Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2014:1118.1K523.14.TR.0A
bei uns veröffentlicht am18.11.2014

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

2

Der im Jahre 1988 in der Stadt ... geborene Kläger wurde bei der ... in der Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012 als Tarifvertragskraft mit Aufgaben des Wachtmeisterdienstes betraut. Nach erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes für die Laufbahn des ersten Einstiegsamtes im ... 2012 mit der Note „befriedigend“ ernannte der Beklagte den Kläger zum ... 2012 zum Justizoberwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe.

3

Bereits im November 2011 wurde ein Vorfall zum Anlass genommen, den Kläger abzumahnen. Unter dem 11. September 2012 wurde der Kläger vor dem Hintergrund von Beschwerden angewiesen, seinen täglichen Dienst vor 7:30 Uhr anzutreten. Am 2. Oktober 2012 wurden dem Kläger feste Arbeitszeiten vorgegeben. Ab 1. Dezember 2012 durfte er wieder an der Gleitzeit teilnehmen.

4

Ausweislich eines Vermerks vom 8. Februar 2013 häuften sich Beschwerden über nicht ordnungsgemäße Erledigung des Aktenabtrags. Die Kollegen der Wachtmeisterei beschwerten sich, dass der Kläger, wenn überhaupt, lediglich seine fest zugeteilten Aufgaben erledige und ansonsten zwei bis drei Stunden täglich im Internet surfe. Außerdem würde er regelmäßig ausgedehnte (ca. 30 Minuten und länger) Raucherpausen machen. Er empfange und beantworte täglich eine große Zahl an SMS (20-30). Aufgrund dessen wurde ein Gespräch unter Beteiligung u.a. des Klägers und des Vorsitzenden des Personalrats geführt.

5

Aus Anlass des Ablaufs der festgelegten Probezeit von elf Monaten am 30. April 2013 erstellte der ... in ... am 13. März 2013 eine dienstliche Beurteilung mit dem Gesamtergebnis: „ Die Leistung des Beamten wird mit nicht geeignet bewertet“. In den Anmerkungen ist festgehalten, dass der Kläger „Potential für eine positive Entwicklung“ zeige.

6

Mit Bescheid vom 29. April 2013 wurde die Probezeit des Klägers um sechs Monate bis zum 31. Oktober 2013 verlängert.

7

Zu einem Zeitpunkt nach Juli 2013 kam es zu weiteren Beschwerden über das Verhalten des Klägers im Dienst. Es wurden unter dem 3., 5. und 12. September 2013 hierzu Vermerke gefertigt. Am 2. Oktober 2013 ist festgehalten, dass der Kläger am 18. September 2013 in der Zeit von 12.05 bis 13.28 Uhr außer Haus war, ohne die Zeiterfassung zu bedienen.

8

Unter dem 27. September 2013 erging eine dienstliche Beurteilung, die wiederum mit der Gesamtbeurteilung „die Leistung des Beamten wird mit nicht geeignet bewertet“ schloss. Die Beurteilung einzelner Merkmale der Ausprägungen der Leistungen schloss in einem fünfstufigen System vierzehnmal mit dem Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“, 31mal mit dem Ausprägungsgrad „weniger ausgeprägt“ und elfmal mit dem Ausprägungsgrad „kaum ausgeprägt“ (letzte Stufe). In den Anmerkungen zur Gesamtbeurteilung heißt es:

9

„Justizoberwachtmeister A... hat mitunter Schwierigkeiten Sachverhalte zu erfassen und Sachzusammenhänge zutreffend zu überblicken. Er ist normalem Arbeitsanfall gewachsen und lässt sich durch Schwierigkeiten nicht entmutigen. Sein Arbeitspensum kann er in angemessener Frist bewältigen. Nach wie vor fehlt es ihm aber an der Bereitschaft, seine Kollegen über sein eigenes Arbeitspensum hinaus zu unterstützen.

10

Vorgesetzten gegenüber trifft Justizoberwachtmeister A... nicht immer den richtigen Ton. Unsicherheiten, die anfangs häufig auftraten, sind zwischenzeitlich nur noch selten zu beobachten. Allerdings wirkt er gelegentlich im Umgang mit seinen Vorgesetzten unbeholfen. Gegenüber seinen direkten Kollegen bemüht er sich nach eigenen Aussagen zwar, kein schlechtes Verhältnis aufkommen zu lassen, dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Probleme zeigt er noch immer im Umgang mit Fremdkritik. Er fühlt sich leicht ungerecht behandelt.

11

Auf der anderen Seite mangelt es ihm an dem für sein Aufgabengebiet erforderlichen Pflichtbewusstsein. Zeitweise legte er sogar Gleichgültigkeit an den Tag. In vielen Situationen erkannte er die Tragweite seines Handelns nicht und war auch nicht in der Lage, die notwendigen Lehren aus ihm aufgezeigten Fehlern zu ziehen. Immer wieder musste er in Gesprächen ermahnt und auf seine Pflichten hingewiesen werden. Die dabei getroffenen Zielvereinbarungen hatte er nicht selten schon nach kurzer Zeit wieder aus den Augen verloren. Zwar führte die schließlich ausgesprochene Verlängerung seiner Probezeit zunächst zu einer Verbesserung des Pflicht- und Verantwortungsbewusstseins. Allerdings kam es in der Folge zu einem erneuten eklatanten Missbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens seiner Vorgesetzten und Kollegen. Als besonders gravierend ist sein Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht festzuhalten.

12

Justizoberwachtmeister A... zeigte von Beginn an unterdurchschnittliche Leistungen, die sich nach einer ersten Probezeitverlängerung nur vorübergehend und nicht nachhaltig verbesserte, sondern deutlichen Schwankungen unterlagen. Der Verstoß gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit sowie der Vertrauensmissbrauch zeigen jedoch nachdrücklich, dass Herr A... nicht zuverlässig ist. Er ist weiterhin nicht in der Lage, die in einen Beamten des ersten Einstiegsamtes gesetzten Erwartungen zu erfüllen.

13

Weder die Verlängerung der Probezeit noch zahlreiche Ermahnungen haben in der Vergangenheit zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung geführt. Deshalb ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass er die Anforderungen erfüllen wird.“

14

Das erkennende Gericht wies die diesbezügliche Klage des Klägers mit Urteil vom 17. Juni 2014 – 1 K 152/14.TR – ab. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurden die präsenten Zeugen B... und C... vernommen und der Beurteiler gehört. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unter dem Aktenzeichen 2 A 10632/14.OVG anhängig.

15

Am 14. Oktober 2013 wurde der Kläger unter Hinweis, dass zum Ablauf des 31. Oktober 2013 ein erfolgreicher Abschluss der Probezeit nicht festgestellt werden könne und eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht möglich sei, zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angehört.

16

Unter dem 16. Oktober 2013 leitete der ... gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren mit dem Vorwurf ein, der Kläger habe im Juni 2013 bei mindestens zwei Gelegenheiten während der Dienstzeit das Internet unbefugt genutzt, im Juni 2013 im Rahmen eines privaten Telefongesprächs Akteninhalte weitergegeben und somit gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen und am 18. September 2013 das Dienstgebäude zumindest für die Zeit von 12.05 bis 13:28 Uhr verlassen, ohne die Zeiterfassung zu bedienen.

17

In Anwesenheit des Klägers und seines Verfahrensbevollmächtigten fanden im behördlichen Disziplinarverfahren Vernehmungen der Beamten B..., E..., D... und C... als Zeugen statt.

18

Mit Disziplinarverfügung vom 5. Februar 2014 wurde dem Kläger wegen des Vorwurfs der Verletzung der Bestimmungen zur Internetnutzung im Dienst und zur Zeiterfassung sowie wegen des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht ein Verweis erteilt.

19

Mit Urteil vom 11. November 2014 wies die Kammer für Landesdisziplinarsachen die diesbezügliche Klage des Klägers ab -3 K 1198/14.TR-. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Entscheidung ist folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

20

1. Im Juni oder Juli 2013 nutzte der Beamte in einem Fall während der Dienstzeit zu ausschließlich privaten Zwecken den dienstlich zur Verfügung gestellten Internetzugang. Hierzu benutzte er den Rechner von JHW C..., der zuvor die Wachtmeisterei verlassen hatte, ohne seinen Rechner zu sperren. Bei dieser Gelegenheit hatte JHW C... noch die für das Online-Banking benutzte Seite seiner Bank, der ..., geöffnet. Der Kläger nahm hierbei Einblick in die Daten des fremden Kontos. Darüber hinaus öffnete er bei dieser Gelegenheit weitere Internet-Seiten wie Facebook und Gmx.

21

2. Im Juni 2013 teilte der Beamte einem unbekannt gebliebenen Gesprächsteilnehmer in einem Telefonat Inhalte aus einer Ermittlungsakte mit. Gegenstand des Verfahrens war ein Verkehrsunfall unter Beteiligung eines Motorrades bei dem es zu einem Frontalaufprall gekommen war.

22

3. Am 18. September 2013 verließ der Kläger kurz nach 12:00 Uhr das Dienstgebäude und trat seine Mittagspause an. Er kehrte erst um 13:28 Uhr an seinen Arbeitsplatz zurück. Er hat weder zu Beginn noch zum Ende der Mittagspause die Zeiterfassung betätigt.

23

Unter dem 5. Februar 2014 verfügte der Beklagte mit Ablauf des 31. März 2014 die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Es habe sich im Laufe der Probezeit herausgestellt, dass der Kläger für die Verwendung im ersten Einstiegsamt der Laufbahn des Justizwachtmeisterdienstes sowohl persönlich als auch fachlich nicht geeignet sei. Es dürfe zum Beamten auf Lebenszeit nur ernannt werden, wer sich in der Probezeit bewährt habe. Die fehlende dienstliche Eignung ergebe sich aus der dienstlichen Beurteilung vom 27. September 2013. Nach pflichtgemäßer Ermessensausübung sei die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auszusprechen. Eine weitere Verlängerung der Probezeit sei nicht zulässig. Die Einberufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit sei nach diesem Sachverhalt ausgeschlossen.

24

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er nachfolgend damit begründete, dass die dienstliche Beurteilung, auf welche die Entlassungsverfügung gestützt werde, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte. Im Übrigen sei diese nicht bestandskräftig, weshalb die Entlassung aus dem Dienst hierauf auch nicht gestützt werden könne. Der auf seinen Abänderungsantrag hinsichtlich der dienstlichen Beurteilung ergangene Bescheid vom 22. Oktober 2013 genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, da nicht ersichtlich sei, dass die eigentliche dienstliche Beurteilung sachlich erneut aufgegriffen worden sei. Es sei ferner nicht erkennbar, aus welcher Quelle der Beurteiler seine Erkenntnisse gewonnen habe, zumal der Beurteilung zugrunde liegende Tatsachen weder dokumentiert, geschweige denn erkennbar seien. Es handele sich um Wertungen ohne erkennbare Grundlagenfeststellung. Die Darstellung, es sei zu einem erneuten eklatanten Missbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens seiner Vorgesetzten und Kollegen gekommen, werde nicht dargestellt und erläutert. Soweit ihm im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zur Last gelegt worden sei, in einem PC des Kollegen C... dessen Bankseiten aufgerufen und sich die Konten angesehen zu haben, beruhe dies auf nicht tragfähigen Aussagen des Kollegen B... und der Kollegin E... Auch ein Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht sei nicht erkennbar und nicht zu verifizieren.

25

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2014, zugestellt am 27. Februar 2014, zurückgewiesen. Zur Begründung führte der ... in ... aus, dass die unter dem 27. September 2013 erfolgte Beurteilung mit dem Prädikat „nicht geeignet“ zu Recht erfolgt sei. Es sei auf den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2013 Bezug zu nehmen. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz und § 31 Abs. 2 Landesbeamtengesetz könne ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt habe. Dies sei der Fall. Sowohl die Beurteilung vom 13. März 2013 als auch die Beurteilung vom 27. September 2013 schlössen mit der Gesamtbeurteilung der dienstlichen Eignung und Leistungen mit „nicht geeignet“ ab. Eine positive Tendenz für eine zukünftig zu erwartende Leistungssteigerung enthalte die letzte Beurteilung nicht mehr.

26

Der Kläger hat am 20. März 2014 Klage erhoben. Dazu trägt er vor, die Entlassungsverfügung beschränke sich rechtlich völlig unzureichend auf die Mitteilung, dass der ... in ... die dienstliche Leistung und Eignung mit „nicht geeignet“ beurteilt habe. Die dienstliche Beurteilung vom 27. September 2013 halte einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Wären bei ihm tatsächlich nicht den Anforderungen entsprechende Leistungen zu verzeichnen gewesen, so hätte im Beurteilungsformular jeweils das für eine derartige Bewertung vorgesehene Merkmal „kaum ausgeprägt“ angekreuzt werden müssen. Dies gelte umso mehr als ausweislich der Entlassungsverfügung noch nicht einmal dargestellt worden sei, dass es sich um nicht behebbare Mängel handele. Dies verwundere umso mehr als am 13. März 2013 seitens des Beurteilers bescheinigt werde, dass zuletzt Leistungen weitgehend stabil und überzeugender geworden seien und ein unverkennbares Potential für eine positive Entwicklung gezeigt worden sei. In der Beurteilung überwögen auch die Bewertungen in der Rubrik „normal ausgeprägt“ und „weniger ausgeprägt“. Die verbale Bewertung im Rahmen der Gesamtbeurteilung sei wenig aussagekräftig. Sie beruhe nicht auf Erkenntnisquellen des Beurteilers, die eine ausreichende Tatsachenbasis bilden könnten. Die Werturteile blieben im Ergebnis formelhaft und seien weder für ihn noch für außenstehende Dritte nachvollziehbar. Die abweichenden Wertungen zur Vorgängerbeurteilung bedürften einer besonderen Plausibilisierung. Es sei falsch, dass er gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe. Es sei ebenfalls nicht aufgezeigt, welche Ermahnungen erfolgt seien, die nicht zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung geführt hätten. Die Entlassungsverfügung sei bereits mangels Vorliegen einer rechtskräftigen Probezeitbeurteilung rechtswidrig.

27

Der Kläger beantragt,

28

die Entlassungsverfügung vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufzuheben.

29

Der Beklagte beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Dazu führt er aus, dass der Kläger mangels Bewährung nicht auf Lebenszeit übernommen werden könne. Der Entlassungsverfügung stehe schließlich nicht entgegen, dass die ihr zugrunde liegende Beurteilung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht bestandskräftig gewesen sei. Der Dienstherr habe schon aus Gründen der Fürsorgepflicht alsbald nach aus seiner Sicht festzustellender Nichteignung die Entlassung des Beamten zu verfügen.

32

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie den Verwaltungsakten des Beklagten, der Gerichtsakte 1 K 152/14.TR und der Gerichtsakte 3 K 1198/14.TR. Die genannten Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

33

Die Klage hat keinen Erfolg.

34

Der Entlassungsbescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

35

Zu Recht hat der Beklagte die Entlassung auf §§ 21 Nr. 1, 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG -) gestützt. Danach kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat.

36

In formeller Hinsicht begegnet die Entlassungsverfügung keinen Bedenken. Sie wurde nach Anhörung des Klägers und dessen Stellungnahme von der zuständigen Behörde erlassen (§ 32 Abs. 1 Satz 1 LBG in Verbindung mit § 1 Satz 1 Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des für die Rechtspflege zuständigen Ministeriums vom 31. Januar 2013). Da die Entlassungsverfügung dem Kläger am 10. Februar 2014 zugestellt wurde, ist die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG vorgeschriebene Entlassungsfrist von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres eingehalten. Der Bezirkspersonalrat hat der Entlassung zugestimmt. Die Gleichstellungsbeauftragte wurde beteiligt.

37

Der angegriffene Entlassungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.

38

Nach §§ 21 Nr. 1 und 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Eine Bewährung setzt voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung (die für die dienstliche Verwendung wesentlichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften) sowie den von ihm in der Probezeit gezeigten Leistungen den Anforderungen, die mit dem auf Lebenszeit zu verleihenden Statusamt verbunden sind, voraussichtlich gerecht werden wird (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 2 B 10469/12.OVG -). Die Probezeit soll insbesondere erweisen, dass der Beamte nach Einarbeitung die übertragenen Aufgaben erfüllt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Laufbahnverordnung – LbVO -).

39

Die Entscheidung des Dienstherrn, ob der Beamte sich in der Probezeit nach diesen Kriterien bewährt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Akt wertender Erkenntnis des für diese Beurteilung zuständigen Amtswalters. Seine Bewertungen sind gerichtlich deshalb nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzliche Grenze des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt, wesentliche Verfahrensregeln verletzt sind, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, Urteile vom 24. November 1983 – 2 C 28.82 – und 19. März 1998 – 2 C 5.97 -).

40

Aus der Formulierung „in der Probezeit“ ergibt sich, dass für die Frage der Bewährung oder Nichtbewährung ausschließlich das Verhalten des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit maßgebend ist. Innerhalb dieser Zeit ist dem Beamten die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Sind in der Probezeit Mängel zu erkennen, ist der Dienstherr somit von der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Probebeamten nicht zweifelsfrei überzeugt, so darf die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht ausgesprochen werden.

41

Liegen Mängel vor, so ist zu unterscheiden: Sind es behebbare Mängel, so ist dies dem Beamten mitzuteilen und ihm aus Gründen der Fürsorge Gelegenheit zu geben, die bestehenden Leistungsdefizite abzustellen. Hierzu kann die Probezeit verlängert werden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 LbVO). Davon wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Gelangt der Dienstherr nach Verlängerung der Probezeit – wie hier - zu der Überzeugung, dass der Beamte hinsichtlich Eignung, Leistung und Befähigung nicht mehr behebbare Mängel aufweist, so muss er ihn entlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1998, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012, a. a. O.).

42

Hier hat der Beklagte sein Urteil der endgültigen Nichteignung vor Ablauf der am 31. Oktober 2013 endenden Probezeit mit der dienstlichen Beurteilung vom 27. September 2013 getroffen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

43

Die Feststellung nicht mehr behebbarer Mängel begründete der Dienstherr mit mangelnder persönlicher und fachlicher Eignung, wobei er sich auf die dienstliche Beurteilung vom 27. September 2013 stützte. Der Umstand, dass die Probezeitbeurteilung vom Kläger angegriffen wurde, hindert ihre Verwertung nicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2009- 3 CS 09.1773-).

44

Die Probezeitbeurteilung kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht geeignet ist. Weder die Verlängerung der Probezeit noch zahlreiche Ermahnungen hätten in der Vergangenheit zu einer nachhaltigen Leistungssteigerung und Verhaltensänderung geführt, weshalb nicht zu erwarten sein, dass der Kläger die Anforderungen erfüllen werde. Diese Einschätzung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

45

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren rügt, die vom Beklagten getroffenen Einschätzungen und Feststellungen in der Probezeitbeurteilung erwiesen sich als unsubstantiiert, ist dem nicht zu folgen. Der Beklagte hat seiner der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht entspringenden Aufgabe, die Grundlage seiner Entscheidung transparent zu machen, hinreichend entsprochen. Er muss die in Bezug genommenen Werturteile nicht sämtlich mit konkreten und im Einzelnen glaubhaft gemachten Vorfällen belegen. Soweit er im textlichen Teil der Probezeitbeurteilung Vertrauensmissbrauch gegenüber Kollegen und Vorgesetzten sowie einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht angeführt hat, ist der entsprechenden Nachweis gegeben. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil der erkennenden Kammer im Verfahren 1 K 152/14.TR sowie im Verfahren 3 K 1198/14.TR Bezug genommen.

46

Das Urteil der Nichteignung beruht entgegen der Auffassung des Klägers auf plausiblen Werturteilen und einem belastbaren Sachverhalt. Im Ergebnis werden dem Kläger unterdurchschnittliche Leistungen sowie mangelhafte Befähigung und fachliche Eignung auch vor dem Hintergrund dienstpflichtwidrigen Verhaltens attestiert. Insoweit sah der Beurteiler im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR Kernkompetenzen in Gestalt von sorgfältigem, zuverlässigem, genauem Arbeiten, Pünktlichkeit und Verschwiegenheit sowie Teamfähigkeit als nicht in ausreichendem Maße gegeben an und legte dies im Einzelnen unter Benennung seiner Quellen dar. Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Kammer im vorgenannten Verfahren verwiesen.

47

Dass der Kläger das Vertrauen seiner Kollegen und der Vorgesetzten missbraucht hat und gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen hat, steht aufgrund der Ermittlungen u.a. durch zeugenschaftliche Vernehmung im behördlichen Disziplinarverfahren sowie der gerichtlichen Vernehmung der Zeugen B... und C... in dem Verfahren 1 K 152/14.TR vor dem erkennenden Gericht fest.

48

Der im textlichen Teil der dienstlichen Beurteilung angeführte Vertrauensmissbrauch gegenüber Vorgesetzten und Kollegen findet im Übrigen eine ausreichende tatsächliche Grundlage bereits darin, dass der Kläger gegen die Regelungen zur Zeiterfassung bewusst verstoßen und das Internet nach dem zugrundeliegenden Akteninhalt unstreitig über das erlaubte Maß hinaus genutzt hat. Die Feststellung des Vertrauensverstoßes ist ferner hinreichend dadurch untermauert, dass sich der Kläger private Daten des Beamten C... u. a. aus „Facebook“ zugänglich gemacht hat, ohne von diesem dazu autorisiert worden zu sein. Von daher kommt es hinsichtlich dieser Feststellung des Dienstherrn im textlichen Teil der angegriffenen Beurteilung auch nicht darauf an, ob der Kläger zusätzlich Einblick in die Bankdaten genommen hat, wovon aber nach vorstehenden Ausführungen auszugehen ist.

49

Die Vernehmungsprotokolle durfte das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers im vorliegenden Verfahren als Urkundsbeweis verwerten; dies widerspricht nicht dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.

50

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut zunächst, dass diejenigen Richter, die über einen Rechtsstreit entscheiden, regelmäßig auch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung durchführen, um ihre Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme stützen zu können (formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Nach ihrem Sinn lassen sich ihr indes auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme).

51

§ 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel ausreicht oder ob das unmittelbare Beweismittel (erneute oder erstmalige gerichtliche Vernehmung des Zeugen) zu nutzen ist.

52

Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 -2 C 28/10-, m.w.N.).

53

Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, eine durchgeführte gerichtliche Zeugenvernehmung zu wiederholen; wenn allerdings das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will, bedarf es in aller Regel einer erneuten Einvernahme des Zeugen (zur Pflicht des Obergerichts bei Zeugenvernehmung in erster Instanz: BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011, a.a.O.). Ebenso wenig ist es stets ausgeschlossen, Protokolle behördlicher Vernehmungen als Urkundsbeweis zu verwenden; dabei müssen allerdings die Grenzen dieses Beweismittels berücksichtigt werden. Denn die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren ist nicht in gleicher Weise mit rechtlichen Garantien ausgestattet wie eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren. Auch steht auf Grund einer Verwendung von Vernehmungsprotokollen als Urkundsbeweis nur fest, dass der Zeuge die protokollierte Aussage gemacht hat, nicht aber, ob sie inhaltlich richtig ist; dies ist vielmehr eine Frage der Beweiswürdigung (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1984 - 9 CB 149.83 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 30). Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2002 - 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259). Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder - erst recht - zur Glaubwürdigkeit der außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage und sind häufig kaum begründbar (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - DVBl 2011, 366).

54

Demgegenüber verbietet § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Entscheidung des Gerichts allein auf Grund des Inhalts von Vernehmungsprotokollen, wenn einem Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnet war, an den Vernehmungen teilzunehmen und Fragen zu stellen, und wenn dieser Beteiligte begründet die Vernehmung der - erreichbaren - Zeugen verlangt. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ohne allseitiges Einverständnis tatsächliche Feststellungen ohne erneute Prüfung durch das Gericht auf eine bloße schriftliche Wiedergabe der Erklärungen von Personen gestützt werden, die als Zeugen hätten vernommen werden können. Denn durch die Verwendung von Beweismitteln, die in anderen Verfahren entstanden sind, im anhängigen Gerichtsverfahren dürfen die Beteiligten keine Rechte verlieren, die ihnen zustehen würden, wenn die Beweismittel gerade in ihrem Prozess eingeholt worden wären. In einem solchen Fall kann ein Vorrang des unmittelbaren Beweismittels vor dem mittelbaren bestehen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O unter Hinweis auf seine zuvor ergangene Rechtsprechung).

55

Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall keiner weiteren Beweisaufnahme. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren im behördlichen Disziplinarverfahren und im gerichtlichen Verfahren 1 K 152/14.TR bei der jeweiligen Beweisaufnahme zugegen. Dabei hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Möglichkeit gehabt und genutzt, von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen. Der Kläger hatte deshalb die Möglichkeit, das Zustandekommen der im Gerichtsverfahren gefertigten Vernehmungsprotokolle zu beeinflussen oder in Frage zu stellen. Er hatte auch ausreichend Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Da der Prozessbevollmächtigte bereits im behördlichen Disziplinarverfahren bestellt war, war ihm der Sachverhalt auch hinlänglich bekannt. Der Umstand, dass ihm der Hinweis an den Beklagten, die Anwesenheit präsenter Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR sicherzustellen, nicht übermittelt wurde, hinderte ihn mithin nicht in der Wahrnehmung seines Rechts auf Beweisteilhabe.

56

Eine weitere Beweisaufnahme über die Verwertung der Protokolle hinaus drängt sich, unabhängig davon, dass ein dahingehender Beweisantrag nicht gestellt wurde, dem Gericht auch nicht auf. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren gegen die bisherige Sachverhaltsfeststellung keine begründeten Einwände erhoben. Eine weitere Sachaufklärung ist nur dann geboten, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiteren Aufklärungen sehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011, 2 C 28/10 – juris -). Dies ist dann der Fall, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen.

57

Derart begründete Einwände im vorgenannten Sinne hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, er könne die Glaubwürdigkeit der betroffenen Zeugen nicht in Abrede stellen.

58

Soweit der Kläger hinsichtlich der Feststellung eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht schriftsätzlich vortragen ließ, dass man aus dem Umstand, dass eine Akte geöffnet sei, nicht darauf schließen könne, dass dahingehende Inhalte dem Gesprächsteilnehmer am Telefon weitergeleitet werden, lässt keine Zweifel an der Sachverhaltsfeststellung aufkommen. Dazu ist im Urteil des erkennenden Gerichts vom 11. November 2014 – 3 K 1198/14.TR- bereits ausgeführt worden, dass der Zeuge B... zu dem Telefonat mit einem außenstehenden Dritten detailliert dargelegt hat, dass während des Telefonats die Akte der ... geöffnet gewesen sei und der Kläger Einsicht in Lichtbilder genommen hat, dass dieser darüber hinaus vernehmen konnte, dass es um einen Motorradunfall und einen Frontalzusammenstoß gegangen ist, und dass er aus dem Inhalt des Gesprächs und dem einsehbaren Inhalt der Akte den Schluss gezogen hat, dass Gegenstand des Telefonats das Verfahren war, dessen Ermittlungsakte der Kläger vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Weiter hat die Disziplinarkammer unter Berücksichtigung der Ausführungen des ... im Termin vor dem erkennenden Gerichts am 17. Juni 2014, wonach der Kläger in der Wachtmeisterei im Wesentlichen mit der Logistik der Behörde beschäftigt ist, ausgeführt, dass keine Dienstpflicht besteht, die ein Öffnen der Akte der ... und erst recht sich in der Akte befindlicher Lichtbilder erforderlich macht. Von daher ist das Ermittlungsergebnis nicht begründet in Zweifel gezogen und ein anderer Sachverhalt nahegelegt. Somit drängte sich von daher dem Gericht keine weitere Sachverhaltsaufklärung auf.

59

Soweit der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich darauf hingewiesen hat, die Beamtin E... habe nicht gesehen, dass der Kläger Bankdaten des Beamten C... geöffnet habe, ist dies bereits nach vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Entlassungsverfahren nicht durchschlagend. Im Übrigen stellt dies den festgestellten Sachverhalt nicht in Frage, weil sich die Bankseite unstreitig nach Ablauf von Minuten schließt. Damit sind die Angaben des Beamten B... auch nicht begründet in Zweifel gezogen.

60

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren über seinen bisherigen Vortrag hinaus noch betont, die Bewertung, es lägen „nicht mehr behebbare Mängel“ vor, sei nicht gerechtfertigt, so ist dem nicht zu folgen. Hierbei handelt es sich angesichts der dem Kläger ausweislich der Aktenvermerke und der Angaben des Beurteilers im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 152/14.TR erteilten Ermahnungen um eine plausible Wertung des Dienstherrn.

61

Keine andere Entscheidung folgt daraus, dass nicht alle Einzelwertungen der Beurteilung mit „kaum ausgeprägt“ ausgestaltet waren. Ausweislich der dienstlichen Beurteilung waren die Einzelmerkmale „Pflichtbewusstsein“, „Fähigkeit zur Selbstkritik“, „Fähigkeit zum Umgang mit Fremdkritik“, „Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen“, „Engagement“, „Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft“, „Teamfähigkeit“, „Bereitschaft zur eigenen Weiterentwicklung“, „Korrektes Durchführen von Sicherheitsaufgaben“ und „Sicherheitsbewusstes Verhalten“ mit der Wertung „kaum ausgeprägt“ eingeordnet. Vor dem Hintergrund, dass der Beurteiler im Termin zur mündlichen Verhandlung im Beurteilungsrechtsstreit nachvollziehbar sorgfältiges, zuverlässiges, genaues Arbeiten, Pünktlichkeit und Verschwiegenheit sowie Teamfähigkeit als Kernkompetenzen benannt hat, die er beim Kläger vermisst hat, was aktenmäßig nachvollziehbar ist, ist damit das Werturteil „nicht mehr behebbarer Mängel“ hinreichend plausibilisiert. Dies gilt umso mehr, als dieser Einschätzung auch dienstpflichtwidriges Verhalten zugrunde zu legen ist und Ermahnungen letztlich nachvollziehbar als fruchtlos geblieben bewertet wurden.

62

Soweit der Kläger an seiner Rüge festhält, die Schlechterbewertung gegenüber der dienstlichen Beurteilung vom 13. März 2013 sei nicht plausibilisiert, ist dem nicht zu folgen. Wie bereits im Verfahren 1 K 152/14.TR ausgeführt, ist diese Wertung wegen des mit der Beurteilung vom 27. September 2013 gewerteten disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens und der dargestellten Beschwerden nach einer kurzzeitigen Leistungsverbesserung schlüssig.

63

Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Beklagte zu der Einschätzung gelangt, dass sich ein Beamter, der resistent Kernvoraussetzungen seines sicherheitsrelevanten Tätigkeitsfeldes ignoriert und sich dienstpflichtwidrig verhält, persönlich und fachlich nicht bewährt hat. Es liegt innerhalb des dem Dienstherrn zukommenden Bewertungsspielraums, ein solchermaßen gezeigtes Verhalten auch bei einem Beamten des ersten Einstiegsamtes nicht hinzunehmen. Hinzu kommt, dass der Probebeamte wiederholt auf diese Defizite hingewiesen wurde, es ihm jedoch trotz eines Leistungsanstiegs im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit letztlich nicht gelang, seinen Kernpflichten zuverlässig nachzukommen.

64

Dass bei dem Probebeamten auch in einzelnen Merkmalen eine „durchschnittliche“ Bewertung wiedergegeben ist, stellt das Ergebnis der mangelnden Bewährung rechtlich nicht in Frage. Denn die Bewertung der in der Probezeitbeurteilung ebenso dokumentierten Leistungsmängel des Klägers als gewichtiger gegenüber auch positiven Leistungsansätzen mit dem Gesamtergebnis zu sehen, dass sich der Beamte in der Probezeit nicht bewährt hat, liegt innerhalb des gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Dienstherrn.

65

Auch der Umstand, dass der Beurteilungszeitraum mit der Probezeitbeurteilung am 27. September 2013 geendet hat, führt nicht zu deren rechtlicher Fehlerhaftigkeit. Ob und welcher Zeitraum vor Ablauf der Probezeit für das Urteil des Dienstherrn ausreichend ist, dass ein Probebeamter sich nicht bewährt hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art und Schwere des Versagens gegenüber dem vom Dienstherrn gestellten Anforderungen (BVerwG, Urteil vom 24. November 1988 – 2 C 24.87-). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger über den gesamten Zeitraum die dargestellten Kernprobleme in der Wahrnehmung seiner dienstlichen Pflichten gezeigt hat bzw. in dienstpflichtwidriges Verhalten zurückgefallen ist. Damit war die bereits einen Monat vor Ablauf der Probezeitverlängerung erfolgte prognostische Bewertung, dass er sich in der Probezeit persönlich und fachlich nicht bewährt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Die zunächst gezeigte Leistungssteigerung konnte sich über den maßgeblichen Zeitraum nicht bestätigen bzw. wurde durch sein Verhalten konterkariert.

66

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Für den Beklagten steht die mangelnde Bewährung endgültig fest, sodass kein Handlungsermessen mehr hinsichtlich der Entlassung und einer Weiterbeschäftigung des Klägers bestand. Nach der zwingenden Vorschrift des § 10 Satz 1 BeamtStG darf ein Beamter nur dann in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden, wenn er sich in der Probezeit bewährt hat. Von der Möglichkeit der Verlängerung der Probezeit wurde Gebrauch gemacht.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

68

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

69

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR

Referenzen - Gesetze

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR zitiert 14 §§.

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 96


(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen. (2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 10 Voraussetzung der Ernennung auf Lebenszeit


Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können du

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(1) Die Enteignungsbehörde stellt einen Plan auf, aus dem die Grundstücke ersichtlich sind, die von der Enteignung betroffen werden. (2) Ein Auszug des Plans nebst einem Verzeichnis, in dem die von der Enteignung betroffenen Grundstücke nach ihrer g

Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 32


(1) Soweit der Kreis der Beteiligten bekannt ist und offensichtlich eine Anordnung von Vorkehrungen im Sinne des § 26 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 2 nicht in Betracht kommt, kann diesen Beteiligten gegenüber von der Aufstellung eines Plans abgese

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 21 Beendigungsgründe


Das Beamtenverhältnis endet durch 1. Entlassung,2. Verlust der Beamtenrechte,3. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen oder4. Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand.

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 28. Juli 2011 - 2 C 28/10

bei uns veröffentlicht am 28.07.2011

Tatbestand 1 Der 1983 geborene Kläger wehrt sich gegen seine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis. Er leistete ab April 2002 Grundwehrdienst und verpflichtete
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Trier Urteil, 18. Nov. 2014 - 1 K 523/14.TR.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Juni 2016 - 5 Sa 354/15

bei uns veröffentlicht am 02.06.2016

Tenor 1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 01.07.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2015, Az. 3 Ca 984/14, teilweise abgeändert und die Klage gegen d

Referenzen

Das Beamtenverhältnis endet durch

1.
Entlassung,
2.
Verlust der Beamtenrechte,
3.
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen oder
4.
Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand.

(1) Soweit der Kreis der Beteiligten bekannt ist und offensichtlich eine Anordnung von Vorkehrungen im Sinne des § 26 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 2 nicht in Betracht kommt, kann diesen Beteiligten gegenüber von der Aufstellung eines Plans abgesehen werden. In diesem Fall sind die Beteiligten sowie die Gemeinde und der Landkreis, in deren Bezirk die betroffenen Grundstücke liegen, besonders zu benachrichtigen. Der Benachrichtigung ist das Verzeichnis der von der Enteignung betroffenen Grundstücke mit den in § 31 Abs. 2 geforderten Angaben beizufügen.

(2) In der Benachrichtigung ist eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb der die Beteiligten Einwendungen gegen das Vorhaben erheben können.

(1) Die Enteignungsbehörde stellt einen Plan auf, aus dem die Grundstücke ersichtlich sind, die von der Enteignung betroffen werden.

(2) Ein Auszug des Plans nebst einem Verzeichnis, in dem die von der Enteignung betroffenen Grundstücke nach ihrer grundbuchmäßigen, katastermäßigen oder sonst üblichen Bezeichnung unter Angabe des Namens und des Wohnorts des Eigentümers, soweit diese aus dem Grundbuch ersichtlich oder der Enteignungsbehörde bekannt sind, aufgeführt sind, ist in der betreffenden Gemeinde einen Monat öffentlich auszulegen. Die Enteignungsbehörde kann die Auslegungsfrist verlängern.

(3) Zeit, Dauer und Ort der öffentlichen Auslegung sind den Beteiligten mitzuteilen, es sei denn, daß bei ihnen die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung vorliegen (§ 10 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes). Diese Tatsachen sind außerdem vorher, soweit sie nicht durch die Gemeinde ortsüblich bekanntgegeben werden, durch die Enteignungsbehörde in den Zeitungen bekanntzumachen, die in den für die Grundstücke zuständigen Orten verbreitet sind. In der Bekanntmachung sind die Beteiligten, die nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind (§ 29 Abs. 1 Nr. 3), aufzufordern, ihre Rechte bei der Enteignungsbehörde anzumelden.

(4) Während der Auslegungsfrist kann jeder Beteiligte Einwendungen gegen den Plan und Anträge nach § 26 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 bei der Gemeinde schriftlich einreichen oder zur Niederschrift geben.

(5) Die Enteignungsbehörde teilt dem Grundbuchamt, in dessen Bezirk die von dem Plan betroffenen Grundstücke liegen, zu deren Grundakten den Zeitpunkt des Beginns der öffentlichen Auslegung des Plans mit. Das Grundbuchamt hat die Enteignungsbehörde von allen Eintragungen zu benachrichtigen, die nach diesem Zeitpunkt in den Grundbüchern der betroffenen Grundstücke vorgenommen worden sind oder vorgenommen werden.

Das Beamtenverhältnis endet durch

1.
Entlassung,
2.
Verlust der Beamtenrechte,
3.
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen oder
4.
Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tatbestand

1

Der 1983 geborene Kläger wehrt sich gegen seine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis. Er leistete ab April 2002 Grundwehrdienst und verpflichtete sich in der Folge als Zeitsoldat auf vier Jahre bis zum 31. März 2006.

2

Im März 2006 wurden Vorwürfe bekannt, wonach mehrere Soldaten, unter ihnen der Kläger, im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2005 außerhalb des Dienstes, aber in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hätten. Zur Klärung der Vorwürfe wurden sechs Kameraden des Klägers durch einen vorgesetzten Offizier vernommen. Fünf von ihnen belasteten den Kläger, während der sechste Soldat aussagte, der Kläger habe während des Konsums "meist" die Stube verlassen. In einer weiteren Vernehmung präzisierte dieser Zeuge auf Nachfrage, er könne nicht ausschließen, dass der Kläger bei anderen Gelegenheiten Betäubungsmittel konsumiert habe. Im Rahmen der ebenfalls eingeleiteten Strafverfahren bestätigten die Soldaten im Wesentlichen ihre früheren Angaben. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Disziplinarische Maßnahmen wurden bei denjenigen Soldaten, die wegen des Betäubungsmittelkonsums entlassen wurden, nicht ergriffen. Der Kläger selbst verweigerte bei Vernehmungen die Aussage und wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme als unzutreffend zurück. Das bei ihm durchgeführte Drogenscreening fiel negativ aus.

3

Durch Bescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 wurde der Kläger nach Anhörung der Vertrauensperson der Soldaten, gestützt auf § 55 Abs. 5 SG, fristlos aus dem Soldatenverhältnis entlassen. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab, nachdem die Beteiligten einvernehmlich auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung durch Urteil vom 23. Juli 2009 ohne vorherige Zeugenvernehmung zurückgewiesen. Die Entlassungsvoraussetzungen lägen vor. Nach dem Inhalt der Akten, insbesondere der Protokolle über die Vernehmungen der Kameraden des Klägers als Beweisurkunden, stehe fest, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zuträfen. Auch der einmalige Betäubungsmittelkonsum erfülle den Tatbestand des § 55 Abs. 5 SG. Vorsatz sei gegeben. Der Kläger habe durch sein Verhalten die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei, weil ein atypischer Fall nicht vorliege; eine Entlassung unmittelbar vor Ablauf der regulären Dienstzeit sei nicht zu beanstanden. Rechtliche Hindernisse stünden der Verwertung der polizeilichen und behördlichen Vernehmungsprotokolle nicht entgegen. § 96 VwGO gebiete lediglich die formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, nicht aber einen Vorrang unmittelbarer vor mittelbaren Beweismitteln. Ein solcher Vorrang könne im Einzelfall allenfalls aus § 86 VwGO folgen. Die tendenziell geringere Zuverlässigkeit mittelbarer Beweismittel könne bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall habe es einer Zeugenvernehmung nicht bedurft. Beweisanträge seien nicht gestellt worden; eine Beweiserhebung habe sich nicht aufgedrängt, da die Glaubhaftigkeit der protokollierten Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen unzweifelhaft seien. Die negativen Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten Drogenscreenings seien nicht geeignet, die belastenden Zeugenaussagen zu erschüttern, da sie für das vierte Quartal des Jahres 2005 irrelevant seien.

5

Der Kläger begründet seine Revision mit einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflichten durch das Berufungsgericht und beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2007 sowie den Entlassungsbescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 und den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 5. Mai 2006 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil leidet an Verfahrensmängeln, nämlich an Verstößen gegen § 96 Abs. 1 und § 86 Abs. 1 VwGO. Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, nicht aus, dem Senat eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen.

9

1. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl I S. 1482) auch nach einmaligem Betäubungsmittelkonsum und unmittelbar vor dem regulären Ende der Dienstzeit in Betracht kommen kann.

10

Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre ohne vorherige Durchführung eines Disziplinarverfahrens fristlos entlassen werden, wenn er Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die fristlose Entlassung nach dieser Vorschrift ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten (Beschluss vom 16. August 2010 - BVerwG 2 B 33.10 - NVwZ-RR 2010, 896 = juris Rn. 6 ff.). Sie stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten auf Grund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (Urteile vom 9. Juni 1971 - BVerwG 8 C 180.67 - BVerwGE 38, 178 <180 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 5 S. 2 f., vom 31. Januar 1980 - BVerwG 2 C 16.78 - BVerwGE 59, 361 <362 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 8 S. 5 f. und vom 24. September 1992 - BVerwG 2 C 17.91 - BVerwGE 91, 62 <63 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13 S. 2 f.).

11

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (Urteile vom 9. Juni 1971 a.a.O., vom 31. Januar 1980 a.a.O., vom 20. Juni 1983 - BVerwG 6 C 2.81 - Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 11 S. 13 f. und vom 24. September 1992 a.a.O.).

12

Eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis kommt auch unmittelbar vor dem Ende der Dienstzeit noch in Betracht, ohne an dem Verbot unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe zu scheitern; dies kann allenfalls in atypischen Fallkonstellationen anders sein. Denn bei Dienstpflichtverletzungen, von denen eine negative Vorbildwirkung ausgeht, entfällt diese nicht durch das Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst, sondern kann nur durch eine disziplinarische oder anderweitige Reaktion des Dienstherrn beseitigt werden.

13

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. Urteile vom 9. Juni 1971, vom 31. Januar 1980, vom 20. Juni 1983 und vom 24. September 1992, jeweils a.a.O.).

14

Der Konsum von Betäubungsmitteln in der Kaserne stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Dienstpflichtverletzung dar (Urteile vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3, vom 24. September 1992 a.a.O. und vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148). Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich, weil es unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Regelmäßig liegt darin auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 SG), wenn der Soldat - wie der Kläger - über das Verbot des unbefugten Besitzes und des Konsums von Betäubungsmitteln in militärischen Anlagen belehrt worden ist. Das Verbleiben eines Soldaten im Dienst, der in militärischen Unterkünften Betäubungsmittel konsumiert hat, stellt deshalb in der Regel eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung dar; es hätte negative Vorbildwirkung, die es der Bundeswehr erschweren würde, ihren Verteidigungsauftrag zu erfüllen.

15

2. Das Oberverwaltungsgericht hat sich jedoch seine Überzeugung, dass der Kläger an dem Betäubungsmittelkonsum seiner Kameraden im letzten Quartal des Jahres 2005 beteiligt war, in verfahrensfehlerhafter Weise gebildet. Es hat seiner Urteilsfindung im Wesentlichen lediglich die Protokolle der außergerichtlichen Vernehmungen von Kameraden des Klägers zu Grunde gelegt, obwohl eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung zumindest dieser Kameraden als Zeugen erforderlich gewesen wäre. Damit hat es gegen den Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 96 Abs. 1 VwGO) sowie gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

16

2.1 Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut zunächst, dass diejenigen Richter, die über einen Rechtsstreit entscheiden, regelmäßig auch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung durchführen, um ihre Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme stützen zu können (formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Nach ihrem Sinn lassen sich ihr indes auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme).

17

§ 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel wie die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls ausreicht oder ob das unmittelbare Beweismittel (erneute oder erstmalige gerichtliche Vernehmung des Zeugen) zu nutzen ist.

18

Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. Urteile vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1, vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4 und vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 A 5.09 - juris; Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - § 55 bdg nr. 2> und vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - § 17 bdg nr. 1>).

19

Es ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, eine in erster Instanz durchgeführte Zeugenvernehmung in zweiter Instanz zu wiederholen; wenn allerdings das Oberverwaltungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als die Vorinstanz, bedarf es in aller Regel einer erneuten Einvernahme des Zeugen (Beschlüsse vom 10. September 1979 - BVerwG 3 CB 117.79 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 38, vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235, vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 17. November 2008 - BVerwG 3 B 4.08 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 58). Ebenso wenig ist es stets ausgeschlossen, Protokolle behördlicher Vernehmungen als Urkundsbeweis zu verwenden; dabei müssen allerdings die Grenzen dieses Beweismittels berücksichtigt werden. Denn die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren ist nicht in gleicher Weise mit rechtlichen Garantien ausgestattet wie eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren. Auch steht auf Grund einer Verwendung von Vernehmungsprotokollen als Urkundsbeweis nur fest, dass der Zeuge die protokollierte Aussage gemacht hat, nicht aber, ob sie inhaltlich richtig ist; dies ist vielmehr eine Frage der Beweiswürdigung (Beschluss vom 15. Februar 1984 - BVerwG 9 CB 149.83 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 30). Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörsperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259). Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder - erst recht - zur Glaubwürdigkeit der außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage und sind häufig - so auch im vorliegenden Fall - kaum begründbar (Urteil vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 13.09 - DVBl 2011, 366).

20

Demgegenüber verbietet § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedoch eine Entscheidung des Gerichts allein auf Grund des Inhalts von Vernehmungsprotokollen, wenn einem Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnet war, an den Vernehmungen teilzunehmen und Fragen zu stellen, und wenn dieser Beteiligte begründet die Vernehmung der - erreichbaren - Zeugen verlangt. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ohne allseitiges Einverständnis tatsächliche Feststellungen ohne erneute Prüfung durch das Gericht auf eine bloße schriftliche Wiedergabe der Erklärungen von Personen gestützt werden, die als Zeugen hätten vernommen werden können (Urteile vom 25. Mai 1960 - BVerwG 8 C 110.59 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 1 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 21; Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 - BVerwG 1 B 103.98 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42 und vom 25. August 2008 - BVerwG 2 B 18.08 - juris; ebenso für das Disziplinarverfahren Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4). Denn durch die Verwendung von Beweismitteln, die in anderen Verfahren entstanden sind, im anhängigen Gerichtsverfahren dürfen die Beteiligten keine Rechte verlieren, die ihnen zustehen würden, wenn die Beweismittel gerade in ihrem Prozess eingeholt worden wären (Beschluss vom 18. Juli 1997 - BVerwG 5 B 156.96 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 281). In einem solchen Fall kann ein Vorrang des unmittelbaren Beweismittels vor dem mittelbaren bestehen.

21

Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die regelmäßig geringere Zuverlässigkeit mittelbarer im Vergleich zu unmittelbaren Beweismitteln im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250 <277>, Nichtannahmebeschluss vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 - NJW 2001, 2245). Dies vermag jedoch einen Verzicht auf die Einvernahme von Zeugen anstelle einer urkundlichen Verwertung der Vernehmungsprotokolle in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht zu rechtfertigen. Denn eine Beweiswürdigung kann insbesondere die vorherige Missachtung des Rechts auf Beweisteilhabe nicht ausgleichen und hilft auch nicht über das Fehlen einer hinreichenden Grundlage für Aussagen über die Glaubwürdigkeit der Zeugen hinweg, da diese auf der persönlichen Einschätzung der Richter beruhen müssen.

22

Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall einer weiteren Beweisaufnahme zumindest durch Einvernahme der Belastungszeugen, ggf. auch der Verhörspersonen oder weiterer Zeugen, die über die Teilnahme des Klägers an dem ihm vorgehaltenen Geschehen Auskunft hätten geben können. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren einer Verwendung der Vernehmungsprotokolle ausdrücklich widersprochen. Dabei hat er geltend gemacht, ihm müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, der Vernehmung seiner Kameraden beiwohnen zu dürfen, um ggf. von seinem Fragerecht Gebrauch machen zu können; dies war im behördlichen Verfahren schon deshalb unterblieben, weil es sich um Vernehmungen der Kameraden als Beschuldigte im Disziplinar- bzw. polizeilichen Ermittlungsverfahren gehandelt hatte. Der Kläger hatte deshalb keine Möglichkeit, das Zustandekommen der im Gerichtsverfahren als maßgeblich eingestuften Vernehmungsprotokolle zu beeinflussen oder in Frage zu stellen. Seine Erklärung hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht protokolliert worden. Sie stellt zwar keinen Beweisantrag dar, obwohl die Formulierung eines Beweisantrages in der gegebenen prozessualen Situation ohne weiteres möglich gewesen wäre. Doch war ein förmlicher Beweisantrag nicht erforderlich, weil der Widerspruch gegen die Verwendung der Protokolle der behördlichen Vernehmungen unmissverständlich war und die vom Kläger gewünschten Beweismittel hinreichend deutlich aufgezeigt hat. Der Umstand, dass der Kläger in erster Instanz auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte, ändert hieran nichts, weil aus diesem Verhalten mangels entsprechender Rechtsgrundlage keine für den Kläger nachteilige Folgen gezogen werden durften; er hat auf seine prozessualen Rechte in der Berufungsinstanz weder verzichtet noch hat er sie verwirkt.

23

2.2 Das Oberverwaltungsgericht hat durch die Beschränkung auf die Protokolle der behördlichen Vernehmungen anstelle einer (erstmaligen) gerichtlichen Vernehmung der Zeugen auch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen.

24

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Während § 96 Abs. 1 VwGO das gerichtliche Ermessen bei der Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln sowie bei der Art und Weise der Beweisaufnahme einschränkt, regelt § 86 Abs. 1 VwGO die Erforderlichkeit und die gebotene Intensität der Beweisaufnahme. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34).

25

Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Beschluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 119.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5; Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4; vgl. auch Urteil vom 10. Juni 1955 - BVerwG 4 C 55.54 - Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 4 und zur Kritik der neueren Rechtsprechung Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 86 Rn. 15). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag dann auf, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss (Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 21; Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris), wenn also die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen. Hiervon unabhängig gebietet auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), dass das zur Amtsaufklärung verpflichtete Gericht sich nicht mit den von einem Beteiligten angebotenen Behauptungen oder Beweisen begnügt, sondern seine Entscheidung auf vollständiger und richtiger Tatsachengrundlage trifft.

26

Nach diesen Grundsätzen musste sich die Notwendigkeit einer Zeugenvernehmung anstelle der bloßen Verwendung der Vernehmungsprotokolle dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen. Zwar lagen Vernehmungsprotokolle vor, die den Kläger belasten, ohne dass Gründe erkennbar wären, die die vernommenen Kameraden zu einem abgestimmten Handeln gegen den Kläger hätten motivieren können. Auf der anderen Seite hat der Kläger die Aussagen der Zeugen in einer schriftlichen Stellungnahme als falsch gerügt und kann mehrere negative Drogenscreenings aufweisen. Auch ein im unmittelbaren Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen durchgeführtes Drogenscreening war - anders als bei mehreren der Belastungszeugen - negativ. Dies musste ungeachtet der eingeschränkten Aussagekraft dieser Untersuchungen, im Zusammenhang mit seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen, zumindest Zweifel an der Richtigkeit des zu seinen Lasten angenommenen Sachverhalts wecken. Die Vernehmung des sechsten Zeugen wirft weitere Zweifel auf, die ebenfalls nur durch eine auf dem unmittelbaren Eindruck von dem Zeugen beruhende eigene Einschätzung des Tatsachengerichts von seiner Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner unterschiedlich akzentuierten Aussagen in zwei Vernehmungsterminen zu überwinden waren.

27

3. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, hierfür nicht ausreichen. Es bedarf der Klärung, ob der Kläger im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hat. Sollte es für diese Frage auf die als Beweismittel in das Verfahren eingebrachte Filmsequenz ankommen - das Oberverwaltungsgericht hat diese von seinem Rechtsstandpunkt aus für unerheblich gehalten -, wären auch Zeit und Umstände ihrer Entstehung sowie ihr Inhalt durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen zu ermitteln.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

Tatbestand

1

Der 1983 geborene Kläger wehrt sich gegen seine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis. Er leistete ab April 2002 Grundwehrdienst und verpflichtete sich in der Folge als Zeitsoldat auf vier Jahre bis zum 31. März 2006.

2

Im März 2006 wurden Vorwürfe bekannt, wonach mehrere Soldaten, unter ihnen der Kläger, im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2005 außerhalb des Dienstes, aber in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hätten. Zur Klärung der Vorwürfe wurden sechs Kameraden des Klägers durch einen vorgesetzten Offizier vernommen. Fünf von ihnen belasteten den Kläger, während der sechste Soldat aussagte, der Kläger habe während des Konsums "meist" die Stube verlassen. In einer weiteren Vernehmung präzisierte dieser Zeuge auf Nachfrage, er könne nicht ausschließen, dass der Kläger bei anderen Gelegenheiten Betäubungsmittel konsumiert habe. Im Rahmen der ebenfalls eingeleiteten Strafverfahren bestätigten die Soldaten im Wesentlichen ihre früheren Angaben. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Disziplinarische Maßnahmen wurden bei denjenigen Soldaten, die wegen des Betäubungsmittelkonsums entlassen wurden, nicht ergriffen. Der Kläger selbst verweigerte bei Vernehmungen die Aussage und wies die Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme als unzutreffend zurück. Das bei ihm durchgeführte Drogenscreening fiel negativ aus.

3

Durch Bescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 wurde der Kläger nach Anhörung der Vertrauensperson der Soldaten, gestützt auf § 55 Abs. 5 SG, fristlos aus dem Soldatenverhältnis entlassen. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies seine Klage ab, nachdem die Beteiligten einvernehmlich auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung durch Urteil vom 23. Juli 2009 ohne vorherige Zeugenvernehmung zurückgewiesen. Die Entlassungsvoraussetzungen lägen vor. Nach dem Inhalt der Akten, insbesondere der Protokolle über die Vernehmungen der Kameraden des Klägers als Beweisurkunden, stehe fest, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zuträfen. Auch der einmalige Betäubungsmittelkonsum erfülle den Tatbestand des § 55 Abs. 5 SG. Vorsatz sei gegeben. Der Kläger habe durch sein Verhalten die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei, weil ein atypischer Fall nicht vorliege; eine Entlassung unmittelbar vor Ablauf der regulären Dienstzeit sei nicht zu beanstanden. Rechtliche Hindernisse stünden der Verwertung der polizeilichen und behördlichen Vernehmungsprotokolle nicht entgegen. § 96 VwGO gebiete lediglich die formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, nicht aber einen Vorrang unmittelbarer vor mittelbaren Beweismitteln. Ein solcher Vorrang könne im Einzelfall allenfalls aus § 86 VwGO folgen. Die tendenziell geringere Zuverlässigkeit mittelbarer Beweismittel könne bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall habe es einer Zeugenvernehmung nicht bedurft. Beweisanträge seien nicht gestellt worden; eine Beweiserhebung habe sich nicht aufgedrängt, da die Glaubhaftigkeit der protokollierten Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen unzweifelhaft seien. Die negativen Ergebnisse der beim Kläger durchgeführten Drogenscreenings seien nicht geeignet, die belastenden Zeugenaussagen zu erschüttern, da sie für das vierte Quartal des Jahres 2005 irrelevant seien.

5

Der Kläger begründet seine Revision mit einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflichten durch das Berufungsgericht und beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2007 sowie den Entlassungsbescheid des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos II vom 29. März 2006 und den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 5. Mai 2006 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil leidet an Verfahrensmängeln, nämlich an Verstößen gegen § 96 Abs. 1 und § 86 Abs. 1 VwGO. Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, nicht aus, dem Senat eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen.

9

1. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl I S. 1482) auch nach einmaligem Betäubungsmittelkonsum und unmittelbar vor dem regulären Ende der Dienstzeit in Betracht kommen kann.

10

Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre ohne vorherige Durchführung eines Disziplinarverfahrens fristlos entlassen werden, wenn er Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die fristlose Entlassung nach dieser Vorschrift ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten (Beschluss vom 16. August 2010 - BVerwG 2 B 33.10 - NVwZ-RR 2010, 896 = juris Rn. 6 ff.). Sie stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten auf Grund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (Urteile vom 9. Juni 1971 - BVerwG 8 C 180.67 - BVerwGE 38, 178 <180 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 5 S. 2 f., vom 31. Januar 1980 - BVerwG 2 C 16.78 - BVerwGE 59, 361 <362 f.> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 8 S. 5 f. und vom 24. September 1992 - BVerwG 2 C 17.91 - BVerwGE 91, 62 <63 f.> = Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13 S. 2 f.).

11

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (Urteile vom 9. Juni 1971 a.a.O., vom 31. Januar 1980 a.a.O., vom 20. Juni 1983 - BVerwG 6 C 2.81 - Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 11 S. 13 f. und vom 24. September 1992 a.a.O.).

12

Eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis kommt auch unmittelbar vor dem Ende der Dienstzeit noch in Betracht, ohne an dem Verbot unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe zu scheitern; dies kann allenfalls in atypischen Fallkonstellationen anders sein. Denn bei Dienstpflichtverletzungen, von denen eine negative Vorbildwirkung ausgeht, entfällt diese nicht durch das Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst, sondern kann nur durch eine disziplinarische oder anderweitige Reaktion des Dienstherrn beseitigt werden.

13

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. Urteile vom 9. Juni 1971, vom 31. Januar 1980, vom 20. Juni 1983 und vom 24. September 1992, jeweils a.a.O.).

14

Der Konsum von Betäubungsmitteln in der Kaserne stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Dienstpflichtverletzung dar (Urteile vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3, vom 24. September 1992 a.a.O. und vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148). Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich, weil es unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Regelmäßig liegt darin auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 SG), wenn der Soldat - wie der Kläger - über das Verbot des unbefugten Besitzes und des Konsums von Betäubungsmitteln in militärischen Anlagen belehrt worden ist. Das Verbleiben eines Soldaten im Dienst, der in militärischen Unterkünften Betäubungsmittel konsumiert hat, stellt deshalb in der Regel eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung dar; es hätte negative Vorbildwirkung, die es der Bundeswehr erschweren würde, ihren Verteidigungsauftrag zu erfüllen.

15

2. Das Oberverwaltungsgericht hat sich jedoch seine Überzeugung, dass der Kläger an dem Betäubungsmittelkonsum seiner Kameraden im letzten Quartal des Jahres 2005 beteiligt war, in verfahrensfehlerhafter Weise gebildet. Es hat seiner Urteilsfindung im Wesentlichen lediglich die Protokolle der außergerichtlichen Vernehmungen von Kameraden des Klägers zu Grunde gelegt, obwohl eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung zumindest dieser Kameraden als Zeugen erforderlich gewesen wäre. Damit hat es gegen den Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 96 Abs. 1 VwGO) sowie gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

16

2.1 Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. Sie erfordert nach ihrem Wortlaut zunächst, dass diejenigen Richter, die über einen Rechtsstreit entscheiden, regelmäßig auch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung durchführen, um ihre Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme stützen zu können (formelle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Nach ihrem Sinn lassen sich ihr indes auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme).

17

§ 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach der Rechtsprechung nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel wie die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls ausreicht oder ob das unmittelbare Beweismittel (erneute oder erstmalige gerichtliche Vernehmung des Zeugen) zu nutzen ist.

18

Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. Urteile vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1, vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4 und vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 A 5.09 - juris; Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - § 55 bdg nr. 2> und vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - § 17 bdg nr. 1>).

19

Es ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, eine in erster Instanz durchgeführte Zeugenvernehmung in zweiter Instanz zu wiederholen; wenn allerdings das Oberverwaltungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als die Vorinstanz, bedarf es in aller Regel einer erneuten Einvernahme des Zeugen (Beschlüsse vom 10. September 1979 - BVerwG 3 CB 117.79 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 38, vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235, vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 17. November 2008 - BVerwG 3 B 4.08 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 58). Ebenso wenig ist es stets ausgeschlossen, Protokolle behördlicher Vernehmungen als Urkundsbeweis zu verwenden; dabei müssen allerdings die Grenzen dieses Beweismittels berücksichtigt werden. Denn die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren ist nicht in gleicher Weise mit rechtlichen Garantien ausgestattet wie eine Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren. Auch steht auf Grund einer Verwendung von Vernehmungsprotokollen als Urkundsbeweis nur fest, dass der Zeuge die protokollierte Aussage gemacht hat, nicht aber, ob sie inhaltlich richtig ist; dies ist vielmehr eine Frage der Beweiswürdigung (Beschluss vom 15. Februar 1984 - BVerwG 9 CB 149.83 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 30). Denn Grundlage der Wahrheitsfindung ist in einem solchen Fall nur die Urkunde und nicht der Eindruck der behördlichen Verhörsperson von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen; das Gericht darf sich von der Beweiswürdigung der Behörde nicht leiten lassen (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259). Aussagen zur Glaubhaftigkeit der Aussage oder - erst recht - zur Glaubwürdigkeit der außergerichtlich vernommenen Zeugen bedürfen daher einer zusätzlichen Grundlage und sind häufig - so auch im vorliegenden Fall - kaum begründbar (Urteil vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 13.09 - DVBl 2011, 366).

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Demgegenüber verbietet § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedoch eine Entscheidung des Gerichts allein auf Grund des Inhalts von Vernehmungsprotokollen, wenn einem Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnet war, an den Vernehmungen teilzunehmen und Fragen zu stellen, und wenn dieser Beteiligte begründet die Vernehmung der - erreichbaren - Zeugen verlangt. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn ohne allseitiges Einverständnis tatsächliche Feststellungen ohne erneute Prüfung durch das Gericht auf eine bloße schriftliche Wiedergabe der Erklärungen von Personen gestützt werden, die als Zeugen hätten vernommen werden können (Urteile vom 25. Mai 1960 - BVerwG 8 C 110.59 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 1 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 21; Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 - BVerwG 1 B 103.98 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42 und vom 25. August 2008 - BVerwG 2 B 18.08 - juris; ebenso für das Disziplinarverfahren Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4). Denn durch die Verwendung von Beweismitteln, die in anderen Verfahren entstanden sind, im anhängigen Gerichtsverfahren dürfen die Beteiligten keine Rechte verlieren, die ihnen zustehen würden, wenn die Beweismittel gerade in ihrem Prozess eingeholt worden wären (Beschluss vom 18. Juli 1997 - BVerwG 5 B 156.96 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 281). In einem solchen Fall kann ein Vorrang des unmittelbaren Beweismittels vor dem mittelbaren bestehen.

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Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die regelmäßig geringere Zuverlässigkeit mittelbarer im Vergleich zu unmittelbaren Beweismitteln im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250 <277>, Nichtannahmebeschluss vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 - NJW 2001, 2245). Dies vermag jedoch einen Verzicht auf die Einvernahme von Zeugen anstelle einer urkundlichen Verwertung der Vernehmungsprotokolle in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht zu rechtfertigen. Denn eine Beweiswürdigung kann insbesondere die vorherige Missachtung des Rechts auf Beweisteilhabe nicht ausgleichen und hilft auch nicht über das Fehlen einer hinreichenden Grundlage für Aussagen über die Glaubwürdigkeit der Zeugen hinweg, da diese auf der persönlichen Einschätzung der Richter beruhen müssen.

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Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall einer weiteren Beweisaufnahme zumindest durch Einvernahme der Belastungszeugen, ggf. auch der Verhörspersonen oder weiterer Zeugen, die über die Teilnahme des Klägers an dem ihm vorgehaltenen Geschehen Auskunft hätten geben können. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren einer Verwendung der Vernehmungsprotokolle ausdrücklich widersprochen. Dabei hat er geltend gemacht, ihm müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, der Vernehmung seiner Kameraden beiwohnen zu dürfen, um ggf. von seinem Fragerecht Gebrauch machen zu können; dies war im behördlichen Verfahren schon deshalb unterblieben, weil es sich um Vernehmungen der Kameraden als Beschuldigte im Disziplinar- bzw. polizeilichen Ermittlungsverfahren gehandelt hatte. Der Kläger hatte deshalb keine Möglichkeit, das Zustandekommen der im Gerichtsverfahren als maßgeblich eingestuften Vernehmungsprotokolle zu beeinflussen oder in Frage zu stellen. Seine Erklärung hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht protokolliert worden. Sie stellt zwar keinen Beweisantrag dar, obwohl die Formulierung eines Beweisantrages in der gegebenen prozessualen Situation ohne weiteres möglich gewesen wäre. Doch war ein förmlicher Beweisantrag nicht erforderlich, weil der Widerspruch gegen die Verwendung der Protokolle der behördlichen Vernehmungen unmissverständlich war und die vom Kläger gewünschten Beweismittel hinreichend deutlich aufgezeigt hat. Der Umstand, dass der Kläger in erster Instanz auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte, ändert hieran nichts, weil aus diesem Verhalten mangels entsprechender Rechtsgrundlage keine für den Kläger nachteilige Folgen gezogen werden durften; er hat auf seine prozessualen Rechte in der Berufungsinstanz weder verzichtet noch hat er sie verwirkt.

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2.2 Das Oberverwaltungsgericht hat durch die Beschränkung auf die Protokolle der behördlichen Vernehmungen anstelle einer (erstmaligen) gerichtlichen Vernehmung der Zeugen auch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen.

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Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Während § 96 Abs. 1 VwGO das gerichtliche Ermessen bei der Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln sowie bei der Art und Weise der Beweisaufnahme einschränkt, regelt § 86 Abs. 1 VwGO die Erforderlichkeit und die gebotene Intensität der Beweisaufnahme. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34).

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Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Beschluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 119.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5; Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4; vgl. auch Urteil vom 10. Juni 1955 - BVerwG 4 C 55.54 - Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 4 und zur Kritik der neueren Rechtsprechung Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 86 Rn. 15). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag dann auf, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss (Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 21; Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris), wenn also die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen. Hiervon unabhängig gebietet auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), dass das zur Amtsaufklärung verpflichtete Gericht sich nicht mit den von einem Beteiligten angebotenen Behauptungen oder Beweisen begnügt, sondern seine Entscheidung auf vollständiger und richtiger Tatsachengrundlage trifft.

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Nach diesen Grundsätzen musste sich die Notwendigkeit einer Zeugenvernehmung anstelle der bloßen Verwendung der Vernehmungsprotokolle dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen. Zwar lagen Vernehmungsprotokolle vor, die den Kläger belasten, ohne dass Gründe erkennbar wären, die die vernommenen Kameraden zu einem abgestimmten Handeln gegen den Kläger hätten motivieren können. Auf der anderen Seite hat der Kläger die Aussagen der Zeugen in einer schriftlichen Stellungnahme als falsch gerügt und kann mehrere negative Drogenscreenings aufweisen. Auch ein im unmittelbaren Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen durchgeführtes Drogenscreening war - anders als bei mehreren der Belastungszeugen - negativ. Dies musste ungeachtet der eingeschränkten Aussagekraft dieser Untersuchungen, im Zusammenhang mit seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen, zumindest Zweifel an der Richtigkeit des zu seinen Lasten angenommenen Sachverhalts wecken. Die Vernehmung des sechsten Zeugen wirft weitere Zweifel auf, die ebenfalls nur durch eine auf dem unmittelbaren Eindruck von dem Zeugen beruhende eigene Einschätzung des Tatsachengerichts von seiner Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner unterschiedlich akzentuierten Aussagen in zwei Vernehmungsterminen zu überwinden waren.

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3. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts, soweit sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, hierfür nicht ausreichen. Es bedarf der Klärung, ob der Kläger im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 in der Kaserne Betäubungsmittel konsumiert hat. Sollte es für diese Frage auf die als Beweismittel in das Verfahren eingebrachte Filmsequenz ankommen - das Oberverwaltungsgericht hat diese von seinem Rechtsstandpunkt aus für unerheblich gehalten -, wären auch Zeit und Umstände ihrer Entstehung sowie ihr Inhalt durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen zu ermitteln.

Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können durch Landesrecht Ausnahmen bestimmt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.