ZPO: Zum Ruhen des Verfahrens bei Patentnichtigkeitsberufung

bei uns veröffentlicht am23.01.2015

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren ist das Ruhen des Verfahrens in aller Regel nicht anzuordnen, wenn nur der Beklagte und einer von mehreren Klägern dies beantragen.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 25.11.2014 (Az.: X ZR 29/14) folgendes entschieden:


Gründe:

Dem Antrag der Klägerin zu 2 und der Beklagten, wegen schwebender Vergleichsverhandlungen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, kann nicht entsprochen werden, weil es an der Zweckmäßigkeit einer solchen Anordnung fehlt.

Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung hat das Gericht zwischen der Dispositionsmaxime und der Prozessförderung abzuwägen. Bei einfacher Streitgenossenschaft ist das Ruhen des Verfahrens allein im Verhältnis zwischen einzelnen Streitgenossen zwar nicht ausgeschlossen, aber im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit nur selten zweckmäßig.

Das gilt auch im vorliegenden Verfahren über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Patentgerichts vom 19. November 2013, mit dem dieses das Streitpatent auf Antrag der Klägerinnen zu 1 und 2 für nichtig erklärt hat. Denn eine solche Anordnung hätte nur Wirkung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2. Im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 1 wäre das Verfahren weiter fortzusetzen. Danach wäre es möglich, dass der Senat über die Berufung der Beklagten zunächst im Verhältnis zur Klägerin zu 1 und später erneut im Verhältnis zur Klägerin zu 2 zu entscheiden hätte, wenn die Berufung im Verhältnis zur Klägerin zu 1 jedenfalls teilweise erfolgreich wäre und das Verfahren danach gemäß § 250 ZPO wieder aufgerufen würde. Würde das Verfahren hingegen bereits vor der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin zu 1 auch im Verhältnis zwischen der Klägerin zu 2 und der Beklagten wieder aufgerufen, bestünde jedenfalls die Gefahr, dass es zu Verfahrensverzögerungen kommt. Unter diesen Umständen muss die Dispositionsfreiheit der Beklagten und der Klägerin zu 2 hinter den Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit zurücktreten.

Aus den gleichen Gründen kommen auch eine Verfahrenstrennung nach § 145 ZPO und anschließende Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht in Betracht.

Gesetze

Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 145 Prozesstrennung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen. (2) Das Gl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 250 Form von Aufnahme und Anzeige


Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - X ZR 29/14

bei uns veröffentlicht am 25.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X Z R 2 9 / 1 4 vom 25. November 2014 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Ruhen des Verfahrens PatG §§ 110 ff.; ZPO § 251 Im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren ist

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Zivilprozessrecht

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X Z R 2 9 / 1 4
vom
25. November 2014
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ruhen des Verfahrens
Im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren ist das Ruhen des Verfahrens in aller
Regel nicht anzuordnen, wenn nur der Beklagte und einer von mehreren Klägern
dies beantragen.
BGH, Beschluss vom 25. November 2014 - X ZR 29/14 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin zu 2 und der Beklagten, wegen schwebender Vergleichsverhandlungen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen , wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Dem Antrag der Klägerin zu 2 und der Beklagten, wegen schwebender Vergleichsverhandlungen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, kann nicht entsprochen werden, weil es an der Zweckmäßigkeit einer solchen Anordnung fehlt (§ 99 Abs. 1 PatG, § 251 ZPO).
2
Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung hat das Gericht zwischen der Dispositionsmaxime und der Prozessförderung abzuwägen (Prütting/Gehrlein/ Anders, 6. Aufl., 2014, § 251 ZPO Rn. 3). Bei einfacher Streitgenossenschaft ist das Ruhen des Verfahrens allein im Verhältnis zwischen einzelnen Streitgenossen zwar nicht ausgeschlossen, aber im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit nur selten zweckmäßig (vgl. Stein/Jonas/Roth, 22. Aufl., 2004, § 251 ZPO Rn. 5; MünchKomm./Gehrlein, 4. Aufl., 2013, § 251 ZPO Rn. 8).
3
Das gilt auch im vorliegenden Verfahren über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Patentgerichts vom 19. November 2013, mit dem dieses das Streitpatent auf Antrag der Klägerinnen zu 1 und 2 für nichtig erklärt hat. Denn eine solche Anordnung hätte nur Wirkung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2. Im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 1 wäre das Verfahren weiter fortzusetzen. Danach wäre es möglich, dass der Senat über die Berufung der Beklagten zunächst im Verhältnis zur Klägerin zu 1 und später erneut im Verhältnis zur Klägerin zu 2 zu entscheiden hätte, wenn die Berufung im Verhältnis zur Klägerin zu 1 jedenfalls teilweise erfolgreich wäre und das Verfahren danach gemäß § 250 ZPO wieder aufgerufen würde. Würde das Verfahren hingegen bereits vor der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin zu 1 auch im Verhältnis zwischen der Klägerin zu 2 und der Beklagten wieder aufgerufen, bestünde jedenfalls die Gefahr, dass es zu Verfahrensverzögerungen kommt. Unter diesen Umständen muss die Dispositionsfreiheit der Beklagten und der Klägerin zu 2 hinter den Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit zurücktreten.
4
Aus den gleichen Gründen kommen auch eine Verfahrenstrennung nach § 145 ZPO und anschließende Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht in Betracht.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.11.2013 - 5 Ni 5/12 (EP) -

Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.