordnungstatbestand sei nicht erfüllt, da das vergrößerte Wohnhaus planungsrechtlich zulässig sei. Die Ortsbausatzung der Gemeinde B. über die Bebauung des Wochenendhausgebiets sei nicht wirksam zustande gekommen und damit für die Zulässigkeit des Anbaus ohne Bedeutung. Das Baugrundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht verneint, dass der Bebauungskomplex im Bereich Wanne Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Denn dieser Komplex, insbesondere auch entlang des U... Wegs, bestehe aus Wochenendhäusern und massiven Wohnhäusern, häufig mit Grundflächen zwischen 76 m2 bis zu 112 m2. Ob dieser Bebauungskomplex als städtebauliche Einheit in Erscheinung trete oder stark durchgrünt sei, sei für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso unerheblich wie seine Entstehungsgeschichte. In die solchermaßen gebildete Umgebungsbebauung füge sich sein Wohngebäude mit Anbau ein. Das gelte auch für das Maß der baulichen Nutzung. Denn die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes mit rund 92 m2 füge sich in die Bandbreite der in der Umgebung vorhandenen Grundflächen von Wohnhäusern ein. Nicht anderes gelte für die Zahl der Vollgeschosse, weil das neu entstandene Gebäude nur eines aufweise und seine Firsthöhe mit 4,3 m auf der Südseite dem durch die Umgebung geprägten Rahmen entspreche. Selbst wenn man zur Auffassung komme, der Anbau sei doch rechtswidrig, sei jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Denn dem Konzept des Landratsamts für ein bauaufsichtliches Einschreiten liege zugrunde, nur gegen bauliche Anlagen einzuschreiten, die nach dem 16.1.2008, dem Tag der Erstellung der beiden Karten des Vermessungsamts, errichtet worden seien. Zu diesem Stichtag sei sein Anbau aber längst vollständig fertig gestellt gewesen. Dagegen sei das Landratsamt gegen andere bauliche Anlagen, die nach dem 16.1.2008 errichtet worden seien, bislang nicht eingeschritten. In einem Fall, auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., habe das Landratsamt sogar ein Gebäude mit einer Grundfläche von rund 70 m2 genehmigt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.10.2012 - 5 K 588/11 - zu ändern und die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 aufzuheben.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Es erwidert, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung lägen vor. Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich. Für die Annahme, dort bestehe ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil, fehle es schon an einer organischen Siedlungsstruktur. Das Verwaltungsgericht habe nach Einnahme eines Augenscheins aus dem Umständen des Einzelfalls zu Recht geschlossen, dass es sich bei der Bebauung im Bereich Wanne um eine Splittersiedlung handele. Selbst wenn das anders zu sehen sein und doch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegen sollte, füge sich das klägerische Vorhaben nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Da das Wohnhaus des Klägers durch seine äußere Erscheinungsform die Umgebung dominiere, sei der Rahmen, der zur Beurteilung seines Einfügens zu wählen sei, weit zu ziehen und entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die auf der nördlichen Seite des U... Wegs belegenen Vorhaben zu beschränken. In den so zu bestimmenden Rahmen füge sich ein Gebäude mit 92 m2 Grundfläche keinesfalls ein. Eines der angrenzenden Wohnhäuser habe z.B. nur eine Grundfläche von 50 m2. Von 68 Wochenend-/Wohnhäusern hätten 49 eine Grundfläche von lediglich bis zu 39 m². Lediglich sieben bis acht hätten eine Grundfläche von 73 bis 94 m². Sei der Anbau somit in jedem Fall planungsrechtlich unzulässig, lasse die Ausübung des Anordnungsermessens keine Fehler erkennen. Das Einschreiten gegen das klägerische Vorhaben sei nicht gleichheitswidrig, zumal es am 16.1.2008 nicht fertiggestellt gewesen sei. Dagegen spreche schon, dass am 31.1.2008 noch ein Gerüst angebracht gewesen sei und selbst am 27.3.2008 noch Malerarbeiten stattgefunden hätten. Was die übrigen Baulichkeiten betreffe, warte das Landratsamt den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren ab. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... sei zwar im Jahr 1997 ein Gebäude genehmigt worden, doch nur dessen Untergeschoss überschreite die 35 m2 Grenze deutlich, nicht aber seine oberirdische Gebäudeteile.
21 
Der Senat hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
22 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landratsamts Heilbronn verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

1. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen alle Mitglieder des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist offensichtlich missbräuchlich. Es ist deswegen unter Mitwirkung der abgelehnten, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts aber zuständigen Richter zu verwerfen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <37>; stRspr). Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens soll der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771).

2

Offensichtlich missbräuchlich ist ein Ablehnungsgesuch jedenfalls dann, wenn es sich nicht gegen einen einzelnen Richter, sondern gegen ein ganzes Kollegium richtet und nur mit solchen Umständen begründet wird, die die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (Beschluss vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28). Das ist hier der Fall.

3

Die bloße Vorbefassung der zur Entscheidung berufenen Richter mit der Sache vermag die Besorgnis der Befangenheit von vornherein nicht zu begründen (Beschluss vom 4. Mai 2009 - BVerwG 8 B 20.09 - juris Rn. 11). Soweit der Antragsteller den Befangenheitsantrag gegen die zur Entscheidung berufenen Senatsmitglieder (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke) "nunmehr auch noch zusätzlich" damit begründet, der so besetzte Spruchkörper habe im Verfahren BVerwG 4 BN 13.10 unter Umgehung und Verletzung der für die Behandlung von Ablehnungsgesuchen anerkannten Regeln ohne richterlichen Hinweis und ohne vorherige Anhörung über seine Ablehnungsanträge selbst entschieden, beschränkt sich auch dieses Vorbringen auf den Einwand der Vorbefassung. Die Ablehnung früherer Befangenheitsanträge begründet keine "neue" Tatsache für eine Befangenheit; der offensichtliche Missbrauch des Ablehnungsrechts liegt auf der Hand. Die Prüfung des erneuten Ablehnungsantrags setzt auch keine Beurteilung des eigenen Verhaltens der abgelehnten Richter voraus und ist deshalb keine Entscheidung in eigener Sache. Im Übrigen wiederholt der Antragsteller weitgehend sein Vorbringen in früheren Verfahren und begründet nochmals, aus welchen Gründen nach seiner Ansicht die Revision jeweils hätte zugelassen oder einem Befangenheitsgesuch stattgegeben werden müssen.

4

Soweit das Ablehnungsgesuch die nicht an dieser Entscheidung mitwirkenden Mitglieder des Senats betrifft, fehlt es überdies am Rechtsschutzbedürfnis, weil diese Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan mangels Vertretungsfall nicht zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen sind.

5

2. Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat die Nichtigkeitsklage sowohl als unzulässig als auch als unbegründet abgewiesen. Ist die Entscheidung der Vorinstanz auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4, stRspr). Wenn nur bezüglich einer selbständig tragenden Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

7

Der Antragsteller greift beide Teile der Begründung an. Da jedenfalls in Bezug auf den zweiten Teil der Begründung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Klage unbegründet ist, die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen, kann die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben.

8

2.1 Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

9

Der Antragsteller rügt, das Oberverwaltungsgericht habe durch die unterlassene Aufklärung der Tatsachen, die der in Rede stehenden geschäftsverteilungsplanmäßigen Umverteilung zu Grunde lagen, gegen seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen (Beschwerdebegründung S. 22).

10

Der gemachte Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmangels hätte dementsprechend substantiiert dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Ferner kann ein Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung nur vorliegen, wenn die vermisste Aufklärung auf der Grundlage der Rechtsansicht des Tatsachengerichts geboten war, denn ein Gericht ist nur gehalten, diejenigen Beweise zu erheben, die nach seiner Rechtsauffassung erforderlich sind.

11

Den genannten Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Zum einen wird nicht dargelegt, dass die jetzt vermissten Aufklärungsmaßnahmen in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt worden wären; zum anderen fehlt es insbesondere an einer Darlegung, dass es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts auf die vermisste Tatsachenaufklärung überhaupt angekommen wäre. Es genügt daher nicht, darauf zu verweisen, der Antragsteller habe beim Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts erfolglos die Beiziehung der Besetzungsakten sowie Verwaltungsvorgänge und aller in den Jahren 2008 und 2009 vom 1., 6. und 8. Senat bearbeiteten Prozessakten beantragt. Dass er einen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, macht der Antragsteller nicht geltend. Er zeigt auch nicht auf, dass das Gericht, das seine Rechtsauffassung im Einzelnen dargelegt und unter anderem zutreffend darauf hingewiesen hat, dass eine übermäßige oder ungenügende Auslastung eines Spruchkörpers nicht erst bei einem Änderungsbeschluss gemäß § 21e Abs. 3 GVG, sondern schon von vornherein vermieden werden muss, von Amts wegen Anlass zu weiterer Sachaufklärung gehabt hätte. Auch ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen gerichtlichen Verfahrens ist nicht zu erkennen.

12

Soweit der Antragsteller eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht (Beschwerdebegründung S. 24), und dabei bemängelt, das Gericht sei nicht auf alle seine rechtlichen Überlegungen eingegangen, wirft er der Vorinstanz im Wesentlichen vor, es sei seiner Rechtsauffassung nicht gefolgt. Damit kann eine Verfahrensrüge jedoch nicht begründet werden.

13

Das gilt auch soweit der Antragsteller rügt, das Urteil gebe wesentliche Teile des vom Antragsteller vorgetragenen und zweifelsohne objektiv entscheidungserheblichen Prozessstoffes nicht wieder (Beschwerdebegründung S. 20). Auch hier zeigt er keinen Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf, sondern setzt seine Rechtsauffassung zur Bedeutung des Abstraktionsprinzips und des Erfordernisses der Vorausbestimmtheit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entgegen.

14

2.2 Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

15

Die Beschwerde wirft die Frage auf:

Ist eine Umverteilung bereits anhängiger Verfahren nur im Falle einer ansonsten nicht hinreichenden Berücksichtigung kollidierender Rechtsgüter von Verfassungsrang und damit nur als ultima ratio zulässig, d.h. beispielsweise nur dann, wenn infolge einer Beschränkung der Umverteilung auf nur neu anhängige Verfahren andere kollidierende Verfassungsgüter, insbesondere die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, über einen unzumutbar langen Zeitraum hinweg nicht mehr gewährleistet wären?

16

Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da sie, soweit der aufgeführte Beispielsfall betroffen ist, auf einem Sachverhalt beruht, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Denn nach den Feststellungen des Gerichts sind nicht ausschließlich anhängige Verfahren im neuen Kalenderjahr einem anderen Senat zugewiesen worden. Vielmehr ist der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts für sämtliche Verfahren zuständig geworden, die aus dem betreffenden Landkreis stammen, somit also auch - und in erster Linie - für neu anhängig werdende Verfahren. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch grundlegend von demjenigen, der dem von der Beschwerdebegründung genannten Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 - (NJW 2005, 2689) zu Grunde liegt. Denn die dort angegriffene - überdies nachträgliche - Änderung eines Geschäftsverteilungsplans erfasste ausschließlich ein einziges bereits anhängiges Verfahren. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass gegen eine Regelung des jährlichen Geschäftsverteilungsplans, nach der auch alle noch anhängigen Sachen eines Sachgebiets auf einen anderen Senat übergehen, nichts einzuwenden ist (Urteil vom 18. Oktober 1990 - BVerwG 3 C 19.88 - Buchholz 300 § 21e GVG Nr. 19 S. 3 f.)

17

Die Fragen:

Auf welche Weise kann sichergestellt werden, dass sich die mit der richterlichen Geschäftsverteilung zusammenhängenden Vorgänge nicht in einer für die Öffentlichkeit verborgenen und öffentlicher Kontrolle gänzlich oder weitgehend entzogenen Sphäre abspielen? Welche grundlegenden Verfahrensvorkehrungen müssen getroffen werden, damit eine möglichst umfassende möglichst manipulationsfeste Transparenz des gesamten mit Erlass und Änderung eines richterlichen Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Verfahrens in der Öffentlichkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt sichergestellt ist?

Welche der Wichtigkeit des grundrechtlichen Schutzguts angemessenen materiell-inhaltlichen Anforderungen sind an die mit Erlass und Änderung eines richterlichen Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Entscheidungen und ihre Begründung zu stellen, damit bislang mögliche, so gut wie nie erkannte bzw. aufgedeckte und tatsächlich ganz offensichtlich aber leider sehr wohl vorkommende Manipulationen künftig erkannt und/oder im Idealfalle zumindest erschwert oder gar unmöglich gemacht werden können?

würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen und überdies nicht grundsätzlich geklärt werden können. Das Oberverwaltungsgericht nimmt in seinem Urteil Bezug auf das Antwortschreiben des Präsidenten dieses Gerichts auf vom Antragsteller gestellte Anfragen zum hier maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2009. Danach berücksichtigt diese Geschäftsverteilung die Belastung des Vorsitzenden des erkennenden Senats durch die gleichzeitige Übernahme der Aufgaben des Vorsitzenden des 6. Senats, der durch eine Erkrankung bereits seit Monaten ausgefallen und für einen unabsehbaren Zeitraum nicht dienstfähig war. Die genannten Umstände rechtfertigen die durch den Geschäftsverteilungsplan 2009 vorgenommenen Zuweisungen auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres; weitergehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die im vorliegenden Verfahren zu klären wären, ergeben sich nicht. Im Übrigen stellt der Antragsteller selbst nicht in Abrede, dass ihm die Hintergründe für die von ihm kritisierte Geschäftsverteilung auf eine entsprechende Anfrage mitgeteilt worden sind.

18

Auch die Frage:

Hat die Nichtaufklärbarkeit oder nicht erfolgte oder unterlassene Aufklärung der mit der gerichtlichen Geschäftsverteilung zusammenhängenden tatsächlichen Vorgänge im Falle des Bestehens eines Verdachts manipulativer Zuständigkeitsveränderungen Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr zur Konsequenz?

ergibt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht von einer Nichtaufklärbarkeit ausgegangen. Auch das Bestehen eines "Verdachts manipulativer Zuständigkeit" hat es nicht angenommen.

19

2.3 Der Senat hat sämtliche Darlegungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung und der ergänzenden Begründung vom 3. Juni 2011 zur Kenntnis genommen und gewürdigt; von einer weiteren Begründung sieht der Senat jedoch nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 194/05
vom
6. April 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Über ein Ablehnungsgesuch gegen den nach § 348 oder § 348a ZPO zuständigen
Einzelrichter hat nach § 45 Abs. 1 ZPO die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnten
Richters zu entscheiden.
BGH, Beschl. v. 6. April 2006 - V ZB 194/05 - OLG Zweibrücken
LG Landau i.d. Pfalz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. November 2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufgehoben. Die Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau i.d. Pfalz vom 26. September 1995 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 31.378,00 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz von Feuchtigkeitsschäden, die nach seinem Vortrag durch Bauarbeiten an dem Haus der Beklagten auf dem benachbarten Grundstück entstanden sein sollen. Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben. Die Beklagte hat in dem Rechtsstreit Beweiseinreden gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen unter Vorlage einer Stellungnahme eines von ihr eingeholten Gutachtens erhoben.
2
Das Landgericht hat durch den Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung Termin zur Anhörung des Sachverständigen anberaumt. Dieser ist auf Anträge der Parteien mehrfach verlegt worden. Dem vierten Antrag der Beklagten auf erneute Verlegung des Termins zur Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Verhinderung des von ihr beauftragten Sachverständigen hat das Gericht nicht stattgegeben.
3
Die Beklagte hat ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters gestellt, das sie mit Äußerungen des Richters über strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Zivilrechtsstreit sowie mit der Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung begründet hat.
4
Das Landgericht hat mit Entscheidung der Kammer das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung durch den Einzelrichter an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beklagte, das Ablehnungsgesuch unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses für begründet zu erklären.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, nach der Neuregelung der funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1881, 1887) habe über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter nicht mehr die Kammer, sondern der durch deren Geschäftsverteilungsplan nach § 21g Abs. 4 GVG zu dessen Vertreter bestimmte Richter als Einzelrichter zu entscheiden.
6
Eine eigene Entscheidung in der Sache hält das Beschwerdegericht nicht für sachdienlich, weil bei prozessordnungsgemäßer Behandlung die Sache nicht bei dem Senat, sondern nach § 568 Satz 1 ZPO bei dem zuständigen Senatsmitglied als Einzelrichter angefallen wäre.

III.

7
1. a) Die Rechtsbeschwerde ist auf Grund der Zulassung im Beschluss des Beschwerdegerichts statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
8
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen nach § 575 ZPO zulässig. Die Beklagte ist durch den Beschluss des Beschwerdegerichts beschwert, obwohl das Beschwerdegericht den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 26. September 2005 aufgehoben hat. Die Beschwer wird hier durch die Nichtbescheidung des Antrags in der Sache begründet (vgl. zum Berufungsverfahren: BGHZ 18, 107, 108; 31, 358, 361).
9
2. Die Rechtsbeschwerde bleibt indes im Ergebnis ohne Erfolg.
10
a) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Bestimmung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nach § 45 Abs. 1 ZPO zuständigen Richters durch das Beschwerdegericht.
11
aa) Die Frage, ob die Kammer, ohne den abgelehnten Einzelrichter, oder der Vertreter des abgelehnten Einzelrichters, für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig ist, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte streitig.
12
Die Oberlandesgerichte Köln (OLGR 2005, 481, 482), Frankfurt (OLGR 2004, 271), Schleswig (OLGR 2005, 10, 11) sowie der 14. Zivilsenat (NJW-RR 2005, 1660) und der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 82) vertreten die Auffassung, dass auch nach den Änderungen durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz weiterhin die Kammer nach § 45 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufen sei. Demgegenüber sind die Oberlandesgerichte Karlsruhe (OLGR 2003, 523 und OLGR 2004, 490), Naumburg (OLGR 2005, 789, 791 und 830, 832), der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 592), das Kammergericht (NJW 2004, 2104, 2105) sowie das Beschwerdegericht der Ansicht, dass der Vertreter eines abgelehnten Einzelrichters als Einzelrichter für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig sei.
13
Im Schrifttum wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Kammer für diese Entscheidung zuständig sei (Hartmann in Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rdn. 4; HKZPO /Kayser, § 45 Rdn. 2; Musielak/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rdn. 2; SteinJonas /Bork, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 45 Rdn. 2; a.A. Fölsch, SchlHAnz 2004, 137 ff).
14
bb) Der Senat teilt die Auffassung des Beschwerdegerichts nicht. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter an einem Kollegialgericht wird auch nach der Neuregelung der Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO allein durch § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt. Danach ist hier die Kammer unter Ausschluss des abgelehnten Richters zuständig.
15
(1) § 45 Abs. 1 und 2 ZPO enthalten Vorschriften zur Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Der zuständige Richter für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter an einem Kollegialgericht wird durch § 45 Abs. 1 ZPO, derjenige für ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter des Amtsgerichts durch § 45 Abs. 2 ZPO festgelegt.
16
(a) Für die Zuständigkeit der Kammer spricht bereits der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO. Danach entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Der Rechtsbeschwerde ist darin zuzustimmen, dass diese Regelung nur dann einen Sinn ergibt, wenn man bei dem Landgericht unter dem Gericht im Sinne der Vorschrift die nach § 60 GVG zu bildende und nach § 72 GVG mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden besetzte Kammer versteht (so auch OLG Schleswig OLGR 2005, 10 f.), während bei einer Zuständigkeit des Einzelrichters der letzte Satzteil „ohne dessen Mitwirkung“ nicht passte, weil ein Einzelrichter nicht an der Entscheidung mitwirkt, sondern diese trifft und der abgelehnte Einzelrichter über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch nicht selbst entscheiden darf.
17
(b) Ein anderer Wille des Gesetzgebers lässt sich der Entstehungsgeschichte des Zivilprozessrechtsreformgesetzes nicht entnehmen. Diese weist vielmehr darauf hin, dass es - wie zuvor - bei der Zuständigkeit der Kammer bleiben sollte. Mit dem Reformgesetz wurde der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dahin geändert, dass der nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters passende Nachsatz „ohne dessen Mitwirkung“ eingefügt wurde. Die Begründung dazu lässt erkennen, dass insoweit eine Klarstellung entsprechend der bisherigen Rechtsprechung gewollt war und die Vorschrift damit § 27 StPO angepasst werden sollte (BT-Drucks. 14/3750, S. 189). Eine Absicht des Gesetzgebers dahin, nunmehr entsprechend den für die Hauptsache geltenden Anordnungen in §§ 348, 348a ZPO eine Zuständigkeit des Vertreters des Einzelrichters auch für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu bestimmen, lässt sich hieraus nicht entnehmen. Im Gegenteil; der aus der Begründung ersichtliche Wille des Gesetzgebers ging dahin, die bisherige, sich auf die Zuständigkeit der Kammer beziehende Rechtsprechung zu bestätigen und fortzuführen.
18
(2) Die Zuständigkeit des (Vertreters des) Einzelrichters lässt sich auch nicht unter Verweis auf die Regelung der Zuständigkeit für die Hauptsache in §§ 348, 348a ZPO damit begründen, dass diese Anordnung sich auch auf alle Nebenverfahren beziehe (so aber OLG Naumburg OLGR 2005, 789, 790). Das Verfahren in der Hauptsache und das Ablehnungsverfahren sind voneinander zu trennen. Der gesetzliche Richter für das selbständige Zwischenverfahren der Richterablehnung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 64. Aufl., § 46 Rdn. 1) ist in § 45 Abs. 1 ZPO abweichend bestimmt worden (OLG Schleswig OLGR 2005, 10, 11). Der dazu berufene Richter soll danach gerade nicht der Richter sein, der anstelle des Abgelehnten für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig wäre.
19
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aus den vorstehenden Gründen rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben.
20
aa) Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt indes nicht in Betracht, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
21
Das Rechtsbeschwerdegericht ist bei einer die Ausgangsentscheidung aufhebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts auch gegenüber der Rechtsbeschwerdeführerin zu einer solchen Endentscheidung befugt, ohne damit gegen das Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius) zu verstoßen , wenn das Beschwerdegericht auch nach einer Zurückverweisung zu keiner anderen Entscheidung in der Sache gelangen könnte (vgl. für das Revisionsverfahren : BGH, Urt. v. 22. Januar 1997, VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716).
22
bb) So ist es hier. Das Landgericht hat zu Recht das Ablehnungsgesuch der Beklagten für unbegründet erklärt. Die von der Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen.
23
(1) Eine solche Besorgnis ist aus dem in anderer Sache erfolgten, in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Hinweis auf strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten nicht gerechtfertigt.
24
(a) Das Landgericht hat die Geltendmachung dieses Ablehnungsgrundes aus einer Äußerung des Richters einem anderen Verfahren schon nach § 43 ZPO als ausgeschlossen angesehen, weil die Beklagte auch nach der jetzt als Ablehnungsgrund vorgetragenen Äußerung des Richters weiter streitig verhandelt und am Schluss jener Sitzung Sachanträge gestellt habe. Für einen solchen verfahrensübergreifenden Ausschluss hat sich das OLG Hamm (NJW 1967, 1864, 1865) ausgesprochen. Demgegenüber vertreten das OLG Karlsruhe (MDR 1992, 409) sowie das Schrifttum (HK-ZPO/Kayser, § 43 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Felber, 2. Aufl., § 43 Rdn. 8, Stein-Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 43 Rdn. 6; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 43 Rdn. 2; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 44 Rdn. 7) die Ansicht, dass der Verlust des Ablehnungsrechtes infolge weiterer Verhandlung vor dem Richter nach Kenntnis der Partei von dem Ablehnungsgrund sich nur auf das jeweilige Verfahren beziehe und dessen Geltendmachung in einem anderen Rechtsstreit nicht ausschließe (innerprozessuale Präklusionswirkung). Eine vermittelnde Auffassung (OLG Celle NJW 1960, 1670; OLG Koblenz MDR 1968, 60, 61; MDR 1989, 647) geht schließlich davon aus, dass § 43 ZPO der Geltendmachung des Ab- lehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren nur dann entgegenstehe, wenn zwischen den Verfahren ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht oder die Partei in Kenntnis des Ablehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren sich in diesem Rechtsstreit in eine Verhandlung eingelassen oder Sachanträge gestellt hat.
25
Die Rechtsbeschwerde hat die Anwendung des § 43 ZPO durch das Landgericht als rechtsfehlerhaft gerügt. Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es hier indes nicht.
26
(b) Der protokollierte Hinweis des abgelehnten Richters auf strafrechtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Verfahren ist kein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr., BGHZ 77, 70, 72; Senat, BGHZ 156, 269, 270). Dies ist hier nicht der Fall.
27
Nach dem vorgelegten Protokoll aus dem vorangegangen Rechtsstreit ist der Hinweis des abgelehnten Richters über die strafgerichtlichen Verurteilungen nicht „aus heiterem Himmel“ erfolgt, sondern war eine Reaktion auf das Vorbringen der Parteien. Die Gegenseite hatte der Beklagten (die Klägerin im vorangegangenen Verfahren war) Urkundenfälschung vorgeworfen, was die Beklagte mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen hatte, dass sie nicht vorbestraft sei.
28
(aa) Bei dieser Sachlage war ein richterlicher Hinweis auf die Verurteilungen nicht fernliegend. Angesichts dieses Streits im Vorprozess um die Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der Beklagten war der jetzt abgelehnte Richter berechtigt , die ihm bekannten Umstände dazu mitzuteilen. Rechtskräftige Verurtei- lungen einer Partei in Strafsachen, von denen der Richter aus seiner dienstlichen Tätigkeit weiß, sind gerichtsbekannte Tatsachen (Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 291 Rdn. 2). Die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen der Beklagten wegen Nötigung, übler Nachrede und falscher Verdächtigung gehörten zu den Umständen, die bei der Würdigung des Wahrheitsgehalts des Vortrags der Beklagten nach § 138 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden konnten. Der Richter ist - wenn zwischen den Parteien Streit darüber entstanden ist, ob eine Partei zur Verfolgung ihrer Ziele im Rechtsstreit möglicherweise auch vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt - im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet, diejenigen Tatsachen, die er bei der Würdigung des Vortrages der Parteien zu berücksichtigen gedenkt, den Parteien mitzuteilen, indem er sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung macht (vgl. BVerfGE 10, 177, 182). Das ist hier geschehen. Die Beklagte musste insoweit auch die Offenbarung der für sie unangenehmen Tatsache einer vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilung hinnehmen. Für die Prüfung eines vom Gegner vorgehaltenen Verstoßes gegen das Wahrheitsgebot aus § 138 Abs. 1 ZPO war es auch nicht entscheidend, dass das Strafmaß bei der vorangegangenen Verurteilung unter der für die Aufnahme in das Strafregister in § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a BRZG bestimmten Grenze zurückblieb und die Beklagte sich daher nach § 53 Abs. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte.
29
(bb) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde, dass der abgelehnte Richter den gebotenen Hinweis nicht korrekt erteilt habe. Insoweit rügt die Beklagte zwar zu Recht, dass der Richter nicht nur die einschlägigen Verurteilungen erwähnt, sondern die Klägerin als vorbestraft bezeichnet hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen der geringen Höhe der gegen sie verhängten Strafe sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte. Bei vernünftiger Würdigung des Gesamtzusammenhanges der protokollierten Vorgänge stellt sich der richterliche Hinweis jedoch nicht als unsachliches, unangemessenes Verhalten dar, das Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters begründen könnte. Bei verständiger Würdigung der Umstände war die Äußerung des Richters eine auf Grund des Vortrages der Beklagten veranlasste Reaktion, um den Eindruck zu korrigieren, dass keine strafrechtlichen Verurteilungen vorlägen , die Zweifel an der Beachtung der Wahrheitspflicht begründen könnten.
30
Der Umstand, dass die Äußerung von der Beklagten nicht beanstandet wurde, sondern die Parteien zunächst über eine vergleichsweise Lösung und nach dem Scheitern der Vergleichsbemühungen des Gerichts streitig weiter verhandelt haben, weist darauf hin, dass auch die Beklagte diesen Hinweis des Gerichts damals nicht anders verstanden hat.
31
(2) Das Ablehnungsgesuch ist auch nicht im Hinblick darauf begründet, dass der Richter dem Terminsverlegungsantrag vom 1. Juli 2005 nicht stattgegeben hat. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen , die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte (BGHZ 27, 163, 167; OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292) oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (OLG Köln NJW-RR 1997, 828; KG MDR 2005, 708). An beidem fehlt es.
32
Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Gericht die von der Beklagten geltend gemachte Verhinderung des Dipl. Ing. R. , den diese bei der Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen zuziehen wollte, zwar bei dem Antrag auf Terminsverlegung vom 31. Mai 2005 als erheblichen Grund, bei dem Antrag vom 8. Juli 2005 jedoch als unerheblich bewertet hat. Die Rechtsbeschwerde berücksichtigt nicht, dass der Antrag vom 8. Juli 2005 der vierte Terminsverlegungsantrag der Beklagten für die von ihr beantragte Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen war. Den vorhergehenden Anträgen vom 17. Mai, 31. Mai und 8. Juni 2005, die sie mit einer Verhinderung ihres Anwalts oder eines zur Anhörung hinzuzuziehenden Gehilfen begründet hatte, war von dem Richter entsprochen worden. Der Grund, den die Partei für eine Vertagung benennt, kann unterschiedlich zu würdigen sein, wenn er bei mehrfach hintereinander erfolgten Verlegungsanträgen wiederholt vorgebracht wird. Da das Gericht auch das Interesse des Gegners an einer Beendigung des Rechtsstreits berücksichtigen muss (OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292), konnte der Richter den Antrag auf Terminsverlegung wegen Verhinderung eines Gehilfen schließlich zurückweisen, ohne das Grundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör zu verletzen oder den Kläger zu bevorzugen.

III.

33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts, der hier dem Wert der Hauptsache entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1968, IV ZB 3/68, NJW 1968, 796), aus § 3 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 26.09.2005 - 2 O 182/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 18.11.2005 - 3 W 220/05 -

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 06. November 2008 - 9 K 1660/07 - wird geändert. Der Nutzungsuntersagungsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Nutzungsuntersagungsbescheid des Landratsamts Enzkreis.
Er ist Miteigentümer des im unbeplanten Innenbereich gelegenen Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) in Maulbronn. Das Grundstück ist mit einem Gebäude bebaut, in dessen Erdgeschoss sich eine Garage, ein Stall und Kellerräume befinden. In dem Stall hielt der Kläger im Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids (April 2007) zwei Schweine, eine Ziege und eine Kuh („Paula“); derzeit ist der Stall mit drei Kühen („Paula“ und zwei Abkömmlinge), einer Ziege und mehreren Hasen belegt. Das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss des Gebäudes Schafhof ... werden vom Kläger und seiner Familie zu Wohnzwecken genutzt.
Auf dem westlich anschließenden Grundstück Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof ...), das dem Kläger ebenfalls gehört, befindet sich ein „Gebäude zur landwirtschaftlichen Nutzung“, dessen Errichtung - nach Abbruch einer bereits vorhandenen Scheune - vom Landratsamt Enzkreis mit Bescheid vom 06.09.1988 genehmigt wurde. Dieses Grundstück nutzt der Kläger für die Lagerung von landwirtschaftlichen Geräten, Heu, Tierfutter und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Auf dem hieran wiederum westlich anschließenden, im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück Flst. Nr. 1445/4 (Schafhof ...) befindet sich ein Wohnhaus. In Bezug auf dieses Grundstück wurde dem Kläger mit Bescheid vom 06.05.1988 eine Genehmigung zum „Abbruch der vorhandenen Scheune“ und zum „Neubau einer Doppelhaushälfte mit Garage im EG“ erteilt.
Auf Nachbarbeschwerden hin, wonach die ursprünglich vorhandene Landwirtschaft mit Großviehhaltung im Gebäude Schafhof ... im Jahre 1983 aufgegeben, im Jahre 2005 jedoch wieder ein Rind eingestellt worden sei, wandte sich die Stadt Maulbronn an das Landratsamt mit der Bitte, die baurechtswidrige Tierhaltung zu beenden.
Am 04.01.2006 stellte das Landratsamt bei einer Ortsbesichtigung fest, dass auf dem Grundstück zwei Schweine, eine Ziege und ein Rind gehalten würden. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 30.03.2006 gab der Kläger gegenüber dem Landratsamt an, seit 1983 seien auf dem Grundstück ununterbrochen 1 bis 2 Schweine und ab dem Jahre 1991 auch eine Ziege gehalten worden. Im Zeitraum 1983 bis 2005 seien allerdings keine Rinder mehr vorhanden gewesen, erst im Juni 2005 habe er Kuh „Paula“ angeschafft. Zur Futterbeschaffung diene ein ca. 40 Ar großes Außenbereichsgrundstück, auf dem er auch Gemüse für den Eigenbedarf anpflanze. Notwendige landwirtschaftliche Geräte (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse) seien im landwirtschaftlichen Gebäude im Schafhof untergestellt. Landwirtschaft und Tierhaltung erfolgten ausschließlich zum Eigenverbrauch; etwa 2 mal im Jahr werde eine Hausschlachtung vorgenommen. Ein „Wiederauflebenlassen“ der Landwirtschaft sei nicht beabsichtigt, allerdings wolle er in dem Stall zukünftig auch ein Kalb großziehen, das nach ca. 3 Monaten entweder weiterverkauft oder nach 18 Monaten geschlachtet werden solle. Auch die Ziege solle evt. 1-2 Junge erhalten, die zum Schlachten (nach ca. 2 Monaten) großgezogen würden.
Mit Bescheid vom 19.09.2006 untersagte das Landratsamt Enzkreis dem Kläger die Nutzung des Grundstücks Schafhof ... und der darauf befindlichen Gebäude zum Zwecke der Großtierhaltung, insbesondere zur Haltung von Schweinen, Rindern und Ziegen. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, die Haltung der Rinder, des Schweins und der Ziege bis spätestens 31.12.2006 aufzugeben. Die Verfügung ist auf §§ 47 und 65 LBO gestützt. Die Haltung von Großtieren auf dem Grundstück sei baurechtlich nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig. Das Grundstück befinde sich in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO i.V.m. § 34 BauGB. In der Umgebung gebe es keine landwirtschaftlichen Betriebe und keine Großtierhaltung, weshalb nicht von einem Dorfgebiet auszugehen sei. In einem allgemeinen Wohngebiet sei die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen aber unzulässig. Sie sei auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO genehmigungsfähig, weil diese Vorschrift nur Anlagen für die Haltung von Kleintieren betreffe. Die durch die Nutzung von Rindern, Schweinen und Ziegen verursachte Geruchs- und Geräuschbelästigung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme und sei den Nachbarn nicht mehr zumutbar. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Zwar sei die Errichtung eines Stalls und damit auch die Großtierhaltung auf dem Grundstück Schafhof Nr. ... baurechtlich einmal genehmigt worden. Die Großtierhaltung sei nach dem Ableben des Vaters des Klägers im Jahre 1983 aber aufgegeben worden und wirke nach mehr als 20 Jahren nicht mehr nach.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 19.09.2006 Widerspruch, den das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 16.04.2007 mit der Maßgabe zurückwies, dass die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen zwei Monate nach Bestandskraft der Entscheidung des Landratsamts zu beenden sei. Zur Begründung wurde die Argumentation des Ausgangsbescheides vertieft und im Wesentlichen ausgeführt: Eine in früherer Zeit mit Sicherheit stattgefundene landwirtschaftliche Nutzung im Bereich Schafhof könne nicht mehr festgestellt werden. Auch würden nirgends mehr Schweine, Pferde, Kühe, Ziegen oder andere größere Nutztiere gehalten. Mit der Ausprägung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet sei eine (Hobby-)Nutztierhaltung nicht vereinbar. Der Rahmen werde vorgegeben durch § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach allenfalls Kleintierhaltung zulässig sei. Die Haltung von Schweinen, Kühen und Ziegen falle nicht hierunter. Bestandsschutz komme dem Kläger nicht zu, denn er entfalle, wenn die Nutzung über mehrere Jahre unterbrochen worden sei. Die Rechtsprechung setzt diese Grenze bei 2 Jahren an. Hier sei die Großtierhaltung einige Jahre nach dem Tod des Vaters des Klägers aufgegeben worden; für einige Jahre habe überhaupt keine Großtierhaltung mehr stattgefunden. Erst seit 1991 seien sukzessive Schweine, Ziegen und Kühe wieder angeschafft worden. Wegen Überschreitung der 2-Jahresfrist führe auch die Tatsache, dass dem Kläger von der Stadt Maulbronn im Jahr 1988 eine Gülleleitung zugestanden worden sei, zu keinem anderen Ergebnis. Außerdem falle lediglich eine im Rahmen des landwirtschaftlichen Nebenerwerbs betriebene Tierhaltung unter den Bestandsschutz, nicht aber die vom Kläger nunmehr ausgeübte Hobbytierhaltung.
Am 18.05.2007 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er beim Verwaltungsgericht im Wesentlichen vorgetragen hat: Das Gebiet Schafhof und sein Grundstück seien schon immer durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt gewesen. Noch Mitte der 1980er Jahre seien am Schafhof überwiegend landwirtschaftliche Betriebe (auch) mit Großtierhaltung angesiedelt gewesen. Er allein sei noch übrig. Vor dem Umbau des Anwesens im Jahre 1988 habe sein Vater eine Vollerwerbslandwirtschaft mit z.T. bis zu 30 Rindern und ebenso viel Schweinen betrieben, die nach dessen Tod im Jahre 1983 von ihm und seiner Mutter weitergeführt worden sei. Seine Mutter habe ihm den Betrieb 1985/1986 überlassen. Nach dem Abbruch und dem Neuaufbau der Scheuer im Jahre 1988 habe er den Tierbestand zwar reduziert und eine Nebenerwerbslandwirtschaft betrieben. Die Tierhaltung sei aber bis in die Gegenwart zu keinem Zeitpunkt aufgegeben gewesen. Seit 1983 seien ohne Unterbrechung stets 1 - 2 Schweine und seit 1991 auch eine Ziege gehalten worden. Es handele sich nicht um Hobbytierhaltung; die Tiere dienten vielmehr der Eigenversorgung der Familie und bildeten eine wesentliche Grundlage der Lebenshaltung. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks Schafhof ... im Rahmen der eigenen Bedarfsdeckung sei schon immer legal gewesen. Dies zeige sich daran, dass noch im November 1988 vom Landratsamt die Baufreigabe zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung erteilt und von der Gemeinde Maulbronn eine Gülleleitung zu dem vorhandenen Stall erlaubt worden sei. In dem im Zuge der Baulanderweiterung aufgestellten Bebauungsplan sei der Schafhof zudem als Mischgebiet ausgewiesen.
Der Beklagte hat die ergangenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt: Für den Schafhof bestehe kein Bebauungsplan. Lediglich im Flächennutzungsplan sei das Gebiet als Mischgebiet ausgewiesen. Bei der Tierhaltung des Klägers handele es sich nicht um Landwirtschaft i.S.v. § 201 BauGB, sondern um Hobbytierhaltung, die keinen Bestandsschutz vermitteln könne. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sei auch nicht schon immer legal gewesen. Die im Jahre 1987 erteilte Genehmigung zum Abbruch der Scheune und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Zwecke habe sich auf die Errichtung eines Lager- und Bergeraums bezogen, nicht aber auf die Errichtung eines Stalles und damit die Ermöglichung von Tierhaltung.
10 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage mit Urteil vom 06.11.2008 abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung sei § 65 Satz 2 LBO, dessen Voraussetzungen vorlägen. Für die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks Schafhof ... liege zwar keine Baugenehmigung vor; nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten werde das Grundstück aber seit Jahrhunderten als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. Es könne offen bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bei einer solchen Sachlage allein nach der materiellen Rechtslage zu beurteilen sei. Denn jedenfalls wäre die derzeitige Nutzung von einer solchen Genehmigung nicht gedeckt. Die Landwirtschaft sei bis 1973 als Vollerwerbslandwirtschaft, danach bis 1987 als Nebenerwerbslandwirtschaft geführt worden. Hiervon unterscheide sich die vom Kläger im Jahre 1987 vorgenommene Umstellung der Tierhaltung zum Eigenbedarf. Sie werde von der Variationsbreite der Genehmigung für die vorher ausgeübte Nutzung nicht mehr erfasst, sondern stelle eine andersartige Nutzung dar. Die Tierhaltung zum Eigenbedarf erfülle nicht den Begriff des landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes, denn es fehle an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Zwar trage die Tierhaltung des Klägers zur Versorgung der Familie und damit zur Ersparnis von Aufwendungen bei, dies sei mit einer Gewinnerzielungsabsicht aber nicht gleichzusetzen, weil ersparte Aufwendungen keine positiven Einkünfte verschafften. Auch besitze der Kläger nur wenige Tiere und sei sein Kapitaleinsatz entsprechend gering. Die Tierhaltung zum Eigenbedarf werde baurechtlich auch nicht als Minus von dem Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs umfasst, was sich an § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zeige, wonach die Tierhaltung zu Eigenbedarf von der Privilegierung nicht erfasst sei. Die Frage, welche Nutzungsformen zum Begriff des landwirtschaftlichen Betriebes gehörten, könne im Baurecht nur einheitlich beantwortet werden. Deshalb gelte die Wertung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auch für Tierhaltung im Innenbereich. Das - unterstellte - Vorliegen einer Baugenehmigung für die frühere landwirtschaftliche Nutzung vermittele der derzeitigen Nutzung auch keinen Bestandsschutz, weil diese außerhalb der Variationsbreite der Genehmigung läge. Für einen über Art. 14 Abs. 1 GG vermittelten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz sei daneben kein Raum. Auch aus der am 06.09.1988 erteilten Genehmigung für die Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung folge kein Bestandsschutz. Denn diese Genehmigung beschränke sich auf das Grundstück Schafhof .../1 (Flst. Nr. 1445/2) und erfasse nicht die in den Bauzeichnungen nur nachrichtlich mitgeteilte Stallnutzung auf dem Grundstück Schafhof .... Entsprechendes gelte für die mit Bescheid vom 28.10.1987 erteilten Genehmigungen der Stadt Maulbronn für die Abwasserleitungen, die für die Grundstücke Schafhof .../1 und ... erteilt worden seien. Auch aus der Genehmigung einer Gülleleitung für das Grundstück Schafhof ... lasse sich nicht schließen, dass auch die landwirtschaftliche Nutzung dieses Grundstücks durch das zuständige Landratsamt baurechtlich genehmigt sei.
11 
Die Nutzung des Grundstücks zur Tierhaltung zum Eigenbedarf sei auch materiell illegal. Bauplanungsrechtlich sei sie an § 34 BauGB zu messen. Die nähere Umgebung entspreche bereits seit 1987 einem reinen Wohngebiet i.S.d. § 3 BauNVO. Solche Gebiete dienten ausschließlich dem Wohnen. Die Tierhaltung des Klägers sei weder nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig noch nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB und § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise genehmigungsfähig. Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB lägen nicht vor. Dabei könne offen bleiben, ob überhaupt einer der drei Befreiungsgründe eingreifen würde. Denn jedenfalls ergebe eine Würdigung der nachbarlichen Belange, dass die Tierhaltung des Klägers für die Nachbarn nicht zumutbar sei. Die Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen sei typischerweise mit erheblichen Geräusch- und Geruchsimmissionen verbunden und die Bebauung des Schafhofs sei zu dicht, als dass eine Beeinträchtigung der Nachbarn ausgeschlossen wäre. Mit einer Großtierhaltung verbundene Immissionen hätten diese nicht hinzunehmen. Selbst wenn die vom Kläger ausgeübte Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre, ändere sich nichts am Ergebnis. Denn die Nutzung füge sich nicht in die nähere, durch Wohnnutzung geprägte Umgebung ein. Sie führe zur Beeinträchtigungen der Nachbarschaft, die diese nicht hinnehmen müssten.
12 
Mit Beschluss vom 05.02.2009 hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung gegen dieses Urteil wegen Vorliegens ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen.
13 
Daraufhin hat der Kläger seine Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ob eine bestimmte Nutzung eine baurechtlich bedeutsame Nutzungsänderung darstelle, sei danach zu entscheiden, welche Nutzung genehmigt worden sei bzw. Bestandsschutz genieße. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass seine derzeitige Tierhaltung keinen Bestandsschutz genieße. Unstreitig werde das Grundstück bereits seit Jahrhunderten als Hofstelle genutzt. Noch bis 1973 habe sein Vater dort eine Vollerwerbslandwirtschaft betrieben, die dann altersbedingt bis 1983 als Nebenerwerbslandwirtschaft mit einem über Jahre reduzierten Viehbestand fortgesetzt worden sei. 1983 seien noch 6 Rinder und ca. 15 Scheine gehalten worden. Aus Altersgründen habe seine Mutter das Grundstück je zur Hälfte auf die beiden Söhne übertragen. Er habe auf seinem Grundstücksteil den vorhandenen Stall bestehen lassen und in den Jahren 1988 bis 1990 die baufällige Scheune - überwiegend in Eigenarbeit - neu aufgebaut. Zuvor seien im Jahre 1986 die letzten 4 Rinder verkauft worden, da die an der Hofstelle vorbeiführende Straße saniert worden sei und die aus dem Stall quer über die Straße verlaufende Gülleleitung die Sanierungsarbeiten behindert hätte. Aus diesem Grund sei er mit der Stadt Maulbronn übereingekommen, die Gülleleitung vorübergehend während der Bauarbeiten stillzulegen, wofür ihm die Wiedererrichtung der Leitung zugesichert worden sei. Jährlich mindestens 2 Schweine seien aber auch während der gesamten Dauer des Abbruchs und Wiederaufbaus der Scheune gemästet und geschlachtet worden. Mit Fertigstellung des Neubaus im Jahre 1990 sei der Stall wieder mit einer größeren Anzahl von Schweinen und Ziegen belegt worden. Festzuhalten sei, dass er - nachdem ihm seine Mutter den Betrieb übergeben habe - ununterbrochen Schweine und Ziegen gehalten habe. Die Änderung des Viehbestands nach Zahl und Zusammensetzung ändere nichts an dem gegebenen Bestandsschutz, weil die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert geblieben sei. Auch eine vorübergehende faktische Beendigung der Nutzung bringe den Bestandsschutz nicht zum Erlöschen, da dieser über eine gewisse Zeitspanne nachwirke, innerhalb derer an den früheren Zustand wieder angeknüpft werden dürfe. Er habe zu keiner Zeit erkennbar gemacht, seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgeben zu wollen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hänge der Bestandsschutz auch nicht vom Fortbestand eines landwirtschaftlichen Voll- oder Nebenerwerbsbetriebes ab. Die Überlegungen des Verwaltungsgerichts zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienten dem Schutz des Außenbereichs und seien auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Auch wenn die Tierhaltung nicht als Nebenerwerbslandwirtschaft anzusehen sei, diene sie doch der Selbstversorgung seiner Familie und sei damit nicht nur ein Hobby, sondern ein landwirtschaftlicher Gewerbebetrieb. Weder die Haltung von Schweinen und Ziegen noch die Haltung der 2005 angeschafften Kuh „Paula“ überschreite den durch den Bestandsschutz gesteckten Rahmen. Die Untersagungsverfügung stehe zudem in Widerspruch zu der im Jahre 1987 erteilen Genehmigung zum Abbruch und Neuaufbau seiner Scheune. Diese Genehmigung legalisiere ausdrücklich den Bau eines Gebäudeteils zur landwirtschaftlichen Nutzung, weshalb im Nachhinein nicht von einem reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO ausgegangen werden könne. Daran ändere auch nichts, dass sich diese Genehmigung auf das Grundstück Schafhof .../1 (Flst. Nr. 1445/2) beziehe. Dieses Grundstück bilde zusammen mit dem Grundstück Schafhof Nr. ... (Flst. Nr. 1445/1) seit jeher eine Einheit, wie sich bereits daraus ergebe, dass in der Baugenehmigung ein „Gebäudeteil“ genehmigt worden sei.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 06.11.2008 - 9 K 1660/07 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 aufzuheben.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Zur Begründung beruft er sich auf den Sachvortrag in erster Instanz und führt ergänzend aus: Seit der Änderung der BauNVO im Jahre 1990 sei Kleintierhaltung in Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO grundsätzlich in allen Baugebietstypen gestattet, in Wohn- und Mischgebieten allerdings nur als hobbymäßige Haltung. Die Nutztierhaltung sei in Wohn- und Mischgebieten unzulässig, weil sie den Rahmen der Liebhaberei übersteige. Nach Verkauf der restlichen Rinder im Jahre 1986 und der Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1987 seien auf dem Grundstück des Klägers lediglich in deutlich reduziertem Umfang Schweine und Ziegen gehalten worden, welche allerdings nicht zu den Großtieren gehörten. Es lasse sich nicht begründen, dass mit dem Einstellen der Kuh „Paula“ im Jahre 2005 die frühere Großtierhaltung weitergeführt werde, denn von 1988 bis 2005 habe keine solche Haltung mehr stattgefunden. Mit einem Wiederaufnehmen der Großtierhaltung sei nach so einem langen Zeitraum nicht mehr zu rechnen gewesen, ein etwaiger Bestandsschutz sei deshalb untergegangen. Auch für die weitere Nutztierhaltung sei kein Bestandsschutz anzuerkennen. Die derzeitige Tierhaltung zur Selbstversorgung werde nicht mehr von der Variationsbreite der - zugunsten des Klägers unterstellten - Baugenehmigung für die landwirtschaftliche Nutzung des Anwesens erfasst. Denn die im Verhältnis zur ursprünglichen Nutzung verringerte Zahl der gehaltenen Schweine und Ziegen, insbesondere deren dann nur noch hobbymäßige Haltung zur Eigenversorgung stelle eine andersartige Nutzung dar. Mit der Aufgabe des letzten landwirtschaftlichen Betriebs in dem Gebäude des Klägers und der damit einhergehenden Aufgabe der Nutztierhaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Zwecks in den Jahren 1986/1987 sei der Gebietscharakter von einem faktischen Dorfgebiet zu einem Wohngebiet „gekippt“. Die Änderung der Nutzungsart sei spätestens mit dem Um- bzw. Ausbau der Gebäude zu Wohnzwecken auch nach außen sichtbar geworden. Deshalb könne sich die frühere Nutzung des Anwesens des Klägers nicht mehr prägend auf den Gebietscharakter auswirken. Auch dann, wenn man davon ausgehe, dass sich die Umgebung aufgrund einer reduzierten Fortführung der Nutztierhaltung nicht einem Gebiet i.S.d. BauNVO zuordnen lasse, ergebe sich die Zulässigkeit der Tierhaltung nicht unter dem Aspekt des Bestandsschutzes. Die Angaben des Klägers zur Anzahl der gehaltenen Tiere und zu den maßgeblichen Zeiträumen ergäben keine eindeutige Sachlage. Nur im Zeitraum von 1994 bis 1997 sei eine Nutztierhaltung (Schweine, Geflügel) eindeutig belegt. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass er aus Unkenntnis in den darauffolgenden Jahren bis 2004 keine Tierbestandsmeldung an die Tierseuchenkasse gemeldet habe, sei dies als Schutzbehauptung zu werten. Vielmehr sei davon auszugehen, das spätestens seit 2001 keine dauerhafte Unterbringung von Tieren auf dem Grundstück mehr erfolgt und die Tierhaltung erst 2005 mit der Meldung an die Tierseuchenkasse wieder fortgeführt worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe aber die BauNVO in der heutigen Fassung gegolten und sei eine prägende Nutztierhaltung nicht mehr vorhanden gewesen. Die Umgebung habe sich zwischenzeitlich der neuen Rechtslage entsprechend darauf eingestellt, dass in dem Gebäude keine Nutztierhaltung mehr stattfinde. Zudem sei auch eine Tierhaltung zum Zwecke der Eigenversorgung - halte man die durchgängige Tierhaltung selbst für nachgewiesen - weder formell durch eine Baugenehmigung abgedeckt noch in materieller Hinsicht zulässig. Durch die veränderte Nutzung sei die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen. Die Untersagung der Tierhaltung stehe auch nicht in Widerspruch zu der im Jahre 1987 erteilten Genehmigung zum Abbruch einer Scheune und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung. Der Gebäudeteil sei nur als „Lager- und Bergeraum“, aber nicht zur Tierhaltung genehmigt worden. Dieser Raum werde auch tatsächlich nicht zum Zweck der Tierhaltung genutzt. Außerdem habe im Jahre 1987 noch von der Zulässigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen werden können, denn das Anwesen des Klägers als letzte landwirtschaftliche Hofstelle sei damals noch existent gewesen. Mit endgültigem Verzicht auf die Fortführung der Landwirtschaft sei die Umgebung aber zum Wohngebiet geworden. Zugleich sei damit die erteilte Baugenehmigung hinsichtlich der genehmigten baulichen Maßnahmen verbraucht und hinsichtlich der zugelassenen Nutzung - nach Ablauf der dreijährigen Geltungsdauer - erloschen.
19 
Der Kläger hat hierauf erwidert: Es sei unmaßgeblich, ob Schweine und Ziegen nach der BauNVO 1990 hobbymäßig in Wohn- und Mischgebieten gehalten werden dürften. Entscheidend seien die von einer solchen Tierhaltung auf ihre Umgebung einwirkenden Immissionen. Insofern habe sich aber durch das Einstellen einer Kuh im Jahre 2005 und die - aus Kapazitätsgründen - hiermit einhergehende Reduktion des Schweinebestandes allenfalls zugunsten der Umgebung etwas geändert. Rinderhaltung stelle grundsätzlich eine emissionsarme Tierhaltung dar. Die mehr als 30 m entfernt liegenden Nachbarn seien deshalb keinen unzumutbaren Belästigungen ausgesetzt. Das laute Muhen der Kuh, gegen das sich die Nachbarbeschwerden ursprünglich gerichtet hätten, habe längst aufgehört, nachdem das Tier sich an seinen neuen Stall gewöhnt habe. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei eine zur Eigenversorgung weitergeführte Tierhaltung als funktionsgerechte Nutzung einer landwirtschaftlichen Hofstelle und nicht als Hobby anzusehen. Aber auch dann, wenn es sich um ein „Hobby“ handele, sei die Tierhaltung in Wohngebieten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Entscheidend sei, dass der Bestandschutz an die von ihm niemals aufgegebene Haltung von Rindern, Schweinen und Ziegen anknüpfe. Ob die Haltung im Rahmen einer Voll- oder Nebenerwerbslandwirtschaft erfolge, sei irrelevant. Eine Aufgabe der Tierhaltung lasse sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht daraus schließen, dass in den Jahren 1998 bis 2004 keine Bestandmeldung an die Tierseuchenkasse erfolgt sei. Die vorgelegten Tierarztrechnungen aus den Jahren 1998 und 2000 belegten auch für diese Zeit einen Tierbestand.
20 
Dem Senat haben die einschlägigen Akten des Landratsamts Enzkreis und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vorgelegen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Grundstücks des Klägers und dessen näherer Umgebung. Bezüglich der dort getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15.10.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Sie ist daher aufzuheben (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
22 
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt, untersagt werden. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG - wie bei einer Abbruchsanordnung - voraus, dass die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 -, juris Rdnr. 55; Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, juris Rdnr. 21; Beschl. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, DÖV 1996, 750 = VBlBW 1996, 300 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Da es sich bei der angefochtenen Nutzungsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen, soweit es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht; für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung des Beklagten ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 - , a.a.O.).
23 
1. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat ist die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) durch eine Baugenehmigung gedeckt.
24 
a) Allerdings ergibt sich dies nicht schon aus der dem Kläger erteilten Baugenehmigung vom 06.05.1988 zum Abbruch einer Scheune und Neubau einer Einfamiliendoppelhaushälfte mit Garage. Diese Genehmigung betrifft zum einen das Flurstück Nr. 1445/4 (Schafhof ...) und legalisiert zum anderen nicht die Tierhaltung. Auch die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 06.09.1988 zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung betrifft nicht das streitgegenständliche Grundstück, sondern das angrenzende Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof .../1).
25 
b) Die Tierhaltung auf dem Flurstück Nr. 1445/1 ist jedoch von Alters her genehmigt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wurde das Grundstück jahrhundertelang, noch bis in die 1980er Jahre hinein, unbeanstandet als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten gegenüber dem Senat zudem erklärt, es sei unstreitig, dass die auf dem Grundstück früher betriebene Vollerwerbs- und Nebenerwerbslandwirtschaft (baurechtlich) genehmigt gewesen sei. Dies wird auch durch die vorliegende „Genehmigungsurkunde für Bausachen nach § 114 WürttBauO“ vom 11.11.1952 bestätigt (VG-Akte Bl. 147), wonach „im Dachstock des bestehenden Wohngebäudes Schafhof ... nebst Vornahme von baulichen Veränderungen an dem schon bestehenden Dachaufbau“ der Einbau einer Wohnung genehmigt wurde. In dieser Urkunde wird Bezug genommen auf einen Bauplan vom 22.08.1952, in dem (als Bestand) im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... ein Farrenstall und ein Stall eingezeichnet sind. In Bezug auf den Farrenstall findet sich eine Roteinzeichnung, die vermutlich bereits im Jahre 1947 Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens war. Eine Baugenehmigungsurkunde liegt insoweit zwar nicht vor; auch sind der WürttBauO damaliger Fassung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ein Stall zum damaligen Zeitpunkt genehmigungsfrei errichtet werden konnte. Vor dem Hintergrund spricht jedoch - ungeachtet des Fehlens einer förmlichen (Bau-)Genehmigung zur Legalisierung der Tierhaltung - gleichwohl auch nach Aktenlage alles dafür, dass die Tierhaltung in dem Gebäude von Alters her formell legal ist und sich insbesondere auf die Haltung der bei landwirtschaftlichen Betrieben in der Region traditionell zu findenden Tierarten (Rinder, Schweine, Ziegen, Geflügel) erstreckt.
26 
c) Die Legalisierungsfunktion der von Alters her bestehenden Baugenehmigung ist in der Folgezeit auch nicht entfallen. Eine Baugenehmigung bleibt (bei je nach Bezugszeitraum direkter oder sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG) wirksam, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 19.07.1989 - 8 S 1869/89 -, NVwZ-RR 1990, 171; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, juris Rdnrn. 32-34; im Ausgangspunkt auch Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, BauR 2003, 1539 = juris Rdnr. 31f). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es insoweit keinen vom einfachen Recht losgelösten, bundesrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG vorgegebenen Bestandsschutz: Handelt es sich bei einer Genehmigungsnorm um eine solche des Landesrechts, so beurteilt sich nach diesem Recht, ob und wie sich nachträgliche Veränderungen auf den in früherer Zeit legal geschaffenen Baubestand auswirken (BVerwG, Urt. v. 07.11.1997 - 4 C 7.97 -, NVwZ 1998, 735).
27 
Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rücknahme, einen Widerruf, eine anderweitige Aufhebung der Baugenehmigung oder deren Beendigung durch Zeitablauf (z.B. auch nach Art. 114, Art. 117 WürttBauO) bestehen hier nicht. Nach Lage der Dinge kommt allein der Beendigungsgrund „auf andere Weise“ in Betracht, hier in der Form, dass die Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung auf dem Flst. 1445/1 gegenstandslos geworden ist aufgrund eines entsprechenden Verzichts des Klägers oder doch einer einem solchen Verzicht gleichkommenden Unterbrechung der genehmigten Nutzung.
28 
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 04.03.2009, - 3 S 1467/07 -, a.a.O.; Beschl. v. 19.07.1989, - 8 S 1869/89 -, a.a.O.; Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, a.a.O.) verliert eine einmal erteilte Baugenehmigung ihre Legalisierungswirkung dann, wenn der Verzicht entweder ausdrücklich erklärt wurde oder ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Letzteres kann bei einer (zeitweiligen) Unterbrechung der genehmigten Nutzung der Fall sein, sofern die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme dieser Nutzung nicht mehr rechnet. Im zweiten Jahr nach Beendigung der Nutzung spricht für eine solche Annahme eine Regelvermutung, die jedoch im Einzelfall durch gegenteilige Anhaltspunkte entkräftet werden kann (Senatsurt. v. 20.05.2003, a.a.O.). In diesem Zusammenhang kann insbesondere von Bedeutung sein, dass die unterbrochene Nutzung nicht durch eine andere ersetzt wird und die baulichen Anlagen für eine Fortführung der unterbrochenen Nutzung weiterhin tauglich sind.
29 
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Legalisierungswirkung der von Alters her bestehenden Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung in dem Gebäude Schafhof ... nicht entfallen. Einen ausdrücklichen Verzicht auf diese Legalisierungswirkung haben der Kläger - oder einer seiner Rechtsvorgänger - zu keiner Zeit erklärt. Auch durch ihr Verhalten haben weder der Kläger noch einer seiner Rechtsvorgänger in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht - bzw. bei Dritten eine entsprechende Erwartung geweckt -, dass sie dauerhaft und endgültig auf eine Großviehhaltung in dem Gebäude Schafhof ... verzichten. Unstreitig wurden in diesem Gebäude bis zum Jahr 1973 im Rahmen einer Vollerwerbslandwirtschaft ca. 30 Rinder und 30 Schweine gehalten. Danach hielt der Vater des Klägers bis zu seinem Tod im Jahre 1983 noch ca. 6 Rinder und 15 Schweine im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes. Die letzten Rinder wurden zwar im Jahre 1986 verkauft, der Kläger hat aber im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren durchgängig vorgetragen, er habe ohne Unterbrechung immer 1 bis 2 Schweine für den Eigenbedarf gehalten (vgl. BA Nutzungsuntersagung Bl. 63 und 97; VG-Akte Bl. 69f und GA Bl. 75). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er dies nochmals dargelegt. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Zwar liegt ein Schreiben der Tierseuchenkasse vom 27.08.2008 (VG-Akte, Bl. 175) vor, wonach für die Zeit vom 03.12.1997 bis 03.12.2004 zur Tierbesitzer-Nummer 0173331 des Klägers keine Tierbestandsmeldung festzustellen sei. Der Kläger hat dies aber überzeugend damit erklärt, dass die Schweine an dem jeweiligen Stichtag verkauft bzw. geschlachtet gewesen seien und er irrtümlich angenommen habe, den Bestand nicht melden zu müssen. Letztlich kann es dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Tierbestand nicht an die Tierseuchenkasse gemeldet wurde. Denn die unterbliebene Meldung lässt zur Überzeugung des Senats in jedem Fall keinen Schluss darauf zu, dass der Kläger in der fraglichen Zeit tatsächlich keine Tiere gehalten hatte. Er hat Tierarztrechnungen vom 12.05.1998, 06.11.2000 und vom 15.01.2001 vorgelegt (GA, Bl. 191 und Klägerdokumentation), wonach jedenfalls am 15.04.1998, 11.09.2000, 18.09.2000, 19.10.2000 und 06.11.2000 Schweine untersucht und behandelt wurden. Die Tierarztrechnungen erstrecken sich zwar nicht auf den gesamten in dem Schreiben der Tierseuchenkasse genannten Zeitraum, sie sind aber geeignet, die - gegen eine ununterbrochene Tierhaltung des Klägers sprechende - Indizwirkung dieses Schreibens zu widerlegen. Auch zahlreiche Nachbarn haben in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 08.06.2008 (VG-Akte Bl 83) bestätigt, dass die Tierhaltung nach dem Tode des Vaters des Klägers „von dessen Sohn kontinuierlich weitergeführt“ worden sei.
30 
Durch die damit zur Überzeugung des Senats feststehende, bis heute ununterbrochene Schweinehaltung hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die von Alters her genehmigte Nutzung des Stalls zur Tierhaltung weiterhin in Anspruch nimmt.
31 
2. Die Legalisierungswirkung der von Alters her genehmigten Tierhaltung deckt auch jedenfalls den Umfang des vom Kläger derzeit gehaltenen Tierbestandes ab. Denn auch insoweit steht dem Kläger ein durch die Genehmigung vermittelter Bestandsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG zur Seite. Der Bestandsschutz sichert dem Eigentümer das durch Eigentumsausübung Geschaffene und verleiht einem rechtmäßig begründeten Bestand bzw. einer rechtmäßig begründeten Nutzung - innerhalb gewisser Grenzen - Durchsetzungskraft auch gegenüber neuen, entgegenstehenden gesetzlichen Anforderungen (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, NVwZ 1989, 667, 668). Die Grenzen des Bestandsschutzes sind u.a. dann erreicht, wenn der Berechtigte in einem Gebäude eine andere als die genehmigte Nutzung aufnimmt, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart steht und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988, a.a.O und Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 27). Geht es um Tierhaltung, kann auch eine Änderung der Nutzungsweise relevant werden, sofern sie für die Nachbarschaft höhere Belastungen mit sich bringt. Wird eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung für eine Tierhaltung einschließende landwirtschaftliche Nutzung erteilt, so ist damit aber nicht automatisch jede beliebige Art der Tierhaltung legalisiert. Auch insoweit ist darauf abzustellen, ob die Tierhaltung sich innerhalb des Spektrums von Variationsmöglichkeiten hält, das ausgeschöpft werden darf, ohne dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
32 
a) Die im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... von Alters her genehmigte Tierhaltung steht in Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung. Die derzeitige Tierhaltung des Klägers hält sich, sowohl was die Art als auch die Zusammensetzung des Tierbestandes betrifft, innerhalb der Variationsbreite einer solchen Nutzung: Die Stallkapazität wurde im Vergleich zum genehmigten Umfang nicht vergrößert. Auch hat sich die Immissionssituation für die Nachbarschaft bei dieser Vergleichsbetrachtung nicht verschlechtert, sondern verbessert, weil der Tierbestand bei weitem nicht den Umfang erreicht, der bei Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1983 und - erst recht - bei Aufgabe der Vollerwerbslandwirtschaft im Jahre 1973 vorhanden war. Unerheblich ist deshalb, dass der Umfang der Tierhaltung zwischenzeitlich auf nur 1 bis 2 Schweine absank und in der Folgezeit wieder - durch Anschaffung einer Ziege im Jahr 1991 und einer Kuh im Jahre 2005 - maßvoll anstieg auf einen nach wie vor innerhalb des ursprünglich genehmigten Rahmens bleibenden Bestand. Dem Kläger war es unbenommen, seinen Viehbestand nach Zahl und Zusammensetzung im Rahmen der vorhandenen Stallkapazitäten zu variieren, solange die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01 1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 28).
33 
b) Unerheblich ist es ferner, dass der Kläger seine Tierhaltung in den 1980er Jahren von einer Tierhaltung im Rahmen der Nebenerwerbslandwirtschaft auf eine solche „zum Eigenbedarf“ umgestellt hat. Denn im einen wie im anderen Falle handelt es sich - worauf es hier allein ankommt - um eine „landwirtschaftliche“ Tierhaltung. Abzustellen ist auf den Begriff der Landwirtschaft in § 201 BauGB. Diese Definition gilt nicht nur im Rahmen des BauGB - und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen -, sondern kann auch für das Bauordnungsrecht herangezogen werden (Sauter, LBO, § 50 Rdnr. 21; Brügelmann, BauGB, § 201 Rdnr. 2). Danach fällt unter den Begriff der Landwirtschaft insbesondere auch die „Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
34 
aa) Nach den - unbestrittenen - Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (BA Nutzungsuntersagung, Bl. 63) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte, Bl. 193 Rücks.) erwirtschaftet er das Futter für seine Tiere selbst auf einer eigenen, 40 Ar großen Außenbereichsfläche, auf der er Gemüse, Grünfutter, Futterrüben und Mais anbaut. Zusätzliches Grünfutter erhält er aus Grünflächen der Stadt Vaihingen, die er regelmäßig mäht. Die Anteile des Grünfutters aus eigenen Flächen und aus Flächen der Stadt sind nach den Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte Bl. 193 Rücks.) zwar ungefähr gleich. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Futterrüben- und (Futter-)Maisanbaues auf eigenen Flächen ergibt sich aber insgesamt ein Überwiegen der eigenen Futtergrundlage, zumal der Kläger aus verpachteten Flächen auch noch Getreide erhält, das er als Futter für seine Tiere verwendet.
35 
bb) Das Begriffsmerkmal des „landwirtschaftlichen Betriebes“ ist hier ebenfalls erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und aller Bausenate des Verwaltungsgerichtshofs setzt ein landwirtschaftlicher „Betrieb“ eine bestimmte Organisation, ferner eine nachhaltige und ernsthafte Bewirtschaftung voraus; es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - 4 C 67.82 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 234 = NVwZ 1986, 916 = PBauE § 35 Abs. 1 BauGB Nr. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.08.1995 - 5 S 3229/94 - BauR 1996, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.1994 - 8 S 1716/93 -; Urt. v. 07.08.1991 - 3 S 1075/90 -, BauR 1992, 208). An der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers bestehen angesichts der langjährigen Praxis keine Zweifel. Der Kläger verfügt zudem über entsprechende Maschinen (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse, Fräse), die teilweise in dem zur landwirtschaftlichen Nutzung genehmigten Nebengebäude Schafhof .../1 untergebracht sind. Auch hat er eine in seinem Eigentum stehende und damit rechtlich gesicherte Betriebsfläche zur Verfügung. Auch das Merkmal der Lebensfähigkeit dieses Betriebes, das nach der genannten Rechtsprechung gerade bei Nebenerwerbsbetrieben eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt, ist gegeben. Eine Gewinnerzielung kann auch dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Betätigung primär oder sogar ausschließlich der Selbstversorgung dient. Der Gewinn liegt in diesem Fall in der Sicherung des Lebensunterhalts des Betriebsinhabers und seiner Familie in Form ersparter Aufwendungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, die Annahme einer solchen Betriebsform davon abhängig zu machen, dass die erzeugten Produkte zunächst verkauft und sodann mit dem hieraus erwirtschafteten Erlös wiederum angeschafft werden (Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr.15; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 31). Soweit in der Literatur im Falle der ausschließlichen Selbstversorgung die Betriebseigenschaft unter Hinweis auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs bereits aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen wird (Sauter, LBO, § 50, Rdnr. 22 unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ, Urt. v. 20.04.1977 - III 1424/75 -) überzeugt dies nicht. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 20.04.1977 betrifft den Begriff des „Erwerbsgartenbaus“ nach § 146 BBauG und damit nicht die vorliegende Fallkonstellation. Auch das Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 07.09.1989 (- 8 S 1217/88 -, RdL 1990, 120f), in dem ein landwirtschaftlicher Zweck im Falle der Selbstversorgung ebenfalls abgelehnt wurde, führt hier nicht weiter, denn es ist zum Begriff der „gartenbaulichen Erzeugung“ i.S.d. § 201 BauGB ergangen.
36 
Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr, dass mithilfe des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht letztlich der Bereich der „Liebhaberlandwirtschaft“ bzw. „Hobbylandwirtschaft“ von dem Kreis der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung abgegrenzt werden soll, um einen Missbrauch der Privilegierungstatbestände zur Durchsetzung tatsächlich nicht privilegierter Nutzungen im Außenbereich zu verhindern (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 46). Auch in diesem Zusammenhang scheitert die Annahme eines privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes aber nicht zwingend daran, dass kein Gewinn erwirtschaftet wird. Ein privilegierter Betrieb kann vielmehr auch bei fehlender Gewinnerzielung vorliegen, sofern andere gewichtige Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit die Betriebseigenschaft sprechen (BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 a.a.O.). Diese Wertung muss erst recht gelten, wenn es - wie hier - nicht um die Abgrenzung von privilegierten und nicht privilegierten Nutzungen im Außenbereich geht, sondern um die rechtliche Einordnung einer Tierhaltung im Innenbereich. Zwar ist die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb anzunehmen ist, nicht anhand unterschiedlicher Kriterien zu beantworten je nachdem, ob eine privilegierte Nutzung im Außenbereich in Rede steht oder nicht. Die o.g. von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sind vielmehr einheitlich anzuwenden. Besteht allerdings im Einzelfall nicht die Gefahr, dass unter dem Etikett des „landwirtschaftlichen Betriebes“ tatsächlich Liebhaber- bzw. Hobbytierhaltung stattfindet, so ist die Indizwirkung des Merkmals der Gewinnerzielung in seiner Bedeutung herabgemindert und kann das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs desto leichter anhand der sonstigen Umstände angenommen werden. Solche Umstände liegen - wie aufgezeigt - vor, weil der Kläger die hier in Rede stehenden (Groß-)Tiere nicht zum Zwecke der Liebhaberei, sondern aus Gründen der Selbstversorgung hält.
37 
3. Ist die Tierhaltung des Klägers nach dem Ausgeführten bereits formell legal ist, so steht damit zugleich fest, dass auch in materieller Hinsicht nicht die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vorliegen. Denn die untersagte Nutzung verstößt nicht - wie erforderlich - seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht. Zumindest bis in die 1980er Jahre hinein war die landwirtschaftliche Tierhaltung im dem hier in Rede stehenden Umfang auch in materieller Hinsicht genehmigungsfähig. Auf die weitere Frage, ob die Tierhaltung des Klägers nach den derzeit geltenden Vorschriften des Bauplanungsrechts zugelassen werden könnte, kommt es daher von Rechts wegen nicht mehr entscheidungserheblich an. Mit Blick auf den am 15.10.2009 durchgeführten Augenscheinstermin weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Anwesens des Klägers jedenfalls nicht einem reinen Wohngebiet und wohl auch nicht einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet entsprechen dürfte. Nach dem Ergebnis des Augenscheins spricht viel dafür, dass in dem Quartier des Schafhofs eine Gemengelage vorliegt, in der die Wohnnutzung zwar in Teilbereichen überwiegt, andere Teilbereiche aber weiterhin landwirtschaftlich (z.B. Schafhof ... und .../1) bzw. von Mischgebietselementen (Schafhof 24 - Firma für „Dienstleistungen rund ums Haus“ -, Schafhof 8 - Restaurationswerkstatt - und Schafhof 4 - Antiquitätenladen - ) geprägt sind. Dies hätte zur Konsequenz, dass hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 34 Abs. 1 BauGB und nicht § 34 Abs. 2 BauGB heranzuziehen wäre (BVerwG, Beschl. v. 02.07.1991 - 4 B 1.91 -, BauR 1991, 569; BayVGH a.a.O.).
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
39 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
41 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
42 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung des Landratsamts Enzkreis vom 19.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.04.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Sie ist daher aufzuheben (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO).
22 
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt, untersagt werden. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG - wie bei einer Abbruchsanordnung - voraus, dass die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 -, juris Rdnr. 55; Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, juris Rdnr. 21; Beschl. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, DÖV 1996, 750 = VBlBW 1996, 300 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Da es sich bei der angefochtenen Nutzungsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen, soweit es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht; für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung des Beklagten ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 - , a.a.O.).
23 
1. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat ist die Nutzung des Grundstücks Flst. Nr. 1445/1 (Schafhof ...) durch eine Baugenehmigung gedeckt.
24 
a) Allerdings ergibt sich dies nicht schon aus der dem Kläger erteilten Baugenehmigung vom 06.05.1988 zum Abbruch einer Scheune und Neubau einer Einfamiliendoppelhaushälfte mit Garage. Diese Genehmigung betrifft zum einen das Flurstück Nr. 1445/4 (Schafhof ...) und legalisiert zum anderen nicht die Tierhaltung. Auch die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 06.09.1988 zum Abbruch der baufälligen Scheuer und Erstellung eines Gebäudeteils für landwirtschaftliche Nutzung betrifft nicht das streitgegenständliche Grundstück, sondern das angrenzende Flst. Nr. 1445/2 (Schafhof .../1).
25 
b) Die Tierhaltung auf dem Flurstück Nr. 1445/1 ist jedoch von Alters her genehmigt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wurde das Grundstück jahrhundertelang, noch bis in die 1980er Jahre hinein, unbeanstandet als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten gegenüber dem Senat zudem erklärt, es sei unstreitig, dass die auf dem Grundstück früher betriebene Vollerwerbs- und Nebenerwerbslandwirtschaft (baurechtlich) genehmigt gewesen sei. Dies wird auch durch die vorliegende „Genehmigungsurkunde für Bausachen nach § 114 WürttBauO“ vom 11.11.1952 bestätigt (VG-Akte Bl. 147), wonach „im Dachstock des bestehenden Wohngebäudes Schafhof ... nebst Vornahme von baulichen Veränderungen an dem schon bestehenden Dachaufbau“ der Einbau einer Wohnung genehmigt wurde. In dieser Urkunde wird Bezug genommen auf einen Bauplan vom 22.08.1952, in dem (als Bestand) im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... ein Farrenstall und ein Stall eingezeichnet sind. In Bezug auf den Farrenstall findet sich eine Roteinzeichnung, die vermutlich bereits im Jahre 1947 Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens war. Eine Baugenehmigungsurkunde liegt insoweit zwar nicht vor; auch sind der WürttBauO damaliger Fassung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ein Stall zum damaligen Zeitpunkt genehmigungsfrei errichtet werden konnte. Vor dem Hintergrund spricht jedoch - ungeachtet des Fehlens einer förmlichen (Bau-)Genehmigung zur Legalisierung der Tierhaltung - gleichwohl auch nach Aktenlage alles dafür, dass die Tierhaltung in dem Gebäude von Alters her formell legal ist und sich insbesondere auf die Haltung der bei landwirtschaftlichen Betrieben in der Region traditionell zu findenden Tierarten (Rinder, Schweine, Ziegen, Geflügel) erstreckt.
26 
c) Die Legalisierungsfunktion der von Alters her bestehenden Baugenehmigung ist in der Folgezeit auch nicht entfallen. Eine Baugenehmigung bleibt (bei je nach Bezugszeitraum direkter oder sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG) wirksam, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 19.07.1989 - 8 S 1869/89 -, NVwZ-RR 1990, 171; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, juris Rdnrn. 32-34; im Ausgangspunkt auch Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, BauR 2003, 1539 = juris Rdnr. 31f). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es insoweit keinen vom einfachen Recht losgelösten, bundesrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG vorgegebenen Bestandsschutz: Handelt es sich bei einer Genehmigungsnorm um eine solche des Landesrechts, so beurteilt sich nach diesem Recht, ob und wie sich nachträgliche Veränderungen auf den in früherer Zeit legal geschaffenen Baubestand auswirken (BVerwG, Urt. v. 07.11.1997 - 4 C 7.97 -, NVwZ 1998, 735).
27 
Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rücknahme, einen Widerruf, eine anderweitige Aufhebung der Baugenehmigung oder deren Beendigung durch Zeitablauf (z.B. auch nach Art. 114, Art. 117 WürttBauO) bestehen hier nicht. Nach Lage der Dinge kommt allein der Beendigungsgrund „auf andere Weise“ in Betracht, hier in der Form, dass die Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung auf dem Flst. 1445/1 gegenstandslos geworden ist aufgrund eines entsprechenden Verzichts des Klägers oder doch einer einem solchen Verzicht gleichkommenden Unterbrechung der genehmigten Nutzung.
28 
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Baurechtssenate des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 04.03.2009, - 3 S 1467/07 -, a.a.O.; Beschl. v. 19.07.1989, - 8 S 1869/89 -, a.a.O.; Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, a.a.O.) verliert eine einmal erteilte Baugenehmigung ihre Legalisierungswirkung dann, wenn der Verzicht entweder ausdrücklich erklärt wurde oder ein entsprechender dauerhafter und endgültiger Verzichtswille unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. Letzteres kann bei einer (zeitweiligen) Unterbrechung der genehmigten Nutzung der Fall sein, sofern die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme dieser Nutzung nicht mehr rechnet. Im zweiten Jahr nach Beendigung der Nutzung spricht für eine solche Annahme eine Regelvermutung, die jedoch im Einzelfall durch gegenteilige Anhaltspunkte entkräftet werden kann (Senatsurt. v. 20.05.2003, a.a.O.). In diesem Zusammenhang kann insbesondere von Bedeutung sein, dass die unterbrochene Nutzung nicht durch eine andere ersetzt wird und die baulichen Anlagen für eine Fortführung der unterbrochenen Nutzung weiterhin tauglich sind.
29 
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Legalisierungswirkung der von Alters her bestehenden Baugenehmigung in Bezug auf die Tierhaltung in dem Gebäude Schafhof ... nicht entfallen. Einen ausdrücklichen Verzicht auf diese Legalisierungswirkung haben der Kläger - oder einer seiner Rechtsvorgänger - zu keiner Zeit erklärt. Auch durch ihr Verhalten haben weder der Kläger noch einer seiner Rechtsvorgänger in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht - bzw. bei Dritten eine entsprechende Erwartung geweckt -, dass sie dauerhaft und endgültig auf eine Großviehhaltung in dem Gebäude Schafhof ... verzichten. Unstreitig wurden in diesem Gebäude bis zum Jahr 1973 im Rahmen einer Vollerwerbslandwirtschaft ca. 30 Rinder und 30 Schweine gehalten. Danach hielt der Vater des Klägers bis zu seinem Tod im Jahre 1983 noch ca. 6 Rinder und 15 Schweine im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes. Die letzten Rinder wurden zwar im Jahre 1986 verkauft, der Kläger hat aber im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren durchgängig vorgetragen, er habe ohne Unterbrechung immer 1 bis 2 Schweine für den Eigenbedarf gehalten (vgl. BA Nutzungsuntersagung Bl. 63 und 97; VG-Akte Bl. 69f und GA Bl. 75). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er dies nochmals dargelegt. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Zwar liegt ein Schreiben der Tierseuchenkasse vom 27.08.2008 (VG-Akte, Bl. 175) vor, wonach für die Zeit vom 03.12.1997 bis 03.12.2004 zur Tierbesitzer-Nummer 0173331 des Klägers keine Tierbestandsmeldung festzustellen sei. Der Kläger hat dies aber überzeugend damit erklärt, dass die Schweine an dem jeweiligen Stichtag verkauft bzw. geschlachtet gewesen seien und er irrtümlich angenommen habe, den Bestand nicht melden zu müssen. Letztlich kann es dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Tierbestand nicht an die Tierseuchenkasse gemeldet wurde. Denn die unterbliebene Meldung lässt zur Überzeugung des Senats in jedem Fall keinen Schluss darauf zu, dass der Kläger in der fraglichen Zeit tatsächlich keine Tiere gehalten hatte. Er hat Tierarztrechnungen vom 12.05.1998, 06.11.2000 und vom 15.01.2001 vorgelegt (GA, Bl. 191 und Klägerdokumentation), wonach jedenfalls am 15.04.1998, 11.09.2000, 18.09.2000, 19.10.2000 und 06.11.2000 Schweine untersucht und behandelt wurden. Die Tierarztrechnungen erstrecken sich zwar nicht auf den gesamten in dem Schreiben der Tierseuchenkasse genannten Zeitraum, sie sind aber geeignet, die - gegen eine ununterbrochene Tierhaltung des Klägers sprechende - Indizwirkung dieses Schreibens zu widerlegen. Auch zahlreiche Nachbarn haben in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 08.06.2008 (VG-Akte Bl 83) bestätigt, dass die Tierhaltung nach dem Tode des Vaters des Klägers „von dessen Sohn kontinuierlich weitergeführt“ worden sei.
30 
Durch die damit zur Überzeugung des Senats feststehende, bis heute ununterbrochene Schweinehaltung hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die von Alters her genehmigte Nutzung des Stalls zur Tierhaltung weiterhin in Anspruch nimmt.
31 
2. Die Legalisierungswirkung der von Alters her genehmigten Tierhaltung deckt auch jedenfalls den Umfang des vom Kläger derzeit gehaltenen Tierbestandes ab. Denn auch insoweit steht dem Kläger ein durch die Genehmigung vermittelter Bestandsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG zur Seite. Der Bestandsschutz sichert dem Eigentümer das durch Eigentumsausübung Geschaffene und verleiht einem rechtmäßig begründeten Bestand bzw. einer rechtmäßig begründeten Nutzung - innerhalb gewisser Grenzen - Durchsetzungskraft auch gegenüber neuen, entgegenstehenden gesetzlichen Anforderungen (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, NVwZ 1989, 667, 668). Die Grenzen des Bestandsschutzes sind u.a. dann erreicht, wenn der Berechtigte in einem Gebäude eine andere als die genehmigte Nutzung aufnimmt, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart steht und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll (BVerwG, Urt. v. 25.03.1988, a.a.O und Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 27). Geht es um Tierhaltung, kann auch eine Änderung der Nutzungsweise relevant werden, sofern sie für die Nachbarschaft höhere Belastungen mit sich bringt. Wird eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung für eine Tierhaltung einschließende landwirtschaftliche Nutzung erteilt, so ist damit aber nicht automatisch jede beliebige Art der Tierhaltung legalisiert. Auch insoweit ist darauf abzustellen, ob die Tierhaltung sich innerhalb des Spektrums von Variationsmöglichkeiten hält, das ausgeschöpft werden darf, ohne dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
32 
a) Die im Erdgeschoss des Gebäudes Schafhof ... von Alters her genehmigte Tierhaltung steht in Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung. Die derzeitige Tierhaltung des Klägers hält sich, sowohl was die Art als auch die Zusammensetzung des Tierbestandes betrifft, innerhalb der Variationsbreite einer solchen Nutzung: Die Stallkapazität wurde im Vergleich zum genehmigten Umfang nicht vergrößert. Auch hat sich die Immissionssituation für die Nachbarschaft bei dieser Vergleichsbetrachtung nicht verschlechtert, sondern verbessert, weil der Tierbestand bei weitem nicht den Umfang erreicht, der bei Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft im Jahre 1983 und - erst recht - bei Aufgabe der Vollerwerbslandwirtschaft im Jahre 1973 vorhanden war. Unerheblich ist deshalb, dass der Umfang der Tierhaltung zwischenzeitlich auf nur 1 bis 2 Schweine absank und in der Folgezeit wieder - durch Anschaffung einer Ziege im Jahr 1991 und einer Kuh im Jahre 2005 - maßvoll anstieg auf einen nach wie vor innerhalb des ursprünglich genehmigten Rahmens bleibenden Bestand. Dem Kläger war es unbenommen, seinen Viehbestand nach Zahl und Zusammensetzung im Rahmen der vorhandenen Stallkapazitäten zu variieren, solange die Immissionssituation für die Nachbarschaft unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01 1993 - 4 C 19.90 -, juris Rdnr. 28).
33 
b) Unerheblich ist es ferner, dass der Kläger seine Tierhaltung in den 1980er Jahren von einer Tierhaltung im Rahmen der Nebenerwerbslandwirtschaft auf eine solche „zum Eigenbedarf“ umgestellt hat. Denn im einen wie im anderen Falle handelt es sich - worauf es hier allein ankommt - um eine „landwirtschaftliche“ Tierhaltung. Abzustellen ist auf den Begriff der Landwirtschaft in § 201 BauGB. Diese Definition gilt nicht nur im Rahmen des BauGB - und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen -, sondern kann auch für das Bauordnungsrecht herangezogen werden (Sauter, LBO, § 50 Rdnr. 21; Brügelmann, BauGB, § 201 Rdnr. 2). Danach fällt unter den Begriff der Landwirtschaft insbesondere auch die „Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann“. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
34 
aa) Nach den - unbestrittenen - Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (BA Nutzungsuntersagung, Bl. 63) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte, Bl. 193 Rücks.) erwirtschaftet er das Futter für seine Tiere selbst auf einer eigenen, 40 Ar großen Außenbereichsfläche, auf der er Gemüse, Grünfutter, Futterrüben und Mais anbaut. Zusätzliches Grünfutter erhält er aus Grünflächen der Stadt Vaihingen, die er regelmäßig mäht. Die Anteile des Grünfutters aus eigenen Flächen und aus Flächen der Stadt sind nach den Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht (VG-Akte Bl. 193 Rücks.) zwar ungefähr gleich. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Futterrüben- und (Futter-)Maisanbaues auf eigenen Flächen ergibt sich aber insgesamt ein Überwiegen der eigenen Futtergrundlage, zumal der Kläger aus verpachteten Flächen auch noch Getreide erhält, das er als Futter für seine Tiere verwendet.
35 
bb) Das Begriffsmerkmal des „landwirtschaftlichen Betriebes“ ist hier ebenfalls erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und aller Bausenate des Verwaltungsgerichtshofs setzt ein landwirtschaftlicher „Betrieb“ eine bestimmte Organisation, ferner eine nachhaltige und ernsthafte Bewirtschaftung voraus; es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - 4 C 67.82 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 234 = NVwZ 1986, 916 = PBauE § 35 Abs. 1 BauGB Nr. 12; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.08.1995 - 5 S 3229/94 - BauR 1996, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.1994 - 8 S 1716/93 -; Urt. v. 07.08.1991 - 3 S 1075/90 -, BauR 1992, 208). An der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers bestehen angesichts der langjährigen Praxis keine Zweifel. Der Kläger verfügt zudem über entsprechende Maschinen (Schlepper, Bandsäge, Pflug, Presse, Fräse), die teilweise in dem zur landwirtschaftlichen Nutzung genehmigten Nebengebäude Schafhof .../1 untergebracht sind. Auch hat er eine in seinem Eigentum stehende und damit rechtlich gesicherte Betriebsfläche zur Verfügung. Auch das Merkmal der Lebensfähigkeit dieses Betriebes, das nach der genannten Rechtsprechung gerade bei Nebenerwerbsbetrieben eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt, ist gegeben. Eine Gewinnerzielung kann auch dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Betätigung primär oder sogar ausschließlich der Selbstversorgung dient. Der Gewinn liegt in diesem Fall in der Sicherung des Lebensunterhalts des Betriebsinhabers und seiner Familie in Form ersparter Aufwendungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, die Annahme einer solchen Betriebsform davon abhängig zu machen, dass die erzeugten Produkte zunächst verkauft und sodann mit dem hieraus erwirtschafteten Erlös wiederum angeschafft werden (Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr.15; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 31). Soweit in der Literatur im Falle der ausschließlichen Selbstversorgung die Betriebseigenschaft unter Hinweis auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs bereits aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen wird (Sauter, LBO, § 50, Rdnr. 22 unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ, Urt. v. 20.04.1977 - III 1424/75 -) überzeugt dies nicht. Die in Bezug genommene Entscheidung vom 20.04.1977 betrifft den Begriff des „Erwerbsgartenbaus“ nach § 146 BBauG und damit nicht die vorliegende Fallkonstellation. Auch das Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 07.09.1989 (- 8 S 1217/88 -, RdL 1990, 120f), in dem ein landwirtschaftlicher Zweck im Falle der Selbstversorgung ebenfalls abgelehnt wurde, führt hier nicht weiter, denn es ist zum Begriff der „gartenbaulichen Erzeugung“ i.S.d. § 201 BauGB ergangen.
36 
Entscheidend ist aus Sicht des Senats vielmehr, dass mithilfe des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht letztlich der Bereich der „Liebhaberlandwirtschaft“ bzw. „Hobbylandwirtschaft“ von dem Kreis der nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung abgegrenzt werden soll, um einen Missbrauch der Privilegierungstatbestände zur Durchsetzung tatsächlich nicht privilegierter Nutzungen im Außenbereich zu verhindern (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 46). Auch in diesem Zusammenhang scheitert die Annahme eines privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes aber nicht zwingend daran, dass kein Gewinn erwirtschaftet wird. Ein privilegierter Betrieb kann vielmehr auch bei fehlender Gewinnerzielung vorliegen, sofern andere gewichtige Indizien für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit die Betriebseigenschaft sprechen (BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 a.a.O.). Diese Wertung muss erst recht gelten, wenn es - wie hier - nicht um die Abgrenzung von privilegierten und nicht privilegierten Nutzungen im Außenbereich geht, sondern um die rechtliche Einordnung einer Tierhaltung im Innenbereich. Zwar ist die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb anzunehmen ist, nicht anhand unterschiedlicher Kriterien zu beantworten je nachdem, ob eine privilegierte Nutzung im Außenbereich in Rede steht oder nicht. Die o.g. von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sind vielmehr einheitlich anzuwenden. Besteht allerdings im Einzelfall nicht die Gefahr, dass unter dem Etikett des „landwirtschaftlichen Betriebes“ tatsächlich Liebhaber- bzw. Hobbytierhaltung stattfindet, so ist die Indizwirkung des Merkmals der Gewinnerzielung in seiner Bedeutung herabgemindert und kann das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs desto leichter anhand der sonstigen Umstände angenommen werden. Solche Umstände liegen - wie aufgezeigt - vor, weil der Kläger die hier in Rede stehenden (Groß-)Tiere nicht zum Zwecke der Liebhaberei, sondern aus Gründen der Selbstversorgung hält.
37 
3. Ist die Tierhaltung des Klägers nach dem Ausgeführten bereits formell legal ist, so steht damit zugleich fest, dass auch in materieller Hinsicht nicht die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vorliegen. Denn die untersagte Nutzung verstößt nicht - wie erforderlich - seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht. Zumindest bis in die 1980er Jahre hinein war die landwirtschaftliche Tierhaltung im dem hier in Rede stehenden Umfang auch in materieller Hinsicht genehmigungsfähig. Auf die weitere Frage, ob die Tierhaltung des Klägers nach den derzeit geltenden Vorschriften des Bauplanungsrechts zugelassen werden könnte, kommt es daher von Rechts wegen nicht mehr entscheidungserheblich an. Mit Blick auf den am 15.10.2009 durchgeführten Augenscheinstermin weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Anwesens des Klägers jedenfalls nicht einem reinen Wohngebiet und wohl auch nicht einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet entsprechen dürfte. Nach dem Ergebnis des Augenscheins spricht viel dafür, dass in dem Quartier des Schafhofs eine Gemengelage vorliegt, in der die Wohnnutzung zwar in Teilbereichen überwiegt, andere Teilbereiche aber weiterhin landwirtschaftlich (z.B. Schafhof ... und .../1) bzw. von Mischgebietselementen (Schafhof 24 - Firma für „Dienstleistungen rund ums Haus“ -, Schafhof 8 - Restaurationswerkstatt - und Schafhof 4 - Antiquitätenladen - ) geprägt sind. Dies hätte zur Konsequenz, dass hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 34 Abs. 1 BauGB und nicht § 34 Abs. 2 BauGB heranzuziehen wäre (BVerwG, Beschl. v. 02.07.1991 - 4 B 1.91 -, BauR 1991, 569; BayVGH a.a.O.).
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
39 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
41 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
42 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07. Juni 2011 - 1 K 3957/09 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 372.612,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der allein auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) gestützte Antrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die Antragsbegründung den - der Zulässigkeitsebene zuzurechnenden - Anforderungen nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Danach muss ein Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts substantiiert mit Argumenten in Frage stellen, wofür es einer Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils bedarf, deren Tiefe und Intensität sich nach der jeweiligen Tiefe der Entscheidungsgründe richtet. Denn jedenfalls liegen die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Die Klägerin ist nach eigenen Angaben Pächterin der im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehenden Gewerbeeinheit ... ...-... (Flst.-Nrn. 2426, 2427 und 2429/1) in ... Sie begehrt im Hauptantrag festzustellen, dass die im EG und 1. OG dieses Gebäudes beantragte „Nutzungsänderungen in 4 Spielecenter gem. § 33i GewO“ mit insgesamt 620,55 qm Spielfläche und (4 x 12 =) 48 Geldspielgeräten nach § 50 Abs. 2 LBO verfahrensfrei ist. Hilfsweise erstrebt sie die Verpflichtung der Beklagten, die beantragte Nutzungsänderung zu genehmigen. Bislang befand sich in dem Gewerbeanwesen ein am 13.02.1998/23.06.1999 genehmigtes „Blue movie center“ mit 2 Kinosälen im 1. OG sowie einem Videokabinenbereich (16 Kabinen), einer Spielothek (148,60 qm) und einem davon räumlich getrennten Erotik-Shop im EG. Adressatin der Baugenehmigung war die ... ... ...-... AG.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage in beiden Anträgen abgewiesen: Der Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die beantragte Umwandlung des Erotik-/Sexkinos und der übrigen Nutzungen in die Spielhalle sei nicht nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfahrensfrei. Es handle sich zum einen um eine Nutzungsänderung. Dem stehe nicht entgegen, dass sowohl die alte als die neue Nutzung Vergnügungsstätten seien. Die neue Nutzung überschreite die Variationsbreite der bisherigen Nutzungen und werfe auch die Genehmigungsfrage neu auf. Die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung sowie der Belang der Fortentwicklung vorhandener Ortsteile könnten berührt werden. Von der neuen Spielhalle mit vier Spielcentern gingen andere Auswirkungen auf die Umgebung aus als von dem bisherigen Sexkino mit der kleineren Spielhalle. Aufgrund der Anforderungen des nunmehr maßgeblichen neuen Bebauungsplans 11/42 von 2006 ergäben sich auch andere Anforderungen an das Bauvorhaben als bisher. Das Spielcenter sei auch nicht im Hinblick auf die schon früher genehmigte Spielothek im EG teilweise verfahrensfrei, da es auf das Vorhaben als unteilbares Ganzes ankomme. Mangels Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens sei die Klage auch im - nach § 75 VwGO zulässigen - Hilfsantrag insgesamt unbegründet. Das Vorhaben widerspreche den textlichen Festsetzungen Nrn. 3.1 und 3.3 des Bebauungsplans 11/42. Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 3.3 seien unstreitig nicht gegeben. Der Bebauungsplan 11/42 sei wirksam, die hiergegen vorgebrachten Bedenken der Klägerin teile die Kammer nicht. Ob die zahlenmäßige Beschränkung von Vergnügungsstätten und Sexshops auf einen Betrieb je Quadrat von § 1 Abs. 5 bis Abs. 9 BauNVO gedeckt sei, könne offen bleiben. Denn auch bei Unwirksamkeit dieser Teilfestsetzung wäre jedenfalls der Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe und Vergnügungsstätten in den Erd- und Untergeschossen in Nr. 3.3 wirksam. Denn diese Festsetzung hätte der Plangeber in jedem Fall getroffen und aufrechterhalten wollen. Auf Bestandsschutz könne die Klägerin sich schon deswegen nicht berufen, weil dieser aus bundesrechtlicher Sicht mit Aufgabe der bislang zulässigen Nutzung geendet habe. Dies sei bei - wie hier - einer Nutzungsänderung nach § 29 BauGB immer der Fall, da sich dann die Genehmigungsfrage neu stelle. Der Hilfsantrag sei schließlich seinerseits nicht teilweise im Hinblick auf die im EG bereits genehmigt gewesene Spielothek erfolgreich, da die Klägerin ein einheitliches Vorhaben begehre.
II.
Mit ihrer Antragsbegründung, auf deren Berücksichtigung der Senat beschränkt ist, vermag die Klägerin die Richtigkeit dieses Urteils weder im Ergebnis noch hinsichtlich der tragenden Begründung erschüttern.
1. Mit den eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Gültigkeit der Ausschlussregelungen des Bebauungsplans 11/42 und zur Auslegung des Plans für den Fall einer Teilrechtswidrigkeit der „Kontingentierungsklausel“ für die Obergeschosse in Nr. 3.3 der Bebauungsvorschriften (künftig: BV) setzt sich die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht auseinander. Sie hält den Bebauungsplan vielmehr ausdrücklich für gültig und versucht, daraus eine für sie günstige Auslegung herzuleiten.
2. Vor diesem Hintergrund sieht auch der Senat keinen Anlass, sich vertieft mit der Wirksamkeit der für den hier einschlägigen Gebietsteil MK 2 einschlägigen Festsetzung in Nr. 3.1 der BV und insbesondere mit der Frage zu befassen, ob die Kontingentregelung für Obergeschosse in Nr. 3.3 der BV noch von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, was im Hinblick auf § 1 Abs. 9 BauNVO jedenfalls zweifelhaft erscheint (vgl. nunmehr aber § 25 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 15.12.2011). Der Senat bemerkt gleichwohl, dass jedenfalls gegen den – ausnahmslosen - Ausschluss nach Nr. 3.3 der BV für die dort aufgeführten Betriebe in den Erd- und Untergeschossen aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Ausschlussregelung dürfte sowohl hinsichtlich der erforderlichen „besonderen“ städtebaulichen Gründe (sog. „trading-down-Effekt“ - Sicherung der Geschäftsvielfalt und Gebietsattraktivität, Verhinderung einer Absenkung des Niveaus in den besonders empfindlichen und optisch „ausstrahlenden“ unteren Geschossen des am ... gelegenen Baugebiets) als auch bezüglich der im einzelnen ausgeschlossenen Betriebsarten von § 1 Abs. 9 i.V.m. § 1 Abs. 5 und Abs. 8 BauNVO gedeckt sein (zur Abwehr des „trading-down-Effekts“ als rechtfertigender Ausschlussgrund von Spielhallen im Kerngebiet vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 4 BN 9.08 -, BauR 2009, 76 ff.; Urt. v. 15.09.1994 - 4 C 13.93 -, NVwZ 1995, 698 ff.; zur Berechtigung des Ausschlusses von Sexshops und Vergnügungsstätten in bestimmten Planbereichen der Beklagten vgl. auch bereits Urt. des Senats v. 03.03.2005 - 3 S 1524/04 -, VBlBW 2006, 142 ff.).
a) § 1 Abs. 9 BauNVO ermächtigt ausdrücklich zu einer Feindifferenzierung der in § 1 Abs. 5 BauNVO (unter Bezugnahme auf die Baugebietsvorschriften der §§ 2 bis 9 BauNVO) genannten „groben“ Nutzungsarten. Allerdings steht dem Plangeber hierbei - anders als in Sondergebieten - kein „Anlagenerfindungsrecht“ zu. Vielmehr kann er nur solche Anlagentypen regeln, die es in der sozialen und ökonomischen Realität unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse in der Standortgemeinde bereits gibt (BVerwG, Beschl. v. 27.07.1998 - 4 BN 31.98 -, ZfBR 1998, 317 f.; Beschl. v. 23.10.2006 - 4 BN 1.06 -, juris). Diese „realen“ Anlagentypen müssen zudem hinreichend bestimmt gekennzeichnet werden (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.03.2012 - 8 S 260/11 -, juris).
b) Diese Voraussetzungen dürften vorliegend erfüllt sein. Die von der Ausschlussregelung erfassten „Sexshops“ stellen zweifellos eine in der Realität vorhandene und hinreichend konturierte Unterart eines Einzelhandelsbetriebs dar. Überdies hat die Beklagte die Betriebsart „Sexshop“ im Definitionskatalog der BV des Bebauungsplans 11/42 zusätzlich detailliert umschrieben. Die übrigen in Nr. 3.3 genannten Betriebe bilden ihrerseits in der sozialen und ökonomischen Realität existierende Unterarten einer „Vergnügungsstätte“ ab. Vergnügungsstätten lassen sich kennzeichnen als Gewerbebetriebe besonderer Art, die dem „Amüsement“, der kommerziellen Freizeitgestaltung, Zerstreuung und Entspannung, dem geselligen Beisammensein, der Bedienung der Spielleidenschaft oder der Bedienung der erotisch/sexuellen Interessen des Menschen dienen. Sie werden auch umschrieben als gewerbliche Nutzungsarten, die sich in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder des Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung widmen. Als Anlagen mit bodenrechtlichem Bezug knüpfen sie nicht an Definitionen des Vergnügungssteuerrechts an, sondern stellen auf typische städtebaulich relevante (negative) Folgewirkungen ab, wie auf Lärmbelästigungen, Beeinträchtigungen des Stadt- und Straßenbildes und des Gebietscharakters, aber auch der Verschlechterung der Qualität des jeweiligen Baugebiets mit seiner spezifischen Zweckbestimmung (zu alldem vgl. Beschl. d. Senats v. 28.11.2006 - 3 S 2377/06 -, VBlBW 2007, 189 ff. m.w.N.). Diese Anforderungen einer Vergnügungsstätte werden nicht nur von Spielhallen (BVerwG, Beschl. v. 04.049.2008 - 4 BN 9.08 - a.a.O.), sondern auch von den übrigen in Nr. 3.3 der BV aufgeführten Betrieben erfüllt (Nacht- und Tanzbars, Stripteaselokale, Peepshows und Sexkinos). Allerdings verzichtet der Bebauungsplan 11/42 auf den eingeführten Gattungsbegriff der „Spielhallen“ (vgl. dazu auch die Umschreibung in § 33i GewO) und zählt statt dessen verschiedene Unterarten dieses Betriebstypus auf, nämlich Automatenspielhallen, Videospielhallen, Computerspielhallen, Spielcasinos sowie Spielbanken. Diese Feindifferenzierung dürfte mit § 1 Abs. 9 BauNVO zu vereinbaren sein. Denn die genannten Spielhallentypen fanden bzw. finden in der sozialen Realität durchaus eine Entsprechung und sie erscheinen, bezogen auf ihre Betriebseigenart, Ausstattung und Betriebsweise auch inhaltlich noch hinreichend konturiert. So ist das Vorhaben der Klägerin mit 4 Spielcentern zu je 12 Geldspielgeräten ohne weiteres als „Automatenspielhalle“ oder aber - je nach Ausstattung - als (privates) „Spielcasino“ einzustufen. Baurechtlich handelt es sich dabei um eine einheitliche, nach Größe, Umfang und Ausstrahlung eindeutig kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Dass jeder der 4 „Spielcenter“ dabei einer gesonderten gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33i GewO i.V.m. § 3 Abs. 2 der Spielverordnung - SpielV - bedarf, ist für die baurechtliche Einstufung unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 17.94 -, BauR 1996, 674 ff.).
3. Die im Übrigen in der Antragsbegründung vorgetragenen Einwendungen der Klägerin sind nicht geeignet die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zum Hauptantrag (dazu a.) wie zum Hilfsantrag (dazu b.) in Zweifel zu ziehen.
10 
a) Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Hauptantrag zu Recht abgewiesen, da die Voraussetzungen einer Verfahrensfreiheit nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO nicht vorliegen. Danach muss die zu beurteilende Nutzung - zum einen - eine Nutzungsänderung darstellen. Für diese dürfen - zum anderen - keine „anderen oder weitergehenden“ Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung. Gemessen daran stellt der Übergang von den bisherigen Nutzungen der Räumlichkeiten im EG/OG des Gebäudes ... ...-... zu der beantragten Großspielhalle eine Nutzungsänderung dar, die aber nicht verfahrensfrei ist.
11 
aa) Bei Nutzungsänderungen ist zwischen solchen im bauordnungsrechtlichen Sinn nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 12 Nr. 1 LBO und solchen im bauplanungsrechtlichen Sinn nach § 29 S. 1 BauGB zu unterscheiden. Die bauplanungsrechtliche Nutzungsänderung ist dabei enger zu fassen, da sie - wie auch sonst beim Vorhabenbegriff nach § 29 BauGB - eine bodenrechtliche Bedeutsamkeit des Änderungsvorgangs erfordert (zum Verhältnis beider Nutzungsänderungsbegriffe vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.1981 - 4 C 83.77 -, NJW 1981, 1224 f.; Urt. v. 11.02.1977 - 4 C 8.75 -, NJW 1977, 1932 f.; Sauter, LBO, § 50 Rn. 207). Eine Nutzungsänderung einer baulichen Anlage nach § 29 Satz 1 BauGB setzt demnach zum einen voraus, dass durch den Wechsel der Nutzungsart oder des Nutzungszwecks der Anlage die der genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird; insofern besteht Identität mit den landesrechtlichen Anforderungen. Des Weiteren müssen durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung zusätzlich aber auch bodenrechtliche Belange, wie sie sich insbesondere aus § 1 Abs. 6 BauGB ergeben, neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (st. Rspr. d. BVerwG, vgl. etwa Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 -, NVwZ 2011, 269 ff., sowie Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264 ff. m.w.N.). Dabei kann die Nutzungsänderung, sofern sie äußerlich klar erkennbar ist, als sog. Benutzungsänderung oder aber, ohne äußerliche Erkennbarkeit, als Funktionsänderung erfolgen (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.09.1991 - 3 S 1644/91 -, VBlBW 1992, 101).
12 
bb) Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht eine Nutzungsänderung (in der äußerlich klar erkennbaren Form einer Benutzungsänderung) angenommen.
13 
Bisher waren im Gebäudering ... ...-... im OG zwei „Blue-movie“ -Kinosäle und eine dazugehörige Filmstätte mit (zuletzt) 16 Einzelkabinen genehmigt. Außer diesem als „Sexkino“ einzustufenden Betrieb befanden sich im EG zusätzlich eine genehmigte Spielothek mit - soweit aus den Plänen ersichtlich - einer Mischung aus Geldspiel- und Unterhaltungsspielgeräten (u.a. Flipper, Billardtisch) sowie ein davon räumlich getrennter als „Sexshop“ zu qualifizierender „Erotikshop“. Die Variationsbreite der genehmigten Nutzungen ist mit diesen Genehmigungen in räumlicher Hinsicht sowie nach dem Nutzungszweck eindeutig festgelegt und begrenzt worden. An die Stelle der genannten Betriebe / Betriebsarten soll nunmehr ein einheitliches Vorhaben, nämlich eine beide Geschosse umfassende Automatenspielhalle mit - die gewerberechtlichen Vorgaben ausnutzend - insgesamt 48 Geldspielgeräten in 4 Sälen („Spielcentern“) treten. Zwar mag beim Übergang von der bisherigen Spielothek im EG auf die heutige Spielhalle, soweit die Flächen identisch sind, die Nutzungsbandbreite mit der heutigen Spielhalle noch gewahrt sein, wenngleich sich auch hier ein Wandel von einer gemischten Spieleinrichtung zu einem ausschließlich auf Gewinnspiele abzielenden Betrieb vollzogen hat. Darauf kommt es jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Denn im Streit steht nicht der Austausch der Spielothek gegen eine einzelne Spielhalle an gleicher Stelle. Vergleichsgegenstand ist vielmehr, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, das Gesamtvorhaben der neuen Großspielhalle auf zwei Geschossen.
14 
cc) Durch die neue Nutzung als Automatenspielhalle können auch bodenrechtliche Belange neu berührt werden, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt. Die Möglichkeit der „Berührung“ bodenrechtlicher Belange bedeutet dabei, worauf hinzuweisen ist, lediglich, dass diese Belange neu zu prüfen sind, nicht jedoch, dass sie notwendigerweise auch verletzt sein müssen.
15 
Vorliegend besteht ein derartiges neues Prüferfordernis. Denn die bisherige Nutzung der Räumlichkeiten als Sexkino und Sexshop spricht durchaus andere Kunden-/Besucherkreise an, als die jetzige Automatenspielhalle. Ein Sexkino bzw. Sexshop und eine Spielhalle zielen zudem auf die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse (Stimulation sexuellen Interesses, Voyeurismus einerseits, Stimulation des Spieltriebs mit potenzieller Suchtwirkung mit nachteiligen Folgen für Persönlichkeit und Finanzen andererseits). Hieraus können sich auch unterschiedliche Auswirkungen auf städtebaulich erhebliche Belange ergeben. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch der jungen Menschen, sowohl im Hinblick auf die Fortentwicklung vorhandener Ortsteile, zu der auch die Verbesserung der bestehenden Gebietsqualität gehört (vgl. § 1 Abs. 6 Nrn. 3 und 4 BauGB sowie BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 a.a.O. [Änderung einer Diskothek in eine Spielhalle]). Ferner ist eine Neubeurteilung anhand des Vergnügungsstätten-Konzepts der Beklagten in den Blick zu nehmen (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Überdies ist zu berücksichtigen, dass die neue Spielhallennutzung nicht nur baurechtlich, sondern auch gewerberechtlich erlaubnispflichtig ist, wobei die dortigen Anforderungen sich teilweise mit städtebaulichen Belangen decken. So ist nach § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO die Erlaubnis für Spielhallen und ähnliche Unternehmen zu versagen, wenn der Betrieb eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, aber auch schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten lässt. Schließlich ist mit Blick auf städtebauliche Belange auch auf die Größe der geplanten Spielhalle abzustellen. Es handelt sich um eine Großspielhalle mit 4 Spielcentern, welche die Grenze zur Kerngebietstypik von (herkömmlich) 100 qm Spielfläche um ein Vielfaches übersteigt. Mit 4 Spielsälen und insgesamt 48 Geldspielgeräten nutzt das Vorhaben auch die jeweils zulässigen Höchstmaße einer gewerberechtlichen Spielhallenkonzession nach § 33i i.V.m. § 3 Abs. 2 der SpielV von maximal 12 Geldspielgeräten je Erlaubniseinheit voll aus. Dementsprechend ist die Spielhalle auf Kunden aus einem äußeren Umfeld ausgerichtet. Dieser Gesichtspunkt wirft städtebaulich ein Prüfungsbedürfnis dahingehend auf, ob das Vorhaben im Einzelfall der Eigenart des Baugebiets nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO widerspricht. Wäre dies der Fall, wäre auch die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, wie sie in Nr. 3.3 der BV vorgesehen ist, ausgeschlossen (vgl. etwa Beschl. d. Senats v. 26.08.2009 - 3 S 1057/09 -, BauR 2010, 439 ff.; BayVGH, Urt. v. 06.07.2005 - 1 D 01.1513 -, juris).
16 
dd) Für die neue (nach § 50 Abs. 2 LBO wie nach § 29 Satz 1 BauGB) geänderte neue Nutzung des Vorhabens als kerngebietstypische Automatenspielhalle gelten sowohl „weitere“ als auch „andere“ rechtliche Anforderungen als für die Vorgängernutzungen. Die geänderten Anforderungen sind bauplanungsrechtlicher Natur, so dass es auf die bauordnungsrechtliche Frage der jeweiligen Stellplatzvoraussetzungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 LBO nicht ankommt. Während der frühere Bebauungsplan 11/40 der Beklagten vom 19.03.1991 Ausschlussregelungen nur im EG und nur für einen engeren Kreis an Vergnügungsstätten und Spielhallenarten enthielt, weitet der Bebauungsplan 11/42 diesen Verbotskatalog qualitativ und quantitativ aus. Insbesondere erstreckt er den Ausschluss der Vergnügungsstättenarten/Spielhallen und schränkt die betroffenen Vergnügungsstätten auch in den Obergeschossen - durch ihre Herabstufung als nur noch ausnahmsweise und „singulär“ zulässig - wesentlich ein.
17 
b) Der Zulassungsantrag hat auch bezüglich des Hilfsantrags (Verpflichtung auf die Genehmigung der Nutzungsänderung) keinen Erfolg.
18 
aa) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der erstrebten Baugenehmigung hat, weil die neue Nutzung gegen den § 30 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplan 11/42 verstößt, der jedenfalls bezüglich des Spielhallenausschlusses im EG wirksam ist. Mit dem Verwaltungsgericht kann ferner auch hier offen bleiben, ob die „Kontingentregelung“ für die Zulassung von Vergnügungsstätten in den Obergeschossen rechtlich möglich ist. Denn der Klage könnte auch bei angenommener Ungültigkeit dieser Regelung nicht teilweise - Spielhallennutzung nur im OG - stattgegeben werden. Denn die Klägerin als Bauherrin hat nach ihrem erkennbaren Willen im Bauantrag eine einheitliche Automatenspielhalle mit 4 Spielcentern in beiden Geschossen beantragt. Anhaltspunkte, dass sie beabsichtigte, etwa nur die beiden Spielcenter im OG zu verwirklichen, sind nicht ersichtlich. Angesichts des auf ein einheitliches „Vorhaben“ gerichteten Antrags war die Beklagte zur Ablehnung der Baugenehmigung insgesamt berechtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.08.1991 - 4 B 20.091 -, ZfBR 1992, 41 f., sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.06.2006 - 8 S 1737/05 -, BauR 2006, 2106 [Ls.]).Aus dem gleichen Grund könnte die Klägerin verlangen, dass ihr die Spielhallennutzung im Erdgeschoss teilweise auf der Fläche der bisher dort vorhandenen Spielothek genehmigt wird. Abgesehen davon bestehen, was das Erdgeschoss betrifft, auch bereits Zweifel an der objektiven Teilbarkeit des Vorhabens. Denn das anstelle der bisherigen Spielothek geplante „Spielcenter 2“ stimmt baulich und flächenmäßig nicht völlig mit der Vorgängeranlage überein.
19 
bb) Die Klägerin kann, indem sie sich auf die der ... ... AG erteilten Genehmigungen vom 13.02.1998/23.06.1999 beruft, ihren Genehmigungsanspruch auch nicht (ganz oder teilweise) aus Bestandsschutzgründen herleiten. Dabei kann offen bleiben, ob diese Genehmigungen erloschen sind, wie das Verwaltungsgericht meint, oder ob sie - mangels Erfüllung der Unwirksamkeitsvoraussetzungen nach § 43 Abs. 2 LVwVfG - noch fortbestehen, wie die Klägerin behauptet (zur Anwendung des § 43 Abs. 2 LVwVfG auf Baugenehmigungen vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.10.2009 - 5 S 374/09 -, VBlBW 2010, 597 ff.; Urt. v. 04.03.2009 - 3 S 1467/07 -, BauR 2009, 1881 ff.). Denn selbst bei Fortgeltung dieser Baugenehmigungen könnten sie - in ihrer Eigenschaft als vorhabenbezogene Verwaltungsakte - keinen (formellen) Bestandsschutz für die neue Nutzung als Automatenspielhalle begründen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - und in Abweichung seiner von der Klägerin zitierten früheren Auffassung - kann Bestandsschutz nicht mehr aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden, sondern findet grundsätzlich nur im Umfang und nach Maßgabe der einfach gesetzlichen (bauplanungs- wie bauordnungsrechtlichen) Vorschriften in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG statt. Außerhalb der einfachgesetzlichen Ausgestaltungsvorschriften gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz mehr (grundlegend BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, NVwZ 1999, 523 ff.; s. auch Urt. v. 12.03.1998 - 4 C 10.97 -, NVwZ 1998, 842 ff.). Greift - auf bauplanungsrechtlicher Ebene - § 29 BauGB tatbestandlich ein, so richtet sich die Zulässigkeit eines Vorhabens ausschließlich nach den §§ 30 bis 37 BauGB. Bestandsschutzgrundsätze haben daneben als Zulassungsmaßstab keinen Platz (BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 a.a.O.).
20 
Stellt sich demnach - wie hier - der Wechsel in der Nutzung eines Gewerbebetriebs als Nutzungsänderung nach § 29 Satz 1 BauGB dar, weil die Variationsbreite der bisherigen genehmigten Nutzung überschritten wird, endet auch der bisherige Bestandsschutz. (BVerwG, Beschl. v. 11.07.2001 - 4 B 36.01 -, BRS 64 Nr. 73). Ein Beendigungsgrund liegt insbesondere vor, wenn die neue Nutzung gegenüber der bisherigen - etwa unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 9 BauNVO - einer gesonderten Festsetzung durch einen Bebauungsplan unterworfen werden könnte (BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264 ff.). Dies ist hier der Fall. Denn der Bebauungsplan 11/42 hat neue - strengere - Regelungen auch für Spielhallen nach § 1 Abs. 9 BauNVO getroffen.
21 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.1.5 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die gesamte Spielfläche für der Bemessung des Streitwerts (600,-- EUR je qm) herangezogen. Denn die Klägerin ist erstmalige Betreiberin der beantragten Automatenspielhalle. Die Fläche der bisher genehmigten Vergnügungsstätten, einschließlich der Spielothek, und der daraus erzielte Gewinn waren daher nicht in Abzug zu bringen. Betreiberin und Nutznießerin dieser Betriebe war nicht die Klägerin sondern ein Dritter.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die vom Beklagten erlassene zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagungsverfügung vom 28. Juni 2011, mit der ihnen die derzeitige Haltung von 3 Eseln, 2 Schweinen und 2 Ziegen auf dem klägerischen Anwesen und die Nutzung von benachbarten Grundstücken als Weide für die genannten Tiere untersagt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2012 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Kläger.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich der Sache nach auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Die aufgrund eines Ortstermins getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die nähere Umgebung zum Grundstück der Kläger einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, sind nicht ernstlich zweifelhaft.

aa) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich „im oben genannten maßgeblichen Straßengeviert“ (N. Straße, G.-straße, B.-straße und B.-weg) abgesehen von einem weiteren Architekturbüro, einem Feuerwehrhaus und einem Schuhmachermeister ausschließlich Wohngebäude befinden. Soweit die Kläger vortragen, in der G.-straße befinde sich auch eine Theaterwerkstatt mit Tanzstudio, liegt dieses Gebäude außerhalb des Straßengevierts. Angesichts des mittig innerhalb des Straßengevierts liegenden Anwesens der Kläger hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, dass wohl nur die Bebauung innerhalb des Straßengevierts für das Grundstück der Kläger prägend sein kann. Auch hiergegen ist nichts zu erinnern. Selbst aber wenn man das westlich der G.-straße an der N. Straße (Haus-Nr. 14) anliegende Grundstück berücksichtigen würde, an dessen Gebäude eine Tafel mit der Aufschrift „Theaterlabor“ angebracht ist, so stellte das den Charakter der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet nicht infrage. Denn auch Anlagen für kulturelle Zwecke sind im allgemeinen Wohngebiet zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Unerheblich ist auch, dass das im Straßengeviert gelegene Feuerwehrhaus im allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zugelassen werden kann und eine Ausnahmegenehmigung nicht vorgelegt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO; vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2014 - 9 B 10.2528 - juris). Dass in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 BauNVO Vorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind, steht der Annahme eines allgemeinen „faktischen“ Wohngebiets noch nicht entgegen (BVerwG, B.v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 - juris). Ob für die Errichtung des Feuerwehrhauses ausdrücklich eine Ausnahme nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO erteilt wurde, kann dahinstehen, weil eine bauaufsichtlich zugelassene Nutzung Bestandsschutz genießt. Ohne Einfluss auf den Wohngebietscharakter der näheren Umgebung ist schließlich, dass außerhalb des Straßengevierts auf der Zufahrt zur FlNr. ... südlich der N. Straße weidende Kühe auf eine Breite von 5 m bis an die Straße herankommen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass das unbebaute Grundstück FlNr. ... in den Außenbereich übergeht, nicht mehr am Bebauungszusammenhang teilnimmt und in bodenrechtlicher Hinsicht für das Straßengeviert, in dessen Mitte sich das klägerische Grundstück befindet, nicht mehr prägend ist. Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Nichts anderes gilt für den Vortrag, weiter westlich direkt nach dem W. Weg würden ebenfalls Kühe weiden. Davon abgesehen wird die Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB durch die vorhandene Bebauung und ihre Nutzung geprägt, nicht aber durch außerhalb der umgebenden Bebauung vorhandene Flächen für weidende Kühe. Soweit eingewandt wird, die G.-straße steige nach Norden hin deutlich an, wurde dies vom Verwaltungsgericht berücksichtigt. Danach ändere auch eine Unterteilung des Straßengevierts wegen des Höhenversatzes zur G.-straße hin nichts an der Einstufung des Gebiets als allgemeines Wohngebiet, weil die angeführten Nutzungen (weiteres Architekturbüro, Feuerwehrhaus, Schuhmachermeister und Wohngebäude) allesamt im unteren Teil des Straßengevierts liegen würden. Auch dies ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die von den Klägern eingewandten Lärmwirkungen aus der umliegenden Landwirtschaft lassen den Gebietscharakter der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet unberührt. Ob die in der Baugenehmigung vom 25. Januar 1999 festgelegten Immissionswerte in Höhe der Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet ebenfalls für das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets sprechen, kann dahinstehen.

bb) Soweit die Kläger in ihrem außerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingegangenem Schriftsatz vom 29. Mai 2013 u. a. einwenden, das Verwaltungsgericht habe seine Feststellungen im Ortstermin nur nach den Äußerlichkeiten der jeweiligen Anwesen getroffen, alleine vom äußeren Augenschein könne nicht auf die tatsächliche Aufgabe der Landwirtschaft geschlossen werden, berufen sie sich auf eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO). Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 - 8 B 125/09 - juris Rn. 23 m. w. N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht, weil schon nicht hinreichend konkret dargelegt wird, hinsichtlich welcher ehemals landwirtschaftlich genutzter Gebäude in der näheren Umgebung weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären. Aus dem etwaigen Bestehen einer landwirtschaftlichen Betriebsnummer können jedenfalls keine Schlussfolgerungen auf den Fortbestand einer landwirtschaftlichen Hofstelle in der näheren Umgebung gezogen werden.

b) Der Vortrag, im Zeitpunkt der Genehmigung des Kleintierstalls am 25. Januar 1999 habe erst recht kein allgemeines Wohngebiet vorgelegen, weil zu diesem Zeitpunkt die Grundstücke nördlich und östlich des Klägergrundstücks noch unbebaut und südlich der N. Straße landwirtschaftlich genutzte Flächen vorhanden gewesen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Auch wenn die beiden Wohnhäuser auf den unmittelbar östlich und nördlich an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundstücken im Jahr 1999 noch nicht errichtet waren, ändert das angesichts der weit überwiegenden Wohnbebauung ebenso wenig den Wohngebietscharakter der näheren Umgebung wie die seinerzeit noch geringere Dichte der Bebauung. Aus „ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäuden“ im Bereich der N. Straße oder landwirtschaftlich genutzten Flächen südlich der N. Straße lässt sich nichts für die Annahme gewinnen, die nähere Umgebung habe im Jahr 1999 noch keinem allgemeinen Wohngebiet entsprochen.

c) Der Einwand, den Klägern sei mit Bescheid vom 25. Januar 1999 ein Kleintierstall mit einer Fläche von 23 m² bauaufsichtlich genehmigt worden, die Bebauung sei zu dieser Zeit vollkommen anders gewesen, lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufkommen.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich aus dem in der Bauvorlage im Bestand eingezeichneten Kleintierstall keine Rechte zu Art und Umfang der Tierhaltung über das durch § 14 BauNVO zulässige Maß hinaus ableiten lassen. Das ist nicht zu beanstanden. Es ist schon zweifelhaft, ob sich die Feststellungswirkung der erteilten Baugenehmigung auf eine im Bestand eingetragene Nutzung erstreckt. Unabhängig davon ergibt sich aber weder aus dem Bauantrag noch aus einer Betriebsbeschreibung, dass eine Tierhaltung mit den von den Klägern gehaltenen Arten und im ausgeübten Umfang genehmigt ist. Soweit die Kläger darlegen, dass unmittelbar an das Klägergrundstück erst im Jahr 2005 und 2010 gebaut worden sei, wird auf die vorstehenden Ausführungen in Nr. 1 Buchst. b) verwiesen.

d) Der Einwand, in der Genehmigung seien weder eine Tierart noch eine bestimmte Anzahl benannt, Tierart und Tieranzahl würden somit den Klägern überlassen bleiben, geht fehl.

Mangels Angaben in den Bauvorlagen zum Umfang der beabsichtigten Tierhaltung im Kleintierstall bemisst sich deren Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Insoweit führt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass die Kleintierhaltung nur Tiere erfasst, deren Haltung in Baugebieten typischerweise üblich und ungefährlich ist und, soweit es um Wohngebiete geht, typischerweise einer im Rahmen der Wohnnutzung liegenden Freizeitbetätigung dient (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1984 - 4 B 20/84 - NVwZ 1984, 647). Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die von den Klägern ausgeübte Haltung von Eseln, Schweinen und Ziegen in einem Stallgebäude und auf Weideflächen nach Art und Anzahl der Tiere einem allgemeinen Wohngebiet widerspricht und dass diese Tierhaltung das in diesem Gebiet nach der Verkehrsanschauung Übliche überschreitet, weil das Anwesen der Kläger inmitten des faktischen Wohngebiets und nicht etwa am äußersten Rand des Baugebiets im Übergang zum Außenbereich liegt. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn eingestellt wird, dass zwei Wohngebäude nördlich und östlich des Klägergrundstücks erst in den Jahren 2005 und 2010 errichtet wurden. Die von den Klägern konkret ausgeübte Tierhaltung in einem Stallgebäude und auf Weideflächen hält sich nicht im Rahmen des für eine Wohnnutzung Üblichen. Sowohl Esel als auch Ziegen und Schweine sind unabhängig von ihrer Einstufung als Groß- oder Kleintiere typischerweise nicht in einem Wohngebiet zu erwarten; ihre Haltung liegt nicht im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung. Auch ändert sich die Lage des klägerischen Anwesens inmitten des faktischen Wohngebiets nicht dadurch, dass zwei Wohngebäude im Jahr 1999 noch nicht errichtet waren. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob Ziegen oder Schweine als Kleintiere i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO anzusehen sind. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass die von den Klägern aufgenommene Tierhaltung eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt, für die es an einer Genehmigung fehlt. Das ist nicht ernstlich zweifelhaft.

e) Auch der Umstand, dass der Kläger seit dem 22. November 2012 einen landwirtschaftlichen Betrieb aufgenommen hat, der aus dem streitgegenständlichen Anwesen und einem weitaus größeren Anwesen an anderer Stelle besteht, lässt keine andere rechtliche Bewertung zu. Denn die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung im gegenständlichen Anwesen ist im vorliegenden allgemeinen Wohngebiet nicht zulassungsfähig.

Ebenso wenig lässt sich aus dem Betrieb des Bio-Ladens der Kläger oder ihrer Tätigkeit im Bereich der Tierkinesiologie ableiten, eine Tierhaltung in dem von den Klägern betriebenen Umfang sei gleichsam mitgenehmigt.

f) Auch die weiteren Darlegungen der Kläger zum Vorliegen eines Bestandsschutzes führen nicht zur Zulassung der Berufung.

Angesichts des geringen Umfangs der Tierhaltung der Kläger (nach dem Formblatt „Allgemeine Viehzählung“ vom 3. Dezember 1992 3 Schafe und 8 Hühner) bestehen keine ernstlichen Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass sich die Kläger auf keinen aus der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung folgenden Bestandsschutz für ihre Tierhaltung berufen können. Insbesondere ist auszuschließen, dass sich aus der (erst) in der Bauvorlage zur Baugenehmigung vom 25. Januar 1999 im Bestand eingetragenen Bezeichnung „Kleintierstall“ ergeben könnte, dieser dürfe nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden. Unabhängig davon ist nicht zu ersehen, dass die von den Klägern gehaltenen Tiere zu irgendeinem Zeitpunkt anderen als Freizeitzwecken oder einem über die eigene Versorgung hinausgehenden landwirtschaftlichen Zweck gedient hätten.

g) Mit dem Vortrag, bei der Tierzählung am 3. Dezember 1992 habe der Kläger bereits die Haltung von 3 Schafen angegeben, der Beklagte habe diese Haltung geduldet und mit Bescheid vom 25. Januar 1999 auch noch einen Kleintierstall genehmigt, werden keine ernstlichen Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufgezeigt.

Amtliche Viehzählungen erfolgen auf Grundlage des Gesetzes über Agrarstatistiken (AgrStatG) bzw. des früheren Viehzählungsgesetzes. Die amtliche Viehzählung dient der Erfassung der Viehbestände für die Agrarstatistik und nicht der bauaufsichtlichen Kontrolle; sie wurde vom Veterinäramt durchgeführt und nicht von der Bauaufsichtsbehörde. Dementsprechend kann auch nicht davon ausgegangen werden, die für bauaufsichtliche Maßnahmen zuständige Bauaufsichtsbehörde habe eine Nutztierhaltung geduldet. Davon abgesehen unterliegt die Befugnis zum Erlass bauaufsichtlicher Maßnahmen nicht der Verwirkung, weil sie kein subjektives Recht ist, auf das verzichtet werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.1969 - 133 II 66 - BayVBl 1970, 103). Auch hindert die schlichte Duldung den Erlass einer Nutzungsuntersagung ohne Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2012 - 14 CS 12.242 - juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 6.12.2011 - 15 CS 11.2402 - juris Rn. 12; jeweils m. w. N.). Als Vorschrift zur Art der baulichen Nutzung gewährt § 14 BauNVO dem Nachbarn zudem unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen ein Abwehrrecht in Gestalt eines Gebietserhaltungsanspruchs (BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 4 C 12/03 - juris Rn. 28). Insoweit wäre es unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Bauaufsichtsbehörde trotz längerer Duldung eines baurechtswidrigen Zustands aus Anlass von Nachbarbeschwerden gegen eine nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung bauaufsichtlich einschreitet.

h) Dass Lärmwirkungen auch von der östlich verlaufenden Eisenbahnstrecke und von umliegenden Bauernhöfen verursacht werden, verhilft dem Zulassungsantrag der Kläger nicht zum Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass es auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen durch die Kläger nicht ankommt, weil die von den Klägern ausgeübte Tierhaltung bereits den Rahmen des für eine Wohnnutzung Üblichen übersteigt. Das ist, wie bereits ausgeführt wurde, nicht ernstlich zweifelhaft.

2. Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO

Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Die Wertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 5. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine baugebietswidrige Wohnnutzung.

2

Sie sind Eigentümer der in der Gemarkung R… gelegenen Grundstücke Flurstück Nrn. …, … und …, auf denen sie eine Spedition betreiben. Im Nordwesten grenzt an diese Parzellen das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen an (Flurstück Nr. …). Der am 1. August 1991 in Kraft getretene Bebauungsplan „In der Langenbach“ setzt für diese Flurstücke ein Gewerbegebiet fest. Im Süden des Speditionsgeländes schließt sich ein ebenfalls mit Wohnhäusern bebautes Mischgebiet an.

3

Das Wohnhaus der Beigeladenen wurde 1913 errichtet. 1986 wurde das Hausgrundstück vom Land Rheinland-Pfalz - Straßenverwaltung - angekauft, da es zu einem großen Teil für den Straßenbau benötigt wurde. Von Anfang 1988 bis Mitte 1991 nutzte die Straßenverwaltung das Gebäude als Büro. Nach Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme verkaufte das Land Rheinland-Pfalz das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom Dezember 1992 zum Preis von 90.000,00 DM an die Kläger, die das Gebäude seither zu Wohnzwecken nutzen.

4

Im Jahr 1995 erteilte der Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon.

5

Seit etwa 1999 beanstandete die Bauaufsichtsbehörde den Umfang des Lkw-Betriebes auf dem Speditionsgrundstück. Ein schalltechnisches Gutachten vom April 2001 ergab, dass bei 6 Lkw-Abfahrten von dem Grundstück in der lautesten Nachtstunde am Wohngebäude der Beigeladenen der Immissionsrichtwert für Gewerbegebiete (50 dB(A)) nicht eingehalten werden könne. Am 25. Juli 2003 verfügte der Beklagte ein Nachtfahrverbot für LKW. Schließlich wurde den Klägern am 13. Februar 2007 eine Baugenehmigung u.a. für einen Abstellplatz mit der Maßgabe erteilt, dass in der lautesten Nachtstunde maximal 3 Pkw-Parkvorgänge und 3 Lkw-Abfahrten zulässig seien.

6

Hinsichtlich der Wohnnutzung des Gebäudes der Beigeladenen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2004 fest, dass diese Wohnnutzung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegen baurechtliche Bestimmungen verstoße und ein Bestandsschutz aus einer früher zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzung nicht mehr bestehe. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Kreisverwaltung aber bereit sei, aufgrund der besonderen Umstände des Falles von einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die rechtswidrige Wohnnutzung abzusehen, allerdings nur dann, wenn keine strengeren Lärmschutzanforderungen als die für ein Betriebswohngebäude im Gewerbegebiet gestellt würden. Diese Duldungsentscheidung stelle eine sachgerechte Interessenabwägung dar und verschaffe den Beigeladenen eine „gewisse verfestigte Rechtsposition“. Die von den Beigeladenen gegen die Feststellung der Baurechtswidrigkeit ihrer Wohnnutzung erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG -). Im Rahmen einer Petition der Beigeladenen, mit der sie die Erstreckung der Duldung auch auf ihre Kinder erreichen wollten, teilte der Landrat des Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2008 mit, dass die Beigeladenen auch künftig mit einem Einschreiten nicht rechnen müssten, sofern nicht besondere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art ein Einschreiten erforderten. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Fall der Übernahme des Gebäudes durch die Kinder der Beigeladenen gelten.

7

Mit Schreiben vom 21. November 2008 bat der damalige Bevollmächtigte der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen rechtskräftig festgestellte Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung um Aufklärung, in welcher Weise die Bauverwaltung einzuschreiten gedenke. In seiner Antwort teilte der Beklagte mit, dass den Interessen des Speditionsunternehmens durch die „Gleichstellung“ des Hauses mit einem Betriebswohngebäude hinreichend Rechnung getragen worden sei. Nachdem eine erneute Bitte um bauaufsichtliches Einschreiten im September 2009 erfolglos geblieben war, beantragten die Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 förmlich, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Zumindest müsse die im Bescheid vom 6. Februar 2004 ausgesprochene Duldung eingeschränkt werden.

8

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 ab und führte zur Begründung aus: Der im Falle der Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruchs grundsätzlich bestehende Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide hier wegen besonderer Umstände des Falles aus. Zunächst sei der Nachbaranspruch verwirkt. Darüber hinaus stünden einem Einschreiten auch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten der Beigeladenen entgegen. Ihnen sei nicht erkennbar gewesen, dass sie 1992 ein illegales Wohngebäude erwarben. Hinzu komme, dass ihnen 1995 die Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon bauaufsichtlich genehmigt worden sei, woraufhin die Beigeladenen nicht unerhebliche Investitionen getätigt hätten. Mit der „Gleichstellung“ des Wohngebäudes der Beigeladenen mit einer Betriebswohnung sei den Interessen des Speditionsbetriebs hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen behalte sich die Kreisverwaltung ein Einschreiten vor, sofern dies wegen besonderer Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art im öffentlichen Interesse erforderlich werde. Demzufolge werde auch der Hilfsantrag auf Einschränkung der Duldung abgelehnt. Ob das Ableben der Beigeladenen oder andere Umstände ein Einschreiten erfordere, werde zu gegebener Zeit im Einzelfall zu entscheiden sein.

9

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 zurückgewiesen. Zuvor hatten die Beigeladenen ausgeführt, dass die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen des im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschlusses erfolglos geblieben sei.

10

Die Kläger haben zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage vorgetragen: Die Verweigerung des bauaufsichtlichen Einschreitens sei ermessensfehlerhaft. Die Nachbarschaft zu den Beigeladenen gestalte sich denkbar ungünstig. Es komme immer wieder zu neuen Anzeigen beim Gewerbeaufsichtsamt und anderen Ämtern. Dadurch würden die Abläufe in ihrem Speditionsbetrieb empfindlich gestört. Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei auch nicht verwirkt. Zweifelsfrei Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hätten sie erst nach Abschluss des auf den Bescheid vom 6. Februar 2004 bezogenen Verfahrens der Beigeladenen gehabt. Sollte doch von einer Duldung auszugehen sein, müsse diese jedoch jedenfalls beschränkt werden.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe ein Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nicht zu. Zwar sei die von den Beigeladenen ausgeübte Wohnnutzung formell und materiell baurechtswidrig. Jedoch liege ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger nicht vor. Mit der in der Duldungsverfügung vom 6. Februar 2004 enthaltenen Gleichstellung des Gebäudes der Beigeladenen mit einem im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Betriebswohngebäude sei dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters Genüge getan. Eine negative Vorbildwirkung durch die geduldete Wohnnutzung sei nicht zu befürchten, da sich in dem festgesetzten Gewerbegebiet neben dem Grundstück der Beigeladenen lediglich noch die Grundstücke der Kläger befänden. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hilfsantrag abzuweisen. Ein Bedürfnis für eine Konkretisierung oder Einschränkung der Duldung vom 6. Februar 2004 bestehe derzeit nicht.

12

Die Kläger haben zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt: Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei nicht verwirkt. Sie hätten rechtzeitig nach rechtskräftiger Feststellung der Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung der Beigeladenen ein bauaufsichtliches Einschreiten beantragt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihr Gebietsbewahrungsanspruch sehr wohl verletzt. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO lasse lediglich Betriebswohnungen ausnahmsweise zu. Eine Baugenehmigung für eine reine Wohnnutzung - wie hier - sei deshalb rechtswidrig. Dann sei aber eine dahingehende Duldungsentscheidung ebenfalls rechtswidrig. Es gehe nicht an, dass sich die Behörde durch ihr eigenes Verhalten an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hindere.

13

Die Kläger beantragen,

14

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. Dezember 2011 den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Unterlassung der Nutzung des Grundstücks P… Straße in R… zu Wohnzwecken unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Nach seiner Auffassung ist die Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 gegenüber den Klägern bestandskräftig geworden. Im Übrigen sei die Behörde durchaus bauaufsichtlich eingeschritten, indem sie nämlich das Wohnhaus der Beigeladenen einer Betriebswohnung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gleichgestellt habe. Die darüber hinaus ausgesprochene Duldung stelle gerade unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zugunsten der Beigeladenen eine rechtmäßige Ermessensentscheidung dar.

18

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie tragen ergänzend vor: Dem Anspruch auf Einschreiten stehe bereits die Bestandskraft des Duldungsbescheids vom 6. Februar 2004 entgegen. Die Kläger hätten nach Kenntnis hiervon länger als ein Jahr nichts dagegen unternommen. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Einschreiten auch infolge der Untätigkeit der Kläger gegenüber der bereits seit 1992 ausgeübten Wohnnutzung verwirkt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung hat keinen Erfolg.

23

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihren Antrag, gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Denn die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt.

24

Rechtsgrundlage für das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten ist § 81 Satz 1 LBauO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen. Dieser Ermächtigung zum bauaufsichtlichen Einschreiten korrespondiert ein subjektiver Anspruch eines Nachbarn auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sofern die verletzte Vorschrift nachbarschützend ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -).

25

1. Die Wohnnutzung der Beigeladenen ist sowohl formell baurechtswidrig, weil sich die ursprünglich im Jahr 1913 genehmigte Wohnnutzung des Hauses infolge der Umnutzung zum Baubüro erledigt hat, als auch materiell baurechtswidrig, weil sie nicht genehmigungsfähig ist. In einem Gewerbegebiet sind Wohngebäude grundsätzlich nicht zulässig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO können lediglich Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber untergeordnet sind, ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen für die reine Wohnnutzung der Beigeladenen nicht vor. All dies steht zwischen den Beteiligten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und den Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG - rechtskräftig fest.

26

Die Kläger können sich auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung durch die Beigeladenen berufen. Denn die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne hat für die Nachbarn im Plangebiet kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, LS 2). Soweit das Verwaltungsgericht zwischen objektiver Rechtswidrigkeit der Grundstücksnutzung und dem Umfang des Gebietsbewahrungsanspruchs des Nachbarn differenziert, gilt es klarzustellen, dass der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des Nachbarn in vollem Umfang den objektiv-rechtlichen Anforderungen an die Gebietsverträglichkeit entspricht. So hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Nachbar auch dann einen Anspruch auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O., S. 161 und juris, Rn. 23). Dass die baugebietswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen aufgrund der getroffenen Duldungsentscheidung zu keinen strengeren Lärmschutzvorkehrungen als den in einem Gewerbegebiet erforderlichen zwingt, ist deshalb für die Frage des Verstoßes gegen den Gebietsbewahrungsanspruch unerheblich.

27

2. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung in § 81 Satz 1 LBauO haben die Kläger keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die im Haus der Beigeladenen stattfindende Wohnnutzung, weil der Beklagte dies zum jetzigen Zeitpunkt fehlerfrei abgelehnt hat.

28

a) Es kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, ob dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch der Einwand der Verwirkung oder die Unanfechtbarkeit der Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 entgegengehalten werden kann. In beiden Fällen neigt der Senat allerdings dazu, dies zu verneinen.

29

Dass die Kläger seit Aufnahme der Wohnnutzung durch die Beigeladenen im Jahr 1992 lange Zeit untätig geblieben sind, dürfte deshalb keine Verwirkung ihrer nachbarlichen Ansprüche auf bauaufsichtliches Einschreiten begründen, weil in den 1990er Jahren keiner der Beteiligten erkannt hatte, dass die 1913 erteilte Baugenehmigung zur Wohnnutzung infolge der Umnutzung des Hauses durch die Straßenverwaltung unwirksam geworden war (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22).

30

Hinsichtlich des Bescheids vom 6. Februar 2004 dürfte zwar von einem Duldungsverwaltungsakt auszugehen sein. Hierfür sprechen die Formulierungen „Duldungsentscheidung“ und „Verschaffen einer verfestigten Rechtsposition“. Indes dürfte diese Duldungsentscheidung gegenüber den Klägern nicht unanfechtbar geworden sein. Eine unmittelbare Anwendung der Anfechtungsfristen nach §§ 57, 58 und 70 VwGO scheidet mangels förmlicher Bekanntgabe des Verwaltungsakts den Klägern gegenüber aus. Das Berufen auf die fehlende Bekanntgabe der Duldungsentscheidung dürfte ihnen auch nicht nach Treu und Glauben versagt werden können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von den Beigeladenen zitierten Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, ausgeführt, dass einem Nachbar dann, wenn er sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erlangt hat oder hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein könne, dass die Baugenehmigung ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (vgl. BVerwGE 44, 294, Leitsatz 2). Die danach erforderliche Treuwidrigkeit dürfte den Klägern hier allerdings nicht vorgehalten werden können. So haben sie in dem mit dem Beklagten geführten Rechtsstreit um das Nachtfahrverbot vom 25. Juli 2003 bereits im Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2004 die in dem „Feststellungsbescheid“ (vom 6. Februar 2004) erklärte Duldung der Wohnnutzung der Beigeladenen als „evident rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft“ kritisiert. Dass sie darüber hinaus keine weiteren Schritte eingeleitet, sondern zunächst den Rechtsstreit zwischen den Beigeladenen und dem Beklagten über die Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung abgewartet haben, erscheint legitim. Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Rechtsstreits sind die Kläger dann alsbald aktiv geworden und haben um bauaufsichtliches Einschreiten nachgesucht.

31

b) Der Beklagte hat den Antrag der Kläger, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten, im Bescheid vom 10. Februar 2011 jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt.

32

Zwar kann ein Nachbar nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften grundsätzlich ein bauaufsichtliches Einschreiten zum Zwecke der Beseitigung des Rechtsverstoßes beanspruchen. Eine solche Ermessensreduzierung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So ist anerkannt, dass sie dann nicht eintritt, wenn eine Befreiung oder eine Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 22. Oktober 1987 - 1 A 108/85 - und 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -, jew. m.w.N.). Der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist ferner eingeschränkt, soweit der Einschreitenspflicht der Behörde ihrerseits rechtliche Schranken entgegenstehen. Denn der subjektive Anspruch des Nachbarn kann nicht weitergehen als die objektive Pflicht der Bauaufsichtsbehörde.

33

Der Beklagte sieht sich derzeit zu Recht aus Gründen des Vertrauensschutzes an dem Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber den Beigeladenen gehindert.

34

(1) Zwar können polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht verwirkt werden. Denn im Unterschied zu subjektiven privaten Rechten sind sie nicht verzichtbar, müssen vielmehr im öffentlichen Interesse zur Gewährleistung rechtmäßiger Zustände aufrechterhalten bleiben (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. April 2008 - 10 S 1388/06 -, NVwZ-RR 2008, 696; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 53 Rn. 44). Von dem Tatbestand der Verwirkung ist jedoch der Umstand zu unterscheiden, dass sich das Gebrauchmachen von einer Eingriffsermächtigung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen kann, wenn sich eine Behörde damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt und schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen verletzt. So ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts anerkannt, dass eine Bauaufsichtsbehörde dann am ermessensfehlerfreien Erlass einer Beseitigungsverfügung gehindert sein kann, wenn sie durch ihr vorangegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand beim Bauherrn geschaffen und dieser im Vertrauen darauf nicht unerhebliche und nur schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat (sog. „aktive Duldung“, vgl. OVG RP, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 1 A 68/77 -, AS 15, 324 [326]; Urteil vom 22. November 2011 - 8 A 11101/11.OVG -, DVBl. 2012, 250; ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2008 -7 A 103/08-, NVwZ-RR 2009, 364 und juris, Rn. 48 f; Decker, in: Simon/Busse, BayBauO, 107. Ergänzungslieferung 2012, Art. 76, Rn. 227 m.w.N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 53, Rn. 27).

35

Die Begrenzung der Einschreitenspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes schränkt die Durchsetzung des objektiven Rechts und der damit korrespondierenden subjektiven Nachbaransprüche zwangsläufig ein. Diese Zurücknahme der Rechtsdurchsetzung ist aber durch die gegenläufigen, ihrerseits ebenfalls rechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt (vgl. zu dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot des Vertrauensschutzes bei Erlass baurechtlicher Beseitigungsverfügungen: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 -1 BvR 1860/02-, NVwZ 2005, 203 [Pirmasenser Amnestie]). Die widerstreitenden Positionen müssen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Hierzu dient das den Bauaufsichtsbehörden eingeräumte Ermessen. Dabei wird dem Gebot zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände von vornherein dadurch in besonderem Maße Ausdruck verliehen, dass die Hinnahme rechtswidriger Zustände aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für einen vorübergehenden Zeitraum erlaubt sein kann. Keinesfalls darf die auf schutzwürdiges Vertrauen gestützte Duldung in ihrer Wirkung derjenigen einer Baugenehmigung gleichkommen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 29. März 1993 - 4 UE 470/90 -, BauR 1994, 229 und juris, Rn. 13; Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 6. Aufl. 2010, S. 186 m.w.N.).

36

(2) Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Beklagten, aktuell nicht gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen in ihrem Haus P… Str. einzuschreiten, rechtlich nicht zu beanstanden.

37

Der Beklagte hat zu Recht erkannt, dass durch die Baugenehmigung zur Errichtung der Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon im Jahr 1995 ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war. Die Beigeladenen mussten diese Baugenehmigung so verstehen, dass die Berechtigung zur Wohnnutzung in dem von ihnen erworbenen Haus nicht in Frage gestellt wird. Die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweisende Genehmigung ist auch von den Klägern nicht beanstandet worden; gestritten wurde im Rahmen der Bauausführung lediglich um einen geringfügigen Terrassenüberbau. Da die Beigeladenen im Vertrauen auf die Berechtigung ihrer Wohnnutzung auch nicht unerhebliche Investitionen getätigt haben, würde die Bauaufsichtsbehörde gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen, wenn sie hierauf im Rahmen der Entscheidung über die Durchsetzung des Gebietsbewahrungsanspruchs nicht Rücksicht nähme.

38

Andererseits hat der Beklagte bei seinen, dem Bescheid vom 11. Februar 2011 zugrunde liegenden Ermessenserwägungen auch die schutzwürdigen Interessen der Kläger gewürdigt und ihnen in gebotenem Maße Rechnung getragen. Wie vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt, hat die Behörde nämlich die Duldung des baurechtswidrigen Zustands an die Bedingung geknüpft, dass die Beigeladenen keine strengeren Lärmschutzanforderungen geltend machen, als dies für eine Betriebswohnung in einem Gewerbebetrieb beansprucht werden könnte. Dies bedeutet, dass sich die Beigeladenen mit den in einem Gewerbegebiet zwangsläufig entstehenden und als gebietsverträglich zu bewertenden Geräuscheinwirkungen, einschließlich auftretender Geräuschspitzen, abzufinden haben. Sofern sie darüber hinaus Schutzvorkehrungen auch unterhalb des in einem Gewerbegebiet üblichen Niveaus beanspruchen und gegenüber dem Beklagten geltend machen, stellen sie damit die ihnen lediglich unter der vorgenannten Bedingung gewährte Duldung in Frage. Ferner hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 10. Februar 2011 den Interessen der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass er sich die Möglichkeit des Einschreitens in der Zukunft ausdrücklich vorbehalten und dabei durchaus offengelassen hat, ob nicht der – von den Klägern angesprochene – Zeitpunkt des Ablebens der Beigeladenen und damit die Beendigung der derzeit praktizierten baurechtswidrigen Nutzung des Hauses einen Anlass für ein Einschreiten darstellt. Soweit darin eine Einschränkung gegenüber der großzügigeren, nämlich eine Anschlussnutzung durch die Kinder der Beigeladenen einschließende Duldungsregelung im Schreiben des Landrats vom 15. September 2008 zu sehen ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn § 50 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG stellt Aufhebungen bzw. Einschränkungen von Verwaltungsakten anlässlich oder gelegentlich eines Rechtsbehelfsverfahrens - wie hier - von Vertrauensschutzerwägungen nach §§ 48 oder 49 VwVfG frei (vgl. Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 50 Rn. 2).

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2012 - 5 K 588/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, einen von ihm errichteten Anbau an ein Wohngebäude abzubrechen.
Der Kläger erwarb im Jahr 2007 das Grundstück Flst.-Nr. ... im Gewann W..., Gemarkung B., U... 13. Zum Zeitpunkt seines Erwerbs war das Grundstück mit einem im Jahr 1985 genehmigten Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m² bebaut. Das Grundstück befindet sich im Bereich des Wochenendhausgebiets „Wanne“. Für dieses Gebiet beschloss der Gemeinderat der Gemeinde B. am 21.3.1961 unter Aufhebung bisher geltender Bestimmungen den Erlass einer „Ortsbausatzung über die Errichtung von Wochenendhäusern auf den Markungen des Gemeindebezirks B.“ (OBS). Nach § 2 OBS sind Wochenendhäuser nur für den vorübergehenden Aufenthalt, insbesondere über das Wochenende oder in Ferienzeiten, bestimmt. Nach § 4 OBS darf die Grundfläche der Wochenendhäuser 35 m² nicht überschreiten.
Schon im Jahr 1994 kam es zu Beschwerden einzelner Grundstückseigentümer gegenüber dem Landratsamt Heilbronn, wonach andere Eigentümer sich über die Regelungen der Ortsbausatzung hinwegsetzten, ihre Wochenendhäuser „schwarz“ erweiterten und zum dauerhaften Wohnen nutzten. Nach einem vom damaligen Dezernenten gebilligten Aktenvermerk vom 9.6.1996 wurde jedoch von einem Einschreiten abgesehen, da es sich um Erweiterungsbauten meist älterer Leute handele und daher mit künftigen Erweiterungen nicht mehr zu rechnen sei. Im Jahr 2007 waren so im Gebiet „Wanne“ eine erhebliche Anzahl von Gebäuden mit einer Grundfläche von mehr als 35 m2 vorhanden sowie eine erhebliche Anzahl von Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt wurden. Die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks schrieben im März 2007 die Stadtverwaltung B.s mit Fragen zur zulässigen Bebauung an und forderten sie zum Einschreiten gegen „illegal erstellte Anbauten“ auf. Dieses Schreiben leitete die Stadtverwaltung mangels Baurechtszuständigkeit an das Landratsamt weiter. Dem Landratsamt kamen in diesem Zusammenhang Zweifel an der Gültigkeit der Ortsbausatzung. In einem von Sachgebietsleiter am 13.4.2007 unterschriebenen Vermerk wurde deswegen vorgeschlagen:
„Weiteres Vorgehen:
1. Erhebung des rechtlichen Status…
2. Zielbesprechung. Bisherigen Baulichkeiten sollen geduldet werden, neue Bauten unter best. festzulegenden Bedingungen genutzt und ggf. neu gebaut werden dürfen. Gemeinde muss hier mit ins Boot genommen werden… Bebauungsplan durch Gemeinde als Ziel“.
Der Bürgermeister der Stadt B. erklärte jedoch im Juni 2007 gegenüber dem Landratsamt, die Aufstellung eine Bebauungsplans sei nicht beabsichtigt. Daraufhin ordnete das Baurechtsamt eine Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße an. Das Vermessungsamt ermittelte danach die Grundflächen der vorhandenen Gebäude und fertigte zwei entsprechende Karten, die das Datum 16.1.2008 tragen Auf dem Grundstück des Klägers ist in den Karten neben einer Garage ein Hauptgebäude mit einer Grundfläche von rund 38 m2 verzeichnet.
Der Sachgebietsleiter der Baurechtsbehörde entschied am 28.3.2008, die Karten dem Bürgermeister zuzuleiten mit der nochmaligen Anregung, einen Bebauungsplan aufzustellen. Falls die Stadt dem nicht nachkomme, würden Bauvorhaben, deren Zustand auf den Karten dokumentiert sei, genehmigt oder zumindest geduldet. Neufälle, die die in den Karten verzeichneten Maße der baulichen Anlagen überschritten, müssten dagegen zurückgebaut werden. Der Bürgermeister antwortete darauf am 17.4.2008, dass für den Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Legalisierung bisheriger Verstöße „auf gar keinen Fall in Betracht“ komme. Man wünsche sogar, Altfälle aufzugreifen.
Bereits Mitte Dezember 2007 hatte das Landratsamt einen Hinweis auf einen Schwarzbau im Bereich des Unteren Wannenwegs erhalten. Daraufhin stellte ein Baukontrolleur am 31.1.2008 auf dem klägerischen Grundstück einen Erweiterungsbau fest, durch den sich die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes auf rund 92 m² erhöht. Mit Verfügung vom 4.2.2008 ordnete das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an und forderte den Kläger auf, Planunterlagen einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über einen erneuten Ortstermin am 27.3.2008 wurde „der Anbau zwischenzeitlich fertig gestellt. Der Innenausbau war bis auf Streicharbeiten (gerade in Garage) abgeschlossen. Daher hat sich Herr H. nicht an den Baustopp gehalten“.
Mit Schreiben vom 28.3.2008 wurde der Kläger zum Erlass einer Abbruchs- und Rückbauanordnung angehört. Mit Schriftsatz vom 2.6.2008 legte er Planunterlagen über den Umfang der Baumaßnahmen vor und führte aus, die Bestimmungen der Ortsbausatzung seien durch die tatsächliche Handhabung und Entwicklung in den letzten Jahren wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Nun ausgerechnet gegen ihn einzuschreiten, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig.
10 
Mit Verfügung vom 4.9.2008 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger an, den errichteten Anbau abzubrechen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anbau sei formell und materiell baurechtswidrig. Er sei ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtet worden und könne als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB nicht zugelassen werden, da er Bestimmungen der wirksamen Ortsbausatzung verletze und damit öffentliche Belange beeinträchtige. Das Anordnungsermessen sei dahingehend auszuüben, die Beseitigung des Anbaus zu verlangen. Denn das Interesse des Klägers an der Erhaltung einer durch eigenmächtiges Handeln erlangten Position sei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtsgemäßer Zustände nachgeordnet. Ein weniger belastendes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Die Anordnung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
11 
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 7.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Überbauung seines Grundstücks richte sich nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. Maßgeblich hierfür sei die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung. In diese füge sich sein Bauvorhaben ein.
12 
Mit Bescheid vom 18.1.2011 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der errichtete Anbau sei materiell rechtswidrig, da er gegen § 4 OBS verstoße, der als Bestimmung eines einfachen Bebauungsplans fortgelte. Dieser einfache Bebauungsplan sei auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Denn das von ihm umfasste Wochenendhausgebiet bestehe aus 101 Grundstücken. Im März 2010 seien auf 33 Grundstücken Wohnsitze gemeldet gewesen und auf 29 Grundstücken sei die Gebäudegrundfläche von 35 m² überschritten worden. Der ganz überwiegende Teil der Grundstücke werde daher nicht entgegen den Regelungen der Ortsbausatzung genutzt. Die Abbruchsanordnung sei auch ermessensfehlerfrei. Zwar sei sie für den Kläger mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, doch habe er aufgrund seiner Vorgehensweise das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Die Abbruchsanordnung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser hindere die Baurechtsbehörde bei Schwarzbauten nicht, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen, denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gehandelt. Ferner verstoße die Abbruchsanordnung auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Landratsamt habe sich dazu entschieden, alle Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 35 m², die in einer vom Vermessungsamt gefertigten Karte eingezeichnet seien, nicht mehr aufzugreifen. Dagegen werde gegen alle Gebäude bzw. Gebäudeteile, die in der Karte eine zulässige Gebäudegrundfläche aufwiesen und später vergrößert würden, vorgegangen.
13 
Der Kläger hat am 18.2.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Mit Urteil vom 9.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage nach Einnahme eines Augenscheins abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Abbruchsanordnung sei nicht zu beanstanden. Denn für den Anbau fehle es an einer Baugenehmigung, er verstoße gegen materielles Recht und auf andere Weise als durch den Erlass der Abbruchsanordnung könnten rechtmäßige Zustände nicht hergestellt werden. Die materielle Rechtswidrigkeit lasse sich allerdings nicht auf einen Verstoß gegen die Ortsbausatzung der Gemeinde B. stützen, das die Satzung mangels Bekanntmachung nicht wirksam zustande gekommen sei. Damit richte sich die Zulässigkeit des Anbaus nach § 35 BauGB. Denn das Vorhaben des Klägers liege nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, da sich die in seiner Umgebung vorhandene Bebauung nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstelle. Als im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben könne der Anbau des Klägers somit nur zugelassen werden, wenn er keine öffentlichen Belange beeinträchtige. Er lasse jedoch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Zudem fehle es an einer ausreichenden Erschließung jedenfalls in abwasserrechtlicher Hinsicht. Das somit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Abbruchsanordnung sei fehlerfrei ausgeübt worden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebiete es nicht, rechtswidrige Zustände stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Die Baurechtsbehörde müsse sich für ihr Vorgehen nur bestimmte Regeln setzen und diese auch befolgen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz werde nur dann begründet, wenn sie zeitgleich oder später errichtete vergleichbare Vorhaben ungleich behandele. Nach diesen Maßgaben habe das Landratsamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn es sei gegen den klägerischen Anbau noch in dessen Errichtungsphase eingeschritten. Weiter sei glaubhaft, dass seither gegen jeden weiteren bekannt gewordenen Fall eines Ausbaus der Häuser im Gewann Wanne eingeschritten werde.
14 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 11.9.2013 die Berufung zugelassen.
15 
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung geltend, die angefochtene Abbruchsanordnung und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung fehlten und überdies das Anordnungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Anordnungstatbestand sei nicht erfüllt, da das vergrößerte Wohnhaus planungsrechtlich zulässig sei. Die Ortsbausatzung der Gemeinde B. über die Bebauung des Wochenendhausgebiets sei nicht wirksam zustande gekommen und damit für die Zulässigkeit des Anbaus ohne Bedeutung. Das Baugrundstück liege in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht verneint, dass der Bebauungskomplex im Bereich Wanne Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Denn dieser Komplex, insbesondere auch entlang des U... Wegs, bestehe aus Wochenendhäusern und massiven Wohnhäusern, häufig mit Grundflächen zwischen 76 m2 bis zu 112 m2. Ob dieser Bebauungskomplex als städtebauliche Einheit in Erscheinung trete oder stark durchgrünt sei, sei für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso unerheblich wie seine Entstehungsgeschichte. In die solchermaßen gebildete Umgebungsbebauung füge sich sein Wohngebäude mit Anbau ein. Das gelte auch für das Maß der baulichen Nutzung. Denn die Grundfläche des entstandenen Gesamtgebäudes mit rund 92 m2 füge sich in die Bandbreite der in der Umgebung vorhandenen Grundflächen von Wohnhäusern ein. Nicht anderes gelte für die Zahl der Vollgeschosse, weil das neu entstandene Gebäude nur eines aufweise und seine Firsthöhe mit 4,3 m auf der Südseite dem durch die Umgebung geprägten Rahmen entspreche. Selbst wenn man zur Auffassung komme, der Anbau sei doch rechtswidrig, sei jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Denn dem Konzept des Landratsamts für ein bauaufsichtliches Einschreiten liege zugrunde, nur gegen bauliche Anlagen einzuschreiten, die nach dem 16.1.2008, dem Tag der Erstellung der beiden Karten des Vermessungsamts, errichtet worden seien. Zu diesem Stichtag sei sein Anbau aber längst vollständig fertig gestellt gewesen. Dagegen sei das Landratsamt gegen andere bauliche Anlagen, die nach dem 16.1.2008 errichtet worden seien, bislang nicht eingeschritten. In einem Fall, auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., habe das Landratsamt sogar ein Gebäude mit einer Grundfläche von rund 70 m2 genehmigt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.10.2012 - 5 K 588/11 - zu ändern und die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 aufzuheben.
18 
Das beklagte Land beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Es erwidert, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abbruchsanordnung lägen vor. Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich. Für die Annahme, dort bestehe ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil, fehle es schon an einer organischen Siedlungsstruktur. Das Verwaltungsgericht habe nach Einnahme eines Augenscheins aus dem Umständen des Einzelfalls zu Recht geschlossen, dass es sich bei der Bebauung im Bereich Wanne um eine Splittersiedlung handele. Selbst wenn das anders zu sehen sein und doch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegen sollte, füge sich das klägerische Vorhaben nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein. Da das Wohnhaus des Klägers durch seine äußere Erscheinungsform die Umgebung dominiere, sei der Rahmen, der zur Beurteilung seines Einfügens zu wählen sei, weit zu ziehen und entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die auf der nördlichen Seite des U... Wegs belegenen Vorhaben zu beschränken. In den so zu bestimmenden Rahmen füge sich ein Gebäude mit 92 m2 Grundfläche keinesfalls ein. Eines der angrenzenden Wohnhäuser habe z.B. nur eine Grundfläche von 50 m2. Von 68 Wochenend-/Wohnhäusern hätten 49 eine Grundfläche von lediglich bis zu 39 m². Lediglich sieben bis acht hätten eine Grundfläche von 73 bis 94 m². Sei der Anbau somit in jedem Fall planungsrechtlich unzulässig, lasse die Ausübung des Anordnungsermessens keine Fehler erkennen. Das Einschreiten gegen das klägerische Vorhaben sei nicht gleichheitswidrig, zumal es am 16.1.2008 nicht fertiggestellt gewesen sei. Dagegen spreche schon, dass am 31.1.2008 noch ein Gerüst angebracht gewesen sei und selbst am 27.3.2008 noch Malerarbeiten stattgefunden hätten. Was die übrigen Baulichkeiten betreffe, warte das Landratsamt den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren ab. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... sei zwar im Jahr 1997 ein Gebäude genehmigt worden, doch nur dessen Untergeschoss überschreite die 35 m2 Grenze deutlich, nicht aber seine oberirdische Gebäudeteile.
21 
Der Senat hat das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
22 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Landratsamts Heilbronn verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Klägers ist auch sonst zulässig, insbesondere - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden - fristgerecht (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und ausreichend (§ 124a Abs. 3 VwGO) begründet worden. Sie dringt aber in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Abbruchsanordnung des Landratsamts Heilbronn vom 4.9.2008 und den diese bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.1.2011 zu Recht abgewiesen. Denn beide Bescheide sind rechtmäßig und können daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann das Landratsamt als zuständige untere Baurechtsbehörde (§§ 46 Abs. 1 Nr. 3 u. 48 Abs. 1 LBO) den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach dieser Ermächtigungsgrundlage liegen hinsichtlich des Anbaus des Klägers vor. Denn seine Errichtung war und ist baurechtswidrig (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise als durch den Erlass einer Abbruchsanordnung hergestellt werden (II.) und die erfolgte Ausübung des Anordnungsermessens ist nicht zu beanstanden (III.).
I.
25 
Das durch den Anbau des Klägers vergrößerte Wohngebäude verstößt fortlaufend gegen materielles Baurecht.
26 
Ein nach § 65 Satz 1 LBO erforderlicher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt mit Rücksicht auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 - BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz; Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Reichelt/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1128).
27 
Der von dem Kläger errichtete Anbau, der unstreitig nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, widerspricht dem materiellen Baurecht. Zwar ist die Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, gegen deren Bestimmungen das klägerische Vorhaben verstoßen würde, nie wirksam in Kraft gesetzt worden (dazu 1.). Das Grundstück des Klägers liegt auch nicht im Außenbereich, sondern in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (2.). Doch nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben unzulässig, da es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (dazu 3.), so dass es keiner Entscheidung des Senats bedarf, ob seine Erschließung gesichert ist.
28 
1. Der Anbau des Klägers verstößt nicht gegen die Bestimmungen der Ortsbausatzung der Stadt B. vom 21.3.1961, da diese nie Wirksamkeit erlangt hat.
29 
Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten geht der Senat davon aus, dass es an der nach § 174 Abs. 1 BBauG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttBauO 1910 (RegBl. S. 333) erforderlichen Bekanntmachung der Ortsbausatzung nach ihrer Genehmigung durch die damalige Aufsichtsbehörde fehlt, wobei dahinstehen kann, ob sich das Genehmigungserfordernis, wie das Verwaltungsgericht meint, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Baugestaltung (v. 10.11.1936, RGBl I, S. 938), aus Art. 4 WürttBauO 1910 oder aus § 10 Aufbaugesetz (v. 18.8.1948, RegBl. S. 127) ergab.
30 
2. Das Vorhabengrundstück liegt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern in einem Bebauungszusammenhang, der einen Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet.
31 
Ein vorhandener Bebauungszusammenhang ist als Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen, wenn er nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, st. Rspr seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE 31, 22; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. d. Senats v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - VBlBW 2004, 345). Das ist beim Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ der Fall.
32 
a) Im Gebiet „Wanne“ befinden sich - abgesehen von einigen Nebengebäuden wie Schuppen - insgesamt rund 69 Häuser. Allerdings ist nicht jede bauliche Anlage geeignet, zu einem „Bebauungszusammenhang“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB beizutragen, sondern nur solche, die für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung maßstabsbildend sind. Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 2.8.2001 - 4 B 26.01 - BauR 2002, 277; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Abzustellen ist dabei regelmäßig auf den durch die Baugenehmigung vorgegebenen Nutzungszweck (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012 - 3 L 3/08 - juris).
33 
Danach bestünde im Bereich „Wanne“ kein Bebauungszusammenhang, weil kein einziges der vorhandenen Häuser für eine Nutzung zum dauerhaften Wohnen genehmigt worden ist. Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz gilt aber dann, wenn sich die zuständige Behörde mit einer von den erteilten Baugenehmigungen abweichenden kontinuierlichen Wohnnutzung auf Dauer abgefunden hat (BVerwG, Beschl. v. 11.2.2000 - 4 B 1.00 - BRS 63 Nr. 102; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.4.2012, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011, a.a.O.). Das ist hier der Fall. Denn das zuständige Landratsamt hat aktenkundig bereits in den 90er-Jahren auf ein Einschreiten gegenüber den schon damals dauerhaft dort Wohnenden verzichtet. Damit sind derzeit rund 25 Häuser, deren Nutzung zum dauerhaften Wohnen seit langem geduldet wird, in der Umgebung des Grundstücks des Klägers vorhanden.
34 
b) Diese Anzahl maßstabsbildender Baulichkeiten hat das erforderliche Gewicht zur Bildung eines Ortsteils, zumal zur Stadt B. auch eingemeindete Teilorte mit nur rund 30 Einwohnern gehören.
35 
c) Der zusammenhängende Bebauungskomplex aus rund 25 geduldet zum dauerhaften Wohnen benutzten Häusern, rund 45 Wochenendhäusern und einigen Nebengebäuden ist Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Dieser Begriff ist aus der Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) zu verstehen (st. Rspr. d. BVerwG seit Urt. v. 6.11.1968 - IV C 31.68 - BVerwGE 31, 22; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Der Annahme einer organischen Siedlungsstruktur steht insbesondere entgegen, wenn es sich um eine Anhäufung nur behelfsmäßiger Bauten oder eine völlig regellos angeordnete Bebauung handelt. Dagegen kann nicht gefordert werden, dass die Bebauung nach Art und Zweckbestimmung einheitlich ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Infrastruktur des Bebauungskomplexes ein eigenständiges Leben dort gestattet (Urt. des Senats v. 10.9.1998 - 3 S 1866/98 - VBlBW 1999, 139). Zu fragen ist vielmehr, ob die vorhandenen Bauten eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung vorgeben (Urt. des Senats v. 10.7.2006, a.a.O.). Das ist hier der Fall.
36 
Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, es fehle an dem Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur des Bebauungskomplexes im Bereich „Wanne“, primär auf den optischen Eindruck gestützt, wonach dort große durchgrünte Grundstücke mit nur schmalen Wegen vorhanden seien und dem Betrachter nur vereinzelt bauliche Anlagen auffielen, die zudem noch sehr „verschieden“ seinen. Dieser optische Eindruck werde durch Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes bestätigt. Denn der Komplex sei nicht selbständig und natürlich gewachsen, sondern auf Grund der (unerkannt unwirksamen) Ortsbausatzung dort bewusst und gewollt entstanden. Während auf vielen Grundstücken deren Vorgaben eingehalten würden, sei es auf anderen zunehmend zu Abweichungen gekommen.
37 
Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die - in der Tat vorhandene - starke „Durchgrünung“ steht einer organischen Siedlungsstruktur nicht entgegen. Für die vom Verwaltungsgericht angeführte Entstehungsgeschichte des Bebauungskomplexes gilt das Gleiche. Das Vorliegen eines Ortsteils ist ausschließlich nach den äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen. Auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung kommt es daher nicht an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 - 4 B 7.07 - BauR 2007, 1383; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.1.2011 - 8 S 600/09 - VBlBW 2011, 308; Bay. VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 1 ZB 10.2244 - juris). Hinzu kommt, dass der Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ nach der Art der vorhandenen baulichen Nutzung einen sehr homogenen Eindruck vermittelt, da er nur aus Wohnhäuser, Wochenendhäuser und den dazugehörigen Nebenanlagen besteht. Auch deren Anordnung entlang der Wege und auf den einzelnen Grundstücken lässt deutlich regelhafte Züge erkennen.
38 
3. Nach der deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre das Vorhaben des Klägers nur dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Gegenstand dieser Prüfung ist dabei nicht etwa nur der Anbau des Klägers, sondern sein durch den Anbau erweitertes Wohnhaus (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BauR 1994, 81). Dieses fügt sich jedenfalls hinsichtlich des Maßes seiner baulichen Nutzung nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein.
39 
a) Die „nähere Umgebung“ des zu beurteilenden Vorhabens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB reicht so weit, wie sich die Ausführung des zu beurteilenden Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.2012 - 5 S 1778/11 - BauR 2013, 20). Der die nähere Umgebung prägende Rahmen ist dabei für jedes der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale getrennt zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.1997 - 4 B 172.97 - ZfBR 1998, 164).
40 
b) Der Senat kann nach dem Ergebnis des eingenommenen Augenscheins offen lassen, ob die das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Grundstücks prägende nähere Umgebung der gesamte Bebauungskomplex im Gebiet „Wanne“ bildet, wofür Vieles spricht, oder nur ein engerer Teilbereich, etwa entlang des U... Wegs. Denn in beiden Fällen überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers den Rahmen, wie er durch die nähere Umgebung geprägt wird, löst dadurch auch bodenrechtliche Spannungen aus und fügt sich somit nicht ein.
41 
aa) Zur Bestimmung dieses Rahmens kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Bestimmungen der (unwirksamen) Ortsbausatzung abgestellt werden. Beurteilungsmaßstab für das „Sich-Einfügen“ eines Vorhabens ist das tatsächlich in der maßgeblichen Umgebung prägend Vorhandene. Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplans ist (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1994 - 4 B 158.93 - BRS 56 Nr. 66). Den Festsetzungen eines solchen Plans kann deshalb auch § 34 BauGB nicht - mittelbar - zur Durchsetzung verhelfen.
42 
Wie sich bereits aus den Akten des Landratsamts ergibt und sich bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein bestätigt hat, sind im Gebiet „Wanne“ zahlreiche Wohngebäude vorhanden, die die Festsetzungen der Ortsbausatzung zum Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreiten. Das Maß der baulichen Nutzung des Wohngebäudes des Klägers geht jedoch selbst über die den Rahmen mitprägenden größeren vorhandenen Wohngebäude noch hinaus. Zwar bewegt sich die Grundfläche von rund 92 m2 möglicherweise noch im Rahmen der Umgebungsbebauung, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Gebäude mit einer sogar noch etwas größeren Grundfläche vorhanden ist. Die Kombination aus einer Grundfläche von rund 92 m2 und der über die gesamte Grundfläche in Erscheinung tretenden beträchtlichen Höhenentwicklung des Gesamtgebäudes des Klägers führt jedoch dazu, dass das Gebäude den Rahmen der Umgebungsbebauung in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet. Hinsichtlich des Vergleichs mit den Grundflächen anderer Wohngebäude hat die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass im Gebiet Wanne entgegen ihres schriftsätzlichen Vortrags kein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 112 m2 vorhanden ist. Es gibt nur ein einziges Wohngebäude mit einer der Grundfläche des Vorhabens des Klägers vergleichbar großen Grundfläche, nämlich das Gebäude U... Wegs 22 (so die Bezeichnung in den Karten des Landratsamts) auf dem bereits erwähnten Grundstück FlSt.-Nr. ... Die größten übrigen Wohngebäude haben Grundflächen von jedenfalls unter 85 m2. Dieses einzige Gebäude mit vergleichbar großer Grundfläche U... Weg 22 tritt aber selbst auf seiner hangabwärtigen Nordseite nur als bungalowartiges eingeschossiges Gebäude in Erscheinung. Dagegen besitzt das erweiterte Wohnhaus des Klägers ein nach Norden hin freistehendes Untergeschoss, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss, wirkt also zur Nordseite hin dreigeschossig. Eine ähnliche optische Wirkung seiner Höhenentwicklung entfaltet zwar das östliche Nachbargebäude U... Weg 15 (Flst.-Nr....), jedoch ist dessen Grundfläche mit 84 m2 wahrnehmbar geringer, zumal ein Teil davon auf einen Anbau entfällt, der nur im Untergeschoss besteht. Die Wohngebäude mit den nächstgrößeren Grundflächen M... Weg 6 und 8 sowie O... Weg 5 haben Grundflächen von 83 m2 oder weniger.
43 
bb) Überschreitet das Maß der baulichen Nutzung des klägerischen Gesamtgebäudes somit deutlich den Rahmen der durch die Umgebung gebildeten Bebauung, würde es sich nur dann einfügen, wenn es gleichwohl keine bodenrechtlichen Spannungen hervorriefe (BVerwG, Urt. v. 17.6.1993 - 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72; Urt. des Senats v. 10.3.2010 - 3 S 2627/08 - BWGZ 2010, 761). Bodenrechtliche Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Bedürfnis für eine ausgleichende städtebauliche Planung hervorrufen, insbesondere, weil sie eine negative Vorbildwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BauR 2014, 658; Urt. des Senats v. 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433). Es ist offensichtlich, dass das durch den Anbau vergrößerte Wohngebäude des Klägers eine solche negative Vorbildwirkung hat, weil es selbst die Eigentümer, deren Gebäude die Vorgaben der unwirksamen Ortsbausatzung schon jetzt merklich überschreiten, einen Anreiz dazu geben kann, ihre Gebäude in einer mit dem Vorhaben des Klägers vergleichbaren Weise weiter auszubauen.
II.
44 
Auf andere Weise als durch Erlass einer Abbruchsanordnung lassen sich rechtmäßige Zustände auf dem Grundstück des Klägers nicht herstellen.
45 
Diese Erfordernis des § 65 Satz 1 LBO gebietet die Prüfung, ob nicht Gesetzesverstöße durch Befreiungen oder Ausnahmen nach geheilt werden können oder ob nicht Nebenbestimmungen oder weniger weitreichende Verfügungen ausreichen (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Schlotterbeck, in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Aufl., § 65 Rn. 9). Das ist beim Anbau des Klägers nicht der Fall. Die nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau kommt mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit nicht in Betracht. Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht möglich, wenn sich die Zulässigkeit des zu beurteilenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 LA 43/13 - BauR 2014, 231; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Sept. 2013, § 31 Rn. 19. Der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist zur Erreichung des mit der angefochtenen Verfügung verfolgten Zwecks, den Verstoß gegen Bauplanungsrecht durch einen zu große Grundfläche und ein zu großes Volumen zu beseitigen, offensichtlich nicht geeignet. Das Landratsamt hatte schließlich keine Pflicht, ohne konkrete Angebote des Klägers nach sinnvollen Verkleinerungsmöglichkeiten zu forschen (BVerwG, Beschl. v. 8.2.1994 - 4 B 21.94 - juris m.w.N.). Die Möglichkeit, dem Landratsamt ein solches Angebot zu unterbreiten, steht dem Kläger jedoch weiterhin - etwa auch zur Abwendung einer Vollstreckung - offen.
III.
46 
Die Ausübung des Ermessens durch das beklagten Land lässt keine vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen.
47 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 65 Satz 1 LBO und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Urt. des Senats v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. des Senats v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; Sauter, LBO für Bad.-Württ., Stand Nov. 2013, § 65 Rn. 44; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1139). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben.
48 
1. Zwar haben sich die Ermessenserwägungen in Ausgangsverfügung und Widerspruchsbescheid noch daran orientiert, das Vorhaben des Klägers verstoße gegen die wirksame Ortsbausatzung, was, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Der Beklagte hat jedoch in seinen gerichtlichen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Erwägungen auch für den Fall ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO), dass das Vorhaben des Klägers in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil verwirklicht worden sein sollte.
49 
2. Der Kläger hält dem Landratsamt vor, es habe durch Erlass der Abbruchsanordnung in zweifacher Weise gleichheitswidrig gehandelt. Denn es habe beschlossen, gegen „Altfälle“ nicht vorzugehen, fordere aber ihn dennoch zum Abbruch seines Anbaus auf, obwohl er ihn vor dem 16.1.2008 bereits vollständig fertiggestellt gehabt habe. Zum anderen lasse das Landratsamt die notwendige Konsequenz gegenüber ihm bekannten „Neufällen“, d.h. der Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen nach dem 16.1.2008, vermissen. Auch mit dieser Argumentation vermag der Kläger nicht durchzudringen.
50 
a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass rechtswidrige Zustände, die bei mehreren Grundstücke vorliegen, nicht stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzugeben vermag (BVerwG, Beschl. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465). Wenn sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen befinden und nicht gegen alle eingeschritten wird, muss dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zugrunde liegen (Reichelt/Schule, Handbuch Bauordnungsrecht, S. 1141 m.w.N.). Grundvoraussetzung hierfür ist unter anderem eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Ist der Träger der Baurechtsbehörde - wie hier - nicht Träger der Bauleitplanung, kann wegen des Gewichts der kommunalen Planungshoheit auch eine Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung geboten sein.
51 
aa) Diesen Verpflichtungen entsprechend ist das Landratsamt bereits lange vor dem Hinweis vom 13.12.2007 auf einen „Schwarzbau“ auf dem Grundstück des Klägers am 13.4.2007 nach einer schriftlichen Forderung des Voreigentümers in Überlegungen über sein künftiges Handeln im Gebiet „Wanne“ eingetreten. Das Ergebnis dieser Überlegungen hat es in einem Aktenvermerk vom 13.4.2007 niedergelegt. Danach sollte die Gültigkeit der Ortsbausatzung geprüft und ggf. bei der Gemeinde B. der Erlass eines Bebauungsplans angeregt werden. Sollte ein Bebauungsplan nicht zustande kommen, sollten die vorhandenen Bauten „auf Grundlage des vom Vermessungsamt erstellten Kartenmaterials akzeptiert“ werden. Neufälle, die in der Karte des Vermessungsamts nicht enthalten seien, sollten dagegen künftig auf das in der Satzung geregelte Maß zurückgebaut werden.
52 
Der Ausdruck des vom Vermessungsamt erstellten Bestandsplans trägt zwar das Datum 16.1.2008. Nach den Darlegungen des Landratsamts beruht dieser Plan aber auf einer Erfassung des Vermessungsamts durch eine Ortsbegehung mit Ausmessung der Gebäude im Dezember 2006. Nachdem der Gemeinderat der Stadt B. im April 2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur städtebaulichen Neuordnung des Gebiets abgelehnt hatte, legte die Baurechtsbehörde - wie der Vertreter des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - entsprechend dem im April 2007 entwickelten Konzept für ihr künftiges Einschreiten - den in den Karten des Vermessungsamts (mit dem Stand Dezember 2006) eingezeichneten Bestand zugrunde. Dieser darf erhalten bleiben, jede darüberhinausgehende Erweiterung ist zurückzubauen. In diesem Plan ist auf dem Grundstück des Klägers Flst.-Nr. ... nur ein Wochenendhaus mit einer Grundfläche von rund 38 m2 eingezeichnet, was auch dem Vortrag des Klägers entspricht, wonach er mit der Errichtung des Anbaus erst im September 2007 begonnen hat.
53 
Der Kläger meint, da er seinen Anbau vor dem 16.1.2008, dem Ausfertigungsdatum der Karte, vollständig errichtet habe, zähle sein Anbau zu den „Altfällen“ des Konzepts des Landratsamts und dürfe bestehen bleiben. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, ob also der Anbau des Klägers am 16.1.2008 bereits fertiggestellt war. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, weil ein Baukontrolleur des Landratsamts noch am 31.1.2008 Veranlassung sah, eine Baueinstellung zu verfügen. Der Einwand ist aber unabhängig davon jedenfalls in rechtlicher Hinsicht unbegründet, da der Kläger damit den Bedeutungsgehalt des Einschreitenskonzepts des Landratsamts verkennt. Das Landratsamt hatte schon im April 2007 und damit vor dem Erwerb des Baugrundstücks durch den Kläger die Grundzüge seines künftigen Eingreifens aktenkundig dokumentiert und gleichzeitig die nach der Rechtsprechung erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Konzepts eingeleitet. Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn das Landratsamt sich dazu entscheidet, auch gegen ein Bauwerk einzuschreiten, das während der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen Maßnahmen (Abstimmung mit dem Träger der Bauleitplanung, Erstellung eines Bestandsplans) errichtet worden ist. Die Argumentation des Klägers könnte allenfalls dann verfangen, wenn er sein Bauwerk zwischen dem Zeitpunkt der dem Bestandsplan zugrundeliegenden Ortsbegehung im Dezember 2006 und dem Vermerk über das Einschreitenskonzept im April 2007 errichtet hätte, was aber unzweifelhaft nicht der Fall war.
54 
bb) Ebenso fehlt es an Hinweisen, dass das Landratsamt in gleichheitswidriger Weise gegen später erstellte rechtswidrige bauliche Anlagen nicht vorgeht. Auf der Grundlage der Auffassung des Senats, wonach die vorhandene Bebauung im Gewann Wanne einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bildet und der aus der Umgebungsbebauung abzuleitende Rahmen für das Maß der baulichen Nutzung das in der unwirksamen Ortsbausatzung festgesetzte Maß der baulichen Nutzung deutlich überschreitet, wäre nur ein Untätigbleiben bei Neubauten und Anbauten, die den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreiten, gleichheitswidrig. Solche Vorhaben hat der Kläger nicht benannt; sie waren für den Senat bei der Einnahme seines Augenscheins auch nicht erkennbar.
IV.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
57 
Beschluss vom 9. April 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs in seinen Fassungen von 2004 und 2013 entsprechend der Angaben des Klägers zum Zeitwert der Anlage sowie den geschätzte Abbruchskosten auf 100.000 EUR festgesetzt.
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.