EU-Insolvenz: Neben dem COMI in einem Mitgliedstaat ist kein weiterer Bezug zur EU notwendig für die Insolvenzeröffnung

bei uns veröffentlicht am03.11.2014

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Damit ist und bleibt der COMI weiterhin maßgebliches Kriterium für die Zuständigkeitsbegründung innerhalb der EuInsVO
Der BGH entschied in seinem Beschluss vom 03.06.2014 (Az. II ZR 34/13), dass die Zuständigkeit nach Art.3 I EuInsVO neben einem Interessenmittelpunkt in einem Mitgliedsstaat keinen weiteren Bezug zu einem Mitgliedsstaat verlangt.

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Januar 2013 gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 331.941,47 € festgesetzt.

Gründe

Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.


I. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in entscheidungserheblicher Weise.

1. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH mit Sitz in Lübeck gegen die ehemalige, in der Schweiz lebende Geschäftsführerin der GmbH geltend gemachten Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG und § 43 Abs. 3 GmbHG die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (LuganoÜbereinkommen, LugÜ) begründen oder nach Art. 5 Nr. 1 a LugÜ, wie das Landgericht in dem vom Berufungsgericht bestätigten Zwischenurteil ausgesprochen hat, oder ob die Anwendung des Lugano-Übereinkommens auf die genannten Ansprüche nach Art. 1 Abs. 2 b LugÜ ausgeschlossen ist, weil der Kläger mit seiner Klage den gleichen Zweck verfolge wie mit einer Insolvenzanfechtungsklage, wie die Revision meint. Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 ist klargestellt, dass auch in diesem Fall das Landgericht Lübeck für die Klage international zuständig wäre, so dass die Urteile der Vorinstanzen jedenfalls im Ergebnis richtig sind und die dargestellte Streitfrage sich nicht (mehr) als entscheidungserheblich und damit klärungsfähig erweist.

2. Geht man entgegen der Ansicht der Vorinstanzen mit der Revision davon aus, dass es sich vorliegend um eine Konkurs- bzw. Insolvenzsache handelt, so dass das Lugano-Übereinkommen nach Art. 1 Abs. 2 b LugÜ nicht anwendbar wäre, ergibt sich dennoch eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Für die Anwendbarkeit der Verordnung genügt es entgegen der Ansicht der Revision, dass die Insolvenzschuldnerin ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat. Nicht erforderlich ist ein Binnenbezug in dem Sinn, dass sich eine Klage gegen eine Partei richtet, die ihren Wohnort oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf eine Vorlage des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 16. Januar 2014 für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen Wohnsitz ebenfalls in der Schweiz hatte, entschieden, dass das angerufene deutsche Gericht nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständig ist. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verlange nicht, dass der zu entscheidende Sachverhalt Anknüpfungspunkte zu zwei oder mehreren Mitgliedstaaten aufweise, und auch der Sinn und Zweck der Verordnung, die Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung, und speziell das Ziel des Art. 3 EuInsVO, die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit und damit die Rechtssicherheit zu fördern, erfassten jeden grenzüberschreitenden Sachverhalt. Dass der Drittstaat, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe, eine Entscheidung des nach den oben genannten Grundsätzen zuständigen Gerichts mangels Bindungswirkung der Verordnung unter Umständen nicht anerkenne und vollstrecke, stehe nicht entgegen, da zumindest die anderen Mitgliedstaaten das Urteil anerkennen und vollstrecken könnten, insbesondere wenn sich ein Teil des Vermögens des Beklagten im Gebiet eines dieser Staaten befinde. Der Bundesgerichtshof ist dem mit Urteil vom 27. März 2014gefolgt.

Ordnet man die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG mit der Revision als Konkurs- bzw. Insolvenzsachen ein, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass für diese etwas anderes gelten könnte. Denn die Entscheidung des Gerichtshofs stützt sich nicht auf Besonderheiten der Insolvenzanfechtung, sondern legt Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für alle Verfahren aus, die unter den Begriff der Insolvenz nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO fallen.

b) Die gegebene internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte läuft auch nicht deshalb leer, weil es an einer örtlichen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts fehlen könnte. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck würde sich nicht aus der EuInsVO ergeben, da diese nur die internationale Zuständigkeit regelt. Es kann dahinstehen, ob sich aus der Zivilprozessordnung direkt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck ableiten lässt. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck aus einer analogen Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 19. Mai 2009 (IX ZR 39/06) aus den genannten Vorschriften eine örtliche Zuständigkeit deutscher Gerichte für Insolvenzanfechtungsklagen hergeleitet, wenn nach europäischem Recht für Anfechtungsklagen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist. Müssten Anfechtungsklagen trotz bestehender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen werden, würde das in europarechtswidriger Weise gegen Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verstoßen. Nimmt man mit der Revision an, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG ebenso wie eine Insolvenzanfechtungsklage als Konkurs- bzw. Insolvenzsache einzuordnen ist, führt dies vorliegend zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und in analoger Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck als am Ort des für das Verfahren zuständigen Insolvenzgerichts belegenen sachlich zuständigen Landgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2014 - IX ZR 2/12).

 

II. Da auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Revision das Landgericht Lübeck örtlich und international zuständig ist, hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg.

 


 

Gesetze

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

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Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Januar 2013 gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 331.941,47 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.

2

I. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in entscheidungserheblicher Weise.

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1. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH mit Sitz in Lübeck gegen die ehemalige, in der Schweiz lebende Geschäftsführerin der GmbH geltend gemachten Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG und § 43 Abs. 3 GmbHG die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) begründen oder nach Art. 5 Nr. 1 a LugÜ, wie das Landgericht in dem vom Berufungsgericht bestätigten Zwischenurteil ausgesprochen hat, oder ob die Anwendung des Lugano-Übereinkommens auf die genannten Ansprüche nach Art. 1 Abs. 2 b LugÜ ausgeschlossen ist, weil der Kläger mit seiner Klage den gleichen Zweck verfolge wie mit einer Insolvenzanfechtungsklage, wie die Revision meint. Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 (ZIP 2014, 181) ist klargestellt, dass auch in diesem Fall das Landgericht Lübeck für die Klage international zuständig wäre, so dass die Urteile der Vorinstanzen jedenfalls im Ergebnis richtig sind und die dargestellte Streitfrage sich nicht (mehr) als entscheidungserheblich und damit klärungsfähig erweist.

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2. Geht man entgegen der Ansicht der Vorinstanzen mit der Revision davon aus, dass es sich vorliegend um eine Konkurs- bzw. Insolvenzsache handelt, so dass das Lugano-Übereinkommen nach Art. 1 Abs. 2 b LugÜ nicht anwendbar wäre, ergibt sich dennoch eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Für die Anwendbarkeit der Verordnung genügt es entgegen der Ansicht der Revision, dass die Insolvenzschuldnerin ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat. Nicht erforderlich ist ein Binnenbezug in dem Sinn, dass sich eine Klage gegen eine Partei richtet, die ihren Wohnort oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

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a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf eine Vorlage des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21. Juni 2012 - IX ZR 2/12, ZIP 2012, 1467) mit Urteil vom 16. Januar 2014 (ZIP 2014, 181) für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen Wohnsitz ebenfalls in der Schweiz hatte, entschieden, dass das angerufene deutsche Gericht nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständig ist. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verlange nicht, dass der zu entscheidende Sachverhalt Anknüpfungspunkte zu zwei oder mehreren Mitgliedstaaten aufweise, und auch der Sinn und Zweck der Verordnung, die Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung, und speziell das Ziel des Art. 3 EuInsVO, die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit und damit die Rechtssicherheit zu fördern, erfassten jeden grenzüberschreitenden Sachverhalt (EuGH, ZIP 2014, 181 Rn. 25 ff.). Dass der Drittstaat, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe, eine Entscheidung des nach den oben genannten Grundsätzen zuständigen Gerichts mangels Bindungswirkung der Verordnung unter Umständen nicht anerkenne und vollstrecke, stehe nicht entgegen, da zumindest die anderen Mitgliedstaaten das Urteil anerkennen und vollstrecken könnten, insbesondere wenn sich ein Teil des Vermögens des Beklagten im Gebiet eines dieser Staaten befinde (EuGH, ZIP 2014, 181 Rn. 36 ff.). Der Bundesgerichtshof ist dem mit Urteil vom 27. März 2014 (IX ZR 2/12, juris Rn. 6 f.) gefolgt.

6

Ordnet man die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG mit der Revision als Konkurs- bzw. Insolvenzsachen ein, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass für diese etwas anderes gelten könnte. Denn die Entscheidung des Gerichtshofs stützt sich nicht auf Besonderheiten der Insolvenzanfechtung, sondern legt Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für alle Verfahren aus, die unter den Begriff der Insolvenz nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO fallen.

7

b) Die gegebene internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte läuft auch nicht deshalb leer, weil es an einer örtlichen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts fehlen könnte (vgl. zu der deshalb bestehenden ausnahmsweisen Prüfungskompetenz in der Revisionsinstanz: BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 129 f.). Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck würde sich nicht aus der EuInsVO ergeben, da diese nur die internationale Zuständigkeit regelt. Es kann dahinstehen, ob sich aus der Zivilprozessordnung direkt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck ableiten lässt. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck aus einer analogen Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO.

8

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 19. Mai 2009 (IX ZR 39/06, ZIP 2009, 1287 Rn. 11 ff.) aus den genannten Vorschriften eine örtliche Zuständigkeit deutscher Gerichte für Insolvenzanfechtungsklagen hergeleitet, wenn nach europäischem Recht für Anfechtungsklagen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist. Müssten Anfechtungsklagen trotz bestehender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen werden, würde das in europarechtswidriger Weise gegen Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verstoßen. Nimmt man mit der Revision an, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG ebenso wie eine Insolvenzanfechtungsklage als Konkurs- bzw. Insolvenzsache einzuordnen ist, führt dies vorliegend zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und in analoger Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck als am Ort des für das Verfahren zuständigen Insolvenzgerichts belegenen sachlich zuständigen Landgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2014 - IX ZR 2/12, juris Rn. 8).

9

II. Da auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Revision das Landgericht Lübeck örtlich und international zuständig ist, hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg.

Bergmann                     Caliebe                        Drescher

                     Born                       Sunder

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

Der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt.

(1) Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.

(2) Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes in Anspruch genommen, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war.

(3) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

Der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt.

(1) Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.

(2) Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes in Anspruch genommen, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war.

(3) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Versäumnisurteil
IX ZR 2/12
Verkündet am:
27. März 2014
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EUInsVO Art. 3 Abs. 1
Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet
worden ist, sind auch dann für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner
zuständig, wenn dieser seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates
hat.
BGH, Versäumnisurteil vom 27. März 2014 - IX ZR 2/12 - OLG Hamm
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin
Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Mai 2011 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 28. Oktober 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 4. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der in Deutschland wohnhaften A. Z. (fortan: Schuldnerin). Die Beklagte, die Stiefmutter der Schuldnerin, ist Schweizer Staatsangehörige und lebt in der Schweiz. Der Kläger nimmt sie im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr eines Betrages von 8.015,08 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen wegen fehlender interna- tionaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch weiter. Der Senat hat gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Frage eingeholt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig ist, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 - IX ZR 2/12, WM 2012, 1449).

Entscheidungsgründe:


2
Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
3
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.


4
Das Berufungsgericht hat die Klage wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für unzulässig gehalten. Art. 3 EuInsVO sei nicht einschlägig, weil der Wohnsitz der Beklagten nicht in einem Mitgliedstaat liege; es fehle ein hinreichender Bezug zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

II.


5
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
6
1. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats , in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Eine Insolvenzanfechtungsklage gehört zu denjenigen Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und mit ihm in einem engen Zusammenhang stehen; sie fällt deshalb als Annexverfahren ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - Rs C-339/07, NZI 2009, 199; BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 39/06, NZI 2009, 532 Rn. 6 f; Beschluss vom 21. Juni 2012 - IX ZR 2/12, WM 2012, 1449 Rn. 3). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
7
2. Die Beklagte wohnt nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat, nämlich in der Schweiz. Gleichwohl sind die deutschen Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage gegen sie zuständig. Auf die Vorlage des Senats gemäß Beschluss vom 21. Juni 2012 (aaO) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 16. Januar 2014 (Rs C-328/12, NZI 2014, 134) entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates hat. An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden.
8
3. Örtlich zuständig ist entsprechend § 19a ZPO, § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO das Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 21 ff). Die Überlegungen, welche der Senat hinsichtlich der gegen einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Anfechtungsgegner erhobenen Anfechtungsklage angestellt hat, gelten im Fall eines in einem Drittstaat ansässigen Anfechtungsgegners in gleicher Weise. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71 GVG.

III.


9
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Münster zurück- verwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben.
Kayser Lohmann Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.10.2010 - 2 O 736/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.05.2011 - I-27 U 145/10 -