Verwaltungsgericht Köln Urteil, 14. Sept. 2016 - 24 K 4001/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen und Aussetzungszinsen im Jahr 2015 für Gewerbesteuerforderungen der Veranlagungsjahre 1991 bis 1997.
3Das zuständige Finanzamt Bonn-Außenstadt (im Folgenden: Finanzamt) erließ am 10. Dezember 1998 anhand der Ergebnisse einer bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung jeweils Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1991, 1992 und 1993.
4Ausgehend von den Gewerbesteuermessbeträgen veranlagte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 wie folgt zur Gewerbesteuer für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1993 und setzte ebenfalls mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) fest:
5Veranlagungsjahr (VA) |
Gewerbesteuer Bescheid 10.12.1998 |
Nachzahlungszinsen Bescheid 10.12.1998 |
1991 |
87.689,00 DM (44.834,67 €) |
21.024,00 DM (10.749,40 €) |
1992 |
128.691,00 DM (65.798,66 €) |
30.864,00 DM (15.780,51 €) |
1993 |
121.906,00 DM (62.329,55 €) |
26.818,00 DM (13.711,83 €) |
Gegen die Messbescheide des Finanzamtes legte der Kläger unter dem 29. Dezember 1998 Einspruch ein und beantragte am 4. Februar 1999 die Aussetzung der Vollziehung. Daraufhin setzte das Finanzamt am 6. April 1999 die Vollziehung der Messbescheide gemäß § 361 AO ab dem 5. Februar 1999 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch in voller Höhe aus und leitete die Aussetzung an die Beklagte zur weiteren Veranlassung weiter.
7Wie der damalige Verfahrensbevollmächtigten des Klägers der Beklagten u.a. mit Schreiben vom 25. Juni 1999 mitteilte, liege dem Einspruchsverfahren bei dem Finanzamt insbesondere eine Auseinandersetzung darüber zugrunde, ob die von dem Kläger im Zusammenhang mit der Beherbergung von Asylsuchenden ausgeübte Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei.
8Im weiteren Verlauf erließ das Finanzamt am 9. und 29. Juli 1999 neue Messbescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1994 bis 1997, wobei zugrundegelegt wurde, dass nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung die als Vermietungseinkünfte erklärten Einkünfte des Klägers als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren seien (für 1998 betrug der Messbetrag 0,00 Euro). Dem folgend setzte die Beklagte mit Bescheiden vom 9. und 29. Juli 1999 die Gewerbesteuer- und Nachzahlungszinsen für diesen Zeitraum wie folgt fest:
9VA |
Gewerbesteuer |
Nachzahlungszinsen |
1994 |
Bescheid 29.07.1999 63.941,00 DM (32.692,51 €) Fällig am 01.09.1999 |
Bescheid 29.07.1999 12.780,00 DM (6.534,31 €) |
1995 |
Bescheid 29.07.1999 91.395,00 DM (46.729,52 €) Fällig am 01.09.1999 |
Bescheid 29.07.1999 12.782,00 DM (6.535,33 €) |
1996 |
Bescheid 09.07.1999 43.200,00 DM (22.087,81 €) Fällig am 12.08.1999 |
Bescheid 09.07.1999 3.240,00 DM (1.656,59 €) |
1997 |
Bescheid 29.07.1999 13,00 € (6,65 €) Fällig am 01.09.1999 |
Keine Festsetzung |
Am 6. August 1999 legte der Steuerberater des Klägers unter Hinweis auf die andauernden Verhandlungen mit dem Finanzamt jeweils „Einspruch“ gegen die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes sowie die Steuer- und Zinsbescheide der Beklagten für 1994 bis 1997 ein und beantragte sowohl bei dem Finanzamt als auch bei der Beklagten bis auf Weiteres bzw. bis zur endgültigen Klärung die Aussetzung der Vollziehung.
11Nachdem das Finanzamt unter dem 12. August 1999 die Aussetzung der Vollziehung auch bzgl. der Messbeträge 1994 bis 1997 angeordnet hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 1999 die bis dahin festgesetzten Gewerbesteuerforderungen und Nachzahlungszinsen für die Jahre 1991 bis 1997 unter Hinweis auf eine eventuelle Zinspflicht gemäß § 237 AO von der Vollziehung aus. Dies galt für die Veranlagungen 1991 bis 1993 ab dem 5. Februar 1999, für 1994 bis 1997 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt.
12Auf Nachfrage der Beklagten teilte das Finanzamt im Mai 2011 mit, die Aussetzungen der Vollziehung der Messbescheide 1991 bis 1997 seien weiterhin gültig.
13Am 22. Juli 2002 wurden die Messbeträge für 1995 bis 1997 aufgrund weiterer Ergebnisse der Betriebsprüfung von dem Finanzamt erhöht, wobei die anhängigen Einspruchsverfahren weiter fortgesetzt wurden. Ausgehend hiervon erhöhte die Beklagte mit Steuer- und Zinsbescheiden vom 12. August 2002 die bisherigen Festsetzungen wie folgt:
14VA |
Gewerbesteuer Bescheid 12.08.2002 |
Nachzahlungszinsen Bescheide 12.08.2002 |
1995 |
Erhöhung um 540,69 € auf 47.270,21 € |
Erhöhung um 160,00 € auf 6.695,33 € |
1996 |
Erhöhung um 1.058,39 € auf 23.146,20 € |
Erhöhung um 273,00 € auf 1.929,59 € |
1997 |
Erhöhung um 262,54 € auf 269,19 € |
Erstmalige Zinsfestsetzung auf 50,00 € |
Insgesamt Erhöhung um 1.861,62 € Fällig am 15.09.2002 |
Diesbezüglich erhob der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers am 3. September 2002 Widerspruch bei der Beklagten und legte bei dem Finanzamt Einspruch ein, verbunden mit einem Antrag auf Vollziehungsaussetzung. Aufgrund der antragsgemäß erfolgten Aussetzungsverfügung des Finanzamtes vom 25. September 2002 setzte die Beklagte unter dem 1. Oktober 2002 die nach der Änderung insgesamt festgesetzten Beträge für 1995 bis 1997 ebenfalls von der Vollziehung aus, wiederum unter Hinweis auf § 237 AO.
16Ebenso erhöhte die Beklagte nach dem geänderten Messbescheid des Finanzamtes vom 30. September 2002 für 1994 mit Bescheid vom 11. Oktober 2002 die Steuer- und Zinsfestsetzung wie folgt:
17VA |
Gewerbesteuer Bescheid 11.10.2002 |
Nachzahlungszinsen Bescheid 11.10.2002 |
1994 |
37.201,00 € |
8.287,31 € |
Erhöhung um 4.508,49 € fällig am 14.11.2002 |
Erhöhung um 1.755,00 € |
Auf den Widerspruch bei der Beklagten sowie Einspruch und Aussetzungsantrag bei dem Finanzamt vom 31. Oktober 2002 und entsprechende Aussetzungsverfügung vom 15. November 2002 setzte die Beklagten unter dem 21. November 2002 auch diese Veranlagung unter Hinweis auf § 237 AO von der Vollziehung aus.
19In den folgenden Jahren erkundigte sich die Beklagte alle zwei Jahre bei dem Finanzamt nach dem Sachstand hinsichtlich der Vollziehungsaussetzung. Dieses antwortete mit Schreiben vom 13. Februar 2004, 20. Juli 2006, 28. August 2008, 16. Juni 2010 und 17. August 2012, dass die Aussetzungen weiterhin gültig und die Rechtsbehelfe bei der Rechtsbehelfsstelle weiter in Bearbeitung seien.
20Nachdem das Finanzamt mit Bescheiden vom 29. August 2014 über die Einsprüche des Klägers gegen die Messbescheide für die Jahre 1991 bis 1997 entschieden hatte, erhob dieser am 4. September 2014 Klage. Daraufhin setzte das Finanzamt die im Zuge der Einspruchsentscheidung geänderten Messbescheide weiterhin mit Wirkung vom 4. September 2014 bis einen Monat nach Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung von der Vollziehung aus.
21Am 13. Oktober 2014 erließ die Beklagte entsprechend der erfolgten Änderungen der Messbeträge einen Gewerbesteuer- und Zinsbescheid mit den folgenden Festsetzungen:
22VA |
Gewerbesteuer Bescheid 13.10.2014 |
Nachzahlungszinsen 13.10.2014 |
1991 |
Ermäßigung um 21.112,27 € auf 23.722,40 € |
Ermäßigung um 5.064,00 € auf 5.685,00 € |
1992 |
Ermäßigung um 35.445,44 € auf 30.353,22 € |
Ermäßigung um 8.496,00 € auf 7.284,00 € |
1993 |
Ermäßigung um 26.024,52 € auf 36.305,03 € |
Ermäßigung um 5.720,00 € auf 7.991,00 € |
1994 |
Ermäßigung um 3.628,29 € auf 33.572,71 € |
Ermäßigung um 1.423,00 € auf 6.866,00 € |
1995 |
Ermäßigung um 103,55 € auf 47.166,66 € |
Ermäßigung um 32,00 € auf 6.663,00 € |
1996 |
Ermäßigung um 126,54 € auf 23.019,66 € |
Ermäßigung um 39,00 € auf 1.890,00 € |
1997 |
Ermäßigung um 25,29 € auf 243,90 € |
Ermäßigung um 10,00 € auf 40,00 € |
Ermäßigung insgesamt 107.249,90 € |
Die geänderten Steuer- und Zinsbeträge setzte die Beklagte ebenfalls am 13. Oktober 2014 aufgrund der Aussetzungsverfügung des Finanzamtes und unter Hinweis auf eine eventuelle Zinspflicht gemäß § 237 AO von der Vollziehung aus.
24In einem Erörterungstermin am 26. März 2015 vor dem Finanzgericht Köln einigten sich das Finanzamt und der Kläger darauf, dass die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren teilweise als gewerblich qualifiziert werde, die Gewerbesteuermessbeträge für 1991 bis 1996 anhand von im Einzelnen festgelegten Gewinnen aus Gewerbebetrieb zu ändern seien und der Messbetrag für 1997 auf 0 Euro herabgesetzt werde. Hinsichtlich der Einkommenssteuer erklärte die Vertreterin des Finanzamtes, dass mit Blick auf die Dauer des Verfahrens von der Erhebung von Aussetzungszinsen abgesehen werde. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
25Mit Gewerbesteuermessbescheiden vom 16. Juni 2015 änderte das Finanzamt die bisherigen Messbescheide entsprechend der Einigung und teilte mit, dass die jeweilige Aussetzung der Vollziehung einen Monat nach Bekanntgabe dieses Änderungsbescheides ende.
26Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 setzte die Beklagte die folgenden geänderten Steuerbeträge und Nachzahlungszinsen (auf 13.712,00 Euro) fest:
27VA |
Gewerbesteuer Bescheid 16.06.2015 |
Zinsberechnung: >Unterschiedsbetrag zur vorherigen Festsetzung Gewerbesteuer (zugunsten des Klägers) >Rückgängigmachung bisher festgesetzter Zinsen (0,50 % pro voller Monat auf abgerundeten Unterschiedsbetrag, Ergebnis abzuziehen von bisheriger Zinsfestsetzung) |
Nachzahlungszinsen 16.06.2015 |
1991 |
9.951,53 € |
> -13.770,87 € > 01.04.1993 bis 31.03.1997 = 3.300,00 € [Zinslauf § 233a Abs. 2 S. 3 AO aF: max. 4 Jahre] |
2.385,00 € |
1992 |
13.261,62 € |
> -17.091,60 € > 01.04.1994 bis 31.03.1998 = 4.104,00 € [Zinslauf § 233a Abs. 2 S. 3 AO aF: max. 4 Jahre] |
3.180,00 € |
1993 |
13.060,05 € |
> -23.244,98 € > 01.04.1995 bis 13.12.1998 = 5.115,00 € [Steuerbescheid vom 10.12.1998] |
2.876,00 € |
1994 |
11.571,18 € |
> -22.001,53 € > auf 850,00 € davon: 01.04.1996 bis 14.10.2002 = 331,50 € [Steuerbescheid vom 11.10.2002] > auf 21.150,00 € davon: 01.04.1996 bis 01.08.1999 = 4.230,00 € [Steuerbescheid vom 29.07.1999] |
2.305,00 € |
1995 |
18.061,38 € |
> -29.105,28 € > auf 400,00 € davon: 01.04.1997 bis 15.08.2002 = 128,00 € [Steuerbescheid vom 12.08.2002] > auf 28.700,00 € davon: 01.04.1997 bis 01.08.1999 = 4.018,00 € [Steuerbescheid vom 29.07.1999] |
2.517,00 € |
1996 |
5.982,12 € |
> -17.037,54 € > auf 900,00 € davon: 01.04.1998 bis 15.08.2002 = 234,00 € [Steuerbescheid vom 12.08.2002] > auf 16.100,00 € davon: 01.04.1998 bis 12.07.1999 = 1.207,50 € [Steuerbescheid vom 09.07.1999] |
449,00 € |
1997 |
0,00 € |
> -243,90 € > 01.04.1999 bis 15.08.2002 = 40,00 € [Steuerbescheid vom 12.08.2002] |
0,00 € |
gesamt 13.712,00 € |
Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass durch die Beendigung der Vollziehungsaussetzung der Gewerbesteuermessbescheide als Grundlagenbescheide auch die Aussetzung der Folgebescheide ende, sodass die mit oben genanntem Bescheid festgesetzten Beträge zum 20. Juli 2015 fällig würden. Zugleich wurden Aussetzungszinsen gemäß §§ 237, 238 AO nach der als Anlage beigefügten Zinsberechnung wie folgt berechnet und auf insgesamt 69.011,00 Euro festgesetzt:
29VA |
Ausgesetzter Betrag = neu festgesetzte Gewerbesteuer >abgerundet zu verzinsen |
Beginn der Verzinsung (Tag der Aussetzung) |
Ende (Tag der Fälligkeit) |
Monate |
Zinsbetrag (0,5 % pro voller Monat, Ergebnis abgerundet) |
1991 |
9.951,53 € >9.950,00 € |
05.02.1999 |
20.07.2015 |
197 |
9.800,00 € |
1992 |
13.261,62 € >13.250,00 € |
05.02.1999 |
20.07.2015 |
197 |
13.051,00 € |
1993 |
13.060,05 € >13.050,00 € |
05.02.1999 |
20.07.2015 |
197 |
12.854,00 € |
1994 |
11.571,18 € > auf 10.690,98 € davon = 10.650,00 € > auf 880,20 € davon = 850,00 € |
01.09.1999 14.11.2002 |
20.07.2015 20.07.2015 |
190 152 |
10.117,00 € 646,00 € |
1995 |
18.061,38 € > auf 17.624,24 € davon = 17.600,00 € > auf 437,14 € davon = 400,00 € |
01.09.1999 15.09.2002 |
20.07.2015 20.07.2015 |
190 154 |
16.720,00 € 308,00 € |
1996 |
5.982,12 € > auf 5.050,27 € davon = 5.050,00 € > auf 931,85 € davon = 900,00 € |
12.08.1999 15.09.2002 |
20.07.2015 20.07.2015 |
191 154 |
4.822,00 € 693,00 € |
1997 |
0,00 € |
Keine Festsetzung |
|||
gesamt 69.011,00 € |
Gegen die Festsetzung der Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen hat der Kläger am 14. Juli 2015 Klage erhoben.
31Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Zunächst seien die Bescheide entgegen §121 Abgabenordnung (AO) nicht ordnungsgemäß begründet, weil die Zinsberechnungen nicht verständlich aufbereitet seien und die Wahrung der Festsetzungsfristen über die Vielzahl der Jahre nicht erkennbar sei.
32Zudem verstoße sowohl die Festsetzung der Nachzahlungszinsen als auch der Aussetzungszinsen gegen Treu und Glauben. Dies ergebe sich insbesondere aus der nicht von dem Kläger zu vertretenden Verzögerung des Verfahrens vor dem Finanzamt über ein „Vierteljahrhundert“ hinweg, die sich die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verwaltung zurechnen lassen müsse. Der Kläger sei von den Finanzbehörden ohne Anlass unrechtmäßig mit diversen Verfahren bis hin zu einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung überzogen worden. Für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1997 habe der Kläger erstmals im Jahr 1998 zusammen mit den Gewerbesteuerbescheiden Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes Bonn-Außenstadt erhalten. Nach langjähriger rechtlicher Auseinandersetzung mit dem Finanzamt infolge einer aus Sicht des Klägers verfehlten Einkommenssteuerveranlagung habe das Finanzamt die Bearbeitung der gewerbesteuerrechtlichen Angelegenheiten erst 2014 durch die Einspruchsentscheidung wieder aufgenommen, sodass es erst 2015 zu der tatsächlichen Verständigung in dem Erörterungstermin gekommen sei. Aufgrund der langen Verfahrensdauer habe das Finanzamt hierbei bereits auf Aussetzungszinsen zur Einkommenssteuer verzichtet. Dies müsse auch für die Zinsen zur Gewerbesteuer gelten.
33Die Verzinsung trotz der langen Verfahrensdauer verstoße auch gegen das Beschleunigungsgebot gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskommission (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), weshalb die überlange Verfahrensdauer vor der Verwaltungsbehörde gerügt werde (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG-, Art. 6 EMRK, § 198 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG-).
34Schließlich sei die typisierende Verzinsung nach § 238 AO in Höhe von 6 % im Jahr aufgrund der Marktverhältnisse nicht mehr gerechtfertigt. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), dass die verfassungsrechtlichen Grenzen auch in der Niedrigzinsphase ab 2009 nicht überschritten seien, sei spätestens überholt, seitdem seit den Jahren 2012, 2013 eine Verzinsung außerhalb unternehmerischer Anlagen am Kapitalmarkt praktisch nicht mehr stattfinde und langfristig negativ sei. Der Kläger habe tatsächlich keine Anlageverzinsung von 6 % erzielt. Es sei auch unzumutbar, bei einer solchen verzögerten Nachveranlagung Rücklagenbildung/Kapitalarbeit über 25 Jahre zu verlangen, zumal offen gewesen sei, ob der Kläger letztlich steuerpflichtig sei oder nicht. Zudem sei der Kläger mittellos (gewesen).
35Der Kläger beantragt,
36die Bescheide der Beklagten betreffend die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1997 in der Gestalt des Bescheides der Beklagten vom 16. Juni 2015 aufzuheben
37und
38den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 betreffend die Festsetzung von Aussetzungszinsen aufzuheben.
39Die Beklagte beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Ihrer Auffassung zufolge sind die Zinsfestsetzungen entsprechend der gesetzlichen Voraussetzungen ergangen. Nachzahlungszinsen seien unabhängig davon zu erheben, ob die Veranlagung verzögert erfolge und ob bei dem Steuerpflichtigen tatsächlich Liquiditätsvorteile entstanden seien. Der Festsetzung der Aussetzungszinsen stehe insbesondere deshalb kein Vertrauensschutz entgegen, weil die langjährige Aussetzung auf den Anträgen des Klägers beruht habe und bei jeder Gewährung ausdrücklich auf § 237 AO hingewiesen worden sei. Die Dauer des Verfahrens allein habe keine Auswirkung auf die Festsetzung und die Beklagte sei hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht an den Verzicht des Finanzamtes auf die Aussetzungszinsen zur Einkommenssteuer gebunden. Auch Aussetzungszinsen seien unabhängig davon festzusetzen, ob und in welcher Höhe der Kläger durch die Aussetzung tatsächlich Liquiditätsvorteile gehabt habe.
42Am 11. und 12. November 2015 hat der Kläger die festgesetzten Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen aus Fremdmitteln beglichen.
43Einen Eilantrag des Klägers auf gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und Aufhebung der Vollziehung hat das Gericht am 29. Dezember 2015 abgelehnt (24 L 2762/15). Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 16. März 2016 zurückgewiesen (14 B 66/16).
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in den Verfahren 24 L 2762/15, 24 K 6318/15, 24 L 2763/15 nebst beigezogenem Verwaltungsvorgang der Beklagten.
45Entscheidungsgründe
46Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte und zulässige Klage ist nicht begründet.
47Die angefochtenen Bescheide der Beklagten zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen (dazu I.) und Aussetzungszinsen (dazu II.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
48I. Die Bescheide der Beklagten betreffend die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1997 in der Gestalt des Bescheides der Beklagten vom 16. Juni 2015 sind rechtmäßig.
49Rechtsgrundlage für die Zinsfestsetzung sind die § 233a Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 238, 239 AO, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 2 AO ebenso wie die im Folgenden in Bezug genommenen Regelungen der Abgabenordnung auch für die Gewerbesteuer als Realsteuer Anwendung finden.
50Die Zinsfestsetzung in Gestalt des Bescheides der Beklagten vom 16. Juni 2015 ist formell rechtmäßig ergangen.
51Insbesondere ist der Bescheid hinreichend begründet im Sinne von § 121 Abs. 1 AO. Danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt – dazu gehört ein Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 1 AO – mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Diesen Anforderungen genügt der streitige Bescheid. Soweit der Kläger rügt, der Bescheid enthalte nur partielle Stornierungen von Berechnungen, die Rückrechnung sei ohne die Grundrechnung nicht nachvollziehbar, dringt er damit nicht durch. Für das formelle Begründungserfordernis des § 121 AO kommt es entscheidend auf das Verständnis desjenigen an, für den der Verwaltungsakt inhaltlich bestimmt ist,
52vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 11. Februar 2004 – II R 5/02 –, juris Rn. 15; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 121 AO, Rn. 9 (Stand 142. Lieferung 10.2015).
53Nachdem dem Kläger die durch den vorliegenden Bescheid geänderten Bescheide vorliegen („Grundrechnung“), ist weder vorgetragen noch drängt es sich auf, dass die durch den streitigen Bescheid vorgenommenen Änderungen („Rückrechnung“) nicht nachvollzogen werden könnten. Gleiches gilt für die Rüge, durch die Undeutlichkeit der Zinsveranlagung sei die Wahrung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO über die Vielzahl der Zinsjahre nicht überprüfbar. Auch diesbezüglich sind die bisherigen Steuer- und Zinsbescheide zur Bestimmung des jeweiligen Beginns und Endes der Festsetzungsfrist mit heranzuziehen.
54Abgesehen davon käme es selbst auf einen etwaigen Formfehler nicht an, da ein Verstoß gegen § 121 Abs. 1 AO den Bescheid nicht nichtig machen würde und in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können, vgl. § 127 AO,
55vgl. BFH, Urteil vom 26 November 1996 - IX R 77/95 -, juris Rn. 10 zur Anwendbarkeit des § 127 AO bzgl. § 121 AO.
56Die Beklagte hat die Nachforderungszinsen auch materiell rechtmäßig festgesetzt.
571. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuern zu verzinsen, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt. Wird der Steuerfestsetzungsbescheid – wie hier – später geändert, ist die bisherige Zinsfestsetzung gemäß § 233a Abs. 5 AO entsprechend anzupassen. Dabei ist der Unterschiedsbetrag zwischen der neu festgesetzten und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend.
58Der Zinslauf beginnt 15 Monate (sog. Karenzzeit) nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, § 233a Abs. 2 Satz 1 AO. Für die Gewerbesteuer bedeutet dies einen Beginn 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraumes, der mit dem jeweiligen Kalenderjahr gleichgesetzt ist (§ 18 und § 14 Satz 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG-), also am 1. April des übernächsten Jahres. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, § 233a Abs. 2 Satz 3 AO.
59Bei (mehrfacher) Änderung des Steuerbescheides sind dementsprechend unterschiedliche Zinsläufe für jeden Änderungsbescheid zu berücksichtigen, wobei der Beginn gleich bleibt, während das Ende sich nach der jeweiligen Bekanntgabe des Änderungsbescheides richtet,
60vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 233a, Rn. 44.
61Vorliegend ist zudem zu beachten, dass für alle Steuern, die bis zum 31. Dezember 1993 entstanden sind – hier also hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1991 bis 1993 – die frühere Fassung des § 233a Abs. 2 Satz 3 AO anzuwenden ist. Danach endete der Zinslauf spätestens vier Jahre nach seinem Beginn, vgl. Art. 97 § 15 Abs. 9 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO). Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat 0,5 Prozent; der zu verzinsende Betrag wird auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 AO). Im Ergebnis sind Zinsen auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen (§ 239 Abs. 2 Satz 1 AO).
62Diese Vorgaben hat die Beklagte eingehalten. Rechnerische Bedenken gegen die Zinsfestsetzung hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.
63Er wendet sich vielmehr zunächst gegen die Anwendung des Zinssatzes in Höhe von 6 % jährlich.
64Der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO typisierend festgelegte Zinssatz in Höhe von 6 % jährlich und dessen Anwendung auf den Fall des Klägers begegnen indes keinen rechtlichen Bedenken.
65a) Nach der Konzeption des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist es entgegen der Ansicht des Klägers unerheblich, ob bzw. in welcher Höhe er hinsichtlich des Unterschiedsbetrages tatsächlich Zinsen oder andere Liquiditätsvorteile erreicht hat.
66Diese typisierende Festlegung des Zinssatzes durch den Gesetzgeber ist mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar,
67vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris Rn. 14 ff. zur Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsprinzip; bestätigt durch den BFH, vgl. z.B. Urteil vom 1. Juli 2014 - IX R 31/13 -, juris Rn. 14.
68Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen,
69vgl. Bundestagsdrucksachen (BTDrucks) 8/1410, S. 13 und 11/2157, S. 194.
70Der Gesetzgeber bewegt sich in Umsetzung dieser Ziele mit den §§ 233a, 238 AO innerhalb der Grenzen seines weiten Spielraums bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens.
71Es liegt in der Konsequenz der typisierenden Regelung, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greift, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt wurden. Die Verzinsung selbst knüpft allein an die objektive Möglichkeit an, dass Zins- oder Liquiditätsvorteile entstehen, ohne dass diese konkretisiert oder nachgewiesen werden müssten.
72Das Typisierungs- und Vereinfachungserfordernis ergibt sich dabei schon daraus, dass in vielen Fällen eine solche Ermittlung eines konkreten Liquiditätsvorteils gar nicht möglich ist, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet.
73Ferner ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch zu berücksichtigen, dass der Zinssatz des § 238 AO im Rahmen des § 233a AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt,
74vgl. zum Ganzen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris Rn. 24 ff.
75Denn auch Erstattungsansprüche werden unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dem Berechtigten tatsächlich Zinsen entgangen sind, mit monatlich 0,5 % verzinst.
76b) Auch gegen die Höhe des Zinssatzes von 6 % im Jahr bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
77Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, auch für die Bestimmung des Steuersatzes,
78vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2002, - 2 BvR 400/98 -, - 2 BvR 1735/00 -, juris Rn. 51.
79Nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) folgenden Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. Übermaßverbot darf der Steuerpflichtige zwar nicht zu unverhältnismäßigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen wie Zinsen herangezogen werden.
80Dass der Gesetzgeber bei der Einführung der einheitlichen Verzinsung von Steuererstattungen und -nachforderungen im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, verstößt jedoch nicht gegen das Übermaßverbot,
81vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris Rn. 27, 29.
82Grundsätzlich folgt auch aus der allgemeinen Zinsentwicklung keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe. Eine solche Verpflichtung käme nur dann in Betracht, wenn der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - hier im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung - die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre, mithin der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe völlig auseinanderfielen,
83vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17.
84Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang gegen die Zinshöhe von 6 % wendet, weil die typisierende Festlegung in der Niedrigzinsphase ab 2009 vom Markt widerlegt sei, ist dem entgegen zu halten, dass hinsichtlich der Festsetzung der Nachzahlungszinsen hier allein Zinszahlungszeiträume zwischen dem 1. April 1993 und dem 14. Oktober 2002 angewandt wurden. Dass bis zum Jahr 2002 der Marktzins im Vergleich zur gesetzlich festgesetzten Höhe von 6 % eklatant abgewichen wäre, wird demnach weder von dem Kläger vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Ungeachtet der untenstehenden Ausführungen (unter II. 1. b) zu den Aussetzungszinsen) dazu, dass auch Kreditzinsen etc. bei der Beurteilung der Marktverhältnisse zu berücksichtigen sind, lag etwa die Umlaufrendite in dem genannten Zeitraum zwischen 3,46 % und 7,58 %, also im Durchschnitt bei 5,26 % und damit nicht signifikant unter den gesetzlich festgelegten 6 %,
85vgl. http://zinsen.onvista.de/onvista/zinsentwicklung/detailversion/, Stand September 2016.
86Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich des Zinsniveaus bis 2006 (trotz abfallender Tendenz seit 1993) nicht in Zweifel gezogen,
87vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris und zur Zinsentwicklung in dieser Zeit OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 19.
882. Die Zinsforderungen sind nicht verjährt.
89Zunächst ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Zinsfestsetzung bzw. ihre Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt ein Jahr und beginnt in den Fällen des § 233a AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt worden ist, § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO. Dabei läuft die Festsetzungsfrist des § 233a AO nicht ab, solange die Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung, ihre Änderung oder ihre Berichtigung noch zulässig ist, § 239 Abs. 1 Satz 3 AO. Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder berichtigt, beginnt die Festsetzungsfrist folglich für den gesamten Zinsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahrs des Änderungsbescheides. Bei einer wiederholten Änderung der Steuerfestsetzung läuft die Festsetzungsfrist für den gesamten Anspruch des Steuergläubigers auf Nachzahlungszinsen demnach nicht ab, solange noch eine, wenn auch nur punktuell wirkende Änderung der Steuerfestsetzung zulässig ist. Teile des Zinsanspruchs unterliegen daher keiner gesonderten Teilverjährung,
90vgl. BFH, Beschluss vom 14. Juli 2008 – VIII B 176/07 –, juris; vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 239 AO, Rn. 5 (Stand 143. Lieferung 01.2016).
91Demnach begann die Festsetzungsfrist für den gesamten Zinsanspruch erst mit Ablauf des Jahres 2015, weil die (wegen der Anpassung an die geänderten Messbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zulässige) Änderung der bisherigenSteuerfestsetzungen am 16. Juni 2015 erfolgte. Weil der geänderte Zinsanspruch bereits am selben Tag festgesetzt wurde, kommt eine Festsetzungsverjährung nicht in Betracht.
92Überdies stand der Abänderung der Zinsfestsetzung auch keine Zahlungsverjährung entgegen. Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt nach § 228 Satz 2 AO fünf Jahre und beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Zwar sind vorliegend die nunmehr geänderten Zinsfestsetzungen für die Veranlagungsjahre 1991 bis 1993 erstmals zum 13. Januar 1999, für die Veranlagungsjahre 1994, 1995 zum 1. September 1999 und für das Veranlagungsjahr 1996 am 9. Juli 1999 fällig geworden (für das Veranlagungsjahr 1997 zum 15. September 2002, wobei dies jedoch außen vor bleibt, weil die Festsetzung letztlich auf 0 reduziert wurde). Hiervon ausgehend wäre Zahlungsverjährung zum 31. Dezember 2004 eingetreten. Jedoch ist der Lauf der Verjährungsfrist hier durch die Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen worden. Diese wurde für die genannten Veranlagungen für 1991 bis 1996 jedenfalls mit Schreiben vom 19. August 1999 mit Wirkung zum 5. Februar 1999 erstmals gewährt und anschließend auch für folgende Änderungsbescheide aufrecht erhalten, bis mit Bescheid vom 16. Juni 2015 der letztlich geänderte Betrag zum 20. Juli 2015 fällig gestellt wurde, sodass die Verjährungsfrist nach § 231 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 2015 neu begonnen hat und somit zum Zeitpunkt der Zinsänderung am 16. Juni 2015 nicht abgelaufen war.
933. Der Festsetzung der Nachzahlungszinsen steht auch nicht die von dem Kläger geltend gemachte Einwendung aus Treu und Glauben entgegen.
94Die kraft Gesetzes entstandenen Zinsansprüche sind von den steuererhebenden Behörden gegenüber den Steuerpflichtigen geltend zu machen. Ausnahmsweise können sie nach dem allgemein gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) an der Geltendmachung und Durchsetzung entstandener Ansprüche gehindert sein. Dieser Grundsatz ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt,
95vgl. BFH, Urteil vom 9. August 1989 - I R 181/85 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.
96Soweit sich das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sinngemäß darauf bezieht, dass das Finanzamt bis zur ersten Veranlagung unangemessen lang gebraucht habe, er also etwa hinsichtlich des Veranlagungsjahres für 1991 erstmals 1998 herangezogen wurde, dringt er hiermit nicht durch.
97Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Festsetzung von Nachforderungszinsen auch dann nicht entgegen, wenn die verspätete (erstmalige)Festsetzung der Steuer auf einer durch das Finanzamt verzögerten Veranlagung beruht. Denn mit der Verzinsung von Steuernachforderungen und –erstattungen wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern aus unterschiedlichen Gründen bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden,
98vgl. FG Bremen, Urteil vom 28. April 2009 - 2 K 39/08 (5) -, juris Rn. 27, m.w.N. zur ständigen Rspr. des BFH.
99Im Fall des Klägers wurde zudem hinsichtlich der Veranlagung für 1991 und 1992 noch § 233a Abs. 2 Satz 3 AO a.F. angewandt, sodass der Zinslauf auf 4 Jahre beschränkt war (für 1993 ergab sich ohnehin bis zur Bekanntgabe des Bescheides ein Zinslauf von 3 Jahren und 8 Monaten).
100Auch hinsichtlich des Zeitraumes 1998 bis 2015 ist kein der Zinsforderung entgegenstehendes vertrauensbildendes Verhalten der Beklagten ersichtlich. Ein solcher „Vertrauensschutz“ aus Treu und Glauben käme nur in Betracht, wenn der Kläger aufgrund des Verhaltens der Beklagten in den Jahren 1998 bis 2015 darauf hätte vertrauen dürfen, dass sie letzten Endes für die streitgegenständlichen Veranlagungsjahre einen Bescheid über Nachzahlungszinsen in Höhe von 0,00 Euro erlassen würde. Denn die Beklagte hat bei jeder Steuerfestsetzung in den Jahren 1998, 1999 und 2002 (sowie 2014) jeweils gleichzeitig die entsprechenden Nachzahlungszinsen festgesetzt und ohne einen weiteren Zinsbescheid hätten diese Festsetzungen weiter Bestand gehabt.
101Auf eine solche Zinsfestsetzung auf 0,00 Euro durfte der Kläger hier nicht vertrauen. Dass die Beklagte in irgendeiner Weise signalisiert hätte, dass sie unabhängig von den letztlich vom Finanzamt erlassenen Messbescheiden in jedem Fall die Nachzahlungszinsen auf 0 reduzieren werde, ist nicht ersichtlich. Der reine Zeitablauf kann diese Annahme jedenfalls nicht rechtfertigen.
102Zudem war dem Kläger bewusst, dass die vorherigen Festsetzungen weiter Bestand hatten und seine Rechtsbehelfe („Einsprüche“/Widersprüche) hierüber bei der Beklagten anhängig waren, sodass er mit einer weiteren Entscheidung rechnen musste. Ein etwaiges Vertrauen darauf, dass diese Rechtsbehelfe in seinem Sinne ausgehen würden und zu einer Reduzierung der Zinsen auf Null führen würden, kann jedoch nicht über den Grundsatz von Treu und Glauben geschützt sein. Denn deren Ergebnis richtete sich allein nach den gesetzlichen Vorgaben, hing also davon ab, welche Messbeträge des Finanzamtes zu welchen Gewerbesteuerfestsetzungen und zu verzinsenden Unterschiedsbeträgen führten.
103Soweit der Kläger die Festsetzung allgemein wegen einer überlangen Verfahrensdauer als treuwidrig ansieht, ist dem entgegenzuhalten, dass die Dauer der Aussetzung hier, anders als bei den Aussetzungszinsen, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Höhe der Nachzahlungszinsen hatte. Wie oben dargestellt, sind die Zinsläufe bis maximal 2002 berechnet worden. Entsprechend kann offen bleiben, ob das Verfahren tatsächlich unangemessen lange gedauert hat, aus welchen Gründen seit der 1998 erfolgten ersten Festsetzung von Gewerbesteuer bis zur letzten Festsetzung 2015 mit einem Unterschiedsbetrag ca. 17 Jahre vergangen sind und ob sich die Beklagte etwaige Versäumnisse durch das Finanzamt zurechnen lassen müsste. Hinsichtlich des von dem Kläger angeführten Verstoßes gegen Art. 6 EMRK wird auf die Ausführungen zu den Aussetzungszinsen unter II. verwiesen.
1044. Soweit der Kläger gegen die Zinsfestsetzung sinngemäß einwendet, er habe einen Erlassanspruch, dringt er damit nicht durch. Das Interesse an einem Billigkeitserlass kann nicht mit der Anfechtungsklage verfolgt werden, die sich unmittelbar gegen die Steuerfestsetzung richtet. Die Steuerfestsetzung enthält als solche nicht gleichzeitig die Ablehnung einer Zulassung abweichender (niedrigerer) Steuerfestsetzung im Sinne des § 163 AO. Die Entscheidung nach § 163 AO ist vielmehr ein gegenüber der Steuerfestsetzung selbständiger Verwaltungsakt. Auch wenn Billigkeitserlass und Steuerfestsetzung in einem Verfahrensschritt verbunden werden können, handelt es sich der Sache nach um zwei Entscheidungen, wobei die Billigkeitsentscheidung, mag sie (im ganzen oder teilweisen Sinne ablehnend) getroffen worden sein oder nicht, mit der Verpflichtungsklage zu erstreben ist. Die Abgabenfestsetzung wird durch einen erforderlichen, aber unterbliebenen Billigkeitserlass nicht rechtswidrig, und zwar auch nicht aus rein verfahrensrechtlichen Gründen. In einem solchen Fall ist nämlich nicht die Abgabenfestsetzung zu früh, sondern allenfalls der Billigkeitserlass zu spät erfolgt,
105vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juni 1982 - 8 C 90.81 -, juris Rn. 17; OVG NRW, Urteile vom 5. Oktober 2006 - 15 A 2922/04 -, juris Rn. 35 f. und vom 4. Dezember 2001 - 15 A 5566/99 -, juris Rn. 32 f.
106Im Übrigen wird zur Frage des Erlassanspruchs auf das Urteil des Gerichts vom heutigen Tage im Verfahren 24 K 6318/15 Bezug genommen.
107II. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2015 betreffend die Festsetzung von Aussetzungszinsen ist ebenfalls rechtmäßig.
108Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Aussetzungszinsen sind die §§ 237, 238 und 239 AO.
109An der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist der Bescheid entgegen der Rüge des Klägers hinreichend begründet. Ausgehend von den oben dargestellten Anforderungen nach § 121 AO ist die Zinsberechnung anhand der beigefügten Anlage unter gebotener Zuhilfenahme der dem Kläger bekannten, vorherigen Steuerbescheide und Aussetzungsverfügungen sowie der Steuerfestsetzung vom 16. Juni 2015 (zur Bestimmung des ausgesetzten Betrages und des Beginns der Verzinsung) nachvollziehbar aufbereitet. Im Übrigen käme im Falle eines Formverstoßes § 127 AO ebenfalls zur Anwendung.
110Der Bescheid ist materiell ebenfalls rechtmäßig.
1111. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Zinsfestsetzung sind erfüllt.
112a) Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung ausgesetzt wurde, zu verzinsen, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Dies gilt nach Satz 2 auch, wenn nach Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid die Vollziehung des Folgebescheides ausgesetzt wurde.
113Letzteres ist hier der Fall. Das maßgebliche Rechtsbehelfsverfahren war das Verfahren über die Gewerbesteuermessbeträge 1991 bis 1997 vor dem Finanzamt und Finanzgericht. Infolge der Einsprüche des Klägers gegen die jeweiligen Gewerbesteuermessbescheide als Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (sowie der anschließenden Klage gegen die Einspruchsentscheidung) und der Aussetzung von der Vollziehung wurden auch die jeweiligen Gewerbesteuerbescheide als Folgebescheide von der Vollziehung ausgesetzt (vgl. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO). Diese Rechtsbehelfe waren insofern teilweise erfolglos, als im Ergebnis weiterhin eine Steuerpflicht, allerdings mit geringeren Messbeträgen als zuvor festgestellt wurde, sodass die dementsprechende, letztlich festgesetzte (geringere) Gewerbesteuerschuld zu verzinsen war.
114Die Festsetzung der Aussetzungszinsen am 16. Juni 2015 ist auch nicht verfrüht ergangen, obwohl sie erfolgt ist, bevor die Rechtsmittelfristen zu den nunmehr maßgeblichen Gewerbesteuermessbescheiden und zugehörigen Folgebescheiden der Beklagten, sämtlich vom 16. Juni 2016, abgelaufen waren. Zwar entsteht der Zinsanspruch erst nach endgültiger Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfes, also grundsätzlich erst mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung. Weil das Gesetz sowohl die Entstehung des Zinsanspruchs als auch seine Reichweite an das Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens knüpft, aus Anlass dessen die Aussetzung der Vollziehung erfolgt ist,
115vgl. dazu BFH, Urteil vom 31. August 2011 - X R 49/09 -, juris Rn. 17 ff.,
116ist kein Raum dafür, eine Verzinsung des überschießend ausgesetzten Betrages vor Abschluss des „Anknüpfungsverfahrens“ zuzulassen. Jedoch hat das hier relevante Anknüpfungsverfahren sein (unanfechtbares) Ende bereits durch übereinstimmende Hauptsachenerledigungserklärung im Erörterungstermin vom 26. März 2015 gefunden. Damit stand zwischen den Beteiligten verbindlich fest, welche Gewerbesteuermessbeträge für die einzelnen Veranlagungsjahre in Ansatz zu bringen waren. Allein die noch ausstehende förmliche Umsetzung durch Erlass entsprechender Änderungsbescheide betreffend Grundlagen- und Folgebescheide ändert daran nichts.
117Die Berechnung der Zinsen im Einzelnen richtet sich nach § 237 Abs. 2, § 238 und § 239 Abs. 2 AO. Ausgehend hiervon hat die Beklagte zutreffend Zinsen in Höhe von einhalb Prozent für jeden vollen Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) auf den nach der endgültigen Festsetzung vom 16. Juni 2015 geschuldeten, abgerundeten Gewerbesteuerbetrag (§ 238 Abs. 2 AO), beginnend mit dem Wirksamwerden der Aussetzung der Vollziehung (bei der ersten Aussetzung rückwirkend zum 5. Februar 1999; bei den laufenden Aussetzungen zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der Steuerschuld) bis zum Ende der Aussetzung am 20. Juli 2015 (§ 237 Abs. 2 AO), berechnet und abgerundet (§ 239 Abs. 2 AO).
118b) Hinsichtlich der angewendeten Zinshöhe gelten die obigen Ausführungen (zu I.) zur Zulässigkeit der typisierenden Festlegung des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend.
119Insbesondere ergibt sich auch aus der Zinsentwicklung in den hier bzgl. der Aussetzungszinsen relevanten Verzinsungszeiträumen zwischen dem 5. Februar 1999 bis zum 20. Juli 2015 (somit teilweise in der vom Kläger angeführten Niedrigzinsphase seit 2009) keine Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % im Jahr.
120Wie oben dargestellt, käme im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Überschreiten des Gestaltungsspielraums bzw. eine Anpassungspflicht des Gesetzgebers an die jeweilige Zinsentwicklung nur dann in Betracht, wenn der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO völlig auseinanderfielen.
121Bei der Beurteilung, ob eine solche verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Differenz besteht, sind jedoch – entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers – als Vergleichsmaßstab für die Marktverhältnisse nicht nur die Zinsen zu berücksichtigen, die bei (insbesondere kurzfristigen und sicheren) Anlagen von Guthaben erzielt werden können, sondern auch alle sonstigen potentiellen Liquiditätsvorteile in Form von anderen Möglichkeiten der Kapitalverwendung oder dem Vorteil aus ersparten Aufwendungen,
122vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17; BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 -, juris Rn. 28; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2016 – 2 K 5510/15 –, juris Rn. 18.
123Dies ergibt sich daraus, dass nach dem vom Gesetzgeber mit der Verzinsung verfolgten Zweck der Liquiditätsvorteil des Zinszahlungspflichtigen abgeschöpft werden soll. Im Falle von § 237 AO ist dies namentlich der Nutzungsvorteil, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht "an sich" dem Steuergläubiger zusteht. Dieser maßgebliche Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand der erzielbaren Guthabenzinsen, da sowohl die bei der Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind,
124vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17 unter Bezugnahme auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris; BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 -, juris Rn. 28; BFH, Urteil vom 1. Juli 2014 - IX R 31/13 -, juris Rn. 10.
125So kommen einerseits neben der reinen Guthabenverzinsung regelmäßig auch andere Anlageformen, etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen,
126vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17; BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 -, juris Rn. 28.
127Insbesondere sind andererseits auch die am Markt üblichen Kreditzinssätze (etwa für Dispositionskredite und andere unbesicherte Konsumentenkredite) zu berücksichtigen. Denn ein Liquiditätsvorteil kann sich auch in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen. Ein Steuerschuldner, der ständig Kredite in Anspruch nimmt oder eine Steuerzahlung fremdfinanzieren müsste, hat während der Aussetzung des Betrages von der Vollziehung (bzw. bei § 233a AO bis zur Fälligkeit der Nachzahlung) einen geringeren Fremdfinanzierungsbedarf und spart damit Darlehenszinsen,
128vgl. BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 17; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2016 – 2 K 5510/15 –, juris Rn. 18, wonach die Darlehenszinsen richtigerweise insbesondere im Gewerbesteuerrecht relevant sind, weil ein erheblicher Anteil von Gewerbetreibenden auf Darlehen angewiesen sei, um die für den Betrieb notwendigen Investitionen finanzieren zu können.
129Gleiches gilt für ersparte Verzugszinsen, weil ein Steuerschuldner die ausgesetzte/erst später zu zahlende Steuersumme zur Vermeidung von Zahlungsverzug einsetzen kann,
130vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 21.
131Eine Unverhältnismäßigkeit des Zinssatzes kann demnach nicht (allein) darin begründet werden, dass der am Markt zu erzielende Guthabenzins unter 6 % im Jahr bzw. bis auf 0 % sinkt. Dementsprechend ist die Zinshöhe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von dem Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Zinsniveaus bis 2006 gebilligt worden, obwohl das allgemeine Zinsniveau seit 1993 abgefallen und teilweise unter 6 % im Jahr verblieben war,
132vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2539/07 -, juris und zur Zinsentwicklung in dieser Zeit OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 19.
133Für den danach liegenden Zeitraum hat das OVG NRW festgestellt, dass auch die Zinssteigerung in den Jahren 2007 und 2008 und die ab 2009 signifikant negative Entwicklung des Zinsniveaus (gemessen an den erheblich gefallenen Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und der Umlaufrendite), jedenfalls bis Ende des dort streitgegenständlichen Zinszeitraumes bis August 2012, keinen hinreichenden Anlass für eine andere Bewertung bieten,
134vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 14 A 1196/13 -, juris Rn. 20.
135Auch für den Zeitraum bis 2013 ist nach Ansicht des BFH nicht zu erkennen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse derart verändert hätten, dass selbst bei Einbeziehung der für einen Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze (z.B. bei unbesicherten Kreditformen) bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 6 % im Jahr gänzlich marktfremd erschiene,
136vgl. BFH, Beschluss vom 19. Februar 2016 - X S 38/15 -, juris Rn. 29.
137Gleiches gilt auch für die Marktverhältnisse nach 2013, jedenfalls in dem hier entscheidenden Zeitraum bis Juli 2015.
138In diesen Jahren lagen insbesondere die Kreditzinsen häufig deutlich über 6 % p.a.
139So betrugen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung zwischen 5,49 % p.a. und 6,81 % p.a. (wobei außer in zwei Monaten der Zinssatz konstant über 6 % lag),
140vgl. Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Konsumentenkredite an private Haushalte, abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Geld_und_Kapitalmaerkte/Zinssaetze_und_Renditen/Einlagen_und_Kreditzinssaetze/einlagen_und_kreditzinssaetze.html.
141Für Dispositionskredite waren deutlich über 6 % Zinsen zu zahlen. Diese belaufen sich etwa seit September 2011 auf im Durchschnitt 10,26 % (Minimum 9,45 %, Maximum 11,39 %),
142vgl. Finanzrechner der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, abrufbar unter: http://zinsentwicklung.faz.net/faz/zinsentwicklung/schnellversion/, Stand: September 2016.
143Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen für Handelsgeschäfte nach § 288 Abs. 2 BGB (seit dem 29. Juli 2014 neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, vorher acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin in 2014 und 2015 zwischen 7,27 % und 8,17 %).
144Der Zinssatz von 6 % im Jahr hält sich angesichts dessen auch in der (gegenwärtigen) sog. Niedrigzinsphase in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen,
145vgl. auch Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 3 V 401/16 -, juris Rn. 35 (für Zinszeiträume von 2000 bis November 2015); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2016 – 2 K 5510/15 –, juris Rn. 18.
146Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hier ausnahmsweise keinerlei Vorteile erlangt hat, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass er einen Kredit hätte aufnehmen müssen, wenn er die Steuerforderungen sofort hätte begleichen müssen. Entsprechend hatte er infolge der Aussetzung einen Liquiditätsvorteil in Form von ersparten Kreditzinsen.
1472. Eine Festsetzungs- oder Zahlungsverjährung des Zinsanspruches liegt nicht vor. Die Festsetzungsfrist der § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 AO ist ersichtlich gewahrt, da die Festsetzung der Aussetzungszinsen am 16. Juni 2015 noch im selben Jahr nach dem Abschluss des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens am 26. März 2015 erfolgte. Gleiches gilt für die fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist nach § 228, § 229 Abs. 1 AO.
1483. Die Festsetzung der Aussetzungszinsen verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
149Wie bereits unter I. 4. ausgeführt, verdrängt der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) gesetztes Recht – hier die Aussetzungszinspflicht nach § 237 AO – nur in besonderen Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung – hier die Nichtfestsetzung von Aussetzungszinsen – nach allgemeinem Rechtsempfinden in so hohem Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten,
150vgl. bzgl. Aussetzungszinsen Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2014 - 4 K 4145/13 -, juris Rn. 29.
151Der hier allein in Betracht kommende Anwendungsfall der Verwirkung erfordert zunächst, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment). Überdies müssen besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde,
152st. Rspr. des BVerwG, vgl. z.B. Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 30; vgl. auch ausführlich Oebbecke, in: Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, S. 30 m.w.N.
153Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Einzelfall nicht vor.
154Es fehlt insofern bereits an dem längeren Zeitablauf seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts, als die Beklagte den Anspruch auf Aussetzungszinsen sofort geltend gemacht hat, nachdem die Voraussetzungen des § 237 AO vorlagen, nämlich nach Beendigung des „Anknüpfungsverfahrens“ und der Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt mit Bescheiden vom 16. Juni 2015.
155Selbst wenn auf den Zeitraum der Aussetzung der Vollziehung selbst (1999 bis 2015) abgestellt würde, fehlt es insoweit jedenfalls an dem Umstandsmoment.
156Der Kläger beruft sich diesbezüglich auf eine Untätigkeit der Beklagten während des „Anknüpfungsverfahrens“ bzw. darauf, dass sie sich eine Untätigkeit/Verzögerung durch das Finanzamt unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verwaltung zurechnen lassen müsse. Es kann jedoch dahinstehen, aus welchen Gründen sich das Einspruchsverfahren bei dem Finanzamt seit den Einsprüchen 1998/1999/2002 gegen die verschiedenen Veranlagungen für 1991-1997 bis 2014 hinzog.
157Denn zunächst ist hinsichtlich dieses Zeitraumes kein Verhalten der Beklagten erkennbar, aufgrund dessen der Kläger darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Beklagte nach Beendigung der Aussetzung keine Aussetzungszinsen mehr geltend machen würde. Der Kläger hat die Aussetzung der Vollziehung selbst nach jeder neuen Festsetzung 1999 und 2002 mehrmals beantragt. Bei der Gewährung der Aussetzung haben sowohl das Finanzamt als auch die Beklagte den Kläger jedes Mal ausdrücklich auf das Entstehen von Aussetzungszinsen nach § 237 AO hingewiesen. Dem – zumal während des Verfahrens bereits anwaltlich vertretenen – Kläger war demnach bewusst, dass für die Zeit einer Aussetzung von der Vollziehung später, nach Abschluss der anhängigen Rechtsbehelfsverfahren Zinsen berechnet werden würden.
158Abgesehen davon, dass sich die Beklagte 2002 und 2014 alle zwei Jahre bei dem Finanzamt nach dem Sachstand der Aussetzung erkundigt hat, mithin nicht gänzlich untätig geblieben ist, hat sie keinerlei Erklärung oder Ähnliches gegenüber dem Kläger abgegeben, dass die Aussetzung ohne die Zinspflicht gewährt werden würde. Vielmehr gab es in dieser Zeit keinerlei Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten. Der reine Zeitablauf der Aussetzung kann jedoch keine Grundlage für ein Vertrauen darauf begründen, dass keine Aussetzungszinsen mehr geltend gemacht würden,
159vgl. Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2014, - 4 K 4145/13 -, juris Rn. 39, bestätigt von BFH, Urteil vom 27. April 2016 - X R 1/15 -, juris.
160Weiterhin folgt allein aus einer (über-)langen Dauer des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das der Festsetzung von Aussetzungszinsen zugrunde liegt, unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Finanzamtes oder der steuererhebenden Behörde auch deshalb keine Verwirkung des materiellen Steueranspruchs auf Aussetzungszinsen, weil das geltende Recht mit der Untätigkeitsklage nach § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) und/oder 75 VwGO ausreichende Möglichkeiten bietet, die Entstehung von hohen Aussetzungszinsen infolge der Verfahrensdauer von vornherein zu vermeiden,
161vgl. instruktiv BFH, Urteil vom 27. April 2016 - X R 1/15 -, juris Rn. 22 ff.
162Hinsichtlich des Umstandsmomentes ist neben dem Verhalten der jeweiligen Finanzbehörde auch das Verhalten des Steuerpflichtigen von Bedeutung. Da diesem im Fall der Untätigkeit der Steuerbehörden durch das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit des präventiven Rechtsbehelfes der Untätigkeitsklage eröffnet ist, besteht kein Bedarf für eine Rechtsfortbildung dahingehend, in derartigen Fällen die Festsetzung von Aussetzungszinsen als rechtswidrig anzusehen,
163vgl. BFH, Urteil vom 27. April 2016 - X R 1/15 -, juris Rn. 35, 39; BFH, Urteil vom 14. September 1978 - IV R 89/74 -, juris Rn. 42.
164Diese Möglichkeit, das Verfahren bei dem Finanzamt und der Beklagten mithilfe einer Untätigkeitsklage zu beschleunigen, sodass es gar nicht erst zu einer hohen Belastung mit Aussetzungszinsen gekommen wäre, hat der Kläger nicht genutzt. Auch anderweitig hat er sich zwischen 2002 und 2014 nicht an die Beklagte gewandt, obwohl eine Nachfrage nahe gelegen hätte, bevor im Vertrauen auf eine spätere Nichtfestsetzung ggf. Dispositionen getroffen worden sind. Im Übrigen hätte es dem Kläger auch frei gestanden, die geschuldeten Beträge zunächst zu zahlen, um das Entstehen der Zinsen zu verhindern (und später ggf. Erstattungszinsen zu erlangen).
165Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, welche tatsächlichen Umstände zu der Dauer des Einspruchsverfahrens bei dem Finanzamt und damit der Dauer der Aussetzung geführt haben. Dementsprechend war der Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, das Gericht möge diesbezüglich Ermittlungen durchführen, nicht zu folgen.
166Schließlich steht auch das von dem Kläger geltend gemachte Recht auf ein faires Verfahren nach der EMRK der Zinsfestsetzung nicht entgegen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
167Die von dem Kläger erhobene Rüge einer überlangen Verfahrensdauer „vor der Verwaltungsbehörde“ nach Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 EMRK, § 198 Abs. 3 GVG geht insoweit schon deshalb fehl, als diese für eine Entschädigungsklage erforderliche Verzögerungsrüge sich ausdrücklich auf die Dauer eines Gerichtsverfahrens bezieht (wobei Anhaltspunkte dafür, dass das finanzgerichtliche Verfahren - September 2014 bis März 2015 - oder das vorliegende Verfahren - Juli 2015 bis September 2016 - unangemessen lang gedauert hätten, nicht vorliegen). Unabhängig davon, ob vorliegend das Verfahren bei dem Finanzamt unangemessen lange gedauert hat (und die Beklagte sich dies zurechnen lassen müsste), ist eine überlange Dauer behördlicher Verfahren sowohl nach dem Wortlaut der §§ 198 ff. GVG als auch deshalb nicht erfasst, weil insoweit wiederum hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten durch eine Untätigkeitsklage bestehen,
168vgl. BFH, Urteil vom 27. April 2016 - X R 1/15 -, juris Rn. 29 m.w.N.
169Selbst wenn Art. 6 der EMRK – die allgemein bei der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts als Auslegungshilfen heranzuziehen ist – grundsätzlich auf verwaltungsbehördliche Verfahren übertragbar sein sollte, beschränkt sich dessen Anwendungsbereich jedenfalls ausdrücklich auf „zivilrechtliche Ansprüche“ (und strafrechtliche Anklagen). Steuerrechtliche Streitigkeiten sind hiervon wegen des öffentlichen Charakters der Besteuerung auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nicht erfasst,
170vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juli 2001 - 44759/98 -, juris; vgl. auch BFH, Urteil vom 27. April 2016 - X R 1/15 -, juris Rn. 31 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 1. März 2016 - I B 32/15 -, juris Rn. 10.
1714. Soweit der Kläger sich auch im Zusammenhang mit der Anfechtung der Aussetzungszinsfestsetzung auf einen Erlassanspruch wegen Unbilligkeit beruft und damit sinngemäß geltend macht, dass die Beklagte bereits bei der Zinsfestsetzung verpflichtet gewesen wäre, nach § 237 Abs. 4 AO in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 2 AO auf die Erhebung der Zinsen zu verzichten, dringt er hiermit im Rahmen des Anfechtungsbegehrens nicht durch. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu § 163 AO verwiesen. Inhaltlich wird im Übrigen auf die Gründe des Urteils vom heutigen Tag in dem Verfahren 24 K 6318/15 Bezug genommen.
172Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
173Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.
174Anlass dazu, die Berufung entsprechend der Anregung durch den Prozessbevollmächtigten zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht erfüllt sind.
175Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Nr. 3 weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die klärungsbedürftige Frage muss also mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden können,
176vgl. zum Maßstab insgesamt OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2016 - 1 A 713/16 -, juris Rn. 20 f.
177Letzteres käme vorliegend allenfalls im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes in § 238 AO auch in einer sog. Niedrigzinsphase in Betracht. Insoweit besteht jedoch kein Klärungsbedarf, da ausweislich der hierzu zitierten Entscheidungen, u.a. des BVerfG, des BFH und des OVG NRW, hinreichend geklärt ist, welcher Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung der Marktverhältnisse heranzuziehen ist, sodass sich auf dieser Basis die Frage für die tatsächlichen Marktverhältnisse im jeweils streitentscheidenden Zeitraum beantworten lässt.
178Aus dem gleichen Grund scheidet eine Zulassung der Berufung nach Nr. 4 aus.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 14. Sept. 2016 - 24 K 4001/15
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 14. Sept. 2016 - 24 K 4001/15 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.
(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.
(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.
(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.
(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:
- 1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten), - 2.
die Vorschriften des Zweiten Teils (Steuerschuldrecht), - 3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84 (Allgemeine Verfahrensvorschriften), - 4.
die Vorschriften des Vierten Teils (Durchführung der Besteuerung), - 5.
die Vorschriften des Fünften Teils (Erhebungsverfahren), - 6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2, - 7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, - 8.
die Vorschriften des Achten Teils (Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).
(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.
(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.
(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.
(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.
(4) Steuerliche Nebenleistungen sind
- 1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c, - 2.
Verspätungszuschläge nach § 152, - 3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a, - 3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3, - 4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind, - 5.
Säumniszuschläge nach § 240, - 6.
Zwangsgelder nach § 329, - 7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345, - 8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union, - 9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und - 10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.
(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.
(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.
(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.
(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.
(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch
- 1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie, - 2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.
(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.
(2) Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden.
(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.
(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Sie veräußerten am 17. April 2002 eine am 27. November 1996 erworbene Eigentumswohnung. In dem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 8. Oktober 2004 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 61.539 € als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. In ihrem Einspruch vom 14. Oktober 2004 beriefen sich die Kläger hiergegen auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist. Auf den am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewährte das FA am 26. Oktober 2004 Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer von 29.632 €. Am 28. Oktober 2004 ordnete das FA das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache IX R 46/02 an. Dieses Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt (BFH-Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der Frage eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.
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Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 (Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76) entschieden hat, die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sei mit den belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden gewesen, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprachen, behandelte das FA nur noch einen Betrag von 34.078 € als steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn und setzte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Die gewährte AdV wurde zugleich aufgehoben. Mit Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 setzte das FA Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 (76 Monate) in Höhe von 6.023 € fest.
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Der Einspruch, in dem sich die Kläger darauf beriefen, dass die Zinsfestsetzung wegen der langen Verfahrensdauer von sechs Jahren und vier Monaten nicht nur überraschend, sondern auch willkürlich und verfassungswidrig sei, und die Klage blieben erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1734 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, die Zinsfestsetzung entspreche der gemäß §§ 237, 238 Abs. 1 AO geltenden Rechtslage. Es bestünden hinsichtlich des typisierten Zinssatzes von 6 Prozent p.a. keine verfassungsrechtlichen Bedenken für den Verzinsungszeitraum November 2004 bis März 2011. Zwar habe sich nunmehr --anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts-- ein Niedrigzinsniveau stabilisiert. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich damit gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 6 Prozent p.a. entscheidend verändert. Allerdings führten nach der zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit. Dem Gesetzgeber stünden zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen zu. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich werde.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung gehe willkürlich unter Verletzung der Grundrechte der Kläger --des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG) in der Ausformung des Halbteilungsgrundsatzes-- davon aus, sie wären unabhängig von der unbestimmten und überlangen Dauer des Verfahrens in der Lage gewesen, den zur Zahlung ausgesetzten Betrag für die Verfahrensdauer von 76 Monaten gewinnbringend anzulegen. Bei verfassungsmäßiger Rechtsanwendung hätte die tatsächliche Nutzung durch die Kläger ermittelt und lediglich diese konkret abgeschöpft werden müssen. Die Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungs- und menschenrechtswidrig. §§ 237, 238 AO verletzten den Grundsatz der Bestimmtheit, weil sie willkürlich die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens nicht berücksichtigten. Auch die Höhe der Zinsen von 6.023 € bezogen auf einen ausgesetzten Betrag in Höhe von 15.850 €, die "fast 50 %" des Betrages bedeute, sei angesichts der tatsächlich nicht bestehenden Nutzungsmöglichkeiten eine unsachliche, unverhältnismäßige und damit willkürliche Belastung der Kläger. Die (anteiligen) Verfahrens- und Gerichtskosten, die die Kläger auf den Wert von 15.850 € zahlen müssten, beeinträchtigten ebenfalls den fiktiv unterstellten Nutzungsvorteil in Bezug auf den Aussetzungsbetrag und seien daher hinzuzurechnen. Die Berechnung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage des Basiszinssatzes gemäß § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ermögliche dagegen eine einfach zu handhabende und der Realität entsprechende Bewertung. Bei einem Aussetzungsbetrag in Höhe von 15.850 € ergäbe sich bei der Verfahrensdauer von 76 Monaten ein Zinsbetrag --wie im Hilfsantrag berücksichtigt-- in Höhe von 1.620,01 €.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 aufzuheben,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 dahingehend zu ändern, dass Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes, mithin in Höhe von 1.620,01 €, festgesetzt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom FA vorgenommene Festsetzung von Aussetzungszinsen der geltenden Rechtslage entspricht (1.). Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe liegen nicht vor (2.). Der gestellte Hilfsantrag ist unbegründet (3.). Über einen nicht beantragten Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (4.).
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1. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
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a) Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht "an sich" dem Steuergläubiger zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, BStBl II 1979, 712; vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Zu § 251a der Reichsabgabenordnung (RAO), auf den § 237 AO zurückgeht (vgl. dazu Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2001 3 A 1928/98, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2002, 477), ist im Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961 (BTDrucks III/2573, S. 37) ausgeführt, die Norm sei das Gegenstück zu § 155 RAO. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die AdV erreicht werde, dass unnötige Steuerprozesse vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als "Gegenstück" zu den Prozesszinsen bezeichnet werden, so soll damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers abzielt und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt (BFH-Urteil vom 31. März 2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602, unter II.1.a).
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b) Das FG hat auf der Rechtsgrundlage der §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO die Festsetzung der Aussetzungszinsen in Höhe von 6.023 € zutreffend als der geltenden Rechtslage entsprechend angesehen.
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2. Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
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Ein Gericht kann die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung überzeugt ist (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. März 1984 1 BvL 23/83, BVerfGE 66, 265, unter B.2.; BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1989 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, unter B.1., und vom 22. September 2009 2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251, unter B.2.a). Eine solche Überzeugung vermochte sich der Senat im Streitfall hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe indes nicht zu bilden.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, unter C.1.; BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, unter C.II.1.d, und vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, unter C.I.1.b). Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 1563, 1565). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel --wie im Streitfall-- Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Oktober 1969 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142, unter B.1.b, und in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Der Senat kann sich für den Streitfall nicht die Überzeugung bilden, dass der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hat.
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b) Das BVerfG (Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b bb) hat --bezogen auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006-- zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt: "Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt."
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c) Zwar hat das FG an den Ausführungen des BVerfG zu Recht für zweifelhaft angesehen, ob angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV-Technik bei einer Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 BGB weiterhin "erhebliche praktische Schwierigkeiten" bestünden (kritisch auch Ortheil, Betriebs-Berater 2012, 1513, 1516; Seer/Klemke, Institut Finanzen und Steuern e.V., IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 48), allerdings gelten die übrigen vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gleichermaßen jedenfalls noch für die im Streitfall betroffenen Zinszahlungszeiträume von 2004 bis 2011. Die Ermittlung eines konkreten Zinsvorteils oder -nachteils ist für den konkreten Einzelfall regelmäßig nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2013 X B 233/12, BFH/NV 2013, 1380).
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aa) Soweit die Kläger meinen, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.
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Zwar lag der Effektivzinssatz in % p.a. für Einlagen privater Haushalte (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monate) in dem Verzinsungszeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 deutlich unter dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals jedoch von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig ist, sind indes bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen (gleicher Ansicht BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1380). Anders als Seer/Klemke (IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 56) meinen, besteht auch kein Grund dafür, nur kurzfristige Fremdfinanzierungen einzubeziehen. Denn die Verzinsung bei einer AdV erfasst --wie der Streitfall zeigt-- auch langfristige Zeiträume. In dem genannten Verzinsungszeitraum lagen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung (zwischen 7,14 % p.a. und 5,32 % p.a. [Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Konsumentenkredite an private Haushalte]) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % p.a.). Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 8,32 % und 5,12 %) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 11,32 % und 8,12 %).
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Da sich der Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) somit bei diesem Vergleich noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass für nicht besicherte Kreditgewährungen im Vergleich zu besicherten Krediten am Markt in der Regel zur Vergütung des Risikos ein höherer Darlehenszins zu bezahlen ist. Da die Forderungen des FA gegenüber den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht besichert sind, lässt sich dieser Umstand eher dafür anführen, sich am höheren Zinsniveau für unbesicherte Darlehen zu orientieren.
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Dafür, dass sich der Gesetzgeber mit der Höhe des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Streitfall innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis hält, spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Wie unter II.1.a dargelegt, geht § 237 AO auf § 251a RAO --eingeführt durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981)-- zurück. Der Zinssatz in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspricht der damaligen Rechtslage in § 5 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG). § 5 Abs. 1 StSäumG sah ebenfalls Zinsen für jeden Monat von einhalb von Hundert vor. Der typisierende Zinssatz gilt daher über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen, in dem erhebliche Zinsschwankungen --nach oben und nach unten-- auftraten. Dass die Kläger möglicherweise tatsächlich keinen oder einen geringeren Zinsvorteil erlangt haben, ist für die Verzinsung gemäß § 237 AO grundsätzlich unerheblich (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115).
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Nachdem sich erst nach dem streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum das Marktzinsniveau dauerhaft auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert hat, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung des Senats, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit so einschneidend geändert haben, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird (so Jonas, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 960 f.). Dann kann der Gesetzgeber allerdings von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 8. August 1978 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, unter B.II.2.c; vom 24. November 1981 2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119, unter II.2.c, und vom 28. November 1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181).
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bb) Folge einer Typisierung ist notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Ist vorhersehbar, dass in Ausnahmefällen besondere Härten auftreten können, die nicht in zumutbarer Weise durch gesetzliche Sonderregelungen vermeidbar sind, steht dies der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht entgegen, wenn für deren Behebung im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen (vgl. § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO) zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts fällt insbesondere die Möglichkeit des Billigkeitsverzichts zur Milderung unbilliger Härten ins Gewicht (BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102; BFH-Urteile vom 6. Februar 1976 III R 24/71, BFHE 118, 151; vom 23. März 1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396; vom 27. Mai 2004 IV R 55/02, BFH/NV 2004, 1555, und vom 20. September 2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498).
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d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, dass die §§ 237, 238 AO gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen.
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Verwaltung Steuerpflichtige nur aufgrund solcher Gesetze belasten, die nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. August 1996 2 BvR 2088/93, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 3146, m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Dass in Fällen der vorliegenden Art der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts hinreichend erkennen.
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e) Die Vorentscheidung verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieses Grundrechts wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, BStBl II 1983, 779, und in BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181). Für eine derartige Wirkung einer Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.
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f) Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eröffnet ist und sich daraus oder aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot effektiven Rechtsschutzes) die von den Klägern behauptete Rechtsfolge ableiten ließe, ein Bescheid über Aussetzungszinsen werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, wenn die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens verfassungswidrig überlang gewesen sei. Denn für eine Unangemessenheit der Dauer des Verwaltungsverfahrens hat das FG keine Feststellungen getroffen.
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Die Dauer des Verwaltungsverfahrens beruhte im Wesentlichen auf der gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetretenen Verfahrensruhe bis zur Entscheidung des BFH in dem Musterverfahren IX R 46/02, das der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt und dem BVerfG nach Art. 100 GG vorgelegt hat. Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 entschieden hat, setzte das FA mit Bescheid vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest und hob die gewährte AdV auf.
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Das Ruhen des Einspruchsverfahrens diente --auch im Interesse der Kläger-- der Verfahrensökonomie (vgl. Begründung zu § 363 AO, BTDrucks 12/7427, S. 37). Sie hätten jederzeit die Fortführung des Einspruchsverfahrens beantragen können (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Für Verfahren vor dem BVerfG ist zu berücksichtigen, dass dessen Sachentscheidungen über den Einzelfall hinaus wirken und teilweise Gesetzeskraft haben (§ 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht), weshalb grundsätzlich in jedem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung erforderlich ist, die einer Verfahrensbeschleunigung Grenzen setzt. Außerdem gebietet es --wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkennt (EGMR-Urteile vom 25. Februar 2000 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, NJW 2001, 211, Rz 75; vom 8. Januar 2004 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, NJW 2005, 41, Rz 49, 52; vom 6. November 2008 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 177, Rz 63, und vom 22. Januar 2009 45749/06, 51115/06, Kaemena und Thöneböhn ./. Deutschland, juris, Rz 61 ff.)-- die besondere Rolle des BVerfG, bei der Bearbeitung der Verfahren gegebenenfalls andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, etwa weil besonders bedeutsame Verfahren vorrangig bearbeitet werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 1. Oktober 2012 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789). Zudem kann zur Klärung von Auslegungsfragen des Grundgesetzes ein Zuwarten bei der Bearbeitung einzelner Verfahren nötig sein, weil mehrere Verfahren zu einem Fragenkreis gebündelt werden müssen, um einen umfassenden Blick auf die verfassungsrechtliche Problematik zu ermöglichen, oder weil umgekehrt eine in mehreren Verfahren aufgeworfene Frage in einem Pilotverfahren geklärt wird, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt bleiben (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 177, Rz 63 f.; BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 789). Entgegen der Auffassung der Kläger kann daher im Streitfall nicht aus der Dauer des der Verfahrensruhe zugrundeliegenden Musterverfahrens auf eine überlange, unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens geschlossen werden.
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3. Der Hilfsantrag ist unbegründet.
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Steuerrechtlich besteht keine Rechtsgrundlage für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes gemäß § 247 BGB. Wie unter II.1. dargelegt, beruht der Festsetzungsbescheid über die Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 auf den §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO.
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4. Über einen --nicht beantragten-- Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Frage eines eventuellen Zinsverzichts des FA als Billigkeitsmaßnahme gemäß § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO wäre in einem gesonderten Verfahren zu klären.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird, - 2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.
(1) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Sie beginnt jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt; eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung gleich. Wird die Festsetzung oder Anmeldung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so beginnt die Verjährung des gesamten Anspruchs erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung wirksam geworden ist.
(2) Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlungsaufforderung nachgeholt worden ist, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist.
(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch
- 1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub, - 2.
Sicherheitsleistung, - 3.
eine Vollstreckungsmaßnahme, - 4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren, - 5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, - 7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und - 8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme, - 2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit, - 3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung, - 4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, - 5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.
(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.
(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.
(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.
(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.
(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.
(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.
(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.
(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.
(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.
(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.
(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.
(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.
(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.
(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.
(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).
(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.
(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.
(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.
(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.
(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.
Tatbestand
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I. Der Revisionsbeklagte ist Erbe der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägerin (E).
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E war Gesellschafterin einer GbR. Während eines Rechtsbehelfsverfahrens betreffend negative Gewinnfeststellungsbescheide der GbR war die Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt worden. Infolgedessen wurde die Vollziehung der Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag aufgehoben (künftig: ausgesetzt/Aussetzung). Diese Aussetzung erfolgte allerdings in größerem Umfang als es der Streitgegenstand hinsichtlich der Feststellungsbescheide erfordert hätte. Nach dem Vorbringen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) im Revisionsverfahren beruhte dies darauf, dass bei der Berechnung fälschlich frühere --zwischenzeitlich geänderte-- Bescheide zugrunde gelegt worden waren.
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Das Rechtsbehelfsverfahren hatte in vollem Umfang Erfolg. Wegen der überhöhten AdV hatte E gleichwohl Nachzahlungen zu leisten. Das FA setzte deswegen gegen E für Einkommensteuer 1994 und 1996 nebst Solidaritätszuschlag 1996 Aussetzungszinsen in Höhe von zuletzt insgesamt 375.774 € fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 382 veröffentlichten Urteil, das im Rubrum die Einkommensteuer 1994 und 1996, nicht aber den Solidaritätszuschlag 1996 nannte, der Klage statt. Für die Festsetzung dieser Zinsen fehle es an einer rechtlichen Grundlage. § 237 der Abgabenordnung (AO) sei nicht anwendbar, wenn, wie hier, Einspruch oder Klage in vollem Umfange Erfolg gehabt hätten. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zinsen als Ausgleich für Fehler eines Finanzamts bei einer AdV.
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Mit der Revision vertritt das FA weiterhin die Auffassung, die Nachzahlungsbeträge seien zu verzinsen. Im Rubrum der Revisionsbegründung nennt es, nachdem es im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wie das FG ausdrücklich lediglich die Einkommensteuern bezeichnete, wieder den Solidaritätszuschlag 1996.
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Die in § 237 Abs. 1 Satz 1 AO vorausgesetzte Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs beurteile sich allein danach, inwieweit nach endgültiger Erledigung der ausgesetzte Betrag geschuldet werde, unabhängig davon, aus welchem Grund dies der Fall sei. Daher sei nicht der Streitgegenstand des Einspruchsverfahrens, sondern der geschuldete und von der Vollziehung ausgesetzte Steuerbetrag für den Umfang der Verzinsung maßgebend. Im Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheiden gelte nach § 237 Abs. 1 Satz 2 AO nichts anderes. Der Wortlaut des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO sei daher unter Berücksichtigung seines Zwecks erweiternd so auszulegen, dass ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid auch insoweit endgültig keinen Erfolg gehabt habe, als trotz Abhilfe des Einspruchs oder der Anfechtungsklage weiterhin ein Betrag geschuldet werde, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt gewesen sei.
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Dieses Verständnis entspreche dem Zweck des § 237 Abs. 1 AO. Die Vorschrift wolle dem Steuerpflichtigen den ihm durch die AdV eröffneten, jedoch nach materiellem Recht nicht zustehenden Zinsvorteil nehmen. Dem werde lediglich eine Verzinsung gerecht, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit der AdV-Entscheidung in Grund und Höhe an den tatsächlich ausgesetzten und noch verbliebenen geschuldeten Betrag anknüpfe.
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Im Übrigen sei E nicht rechtsschutzlos gestellt gewesen, denn sie hätte ihre Zinszahlungspflicht durch verschiedene Maßnahmen vermeiden können, namentlich durch Einspruch gegen die AdV-Verfügungen, durch Änderungsantrag nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO oder auch durch Zahlung der zuviel von der Vollziehung ausgesetzten Beträge. Die AdV wäre dann gegenstandslos geworden.
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Das FA beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Der Revisionsbeklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Die Auffassung des FA stehe mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Einklang. Danach sei Grundvoraussetzung für die Festsetzung von Aussetzungszinsen, dass ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage ganz oder teilweise ("soweit") endgültig keinen Erfolg gehabt habe. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, da der Einspruch in vollem Umfang erfolgreich gewesen sei. Zum zweiten in § 237 AO vorgesehenen Prüfungsschritt, der Festlegung der Höhe der Aussetzungszinsen, komme man danach nicht mehr.
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Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), auf die sich das FA zur Berechnung des zu verzinsenden Betrages stütze, seien jeweils zu Sachverhalten ergangen, in denen die Rechtsbehelfe zumindest teilweise nicht erfolgreich gewesen seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass für die Nachzahlungsbeträge keine Zinsen festzusetzen waren.
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1. Hinsichtlich des Streitgegenstandes stellt der Senat klar, dass der Rechtsstreit auch den Solidaritätszuschlag 1996 umfasst. Einspruch und Klage hatten den Solidaritätszuschlag zum Gegenstand. Soweit die Rubren, beginnend mit dem FG-Urteil, ihn zunächst nicht mehr enthielten, handelt es sich um offenkundige Versehen.
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2. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid oder gegen eine Einspruchsentscheidung hiergegen endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Dies gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung hiergegen die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AO).
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Die in Satz 1 dieser Vorschrift genannte Voraussetzung, dass ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage "endgültig keinen Erfolg gehabt" haben dürfe, gilt damit auch in den Fällen des Satzes 2.
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An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Die Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundlagenbescheide hatten in vollem Umfang Erfolg.
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a) Der Wortlaut des § 237 AO ist insoweit eindeutig. Die Frage, ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren und ist unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. "Endgültig keinen Erfolg gehabt" hat der Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen, vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen oder eingeschränkt worden ist, wenn mithin das FA dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft, gleich, aus welchem Grunde (grundlegend Senatsurteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319, m.w.N.).
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Für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit i.S. des § 237 Abs. 1 Satz 2 AO ist dementsprechend ausschließlich auf das Ergebnis des gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen, während die sich auf der Ebene des Folgebescheids ergebende steuerliche Auswirkung unbeachtlich ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 X B 36/03 und X B 37/03, BFH/NV 2004, 158; ebenso im Anschluss an die Vorinstanz Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 237 AO Rz 18, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 237 AO Rz 14).
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b) Soweit der BFH mehrfach entschieden hat, dass die Zinsfestsetzung nicht von der Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen AdV-Entscheidung, sondern von dem tatsächlich ausgesetzten Betrag abhängt (vgl. Urteile in BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319; vom 25. März 1992 I R 159/90, BFHE 168, 13, BStBl II 1992, 997; vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4; vom 9. November 1998 XI R 24/98, BFHE 187, 400, BStBl II 1999, 201, und vom 12. Dezember 2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339), beziehen sich diese Entscheidungen auf Konstellationen, in denen die jeweils eingelegten Rechtsbehelfe wenigstens teilweise ohne Erfolg geblieben waren. Die Tatbestandswirkung der AdV-Entscheidung (dazu eingehend Senatsurteil vom 22. Mai 2007 X R 26/05, BFH/NV 2007, 1817) bezieht sich nur auf die darauf folgende Frage, in welchem Umfang der ausgesetzte Betrag verzinst wird. Sie bezieht sich nicht, wie das FA meint, auf den fehlenden Erfolg des Rechtsbehelfs.
- 21
-
c) Überlegungen zu dem systematischen Zusammenhang des § 237 AO sowie zum Sinn und Zweck der Verzinsungsvorschriften vermögen keine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen.
- 22
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Nach § 233 Satz 1 AO werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. §§ 233a bis 237 AO enthalten eine Reihe von Zinstatbeständen für bestimmte Konstellationen. Die Zinstatbestände bilden einen abschließenden Katalog. Im Fall des in vollem Umfang erfolgreichen Rechtsbehelfs fallen nach der Konzeption des Gesetzes keine Aussetzungszinsen an; entscheidend ist der Erfolg des Rechtsbehelfs; der Umfang der AdV und der Aspekt der Verzinsung sind in diesem Fall unerheblich. Eine erweiternde Auslegung des Tatbestandes des § 237 Abs. 1 AO kommt daher nach Sinn und Zweck der Norm nicht in Betracht.
- 23
-
d) Der Senat verkennt nicht, dass dies in anderen Fällen zu scheinbar unbilligen Ergebnissen führen kann. Der Steuerpflichtige, der mit seinem Rechtsbehelf im Wesentlichen Erfolg hatte und nur zu einem Teil unterlegen blieb, hat Aussetzungszinsen für den gesamten zuviel ausgesetzten Betrag zu zahlen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4), während derjenige Steuerpflichtige, der vollen Erfolg hatte, hinsichtlich des zuviel ausgesetzten Betrags von der Zinspflicht verschont bleibt. Gerechtfertigt ist diese Differenzierung, weil derjenige, dessen Rechtsbehelf in vollem Umfang Erfolg hat, von der Zinspflicht verschont bleiben soll; der "volle Erfolg" wird gewissermaßen durch die vollständige Entbindung von der Zinspflicht "prämiert".
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3. Der angefochtene Zinsbescheid lässt sich auch auf keine andere Rechtsgrundlage stützen. § 233a AO erfasst Differenzen zwischen Festsetzungen. Die Nachzahlungsbeträge, um die es im Streitfall geht, beruhen nicht auf einer Änderung der Festsetzung, sondern auf dem Umfang der AdV. Eine Zinsvorschrift, die unmittelbar an Überzahlungen des Steuerpflichtigen oder der Finanzbehörde anknüpft, existiert nicht.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist gewerblich tätig. Im Sommer °°°° setzte das Finanzamt F. -T. die Gewerbesteuermessbeträge für 2009 auf 1.697,00 Euro und für 2010 auf 1.179,00 Euro fest.
3Mit Bescheid vom 00.00.0000 setzte die Beklagte die von der Klägerin für 2009 und 2010 zu entrichtende Gewerbesteuer auf 7.975,90 Euro und 5.659,20 Euro fest. Zugleich wurde die Klägerin zu Nachforderungszinsen von 1.523,00 Euro für 2009 und 1.243,00 Euro für 2010 herangezogen. Dabei legte die Beklagte einen Zinssatzes von 0,5 % pro Monat zugrunde.
4Am 00.00.0000 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Nachforderungszinsen insoweit wendet, als sie auf einem Zinssatz von mehr als 3 % pro Jahr beruhen. Zur Begründung führt sie aus, der gesetzliche Zinssatz von 0,5 % pro Monat für die Verzinsung von Steuernachforderungen sei verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt sei der gesetzliche Zinssatz nicht mehr von der weitreichenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt.
5Die Klägerin beantragt sinngemäß,
6den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 insoweit aufzuheben, als Nachzahlungszinsen von mehr als 761,50 Euro für 2009 und 621,50 Euro für 2010 festgesetzt werden.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie trägt vor, die gesetzliche Höhe der Nachforderungszinsen sei trotz der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
10Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Der Einzelrichter kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
13Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat die von der Klägerin zu entrichtenden Nachforderungszinsen zur Gewerbesteuer auf Grundlage von § 233a Abgabenordnung (AO) zutreffend festgesetzt.
14Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag, der sich bei der Festsetzung der Gewerbesteuer ergibt, zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Die Zinsen betragen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden Monat einhalb Prozent.
15Gegen diese gesetzliche Regelung und ihre Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall bestehen auch mit Blick auf die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) noch gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Übermaßverbot (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) vor. Bezogen auf die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bejaht.
16Beschluss vom 3. September 2009 ‑ 1 BvR 2539/07 ‑, NVwZ 2010, 902.
17Zur Begründung hat es auf den weiten Spielraum verwiesen, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zustehe. Mit der Verzinsung von Steuerforderungen und ‑erstattungen habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar jeweils spätestens bis zum Jahresende entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Insoweit beruhe die Regelung auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil habe. Es liege in der Konsequenz der Regelung, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greife, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen sei und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt worden seien. Wenn der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und ‑nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt habe, sei dies verfassungsrechtlich unbedenklich und stelle insbesondere keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle der konkrete Zinsvorteil oder ‑nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zeitraum zugrunde zu legen wären. In vielen Fällen sei eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhänge, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Zudem sei bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a i. V. m. § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirke.
18Nach diesen Kriterien liegt der für die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis geltende Zinssatz von 0,5 % pro Monat auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase nicht außerhalb des Spielraums, der dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zusteht.
19OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 ‑ 14 A 1196/13 ‑; BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 ‑ X B 233/12 ‑, jeweils juris.
20Dabei kann offen bleiben, ob die Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat (was 6 % pro Jahr entspricht) so groß werden kann, dass die Regelung der §§ 233a, 238 AO für solche Fälle mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar wäre, in denen ein Steuerpflichtiger Nachzahlungen zu leisten hat. Jedenfalls im hier interessierenden Zeitraum ( 00.00.0000 bis heute) überschreitet der Zinssatz von 6 % pro Jahr mit Blick auf die Zinsen am Kapitalmarkt den dem Gesetzgeber zustehenden Spielraum bei der Typisierung nicht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Guthabenzinsen stark gefallen sind und Anleger eine Verzinsung von jährlich 6 % nur noch in Ausnahmefällen erreichen können, wenn sie sich etwa für riskante und/oder langfristige Anlageformen entscheiden. Bei der Beurteilung, ob eine verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, sind jedoch nicht nur die Zinsen in den Blick zu nehmen, die für (insbesondere kurzfristige und sichere) Anlagen von Guthaben gezahlt werden. Denn mit der Verzinsung von Steuernachforderungen und ‑erstattungen sollen nicht nur Guthabenzinsen ausgeglichen werden, die der Steuerschuldner bis zur Nachzahlung oder Erstattung hätte erzielen können. Der Liquiditäts- und Zinsvorteil, der nach dem Willen des Gesetzgebers durch die pauschale Verzinsung ausgeglichen werden soll, kann vielmehr auch in zusätzlich angefallenen oder ersparten Fremdfinanzierungskosten bestehen. Ein Steuerschuldner, der ständig Kredite in Anspruch nimmt oder eine Steuernachzahlung fremdfinanzieren müsste, hat bis zur Fälligkeit der Nachzahlung einen geringeren Fremdfinanzierungsbedarf und spart damit Darlehenszinsen. Bis zu einer Steuerrückzahlung entstehen für einen solchen Steuerschuldner zusätzliche Fremdfinanzierungskosten. Da die Nachforderungszinsen nach §§ 233, 238 AO auch solche Vor- und Nachteile pauschal ausgleichen sollen, sind bei der Beurteilung, ob ein Zinssatz von 6 % pro Jahr den dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraum überschreitet, auch die Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, die auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase vielfach um oder sogar deutlich über 6 % liegen. Während Schuldner mit guter Bonität eine Immobilie zu Zinsen von deutlich unter 6 % finanzieren können, sind für sonstige mittel- und langfristige Kredite Zinsen um oder über 6 % keine Seltenheit. Die Zinsen für Dispositionskredite liegen häufig sogar über 10 %.
21Bei der Prüfung, ob sich der vom Gesetzgeber festgelegte Zinssatz noch innerhalb des ihm verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraums liegt, die am Geldmarkt üblichen Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, ist insbesondere im Gewerbesteuerrecht geboten. Ein erheblicher Anteil von Gewerbetreibenden ist auf Darlehen angewiesen, um die für den Betrieb notwendigen Investitionen finanzieren zu können.
22Unterliegt die gesetzliche Regelung der Nachzahlungszinsen im Steuerrecht mithin keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, ist weder der Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu reduzieren, noch ist nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
23Ausgehend vom gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat sind Fehler der konkreten Festsetzung der Nachforderungszinsen nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Sie veräußerten am 17. April 2002 eine am 27. November 1996 erworbene Eigentumswohnung. In dem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 8. Oktober 2004 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 61.539 € als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. In ihrem Einspruch vom 14. Oktober 2004 beriefen sich die Kläger hiergegen auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist. Auf den am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewährte das FA am 26. Oktober 2004 Aussetzung der Vollziehung (AdV) in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer von 29.632 €. Am 28. Oktober 2004 ordnete das FA das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache IX R 46/02 an. Dieses Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt (BFH-Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der Frage eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.
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Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 (Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76) entschieden hat, die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sei mit den belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden gewesen, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprachen, behandelte das FA nur noch einen Betrag von 34.078 € als steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn und setzte mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Die gewährte AdV wurde zugleich aufgehoben. Mit Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 setzte das FA Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 (76 Monate) in Höhe von 6.023 € fest.
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Der Einspruch, in dem sich die Kläger darauf beriefen, dass die Zinsfestsetzung wegen der langen Verfahrensdauer von sechs Jahren und vier Monaten nicht nur überraschend, sondern auch willkürlich und verfassungswidrig sei, und die Klage blieben erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1734 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, die Zinsfestsetzung entspreche der gemäß §§ 237, 238 Abs. 1 AO geltenden Rechtslage. Es bestünden hinsichtlich des typisierten Zinssatzes von 6 Prozent p.a. keine verfassungsrechtlichen Bedenken für den Verzinsungszeitraum November 2004 bis März 2011. Zwar habe sich nunmehr --anders als in den letzten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts-- ein Niedrigzinsniveau stabilisiert. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich damit gegenüber den Gegebenheiten bei Einführung des Zinssatzes von 6 Prozent p.a. entscheidend verändert. Allerdings führten nach der zu Art. 3 GG entwickelten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vorhandene Ungleichheiten nicht in jedem Fall zur sofortigen Verfassungswidrigkeit. Dem Gesetzgeber stünden zur Beseitigung solcher Ungleichheiten in bestimmten Fällen Fristen zu. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Beobachtungszeit zuzubilligen, bevor eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse unumgänglich werde.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorentscheidung gehe willkürlich unter Verletzung der Grundrechte der Kläger --des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG) in der Ausformung des Halbteilungsgrundsatzes-- davon aus, sie wären unabhängig von der unbestimmten und überlangen Dauer des Verfahrens in der Lage gewesen, den zur Zahlung ausgesetzten Betrag für die Verfahrensdauer von 76 Monaten gewinnbringend anzulegen. Bei verfassungsmäßiger Rechtsanwendung hätte die tatsächliche Nutzung durch die Kläger ermittelt und lediglich diese konkret abgeschöpft werden müssen. Die Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungs- und menschenrechtswidrig. §§ 237, 238 AO verletzten den Grundsatz der Bestimmtheit, weil sie willkürlich die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens nicht berücksichtigten. Auch die Höhe der Zinsen von 6.023 € bezogen auf einen ausgesetzten Betrag in Höhe von 15.850 €, die "fast 50 %" des Betrages bedeute, sei angesichts der tatsächlich nicht bestehenden Nutzungsmöglichkeiten eine unsachliche, unverhältnismäßige und damit willkürliche Belastung der Kläger. Die (anteiligen) Verfahrens- und Gerichtskosten, die die Kläger auf den Wert von 15.850 € zahlen müssten, beeinträchtigten ebenfalls den fiktiv unterstellten Nutzungsvorteil in Bezug auf den Aussetzungsbetrag und seien daher hinzuzurechnen. Die Berechnung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage des Basiszinssatzes gemäß § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ermögliche dagegen eine einfach zu handhabende und der Realität entsprechende Bewertung. Bei einem Aussetzungsbetrag in Höhe von 15.850 € ergäbe sich bei der Verfahrensdauer von 76 Monaten ein Zinsbetrag --wie im Hilfsantrag berücksichtigt-- in Höhe von 1.620,01 €.
- 6
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 aufzuheben,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2011 dahingehend zu ändern, dass Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes, mithin in Höhe von 1.620,01 €, festgesetzt werden.
- 7
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom FA vorgenommene Festsetzung von Aussetzungszinsen der geltenden Rechtslage entspricht (1.). Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe liegen nicht vor (2.). Der gestellte Hilfsantrag ist unbegründet (3.). Über einen nicht beantragten Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden (4.).
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1. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
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a) Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht "an sich" dem Steuergläubiger zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, BStBl II 1979, 712; vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Zu § 251a der Reichsabgabenordnung (RAO), auf den § 237 AO zurückgeht (vgl. dazu Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2001 3 A 1928/98, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2002, 477), ist im Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961 (BTDrucks III/2573, S. 37) ausgeführt, die Norm sei das Gegenstück zu § 155 RAO. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die AdV erreicht werde, dass unnötige Steuerprozesse vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als "Gegenstück" zu den Prozesszinsen bezeichnet werden, so soll damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers abzielt und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt (BFH-Urteil vom 31. März 2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602, unter II.1.a).
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b) Das FG hat auf der Rechtsgrundlage der §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO die Festsetzung der Aussetzungszinsen in Höhe von 6.023 € zutreffend als der geltenden Rechtslage entsprechend angesehen.
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2. Die Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
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Ein Gericht kann die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Regelung überzeugt ist (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. März 1984 1 BvL 23/83, BVerfGE 66, 265, unter B.2.; BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1989 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, unter B.1., und vom 22. September 2009 2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251, unter B.2.a). Eine solche Überzeugung vermochte sich der Senat im Streitfall hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Zinshöhe indes nicht zu bilden.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, unter C.1.; BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, unter C.II.1.d, und vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, unter C.I.1.b). Das BVerfG erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I.2.; BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 1563, 1565). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel --wie im Streitfall-- Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Oktober 1969 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142, unter B.1.b, und in BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa). Der Senat kann sich für den Streitfall nicht die Überzeugung bilden, dass der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hat.
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b) Das BVerfG (Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b bb) hat --bezogen auf die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006-- zu der gesetzlichen Typisierung ausgeführt: "Indem der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt hat, ist dies jedenfalls rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Zudem ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt."
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c) Zwar hat das FG an den Ausführungen des BVerfG zu Recht für zweifelhaft angesehen, ob angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner EDV-Technik bei einer Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 BGB weiterhin "erhebliche praktische Schwierigkeiten" bestünden (kritisch auch Ortheil, Betriebs-Berater 2012, 1513, 1516; Seer/Klemke, Institut Finanzen und Steuern e.V., IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 48), allerdings gelten die übrigen vom BVerfG herangezogenen Erwägungen gleichermaßen jedenfalls noch für die im Streitfall betroffenen Zinszahlungszeiträume von 2004 bis 2011. Die Ermittlung eines konkreten Zinsvorteils oder -nachteils ist für den konkreten Einzelfall regelmäßig nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet; der gesetzliche Zinssatz gilt weiterhin sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Mai 2013 X B 233/12, BFH/NV 2013, 1380).
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aa) Soweit die Kläger meinen, für den Vergleich mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, trifft dies nicht zu.
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Zwar lag der Effektivzinssatz in % p.a. für Einlagen privater Haushalte (Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monate) in dem Verzinsungszeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 deutlich unter dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals jedoch von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig ist, sind indes bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen (gleicher Ansicht BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1380). Anders als Seer/Klemke (IFSt-Schrift Nr. 490 (2013), 56) meinen, besteht auch kein Grund dafür, nur kurzfristige Fremdfinanzierungen einzubeziehen. Denn die Verzinsung bei einer AdV erfasst --wie der Streitfall zeigt-- auch langfristige Zeiträume. In dem genannten Verzinsungszeitraum lagen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung (zwischen 7,14 % p.a. und 5,32 % p.a. [Quelle: Deutsche Bundesbank, Zinssätze und Volumina für das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs) - Konsumentenkredite an private Haushalte]) sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Zinssatz von 0,5 % pro Monat (6 % p.a.). Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 8,32 % und 5,12 %) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 11,32 % und 8,12 %).
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Da sich der Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) somit bei diesem Vergleich noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass für nicht besicherte Kreditgewährungen im Vergleich zu besicherten Krediten am Markt in der Regel zur Vergütung des Risikos ein höherer Darlehenszins zu bezahlen ist. Da die Forderungen des FA gegenüber den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht besichert sind, lässt sich dieser Umstand eher dafür anführen, sich am höheren Zinsniveau für unbesicherte Darlehen zu orientieren.
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Dafür, dass sich der Gesetzgeber mit der Höhe des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Streitfall innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis hält, spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Wie unter II.1.a dargelegt, geht § 237 AO auf § 251a RAO --eingeführt durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981)-- zurück. Der Zinssatz in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO entspricht der damaligen Rechtslage in § 5 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG). § 5 Abs. 1 StSäumG sah ebenfalls Zinsen für jeden Monat von einhalb von Hundert vor. Der typisierende Zinssatz gilt daher über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen, in dem erhebliche Zinsschwankungen --nach oben und nach unten-- auftraten. Dass die Kläger möglicherweise tatsächlich keinen oder einen geringeren Zinsvorteil erlangt haben, ist für die Verzinsung gemäß § 237 AO grundsätzlich unerheblich (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 2115).
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Nachdem sich erst nach dem streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum das Marktzinsniveau dauerhaft auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert hat, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung des Senats, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit so einschneidend geändert haben, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird (so Jonas, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 960 f.). Dann kann der Gesetzgeber allerdings von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 8. August 1978 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, unter B.II.2.c; vom 24. November 1981 2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119, unter II.2.c, und vom 28. November 1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181).
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bb) Folge einer Typisierung ist notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Ist vorhersehbar, dass in Ausnahmefällen besondere Härten auftreten können, die nicht in zumutbarer Weise durch gesetzliche Sonderregelungen vermeidbar sind, steht dies der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht entgegen, wenn für deren Behebung im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen (vgl. § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO) zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts fällt insbesondere die Möglichkeit des Billigkeitsverzichts zur Milderung unbilliger Härten ins Gewicht (BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102; BFH-Urteile vom 6. Februar 1976 III R 24/71, BFHE 118, 151; vom 23. März 1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396; vom 27. Mai 2004 IV R 55/02, BFH/NV 2004, 1555, und vom 20. September 2012 IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498).
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d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, dass die §§ 237, 238 AO gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen.
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Verwaltung Steuerpflichtige nur aufgrund solcher Gesetze belasten, die nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. August 1996 2 BvR 2088/93, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 3146, m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Dass in Fällen der vorliegenden Art der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen ist, lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts hinreichend erkennen.
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e) Die Vorentscheidung verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Verletzung dieses Grundrechts wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, BStBl II 1983, 779, und in BVerfGE 68, 287, BStBl II 1985, 181). Für eine derartige Wirkung einer Zinshöhe von einhalb Prozent für jeden Monat gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.
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f) Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten eröffnet ist und sich daraus oder aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot effektiven Rechtsschutzes) die von den Klägern behauptete Rechtsfolge ableiten ließe, ein Bescheid über Aussetzungszinsen werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, wenn die Verfahrensdauer des zur Aussetzung führenden Ursprungsverfahrens verfassungswidrig überlang gewesen sei. Denn für eine Unangemessenheit der Dauer des Verwaltungsverfahrens hat das FG keine Feststellungen getroffen.
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Die Dauer des Verwaltungsverfahrens beruhte im Wesentlichen auf der gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetretenen Verfahrensruhe bis zur Entscheidung des BFH in dem Musterverfahren IX R 46/02, das der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 ausgesetzt und dem BVerfG nach Art. 100 GG vorgelegt hat. Nachdem das BVerfG am 7. Juli 2010 entschieden hat, setzte das FA mit Bescheid vom 15. Februar 2011 die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest und hob die gewährte AdV auf.
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Das Ruhen des Einspruchsverfahrens diente --auch im Interesse der Kläger-- der Verfahrensökonomie (vgl. Begründung zu § 363 AO, BTDrucks 12/7427, S. 37). Sie hätten jederzeit die Fortführung des Einspruchsverfahrens beantragen können (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO). Für Verfahren vor dem BVerfG ist zu berücksichtigen, dass dessen Sachentscheidungen über den Einzelfall hinaus wirken und teilweise Gesetzeskraft haben (§ 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht), weshalb grundsätzlich in jedem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung erforderlich ist, die einer Verfahrensbeschleunigung Grenzen setzt. Außerdem gebietet es --wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkennt (EGMR-Urteile vom 25. Februar 2000 29357/95, Gast und Popp ./. Deutschland, NJW 2001, 211, Rz 75; vom 8. Januar 2004 47169/99, Voggenreiter ./. Deutschland, NJW 2005, 41, Rz 49, 52; vom 6. November 2008 58911/00, Leela Förderkreis e.V. u.a. ./. Deutschland, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 177, Rz 63, und vom 22. Januar 2009 45749/06, 51115/06, Kaemena und Thöneböhn ./. Deutschland, juris, Rz 61 ff.)-- die besondere Rolle des BVerfG, bei der Bearbeitung der Verfahren gegebenenfalls andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, etwa weil besonders bedeutsame Verfahren vorrangig bearbeitet werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 1. Oktober 2012 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789). Zudem kann zur Klärung von Auslegungsfragen des Grundgesetzes ein Zuwarten bei der Bearbeitung einzelner Verfahren nötig sein, weil mehrere Verfahren zu einem Fragenkreis gebündelt werden müssen, um einen umfassenden Blick auf die verfassungsrechtliche Problematik zu ermöglichen, oder weil umgekehrt eine in mehreren Verfahren aufgeworfene Frage in einem Pilotverfahren geklärt wird, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt bleiben (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 177, Rz 63 f.; BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 789). Entgegen der Auffassung der Kläger kann daher im Streitfall nicht aus der Dauer des der Verfahrensruhe zugrundeliegenden Musterverfahrens auf eine überlange, unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens geschlossen werden.
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3. Der Hilfsantrag ist unbegründet.
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Steuerrechtlich besteht keine Rechtsgrundlage für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 11. November 2004 bis zum 21. März 2011 in Höhe des jeweiligen Basiszinssatzes gemäß § 247 BGB. Wie unter II.1. dargelegt, beruht der Festsetzungsbescheid über die Aussetzungszinsen vom 30. März 2011 auf den §§ 237 Abs. 1 und 2, 238 AO.
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4. Über einen --nicht beantragten-- Erlass aus Billigkeitsgründen hat der Senat nicht zu entscheiden. Die Frage eines eventuellen Zinsverzichts des FA als Billigkeitsmaßnahme gemäß § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO wäre in einem gesonderten Verfahren zu klären.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.
(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.
(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.
(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.
(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.
(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist gewerblich tätig. Im Sommer °°°° setzte das Finanzamt F. -T. die Gewerbesteuermessbeträge für 2009 auf 1.697,00 Euro und für 2010 auf 1.179,00 Euro fest.
3Mit Bescheid vom 00.00.0000 setzte die Beklagte die von der Klägerin für 2009 und 2010 zu entrichtende Gewerbesteuer auf 7.975,90 Euro und 5.659,20 Euro fest. Zugleich wurde die Klägerin zu Nachforderungszinsen von 1.523,00 Euro für 2009 und 1.243,00 Euro für 2010 herangezogen. Dabei legte die Beklagte einen Zinssatzes von 0,5 % pro Monat zugrunde.
4Am 00.00.0000 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Nachforderungszinsen insoweit wendet, als sie auf einem Zinssatz von mehr als 3 % pro Jahr beruhen. Zur Begründung führt sie aus, der gesetzliche Zinssatz von 0,5 % pro Monat für die Verzinsung von Steuernachforderungen sei verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt sei der gesetzliche Zinssatz nicht mehr von der weitreichenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt.
5Die Klägerin beantragt sinngemäß,
6den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 insoweit aufzuheben, als Nachzahlungszinsen von mehr als 761,50 Euro für 2009 und 621,50 Euro für 2010 festgesetzt werden.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie trägt vor, die gesetzliche Höhe der Nachforderungszinsen sei trotz der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
10Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Der Einzelrichter kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
13Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat die von der Klägerin zu entrichtenden Nachforderungszinsen zur Gewerbesteuer auf Grundlage von § 233a Abgabenordnung (AO) zutreffend festgesetzt.
14Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag, der sich bei der Festsetzung der Gewerbesteuer ergibt, zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Die Zinsen betragen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden Monat einhalb Prozent.
15Gegen diese gesetzliche Regelung und ihre Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall bestehen auch mit Blick auf die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) noch gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Übermaßverbot (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) vor. Bezogen auf die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bejaht.
16Beschluss vom 3. September 2009 ‑ 1 BvR 2539/07 ‑, NVwZ 2010, 902.
17Zur Begründung hat es auf den weiten Spielraum verwiesen, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zustehe. Mit der Verzinsung von Steuerforderungen und ‑erstattungen habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar jeweils spätestens bis zum Jahresende entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Insoweit beruhe die Regelung auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil habe. Es liege in der Konsequenz der Regelung, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greife, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen sei und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt worden seien. Wenn der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und ‑nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt habe, sei dies verfassungsrechtlich unbedenklich und stelle insbesondere keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle der konkrete Zinsvorteil oder ‑nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zeitraum zugrunde zu legen wären. In vielen Fällen sei eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhänge, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Zudem sei bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a i. V. m. § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirke.
18Nach diesen Kriterien liegt der für die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis geltende Zinssatz von 0,5 % pro Monat auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase nicht außerhalb des Spielraums, der dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zusteht.
19OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 ‑ 14 A 1196/13 ‑; BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 ‑ X B 233/12 ‑, jeweils juris.
20Dabei kann offen bleiben, ob die Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat (was 6 % pro Jahr entspricht) so groß werden kann, dass die Regelung der §§ 233a, 238 AO für solche Fälle mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar wäre, in denen ein Steuerpflichtiger Nachzahlungen zu leisten hat. Jedenfalls im hier interessierenden Zeitraum ( 00.00.0000 bis heute) überschreitet der Zinssatz von 6 % pro Jahr mit Blick auf die Zinsen am Kapitalmarkt den dem Gesetzgeber zustehenden Spielraum bei der Typisierung nicht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Guthabenzinsen stark gefallen sind und Anleger eine Verzinsung von jährlich 6 % nur noch in Ausnahmefällen erreichen können, wenn sie sich etwa für riskante und/oder langfristige Anlageformen entscheiden. Bei der Beurteilung, ob eine verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, sind jedoch nicht nur die Zinsen in den Blick zu nehmen, die für (insbesondere kurzfristige und sichere) Anlagen von Guthaben gezahlt werden. Denn mit der Verzinsung von Steuernachforderungen und ‑erstattungen sollen nicht nur Guthabenzinsen ausgeglichen werden, die der Steuerschuldner bis zur Nachzahlung oder Erstattung hätte erzielen können. Der Liquiditäts- und Zinsvorteil, der nach dem Willen des Gesetzgebers durch die pauschale Verzinsung ausgeglichen werden soll, kann vielmehr auch in zusätzlich angefallenen oder ersparten Fremdfinanzierungskosten bestehen. Ein Steuerschuldner, der ständig Kredite in Anspruch nimmt oder eine Steuernachzahlung fremdfinanzieren müsste, hat bis zur Fälligkeit der Nachzahlung einen geringeren Fremdfinanzierungsbedarf und spart damit Darlehenszinsen. Bis zu einer Steuerrückzahlung entstehen für einen solchen Steuerschuldner zusätzliche Fremdfinanzierungskosten. Da die Nachforderungszinsen nach §§ 233, 238 AO auch solche Vor- und Nachteile pauschal ausgleichen sollen, sind bei der Beurteilung, ob ein Zinssatz von 6 % pro Jahr den dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraum überschreitet, auch die Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, die auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase vielfach um oder sogar deutlich über 6 % liegen. Während Schuldner mit guter Bonität eine Immobilie zu Zinsen von deutlich unter 6 % finanzieren können, sind für sonstige mittel- und langfristige Kredite Zinsen um oder über 6 % keine Seltenheit. Die Zinsen für Dispositionskredite liegen häufig sogar über 10 %.
21Bei der Prüfung, ob sich der vom Gesetzgeber festgelegte Zinssatz noch innerhalb des ihm verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraums liegt, die am Geldmarkt üblichen Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, ist insbesondere im Gewerbesteuerrecht geboten. Ein erheblicher Anteil von Gewerbetreibenden ist auf Darlehen angewiesen, um die für den Betrieb notwendigen Investitionen finanzieren zu können.
22Unterliegt die gesetzliche Regelung der Nachzahlungszinsen im Steuerrecht mithin keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, ist weder der Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu reduzieren, noch ist nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
23Ausgehend vom gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat sind Fehler der konkreten Festsetzung der Nachforderungszinsen nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 124.913,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Ausweislich der Begründung des Zulassungsantrages vom 7. Juni 2013 wendet sich die Klägerin weder gegen die Zulässigkeit einer Typisierung im Rahmen der Verzinsungsregelung des § 233a der Abgabenordnung - AO - noch gegen das den Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung zugrunde liegende Prinzip der Vollverzinsung. Sie wendet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat.
4Unter anderem die Festsetzung der Zinshöhe in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung,
5vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.9. 2009 - 1 BvR 2539/07 -, BFH-NV 2009, 2115, juris; BFH, Urteil vom 20.4.2011 - 1 R 80/10 -,
6BFH-NV 2011, 1654; juris,
7als verfassungsgemäß angesehen, wobei die in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätze durch die nachfolgende Rechtsprechung,
8vgl. BGH, Urteil vom 24.4.2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, 2266; juris; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1; juris,
9bestätigt worden seien.
10Die mit der Zulassungsbegründung vom 7. Juni 2013 geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - liegen nicht vor oder sind bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt.
11Dies gilt zunächst hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
12Ernstliche Zweifel lassen sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht sich, wie die Klägerin meint, im Rahmen der Entscheidungsgründe unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 233a AO betreffend die Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen beschäftigt habe, während sich die Einwendungen ausschließlich gegen die Höhe des Zinssatzes richteten.
13Richtig ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen die Regelung des § 233a AO nennen. Es wird aber in diesem Zusammenhang auch jeweils die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzte Höhe des Zinssatzes in die rechtliche Überprüfung einbezogen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 u. a. ausgeführt: "… erweist sich die Verzinsung nach dieser Vorschrift - auch im Hinblick auf den über § 238 AO anzuwendenden Zinssatz von 0,5 % je Monat - als verfassungsgemäß" (juris, Rn. 13). Auch der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 20. April 2011 die Höhe des Zinssatzes in seine Erwägungen eingestellt, was bereits Satz 2 des Leitsatzes (juris) deutlich macht, wo es heißt: "Der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO enthaltenen Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen."
14Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich auch nicht infolge der allgemeinen Zinsentwicklung zumindest, wie die Klägerin meint, seit dem Jahr 2009, also für den Zeitraum nach dem Ergehen des o. a. Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009.
15Daraus, dass es nicht ersichtlich ist, ob das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht betreffend den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verzinsungszeitraum bis März 2006 auch für den folgenden Zeitraum aufrecht erhalten hätte, lässt sich nichts für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten gesetzlichen Zinshöhe herleiten.
16Aus der allgemeinen Zinsentwicklung folgt auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer allgemeinen Anpassung der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinshöhe oder zu einer Anpassung beschränkt auf die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO. Eine solche Verpflichtung würde voraussetzen, dass der gesetzlichen Regelung durch eine Änderung hier der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die allgemeine Zinsentwicklung die für ihren Erlass, also für die Festsetzung auf einhalb Prozent für jeden Monat, maßgebliche Grundlage entzogen wäre.
17Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.7.2012 - 2 BvE 9/11 u. a. - BVerfGE 131, 316; juris (zum Wahlrecht), m. w. N.
18Wie die Klägerin selbst ausführt, würde dies voraussetzen, dass der durchschnittliche Marktzins und die gesetzlich festgesetzte Höhe dauerhaft völlig auseinanderfielen.
19Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass ausweislich ihrer Aufstellungen die Zinsen betreffend die Geldmarktsätze, den EURIBOR und die Umlaufrendite zumindest seit dem Jahr 2009, worauf auch die Klägerin abstellt, erheblich gefallen sind. Daraus lässt sich jedoch keine dauerhafte Entwicklung herleiten, die der gesetzlichen Regelung ihre Grundlage entziehen würde. Die Entwicklung des Zinsniveaus betreffend die genannten dem Geld- und Kapitalmarkt entnommenen Sätze, wie sie die Klägerin anführt, sind, für sich gesehen, nicht geeignet, die hier in Rede stehende Höhe von Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO entscheidungserheblich in Frage zu stellen, und damit erst recht nicht allgemein die Zinshöhe gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betreffend sämtliche Verzinsungstatbestände. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil durch die wörtliche Wiedergabe von Passagen aus dem o. a. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - auf den Sinn und Zweck der Zinsfestlegung in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO auch für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO abgestellt. Danach sollen durch die Sollverzinsung u. a. der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden. Der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen bemisst sich jedoch gerade nicht ausschließlich anhand des Zinsniveaus, das sich in den Geldmarktsätzen, dem EURIBOR und den Umlaufkrediten widerspiegelt. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in dem vom Verwaltungsgericht dem Urteil zugrunde gelegten und damit auch vom Senat im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigenden Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2009 ausgeführt hat (vgl. juris, Rn. 29), hängt es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen ab, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. So beschränkt sich der Einsatz von zunächst für die Begleichung von Steuerforderungen nicht benötigtem Kapital nicht auf Anlagen, die als Rendite lediglich den Geldmarktzinssatz ergeben. Vielmehr kommen regelmäßig auch andere Anlagen etwa in Form von Investitionen in Betracht, die weitaus höhere Rendite erwarten lassen und auch ergeben dürften. Auch kann sich ein Liquiditätsvorteil in der Entbehrlichkeit einer ansonsten erforderlichen Kreditaufnahme oder der Ermöglichung der Rückzahlung bereits aufgenommener Kredite niederschlagen, so dass der ersparte Kreditzins den Vorteil richtig widerspiegelt. Andererseits liegt es nahe, etwa bei vorhandenem, aber zunächst nicht benötigtem Kapital soweit wie möglich hohe Vorausleistungen zu entrichten, um dann bei zu erwartenden Steuererstattungen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO erheblich über dem Marktzinssatz liegende Rendite zu erzielen. Lediglich in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger wegen eines reinen, nicht weiter nutzbaren Liquiditätsüberschusses von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen kann, dürfte der Vorteil in dem erzielbaren Geldmarktzins liegen. Sollte ein solcher Ausnahmefall vorliegen, mag an einen Teilerlass der Zinszahlungspflicht aus sachlichen Billigkeitsgründen gedacht werden können.
20Dass unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der gesetzliche Zinssatz von 0.5 % je Monat sich als verfassungswidrig erweisen könnte, ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen und auch nicht sonst wie ersichtlich.
21Unabhängig davon ist die mit den Aufstellungen der Klägerin geltend gemachte Zinsentwicklung zwar in ihrer Gesamtheit durch eine abfallende Tendenz beginnend mit dem Jahr 1993 gekennzeichnet. Diese abfallende Tendenz, in deren Rahmen bereits im Jahr 1994 der Geldmarktsatz die Grenze von 6 % pro Jahr unterschritten hatte, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht als Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinshöhe in Zweifel zu ziehen, obwohl das in den Aufstellungen der Klägerin bezeichnete allgemeine Zinsniveau bis zum Jahr 2006, also innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren, unter der Grenze von 6 % pro Jahr verblieben war.
22Hinreichender Anlass, dies nunmehr im Hinblick auf die seit dem eingetretene Entwicklung in Frage zu stellen, besteht nicht. Die Entwicklung seit dem Jahr 2006 ist dadurch gekennzeichnet, dass zunächst in den Jahren 2007 und 2008 im Vergleich zu den Vorjahren 2002 bis 2006 eine erhebliche Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus zu verzeichnen war, bevor erst im Jahr 2009 eine signifikante gegenteilige Entwicklung einsetzte. Dies gilt umso mehr, als der den vorliegenden Bescheid vom 17. August 2012 zugrunde liegende Verzinsungszeitraum die Zeit zwischen dem 1. April 2005 und dem 20. August 2012 betraf, für den die von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommene nachfolgende Zinsentwicklung noch nicht maßgeblich war.
23Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt dem Hinweis der Klägerin auf die Entwicklung des Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - keine streitentscheidende Bedeutung zu. Lediglich ergänzend weist der Senat insoweit beispielshaft darauf hin, dass bei einer der häufigsten Anwendungsbereiche des Basiszinssatzes, nämlich bei der Berechnung von Verzugszinsen. die gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen, auch unter Berücksichtigung des variablen Basiszinssatzes sich die Zinshöhe in den Jahren 2002 bis 2009 im Bereich von über 6 % bewegt, in den Jahren 2009 bis 2011 mit mehr als 5 % der Grenze von 6 % nahekommt.
24Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Mai 2014 - 14 A 923/14 -.
25Soweit die Klägerin im Rahmen der Zulassungsbegründung auf die Möglichkeit der Regelung eines variablen Zinssatzes abstellt, lassen sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herleiten. Dass dem Gesetzgeber eine derartige Regelung offensteht, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit andere Regelungen, wie hier die des feststehenden Zinssatzes, verfassungswidrig wären.
26Da entsprechend dem voranstehenden Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe des Zinssatzes vom 6 % pro Jahr gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO herleiten.
27Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Finanzgericht Düsseldorf,
28vgl. Urteil vom 13.7.2010 - 6 K 4585/07 AO -, EFG 2010, 1969; juris (dem Urteil des BFH vom 20.4.2011 - I R 80/10 - vorausgehend),
29die Revision zugelassen hatte, weil der Bundesfinanzhof die Revision zurückgewiesen hat. Im Übrigen ergibt sich keine Verpflichtung des Senats, der Einschätzung des Finanzgerichts Düsseldorf zu folgen, zumal das Finanzgericht Düsseldorf in der Sache von einer Verfassungsmäßigkeit des in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgesetzten Zinssatzes ausgegangen ist.
30Gleiches gilt für die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. November 2013 erwähnte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg,
31vgl. Urteil vom 25.5.2013 - 2 K 50/12 -, EFG 2013, 1734; juris,
32zumal diese Entscheidung Aussetzungszinsen im Sinne von § 237 AO betraf und nicht Nachforderungszinsen im Sinne von § 233a AO wie im vorliegenden Fall.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
I. Die Beteiligten streiten sich über die Festsetzung von Aussetzungszinsen gem. § 237 der Abgabenordnung (AO).
- 2
Die Antragstellerin ist als eingetragene Genossenschaft zunächst durch Umwandlung aus der LPG Tierproduktion „F.G.“ Z. entstanden und wurde am 13. April 1992 im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts M. eingetragen (GnR XXX). Sie firmierte zunächst unter Produktionsgenossenschaft „A“ eG Z.. Auf Grund des Beschlusses der Generalversammlung vom 09. Februar 1993 und dem Verschmelzungsvertrag vom 09. Februar 1993 wurde die Agrargenossenschaft e.G. A. (Pflanzenproduktion) mit der Antragstellerin durch Übernahme verschmolzen. Am 15. September 1993 wurde die Umfirmierung der Antragstellerin in Agrargenossenschaft e.G. A. im Genossenschaftsregister eingetragen.
- 3
Am 10. Dezember 1999 erließ der Beklagte nach einer bei der Antragstellerin durchgeführten, die Jahre 1993 bis 1997 betreffenden Betriebsprüfung geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1997. Er war der Auffassung, dass auf Grund von § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) die bei der Antragstellerin zum 31. Dezember 1992 festgestellten Verluste bei der Veranlagung nicht zu berücksichtigen seien.
- 4
Die Bescheide wiesen hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1997 einen Nachzahlungsbetrag von 217.091,00 DM (110.996,87 €) und hinsichtlich des Solidaritätszuschlages 1997 einen Nachzahlungsbetrag von 16.281,82 DM (8.324,76 €) aus. Mit dem hiergegen am 13. Januar 2000 eingelegten Einspruch stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, dem der Antragsgegner entsprach. Er setzte die Vollziehung mit Aussetzungsverfügung vom 20. Januar 2000 vom Fälligkeitstag an bis zur Entscheidung über den Einspruch aus.
- 5
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens einigten sich die Beteiligten (so die unwidersprochene Darstellung des Antragsgegners in der Einspruchsentscheidung) auf ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf eine Entscheidung des BFH zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 KStG. Hinsichtlich dieser Frage war beim BFH ein Revisionsverfahren unter dem Az. I R 53/01 anhängig, das seinerseits bis zur Entscheidung in dem vor dem BVerfG anhängigen Verfahren 2 BvL 2/09 ausgesetzt wurde. Nachdem die Richtervorlage mit Beschluss des BVerfG vom 01. April 2014 als unzulässig zurückgewiesen wurde, wurde die vor dem BFH anhängige Revision am 14. April 2015 zurückgenommen. Das Einspruchsverfahren wurde daraufhin wiederaufgenommen und fortgeführt.
- 6
Anfang November 2015 zahlte die Antragstellerin die auf die Körperschaftsteuer 1997 sowie den Solidaritätszuschlag 1997 noch ausstehenden Beträge an den Antragsgegner.
- 7
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2015 wies der Antragsgegner die Einsprüche als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin keine Klage erhoben.
- 8
Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 setzte der Antragsgegner Aussetzungszinsen gem. § 237 AO fest, wobei er darauf hinwies, dass eine Nichtfestsetzung der Aussetzungszinsen für die Körperschaftsteuer 1997 wegen drohender Festsetzungsverjährung für die Zinsen nicht möglich sei. Auch bleibe der Einspruch vom 16. Dezember 2015 gegen die Ablehnung des Antrags auf Nichterhebung oder Nichtfestsetzung der Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer 1997 weiterhin offen.
- 9
Der Antragsgegner berechnete die Aussetzungszinsen wie folgt:
- 10
Zu verz. Betrag
Zinslauf
volle Zinsmonate
Zinsen
Zinsbetrag in EUR
Solidaritätszuschlag 1997:
8.300,00 €
13.01.2000 - 06.11.2015
189
94,5 %
7.843,50 €
Körperschaftsteuer 1997:
110.996,00 €
13.01.2000 - 06.11.2015
189
94,5 %
104.847,00 €
Zinsbetrag gesamt:
112.690,00 €
- 11
Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom 10. Februar 2016 Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung für die festgesetzten Zinsen.
- 12
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung „wegen Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer 1997“ lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 04. April 2016 ab. Über den Einspruch in der Hauptsache (Festsetzung von Aussetzungszinsen) hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
- 13
Am 25. April 2016 hat die Antragstellerin um Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht nachgesucht.
- 14
Sie trägt vor, dass die Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung nach § 237 Abs. 4 AO in Verbindung mit § 234 Abs. 2 AO als leges speziales zu § 163 AO aus Billigkeitsgründen nicht festzusetzen seien. Die Festsetzung stelle sowohl aus sachlichen wie auch aus persönlichen Gründen eine Unbilligkeit dar.
- 15
Im Einspruchsverfahren, für dessen Dauer die Vollziehung der Körperschaftsteuer sowie des Solidaritätszuschlages für 1997 ausgesetzt worden sei, sei die Verlustanerkennung der Agrargenossenschaft „Tierproduktion“ Z./ ... nach der Verschmelzung strittig gewesen. Der in diesem Zusammenhang geführte Schriftwechsel habe zu keiner Einigung geführt. Auch aus Sicht der Finanzverwaltung sei die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG durchaus umstritten gewesen. Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 28. Oktober 2002 dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte. Letztlich habe die Verfassungsmäßigkeit der zeitlichen Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG bis heute nicht geklärt werden können, da das BVerfG mit Beschluss vom 01. April 2014 die Unzulässigkeit einer Richtervorlage des BFH festgestellt habe. Die Tierproduktion sei letztlich bis 2008 erfolgreich fortgeführt worden. Die Einstellung dieses Produktionsbereiches mehr als 10 Jahre nach der der Verschmelzung könne der Antragstellerin nicht nachteilig angelastet werden. Die Verschmelzung sei auf damaliger Empfehlung des damaligen Sachgebietsleiters der Großbetriebsprüfung des Finanzamts B. gewählt worden. Die Antragstellerin habe in Unkenntnis der steuerlichen Folgen was die Versagung des Vorsteuerabzuges betreffe, der Empfehlung der Finanzverwaltung vertraut. Die Antragstellerin habe sich zwar in den letzten Jahren positiv entwickelt, gleichzeitig habe sie sich aber auch mit den steigenden Bodenpreisen auseinandersetzen müssen, wodurch sich die Liquidität weiter rückläufig entwickelt habe. Sie sei auch weiterhin gezwungen, bisher gepachteten Grund und Boden zu erwerben um ihre Produktionsgrundlage zu erhalten. Die zu leistende Steuerzahlung sei am 13. November 2015 beglichen worden und habe schon für sich eine liquiditätsmäßige Herausforderung dargestellt. Die streitigen Zinsen könnten aber auf keinen Fall aus derzeitigen oder künftigen Ergebnissen geleistet werden. Hierzu sei eine Veräußerung von Betriebsvermögen erforderlich. Dies sei auch verbunden mit einer Reduzierung von Arbeitskräften und Wettbewerbsnachteilen, die den Bestand des Unternehmens gefährden würden.
- 16
Vorliegend verdränge der Grundsatz von Treu und Glauben die Aussetzungszinspflicht auf Grund der Dauer des Verwaltungsverfahrens. Ab Fälligkeit der festgesetzten Steuern am 13. Januar 2000 bis zum Schreiben vom 15. Juli 2015 mit der Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf Grund des Vorlagebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts seien über 14 Jahre vergangen. Allein dieses Zeitmoment begründe eine schutzwürdige Position des Steuerpflichtigen von solchem Gewicht, dass dieser auf eine Nichtfestsetzung der Aussetzungszinsen habe vertrauen können. Zusätzlich ergebe sich eine Verwirkung des Anspruchs auf Festsetzung der Zinsen auch aus den vom EMRG aufgestellten Grundsätzen. Beim BFH sei derzeit wegen dieser Rechtsfrage ein Verfahren unter dem Az. X R 1/15 anhängig.
- 17
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Bescheids über Aussetzungszinsen vom 10. Februar 2016 bis zu einer Entscheidung im Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen um eine drohende Vollstreckung zu verhindern.
- 18
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag als unbegründet abzulehnen,
- 19
Er trägt vor, dass er auf Antrag der Antragstellerin am 20. Januar 2000 die Aussetzung der Vollziehung der Nachzahlungen zur Körperschaftsteuer 1997 i.H.v. 110.996,00 € sowie des Solidaritätszuschlages i.H.v. 8.324,00 € in vollem Umfang ab Fälligkeit gewährt habe. Dieser Bescheid habe den Hinweis über die Anforderung der Zinsen nach § 227 AO nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens enthalten. Die Zinsen würden vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten werde bis zu dem Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung ende erhoben. Vorliegend habe die Aussetzung der Vollziehung am 13. Januar 2000 begonnen und habe mit der Zahlung am 16. November 2015 geendet. Die Zinsen betragen für jeden Monat ab dem Tag an dem der Zinslauf beginnt einhalb Prozent und seien nur für volle Monate zu zahlen.
- 20
Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht sei es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen könne, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht an sich dem Steuergläubiger zustehe. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung erreicht werde, dass unnötige Steuerprozess vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als „Gegenstück“ zu den Prozesszinsen bezeichnet würden, so sollte damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und den Zinsverlust des Steuergläubigers abziele und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebühre (BFH-Urteil vom 31. März 2010 II R 2/09, BFH NV 2010, 1602).
- 21
Vorliegend sei auch zu berücksichtigen, dass das Einspruchsverfahren wegen anhängiger Verfahren mit Zustimmung der Antragstellerin geruht habe. Anlass für das Ruhen des Verfahrens sei das beim BFH unter dem Az. I R 53/01 anhängige Verfahren gewesen. Dieses wiederum sei mit Beschluss vom 2. Februar 2009 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvL 2/09 ausgesetzt gewesen. Dieses Verfahren sei am 1. April 2014 wegen einer unzulässigen Richtervorlage abgewiesen worden, woraufhin das Einspruchsverfahren wieder aufgenommen worden sei.
- 22
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
- 23
Dem Gericht wurde vom Antragsgegner auf die Aufforderung zur Übersendung der den Streitfall betreffenden Akten lediglich eine 15 Seiten umfassende "Klagenebenakte" übersandt, die zur Entscheidung vorlag.
Entscheidungsgründe
- 24
II. 1. Der Antrag ist unbegründet.
- 25
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (BFH-Beschlüsse vom 7. September 2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120; vom 30. Oktober 2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627, und vom 29. November 2007 I B 181/07, BStBl II 2008, 195, ständige Rechtsprechung). Der lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind der unstreitige Sachverhalt, die gerichtsbekannten Tatsachen und die präsenten Beweismittel zugrunde zu legen (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV 1997, R 462, m.w.N.).
- 26
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer sowie zum Solidaritätszuschlag 2007 vom 10. Februar 2016.
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aa) Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO). Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht "an sich" dem Steuergläubiger zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, BStBl II 1979, 712; vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Zu § 251a der Reichsabgabenordnung (RAO), auf den § 237 AO zurückgeht (vgl. dazu Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2001 3 A 1928/98, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht 2002, 477), ist im Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961 (BTDrucks III/2573, S. 37) ausgeführt, die Norm sei das Gegenstück zu § 155 RAO. Wenn danach von Beginn der Rechtshängigkeit Überzahlungen verzinst würden, müsse das Gleiche auch für Nachzahlungen gelten, zumal durch die Einführung von Zinsen für die AdV erreicht werde, dass unnötige Steuerprozesse vermieden würden. Wenn in der Gesetzesbegründung die Aussetzungszinsen als "Gegenstück" zu den Prozesszinsen bezeichnet werden, so soll damit gesagt werden, dass das Gesetz auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuerpflichtigen und dem Zinsverlust des Steuergläubigers abzielt und die Aussetzungszinsen den Zweck haben, dem Steuergläubiger den Nutzungsvorteil zuzuwenden, der ihm für einen nach dem materiellen Steuergesetz geschuldeten Betrag gebührt (BFH-Urteil vom 31. März 2010 II R 2/09, BFH/NV 2010, 1602, unter II.1.a; BFH-Urteil vom 01. Juli 2014 – IX R 31/13 –, BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, Rn. 10)
- 28
bb) Damit hat der der Antragsgegner die mit Bescheiden vom 10. Februar 2016 festgesetzten Aussetzungszinsen zunächst, nachdem die Antragstellerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2015 keine Klage erhoben hat, zutreffend berechnet. Soweit der Antragsgegner hinsichtlich des Solidaritätszuschlages 1997 mit 8.300,00 € lediglich einen im Verhältnis zum mit Bescheid vom 20. Januar 2000 ausgesetzten Betrag 8.324,76 € geringeren zu verzinsenden Betrag angenommen hat, so wirkt diese Berechnung jedenfalls nicht zu Lasten der Antragstellerin. Gleiches gilt für das angenommene Ende des Zinslaufes am 06. November 2015. Soweit die Antragstellerin eine erst spätere Zahlung am 13. November 2015 vorträgt, bestehen, die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt, jedenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Berechnung der Zinsen zu Gunsten der Antragstellerin.
- 29
cc) Die von der Antragstellerin behauptete überlange Verfahrensdauer führt, selbst wenn sie vorliegen sollte, bei summarischer Prüfung nicht zur Verwirkung des Zinsanspruches. Unter besonderen Umständen kann der Steuergläubiger seinen Anspruch auch verwirken. Die Verwirkung würde dazu führen, dass der Anspruch zwar noch besteht, aber nicht mehr geltend gemacht werden kann (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO § 47 AO Tz. 16). Verwirkung tritt ein, wenn ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung eines Rechts als unlautere Rechtsausübung angesehen werden muss (vgl. Drüen in Tipke/ Kruse, AO/FGO § 4 AO Tz. 169 m.w.N.).
- 30
Zwar bedeutet der mit Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Rechtsschutz gegen rechtswidriges Handeln der öffentlichen Gewalt auch einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit (BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148). Im Streitfall hat sich die Dauer jedoch maßgeblich daraus ergeben, dass das Verfahren nach der unwidersprochenen Darstellung des Antragsgegners in der Einspruchsentscheidung mit Einverständnis der Antragstellerin bis zur Entscheidung in dem beim BFH anhängigen Verfahren I R 53/01 ruhte. Die Antragstellerin hätte dem Ruhen nicht zustimmen müssen und zudem gem. § 363 Abs. 2 Satz 4 AO jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zu verlangen und sodann ggf. eine Untätigkeitsklage beim Finanzgericht einzureichen. Die Antragstellerin hätte zudem auch die Möglichkeit gehabt, die Festsetzung der Aussetzungszinsen durch freiwillige Zahlung während des Einspruchsverfahrens abzuwenden bzw. jedenfalls abzumildern. Es ist daher bereits zweifelhaft, ob im Hinblick auf die Zustimmung der Antragstellerin zum Ruhen des Verfahrens überhaupt eine überlange Verfahrensdauer vorliegt.
- 31
Außerdem muss auch bei verspäteter Rechtsschutzgewährung das Gericht in der Sache entsprechend der gegebenen materiellen Rechtslage entscheiden; eine überlange Verfahrensdauer kann keine Auswirkungen auf den Steueranspruch zeitigen, insbesondere nicht zu dessen Verwirkung führen (BFH- Urteil vom 16. Oktober 2002 – XI R 41/99 –, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179; BFH-Urteile vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, und vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232; BFH-Beschluss vom 20. Mai 1994 XI B 63/93, BFH/NV 1994, 605).
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Es fehlt nach der dem Gericht vorliegenden Aktenlage zudem an jeglichem Umstandsmoment dafür, dass die Antragstellerin davon ausgehen könnte, der Antragsgegner werde Aussetzungszinsen bei einem endgültig erfolglosen Einspruchsverfahren nicht erheben.
- 33
dd) Allein die Tatsache, dass unter dem Az. X R 1/15 beim BFH ein Revisionsverfahren zu der Frage anhängig ist, ob durch eine überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention eröffnet ist und ob sich daraus, oder aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG die Rechtsfolge ableiten lässt, ein Bescheid über Aussetzungszinsen werde rechtswidrig und müsse ersatzlos aufgehoben werden, reicht nicht aus, um ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des streitigen Bescheides über die Festsetzung von Aussetzungszinsen begründen zu können. Denn es existiert, soweit ersichtlich, gerade keine höchstrichterliche Rechtsprechung die diese Frage bejahen würde. Auch die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2014 4 K 4145/13, juris) hat die Frage im Ergebnis verneint.
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Hinzu kommt Folgendes: Es ist bereits zweifelhaft, ob steuerrechtliche Verfahren über-haupt in den Schutzbereich des Art. 6 MRK einbezogen werden können (dies verneinend BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BStBl II 1992, 148 m.w.N.). Selbst wenn dieses der Fall sein sollte, dann hätte die bloße Verfahrensdauer keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der streitigen Zinsfestsetzungen, denn die Verletzung des Beschleunigungsgebotes hat konventionsrechtlich lediglich zur Folge, dass der EGMR nach Art. 50 MRK der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zubilligt, wenn die innerstaatlichen Gesetze nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen der Verletzungshandlung gestatten (BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BStBl II 1992, 148 m.w.N.).
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ee) Auch die in § 238 Abs. 1 AO festgelegte Zinshöhe von 0,5 v.H. pro Monat begegnet trotz der seit mehreren Jahren hiervon stark abweichenden Marktzinsen für Geldanlagen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dieses gilt nach Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Verzinsungszeiträume bis 2013 (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15, BFH/NV 2016, 940).
- 36
Die hierzu führenden Erwägungen gelten aber bei summarischer Prüfung auch für die streitigen Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2014:
- 37
Mit Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07 (BFH/NV 2009, 2115, dort unter III.1.b bb) hat das BVerfG entschieden, dass der durch den Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzte Zinssatz, der immerhin zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen gilt, rechtsstaatlich unbedenklich ist und keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot darstellt. Es entspricht gerade der Absicht des Gesetzgebers, dass der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss. Entsprechend haben sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 20. April 2011 I R 80/10, BFH/NV 2011, 1654, unter II.2.) als auch der IX. Senat des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, dort unter II.2.a bis c; bestätigt durch Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BFHE 250, 483, BStBl II 2015, 986) entschieden. Der IX. Senat hatte für einen Zinszeitraum bis zum Jahre 2011 sinngemäß näher ausgeführt, dass es zwar unter praktischen Gesichtspunkten unter Einsatz moderner EDV durchaus denkbar sei, eine Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmen, dass aber weitere Gesichtspunkte existieren, die die grundsätzliche Abkopplung von diesen beiden Zinsfüßen rechtfertigen und den geltenden Zinssatz von 6 v.H. nicht als so hoch erscheinen lassen wie er auf den ersten Blick scheint. So wäre es unangemessen, als Vergleichsmaßstab lediglich den jeweils aktuellen Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, da sowohl die bei der Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind. Das bedeutet, dass bei einer Beurteilung des gesetzlichen Zinssatzes anhand der Marktverhältnisse einerseits die üblichen Zinssätze etwa für Dispositionskredite und andere unbesicherte Konsumentenkredite, andererseits die Renditemöglichkeiten von Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage zu berücksichtigen sind. Die Abkopplung des gesetzlichen Zinssatzes von dem individuellen Zinsvorteil oder -nachteil ist letztlich ein grundlegendes Prinzip, das nicht von dem Zeitraum abhängt, um den es geht. Es zeigt vielmehr, dass der gesetzliche Zinssatz grundsätzlich auch und gerade gerechtfertigt ist, wenn er signifikant von dem Marktzins abweicht, der seinerseits die tatsächlichen Zinsvorteile oder -nachteile prägt. Eine einschneidende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die so weit ginge, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten Kreditformen oder Dispositionskrediten bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 6 % p.a. gänzlich markt- und realitätsfremd erschiene, ist nicht zu erkennen.
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ff) Die von der Antragstellerin geltend gemachten Billigkeitserwägungen vermögen bereits dem Grunde nach eine Aussetzung der Vollziehung der streitigen Zinsfestsetzungen nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte i.S.v. § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. FGO zu begründen. Es bedarf daher vorliegend keiner summarischen Entscheidung darüber, ob tatsächlich Erlassgründe i.S.v. § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO vorliegen.
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Im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung ist es nämlich ohne Bedeutung, ob dem Antrag auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme, hier ggf. gem. §§ 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO etwa wegen der behaupteten überlagen Verfahrensdauer stattzugeben wäre. Auch wenn die Billigkeitsentscheidung ggf. mit dem Festsetzungsverfahren verbunden wird (vgl. § 163 Satz 3 AO; gem. BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 744, 748 wird dies regelmäßig zu erfolgen haben, wenn Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend gemacht werden), handelt es sich um selbständig angreifbare Verwaltungsakte und führte eine etwaige Ermessensreduzierung im Sinne einer Billigkeitsentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung und damit nicht zur möglichen Aussetzung der Vollziehung (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 1987 V B 57/86, BFH/NV 1988, 174); vielmehr wäre die Zinsfestsetzung erst nach Erlass der Billigkeitsentscheidung - die insoweit Grundlagenbescheid ist - zu ändern (vgl. im Einzelnen BFH-Beschluss vom 18. März 1996 V B 131/95, NV 1996, 692; BFH Urteil vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 744; BFH Urteil vom 08. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256). Im Hinblick auf eine mögliche abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen käme allenfalls eine einstweilige Anordnung gem. § 114 FGO in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 12. Januar 2012 – 5 V 295/11 –, juris). Eine Auslegung des Antrages auch im Sinne eines Antrages auf einstweilige Anordnung kam vorliegend auf Grund des unmissverständlichen Wortlautes und des nicht beigefügten Erlassantrages bzw. der den Erlass ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 25. April 2016 nicht in Betracht.
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2. Im Hinblick auf die von den Beteiligten erteilte Zustimmung erschien es sachgerecht, über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 und 4 FGO zu entscheiden.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist gewerblich tätig. Im Sommer °°°° setzte das Finanzamt F. -T. die Gewerbesteuermessbeträge für 2009 auf 1.697,00 Euro und für 2010 auf 1.179,00 Euro fest.
3Mit Bescheid vom 00.00.0000 setzte die Beklagte die von der Klägerin für 2009 und 2010 zu entrichtende Gewerbesteuer auf 7.975,90 Euro und 5.659,20 Euro fest. Zugleich wurde die Klägerin zu Nachforderungszinsen von 1.523,00 Euro für 2009 und 1.243,00 Euro für 2010 herangezogen. Dabei legte die Beklagte einen Zinssatzes von 0,5 % pro Monat zugrunde.
4Am 00.00.0000 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Nachforderungszinsen insoweit wendet, als sie auf einem Zinssatz von mehr als 3 % pro Jahr beruhen. Zur Begründung führt sie aus, der gesetzliche Zinssatz von 0,5 % pro Monat für die Verzinsung von Steuernachforderungen sei verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt sei der gesetzliche Zinssatz nicht mehr von der weitreichenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt.
5Die Klägerin beantragt sinngemäß,
6den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 insoweit aufzuheben, als Nachzahlungszinsen von mehr als 761,50 Euro für 2009 und 621,50 Euro für 2010 festgesetzt werden.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie trägt vor, die gesetzliche Höhe der Nachforderungszinsen sei trotz der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
10Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12Der Einzelrichter kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
13Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat die von der Klägerin zu entrichtenden Nachforderungszinsen zur Gewerbesteuer auf Grundlage von § 233a Abgabenordnung (AO) zutreffend festgesetzt.
14Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag, der sich bei der Festsetzung der Gewerbesteuer ergibt, zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Die Zinsen betragen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden Monat einhalb Prozent.
15Gegen diese gesetzliche Regelung und ihre Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall bestehen auch mit Blick auf die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) noch gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Übermaßverbot (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) vor. Bezogen auf die Zinszahlungszeiträume 2003 bis 2006 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bejaht.
16Beschluss vom 3. September 2009 ‑ 1 BvR 2539/07 ‑, NVwZ 2010, 902.
17Zur Begründung hat es auf den weiten Spielraum verwiesen, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zustehe. Mit der Verzinsung von Steuerforderungen und ‑erstattungen habe der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar jeweils spätestens bis zum Jahresende entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Insoweit beruhe die Regelung auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil habe. Es liege in der Konsequenz der Regelung, dass sie grundsätzlich unabhängig davon greife, aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen sei und ob und inwiefern tatsächlich die Liquiditätsvorteile genutzt worden seien. Wenn der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und ‑nachteil typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt habe, sei dies verfassungsrechtlich unbedenklich und stelle insbesondere keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle der konkrete Zinsvorteil oder ‑nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zeitraum zugrunde zu legen wären. In vielen Fällen sei eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhänge, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziere oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwende. Zudem sei bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der hohe Zinssatz des § 233a i. V. m. § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirke.
18Nach diesen Kriterien liegt der für die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis geltende Zinssatz von 0,5 % pro Monat auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase nicht außerhalb des Spielraums, der dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens zusteht.
19OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2014 ‑ 14 A 1196/13 ‑; BFH, Beschluss vom 29. Mai 2013 ‑ X B 233/12 ‑, jeweils juris.
20Dabei kann offen bleiben, ob die Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat (was 6 % pro Jahr entspricht) so groß werden kann, dass die Regelung der §§ 233a, 238 AO für solche Fälle mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar wäre, in denen ein Steuerpflichtiger Nachzahlungen zu leisten hat. Jedenfalls im hier interessierenden Zeitraum ( 00.00.0000 bis heute) überschreitet der Zinssatz von 6 % pro Jahr mit Blick auf die Zinsen am Kapitalmarkt den dem Gesetzgeber zustehenden Spielraum bei der Typisierung nicht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Guthabenzinsen stark gefallen sind und Anleger eine Verzinsung von jährlich 6 % nur noch in Ausnahmefällen erreichen können, wenn sie sich etwa für riskante und/oder langfristige Anlageformen entscheiden. Bei der Beurteilung, ob eine verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Differenz zwischen den Zinsen am Kapitalmarkt und dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, sind jedoch nicht nur die Zinsen in den Blick zu nehmen, die für (insbesondere kurzfristige und sichere) Anlagen von Guthaben gezahlt werden. Denn mit der Verzinsung von Steuernachforderungen und ‑erstattungen sollen nicht nur Guthabenzinsen ausgeglichen werden, die der Steuerschuldner bis zur Nachzahlung oder Erstattung hätte erzielen können. Der Liquiditäts- und Zinsvorteil, der nach dem Willen des Gesetzgebers durch die pauschale Verzinsung ausgeglichen werden soll, kann vielmehr auch in zusätzlich angefallenen oder ersparten Fremdfinanzierungskosten bestehen. Ein Steuerschuldner, der ständig Kredite in Anspruch nimmt oder eine Steuernachzahlung fremdfinanzieren müsste, hat bis zur Fälligkeit der Nachzahlung einen geringeren Fremdfinanzierungsbedarf und spart damit Darlehenszinsen. Bis zu einer Steuerrückzahlung entstehen für einen solchen Steuerschuldner zusätzliche Fremdfinanzierungskosten. Da die Nachforderungszinsen nach §§ 233, 238 AO auch solche Vor- und Nachteile pauschal ausgleichen sollen, sind bei der Beurteilung, ob ein Zinssatz von 6 % pro Jahr den dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraum überschreitet, auch die Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, die auch in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase vielfach um oder sogar deutlich über 6 % liegen. Während Schuldner mit guter Bonität eine Immobilie zu Zinsen von deutlich unter 6 % finanzieren können, sind für sonstige mittel- und langfristige Kredite Zinsen um oder über 6 % keine Seltenheit. Die Zinsen für Dispositionskredite liegen häufig sogar über 10 %.
21Bei der Prüfung, ob sich der vom Gesetzgeber festgelegte Zinssatz noch innerhalb des ihm verfassungsrechtlich zustehenden weiten Spielraums liegt, die am Geldmarkt üblichen Darlehenszinsen in den Blick zu nehmen, ist insbesondere im Gewerbesteuerrecht geboten. Ein erheblicher Anteil von Gewerbetreibenden ist auf Darlehen angewiesen, um die für den Betrieb notwendigen Investitionen finanzieren zu können.
22Unterliegt die gesetzliche Regelung der Nachzahlungszinsen im Steuerrecht mithin keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, ist weder der Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu reduzieren, noch ist nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
23Ausgehend vom gesetzlichen Zinssatz von 0,5 % pro Monat sind Fehler der konkreten Festsetzung der Nachforderungszinsen nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Sie beginnt jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt; eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung gleich. Wird die Festsetzung oder Anmeldung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so beginnt die Verjährung des gesamten Anspruchs erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung wirksam geworden ist.
(2) Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlungsaufforderung nachgeholt worden ist, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.
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Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.
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Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.
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Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.
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Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).
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Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).
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1. Die Revision ist zulässig.
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Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.
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In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.
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2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.
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a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.
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Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.
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b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.
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Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.
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Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.
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c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.
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Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.
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d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.
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Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).
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Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.
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Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.
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Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.
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Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.
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Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.
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Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.
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e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).
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Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).
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Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
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Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.
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Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
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Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.
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3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2014 4 K 4145/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) und ihr Ehemann E (im Folgenden gemeinsam auch: die Eheleute) wurden im Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E ist während des Klageverfahrens verstorben; er wurde von der Klägerin zu 1. sowie dem gemeinsamen Sohn --dem Kläger und Revisionskläger zu 2. (Kläger zu 2.)-- beerbt.
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E erzielte u.a. als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 1991 erwarb er von der Klägerin zu 1. ein Mietwohngrundstück, das er als Betriebsvermögen behandelte. Gleiches geschah mit einem im Jahr 1992 erworbenen weiteren Mietwohngrundstück. Er ordnete jeweils 80 % der Anschaffungskosten den Gebäuden zu und nahm hierauf neben der linearen Absetzungen für Abnutzung Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von 50 % der Anschaffungskosten vor.
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Die Einkommensteuer 1991 wurde wegen der Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1991 erworbene Gebäude sowie eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1992, der auf den Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1992 erworbene Gebäude beruhte, zunächst auf 0 DM festgesetzt.
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Vom 9. November 1995 bis zum 1. März 1996 fand bei E eine Außenprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Aufteilung der Anschaffungskosten der Mietwohngrundstücke sei dahingehend zu ändern, dass ein höherer Anteil auf den Grund und Boden entfalle. Im November 1996 reichte E ein Sachverständigengutachten ein, das eine Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs enthielt, die sowohl von der des E als auch von der des Prüfers abwich. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bat E am 30. Januar 1997 um weitere Auskünfte zur Ausstattung der Gebäude. E reagierte hierauf trotz mehrfacher Erinnerungen nicht.
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Am 17. November 1997 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1991 und folgte darin dem Prüfer. Die Reduzierung der Sonderabschreibung für 1991 und des Verlustrücktrags aus 1992 hatte zur Folge, dass die Einkommensteuer auf 1.436.409 DM und der Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer auf 70.100,10 DM festgesetzt wurde. Für das anschließende Einspruchsverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang Aussetzung der Vollziehung (AdV).
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Im Jahr 2001 beantragten die Eheleute, hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs die Ergebnisse einer tatsächlichen Verständigung zu übernehmen, die eine von der Klägerin zu 1. beherrschte KG hinsichtlich eines benachbarten Grundstücks mit dem FA erzielt hatte. Das FA lehnte dies ab.
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Mit der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 setzte das FA die Einkommensteuer wegen geringerer Beteiligungseinkünfte der Klägerin zu 1. auf 1.333.904 DM herab. Hinsichtlich der Aufteilung der Anschaffungskosten blieb der Einspruch ohne Erfolg.
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Auch für das nachfolgende, am 20. November 2006 eingeleitete Klageverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang AdV. Durch Beweisbeschluss vom 25. November 2009 holte das Finanzgericht (FG) ein Sachverständigengutachten zur Aufteilung der Anschaffungskosten ein. Mit Urteil vom 7. Juni 2011 wies es die Klage in Bezug auf die Einkommensteuer 1991 ab. Zur Begründung führte es aus, der gerichtliche Sachverständige habe sogar noch geringere Gebäudeanteile als das FA ermittelt. Wegen des Verböserungsverbots müsse es daher beim Ansatz des FA bleiben. Diese Entscheidung wurde rechtskräftig.
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Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2012 setzte das FA Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 467.442 € und Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 23.355 € fest (insgesamt 490.797 €).
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Im Einspruchs- und Klageverfahren gegen diesen Bescheid machten die Eheleute geltend, wegen einer überlangen Dauer vor allem des Verwaltungs-, aber auch des Klageverfahrens sei der Zinsanspruch des FA verwirkt. Zur näheren Begründung beriefen sie sich auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2010 6 V 1924/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 757, unter 2.2.2.) sowie die darin zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
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Das FG wies die Klage ab. Die Voraussetzungen des § 237 der Abgabenordnung (AO) seien erfüllt. Die Festsetzung der Zinsen entspreche auch dem Zweck der genannten Norm. Der Zinsanspruch sei nicht verwirkt. Es sei schon fraglich, ob die Verfahrensdauer als überlang anzusehen sei, da die Eheleute auf die Anfrage des FA nicht reagiert hätten. Jedenfalls habe eine eventuelle Überlänge des Verfahrens keine Auswirkungen auf einen materiellen Steueranspruch. Aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich nichts anderes. Vielmehr habe die Bundesrepublik Deutschland die vom EGMR entwickelten Grundsätze mittlerweile durch die in §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufgenommenen Regelungen umgesetzt. Im Übrigen hätten die Eheleute die Dauer des Verwaltungsverfahrens durch Erhebung einer Untätigkeitsklage abkürzen können. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verstöße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Schon der geänderte Einkommensteuerbescheid sei erst mehr als ein Jahr und acht Monate nach Ende der Außenprüfung ergangen. Das Einspruchsverfahren habe dann fast neun Jahre, das Klageverfahren zur Einkommensteuer nochmals über 4 1/2 Jahre gedauert. Es habe in keinem Verfahrensabschnitt Schwierigkeiten gegeben, die eine derartige Verfahrensdauer gerechtfertigt hätten.
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Die Eheleute hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, Ansprüche nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I 2011, 2302) geltend zu machen, da der Zinsbescheid erst am 7. Dezember 2012 --und damit nach Ablauf der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannten Klagefrist (3. Juni 2012)-- ergangen sei.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2013 und den Bescheid über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 vom 7. Dezember 2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es verweist im Wesentlichen auf die Entscheidung der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
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II. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der Bescheid über Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991. Im Streitfall hat das FA einen sog. Sammelbescheid erlassen, der zwei rechtlich selbständige Verwaltungsakte enthält (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 26. November 2014 X R 18/13, BFH/NV 2015, 785, Rz 28 ff.), nämlich den Zinsbescheid für die Einkommensteuer 1991 und den Zinsbescheid für den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991.
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Im Rubrum ihrer Klageschrift hatten die Eheleute korrekt beide angefochtenen Verwaltungsakte angegeben. Aus Gründen, die sich den Akten nicht entnehmen lassen, hat das FG in das Rubrum seiner Schriftsätze und seines Urteils aber nur den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 1991 aufgenommen. Es steht aber fest, dass es über beide Verwaltungsakte des Sammelbescheids hat entscheiden wollen. Dies folgt u.a. daraus, dass es bereits im ersten Absatz seines Urteilstatbestands ausführt, der Rechtsstreit betreffe "die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991". Ferner gibt es den Gesamtbetrag der im Sammelbescheid festgesetzten Aussetzungszinsen (490.797 €) an.
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Die vom FG im Rubrum verwendete, den Streitgegenstand objektiv nicht ausschöpfende Bezeichnung "Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991" findet sich dann auch in der Revisionsschrift wieder. Gleichwohl folgt aus dem Begehren der Kläger, den (gesamten) Bescheid vom 7. Dezember 2012 aufzuheben, dass ihr Rechtsmittel sich auf beide Verwaltungsakte bezieht, die in dem bezeichneten Sammelbescheid enthalten sind und über die das FG tatsächlich entschieden hat.
-
III.
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Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
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1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die einfach-gesetzlichen Voraussetzungen des § 237 AO erfüllt sind. Auch Einwendungen gegen die Berechnung oder Höhe der Zinsen sind weder von den Klägern geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
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2. Problematisch ist vielmehr allein, ob eine --hier vom FG zwar nicht festgestellte, für das Revisionsverfahren aber zu unterstellende-- überlange Dauer eines Einspruchs- und/oder Klageverfahrens der Festsetzung von Aussetzungszinsen in der gesetzlichen Höhe entgegen steht.
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a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bisher keine materiell-rechtlichen steuerlichen Folgen aus der Verfahrensdauer gezogen.
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aa) Für die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG hat der BFH entschieden, dass Rechtsfolge der überlangen Dauer eines Verfahrens jedenfalls nicht der Wegfall des materiellen Steueranspruchs ist (ausführlich BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Februar 1994 2 BvR 74, 75/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1994, 552; nochmals BFH-Beschluss vom 20. Mai 1994 XI B 63/93, BFH/NV 1994, 605; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 22. August 1994 2 BvR 1454/94). Insbesondere führt eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung desjenigen Steueranspruchs, der Gegenstand des verzögerten Verwaltungsverfahrens oder Rechtsstreits ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter I.; vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518, unter II.B.4.; vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, unter II.3., und vom 24. Oktober 2006 I R 90/05, BFH/NV 2007, 849, unter III.1.d).
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Im Einzelfall können allerdings die Anforderungen an die Bildung der gerichtlichen Überzeugung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen abzumildern sein, wenn eine überlange Verfahrensdauer dazu führt, dass ein Beweismittel verloren geht (z.B. Versterben eines hochbetagten, wichtigen Zeugen während des vom FG verzögert bearbeiteten Klageverfahrens). Eine --darüber hinausgehende-- Umkehr der Feststellungslast kann indes allenfalls in Betracht kommen, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten des jeweils anderen Prozessbeteiligten zurückzuführen ist (grundlegend BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 4.).
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bb) In Bezug auf die Festsetzung von Zinsen gilt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung von Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) trotz schuldhaft verzögerter Bearbeitung einer Steuererklärung durch das FA jedenfalls dann nicht entgegen steht, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich einen Zinsvorteil hatte, der nicht geringer war als die vom FA festgesetzten Zinsen (BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, unter II.3.).
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cc) Allein aus einer überlangen Dauer des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das der Festsetzung von Aussetzungszinsen zugrunde liegt, folgt nicht, dass die Ablehnung eines Antrags auf Erlass der Aussetzungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtsfehlerhaft wäre (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498, unter II.3.c bb; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1993 2 BvR 693/91, HFR 1994, 551; BFH-Beschlüsse in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter I.2.d, und vom 19. Februar 1996 I B 86/95, BFH/NV 1996, 725; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 27. Februar 1997 1 BvR 1591/96). Später hat der BFH entschieden, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen unabhängig von der Höhe eines konkreten Zinsvorteils nicht unbillig ist, wenn der Steuerpflichtige die erwartete Nachzahlung durch einen Antrag auf nachträgliche Erhöhung der Vorauszahlungen hätte vermeiden können (Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).
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b) Auch nach Ergehen der Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland durch den EGMR, die letztlich zum Erlass des ÜberlVfRSchG geführt haben, hat der BFH an der dargestellten Rechtsprechung festgehalten, wonach eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung materieller Steueransprüche führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, Rz 14 ff., und vom 30. August 2012 X B 27/11, BFH/NV 2013, 180, Rz 17, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 21. Mai 2013 1 BvR 2473/12; BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2013 III B 147/12, BFH/NV 2014, 358, Rz 3, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 30. September 2015 2 BvR 1071/14; BFH-Urteil vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093, Rz 14; BFH-Beschluss vom 21. Januar 2015 VIII B 112/13, BFH/NV 2015, 800, Rz 6; ebenso FG Münster, Urteil vom 27. August 2014 13 K 4136/11 E, EFG 2014, 2031, unter II., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch den nicht veröffentlichten BFH-Beschluss vom 18. Februar 2015 IX B 117/14; Claßen, EFG 2014, 2036).
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Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG erfassen diese Vorschriften die überlange Dauer behördlicher Verfahren nicht, weil insoweit seit jeher hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten (Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO und Untätigkeitsklage nach § 46 FGO) bestehen (Senatsentscheidungen vom 26. Juli 2012 X S 18/12 (PKH), BFH/NV 2012, 1822, und vom 19. März 2014 X K 3/13, BFH/NV 2014, 1053, Rz 28; vgl. auch den Regierungsentwurf zum ÜberlVfRSchG vom 17. November 2010, BTDrucks 17/3802, S. 17).
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c) Den Klägern ist allerdings zuzugestehen, dass der EGMR in der von ihnen angeführten Entscheidung zur Dauer eines Disziplinarverfahrens, das nach der Hessischen Disziplinarordnung (HDO) durchgeführt worden war, die Verzögerung des vorgerichtlichen förmlichen Disziplinarverfahrens mit in die Prüfung einbezogen hat, ob Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt sei (EGMR-Urteil vom 16. Juli 2009 8453/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 1015, Rz 44). Der EGMR hat in der genannten Entscheidung dem dortigen Kläger eine Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer zugesprochen, obwohl die HDO in ihrem § 61 eine --mit § 46 FGO im Kern vergleichbare-- Vorschrift enthielt, mit der der Beamte nach sechsmonatiger Dauer des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Entscheidung erzwingen konnte, und der dortige Kläger von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 51).
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Gleichwohl kann Art. 6 Abs. 1 EMRK im vorliegenden Verfahren nicht zugunsten der Kläger herangezogen werden. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf "Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage". Auch wenn der Begriff "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" in der Rechtsprechung des EGMR traditionell sehr weit ausgelegt wird, fallen steuerrechtliche Streitigkeiten (im engeren Sinne) nicht darunter. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung sowohl des EGMR (ausführlich Urteil vom 12. Juli 2001 44759/98 – Ferrazzini/Italien, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 3453, Rz 20 ff.; für Zölle und Einfuhrabgaben auch EGMR-Entscheidung vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234) als auch des BFH (Beschlüsse vom 21. Februar 2006 I B 32/05, BFH/NV 2006, 1305, unter II.2.; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866, unter II.3.b; vom 9. September 2008 VI B 72/07, unter b bb; in BFH/NV 2011, 2011, Rz 16; vom 18. März 2013 VII B 134/12, BFH/NV 2013, 1102, und in BFH/NV 2015, 800, Rz 8). Soweit die Kläger anführen, das EGMR-Urteil in NJW 2002, 3453 sei lediglich mit 11 : 6 Stimmen ergangen, so dass immerhin sechs Richter des EGMR diese Entscheidung für falsch gehalten haben (vgl. die in NJW 2002, 3455 veröffentlichte abweichende Meinung von sechs Richtern) ändert dies nichts daran, dass es sich bei den dargestellten Grundsätzen um die Rechtsprechung des EGMR handelt. In seiner vorgenannten Entscheidung zu einem nach der HDO geführten Disziplinarverfahren hat der EGMR die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK nur deshalb bejaht, weil es sich bei Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis zugleich im weitesten Sinne um arbeitsrechtliche --und damit um zivilrechtliche-- Streitigkeiten handelt (EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 37 ff.).
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Hingegen betraf das Ausgangsverfahren zum vorliegenden Rechtsstreit steuerrechtliche Ansprüche im engeren Sinne, da der Streit über die Höhe der Bemessungsgrundlage für einkommensteuerrechtliche Sonderabschreibungen auf Gebäude keinen Bezug zum Zivilrecht aufweist.
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Den gegenteiligen --schon in dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 180 (Rz 13) zutreffend als weder tragend noch abschließend beurteilten-- Überlegungen des FG Rheinland-Pfalz in dem von den Klägern angeführten Beschluss in EFG 2011, 757 folgt der Senat aus den genannten Gründen ausdrücklich nicht.
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3. Die Kläger werden durch diese rechtliche Beurteilung nicht schutzlos gestellt.
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a) Soweit sie sich auf die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens berufen, hätten die Eheleute dieses durch Erhebung einer Untätigkeitsklage beschleunigen können. Das Vorbringen der Kläger, die Verantwortung für die Dauer des Verwaltungsverfahrens liege beim FA, ist zwar im Grundsatz zutreffend. Dies schließt aber nicht aus, die Möglichkeiten zu nutzen, die das Gesetz für den Fall einer Untätigkeit des FA ausdrücklich eröffnet. Hätten die Eheleute von dem präventiven Rechtsbehelf des § 46 FGO Gebrauch gemacht, wäre zu erwarten gewesen, dass es gar nicht erst zu einer unangemessenen Dauer des Verwaltungsverfahrens --und damit zur Belastung mit Aussetzungszinsen für diesen Verfahrensabschnitt-- gekommen wäre.
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b) Soweit die Kläger meinen, die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid 1991 sei unangemessen lang gewesen, hätten die Eheleute die Möglichkeit gehabt, hiergegen Entschädigungsklage zu erheben. Das entsprechende FG-Urteil datiert vom 7. Juni 2011. Zwar ist das ÜberlVfRSchG erst am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten. Nach seinem Art. 23 Satz 1 gilt es aber auch für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer beim Inkrafttreten noch Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR werden kann. Diese Regelung knüpft an die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK an, die ihrerseits mit der Rechtskraft der Entscheidung der nationalen Gerichte ("endgültige innerstaatliche Entscheidung") beginnt. Zwar ist nicht bekannt, wann das FG-Urteil über den Einkommensteuerbescheid 1991 rechtskräftig geworden oder den Eheleuten zugestellt worden ist (das FA hat die gewährte AdV zum 25. August 2011 beendet). Die Rechtskraft kann aber nicht früher als am 7. Juli 2011 (einen Monat nach der mündlichen Verhandlung) eingetreten sein. Innerhalb der --frühestens-- an diesem Tag beginnenden Sechs-Monats-Frist nach Art. 35 Abs. 1 EMRK ist das ÜberlVfRSchG in Kraft getreten. Die Eheleute hätten danach bis zum 3. Juni 2012 (Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG) Gelegenheit gehabt, eine Entschädigungsklage beim BFH zu erheben.
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Im Rahmen einer solchen Entschädigungsklage wären die Aussetzungszinsen, die für den Zeitraum angefallen sind, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, als materieller Nachteil --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- entschädigungspflichtig gewesen (zutreffend Böcker, Deutsches Steuerrecht 2011, 2173, 2177). In Übereinstimmung damit hat der Senat bereits entschieden, dass Aufwendungen für eine Avalprovision, die dem Steuerpflichtigen zur Erbringung einer Sicherheitsleistung für die Zeit der AdV entstehen, als materieller Schaden ersatzfähig sind (Urteil vom 6. April 2016 X K 1/15, unter II.2.a).
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Soweit die Kläger darauf verweisen, dass beim Ergehen des angefochtenen Bescheids über die Festsetzung der Aussetzungszinsen (7. Dezember 2012) der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannte Termin (3. Juni 2012) bereits verstrichen gewesen sei, führt dies nach Auffassung des Senats zu keinem anderen Ergebnis. Die Eheleute hätten ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, bereits wegen ihrer Nichtvermögensschäden bis zum 3. Juni 2012 eine Entschädigungsklage zu erheben. Nach Ergehen des Zinsbescheids, mit dessen Erlass sie zwingend rechnen mussten, weil dem FA insoweit kein Ermessen eingeräumt ist, hätten sie denjenigen Zinsbetrag, der auf den Zeitraum entfällt, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, im Wege der Klageerweiterung als materiellen Schaden --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- geltend machen können.
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c) Mithin bietet das geltende Recht ausreichende Möglichkeiten, die Entstehung von Aussetzungszinsen für ein überlanges Verwaltungsverfahren von vornherein zu vermeiden (durch Erhebung einer Untätigkeitsklage) bzw. die Aussetzungszinsen für ein überlanges finanzgerichtliches Verfahren zu kompensieren (durch die Geltendmachung als materieller Schaden im Rahmen einer Entschädigungsklage). Daher besteht kein Bedarf für die von den Klägern begehrte Rechtsfortbildung dahingehend, in derartigen Fällen bereits die Festsetzung von Aussetzungszinsen als rechtswidrig anzusehen.
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4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.
(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2014 4 K 4145/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) und ihr Ehemann E (im Folgenden gemeinsam auch: die Eheleute) wurden im Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E ist während des Klageverfahrens verstorben; er wurde von der Klägerin zu 1. sowie dem gemeinsamen Sohn --dem Kläger und Revisionskläger zu 2. (Kläger zu 2.)-- beerbt.
- 2
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E erzielte u.a. als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 1991 erwarb er von der Klägerin zu 1. ein Mietwohngrundstück, das er als Betriebsvermögen behandelte. Gleiches geschah mit einem im Jahr 1992 erworbenen weiteren Mietwohngrundstück. Er ordnete jeweils 80 % der Anschaffungskosten den Gebäuden zu und nahm hierauf neben der linearen Absetzungen für Abnutzung Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von 50 % der Anschaffungskosten vor.
- 3
-
Die Einkommensteuer 1991 wurde wegen der Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1991 erworbene Gebäude sowie eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1992, der auf den Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1992 erworbene Gebäude beruhte, zunächst auf 0 DM festgesetzt.
- 4
-
Vom 9. November 1995 bis zum 1. März 1996 fand bei E eine Außenprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Aufteilung der Anschaffungskosten der Mietwohngrundstücke sei dahingehend zu ändern, dass ein höherer Anteil auf den Grund und Boden entfalle. Im November 1996 reichte E ein Sachverständigengutachten ein, das eine Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs enthielt, die sowohl von der des E als auch von der des Prüfers abwich. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bat E am 30. Januar 1997 um weitere Auskünfte zur Ausstattung der Gebäude. E reagierte hierauf trotz mehrfacher Erinnerungen nicht.
- 5
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Am 17. November 1997 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1991 und folgte darin dem Prüfer. Die Reduzierung der Sonderabschreibung für 1991 und des Verlustrücktrags aus 1992 hatte zur Folge, dass die Einkommensteuer auf 1.436.409 DM und der Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer auf 70.100,10 DM festgesetzt wurde. Für das anschließende Einspruchsverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang Aussetzung der Vollziehung (AdV).
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Im Jahr 2001 beantragten die Eheleute, hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs die Ergebnisse einer tatsächlichen Verständigung zu übernehmen, die eine von der Klägerin zu 1. beherrschte KG hinsichtlich eines benachbarten Grundstücks mit dem FA erzielt hatte. Das FA lehnte dies ab.
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Mit der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 setzte das FA die Einkommensteuer wegen geringerer Beteiligungseinkünfte der Klägerin zu 1. auf 1.333.904 DM herab. Hinsichtlich der Aufteilung der Anschaffungskosten blieb der Einspruch ohne Erfolg.
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Auch für das nachfolgende, am 20. November 2006 eingeleitete Klageverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang AdV. Durch Beweisbeschluss vom 25. November 2009 holte das Finanzgericht (FG) ein Sachverständigengutachten zur Aufteilung der Anschaffungskosten ein. Mit Urteil vom 7. Juni 2011 wies es die Klage in Bezug auf die Einkommensteuer 1991 ab. Zur Begründung führte es aus, der gerichtliche Sachverständige habe sogar noch geringere Gebäudeanteile als das FA ermittelt. Wegen des Verböserungsverbots müsse es daher beim Ansatz des FA bleiben. Diese Entscheidung wurde rechtskräftig.
- 9
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Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2012 setzte das FA Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 467.442 € und Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 23.355 € fest (insgesamt 490.797 €).
- 10
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Im Einspruchs- und Klageverfahren gegen diesen Bescheid machten die Eheleute geltend, wegen einer überlangen Dauer vor allem des Verwaltungs-, aber auch des Klageverfahrens sei der Zinsanspruch des FA verwirkt. Zur näheren Begründung beriefen sie sich auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2010 6 V 1924/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 757, unter 2.2.2.) sowie die darin zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
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Das FG wies die Klage ab. Die Voraussetzungen des § 237 der Abgabenordnung (AO) seien erfüllt. Die Festsetzung der Zinsen entspreche auch dem Zweck der genannten Norm. Der Zinsanspruch sei nicht verwirkt. Es sei schon fraglich, ob die Verfahrensdauer als überlang anzusehen sei, da die Eheleute auf die Anfrage des FA nicht reagiert hätten. Jedenfalls habe eine eventuelle Überlänge des Verfahrens keine Auswirkungen auf einen materiellen Steueranspruch. Aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich nichts anderes. Vielmehr habe die Bundesrepublik Deutschland die vom EGMR entwickelten Grundsätze mittlerweile durch die in §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufgenommenen Regelungen umgesetzt. Im Übrigen hätten die Eheleute die Dauer des Verwaltungsverfahrens durch Erhebung einer Untätigkeitsklage abkürzen können. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verstöße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Schon der geänderte Einkommensteuerbescheid sei erst mehr als ein Jahr und acht Monate nach Ende der Außenprüfung ergangen. Das Einspruchsverfahren habe dann fast neun Jahre, das Klageverfahren zur Einkommensteuer nochmals über 4 1/2 Jahre gedauert. Es habe in keinem Verfahrensabschnitt Schwierigkeiten gegeben, die eine derartige Verfahrensdauer gerechtfertigt hätten.
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Die Eheleute hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, Ansprüche nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I 2011, 2302) geltend zu machen, da der Zinsbescheid erst am 7. Dezember 2012 --und damit nach Ablauf der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannten Klagefrist (3. Juni 2012)-- ergangen sei.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2013 und den Bescheid über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 vom 7. Dezember 2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es verweist im Wesentlichen auf die Entscheidung der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
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II. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der Bescheid über Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991. Im Streitfall hat das FA einen sog. Sammelbescheid erlassen, der zwei rechtlich selbständige Verwaltungsakte enthält (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 26. November 2014 X R 18/13, BFH/NV 2015, 785, Rz 28 ff.), nämlich den Zinsbescheid für die Einkommensteuer 1991 und den Zinsbescheid für den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991.
- 18
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Im Rubrum ihrer Klageschrift hatten die Eheleute korrekt beide angefochtenen Verwaltungsakte angegeben. Aus Gründen, die sich den Akten nicht entnehmen lassen, hat das FG in das Rubrum seiner Schriftsätze und seines Urteils aber nur den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 1991 aufgenommen. Es steht aber fest, dass es über beide Verwaltungsakte des Sammelbescheids hat entscheiden wollen. Dies folgt u.a. daraus, dass es bereits im ersten Absatz seines Urteilstatbestands ausführt, der Rechtsstreit betreffe "die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991". Ferner gibt es den Gesamtbetrag der im Sammelbescheid festgesetzten Aussetzungszinsen (490.797 €) an.
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Die vom FG im Rubrum verwendete, den Streitgegenstand objektiv nicht ausschöpfende Bezeichnung "Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991" findet sich dann auch in der Revisionsschrift wieder. Gleichwohl folgt aus dem Begehren der Kläger, den (gesamten) Bescheid vom 7. Dezember 2012 aufzuheben, dass ihr Rechtsmittel sich auf beide Verwaltungsakte bezieht, die in dem bezeichneten Sammelbescheid enthalten sind und über die das FG tatsächlich entschieden hat.
-
III.
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Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
- 21
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1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die einfach-gesetzlichen Voraussetzungen des § 237 AO erfüllt sind. Auch Einwendungen gegen die Berechnung oder Höhe der Zinsen sind weder von den Klägern geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
- 22
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2. Problematisch ist vielmehr allein, ob eine --hier vom FG zwar nicht festgestellte, für das Revisionsverfahren aber zu unterstellende-- überlange Dauer eines Einspruchs- und/oder Klageverfahrens der Festsetzung von Aussetzungszinsen in der gesetzlichen Höhe entgegen steht.
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a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bisher keine materiell-rechtlichen steuerlichen Folgen aus der Verfahrensdauer gezogen.
- 24
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aa) Für die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG hat der BFH entschieden, dass Rechtsfolge der überlangen Dauer eines Verfahrens jedenfalls nicht der Wegfall des materiellen Steueranspruchs ist (ausführlich BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Februar 1994 2 BvR 74, 75/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1994, 552; nochmals BFH-Beschluss vom 20. Mai 1994 XI B 63/93, BFH/NV 1994, 605; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 22. August 1994 2 BvR 1454/94). Insbesondere führt eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung desjenigen Steueranspruchs, der Gegenstand des verzögerten Verwaltungsverfahrens oder Rechtsstreits ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter I.; vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518, unter II.B.4.; vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, unter II.3., und vom 24. Oktober 2006 I R 90/05, BFH/NV 2007, 849, unter III.1.d).
- 25
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Im Einzelfall können allerdings die Anforderungen an die Bildung der gerichtlichen Überzeugung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen abzumildern sein, wenn eine überlange Verfahrensdauer dazu führt, dass ein Beweismittel verloren geht (z.B. Versterben eines hochbetagten, wichtigen Zeugen während des vom FG verzögert bearbeiteten Klageverfahrens). Eine --darüber hinausgehende-- Umkehr der Feststellungslast kann indes allenfalls in Betracht kommen, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten des jeweils anderen Prozessbeteiligten zurückzuführen ist (grundlegend BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 4.).
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bb) In Bezug auf die Festsetzung von Zinsen gilt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung von Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) trotz schuldhaft verzögerter Bearbeitung einer Steuererklärung durch das FA jedenfalls dann nicht entgegen steht, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich einen Zinsvorteil hatte, der nicht geringer war als die vom FA festgesetzten Zinsen (BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, unter II.3.).
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cc) Allein aus einer überlangen Dauer des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das der Festsetzung von Aussetzungszinsen zugrunde liegt, folgt nicht, dass die Ablehnung eines Antrags auf Erlass der Aussetzungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtsfehlerhaft wäre (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498, unter II.3.c bb; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1993 2 BvR 693/91, HFR 1994, 551; BFH-Beschlüsse in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter I.2.d, und vom 19. Februar 1996 I B 86/95, BFH/NV 1996, 725; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 27. Februar 1997 1 BvR 1591/96). Später hat der BFH entschieden, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen unabhängig von der Höhe eines konkreten Zinsvorteils nicht unbillig ist, wenn der Steuerpflichtige die erwartete Nachzahlung durch einen Antrag auf nachträgliche Erhöhung der Vorauszahlungen hätte vermeiden können (Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).
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b) Auch nach Ergehen der Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland durch den EGMR, die letztlich zum Erlass des ÜberlVfRSchG geführt haben, hat der BFH an der dargestellten Rechtsprechung festgehalten, wonach eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung materieller Steueransprüche führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, Rz 14 ff., und vom 30. August 2012 X B 27/11, BFH/NV 2013, 180, Rz 17, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 21. Mai 2013 1 BvR 2473/12; BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2013 III B 147/12, BFH/NV 2014, 358, Rz 3, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 30. September 2015 2 BvR 1071/14; BFH-Urteil vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093, Rz 14; BFH-Beschluss vom 21. Januar 2015 VIII B 112/13, BFH/NV 2015, 800, Rz 6; ebenso FG Münster, Urteil vom 27. August 2014 13 K 4136/11 E, EFG 2014, 2031, unter II., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch den nicht veröffentlichten BFH-Beschluss vom 18. Februar 2015 IX B 117/14; Claßen, EFG 2014, 2036).
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Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG erfassen diese Vorschriften die überlange Dauer behördlicher Verfahren nicht, weil insoweit seit jeher hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten (Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO und Untätigkeitsklage nach § 46 FGO) bestehen (Senatsentscheidungen vom 26. Juli 2012 X S 18/12 (PKH), BFH/NV 2012, 1822, und vom 19. März 2014 X K 3/13, BFH/NV 2014, 1053, Rz 28; vgl. auch den Regierungsentwurf zum ÜberlVfRSchG vom 17. November 2010, BTDrucks 17/3802, S. 17).
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c) Den Klägern ist allerdings zuzugestehen, dass der EGMR in der von ihnen angeführten Entscheidung zur Dauer eines Disziplinarverfahrens, das nach der Hessischen Disziplinarordnung (HDO) durchgeführt worden war, die Verzögerung des vorgerichtlichen förmlichen Disziplinarverfahrens mit in die Prüfung einbezogen hat, ob Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt sei (EGMR-Urteil vom 16. Juli 2009 8453/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 1015, Rz 44). Der EGMR hat in der genannten Entscheidung dem dortigen Kläger eine Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer zugesprochen, obwohl die HDO in ihrem § 61 eine --mit § 46 FGO im Kern vergleichbare-- Vorschrift enthielt, mit der der Beamte nach sechsmonatiger Dauer des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Entscheidung erzwingen konnte, und der dortige Kläger von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 51).
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Gleichwohl kann Art. 6 Abs. 1 EMRK im vorliegenden Verfahren nicht zugunsten der Kläger herangezogen werden. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf "Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage". Auch wenn der Begriff "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" in der Rechtsprechung des EGMR traditionell sehr weit ausgelegt wird, fallen steuerrechtliche Streitigkeiten (im engeren Sinne) nicht darunter. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung sowohl des EGMR (ausführlich Urteil vom 12. Juli 2001 44759/98 – Ferrazzini/Italien, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 3453, Rz 20 ff.; für Zölle und Einfuhrabgaben auch EGMR-Entscheidung vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234) als auch des BFH (Beschlüsse vom 21. Februar 2006 I B 32/05, BFH/NV 2006, 1305, unter II.2.; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866, unter II.3.b; vom 9. September 2008 VI B 72/07, unter b bb; in BFH/NV 2011, 2011, Rz 16; vom 18. März 2013 VII B 134/12, BFH/NV 2013, 1102, und in BFH/NV 2015, 800, Rz 8). Soweit die Kläger anführen, das EGMR-Urteil in NJW 2002, 3453 sei lediglich mit 11 : 6 Stimmen ergangen, so dass immerhin sechs Richter des EGMR diese Entscheidung für falsch gehalten haben (vgl. die in NJW 2002, 3455 veröffentlichte abweichende Meinung von sechs Richtern) ändert dies nichts daran, dass es sich bei den dargestellten Grundsätzen um die Rechtsprechung des EGMR handelt. In seiner vorgenannten Entscheidung zu einem nach der HDO geführten Disziplinarverfahren hat der EGMR die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK nur deshalb bejaht, weil es sich bei Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis zugleich im weitesten Sinne um arbeitsrechtliche --und damit um zivilrechtliche-- Streitigkeiten handelt (EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 37 ff.).
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Hingegen betraf das Ausgangsverfahren zum vorliegenden Rechtsstreit steuerrechtliche Ansprüche im engeren Sinne, da der Streit über die Höhe der Bemessungsgrundlage für einkommensteuerrechtliche Sonderabschreibungen auf Gebäude keinen Bezug zum Zivilrecht aufweist.
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Den gegenteiligen --schon in dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 180 (Rz 13) zutreffend als weder tragend noch abschließend beurteilten-- Überlegungen des FG Rheinland-Pfalz in dem von den Klägern angeführten Beschluss in EFG 2011, 757 folgt der Senat aus den genannten Gründen ausdrücklich nicht.
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3. Die Kläger werden durch diese rechtliche Beurteilung nicht schutzlos gestellt.
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a) Soweit sie sich auf die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens berufen, hätten die Eheleute dieses durch Erhebung einer Untätigkeitsklage beschleunigen können. Das Vorbringen der Kläger, die Verantwortung für die Dauer des Verwaltungsverfahrens liege beim FA, ist zwar im Grundsatz zutreffend. Dies schließt aber nicht aus, die Möglichkeiten zu nutzen, die das Gesetz für den Fall einer Untätigkeit des FA ausdrücklich eröffnet. Hätten die Eheleute von dem präventiven Rechtsbehelf des § 46 FGO Gebrauch gemacht, wäre zu erwarten gewesen, dass es gar nicht erst zu einer unangemessenen Dauer des Verwaltungsverfahrens --und damit zur Belastung mit Aussetzungszinsen für diesen Verfahrensabschnitt-- gekommen wäre.
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b) Soweit die Kläger meinen, die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid 1991 sei unangemessen lang gewesen, hätten die Eheleute die Möglichkeit gehabt, hiergegen Entschädigungsklage zu erheben. Das entsprechende FG-Urteil datiert vom 7. Juni 2011. Zwar ist das ÜberlVfRSchG erst am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten. Nach seinem Art. 23 Satz 1 gilt es aber auch für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer beim Inkrafttreten noch Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR werden kann. Diese Regelung knüpft an die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK an, die ihrerseits mit der Rechtskraft der Entscheidung der nationalen Gerichte ("endgültige innerstaatliche Entscheidung") beginnt. Zwar ist nicht bekannt, wann das FG-Urteil über den Einkommensteuerbescheid 1991 rechtskräftig geworden oder den Eheleuten zugestellt worden ist (das FA hat die gewährte AdV zum 25. August 2011 beendet). Die Rechtskraft kann aber nicht früher als am 7. Juli 2011 (einen Monat nach der mündlichen Verhandlung) eingetreten sein. Innerhalb der --frühestens-- an diesem Tag beginnenden Sechs-Monats-Frist nach Art. 35 Abs. 1 EMRK ist das ÜberlVfRSchG in Kraft getreten. Die Eheleute hätten danach bis zum 3. Juni 2012 (Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG) Gelegenheit gehabt, eine Entschädigungsklage beim BFH zu erheben.
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Im Rahmen einer solchen Entschädigungsklage wären die Aussetzungszinsen, die für den Zeitraum angefallen sind, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, als materieller Nachteil --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- entschädigungspflichtig gewesen (zutreffend Böcker, Deutsches Steuerrecht 2011, 2173, 2177). In Übereinstimmung damit hat der Senat bereits entschieden, dass Aufwendungen für eine Avalprovision, die dem Steuerpflichtigen zur Erbringung einer Sicherheitsleistung für die Zeit der AdV entstehen, als materieller Schaden ersatzfähig sind (Urteil vom 6. April 2016 X K 1/15, unter II.2.a).
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Soweit die Kläger darauf verweisen, dass beim Ergehen des angefochtenen Bescheids über die Festsetzung der Aussetzungszinsen (7. Dezember 2012) der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannte Termin (3. Juni 2012) bereits verstrichen gewesen sei, führt dies nach Auffassung des Senats zu keinem anderen Ergebnis. Die Eheleute hätten ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, bereits wegen ihrer Nichtvermögensschäden bis zum 3. Juni 2012 eine Entschädigungsklage zu erheben. Nach Ergehen des Zinsbescheids, mit dessen Erlass sie zwingend rechnen mussten, weil dem FA insoweit kein Ermessen eingeräumt ist, hätten sie denjenigen Zinsbetrag, der auf den Zeitraum entfällt, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, im Wege der Klageerweiterung als materiellen Schaden --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- geltend machen können.
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c) Mithin bietet das geltende Recht ausreichende Möglichkeiten, die Entstehung von Aussetzungszinsen für ein überlanges Verwaltungsverfahren von vornherein zu vermeiden (durch Erhebung einer Untätigkeitsklage) bzw. die Aussetzungszinsen für ein überlanges finanzgerichtliches Verfahren zu kompensieren (durch die Geltendmachung als materieller Schaden im Rahmen einer Entschädigungsklage). Daher besteht kein Bedarf für die von den Klägern begehrte Rechtsfortbildung dahingehend, in derartigen Fällen bereits die Festsetzung von Aussetzungszinsen als rechtswidrig anzusehen.
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4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2014 4 K 4145/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) und ihr Ehemann E (im Folgenden gemeinsam auch: die Eheleute) wurden im Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E ist während des Klageverfahrens verstorben; er wurde von der Klägerin zu 1. sowie dem gemeinsamen Sohn --dem Kläger und Revisionskläger zu 2. (Kläger zu 2.)-- beerbt.
- 2
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E erzielte u.a. als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 1991 erwarb er von der Klägerin zu 1. ein Mietwohngrundstück, das er als Betriebsvermögen behandelte. Gleiches geschah mit einem im Jahr 1992 erworbenen weiteren Mietwohngrundstück. Er ordnete jeweils 80 % der Anschaffungskosten den Gebäuden zu und nahm hierauf neben der linearen Absetzungen für Abnutzung Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von 50 % der Anschaffungskosten vor.
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Die Einkommensteuer 1991 wurde wegen der Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1991 erworbene Gebäude sowie eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1992, der auf den Sonderabschreibungen auf das im Jahr 1992 erworbene Gebäude beruhte, zunächst auf 0 DM festgesetzt.
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Vom 9. November 1995 bis zum 1. März 1996 fand bei E eine Außenprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Aufteilung der Anschaffungskosten der Mietwohngrundstücke sei dahingehend zu ändern, dass ein höherer Anteil auf den Grund und Boden entfalle. Im November 1996 reichte E ein Sachverständigengutachten ein, das eine Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs enthielt, die sowohl von der des E als auch von der des Prüfers abwich. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bat E am 30. Januar 1997 um weitere Auskünfte zur Ausstattung der Gebäude. E reagierte hierauf trotz mehrfacher Erinnerungen nicht.
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Am 17. November 1997 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1991 und folgte darin dem Prüfer. Die Reduzierung der Sonderabschreibung für 1991 und des Verlustrücktrags aus 1992 hatte zur Folge, dass die Einkommensteuer auf 1.436.409 DM und der Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer auf 70.100,10 DM festgesetzt wurde. Für das anschließende Einspruchsverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang Aussetzung der Vollziehung (AdV).
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Im Jahr 2001 beantragten die Eheleute, hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs die Ergebnisse einer tatsächlichen Verständigung zu übernehmen, die eine von der Klägerin zu 1. beherrschte KG hinsichtlich eines benachbarten Grundstücks mit dem FA erzielt hatte. Das FA lehnte dies ab.
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Mit der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 setzte das FA die Einkommensteuer wegen geringerer Beteiligungseinkünfte der Klägerin zu 1. auf 1.333.904 DM herab. Hinsichtlich der Aufteilung der Anschaffungskosten blieb der Einspruch ohne Erfolg.
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Auch für das nachfolgende, am 20. November 2006 eingeleitete Klageverfahren gewährte das FA auf Antrag der Eheleute in vollem Umfang AdV. Durch Beweisbeschluss vom 25. November 2009 holte das Finanzgericht (FG) ein Sachverständigengutachten zur Aufteilung der Anschaffungskosten ein. Mit Urteil vom 7. Juni 2011 wies es die Klage in Bezug auf die Einkommensteuer 1991 ab. Zur Begründung führte es aus, der gerichtliche Sachverständige habe sogar noch geringere Gebäudeanteile als das FA ermittelt. Wegen des Verböserungsverbots müsse es daher beim Ansatz des FA bleiben. Diese Entscheidung wurde rechtskräftig.
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Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2012 setzte das FA Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 467.442 € und Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 23.355 € fest (insgesamt 490.797 €).
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Im Einspruchs- und Klageverfahren gegen diesen Bescheid machten die Eheleute geltend, wegen einer überlangen Dauer vor allem des Verwaltungs-, aber auch des Klageverfahrens sei der Zinsanspruch des FA verwirkt. Zur näheren Begründung beriefen sie sich auf den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2010 6 V 1924/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 757, unter 2.2.2.) sowie die darin zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
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Das FG wies die Klage ab. Die Voraussetzungen des § 237 der Abgabenordnung (AO) seien erfüllt. Die Festsetzung der Zinsen entspreche auch dem Zweck der genannten Norm. Der Zinsanspruch sei nicht verwirkt. Es sei schon fraglich, ob die Verfahrensdauer als überlang anzusehen sei, da die Eheleute auf die Anfrage des FA nicht reagiert hätten. Jedenfalls habe eine eventuelle Überlänge des Verfahrens keine Auswirkungen auf einen materiellen Steueranspruch. Aus der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich nichts anderes. Vielmehr habe die Bundesrepublik Deutschland die vom EGMR entwickelten Grundsätze mittlerweile durch die in §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufgenommenen Regelungen umgesetzt. Im Übrigen hätten die Eheleute die Dauer des Verwaltungsverfahrens durch Erhebung einer Untätigkeitsklage abkürzen können. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verstöße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Schon der geänderte Einkommensteuerbescheid sei erst mehr als ein Jahr und acht Monate nach Ende der Außenprüfung ergangen. Das Einspruchsverfahren habe dann fast neun Jahre, das Klageverfahren zur Einkommensteuer nochmals über 4 1/2 Jahre gedauert. Es habe in keinem Verfahrensabschnitt Schwierigkeiten gegeben, die eine derartige Verfahrensdauer gerechtfertigt hätten.
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Die Eheleute hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, Ansprüche nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I 2011, 2302) geltend zu machen, da der Zinsbescheid erst am 7. Dezember 2012 --und damit nach Ablauf der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannten Klagefrist (3. Juni 2012)-- ergangen sei.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2013 und den Bescheid über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991 vom 7. Dezember 2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es verweist im Wesentlichen auf die Entscheidung der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
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II. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der Bescheid über Aussetzungszinsen zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991. Im Streitfall hat das FA einen sog. Sammelbescheid erlassen, der zwei rechtlich selbständige Verwaltungsakte enthält (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 26. November 2014 X R 18/13, BFH/NV 2015, 785, Rz 28 ff.), nämlich den Zinsbescheid für die Einkommensteuer 1991 und den Zinsbescheid für den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991.
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Im Rubrum ihrer Klageschrift hatten die Eheleute korrekt beide angefochtenen Verwaltungsakte angegeben. Aus Gründen, die sich den Akten nicht entnehmen lassen, hat das FG in das Rubrum seiner Schriftsätze und seines Urteils aber nur den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 1991 aufgenommen. Es steht aber fest, dass es über beide Verwaltungsakte des Sammelbescheids hat entscheiden wollen. Dies folgt u.a. daraus, dass es bereits im ersten Absatz seines Urteilstatbestands ausführt, der Rechtsstreit betreffe "die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991". Ferner gibt es den Gesamtbetrag der im Sammelbescheid festgesetzten Aussetzungszinsen (490.797 €) an.
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Die vom FG im Rubrum verwendete, den Streitgegenstand objektiv nicht ausschöpfende Bezeichnung "Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1991" findet sich dann auch in der Revisionsschrift wieder. Gleichwohl folgt aus dem Begehren der Kläger, den (gesamten) Bescheid vom 7. Dezember 2012 aufzuheben, dass ihr Rechtsmittel sich auf beide Verwaltungsakte bezieht, die in dem bezeichneten Sammelbescheid enthalten sind und über die das FG tatsächlich entschieden hat.
-
III.
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Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
- 21
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1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die einfach-gesetzlichen Voraussetzungen des § 237 AO erfüllt sind. Auch Einwendungen gegen die Berechnung oder Höhe der Zinsen sind weder von den Klägern geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
- 22
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2. Problematisch ist vielmehr allein, ob eine --hier vom FG zwar nicht festgestellte, für das Revisionsverfahren aber zu unterstellende-- überlange Dauer eines Einspruchs- und/oder Klageverfahrens der Festsetzung von Aussetzungszinsen in der gesetzlichen Höhe entgegen steht.
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a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bisher keine materiell-rechtlichen steuerlichen Folgen aus der Verfahrensdauer gezogen.
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aa) Für die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG hat der BFH entschieden, dass Rechtsfolge der überlangen Dauer eines Verfahrens jedenfalls nicht der Wegfall des materiellen Steueranspruchs ist (ausführlich BFH-Beschluss vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Februar 1994 2 BvR 74, 75/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1994, 552; nochmals BFH-Beschluss vom 20. Mai 1994 XI B 63/93, BFH/NV 1994, 605; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 22. August 1994 2 BvR 1454/94). Insbesondere führt eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung desjenigen Steueranspruchs, der Gegenstand des verzögerten Verwaltungsverfahrens oder Rechtsstreits ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, unter I.; vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518, unter II.B.4.; vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179, unter II.3., und vom 24. Oktober 2006 I R 90/05, BFH/NV 2007, 849, unter III.1.d).
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Im Einzelfall können allerdings die Anforderungen an die Bildung der gerichtlichen Überzeugung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen abzumildern sein, wenn eine überlange Verfahrensdauer dazu führt, dass ein Beweismittel verloren geht (z.B. Versterben eines hochbetagten, wichtigen Zeugen während des vom FG verzögert bearbeiteten Klageverfahrens). Eine --darüber hinausgehende-- Umkehr der Feststellungslast kann indes allenfalls in Betracht kommen, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten des jeweils anderen Prozessbeteiligten zurückzuführen ist (grundlegend BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 4.).
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bb) In Bezug auf die Festsetzung von Zinsen gilt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung von Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) trotz schuldhaft verzögerter Bearbeitung einer Steuererklärung durch das FA jedenfalls dann nicht entgegen steht, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich einen Zinsvorteil hatte, der nicht geringer war als die vom FA festgesetzten Zinsen (BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, unter II.3.).
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cc) Allein aus einer überlangen Dauer des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das der Festsetzung von Aussetzungszinsen zugrunde liegt, folgt nicht, dass die Ablehnung eines Antrags auf Erlass der Aussetzungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtsfehlerhaft wäre (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498, unter II.3.c bb; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1993 2 BvR 693/91, HFR 1994, 551; BFH-Beschlüsse in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter I.2.d, und vom 19. Februar 1996 I B 86/95, BFH/NV 1996, 725; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 27. Februar 1997 1 BvR 1591/96). Später hat der BFH entschieden, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen unabhängig von der Höhe eines konkreten Zinsvorteils nicht unbillig ist, wenn der Steuerpflichtige die erwartete Nachzahlung durch einen Antrag auf nachträgliche Erhöhung der Vorauszahlungen hätte vermeiden können (Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).
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b) Auch nach Ergehen der Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland durch den EGMR, die letztlich zum Erlass des ÜberlVfRSchG geführt haben, hat der BFH an der dargestellten Rechtsprechung festgehalten, wonach eine überlange Verfahrensdauer nicht zur Verwirkung materieller Steueransprüche führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, Rz 14 ff., und vom 30. August 2012 X B 27/11, BFH/NV 2013, 180, Rz 17, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 21. Mai 2013 1 BvR 2473/12; BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2013 III B 147/12, BFH/NV 2014, 358, Rz 3, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG-Beschluss vom 30. September 2015 2 BvR 1071/14; BFH-Urteil vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093, Rz 14; BFH-Beschluss vom 21. Januar 2015 VIII B 112/13, BFH/NV 2015, 800, Rz 6; ebenso FG Münster, Urteil vom 27. August 2014 13 K 4136/11 E, EFG 2014, 2031, unter II., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch den nicht veröffentlichten BFH-Beschluss vom 18. Februar 2015 IX B 117/14; Claßen, EFG 2014, 2036).
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Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG erfassen diese Vorschriften die überlange Dauer behördlicher Verfahren nicht, weil insoweit seit jeher hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten (Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO und Untätigkeitsklage nach § 46 FGO) bestehen (Senatsentscheidungen vom 26. Juli 2012 X S 18/12 (PKH), BFH/NV 2012, 1822, und vom 19. März 2014 X K 3/13, BFH/NV 2014, 1053, Rz 28; vgl. auch den Regierungsentwurf zum ÜberlVfRSchG vom 17. November 2010, BTDrucks 17/3802, S. 17).
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c) Den Klägern ist allerdings zuzugestehen, dass der EGMR in der von ihnen angeführten Entscheidung zur Dauer eines Disziplinarverfahrens, das nach der Hessischen Disziplinarordnung (HDO) durchgeführt worden war, die Verzögerung des vorgerichtlichen förmlichen Disziplinarverfahrens mit in die Prüfung einbezogen hat, ob Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt sei (EGMR-Urteil vom 16. Juli 2009 8453/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2010, 1015, Rz 44). Der EGMR hat in der genannten Entscheidung dem dortigen Kläger eine Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer zugesprochen, obwohl die HDO in ihrem § 61 eine --mit § 46 FGO im Kern vergleichbare-- Vorschrift enthielt, mit der der Beamte nach sechsmonatiger Dauer des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Entscheidung erzwingen konnte, und der dortige Kläger von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte (vgl. EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 51).
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Gleichwohl kann Art. 6 Abs. 1 EMRK im vorliegenden Verfahren nicht zugunsten der Kläger herangezogen werden. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf "Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage". Auch wenn der Begriff "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" in der Rechtsprechung des EGMR traditionell sehr weit ausgelegt wird, fallen steuerrechtliche Streitigkeiten (im engeren Sinne) nicht darunter. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung sowohl des EGMR (ausführlich Urteil vom 12. Juli 2001 44759/98 – Ferrazzini/Italien, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 3453, Rz 20 ff.; für Zölle und Einfuhrabgaben auch EGMR-Entscheidung vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234) als auch des BFH (Beschlüsse vom 21. Februar 2006 I B 32/05, BFH/NV 2006, 1305, unter II.2.; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866, unter II.3.b; vom 9. September 2008 VI B 72/07, unter b bb; in BFH/NV 2011, 2011, Rz 16; vom 18. März 2013 VII B 134/12, BFH/NV 2013, 1102, und in BFH/NV 2015, 800, Rz 8). Soweit die Kläger anführen, das EGMR-Urteil in NJW 2002, 3453 sei lediglich mit 11 : 6 Stimmen ergangen, so dass immerhin sechs Richter des EGMR diese Entscheidung für falsch gehalten haben (vgl. die in NJW 2002, 3455 veröffentlichte abweichende Meinung von sechs Richtern) ändert dies nichts daran, dass es sich bei den dargestellten Grundsätzen um die Rechtsprechung des EGMR handelt. In seiner vorgenannten Entscheidung zu einem nach der HDO geführten Disziplinarverfahren hat der EGMR die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK nur deshalb bejaht, weil es sich bei Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis zugleich im weitesten Sinne um arbeitsrechtliche --und damit um zivilrechtliche-- Streitigkeiten handelt (EGMR-Urteil in NVwZ 2010, 1015, Rz 37 ff.).
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Hingegen betraf das Ausgangsverfahren zum vorliegenden Rechtsstreit steuerrechtliche Ansprüche im engeren Sinne, da der Streit über die Höhe der Bemessungsgrundlage für einkommensteuerrechtliche Sonderabschreibungen auf Gebäude keinen Bezug zum Zivilrecht aufweist.
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Den gegenteiligen --schon in dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 180 (Rz 13) zutreffend als weder tragend noch abschließend beurteilten-- Überlegungen des FG Rheinland-Pfalz in dem von den Klägern angeführten Beschluss in EFG 2011, 757 folgt der Senat aus den genannten Gründen ausdrücklich nicht.
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3. Die Kläger werden durch diese rechtliche Beurteilung nicht schutzlos gestellt.
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a) Soweit sie sich auf die überlange Dauer des Verwaltungsverfahrens berufen, hätten die Eheleute dieses durch Erhebung einer Untätigkeitsklage beschleunigen können. Das Vorbringen der Kläger, die Verantwortung für die Dauer des Verwaltungsverfahrens liege beim FA, ist zwar im Grundsatz zutreffend. Dies schließt aber nicht aus, die Möglichkeiten zu nutzen, die das Gesetz für den Fall einer Untätigkeit des FA ausdrücklich eröffnet. Hätten die Eheleute von dem präventiven Rechtsbehelf des § 46 FGO Gebrauch gemacht, wäre zu erwarten gewesen, dass es gar nicht erst zu einer unangemessenen Dauer des Verwaltungsverfahrens --und damit zur Belastung mit Aussetzungszinsen für diesen Verfahrensabschnitt-- gekommen wäre.
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b) Soweit die Kläger meinen, die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid 1991 sei unangemessen lang gewesen, hätten die Eheleute die Möglichkeit gehabt, hiergegen Entschädigungsklage zu erheben. Das entsprechende FG-Urteil datiert vom 7. Juni 2011. Zwar ist das ÜberlVfRSchG erst am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten. Nach seinem Art. 23 Satz 1 gilt es aber auch für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer beim Inkrafttreten noch Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR werden kann. Diese Regelung knüpft an die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK an, die ihrerseits mit der Rechtskraft der Entscheidung der nationalen Gerichte ("endgültige innerstaatliche Entscheidung") beginnt. Zwar ist nicht bekannt, wann das FG-Urteil über den Einkommensteuerbescheid 1991 rechtskräftig geworden oder den Eheleuten zugestellt worden ist (das FA hat die gewährte AdV zum 25. August 2011 beendet). Die Rechtskraft kann aber nicht früher als am 7. Juli 2011 (einen Monat nach der mündlichen Verhandlung) eingetreten sein. Innerhalb der --frühestens-- an diesem Tag beginnenden Sechs-Monats-Frist nach Art. 35 Abs. 1 EMRK ist das ÜberlVfRSchG in Kraft getreten. Die Eheleute hätten danach bis zum 3. Juni 2012 (Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG) Gelegenheit gehabt, eine Entschädigungsklage beim BFH zu erheben.
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Im Rahmen einer solchen Entschädigungsklage wären die Aussetzungszinsen, die für den Zeitraum angefallen sind, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, als materieller Nachteil --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- entschädigungspflichtig gewesen (zutreffend Böcker, Deutsches Steuerrecht 2011, 2173, 2177). In Übereinstimmung damit hat der Senat bereits entschieden, dass Aufwendungen für eine Avalprovision, die dem Steuerpflichtigen zur Erbringung einer Sicherheitsleistung für die Zeit der AdV entstehen, als materieller Schaden ersatzfähig sind (Urteil vom 6. April 2016 X K 1/15, unter II.2.a).
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Soweit die Kläger darauf verweisen, dass beim Ergehen des angefochtenen Bescheids über die Festsetzung der Aussetzungszinsen (7. Dezember 2012) der in Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG genannte Termin (3. Juni 2012) bereits verstrichen gewesen sei, führt dies nach Auffassung des Senats zu keinem anderen Ergebnis. Die Eheleute hätten ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, bereits wegen ihrer Nichtvermögensschäden bis zum 3. Juni 2012 eine Entschädigungsklage zu erheben. Nach Ergehen des Zinsbescheids, mit dessen Erlass sie zwingend rechnen mussten, weil dem FA insoweit kein Ermessen eingeräumt ist, hätten sie denjenigen Zinsbetrag, der auf den Zeitraum entfällt, in dem das Verfahren als verzögert anzusehen gewesen wäre, im Wege der Klageerweiterung als materiellen Schaden --nach Gegenrechnung ersparter Schuldzinsen oder erzielter Guthabenzinsen-- geltend machen können.
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c) Mithin bietet das geltende Recht ausreichende Möglichkeiten, die Entstehung von Aussetzungszinsen für ein überlanges Verwaltungsverfahren von vornherein zu vermeiden (durch Erhebung einer Untätigkeitsklage) bzw. die Aussetzungszinsen für ein überlanges finanzgerichtliches Verfahren zu kompensieren (durch die Geltendmachung als materieller Schaden im Rahmen einer Entschädigungsklage). Daher besteht kein Bedarf für die von den Klägern begehrte Rechtsfortbildung dahingehend, in derartigen Fällen bereits die Festsetzung von Aussetzungszinsen als rechtswidrig anzusehen.
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4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. Februar 2015 6 K 300/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, hat als Unternehmensgegenstand die Leitung einer Unternehmensgruppe sowie die Vermögensverwaltung angegeben. Im Jahr 2001 wurde die … Holding GmbH (P) mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 auf die Klägerin verschmolzen.
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Die P war für das Streitjahr (2000) erklärungsgemäß veranlagt worden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte mit Bescheid vom 1. Juli 2002 die Körperschaftsteuer gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der P in Höhe von 0 € festgesetzt.
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Am 20. Oktober 2006 erließ das FA gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der P eine Prüfungsanordnung für das Streitjahr. Die Außenprüfung begann tatsächlich am 17. November 2008. Die Auswertung des Prüfungsberichts vom 17. Dezember 2013 führte zum Erlass eines entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheids am 14. Februar 2014. Die Körperschaftsteuer wurde auf 385.395 € festgesetzt. Zudem wurden in diesem Bescheid Nachforderungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) in Höhe von 270.064 € festgesetzt. Dabei wurde vom FA ein Zinslauf vom 1. April 2002 bis zum 17. Februar 2014 (142 Monate) zugrunde gelegt.
- 4
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Die Klägerin legte gegen den Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Zudem beantragte sie den Erlass der Nachforderungszinsen. Sie war der Auffassung, dass die Zinsen aus sachlichen Gründen zu erlassen seien, da die Durchführung der Außenprüfung seitens des FA schuldhaft verzögert worden sei und damit die Liquiditätsvorteile aus der verzögerten Prüfung der Klägerin aufgedrängt worden seien. Das FA war dagegen der Auffassung, dass der Vorwurf einer schuldhaft verspäteten Durchführung der Außenprüfung nicht nachvollziehbar sei und zudem eine "Verschuldensprüfung" über die Umstände, die zu einer verspäteten Festsetzung der Steuern geführt hätten, nach dem eindeutigen Wortlaut von § 233a AO nicht stattfinde. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Niedersächsischen Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 26. Februar 2015 6 K 300/14 abgewiesen. Das FG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie beantragt unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen.
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Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
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1. Bei der Rechtsfortbildungsrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In den Fällen, in denen eine Entscheidung des Revisionsgerichts der Rechtsfortbildung dient, liegt deshalb regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor (z.B. Senatsbeschluss vom 11. September 2013 I B 17/13, BFH/NV 2014, 184, m.w.N.). Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage aber nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27, m.w.N.).
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2. Nach diesen Maßstäben kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.
- 9
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Soweit die Klägerin die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur überlangen Verfahrensdauer und einem daraus abgeleiteten Verstoß gegen Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob Zinsen nach § 233a AO zu erlassen sind, ist es der Klägerin nicht gelungen, eine klärungsbedürftige Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N. zur Rechtsprechung).
- 10
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Sinngemäß will die Beschwerde den zivilrechtlichen Charakter des Zinsanspruches nach § 233a AO und damit die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK daraus ableiten, dass es sich laut der Gesetzesbegründung zu § 233a AO (BTDrucks 11/2157, S. 194) bei Nachforderungszinsen um eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung und damit "im Hinblick auf den finanziellen Aspekt" um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt. Die Klägerin beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des EGMR, wonach das "Konzept der zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" nicht allein unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Staates ausgelegt werden könne. Der Rechtsprechung des EGMR sei damit zu entnehmen, dass allein die "Verortung" der Rechtsgrundlage des Anspruchs im Steuerrecht nicht notwendigerweise gegen den zivilrechtlichen Charakter des Anspruchs angeführt werden könne. Die Klägerin lässt jedoch bei diesem Vortrag unberücksichtigt, dass der Rechtsprechung des EGMR ebenfalls zu entnehmen ist, dass es gleichwohl nicht genügt, zu zeigen, dass eine Streitigkeit finanzieller Natur ist, um die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 EMRK zu bejahen, da Rechte und Pflichten einer Einzelperson nicht notwendigerweise zivilrechtlicher Natur sind (z.B. EGMR-Urteile vom 12. Juli 2001 44759/98, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3453; vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234). Steuerstreitigkeiten unterfallen nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR wie des BFH (z.B. BFH-Beschluss vom 18. März 2013 VII B 134/12, BFH/NV 2013, 1102, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR) ungeachtet der finanziellen Auswirkungen wegen des öffentlichen Charakters der Besteuerung nicht dem Anwendungsbereich "zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen" und damit nicht Art. 6 EMRK. Der Beschwerdeschrift ist insoweit eine vertiefte und damit ausreichende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen. Von daher bestehen bereits Zweifel, ob das Beschwerdevorbringen überhaupt den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.
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Die weiteren Ausführungen der Klägerin, wonach einzelne Entscheidungen des BFH für die im Streitfall zu beurteilende Frage nicht einschlägig seien, lässt unberücksichtigt, dass die Rechtsprechung des BFH sich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK bezieht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.
(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.
(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.
(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werden Zinsen erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ablauf der Stundung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(2) Auf die Zinsen kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
(3) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.
(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie
- 1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist, - 2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder - 3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zugelassen, soweit dieser eine Entschädigung für die von ihm in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. März 2013 über eine durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeit sowie die Zahlung von Zinsen auf diesen Entschädigungsbetrag ab Rechtshängigkeit begehrt. Im Übrigen wird der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung auf dessen Kosten abgelehnt.
2. Die Berufung der Beklagten wird zugelassen.
3. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird, soweit der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird, auf die Wertstufe bis 35.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Zulassungsantrag des Klägers hat nur teilweise Erfolg (dazu A.). Die Berufung der Beklagten ist antragsgemäß zuzulassen (dazu B.).
3A. Der Zulassungsantrag hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
4I. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Hauptforderung geltend macht, ihm für den Teilzeitraum vom 1. März 2002 bis zum 31. Dezember 2011 für die über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit/Zuvielarbeit eine Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung unter Anrechnung bereits geleisteter Vergütung zu gewähren, bleibt sein insoweit maßgebliches, auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO gestütztes Zulassungsvorbringen insgesamt ohne Erfolg. Zum Teil erfüllt das Zulassungsvorbringen schon nicht die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung i. S. d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Im Übrigen liegen die genannten Zulassungsgründe auf der Grundlage der maßgeblichen – fristgerecht vorgelegten – Darlegungen nicht vor.
51. Es bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der die Zulassung der Berufung beantragende Beteiligte hat gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung (seiner Ansicht nach) zuzulassen ist. Darlegen in diesem Sinne bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
6Vgl. etwa Beschluss des Senats vom 18. November 2010 – 1 A 185/09 –, juris, Rn. 16 f.; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 186, 194.
7In Anwendung dieser Grundsätze kann die begehrte Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfolgen.
8a) Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem behaupteten Entschädigungsanspruch aus dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch bzw. aus dem nationalen beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch stehe, soweit der Zeitraum vom „1. Februar 2002“ (gemeint entsprechend dem Klageantrag: 1. März 2002) bis zum 31. Dezember 2007 betroffen sei, schon die insoweit erhobene Einrede der Verjährung entgegen, weil für beide Ansprüche die regelmäßige Verjährung von drei Jahren gelte, er – der Kläger – aber erstmals im Dezember 2011 eine höhere Vergütung aufgrund rechtswidriger Zuviel- bzw. Mehrarbeit geltend gemacht habe.
9Er meint insoweit (teilweise unter Zuordnung des Vortrags zu dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO): Die Untätigkeit der Verwaltung und die vom Verwaltungsgericht unterstellte Verjährung bzw. Verwirkung führten „im Ergebnis zu einem Verzicht auf Mehrarbeitsvergütung“, was indes nach § 2 Abs. 3 BBesG verboten sei. Zudem stehe der Anwendung des Instituts der Verjährung hier das Verbot widersprüchlichen Verhaltens bzw. der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Das insoweit erforderliche qualifizierte Fehlverhalten der Beklagten liege darin, dass sie durch eigenes Verhalten einen Vertrauenstatbestand gesetzt habe. Denn sie habe auf seinen unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 – C-303/98 – erfolgten Antrag vom 26. Januar 2001, ihm tariflich die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden als Überstunden zu bezahlen und/oder eine Schichtzulage zu zahlen, mit Schreiben vom 23. März 2001 zwar entsprechende Ansprüche verneint, aber zugleich mitgeteilt, das Antragsschreiben zur Personalakte genommen zu haben, um bei einer etwaigen Änderung der Rechtsauslegung im Hinblick auf die tariflichen Ausschlussfristen ggf. hierauf zurückgreifen zu können. Bei seiner 2002 erfolgten Übernahme aus dem Verhältnis eines Tarifbeschäftigten in das Verhältnis eines Beamten auf Probe sei zwar der „tarifvertragliche Ausschluss (…) vollständig weggefallen“; sein Vertrauen auf die Erklärung habe jedoch fortbestehen dürfen, zumal keine neue Personalakte angelegt, sondern die bisherige Akte fortgeführt worden sei. Sein bloßes Schweigen habe vor diesem Hintergrund nicht zu einer Verwirkung geführt. Hilfsweise sei geltend zu machen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, seinen Irrtum aufzuklären, er habe seine Rechtsposition verjährungshemmend geltend gemacht. Schließlich mache er – ebenfalls nur hilfsweise – geltend, seinen Antrag auf Abgeltung von Mehrarbeit ausweislich vorgelegter Bescheide über die Bewilligung von Mehrarbeitsvergütung monatlich wiederholt zu haben.
10Dieses Vorbringen greift insgesamt nicht durch.
11Die Annahme einer Verjährung der in Rede stehenden Ansprüche (bis zum Jahresende 2007) führt nicht auf einen unzulässigen Besoldungsverzicht. Denn der Umstand, dass einem Besoldungsanspruch eine eingetretene Verjährung entgegengehalten wird, stellt ersichtlich keinen „Verzicht“ des Beamten auf diese Besoldung dar, und zwar auch nicht „im Ergebnis“. Mit dem Tatbestandsmerkmal „Verzicht“ hat der Gesetzgeber nämlich lediglich ein rechtsgeschäftliches, auf die Aufgabe eines Besoldungsanspruchs zielendes Handeln des Beamten gegenüber dem Dienstherrn angesprochen,
12Vgl. Dawin, in: Kugele, BBesG, 1. Aufl. 2011, BBesG § 2 Rn. 9,
13welches hier ersichtlich nicht vorliegt. Außerdem müsste es, folgte man der Ansicht des Klägers, regelmäßig unzulässig sein, wenn der Dienstherr gegenüber einem Besoldungsanspruch die Einrede der Verjährung erhebt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber geklärt, dass dies zulässig ist.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006– 2 C 15.05 –, IÖD 2007, 7 = juris, Rn. 22, und vom 25. November 1982 – 2 C 32.81 –, BVerwGE 66, 256 = ZBR 1983, 184 = juris, Rn. 15.
15Die erfolgte Erhebung der Einrede der Verjährung stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 23. März 2001 darauf hingewiesen, dass für die Abfindung u. a. von Bereitschaftsdiensten „weiterhin die bekannten tariflichen Vorschriften“ gälten. Ferner hat sie ausdrücklich erklärt, das Schreiben des Klägers (nur) zu dem Zweck zur Personalakte genommen zu haben, „um bei einer etwaigen Änderung der Rechtsauslegung im Hinblick auf die tariflichen Ausschlussfristen ggf. hierauf zurückgreifen zu können“ (Hervorhebung durch den Senat). Nach dem Statuswechsel des Klägers vom Arbeiter zum Beamten konnten aber, wie das Verwaltungsgericht zu Recht konstatiert, im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten tarifliche Vorschriften offenkundig keine Bedeutung mehr haben. Damit aber war das Schreiben der Beklagten vom 23. März 2001– auch für einen juristischen Laien leicht erkennbar – obsolet geworden. Der Umstand, dass die für den Kläger als Arbeiter angelegte Personalakte nach dessen Wechsel in den Beamtenstatus schlicht fortgeführt worden ist, ändert an dem begrenzten Erklärungsgehalt des fraglichen Schreibens und dem Wegfall seiner Bedeutung mit dem Statuswechsel nichts. Unabhängig davon ist auch schon nicht vorgetragen, dass dem Kläger der – seiner Ansicht nach vertrauensbildende – Umstand der Fortführung der Personalakte im fraglichen Zeitraum bekannt gewesen wäre.
16Inwiefern für die Beklagte erkennbar gewesen sein soll, dass ihr Schreiben vom 12. März 2001 bei dem Kläger angeblich die (irrtümliche) Annahme begründet haben soll, er habe auch seine ihm als Beamten etwa zustehenden fraglichen Ansprüche bereits verjährungshemmend geltend gemacht, legt der Kläger schon nicht dar und ist mit Blick auf das Vorstehende auch sonst nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund fehlt es an jeglichem Anhalt für die Annahme, die Beklagte könne verpflichtet gewesen sein, den Kläger wegen eines von ihr erkannten oder erkennbaren Irrtums ihres Beamten zu belehren.
17Der Annahme der Verjährung stehen schließlich auch nicht die mit der Zulassungsbegründung in Kopie vorgelegten Bescheide entgegen, mit welchen dem Kläger für die Monate Februar bis Dezember 2002 jeweils eine monatliche Mehrarbeitsvergütung gewährt worden ist. Denn mit der Vorausfüllung dieser Bescheidformulare hat der Kläger monatsweise lediglich diejenige Mehrarbeitsvergütung beantragt, welche ausweislich des Klageantrags („unter Anrechnung bereits geleisteter Vergütung“) gerade nicht Streitgegenstand ist. Vor diesem Hintergrund liegt auch der insoweit sinngemäß mit der Zulassungsbegründung (S. 11, vorletzter Absatz) gerügte Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung nicht vor. Denn die Aufklärung unerheblicher Tatsachen musste sich dem Verwaltungsgericht – natürlich – nicht aufdrängen.
18Die Ausführungen des Klägers zu einer Verwirkung (Zulassungsbegründung, S. 9 Mitte bis S. 10 oben) gehen ins Leere, weil das angefochtene Urteil nicht auf solche Erwägungen gestützt ist.
19b) Der Kläger hält ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils ferner mit der Begründung für gegeben, es fehle an der Beteiligung des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten. Hinsichtlich der Gleichstellungsbeauftragten meint er, dass diese „in die Maßnahmen der Dienststelle, vorliegend insbesondere auch in die Ablehnung des Antrags der Abgeltung, einzubeziehen“ gewesen wäre, und begründet dies mit § 25 Abs. 2 Nr. 2 BGleiG. Dieses Vorbringen greift nicht durch. Denn ein Beteiligungstatbestand ergibt sich aus dieser Vorschrift in Bezug auf die einzig hinreichend substantiiert behauptete Maßnahme der Beklagten nicht. Anzuwenden war, da die Ablehnung mit Bescheid vom 19. April 2012 erfolgt und der Widerspruchsbescheid unter dem 13. Juli 2012 ergangen ist, hier noch die Vorgängervorschrift des heutigen § 25 BGleiG, also § 19 BGleiG a. F. Dass hier eine – insoweit allenfalls in Betracht kommende – organisatorische oder soziale Angelegenheit i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGleiG a. F. bzw. eine organisatorische oder soziale Maßnahme der Dienststelle mit dem vom Gesetz verlangten Bezug i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 2 BGleiG a. F. gegeben sein könnte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht und ist auch sonst nicht erkennbar. Hinsichtlich des behaupteten Erfordernisses einer Beteiligung des Personalrats bei der auch insoweit allein konkret benannten Ablehnung seines Entschädigungsantrags beruft sich der Kläger auf § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 BPersVG. Das überzeugt ersichtlich nicht. Denn diese Vorschriften betreffen die Mitbestimmung im Wege genereller Regelungen, nämlich die Mitbestimmung durch Abschluss von Dienstvereinbarungen bzw. die Mitbestimmung bei der Aufstellung der Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne.
202. Die Berufung kann auch nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
21Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden und auf der Basis der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt.
22Vgl. Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2011– 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31 m. w. N.
23Gemessen daran hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht hinreichend dargelegt. Denn es fehlt an jeglichen Ausführungen dazu, warum die von ihm ausformulierten Fragen klärungsbedürftig sein sollen. Unabhängig davon lässt das Zulassungsvorbringen auch der Sache nach eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erkennen. Der Kläger hält folgende Fragen für klärungsbedürftig:
24„1. Ist Mehrarbeitsvergütung “Vergütung“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 5 BBesG?
252. Wenn ja, dann ist sie “Besoldung“. Stellt dann das vom Verwaltungsgericht angenommene Schweigen des Beamten einen ganz oder teilweisen Verzicht auf Besoldung im Sinne des § 2 Abs. 2 [richtig wohl: 3] BBesG dar?
263. Wenn Frage 2. zu bejahen ist, verstößt die Wertung des Verwaltungsgerichts gegen ein gesetzliches Verbot? Kann der Dienstherr sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf Verjährung und auf eine gesetzwidrige Handlung des Beamten (Verwirken) ihm gegenüber berufen?“
27Diese Fragen sind nicht klärungsbedürftig. Denn die zweite Frage ist, wie sich aus den obigen Ausführungen zu Punkt A. I. 1. a) ergibt, ohne Weiteres zu verneinen; eine ggf. zur Verjährung eines Besoldungsanspruchs führende Untätigkeit eines Beamten stellt ersichtlich keinen Verzicht auf Besoldung im Sinne von § 2 Abs. 3 BBesG dar. Auf die Beantwortung der beiden weiteren Fragen kommt es für den vorliegenden Fall demgemäß offensichtlich nicht an.
283. Die Berufung kann ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zugelassen werden. Eine die Berufung eröffnende Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz dargelegt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des übergeordneten Oberverwaltungsgerichts oder in der Rechtsprechung eines ansonsten in der Vorschrift aufgeführten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
29Vgl. die Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010– 1 A 1326/08 –, juris, Rn. 34, und vom 25. Januar 2012 – 1 A 640/10 –, juris, Rn. 2.
30Danach genügt das Vorbringen des Klägers bereits nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Es fehlt schon an der zutreffenden Wiedergabe eines Rechtssatzes, dem das Verwaltungsgericht widersprochen haben soll. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass „dem Dienstherrn eine Belehrungspflicht obliegt, wenn er den Rechtsfehler des Beamten erkennen konnte oder musste“, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem von dem Kläger angeführten Beschluss vom 6. März 2002 – 2 B 3.02 – nicht aufgestellt. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluss ausgeführt, dass „besondere Fallgestaltungen“ eine Belehrungspflicht des Dienstherrn gegenüber seinem Beamten auslösen „können“. Als eine solche Fallgestaltung hat das Gericht den vom Dienstherrn erkannten oder erkennbaren „Irrtum“ des Beamten „in einem bedeutsamen Punkt“ anerkannt (juris, Rn. 5). Unabhängig davon hat der Kläger auch keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz dargelegt, mit welchem das Verwaltungsgericht dem von ihm behaupteten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen haben soll.
314. Auch eine Zulassung der Berufung wegen des behaupteten Gehörsverstoßes scheidet in Bezug auf den hier abgehandelten Teilzeitraum vom 1. März 2002 bis zum 31. Dezember 2011 ersichtlich aus, und zwar sowohl nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO als auch nach der insoweit sinngemäß in Bezug genommenen Regelung des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
32Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Kläger sich mit seiner freiwillig abgegebenen Opt-Out-Erklärung vom 12. Dezember 2008 für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 wirksam verpflichtet habe, bis zu 54 Stunden pro Woche zu arbeiten, weil die Vereinbarung den Vorgaben des § 13 Abs. 2 AZV entspreche und mit den unionsrechtlichen Vorgaben (Bezugszeitraum bis zu vier Monate) vereinbar sei. Insoweit rügt der Kläger einen Gehörsverstoß mit der folgenden Begründung: Das Verwaltungsgericht habe die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 11. März 2015 nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Denn dort habe er ausgeführt, eine Opt-Out-Erklärung bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten abgegeben zu haben. Eine solche Erklärung sei aber wegen des zu langen Bezugszeitraums unionsrechtlich unzulässig und daher unwirksam. Das ergebe sich u. a. aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 – 6 B 26.15 –. „Die damit aufgeworfene Rechtsfrage“ habe das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt, obwohl sie entscheidungserheblich gewesen sei. Stattdessen sei das Verwaltungsgericht unzutreffend davon ausgegangen, bei der Erklärung sei ein Bezugszeitraum von vier Monaten zugrundegelegt worden.
33Ein Verfahrensfehler i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Zunächst ist insoweit festzustellen, dass das Verwaltungsgericht das fragliche tatsächliche Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Denn im Tatbestand des angefochtenen Urteil (UA S. 5, Mitte des ersten Absatzes) hat es den Vortrag zum Vorliegen eines Bezugszeitraums von zwölf Monaten ausdrücklich wiedergegeben. Es liegt aber auch kein Gehörsverstoß in Bezug auf als rechtlich erheblich gewolltes Vorbringen vor. Denn der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 11. März 2015 (Seite 5 oben) ausdrücklich ausgeführt, es könne „dahingestellt bleiben, ob die Einwilligungserklärung schon deshalb unionsrechtswidrig ist, weil ihr ein Bezugszeitraum von 12 Monaten zugrunde gelegt wurde“. Nach seinem eigenen Vortrag war die Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Erklärung bei einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten also nicht entscheidungserheblich. Danach kann eine Gehörsverletzung nicht darin liegen, dass das Verwaltungsgericht (aktenwidrig) als maßgeblichen Bezugszeitraum hier vier Monate angenommen hat (UA S. 13, 14) und der genannten Rechtsfrage nicht weiter nachgegangen ist.
34Das dargestellte Vorbringen führt für den hier abgehandelten Teilzeitraum auch nicht auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn der Kläger hat nichts bzw. nichts Durchgreifendes gegen die insoweit selbständig tragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts vorgetragen, eine nur hälftige Vergütung rechtmäßig angeordneter Mehrarbeit sei nicht zu beanstanden und Ausgleichsansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit könnten ihm erst seit dem 1. Januar 2012 (Folgemonat der Geltendmachung) zustehen, weil er sein Ausgleichsbegehren erstmalig im Dezember 2011 an die Beklagte herangetragen habe.
35Zu Letzterem vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 – 2 C 26.14 –, ZBR 2016, 199 = juris, Rn. 25 bis 31, und vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 –, BVerwGE 143, 381 = juris, Rn. 26.
36Dass eine frühere Antragstellung nicht vorliegt, ergibt sich aus den obigen Ausführungen unter Punkt A. I. 1. a).
375. Mit Blick auf die gesamten vorstehenden Ausführungen weist die Rechtssache, soweit es um den Teilzeitraum vom 1. März 2002 bis zum 31. Dezember 2011 geht, auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf; namentlich können die Erfolgsaussichten des angestrebten Rechtsmittels danach insoweit nicht schon als offen bezeichnet werden. Aus dem geringen, nämlich nur rund sieben Seiten umfassenden Umfang der entsprechenden Entscheidungsgründe folgt ersichtlich nichts anderes.
38II. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Hauptforderung geltend macht, ihm für den Teilzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. März 2013 für die über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit/Zuvielarbeit eine Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung unter Anrechnung bereits geleisteter Vergütung zu gewähren, wird die Berufung in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen. Denn unter Zugrundelegung der bereits angeführten (s. o. A. I. 4.), im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 – 6 B 26.15 – geäußerten Rechtsansicht könnte eine die Beklagte zum Ausgleich verpflichtende Zuvielarbeit im fraglichen Zeitraum nicht erst insoweit gegeben sein, als der Kläger durchschnittlich mehr als 54 Wochenstunden, sondern bereits insoweit, als er mehr als durchschnittlich 48 Wochenstunden gearbeitet hat. Ob der vom Kläger in seiner Antragsbegründung der Sache nach dargelegten, durch Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg eingehend begründeten Auffassung zu folgen ist und welche Folgerungen sich daraus für den vorliegenden Fall ergeben, erscheint offen und lässt sich nicht im Zulassungsverfahren mit hinreichender Sicherheit klären, sondern bedarf einer vertiefenden Prüfung im Berufungsverfahren.
39Ob die Berufung des Klägers bezogen auf den in Rede stehenden Teilzeitraum noch aus weiteren Gründen zuzulassen ist, bedarf keiner Entscheidung (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
40B. Die Berufung der Beklagten wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen. Solche Zweifel hat die Beklagte schon mit ihrem Vortrag dargelegt, das Verwaltungsgericht habe für die Ermittlung der Höhe des dem Kläger zuzusprechenden Anspruchs die gemäß der tabellarischen Mehrarbeitsdokumentation vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden zugrunde gelegt, in der auch Urlaubszeit (fiktiv) als Arbeitszeit erfasst sei, zugleich aber für die Errechnung der Anzahl der vom Kläger im streitigen Zeitraum innerhalb der Regelarbeitszeit zu leistenden Arbeitsstunden einen Urlaubsanspruch von sechs Wochen pro Jahr in Ansatz gebracht. Darin liegt, wie die Beklagte nachvollziehbar geltend macht, eine „doppelte Berücksichtigung des Urlaubs“ des Klägers.
41Liegt ein Zulassungsgrund vor, so bedarf es keiner Entscheidung, ob weiter geltend gemachte Zulassungsgründe dargelegt sind und vorliegen (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
42C. Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Antrag des Klägers abgelehnt wird, aus § 154 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen bleibt sie der Endentscheidung über die Berufungen vorbehalten.
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG. Der Senat legt der Festsetzung der Wertstufe die Summe der im Schriftsatz vom 3. September 2012 bezifferten monatlichen Forderungen für den Zeitraum vom 1. März 2002 bis zum 31. Dezember 2011 zugrunde (30.186,32 Euro).
44(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.