|
|
| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Untersagung von Bildaufnahmen während des SEK-Polizeieinsatzes in Schwäbisch Hall am 16.03.2007 unter Androhung einer Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns rechtswidrig war. Ihre Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). |
|
| Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die - erledigte - Untersagung des Fotografierens (1.) und die - gleichfalls erledigte - Androhung der Beschlagnahme (2.). |
|
| 1. a) Die Klage gegen die Untersagung von Bildaufnahmen ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Urteile des erkennenden Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Bei dem Fotografierverbot hat es sich unabhängig davon, mit welchen Worten es ausgesprochen wurde, um einen Verwaltungsakt gehandelt. Auch wenn es - wie der Beklagte vorträgt - höflich als Bitte formuliert gewesen sein sollte, war es nach seinem objektiven Sinngehalt auf eine unmittelbare, für die Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten gerichtet, so dass der Regelungscharakter zu bejahen ist. |
|
| b) Die Klagebefugnis der Klägerin als Drittbetroffene folgt aus der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), die sich auch auf die Informationsbeschaffung, insbesondere durch eigenes Personal, erstreckt (BVerfG, Urt. v. 05.08.1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162). |
|
| c) Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288). |
|
| d) Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - a.a.O.). Der zwischen Erledigung und Einreichung der Klage verstrichene Zeitraum von lediglich sieben Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - a.a.O.). |
|
| e) Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Sie kann geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Maßnahme typischerweise schnell erledigt, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60 m.w.N.). Da angesichts des Vorbringens der Beteiligten ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Pressefreiheit) nicht von vornherein ausgeschlossen ist, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen. |
|
| 2. a) Bezüglich der angedrohten oder jedenfalls in Aussicht gestellten Beschlagnahme ist mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Bloße Absichtserklärungen, Ankündigungen eines Verwaltungsakts und auch Androhungen eines Verwaltungsakts sind regelmäßig selbst mangels konkreten Regelungs- und Bindungswillens der Behörde keine Verwaltungsakte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 35 Rn. 50 m.w.N.). An einer Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung fehlt es jedenfalls im Grundsatz immer dann, wenn die handelnde Behörde lediglich eine Maßnahme trifft, die den zukünftigen Erlass eines Verwaltungsakts in Aussicht stellen oder vorbereiten soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1984 - 3 C 12.83 - BVerwGE 69, 374 m.w.N.). Abweichendes gilt nur, wenn - wie etwa im Vollstreckungsrecht - die Androhung im Gesetz vorgesehen und als Verwaltungsakt ausgestaltet ist. |
|
| b) Unabhängig davon, ob die Beschlagnahme angedroht oder lediglich in Aussicht gestellt wurde, liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Beklagten, in der konkreten Situation eine Beschlagnahme der Kamera einschließlich des Speichermediums zu verfügen. Die Feststellungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152) ist insoweit ebenfalls zu bejahen. Eine Klagefrist gilt nicht; das Klagerecht ist auch nicht verwirkt. Das Feststellungsinteresse folgt - ebenso wie hinsichtlich des Fotografierverbots - aus der Grundrechtsbetroffenheit der Klägerin. |
|
| Die Klage ist auch begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Untersagung von Bildaufnahmen war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung war formell rechtmäßig (2.). Die Untersagung von Bildaufnahmen war indes zur Abwehr der ex ante vom Einsatzleiter des SEK prognostizierten Gefahren nicht gerechtfertigt (3.). Der Einsatzleiter war auch nicht berechtigt, die Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium anzudrohen (4.). |
|
| 1. Nach § 1 Abs. 2 LPresseG unterliegt die Freiheit der Presse nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz unmittelbar und in seinem Rahmen durch das Landespressegesetz zugelassen sind. Sondermaßnahmen jeder Art, die die Pressefreiheit beeinträchtigen, sind verboten (§ 1 Abs. 3 LPresseG). Das Landespressegesetz ist ein presserechtliches Spezialgesetz gegenüber dem Polizeigesetz. Dies bedeutet etwa, dass Presseerzeugnisse von der Polizei nur nach den §§ 13 ff. LPresseG bzw. nach den §§ 111 m, 111 n StPO beschlagnahmt werden dürfen. Durch die sog. Polizeifestigkeit der Pressefreiheit sind Maßnahmen aufgrund der polizeilichen Generalklausel indes nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur insoweit, als es um den Inhalt von Presseerzeugnissen und die von ihm ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht (vgl. Bullinger in Löffler, Presserecht, Kommentar, 5. Aufl., § 1 LPG Rn. 193; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 28; Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 4 Rn. 21; OVG Bbg, Beschl. v. 18.03.1997 - 4 B 4/97 - NJW 1997, 1387). Im Übrigen findet die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch das Polizeigesetz gehört, weil es sich nicht gegen das Grundrecht an sich, gegen ein Medienorgan oder gegen eine bestimmte Meinung richtet (Deger, a.a.O., § 4 Rn. 27 m.w.N.). Soweit die Gefahren nicht vom Inhalt der Presseerzeugnisse ausgehen, sondern z.B. von der Art und Weise der Herstellung oder des Vertriebs, ist das Polizeigesetz als allgemeines Gesetz anwendbar. Dass § 4 PolG die Pressefreiheit nicht nennt, ist unschädlich, weil das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht für allgemeine Gesetze im Sinn des Art. 5 Abs. 2 GG gilt (Deger, a.a.O., § 4 Rn. 1). Hier ist die Polizei nicht zur Abwehr von Gefahren, die von einem Presseerzeugnis der Klägerin ausgehen, sondern im Vorfeld zur Abwehr von Gefahren, die nach ihrer Prognose vom Anfertigen von Lichtbildern eines Polizeieinsatzes ausgehen, tätig geworden. Insoweit ist die Anwendbarkeit des Polizeigesetzes nicht durch etwaige speziellere Regelungen im Landespressegesetz ausgeschlossen. |
|
| 2. Die Zuständigkeit des Einsatzleiters des SEK folgt aus § 60 Abs. 2 PolG, hinsichtlich der Androhung der Beschlagnahme auch aus § 60 Abs. 3 PolG. Das SEK ist gemäß Anlage 3 der Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Polizeivollzugsdienstes des Landes Baden-Württemberg - VwV-PolOrg - dem Direktor der Bereitschaftspolizei und damit dem Bereitschaftspolizeipräsidium zugeordnet. Die Beamten des SEK gehören somit zum Polizeivollzugsdienst (vgl. § 70 Abs. 1 Nr. 3 PolG). |
|
| 3. Die Untersagung von Bildaufnahmen war materiell rechtswidrig, weil sie zur Abwehr der ex ante vom Einsatzleiter prognostizierten Gefahren nicht gerechtfertigt war. |
|
| a) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). |
|
| b) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden. |
|
| c) Hier hatte der Einsatzleiter ex ante ausschließlich Gefahren im Blick, die sich bei einer Enttarnung der SEK-Beamten realisieren könnten. Dies ergibt sich eindeutig aus der von ihm gegebenen mündlichen Begründung und aus seinen Stellungnahmen vom 29.10.2007 und vom 28.10.2008. Danach ging es ihm darum, dass die eingesetzten Beamten nicht abgelichtet werden sollten, um ihre Identität zu schützen und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen. Er sah somit die Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein könnten. Ob er nur eine - nicht anonymisierte - Veröffentlichung der gefertigten Aufnahmen durch den Fotografen selbst oder durch die Klägerin befürchtete oder ob er darüber hinaus damit rechnete, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff auf die gefertigten Bildaufnahmen aufgedeckt werden könnte und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht wären, lässt sich seinen Stellungnahmen nicht eindeutig entnehmen. Auch die vorgerichtlichen Einlassungen des Beklagten sind insoweit nicht eindeutig. Im Schreiben des Leiters des Bereitschaftspolizeipräsidiums vom 11.07.2007 an die Klägerin heißt es, die Veröffentlichung von Bildern zöge ein erhebliches Risiko der Enttarnung der SEK-Beamten nach sich. Dies berge Gefahren für künftige Einsätze wie auch unkalkulierbare Gefahren für die Beamten bis in den privaten Bereich. Der Senat geht angesichts dieses Befundes bei einer Gesamtwürdigung davon aus, dass die Gefahrenprognose sich auf alle bei einer Aufdeckung der Identität der eingesetzten Beamten drohenden Gefahren unabhängig von den Umständen der Enttarnung erstreckte und damit auch die Variante des kriminellen Zugriffs umfasste. |
|
| Demgegenüber lässt sich den Stellungnahmen des Einsatzleiters wie auch den vorgerichtlichen Einlassungen des Beklagten nicht der geringste Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass es dem Einsatzleiter zusätzlich darum gegangen sein könnte, aus der konkreten Situation vor Ort resultierende Gefahren zu bekämpfen. Es ist nicht erkennbar, dass der Einsatzleiter erwogen haben könnte, dass bereits das Hantieren des Fotoreporters mit der Kamera bei Passanten zusätzliches Aufsehen erregen und zu einer unübersichtlichen Situation hätte führen können, bei der im Fall einer etwaigen Gefangenenbefreiung konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Anwesenden hätten bestehen können. Der gegenteilige Vortrag des Beklagten entbehrt jeder Grundlage. Eine derartige Gefahrenprognose wäre auch angesichts der tatsächlichen Verhältnisse nicht vertretbar gewesen. Zwar war nach einer Gefährdungsanalyse des LKA BW ein Ausbruchsversuch oder eine Gefangenenbefreiung nicht auszuschließen. Dies war der Grund, weshalb das SEK mit der Vorführung des Untersuchungsgefangenen beim Arzt beauftragt wurde. Art und Umfang des Einsatzes belegen, dass man im Vorfeld von einer gewissen Gefährdungslage ausging. Allerdings traten die SEK-Beamten offen und in Zivil auf, waren also für jedermann erkennbar. Auch auf eine Absperrung der Straße wurde verzichtet. Der Einsatz war ohne besondere Vorkommnisse nahezu beendet und es herrschte zum fraglichen Zeitpunkt nur geringer bis mäßiger Fußgängerverkehr. Die Befürchtung, dass durch das Anfertigen von Fotos eine Ansammlung hätte entstehen können, die „ein Untertauchen in der Menge begünstigt“ (so die Stellungnahme des SEK-Kommandoführers vom 02.12.2008), ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Angesichts der objektiven Sachlage und der vorliegenden ausführlichen Stellungnahmen des Einsatzleiters sieht der Senat keine Veranlassung, zu diesem Punkt Beweis zu erheben. |
|
| d) Das Fotografierverbot konnte nicht darauf gestützt werden, dass eine rechtswidrige Veröffentlichung der gefertigten Bilder durch den Pressefotografen oder durch die Klägerin und dadurch eine Enttarnung der SEK-Beamten gedroht hätte. |
|
| Ein Fotografierverbot kann gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass derjenige, der die Lichtbilder herstellt, diese ohne Einwilligung der abgebildeten Personen (§ 22 KunstUrhG) und sonstige Rechtfertigungsgründe (§ 23 KunstUrhG) veröffentlichen und sich dadurch nach § 33 KunstUrhG strafbar machen wird. Das KunstUrhG beschränkt sich auf das Verbot der nicht durch die Einwilligung des Betroffenen gedeckten Veröffentlichung und Verbreitung des Bildnisses. Da die Presse regelmäßig erst nach Sichtung des Fotomaterials über die Art und Weise der Veröffentlichung entscheidet und in dieser Entscheidungsfindung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich geschützt ist, kann die Anfertigung der Bildaufnahmen von Personen der Presse nicht generell von vornherein verboten werden (Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 123). |
|
| Eine Veröffentlichung ohne Einwilligung kommt in Betracht bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Aus diesem Bereich stammen in erster Linie Bildnisse, in denen der Abgebildete nicht bloß als Person, sondern wegen seiner Verbindung zum Zeitgeschehen das Interesse der Öffentlichkeit findet. Zur Zeitgeschichte zählt das gesamte politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben und darüber hinaus alles, was Gegenstand der Aufmerksamkeit, Wissbegier oder Anteilnahme der Öffentlichkeit ist. Ein dauerhaftes Interesse ist nicht Voraussetzung. Auch ein nur regionales oder lokales Interesse reicht aus (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 23 KUG Rn. 3; Kröner in HH-KO/MedienR, 34/44). Daran gemessen hat es sich bei dem SEK-Einsatz in Schwäbisch Hall um ein zeitgeschichtliches Ereignis von jedenfalls lokaler Bedeutung gehandelt. |
|
| Nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG hätte allerdings ein berechtigtes Interesse der Einsatzkräfte der Verbreitung von Bildnissen, auf denen sie identifizierbar sind, entgegengestanden. Diese Vorschrift erfordert eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und konkreten Umstände. Grundsätzlich kann jedes individuelle persönlichkeitsrechtliche Interesse ein berechtigtes Interesse begründen. Grenzen der Abbildungsfreiheit sind insbesondere die Privat- und Intimsphäre, die Verbreitung von Bildnissen mit negativer Tendenz, die Gefährdung des Abgebildeten und die Verwendung von Bildnissen zu Werbezwecken. Ein berechtigtes Interesse im Sinn von § 23 Abs. 2 KunstUrhG kann auch die nicht ganz fernliegende Gefährdung von Leben und Gesundheit des Abgebildeten für den Fall der Verbreitung und Veröffentlichung des Bildnisses sein, etwa bei Polizeibeamten oder bei nicht enttarnten V-Leuten (Dreier, a.a.O., § 23 KUG Rn. 34). Diese Gefahr dürfte hier mit Blick auf die Gefahr von Racheakten der sog. russischen Mafia bestanden haben. |
|
| Allerdings fehlte es an einer konkreten Gefahr der Veröffentlichung und Verbreitung von Fotos, auf denen die SEK-Beamten erkennbar sind, unter Verstoß gegen § 33 KunstUrhG. Zwar muss bei einem Pressefotografen grundsätzlich damit gerechnet werden, dass dessen Aufnahmen auch veröffentlicht werden. Es darf aber nicht von vornherein und ohne weitere Anhaltspunkte zukünftiges rechtswidriges Verhalten unterstellt werden. Vielmehr muss im Hinblick auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung grundsätzlich von der Rechtstreue des Fotografen ausgegangen werden (Senatsurteil vom 22.02.1995 - 1 S 3184/94 - VBlBW 1995, 282 = NVwZ-RR 1995, 527; OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 30.04.1997 - 11 A 11657/96 - NVwZ-RR 1998, 237; OVG NRW, Beschl. v. 30.10 2000 - 5 A 291/00 - DÖV 2001, 476; SaarlOVG, Urt. v. 11.04.2002 - 9 R 3/01 - juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 752; v. Olenhusen, MR-Int 2009, 23 <24>). Droht die Gefahr der Enttarnung, obliegt es zunächst dem Einsatzleiter, dies dem Pressefotografen deutlich zu machen. Ist dies geschehen, so darf und muss er grundsätzlich darauf vertrauen, dass keine Portrait- oder Nahaufnahmen veröffentlicht und gefährdete Beamte vor einer Veröffentlichung der Bilder in geeigneter Weise unkenntlich gemacht werden. Ein bloßer Augenbalken wird dabei regelmäßig nicht genügen, um die Erkennbarkeit zuverlässig auszuschließen. Vielmehr werden grundsätzlich nur Abbildungen mit vollständig gepixeltem Gesicht in Betracht kommen. Die Vermutung der Rechtstreue greift nicht ein, wenn gegenteilige Indizien vorliegen. Anhaltspunkte für ein künftiges rechtswidriges Verhalten können etwa in einem gleichartigen Vorverhalten gesehen werden (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2000 - 1 S 2239/99 - VBlBW 2001, 102). Danach war hier, da die Journalisten sich durch ihre Presseausweise ausgewiesen hatten, sie kooperationsbereit waren und dem Einsatzleiter zum damaligen Zeitpunkt keine negativen Erkenntnisse vorlagen, von einem rechtstreuen Verhalten auszugehen. Die Gefahr der Veröffentlichung von Bildern ohne ausreichende Anonymisierung bestand daher aus der maßgeblichen ex ante-Sicht nicht. Es hätte ausgereicht, die Pressevertreter auf die Gefahr der Enttarnung hinzuweisen und sich zu vergewissern, dass diese sich ihrer journalistischen Pflichten bewusst sind. |
|
| e) Nichts Abweichendes ergibt sich bezüglich der Vermutung der Rechtstreue daraus, dass es um einen Einsatz besonders gefährdeter SEK-Beamter ging und der Einsatzleiter für den Fall der Veröffentlichung der Bilder auch die Funktionsfähigkeit des SEK bedroht sah. Gilt die Vermutung der Rechtstreue der Presse selbst bei Gefahren für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen, die nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten an der Nichtveröffentlichung begründen, so kann mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des SEK nichts anderes gelten. Insoweit ist ebenfalls das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit betroffen, die die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, hier der Polizei, mit einschließt. Dass der Schaden nur für eine Teileinheit der Polizei, das SEK, droht, schließt die Bejahung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht aus, da diesem Kommando als besonderer Dienststelle auch besonders schwierige Fahndungen und Observationen obliegen, für die die Angehörigen des SEK durch eine längere und kostenintensive Spezialausbildung vorbereitet werden. Diese Spezialisten könnten im Falle ihrer nach Enttarnung ausgeschlossenen weiteren Einsetzbarkeit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens auch nicht kurzfristig durch andere Beamte zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit dieser Sondereinheit der Polizei ersetzt werden. Die Gefahren für die Funktionsfähigkeit des SEK sind indes nicht von größerem Gewicht als die Gefahren für Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen, so dass die Abwägung mit dem Grundrecht der Pressefreiheit insoweit nicht zu einem anderen Ergebnis führen kann (im Ergebnis ebenso SaarlOVG, Urt. v. 11.04.2002 - 9 R 3/01 - juris). |
|
| f) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war ein Einschreiten des Einsatzleiters auch nicht zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der SEK-Beamten zulässig. Im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht sind die Vorschriften der §§ 22 ff. KunstUrhG für ihren Geltungsbereich leges speciales (Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 119; Dreier, a.a.O., Vor §§ 22 ff. KUG Rn. 3). Soweit es um die Verletzung des Rechts am eigenen Bild als besondere rechtliche Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht, scheidet ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht daher aus. Allerdings erfassen die §§ 22 ff. KunstUrhG nur das Veröffentlichen und Verbreiten von Bildnissen; es kann daher in Einzelfällen in Betracht kommen, dass bereits allein das Fotografieren einen spezifischen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der SEK-Beamten darstellt. Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Im Übrigen wäre das Subsidiaritätsprinzip des § 2 Abs. 2 PolG zu beachten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 22.02.1995 - 1 S 3184/94 - a.a.O. und vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 - VBlBW 2008, 375). |
|
| g) Soweit der Gefahr entgegengewirkt werden soll, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff - etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia - auf die gefertigten Bildaufnahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht werden, geht es um Szenarien, die von der Presse nicht zu kontrollieren sind, so dass zu deren Verhinderung ein präventives Einschreiten der Polizei geboten erscheint. Ohne Zweifel war das Fotografierverbot insoweit geeignet, derartigen Gefahren zu begegnen. Es war jedoch nicht erforderlich. Der bezeichneten Gefahr kann im Regelfall - ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf - dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter zur vorübergehenden Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kann hieraus auf seine Unzuverlässigkeit geschlossen werden. Sind in einer solchen Situation tatsächliche Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung der Bildaufnahmen gegeben, die den berechtigten Sicherheitsinteressen des SEK und seiner Beamten nicht gerecht wird, oder droht ein widerrechtlicher Zugriff Dritter auf die Bilder, der durch ein späteres Einschreiten nicht zuverlässig verhindert werden könnte, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Betracht. Der nicht kooperationsbereite Pressevertreter könnte insoweit als Handlungsstörer (§ 6 PolG) Adressat einer Beschlagnahmever-fügung sein. Die Beschlagnahme wäre in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglichen würde. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah - in der Regel noch am gleichen Tag - in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden. |
|
| 4. Die Androhung bzw. Ankündigung der Beschlagnahme der Kamera samt Speichermedium waren ebenfalls rechtswidrig. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG vorgelegen haben, kann dahinstehen. Jedenfalls war die Androhung bzw. Ankündigung der Beschlagnahme wegen der Verknüpfung mit dem rechtswidrigen Fotografierverbot ermessensfehlerhaft. Die angedrohte bzw. angekündigte Beschlagnahme sollte der Durchsetzung des - rechtswidrigen - Fotografierverbots dienen. |
|
|
|
| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist. |
|
| Beschluss vom 19. August 2010 |
|
|
|
|
|