Amtsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss, 14. Aug. 2019 - 412 Cs 72/19

erstmalig veröffentlicht: 11.08.2023, letzte Fassung: 11.08.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Frankfurt (Oder)

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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AMTSGERICHT FRANKFURT (ODER)

IM NAMEN DES VOLKES

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wird abgelehnt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten.


 
Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeschuldigten mit dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls vom 19.03.2019 (Blatt 159) vor, im Zeitraum von Dezember 2016 bis zum 10.08.2017 in F. durch neun selbständige Handlungen in acht Fällen (Taten Nummern 1 bis 8) als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitsnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Entgelt gezahlt wurde, vorenthalten zu haben, und in einem Fall (Tat Nummer 9) es vorsätzlich als Geschäftsführer einer GmbH entgegen § 15a Abs. 1 InsO unterlassen zu haben, bei Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu beantragen; Vergehen strafbar nach § 266a Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB), § 15a Abs. 4 der Insolvenzordnung (InsO), § 53 StGB.

Im Einzelnen wird dem Angeschuldigten Folgendes zur Last gelegt: „Mit … Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 24.10.2016 wurden Sie mit Wirkung zum 26.10.2016 zum Geschäftsführer der Firma L. GmbH mit Sitz in … in F. bestellt. Die Gesellschaft war unter der Nummer HRB,,, bei dem Amtsgericht F. eingetragen.Als Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft waren Sie verpflichtet, für die bei der L. GmbH beschäftigten Arbeitnehmer die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung jeweils zum drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats an die Krankenkassen abzuführen. Trotz Kenntnis dieser Verpflichtung zahlten Sie für die nachfolgend genannten Arbeitnehmer die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht bei Fälligkeit, …“ Im Einzelnen handelt es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um folgende Fälle:

Nummern 1 bis 3 zum Nachteil der Barmer GEK: „Für die bei der BARMER versicherten Arbeitnehmer H,, K., R. und W. führten Sie die Arbeitnehmeranteile für April 2017 in Höhe von 611,97 Euro, für Juni 2017 in Höhe von 549,65 Euro und für Juli 2017 in Höhe von 237,46 Euro nicht bei Fälligkeit an die BARMER ab. Eine Stundung oder Ratenzahlung wurde nicht vereinbart. Insgesamt verkürzten Sie zum Nachteil der BARMER Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 1.399,08 Euro.“

Nummern 4 bis 8 zum Nachteil der IKK BB: „Für die bei der IKK BB versicherten Arbeitnehmer B. und W. führten Sie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht, wie folgt, ab:“ Nummer 4: Februar 2017, 188,62 €; Nummer 5: April 2017, 223,14 €; Nummer 6: Mai 2017, 119,01 €; Nummer 7, Juni 2017, 115,29 €; Nummer 8, Juli 2017, 115,29 €. „Eine Stundung oder Ratenzahlung wurde nicht vereinbart. Insgesamt verkürzten Sie zum Nachteil der IKK BB 761,34 Euro an Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung.“

Zum Vorwurf der Verletzung der Insolvenzverschleppung wird ausgeführt: „Als Geschäftsführer der L. GmbH waren Sie verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim Insolvenzgericht F. zu beantragen. Die L, GmbH befand sich spätestens am 22.01.2016 in einer schweren wirtschaftlichen Krise und war spätestens seit diesem Tag zahlungsunfähig. Nach Ihrer Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH zum 26.10.2016 hätten Sie spätestens zum 01.12.2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH bei dem Insolvenzgericht beantragen müssen. Im Januar 2016 konnte die GmbH eine fällige Verbindlichkeit des Finanzamts … über 1.014,62 Euro nicht bezahlen, so dass es am 22.01.2016 zu einer entsprechenden Kontopfändung kam. Die GmbH war auch in der Folgezeit nicht in der Lage, fällige Verbindlichkeiten des Hauptzollamts … über 108,98 Euro, der BKK VBU über 700,08 Euro und 712,60, des Finanzamts … über 231,02 Euro, 523,79 Euro und 327,79 Euro sowie der Jennifer Ehm über 306,54 Euro und 104,00 Euro zu bezahlen, so dass es jeweils zu weiteren Kontopfändungen kam. Obwohl Sie auch Kenntnis über die liquide Situation des Unternehmens hatten, stellten Sie nach Ihrer Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH am 26.10.2016 erst am 10.08.2017 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das selbige wurde durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 02.01.2018 eröffnet.“

Der Angeschuldigte hat sich nicht zur Sache geäußert.

II.

1. Der Erlass eines Strafbefehls ist nach Lage der Akten abzulehnen.

Es fehlt nach dem Inhalt des Antrages und dem Inhalt der Akten am hinreichenden Tatverdacht (vergleiche § 408 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung § 204 Abs. 1 der Strafprozessordnung - im Folgenden: StPO).

Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn entweder die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheint oder ein Zweifelsfall mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung vorliegt, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig sind (vergleiche etwa Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 29.09.2014, 1 Ws 124/14, zitiert nach juris).

An den vorstehend genannten Voraussetzungen fehlt es in vorliegender Sache sowohl hinsichtlich des Vorwurfs des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen als auch hinsichtlich des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung, weil eine Verurteilung des Angeschuldigten nach Lage der Akten weniger wahrscheinlich ist als eine Nichtverurteilung und eine etwaige Hauptverhandlung voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis führen wird. Der in Rede stehende Tatverdacht lässt sich aus tatsächlichen Gründen auf der Grundlage des aktuellen Inhalts der Akten und etwaiger weiterer Maßnahmen des Gerichts voraussichtlich nicht herleiten, ohne dass gegen ein Verbot über die Beweisverwendung verstoßen wird.

a) Der hinsichtlich der Nummern 1 bis 8 in Rede stehende Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB („Vorenthalten von Arbeitsentgelt“) lautet: Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ergänzend ist in Fällen der vorliegenden Art § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB heranzuziehen, wonach Folgendes gilt: Handelt jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen (hier: Arbeitgebereigenschaft der GmbH), auch auf den Vertreter (hier: Geschäftsführer) anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Hinzu kommt: In Fällen des Unterlassens der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entgegen der gesetzlichen Pflicht nach den einschlägigen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts wird allgemein für die Strafbarkeit vorausgesetzt, dass dem Täter dies möglich und zumutbar ist. Unter Berufung auf allgemeine Grundsätze für echte Unterlassungsdelikte ist die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber auch die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zur Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflicht (unter Einbeziehung von Gesichtspunkten der Zumutbarkeit) hatte. Unmöglichkeit aus rechtlichen Gründen tritt etwa mit dem Verlust der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers über seine Zahlungsmittel insbesondere im Insolvenzverfahren ein (vergleiche Möhrenschlager in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Auflage, 2012, § 266a, Randnummer 56, zitiert nach juris).

aa) Im Hinblick auf eine etwaige Beweisaufnahme ist in Fällen der vorliegenden Art Folgendes zu beachten: Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO darf eine Auskunft, die der Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren gemäß seiner Verpflichtung, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben, erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners, welche vorliegend nicht erteilt ist, verwendet werden. Ist der Schuldner, wie in vorliegender Sache, keine natürliche Person, sondern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, so gilt gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO die vorstehend zitierte Regelung entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, also auch für einen Geschäftsführer.

Im hier mit in den Blick zu nehmenden Insolvenzantrags- und -eröffnungsverfahren hat der Schuldner im Fall eines, wie vom Angeschuldigten als Geschäftsführer mit Schreiben vom 10.08.2018 (Blatt 9 der Ermittlungsakte), welcher beim Insolvenzgericht, Amtsgericht F., Aktenzeichen …, an diesem Tag eingegangen ist, gestellt, zulässigen Insolvenzantrages nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und nach § 20 Abs. 1 Satz 2 InsO gelten unter anderem die in Rede stehenden Regelungen betreffend die Strafverfolgung nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO entsprechend.

In entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 InsO sind die erläuterten Rechtsfolgen auch einschlägig, wenn der Schuldner die erforderlichen Auskünfte nicht erst auf Anfrage teilt, sondern die zur Entscheidung über den Antrag erforderlichen Angaben bereits im Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren enthalten sind (so auch Haarmeyer, Eigenverwaltung mit Selbstbelastungsanzeige und die insolvenzstraflichen Folgen, ZInsO 2016, 545).

Das Insolvenzverfahren wird nach § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Dem Antrag des Schuldners ist nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden unter anderem nach § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 InsO die Forderungen der Sozialversicherungsträger. Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben unter anderem nach Satz 4 ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind. Enthält ein Eigenantrag des Insolvenzschuldners nicht die von § 13 Abs. 1 Satz 3 bis 7 InsO vorgeschriebenen Pflichtangaben (hier: Fehlen des Gläubigerverzeichnisses sowie der höchstpersönlichen Erklärung der Vollständigkeit und Richtigkeit), ist er unzulässig (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2018, 25 T 46/18, zitiert nach juris).

Die Pflicht zur Vorlage eines Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses, das einen ordnungsgemäßen Ablauf des Insolvenzverfahrens gewährleisten soll, war in der Ursprungsfassung des § 13 nicht enthalten (vergleiche Pape in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 80. Lieferung 06.2019, § 13 InsO, Rn. 22, zitiert nach juris). Erheblich weitergehende Ergänzungen des § 13 hat das am 01.03.2013 in Kraft getretene ESUG mit sich gebracht. Das hiernach einzureichende Gläubigerverzeichnis ist von zentraler Bedeutung für die frühzeitige Einbindung der Gläubiger in das Verfahren. Schon vor dem 01.03.2013 hatte der Schuldner, der einen zulässigen Eröffnungsantrag gestellt hat, im Rahmen seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht (§ 20 InsO) dem Gericht die Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Prüfung des Insolvenzgrunds erforderlich sind. Dies wird mit der Gesetzesänderung im Hinblick auf ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer jeweiligen Forderungen schon bei der Antragstellung verpflichtend (vergleiche hierzu: Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, Bundesrat Drucksache 127/11 vom 04.03.11, Zu Nummer 2 (Änderung von § 13), Seite 30).

Die in Rede stehende Verpflichtung, unter anderem die Forderungen der Sozialversicherungsträger in einem Insolvenzantrag anzugeben und insbesondere dem Insolvenzgericht offenbaren zu müssen, ist nach den Maßstäben des Verfassungsrechts nicht zu beanstanden. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Rechtsposition des Schuldners findet ihre Grenze an den Rechten anderer. Das Grundrecht gebietet daher keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigungen ohne Rücksicht darauf, ob dadurch schutzwürdige Belange Dritter beeinträchtigt werden. Handelt es sich hingegen um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen, und die aktuelle Gesetzeslage ist insoweit verfassungskonform.

Das verfassungsrechtlich begründete Verbot der Selbstbelastung, welches in den nachfolgenden Ausführungen noch näher erläutert wird, gebietet es indessen, die dargestellten Fallkonstellationen, also die Angaben des Schuldners im Eröffnungsantrag und etwaige Auskünfte auf Anforderung des Insolvenzgerichts, jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art hinsichtlich der strafrechtlichen Konsequenzen gleich zu behandeln. In einem strafrechtlichen Verfahren steht dem Geschäftsführer des Schuldners aus verfassungsrechtlich relevanten Gründen ein Schweigerecht zu; die Verwertung erzwungener Aussagen ist unzulässig. Dieses Schweigerecht wäre illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwertet werden dürfte. Der bloße Umstand, dass dem Schuldner im Interesse seiner Gläubiger eine uneingeschränkte Auskunftspflicht zuzumuten ist, rechtfertigt es nicht, dass er zugleich zu seiner Verurteilung beitragen muss und dass die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weitergehende Möglichkeiten erlangen als in anderen Fällen der Strafverfolgung (vergleiche dazu BVerfG, Beschluss vom 13.01.1981, 1 BvR 116/77, zitiert nach juris Randnummer 27).

Für Geschäftsführer einer GmbH entsteht ein derartige Zwangslage, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder ein neues Delikt zu begehen, die die entsprechende Anwendung des § 20 InsO nach sich zieht: Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird nach § 15a Abs. 4 InsO bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 einen Eröffnungsantrag nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder nicht richtig stellt. In einer solchen Situation muss der Geschäftsführer einen vollständigen Insolvenzantrag stellen, um die Bestrafung wegen Insolvenzverschleppung zu vermeiden, und sich darin ggf. auch hinsichtlich des strafbaren Nichtentrichtens von Sozialversicherungsbeiträgen belasten, oder von einer Antragstellung absehen und die Bestrafung wegen Insolvenzverschleppung in Kauf nehmen. Er steht vor einer Alternative im Sinne der beschriebenen Rechtsprechung, so dass bei vollständigen Angaben Schutz vor Bestrafung in Anknüpfung an diese Angaben bestehen muss.

Die dargestellten Vorschriften normieren nicht nur ein Beweisverwertungsverbot, sondern ein umfassendes Verwendungsverbot. Mit diesem Verbot ist es möglicherweise bereits nicht vereinbar, dass die Angaben, die der Schuldner bzw. dessen Geschäftsführer im Insolvenzverfahren gemacht hat, ohne dessen Zustimmung an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, um Ermittlungen gegen diesen oder gegen seine Angehörigen zu führen, jedenfalls dürfen im Insolvenzverfahren erteilte Auskünfte nicht als Ausgangspunkt für strafrechtliche Ermittlungen dienen (vergleiche dazu Landgericht Potsdam, Beschluss vom 24.04.2007, 27 Ns 23/06, insbesondere Randnummer 10, zitiert nach juris). Dieses Verständnis der Vorschrift hat seinen Grund nicht nur deren Wortlaut, wonach nicht nur die Verwertung, sondern jede Verwendung der einschlägiger Angaben aus dem Insolvenzverfahren im Strafverfahren verboten ist, sondern auch im verfassungsrechtlich begründeten Verbot der Selbstbelastung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes), wonach die Regelung, wie bereits erläutert, als Ausgleich dafür besteht, dass im Insolvenzverfahren, wie sich aus den bereits dargestellten Vorschriften der Insolvenzordnung ergibt, Auskünfte erzwungen werden dürfen, zu denen ein Beschuldigter im Strafverfahren in Ausübung der strafprozessualen Schweigerechte nicht verpflichtet ist.

Hiervon ausgehend darf ein Strafbefehl gegen den Angeschuldigten nicht hinsichtlich der Nummern 1 bis 3 (betreffend die Barmer) des Antrages der Staatsanwaltschaft erlassen werden. Die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nach erfolgter Auswertung der Insolvenzakte, wie mit Vermerk vom 02.02.2018 (Blatt 4 der Akte) dokumentiert, wo auf Seite drei die Sozialversicherungsbeiträge, welche der Barmer geschuldet werden, mit der Quellangabe „Blatt 66 aus,,,, aufgeführt sind, hinsichtlich des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen mit Verfügung vom 16.02.2018 (Blatt 72 der Akte) veranlassten Ermittlungen gehen ausschließlich auf die erläuterten Angaben des Angeschuldigten zurück, was auch zur Unverwertbarkeit der hieraus im nachfolgenden Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere etwaiger weiterer Angaben im Insolvenzverfahren und der diesbezüglichen Auskünfte der Krankenkassen, führt.

bb) Das Verwendungsverbot ist in vorliegender Sache mit der erläuterten Rechtsfolge ferner einschlägig hinsichtlich des mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft nach den Nummern 4 bis 8 in Rede stehenden Vorwurfs betreffend die Innungskrankenkasse Berlin Brandenburg (IKK BB).

Anzusetzen ist diesbezüglich allerdings nicht bei den Angaben des Angeschuldigten im genannten Insolvenzantrag, sondern es geht um seine Angaben gegenüber der vom Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen, wie diesbezüglich ausweislich der Ausführungen im Gutachten für das Insolvenzgericht, dort Seite 15, dargestellt.

Die Auskunftspflicht des Schuldners besteht auch gegenüber einem vom Insolvenzgericht im Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen, da dieser seine Ermittlungen für das Gericht durchführt (vergleiche Voß in: Graf-Schlicker, Kommentar zur InsO, § 20 InsO, Randnummer 11, zitiert nach juris). Letzteres ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Insolvenzgericht, wie dies gerichtsbekannt in den einschlägigen Beschlüssen des Insolvenzgerichts geschieht, die Auskunftsperson wie folgt in die Pflicht nimmt: „Die Schuldnerin hat dem Sachverständigen Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und sie ihm auf Verlangen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens herauszugeben. Die Schuldnerin hat alle Auskünfte zu erteilen, die zur Aufklärung der schuldnerischen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sind einschließlich Vermögenswerten oder Rechten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland belegen sind.“

Mit dem zitierten Beschlussinhalt hat das Insolvenzgericht von seiner Befugnis nach § 4 InsO in Verbindung mit § 404a Abs. 4 der Zivilprozessordnung Gebrauch gemacht, wonach das Gericht bestimmt, in welchem Umfang der Sachverständige zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist, inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er ihnen die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat. Eine derartige Übertragung der Tatsachenfeststellung auf den Sachverständigen, wie mit dem zitierten Beschluss erfolgt, ist zulässig, jedenfalls aber als wirksam erfolgt hinzunehmen (vergleiche dazu Greger in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 404a ZPO, Randnummer 4, zitiert nach juris); die dargestellte Rechtsstellung des Schuldners zum Schutz vor Bestrafung wird hiervon nicht nachteilig berührt (Abgrenzung zu Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.08.2010, 1 Ss 45/10, Randnummer 12, zitiert nach juris).

Ungeachtet dessen ist eine Verurteilung des Angeschuldigten noch aus einem weiteren Grund unwahrscheinlich, soweit es um die IKK BB geht: Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen ist davon auszugehen, dass Beitragsschulden für die Zeit von Februar bis Juni 2017 (Vorgeworfene Taten Nummern 4 bis 7) nicht wegen verspäteter oder unterbliebener Zahlungen des Angeschuldigten, sondern deshalb entstanden sind, weil die am 02.01.2018 bestellte Insolvenzverwalterin erfolgte Zahlungen der Gesellschaft erfolgreich angefochten hat und es von daher im Insolvenzverfahren zu einer Auskehrung der Beiträge an die Insolvenzverwalterin gekommen ist. Insoweit findet sich der polizeilichen Auflistung Blatt 97 der Akte der Vermerk: „Auskehrung Insolvenzverwalter für den Zeitraum 24.02.2017-28.06.2017“. In der weiteren polizeilichen Unterlage Blatt 98 „Auflistung der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile“ wird für den hier interessierenden Zeitraum lediglich ein Betrag von 115,29 € betreffend den Monat Juli 2017 aufgeführt. Für den Monat Juli 2017 (Tatvorwurf Nummer 8) entfällt die Strafbarkeit voraussichtlich in Ansehung der zeitlichen Nähe zwischen Fälligkeit der Beiträge Ende Juli 2017 und der Insolvenzantragstellung am 10.08.2017. Insoweit ist die Nichtentrichtung der Beiträge im Interesse einer Massesicherung vertretbar mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar (§ 64 GmbHG) und eine Strafbarkeit daher wegen Unzumutbarkeit der Entrichtung nicht gegeben.

b) Der ebenfalls zu prüfende Straftatbestand der Insolvenzverschleppung lautet: Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird nach § 15a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 InsO bestraft, wer als Mitglied des Vertretungsorgans oder als Abwickler einer juristische Person, die zahlungsunfähig oder überschuldet wird, einen Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig, also ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, stellt.

aa) Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Im Übrigen gilt: Nicht Zahlungsunfähigkeit, sondern eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 Prozent erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 Prozent oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04, zitiert nach juris).

Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel festzustellen. Neben dieser betriebswirtschaftlichen Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit können indes auch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen wie Häufigkeit der Wechsel- und Scheckproteste, fruchtlose Pfändungen, Ableistung der eidesstattlichen Versicherung einen sicheren Schluss auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erlauben (BGH, Urteil vom 26.02.1987, 1 StR 5/87, zitiert nach juris Randnummern 12, 13).

Die Unterlagen in den Akten und auch ein Ausblick auf mögliche Erkenntnisse einer Hauptverhandlung begründen hiervon ausgehend nach jeder der erläuterten Methoden keinen hinreichenden Tatverdacht.

Eine nach insolvenzrechtlichen Kriterien zu erstellende stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel wird nach Lage der Akten und etwa in einer Hauptverhandlung zu erwartender Erkenntnisse nicht in der Weise erstellt werden können, dass damit eine Verurteilung bei bestehender Zahlungsunfähigkeit begründet werden könnte.

In dem Gutachten der Wirtschaftsreferentin vom 15.11.2018, das die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren eingeholt hat, heißt es, ausgehend von zutreffend ermittelten Anknüpfungstatsachen, auf Seite 6: „Für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit der L. GmbH lagen die Bilanzen 2014 bis 2016 vor (Anlage 1). Für 2015 und 2016 sind die Bilanzen derart verdichtet, dass der Betrag der Forderungen und der kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht abgelesen werden kann. Insofern fehlt die Berechnungs-grundlage für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit. Lediglich ist bekannt, dass die Sparkasse … dem Unternehmen eine Kreditlinie von 23.000,00 EUR einräumte (Bl. 120 d. A). Im Ergebnis kann nach der betriebswirtschaftlichen Methode Zahlungsunfähigkeit nicht ermittelt werden.“

Unter Zugrundelegung der wirtschaftskriminalistischen Methode fehlt es ebenfalls sowohl nach dem Inhalt der Antragsschrift als auch nach den Unterlagen in den Akten und mit Blick auf eine etwaige Hauptverhandlung am hinreichenden Tatverdacht. Ein Tatnachweis wird sich voraussichtlich nicht führen lassen, ohne dass gegen ein Verbot über die Beweisverwendung verstoßen wird.

Die eine etwaige Insolvenzverschleppung betreffenden Erkenntnisse gehen auf Angaben des Angeschuldigten im Insolvenzantrag und gegenüber der vom Insolvenzgericht bestellten Sachverständigen zurück, was nach Lage der Dinge ein Beweisverwendungsverbot betreffend die einschlägigen Umstände nach sich zieht, die nach der wirtschaftskriminalistischen Methode für einen Tatnachweis herangezogen werden können.

Die Wirtschaftsreferentin hat diesbezüglich in ihrem Gutachten, dort Seiten 7 und 8, insbesondere ausgeführt: „Für die L. GmbH ergab die Auswertung der vorliegenden Unterlagen insgesamt 70 Krisenwarnzeichen (Anlage 3). Neben fälligen Verbindlichkeiten und Mahnungen waren Kontenpfändungen und sonstige Beitreibungsmaßnahmen der Gläubiger zu verzeichnen. … Deutlich sichtbar beginnen die Zahlungsschwierigkeiten Mitte 2014. Sie sind zunächst nur vorrübergehend und es handelt sich um unbeglichene Verbindlichkeiten. Erst mit der ersten Kontopfändung am 22. Januar 2016 kann man die Unternehmenskrise als Zahlungsunfähigkeit wahrnehmen. Die Gläubiger treiben ihre fälligen Verbindlichkeiten ununterbrochen und ergebnislos bei. Im Ergebnis der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach der kriminalistischen Methode war die L. GmbH am 22. Januar 2016 zahlungsunfähig.“ Dem hat sich die Staatsanwaltschaft der Sache angeschlossen und, nach erfolgten Gläubigerbefragungen (vergleiche Sonderheft 1), die im bereits zitierten Antrag auf Erlass eines Strafbefehls benannten Forderungen als insolvenzbegründend angesehen.

Die dargestellten Ermittlungsergebnisse knüpfen an Umstände an, die der Angeschuldigte im Insolvenzantrag und wohl auch durch Auskünfte gegenüber der Sachverständigen im Insolvenzverfahren offenbart hat, was das in Rede stehende Verwendungsverbot nach sich zieht.

Der Angeschuldigte hat dem Insolvenzantrag, wie bereits erläutert, ein Gläubigerverzeichnis beigefügt und darin 25 Gläubiger benannt (vergleiche Blatt 14, 16 bis 19 der Akte), darunter auch das Finanzamt …, und ausweislich des Gutachtens der vom Insolvenzgericht bestellten Sachverständigen, dort Seite 3, dürfte auch eine Zuarbeit durch das Steuerbüro der Gesellschaft erfolgt sein, was einer Auskunft durch den Angeschuldigten gleichzustellen ist.

Hiernach bedarf es vorliegend keiner Erörterungen, ob nach dem Ergebnis der Ermittlungen ausgehend von der wirtschaftskriminalistischen Methode überhaupt von einer Zahlungsunfähigkeit seit 22.01.2016 ausgegangen werden kann oder dies nicht oder jedenfalls erst für einen späteren Zeit angenommen werden darf. Insoweit müsste in die nach dieser Methode gebotene Gesamtabwägung insbesondere auch eingestellt werden, dass die Gesellschaft über eine Kreditlinie verfügte und ihr im in den Blick zu nehmenden Zeitraum laufend größere Beträge zugeflossen sind, wie sich Kontounterlagen der Sparkasse … ergibt (vergleiche Sonderheft 2), etwa ein Betrag in Höhe von 9.163 € am 22.01.2016.

bb) Ferner ist eine Verurteilung unter Annahme des Insolvenzgrundes der Überschuldung unwahrscheinlich.

Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Um eine Überschuldung zu ermitteln, bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt.

Auch dieser Insolvenzgrund ist in vorliegendem Zusammenhang abzuhandeln, obwohl sich dazu im zitierten Antrag auf Erlass eines Strafbefehls keine Ausführungen finden. Das angerufene Gericht muss im Fall einer Hauptverhandlung und daher auch in diesem Beschluss im Rahmen seiner umfassenden Kognitionspflicht (§ 264 StPO) in Bezug auf den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO ebenfalls prüfen, ob gegebenenfalls der Insolvenzgrund der Überschuldung nach § 19 InsO anzunehmen ist, wenn dazu nach den (ggf. zu erwartenden) Feststellungen Anlass besteht (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 23.08.2017, 2 StR 456/16, zitiert juris), was hier vorsorglich angenommen wird.

Eine Hauptverhandlung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Verurteilung bei Annahme einer Überschuldung führen. Dass dem so ist, ergibt sich aus dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten der Wirtschaftsreferentin, wo es auf der Grundlage zutreffend ermittelter Anknüpfungstatsachen zur Überschuldungsprüfung auf Seite 11 heißt: „Ausgangspunkt der Überschuldungsprüfung ist die Bilanz per 31. Dezember 2015. Diese ist aber derart verdichtet, dass einzelne Bilanzpositionen nicht abgelesen werden können. U. a. ist als einziger Vermögensposten das Umlaufvermögen als Zusammenfassung für Forderungen, Guthaben auf dem Bankkonto und Barvermögen zusammengefasst. Die Überschuldungsbilanz soll aber gerade stille Reserven aufdecken. Dazu sind die vorhandenen Bilanzen nicht geeignet. Im Ergebnis kann eine Überschuldungsbilanz nicht aufgestellt und Überschuldung nicht ermittelt werden.“

Dem schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung an, so dass der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls insgesamt abzulehnen ist.

c) Dem Gericht ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) der hier zum Verwendungsverbot vertretenen Rechtsauffassung nicht folgt.

Zur Begründung ihrer Ansicht hat die Staatsanwaltschaft kürzlich in anderer Sache insbesondere ausgeführt: „Alle Pflichtangaben im Zusammenhang mit einem Eigenantrag, §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 S 1 InsO. fallen demgegenüber nicht unter § 97 Abs. 1 S 3 InsO. Insoweit gilt allerdings ein Verwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldnerbeschlusses des BVerfG. Im Unterschied zum Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S 3 InsO fehlt es beim bloßen Verwertungsverbot an einer Fernwirkung. Die Fernwirkung des Verwendungsverbots des § 97 Abs. 1 S 3 InsO bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft die unter das Insolvenzgeheimnis fallenden Angaben weder unmittelbar verwerten noch mittelbar als Ansatz zu weiteren Ermittlungen verwenden darf. Sie vermag aber nicht zusätzlich zu bewirken, dass die im Insolvenzverfahren (auch) unter Nutzung der Angaben des Schuldners bzw. dessen Organs gewonnenen Erkenntnisse für die Staatsanwaltschaft ausnahmslos tabu wären. Nicht verwendet werden darf, was der Verwalter im Insolvenzverfahren vom Schuldner bzw. dessen Organ erfährt, selbst wenn sie es vom Verwalter (oder einem Dritten) mitgeteilt bekommt. Was aber der (vorläufige) Verwalter (oder das Insolvenzgericht) aufgrund der Angaben des Schuldners bzw. dessen Organs herausfindet, darf er der Staatsanwaltschaft bekanntgeben und diese darf derartige Informationen uneingeschränkt verwenden und verwerten. … Erkenntnisse, die der Verwalter sowohl aus geschützter als auch aus von dieser unabhängiger Quelle erfährt und an die Staatsanwaltschaft weiterleitet, darf diese ebenfalls uneingeschränkt nutzen, sich dabei aber nur auf Letztere stützen.“

Dem wird nicht gefolgt, was sich im Kern für die hier allein in Rede stehende Konstellation, dass ausschließlich ein Eigenantrag gestellt ist, also Insolvenzfremdanträge und Strafanzeigen von Gläubiger fehlen, wie folgt begründet: In Fällen, in denen für eine Kapitalgesellschaft als Arbeitgeber bei Krankenkassen Arbeitnehmeranteile rückständig sind, müssen diese Forderungen im Insolvenzantrag angegebenen werden und ein Insolvenzantrag muss bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes gestellt werden. Auf dieser Grundlage lässt sich dann im Insolvenzeröffnungsverfahren problemlos durch das Gericht oder einen Sachverständigen eine Auskunft benannter Krankenkassen einholen, welche dann im Sinne der Ausführungen der Staatsanwaltschaft aus „unabhängiger Quelle“ erlangt ist und uneingeschränkt für ein Strafverfahren herangezogen werden darf. Die unbeschränkte Auskunftspflicht in allen Stadien eines Insolvenzverfahrens ist rechtlich unangreifbar fundiert und daher Basis der vorliegenden Entscheidung. Der Geschäftsführer wird dann nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft, wie bereits dargestellt, in der Konsequenz eines vollständigen Eigenantrages strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, obwohl verfassungsrechtlich ein Selbstbelastungsverbot besteht, was nach hiesiger Auffassung aus Rechtsgründen nicht geschehen darf.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 464 Abs. 1, § 467 StPO in entsprechender Anwendung.

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss, 14. Aug. 2019 - 412 Cs 72/19

Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss, 14. Aug. 2019 - 412 Cs 72/19

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver
Amtsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss, 14. Aug. 2019 - 412 Cs 72/19 zitiert 23 §§.

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Insolvenzordnung - InsO | § 17 Zahlungsunfähigkeit


(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldst

Strafprozeßordnung - StPO | § 464 Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde


(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Insolvenzordnung - InsO | § 15a Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit


(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahl

Insolvenzordnung - InsO | § 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners


(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen

Insolvenzordnung - InsO | § 19 Überschuldung


(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den n

Strafgesetzbuch - StGB | § 14 Handeln für einen anderen


(1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder3. als gesetzlicher Vertreter eines an

Insolvenzordnung - InsO | § 20 Auskunfts- und Mitwirkungspflicht im Eröffnungsverfahren. Hinweis auf Restschuldbefreiung


(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 S

Insolvenzordnung - InsO | § 13 Eröffnungsantrag


(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Gesc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 404a Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen


(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen. (2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Bew

Insolvenzordnung - InsO | § 101 Organschaftliche Vertreter. Angestellte


(1) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gelten die §§ 97 bis 99 entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. § 97 Abs. 1 und § 98 g

Referenzen - Urteile

Amtsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss, 14. Aug. 2019 - 412 Cs 72/19 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Der Bundesgerichtshof äußert sich zu der Frage, wann ein Unternehmen Zahlungsunfähig ist (und daher Insolvenz anmelden muss) und wann lediglich eine Zahlungsstockung vorliegt. Im Urteil vom 24.05.2005 (IX ZR 123/04) nennt der BGH Abgr
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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 29. Sept. 2014 - 1 Ws 124/14

bei uns veröffentlicht am 29.09.2014

Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin wird der Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 6. März 2014 betreffend die Nichteröffnung des Hauptverfahrens a u f g e h o b e n. 2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hec

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(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin wird der Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 6. März 2014 betreffend die Nichteröffnung des Hauptverfahrens

a u f g e h o b e n.

2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hechingen vom 17. September 2013 wird zur Hauptverhandlung zugelassen. Das Hauptverfahren wird vor dem Landgericht - 1. große Jugendkammer - Hechingen

e r ö f f n e t.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Angeschuldigte, der auch die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

 
I.
Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 6. März 2014, mit dem der Antrag der Staatsanwaltschaft Hechingen vom 17. September 2013, die Anklage zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen, aus tatsächlichen Gründen abgelehnt wurde.
Im Einzelnen wirft die sich auf die Aussage der Nebenklägerin stützende Anklageschrift dem Angeschuldigten vor, im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. August 2011 mindestens einmal im Monat, höchstens jedoch zwei Mal pro Monat, den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin in der gemeinsamen Wohnung in A. vollzogen zu haben, indem er mit seinem erigierten Penis meist von hinten in die Scheide des Mädchens eingedrungen sei. Weiter wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, im Zeitraum vom 31. August 2011 - dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin - bis zum 25. Juni 2013 den Geschlechtsverkehr - bis etwa Ende 2012 mindestens ein Mal pro Monat, danach deutlich häufiger, nämlich mindestens ein Mal pro Woche -, in der gemeinsamen Wohnung vollzogen zu haben. Dies sei jeweils gegen den Willen der Nebenklägerin geschehen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 hat die Staatsanwaltschaft Hechingen ein Gutachten der Gutachtenstelle Prof. Dr. R. in T. zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin in Auftrag gegeben. Die Nichteröffnung des Hauptverfahrens hat das Landgericht unter anderem auf das Ergebnis des vorläufigen schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 26. November 2013 gestützt, wonach die sog. „Phantasiehypothese“ auf Grundlage der bis dahin vorliegenden Informationen nicht verworfen werden könne. Das bedeute, dass die Aussage der Nebenklägerin nicht ausreiche, um aussagepsychologisch den Erlebnisbezug zu belegen.
Mit Beschluss vom 6. März 2014 hat das Landgericht Hechingen die Nebenklage von C. G. nicht zugelassen und ihren Antrag, Frau Rechtsanwältin R. als Beistand zu bestellen, abgelehnt. Hiergegen hat die Nebenklägerin Beschwerde eingelegt, woraufhin der Senat mit Beschluss vom 22. Mai 2014 den genannten Beschluss des Landgerichts Hechingen aufgehoben, C. G. als Nebenklägerin zugelassen und ihr Frau Rechtsanwältin R. als Beistand beigeordnet hat. Daraufhin wurde Frau Rechtsanwältin R. der Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 6. März 2014, mit dem die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde, am 16. Juni 2014 zugestellt.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 400 Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Es hat in der Sache Erfolg.
Ein hinreichender Tatverdacht besteht dann, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens eine spätere Verurteilung des Angeschuldigten mit den vorhandenen zulässigen Beweismitteln wahrscheinlich erscheint (OLG Karlsruhe, wistra 2005, 72f.; Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 203, Rn. 13). Das ist dahin zu präzisieren, dass entweder die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheinen oder ein Zweifelsfall mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung vorliegen muss, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn es auf den persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit bei sich widersprechenden Aussagen entscheidend ankommt. Denn diffizile Beweiswürdigungsfragen dürfen nicht im Zuge der nicht-öffentlichen und nicht-unmittelbaren vorläufigen Tatbewertung des eröffnenden Gerichts womöglich endgültig entschieden werden. Die Eröffnungsentscheidung soll erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, aber der Hauptverhandlung ansonsten nicht vorgreifen (OLG Stuttgart, Die Justiz 2011, 218; OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2009, 88; Löwe-Rosenberg a.a.O.). Insbesondere in beweisrechtlich hochsensiblen Fällen besteht keine Veranlassung, dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung im Rahmen des vergleichsweise defizitären Beschlussverfahrens nach § 203 StPO vorzugreifen (KK-Schneider, StPO, 7. Auflage, § 203 Rn. 5).
Zwar ist dem Tatrichter bei der Prognoseentscheidung über den hinreichenden Tatverdacht ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2010, 3793). Dennoch ist der für die Eröffnung erforderliche hinreichende Tatverdacht nach dem vom Senat aufgezeigten Maßstab vorliegend gegeben. Grundsätzlich ist die Beurteilung, ob die Tatschilderung eines Zeugen glaubhaft ist, ureigenste Aufgabe des Tatrichters. Sachverständiger Hilfe bedarf der Tatrichter bei schwierigen Beweiswürdigungen wie etwa der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ oder dann, wenn psychosomatische oder psychopathologische Auffälligkeiten in der Person des Zeugen dessen Aussagetüchtigkeit oder die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in Frage stellen (BGH 4 StR 500/88; 4 StR 329/93, jeweils zitiert nach ). Hierbei bleibt Aufgabe des Tatrichters die Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung. Grundlage der Verurteilung oder des Freispruchs ist alleine die dort gewonnene Aussage des Zeugen; der Tatrichter darf dabei seine Pflicht zur Überzeugungsbildung nicht auf den aussagepsychologischen Sachverständigen verschieben (BGH, NStZ 2002, 636). Demgemäß ist das vorläufige schriftliche Sachverständigengutachten eines Gutachters ein Hilfsmittel für die Wahrheitsfindung, das bis zur Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nur vorläufigen Charakter hat. Gegenstand seiner Begutachtung ist nämlich die Aussage des Zeugen, die dieser in der Hauptverhandlung tätigt. Frühere Angaben und auch Explorationsgespräche des Sachverständigen haben dann nur insoweit Bedeutung, als die Konstanz des Aussageverhaltens des Zeugen anhand dieser Einlassungen zu überprüfen ist. Hieraus folgt, dass das lediglich vorläufige, schriftliche Sachverständigengutachten zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin im Zwischenverfahren nur dann zur Grundlage der Nichteröffnung gemacht werden kann, wenn die in der Hauptverhandlung zu erwartende Zeugenaussage keinen über den bisherigen Stand hinausgehenden Erkenntnisgewinn erwarten lässt (Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 203 Rn. 15).
Solches ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Sachverständige hat die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin bejaht, so dass an einer etwaigen mangelnden Aussagetüchtigkeit die Gewinnung einer qualitativ anderen Aussage in der Hauptverhandlung, die erst eine Überzeugungsbildung der Kammer aufgrund eigener Beweiserhebung ermöglicht, nicht scheitert. Bei der Prüfung der Aussagequalität hat der Sachverständige diese auf die kognitiven Leistungen sowie auf die bereichsspezifischen Erfahrungen und Kenntnisse des Zeugen zu beziehen, sog. Qualitäts-Kompetenz-Vergleich (Kemme/Boetticher/Kolberg in: Praxis der Rechtspsychologie, Heft 1 August 2013, 3b), S. 40). Zwar stellt die Sachverständige vorliegend fest, dass sich die Zeugin in der Lage zeigte, über - im Gutachten nicht näher geschilderte - fallneutrale eigene Erlebnisse mit einer Anzahl von Details zu berichten (Gutachten Bl. 21); sie fügt aber hinzu, dass der „Aspekt des Realitätsbezugs und der Vollständigkeit (…) im Rahmen der Hauptverhandlung durch Befragung weiterer Zeugen überprüft“ werden könnten. Weiter wird die Aussagequalität zu diesen Kompetenzen der aussagenden Zeugin nicht ins Verhältnis gesetzt (vgl. hierzu Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage 2014, Rn. 289). Die Sachverständige erklärt zwar, dass die Bewertung der Aussage schwerpunktmäßig unter dem Gesichtspunkt der Aussage als Leistungsprodukt erfolge; danach werde „analysiert, ob die Zeugin diese Aussage machen könnte unter den gegebenen persönlichen und sozial-kommunikativen Aussagebedingungen, ohne dies erlebt zu haben“ (Gutachten Bl. 31). Eine Schlussfolgerung im Hinblick auf die Nebenklägerin wird aber nicht gezogen. Es bleibt damit aus sachverständiger Sicht offen, ob die Nebenklägerin in der Lage wäre, eine Geschichte der dargebotenen Komplexität überhaupt und widerspruchsfrei zu erfinden und über welchen Wissenstand und welche Kenntnisse speziell bezüglich des Aussagethemas sie verfügt (vgl. hierzu Bender/Nack/Treuer, a.a.O., Rn. 290 f., 484). Hinsichtlich der Aussagequalität deckt die Sachverständige Widersprüche in den Aussagen der Nebenklägerin bei der Kriminalpolizei und später in der gutachterlichen Vernehmung auf; gleichzeitig stellt sie aber auch Übereinstimmungen fest. Sie weist ausdrücklich darauf hin (Gutachten Bl. 39), dass die Abweichungen in den Aussagen der Zeugin - mit einer Ausnahme, nämlich dem Beginn der sexuellen Handlungen - mit gedächtnispsychologischen Erkenntnissen in Einklang zu bringen seien, da es sich um häufige und gleichförmige Vorfälle handle. Die Sachverständige bewertet die Qualität der Zeugenaussage als gering, führt aber einige Qualitätsmerkmale auf, die für die Qualität der Aussage sprechen (Gutachten Bl. 39). Hierzu bemerkt sie ausdrücklich, dass diese Qualitätsmerkmale „in einer Hauptverhandlung (…) ergänzt werden“ könnten. Insoweit wären die Feststellungen der Sachverständigen jedenfalls in einer Hauptverhandlung zu ergänzen, um dann entsprechende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Die Kammer stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die mangelnde Konstanz der Aussage der Nebenklägerin. Eine Auseinandersetzung mit den möglichen Ursachen der bisher fehlenden Aussagequalität findet allerdings nicht statt. Die Konstanz der Aussage der Nebenklägerin sowie Widersprüche ihrer Aussage zu den Angaben anderer Zeugen werden daher in der Hauptverhandlung zu überprüfen sein: Bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung handelt es sich um eine Vernehmung, deren Ergebnis von der konkreten Vernehmungssituation abhängt. Sie darf keine reine Bestätigungsvernehmung sein; dies gilt insbesondere bei der Vernehmung von kindlichen bzw. jugendlichen Zeugen, bei denen der Erkenntnisgewinn in hohem Maße davon abhängt, dass der Vernehmende einen guten Zugang zum Zeugen bekommt (Bender/Nack/Treuer, a.a.O., Rn. 1502). Insoweit wird sich das Tatgericht in der Hauptverhandlung selbst einen Eindruck von der Nebenklägerin und den anderen Zeugen machen müssen. Hierbei wird auch zu beachten sein, dass die Vertreterin der Nebenklägerin das mangelnde Vertrauensverhältnis der Nebenklägerin zu der Sachverständigen als einen möglichen Grund für die fehlende Aussagekonstanz nennt. Dies erscheint zumindest möglich, da dem Wortprotokoll der Sachverständigenvernehmung vom 9. Oktober 2013 zu entnehmen ist, dass die Nebenklägerin sich dort eher wortkarg verhalten hat und nur einsilbig auf die Fragen der Sachverständigen antwortete, während sie bei der polizeilichen Vernehmung am 28. Juni 2013 und bei der richterlichen Videovernehmung vom 12. Juli 2013 ausführliche Antworten gab. Die Sachverständige selbst weist darauf hin, dass es in der Exploration nur ansatzweise gelang, individuelle und auch konkrete Detailschilderungen von der Zeugin zu erheben (Gutachten Bl. 39).
10 
Auch die als Begründung für die ablehnende Entscheidung der Kammer herangezogene Falschbelastungsmotivation der Nebenklägerin muss nicht notwendigerweise zu deren Unglaubwürdigkeit führen, da sich selbst aus einer festgestellten Belastungsmotivation nicht zwingend auf eine Falschaussage oder auch nur auf Übertreibungen schließen lässt (OLG Stuttgart, NJW 2006, 3506).
11 
Der Senat verkennt nicht, dass im Falle der Gewinnung neuer Erkenntnisse in der Hauptverhandlung der Aussagekonstanz besonderes Augenmerk zu schenken sein wird. Allem nach handelt es sich aber deshalb um keinen erkennbar aussichtslosen Fall.
12 
Es besteht damit hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten. Gemäß § 203 StPO ist die Eröffnung des Hauptverfahrens vor der großen Jugendkammer zu beschließen. Die Kammer wird nunmehr noch über die Besetzung in der Hauptverhandlung zu befinden haben, § 76 Abs. 2 GVG (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 76 GVG Rn. 8 m.w.N.).
II.
13 
Die Kosten des vorliegenden selbständigen Zwischenverfahrens im Sinne von § 464 Abs. 1, Abs. 2 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464, Rn. 7a) trägt entsprechend §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO mangels entgegenstehender Billigkeitsgesichtspunkte der Angeschuldigte (KK-Gieg, a.a.O., § 473 Rn. 12).

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.

(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gelten die §§ 97 bis 99 entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. § 97 Abs. 1 und § 98 gelten außerdem entsprechend für Personen, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer in Satz 1 genannten Stellung ausgeschieden sind; verfügt der Schuldner über keinen Vertreter, gilt dies auch für die Personen, die an ihm beteiligt sind. § 100 gilt entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners.

(2) § 97 Abs. 1 Satz 1 gilt entsprechend für Angestellte und frühere Angestellte des Schuldners, sofern diese nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind.

(3) Kommen die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen ihrer Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht nach, können ihnen im Fall der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.

(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.

(1) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gelten die §§ 97 bis 99 entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. § 97 Abs. 1 und § 98 gelten außerdem entsprechend für Personen, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer in Satz 1 genannten Stellung ausgeschieden sind; verfügt der Schuldner über keinen Vertreter, gilt dies auch für die Personen, die an ihm beteiligt sind. § 100 gilt entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners.

(2) § 97 Abs. 1 Satz 1 gilt entsprechend für Angestellte und frühere Angestellte des Schuldners, sofern diese nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind.

(3) Kommen die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen ihrer Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht nach, können ihnen im Fall der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.

(2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn in seine Aufgabe einweisen und ihm auf Verlangen den Auftrag erläutern.

(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll.

(4) Soweit es erforderlich ist, bestimmt das Gericht, in welchem Umfang der Sachverständige zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist, inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er ihnen die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat.

(5) Weisungen an den Sachverständigen sind den Parteien mitzuteilen. Findet ein besonderer Termin zur Einweisung des Sachverständigen statt, so ist den Parteien die Teilnahme zu gestatten.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

 

Urteil vom 24.05.2005

Az.: IX ZR 123/04

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Mai 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist alleiniger Geschäftsführer und hälftiger Gesellschafter der J. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese wurde von der K.

GmbH beauftragt, für ein Entgelt von -zunächst -1.980.000 DM Konstruktionsleistungen für die Automobilindustrie zu erbringen. Sie schaltete ihrerseits die S. und die SW. GmbH als Subunternehmer ein. Wegen der Abwicklung des Auftrags kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der Schuldnerin und K. , der am 9. September 1999 vergleichsweise wie folgt beendet wurde: Die Schuldnerin verpflichtete sich, die vertragliche Leistung bis 14. September 1999 zur Verfügung zu stellen.

K. verpflichtete sich, an die Schuldnerin bis 15. September 1999 700.000 DM zu zahlen und bis zum 30. September 1999 weitere 700.000 DM, von denen sie allerdings 400.000 DM sollte zurückbehalten dürfen, sofern sie die Leistung für nicht in Ordnung befinden und deswegen eine "qualifizierte Rüge" erheben sollte. Auf weitergehende Ansprüche von angeblich 2,6 Mio. DM verzichtete die Schuldnerin. K. , die von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machte, zahlte auf den Vergleich insgesamt 1 Mio. DM, davon 305.090,70 DM unmittelbar an eine Gläubigerin der Schuldnerin.

Die Buchhaltung der Schuldnerin ermittelte zum 9. September 1999 Verbindlichkeiten in Höhe von 2.659.151,25 DM. Dem standen gegenüber liquide Mittel und kurzfristig einbringliche Forderungen in Höhe von 1.122.323,04 DM. Dabei waren die Zahlungen der K. in Höhe von 1 Mio. DM bereits berücksichtigt. Neben diesen Aktiva waren nur noch Vorräte und Anlagevermögen mit einem Fortführungswert von insgesamt 11.124 DM vorhanden.

Später zahlte der Beklagte an verschiedene Gläubiger 1.175.076,68 DM. Nach seinem Vortrag stellte er für die Schuldnerin Ende Dezember 1999 wegen "drohender Zahlungsunfähigkeit" Insolvenzantrag. Mit Beschluß vom 1. März 2000 wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger, welcher der Auffassung ist, die Schuldnerin sei -wie der Beklagte gewußt habe -bereits mit Abschluß des für sie äußerst nachteiligen Vergleichs zahlungsunfähig und überschuldet gewesen, verlangt von dem Beklagten nach § 64 Abs. 2 GmbHG Schadensersatz in Höhe von 600.807,17 € (= 1.175.076,68 DM). Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage -teilweise Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Forderungen aus Insolvenzanfechtung -stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner zugelassenen Revision.

Gründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sein Urteil darauf gestützt, nach Abschluß des Vergleichs mit K. am 9. September 1999 sei die Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen. Sie habe über liquide Mittel in Höhe von 1.282.323,04 DM verfügt. Dabei sei nur die später von K. bezahlte Summe von 1 Mio. DM zuzüglich Mehrwertsteuer, nicht jedoch der mit dem Vorbehalt eines Zurückbehaltungsrechts versprochene -und bis heute nicht bezahlte -Betrag von 400.000 DM (netto) zu berücksichtigen gewesen. Diesen liquiden Mitteln hätten nach eigener Darstellung des Beklagten fällige Verbindlichkeiten von 1.411.627,33 DM gegenübergestanden. Die danach vorhandene Unterdeckung von 129.304,29 DM -dies entspreche 9,2 % der Verbindlichkeiten -sei nicht unwesentlich.

II.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 64 GmbHG kann nicht anders verstanden werden als in § 17 InsO. Denn für den Beginn des den Geschäftsführer treffenden Zahlungsverbots genügt in objektiver Hinsicht die bestehende Insolvenzreife (vgl. BGHZ 143, 184, 185; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rn. 1).

a) Nach früherem Recht setzte der Konkursgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 102 KO) voraus, daß der Schuldner dauernd unvermögend war, seine Zahlungsverpflichtungen im wesentlichen zu erfüllen (RG JW 1934, 841; BGHZ 118, 171, 174; BGH, Urt. v. 22. November 1990 -IX ZR 103/90, ZIP 1991, 39, 40; v. 11. Juli 1991 -IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014; BGHSt 31, 32). Dabei wurden die verfügbaren Mittel zu den insgesamt fälligen Zahlungsverbindlichkeiten ins Verhältnis gesetzt. Es mußte ermittelt werden, ob die Zahlung oder die Nichtzahlung Regel oder Ausnahme war (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 28; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 102 Rn. 2a). Im Schrifttum wurde Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn 10 % bis 25 % der fälligen Forderungen ungedeckt waren (vgl. die Nachweise bei Kuhn/Uhlenbruck, aaO).

b) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Auf die Merkmale der "Dauer" und der "Wesentlichkeit" hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet (vgl. Himmelsbach/Thonfeld NZI 2001, 11 f; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch 2. Aufl. § 6 Rn. 6). Nach der Gesetzesbegründung (Begr. zu § 20 und § 21 RegE, BT-Drucks. 12/2443 S. 114) versteht es sich von selbst -und braucht deshalb nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden -, daß eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründet. Andererseits hielt man es für untunlich, das Erfordernis der andauernden Unfähigkeit zur Erfüllung der fälligen Zahlungspflichten zu betonen, weil dies als Bestätigung der verbreiteten Neigung hätte verstanden werden können, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit stark einzuengen und damit eine etwa auch über Wochen oder sogar Monate fortbestehende Illiquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären. Eine solche Auslegung würde nach der Gesetzesbegründung das Ziel einer rechtzeitigen Verfahrenseröffnung erheblich gefährden. Ferner ist der Gesetzgeber davon ausgegangen (Begr. zu § 20 und § 21 RegE, aaO), daß "ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen". Es erscheine jedoch "nicht gerechtfertigt, Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann".

c) Demgemäß wird verbreitet davon ausgegangen, zahlungsunfähig sei ein Schuldner, wenn ihm die Erfüllung der fälligen Zahlungspflichten wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht möglich sei. Um dies festzustellen, werden im Rahmen einer Liquiditätsbilanz die aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel in Beziehung gesetzt zu den an demselben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (Harz ZInsO 2001, 193, 196; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 10; HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 17 Rn. 24; Gottwald/Huber, aaO § 47 Rn. 10). Zahlungsunfähig ist danach auch ein Schuldner, der nur einen Gläubiger hat und außerstande ist, diesen zu befriedigen (HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO § 17 Rn. 17; vgl. ferner BGHZ 149, 178, 185). Eine Quote zum Ausscheiden "ganz geringfügiger Liquiditätslücken" wird teilweise ganz abgelehnt (Temme, Die Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung 1997 S. 35 ff; Bieneck Strafverteidiger 1999, 43, 44; Niesert ZInsO 2001, 738 f; MünchKomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 15, 22; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 17 Rn. 10; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 17 Rn. 13; FK-InsO/ Schmerbach, 3. Aufl. § 17 Rn. 21; Braun/Kind, InsO 2. Aufl. § 17 Rn. 11; wohl auch Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 17 Rn. 16). Andere halten für "ganz geringfügig" eine Quote von unter 5 % (AG Köln NZI 2000, 89, 91; Hess/Weis/ Wienberg, InsO 2. Aufl. § 17 Rn. 17; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts 4. Aufl. S. 71; Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 18), unter 10 % (HKInsO/Kirchhof, § 17 Rn. 20), bis zu 20 % (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung 3. Aufl. Kap. 1 Rn. 85) oder bis zu 25 % (LG Augsburg DZWIR 2003, 304; Harz ZInsO 2001, 193, 196). Vereinzelt wird auch eine Rückkehr zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit nach der Konkursordnung befürwortet (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15). Der Bundesgerichtshof hatte bislang keinen Anlaß, sich zu diesen Fragen zu äußern (vgl. BGHZ 149, 178, 187).

2. Nach Auffassung des Senats ist daran festzuhalten, daß eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben läßt, lediglich als Zahlungsstockung gilt und keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt (Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 9; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; HKInsO/Kirchhof, § 17 Rn. 18; Hess/Weis/Wienberg, aaO § 17 Rn. 2; Scholz/

K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 64 Rn. 11 f; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 6. Aufl. § 63 Rn. 26; a.A. Münchkomm-InsO/Eilenberger, § 17 Rn. 22; Nerlich/ Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rn. 9).

a) Der Zeitraum, innerhalb dessen die Zahlungsstockung beseitigt sein muß, andernfalls sie als Zahlungsunfähigkeit behandelt wird, ist unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf etwa einen Monat begrenzt worden (BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 -IX ZR 313/97, WM 1999, 12, 14; v. 4. Oktober 2001 -IX ZR 81/99, WM 2001, 2181, 2182). Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung wollte diesen Zeitraum verkürzen (vgl. oben 1 b sowie BGHZ 149, 178, 187). Als Zahlungsstockung ist deshalb nur noch eine Illiquidität anzusehen, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen (HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 18; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17). Eine Frist von einem Monat (für deren Beibehaltung Gottwald/Huber, aaO § 47 Rn. 9) oder gar von drei Monaten (dafür Harz ZInsO 2001, 193, 197) ist hierfür zu lang. Wieder andere halten eine Zahlungsstockung bereits jenseits einer Frist von ein bis zwei Wochen nicht mehr für gegeben (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Kap. 1 Rn. 86). Dies erscheint zu kurz. Als Zeitraum für die Kreditbeschaffung sind zwei bis drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend (LG Bonn ZIP 2001, 346; Burger/Schellberg BB 1995, 261, 262 f, 567; Temme aaO S. 30; Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 9, 18; Kübler/ Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 17 Rn. 18; FK-InsO/ Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17; Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 63 Rn. 27). Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zeigt, daß das Gesetz eine Ungewißheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist (Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rn. 5; Niesert ZInsO 2001, 735, 738 f).

Zwar werden im Hinblick auf die Vorschrift des § 286 Abs. 3 BGB n.F. systematische Bedenken gegen eine derartige Verkürzung der Frist erhoben (Himmelsbach/Thonfeld NZI 2001, 11, 13 noch zu § 284 Abs. 3 BGB a.F.; dagegen Braun/Kind, aaO § 17 Rn. 16). Es gehe nicht an, einen Schuldner, der noch nicht einmal in Verzug sei, als zahlungsunfähig zu behandeln mit der Konsequenz, daß der Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen könne (§ 14 InsO) und -falls Schuldnerin eine GmbH sei -deren Geschäftsführung einen solchen stellen müsse (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Diese Bedenken erscheinen jedoch nicht stichhaltig. Daß über den Insolvenzantrag eines Gläubigers früher als dreißig Tage nach Fälligkeit seiner Forderung entschieden wird, erscheint bereits wenig lebensnah. Zudem bezeichnet § 286 Abs. 3 BGB n.F. den spätesten Zeitpunkt des Verzugseintritts und läßt eine frühere Herbeiführung durch Mahnung unberührt. Für einen GmbH-Geschäftsführer, der zu prüfen hat, ob er Auszahlungen vornehmen darf, obwohl er für seine Gesellschaft eine kurzfristig nicht zu beseitigende Liquiditätslücke ermittelt hat, muß die Frage, ob sich die Gesellschaft mit der Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten bereits in Verzug befindet, ohnehin bedeutungslos sein.

b) Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muß allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden (vgl. HK-InsO/ Kirchhof, aaO § 17 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 30). Soweit die Haftung des Geschäftsführers für von ihm nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Zahlungen zu beurteilen ist, muß allerdings auf der subjektiven Seite das Verschulden hinzukommen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Entscheidend ist hier, ob im Zeitpunkt der Zahlung bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die Insolvenzreife der Gesellschaft für den Geschäftsführer nicht erkennbar ist, wobei diesen allerdings die volle Darlegungsund Beweislast trifft (BGHZ 143, 184, 185; BGH, Urt. v. 1. März 1993 -II ZR 61/92, WM 1994, 1030, 1031). Wenn dieser erkennt, daß die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, jedoch aufgrund einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Meinung sein kann, die GmbH werde vor Erreichen des Zeitpunkts, bei dem eine Zahlungsstockung in eine Zahlungsunfähigkeit umschlägt -also binnen drei Wochen -, sämtliche Gläubiger voll befriedigen können, darf er innerhalb dieses Zeitraums, solange sich seine Prognose nicht vorzeitig als unhaltbar erweist, Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), an Gläubiger leisten, ohne die Haftung befürchten zu müssen. Müßte er anstehende Zahlungen zurückhalten, bis die Zahlungsfähigkeit insgesamt wieder hergestellt ist, würde er dadurch die Geschäftsbeziehungen zu den betreffenden Gläubigern, auf deren Fortführung der Betrieb der Schuldnerin mehr denn je angewiesen ist, gefährden. Auch läge eine Zahlungseinstellung vor, mit welcher der Geschäftsführer möglicherweise Eröffnungsanträge der Gläubiger (§ 14 InsO) herausfordern würde. Ist die Zahlungsfähigkeit nach Ablauf der Frist noch nicht wieder hergestellt, darf er -weil nunmehr die endgültige Zahlungsunfähigkeit fest steht -nur noch solche Zahlungen leisten, welche die Insolvenzmasse nicht schmälern oder erforderlich sind, um das Unternehmen für die Zwecke des Insolvenzverfahrens zu erhalten (Michalski/Nerlich, GmbHG 2002 § 64 Rn. 46).

Für die Prognose, die der Geschäftsführer anstellen muß, sobald bei einer Liquiditätsbilanz eine Unterdeckung festzustellen ist, und die er bei jeder vorzunehmenden Zahlung kontrollieren muß, sind die konkreten Gegebenheiten in bezug auf den Schuldner -insbesondere dessen Außenstände, die Bonität der Drittschuldner und die Kreditwürdigkeit des Schuldners -, auf die Branche und die Art der fälligen Schulden zu berücksichtigen (Burger/Schellberg BB 1995, 261, 263; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 17 Rn. 11; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 17).

3. Demgegenüber ist die Ansicht abzulehnen, zahlungsunfähig sei ein Schuldner generell bereits dann, wenn er seine fälligen Verbindlichkeiten nicht -binnen der dreiwöchigen Frist (dazu oben 2) -zu 100 % erfüllen kann.

a) Zwar spräche für diese strenge Lösung der Vorzug der begrifflichen Klarheit. Sie wäre zudem im Interesse der Rechtssicherheit. So könnte sich der Geschäftsführer der Schuldner-GmbH aufgrund der von ihm aufzustellenden Liquiditätsbilanz und der von ihm zu verlangenden Zukunftsprognose ohne weiteres Klarheit verschaffen, wann er gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Insolvenzantrag stellen muß, nämlich in jedem Falle einer länger als drei Wochen währenden, noch so geringen Unterdeckung. Verhindert eine insgesamt gesehen geringfügige Unterdeckungsquote die Annahme der Zahlungsunfähigkeit, kann dies die konkret von der Unterdeckung betroffenen Gläubiger auch erheblich benachteiligen, weil sie nicht mit Aussicht auf Erfolg einen Insolvenzantrag stellen können. Ein Unternehmen, das dauerhaft eine -wenngleich geringfügige -Liquiditätslücke aufweist, erscheint auch nicht erhaltungswürdig.

b) Indes überwiegen die Gründe, einen Schuldner, der seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringfügigen Rest bedienen kann, nicht als zahlungsunfähig anzusehen.

aa) Zum einen wollte -wie bereits dargelegt (oben 1 b) -auch der Gesetzgeber "ganz geringfügige Liquiditätslücken" für die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit nicht ausreichen lassen. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß er die zu tolerierende Lücke nicht auch quantitativ, sondern lediglich zeitlich -im Sinne einer bloßen Zahlungsstockung -verstanden hat.

bb) Ein Insolvenzverfahren soll immer -aber auch erst -dann eingeleitet werden, wenn die Einzelzwangsvollstreckung keinen Erfolg mehr verspricht und nur noch die schnellsten Gläubiger zum Ziele kommen, die anderen hingegen leer ausgehen, eine gleichmäßige Befriedigung somit nicht mehr erreichbar ist. Je geringer der Umfang der Unterdeckung ist, desto eher ist es den Gläubigern zumutbar, einstweilen zuzuwarten, ob es dem Schuldner gelingen wird, die volle Liquidität wieder zu erlangen. Das Geschäftsleben ist in weiten Teilen dadurch gekennzeichnet, daß Phasen mit guter Umsatzund Ertragslage und Rückschläge sich abwechseln. Insbesondere mittelständische Unternehmen mit geringer Eigenkapitalausstattung, etwa Handwerksbetriebe, sind oft darauf angewiesen, daß Kundenzahlungen vollständig und zeitnah erfolgen. Wird ein größerer Auftrag nicht bezahlt, kann dies eine Liquiditätskrise auslösen. Je kleiner die Liquiditätslücke ist, desto begründeter ist die Erwartung, daß es dem Schuldner gelingen wird, das Defizit in absehbarer Zeit zu beseitigen -sei es durch eine Belebung seiner Geschäftstätigkeit, sei es durch die anderweitige Beschaffung neuer flüssiger Mittel, sei es durch Einigung mit Gläubigern -, also die Zahlungsfähigkeit wieder zu erlangen (so bereits Burger/Schellberg BB 1995, 261, 263; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 17 Rn. 2; Scholz/K. Schmidt, § 64 Rn. 13). In einem solchen Fall brächte die Insolvenzeröffnung den Gläubigern keinen Vorteil, insbesondere keine schnellere und betragsmäßig höhere Befriedigung (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15; Zweifel am Rechtsschutzinteresse des antragstellenden Gläubigers äußern auch Nerlich/Römermann/Mönning, aaO § 17 Rn. 18).

Zwar wird die Auffassung vertreten, wenn ein Schuldner geringe Forderungen nicht mehr ausgleichen könne, so sei er erst recht außerstande, größere Beträge zu zahlen (Uhlenbruck, aaO § 17 Rn. 10; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht 2002 Rn. 300; Beck/Depre, Praxis der Insolvenz 2003 S. 216). Diese Erwägung ist unzutreffend. Ein Schuldner, der -beispielsweise -zu 90 % oder mehr liquide ist, vermag durchaus auch hohe Forderungen zu befriedigen.

cc) Einen Insolvenzgrund auch bereits bei sehr kleinen Liquiditätslücken anzunehmen, verbietet sich schließlich im Interesse des Schuldners. Sofern seine Auftragslage gut ist und künftig mit anderen Zahlungseingängen gerechnet werden kann, wäre es unangemessen, wenn er wegen einer vorübergehenden Unterdeckung von wenigen Prozent, die nicht binnen drei Wochen (vgl. oben 2) beseitigt werden kann, Insolvenz anmelden müsste. Der damit verbundene Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen (Art. 12, 14 GG) wäre unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 15).

dd) Gesamtwirtschaftliche Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. In bestimmten Branchen sind regelmäßig saisonale Flauten zu überbrücken, die teilweise mehrere Monate andauern (Himmelsbach/Thonfeld aaO S. 11). Als Beispielsfälle sind insbesondere die Bauwirtschaft, der Fremdenverkehr und die Hersteller typischer Saisonartikel (etwa Bademoden, Wintersportgeräte und -bekleidung) zu nennen. Wer sich auf einem derartigen Wirtschaftssektor als Anbieter betätigt, muß immer wieder mit Liquiditätsengpässen rechnen. Er darf jedoch normalerweise mit einer wirtschaftlichen Erholung rechnen, sobald die Saison wieder angelaufen ist. Müßte er trotzdem, sobald die Grenze der Zahlungsstockung überschritten ist (dazu oben 2), selbst bei prozentual geringfügiger Liquiditätslücke Insolvenz anmelden, würde dies in manchen Wirtschaftszweigen zu erheblichen Problemen führen.

4. Um die Praxis in die Lage zu versetzen, den Begriff der "geringfügigen Liquiditätslücke" zu handhaben, kann auf eine zahlenmäßige Vorgabe nicht völlig verzichtet werden.

a) Allerdings hat der Gesetzgeber mit Recht davor gewarnt, "Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann". Dies spricht jedoch nur dagegen, eine starre zahlenmäßige Grenze einzuführen, die automatisch über das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit entscheidet. Eine starre Grenze hätte auch der Gesetzgeber einführen können. Da er davon abgesehen hat, wollte er offensichtlich für die Rechtsanwendung eine gewisse Flexibilität ermöglichen.

Würde beispielsweise angenommen, bei einer Unterdeckung von weniger als einem bestimmten Vomhundertsatz läge keine Zahlungsunfähigkeit vor, beim Erreichen dieses Vomhundertsatzes jedoch stets, bliebe unberücksichtigt, daß derartige Quoten für sich allein genommen keine abschließende Bewertung eines wirtschaftlich komplexen Sachverhalts wie der Zahlungsunfähigkeit erlauben. Bei einem Unternehmen, dem im Hinblick auf seine Auftragsund Ertragslage eine gute Zukunftsprognose gestellt werden kann, hat eine momentane Liquiditätsunterdeckung in Höhe jenes Vomhundertsatzes eine ganz andere Bedeutung als bei einem solchen, dem für die Zukunft ein weiterer geschäftlicher Niedergang prophezeit werden muß.

Daher kommt die Einführung eines prozentualen Schwellenwerts nur in der Form in Betracht, daß sein Erreichen eine widerlegbare Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründet.

b) Der Senat hält es für angemessen, den Schwellenwert bei 10 % anzusetzen. Ein höherer Wert ließe sich mit der Absicht des Gesetzgebers, die Anforderungen an die Annahme der Zahlungsunfähigkeit abzusenken, schwerlich vereinbaren. Andererseits wäre ein niedrigerer Schwellenwert als 10 % -in Betracht kommt dann nur noch 5 % -dem rigorosen "Null-Toleranz-Prinzip" zu sehr angenähert, um noch praktische Wirkungen entfalten zu können.

Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen. Ein solcher Umstand kann auch die auf Tatsachen gegründete Erwartung sein, daß sich der Niedergang des Schuldner-Unternehmens fortsetzen wird. Geht es um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, muß das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO) solche Umstände feststellen. Geht es um die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG, muß die Gesellschaft, die den Geschäftsführer in Anspruch nimmt, oder deren Insolvenzverwalter die besonderen Umstände vortragen und beweisen.

Beträgt die Unterdeckung 10 % oder mehr, muß umgekehrt im Rahmen des § 64 GmbHG der Geschäftsführer der Gesellschaft -falls er meint, es sei doch von einer Zahlungsfähigkeit auszugehen -entsprechende Indizien vortragen und beweisen. Dazu ist in der Regel die Benennung konkreter Umstände erforderlich, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, daß die Liquiditätslücke zwar nicht innerhalb von zwei bis drei Wochen -dann läge nur eine Zahlungsstockung vor -, jedoch immerhin in überschaubarer Zeit beseitigt werden wird. Im Zusammenhang mit einem Gläubigerantrag (§ 14 InsO) muß sich der Schuldner auf diese Umstände berufen, und das Insolvenzgericht hat sie festzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Je näher die konkret festgestellte Unterdeckung dem Schwellenwert kommt, desto geringere Anforderungen sind an das Gewicht der besonderen Umstände zu richten, mit denen die Vermutung entkräftet werden kann. Umgekehrt müssen umso schwerer wiegende Umstände vorliegen, je größer der Abstand der tatsächlichen Unterdeckung von dem Schwellenwert ist.

5. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ergebnis des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die mindestens 9,2 %-ige Unterdeckung und eine auf unstreitige Tatsachen gegründete schlechte Zukunftsprognose rechtfertigen zusammen die Annahme, daß die Schuldnerin bereits mit Abschluß des für sie ruinösen Vergleichs am 9. September 1999 zahlungsunfähig war. Dies war für den Beklagten erkennbar; zumindest hat er das Gegenteil nicht bewiesen.

a) Die Zukunftsaussichten für die Schuldnerin waren bereits am 9. September 1999 sehr schlecht. In diesem Zusammenhang rügt die Revision vergeblich die Nichterhebung des angebotenen Sachverständigenbeweises. Der Beweis war für die Vertretbarkeit einer von dem Beklagten vorgenommenen positiven Fortführungsprognose angetreten und betraf die Frage der Überschuldung. Darauf hat das Berufungsgericht seine Entscheidung jedoch nicht gestützt.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte habe überhaupt keine positive Zukunftsprognose erstellt. Dabei gewinnt die unstreitige Tatsache Bedeutung, daß der Beklagte Ende September 1999 Kunden der Schuldnerin angedroht hat, wenn sie nicht mit einer Reduzierung ihrer Forderungen um 35 % einverstanden seien, müsse die Schuldnerin "schließen" und "Konkurs" anmelden. Nicht vorgetragen ist -was Sache des Beklagten gewesen wäre -, daß sich bis zu dem Tage im Dezember 1999, an dem der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat, eine der Schuldnerin nachteilige Entwicklung ergeben hat, die nicht bereits am 9. September 1999 abgeschlossen oder zumindest deutlich erkennbar war.

b) Auf der Passivseite war damit zu rechnen, daß zu den Verbindlichkeiten, die nach der Berechnung des Berufungsgerichts zu einer Unterdeckung von 9,2 % geführt haben, zumindest noch eine solche gegenüber SW. hinzukommen würde. Deren Rechnungen hatte die Schuldnerin in ihrer Summenund Saldenliste per 31. August 1999 berücksichtigt. In der an den Mitgesellschafter B. gerichteten Prüfbitte vom 14. September 1999 hatte der Beklagte vorgesehen, daß etwa noch verfügbare Mittel im Verhältnis 2/3 zu 1/3 auf SW. und S. aufgeteilt werden sollten. Noch im Januar 2000 -also nach dem von ihm gestellten Insolvenzantrag, der angeblich durch die schlechte Arbeit der Subunternehmer verursacht sein soll -hat der Beklagte erklärt, die Forderungen der SW. seien wenigstens in Höhe von 350.000 DM berechtigt. Der Kläger hat die Forderungen der SW. in Höhe von über 800.000 DM zur Tabelle anerkannt. Ferner war damit zu rechnen, daß auch S. , dessen Rechnungen am 9. September 1999 noch nicht vollständig vorlagen, nicht ohne weiteres auf seine Forderungen verzichten würde. Diese haben inzwischen in Höhe von ca.

953.000 DM Aufnahme in die Tabelle gefunden.

c) Der Kläger hat dargetan, daß auf der Aktivseite in absehbarer Zeit nicht mit erheblichen zusätzlichen Einnahmen zu rechnen war.

Das Berufungsgericht hat mit näherer Begründung ausgeführt, am 9. September 1999 sei nicht zu erwarten gewesen, daß K. den Teilbetrag von 400.000 DM nebst Mehrwertsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt 30. September 1999 zahlen werde. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Daß die Aussichten auf Erhalt des Teilbetrages besser zu beurteilen gewesen seien, wenn der Prognosezeitraum über den 30. September 1999 hinaus erstreckt worden wäre, macht die Revision -zu Recht -nicht geltend.

Der Vortrag des Beklagten, es hätten noch Bestellungen der V.

vom 22. August und 22. September 1999 im Umfang von 1,4 Mio. DM vorgelegen, ist nicht erheblich. Es kann allenfalls vom Abschluß einer Rahmenvereinbarung ausgegangen werden. Ob sich dieser Kontakt durch Abruf bestimmter Leistungen zu einem vergütungspflichtigen Auftrag verdichten würde, war damals nicht abzusehen. Dazu fehlt auch jeder Vortrag.

Die Behauptung des Beklagten, die Schuldnerin habe während der gesamten Zeit zwischen dem 9. September und dem 31. Dezember 1999 ihre Konten durchgängig im Haben geführt, die Einzahlungen hätten die Auszahlungen überstiegen und es seien nie irgendwelche Bankdarlehen in Anspruch genommen worden, besagt nichts über eine objektiv begründete Aussicht, die fehlende Liquidität durch zusätzliche Geldmittel wiederzugewinnen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß er sich um Kredite bemüht habe, bevor er Insolvenzantrag gestellt hat. Dies läßt vermuten, daß er nach der selbst als "desaströs" eingeschätzten Abwicklung des Auftrags der K. von Kreditunwürdigkeit ausgegangen ist.

Nicht substantiiert dargelegt hat der Beklagte, der Vergleichsschluß habe für die Schuldnerin einen Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von 345.000 DM begründet. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn die Schuldnerin vor dem Vergleichsschluß nicht nur offene Forderungen gegen K. in Höhe von ca. 4 Mio. DM gebucht, sondern darauf auch bereits Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt gehabt hätte. Dies hat der Beklagte selbst nicht behauptet.

Fischer

Ganter

Nekovi

Vill

Lohmann

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 456/16
vom
23. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230817U2STR456.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Juli 2017 in der Sitzung am 23. August 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung am 19. Juli 2017 als Verteidiger,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Amtsinspektorin bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 21. April 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten Untreue zur Last liegt. Die insoweit entstandenen Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. 3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Fulda zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die sich mit Einzelausführungen gegen den Freispruch und dagegen wendet, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen vorsätzlicher, sondern lediglich wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung verurteilt hat.
2
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und – soweit der Angeklagte wegen des Vorwurfs der Untreue freigesprochen wurde – wegen eines Verfahrenshindernisses zur Verfahrenseinstellung.

I.

3
1. Das Landgericht hat – soweit für die Entscheidung von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte war ab dem Jahr 2003 bis zu seinem Rücktritt im März 2012 Bürgermeister der hessischen Gemeinde S. . Das „Herzstück“ des Kurorts war das Hotel Ba. , welches aufgrund einer finanziellen Schieflage im Jahr 2000 hatte schließen müssen. Wegen der Bedeutung des Kurhotels für die Gemeinde wurde nach dem Amtsantritt des Angeklagten im Jahr 2003 ein Konzept zu dessen Wiedereröffnung entwickelt, an dem unter anderem private Investoren beteiligt werden sollten. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2005 die „B. gesellschaft mbH “ (im Folgenden „B. GmbH“) gegründet, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Gesellschafter der B. GmbH waren die „Bä. GmbH“, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Gemeinde S. , sowie etwa 30 private Investoren, darunter der Angeklagte und seine Söhne. Im Jahr 2006 wurde das Kurhotel Ba. wiedereröffnet. Der Betrieb des Hotels erfolgte durch die „Ba. GmbH & Co KG“ (im Folgenden „Ba. KG“). Kommanditistin war die „Ba. Verwaltungs GmbH“, Komplementäre waren unter anderem die B. GmbH sowie ab Juli 2011 auch die E. GmbH. Der Angeklagte hielt Beteiligungen an der Ba. KG, zudem war er einer von drei Gesellschaftern der E. GmbH.
5
Geschäftsführer der Ba. KG war ab Mitte Juli 2011 der mittlerweile verstorbene frühere Mitbeschuldigte N. F. , der hierfür ein (lediglich buchhalterisch erfasstes) Gehalt von 800 € brutto monatlich bezog. Dieser entfaltete allerdings keine eigenen Aktivitäten im Hinblick auf die Führung des Hotels , sondern der Ba. wurde maßgeblich von häufig wechselnden Direktoren geführt, deren Entscheidungen N. F. mangels Sachkenntnis widerspruchslos akzeptierte. Wegen seiner eigenen, nicht unerheblichen finanziellen Beteiligung mischte sich der Angeklagte zunehmend in das laufende Geschäft der Ba. KG ein, was von der Geschäftsführung jeweils gebilligt wurde. Im August 2011 wurde der Angeklagte mit Kontovollmachten ausgestattet. Ab Mitte September 2011 war der Angeklagte nahezu täglich vor Ort, kümmerte sich um Marketingmaßnahmen des Hotels, schloss Verträge mit Reiseanbietern ab, unterzeichnete Kündigungen, erstellte eigene Budgetpläne und führte die für den Betrieb maßgeblichen Vertrags- und Kreditverhandlungen. Ohne Zustimmung des Angeklagten durfte die Buchhaltung keine Zahlungen mehr tätigen, und von dem im Herbst 2011 neu eingesetzten Hoteldirektor, dem Zeugen O. , wurde der Angeklagte als direkter Vorgesetzter angesehen. Die Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte jedenfalls im Jahr 2012 aufgrund seines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäfte und die betriebsinternen Abläufe faktischer Geschäftsführer der Ba. KG war.
6
Die finanzielle Lage der Ba. KG hatte sich von Anfang an als problematisch gestaltet. Die Finanzierung war ursprünglich auf ein Volumen von 4 Millionen € ausgelegt gewesen, tatsächlich waren aber im Zusammenhang mit der Aufnahme des Hotelbetriebs bereits 5,4 Millionen € für Investitionen angefallen. Im Jahr 2009 hatte die Gemeinde S. offene Forderungen im sechsstelligen Bereich gegen ortsansässige Unternehmen, darunter auch die Ba. KG. Eine Insolvenz der als wichtig angesehenen Betriebe, insbesondere des Hotelbetriebs des Ba. s, sollte aus Sicht von Gemeindevor- stand und -vertretung nach Möglichkeit vermieden werden, zumal der Verlust von Arbeitsplätzen gedroht hätte. Daher fasste der Gemeindevorstand am 2. November 2009 einen Beschluss zur Beitreibung kommunaler Forderungen. Dieser sah vor, dass Zahlungen der Schuldner zunächst nur angemahnt, aber nicht vollstreckt werden sollten und bei größeren Rückständen der Gemeindevorstand im Einzelfall über die jeweilige Vorgehensweise entscheidet. In Umsetzung dieses Beschlusses wies der Angeklagte die Verwaltung an, die Rückstände des Ba. s nicht beizutreiben, wobei er gegenüber dem Kämmerer äußerte, dies bringe ohnehin nichts, da kein Geld da sei.
7
Im Jahr 2010 bestanden gegenüber der Ba. KG Forderungen der „K. GmbH “ (im Folgenden „K. GmbH“), einer 100%igen Tochtergesellschaft der Gemeinde S. , wegen Kurtaxen sowie Forderungen der Gemeinde S. , resultierend aus Strom- und Wasserversorgung, Gebühren und Grundsteuern in Höhe von etwa 149.000 €. Aufgrund ihrer finanziellen Lage beantragte die Ba. KG die Stundung der offenen Verbindlichkeiten, woraufhin die Gemeindevertretung in einer Sitzung vom 22. Juni 2010 beschloss, der Ba. KG die Möglichkeit einzuräumen,die Zahlungsrückstände in monatlichen Raten zu jeweils 3.000 € zu tilgen. An der Beratung und Beschlussfassung der Gemeindevertretung nahm der Angeklagte unter Hinweis auf § 25 Hessische Gemeindeordnung nicht teil. In den Monaten August bis Oktober 2010 zahlte die Ba. KG die geforderten Raten an die Gemeinde, danach wurden die Zahlungen jedoch eingestellt. Ungeachtet dessen wurden die Rückstände von der Gemeinde nicht geltend gemacht. Die finanzielle Lage der Ba. KG blieb weiterhin angespannt, woran auch ein Sanierungsschnitt im Jahr 2011 nichts ändern konnte. So wurden Zahlungen auf Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäftsbetrieb des Hotels vorrangig an solche Gläubiger geleistet, die ihre Forderungen mit Nachdruck geltend machten. Teilweise konnten Gehälter zunächst nur hälftig ausgezahlt werden.
8
Nach der Kommunalwahl änderte sich im Frühjahr 2011 die personelle Zusammensetzung des Gemeindevorstands. Die Zahlungsrückstände der Ba. KG und deren Begleichung waren nun vielfach Gegenstand von Gemeindevorstandssitzungen. Hierbei erteilte der Angeklagte mehrfach mündlich über die Höhe der Rückstände Auskunft. Dass in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten unrichtige Angaben getätigt wurden, hat das Landgericht nicht festgestellt. Im Dezember 2011 beschloss die Gemeindevertretung, dass die Stromlieferung an den Ba. nur noch gegen Vorkasse erfolgen solle. Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 teilte der Gemeindevorstand der Ba. KG mit, dass die Gemeinde die Stromlieferungen zum 29. Februar 2012 einstellen werde. Gleichzeitig wurden die Zahlungen für die Stromlieferungen aus den Jahren 2009 bis 2011 in Höhe von insgesamt 117.698,22 € eingefordert. Am 27. Januar 2012 bestanden gegenüber der Ba. KG Forderungen derK. GmbH wegen Kurtaxen in Höhe von 125.589,54 € sowie Forderungen der Gemeinde S. , resultierend aus Strom- und Wasserversorgung, Gebühren und Grundsteuern in Höhe von 158.662,77 €, welche die Ba. KG weder aus vorhandenen Guthaben und Einnahmen noch durch die Aufnahme von Darlehen erfüllen konnte. Einen Insolvenzantrag stellte der Angeklagte jedoch nicht. Er ging nicht davon aus, faktischer Geschäftsführer der Ba. KG zu sein. Zudem vertraute er auch im Jahr 2012 noch darauf, dass die Gemeinde ihre Forderungen gegenüber der Ba. KG – wie auch in der Vergangenheit – weiterhin nicht ernsthaft einfordern würde, und zog daraus den Schluss, dass die Forderungen der Gemeinde nicht fällig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO seien.
9
Das Landgericht hat angenommen, dass dem Angeklagten die finanzielle Lage der Ba. KG spätestens ab September 2011 vollständig bekannt gewesen sei, weil er nahezu täglich vor Ort gewesen sei, eigene Budgetpläne erstellt und auch im eigenen Interesse die finanzielle Situation sowie Zahlungen der Ba. KG kontrolliert sowie entsprechende Kontovollmachten besessen habe. Zudem habe der Angeklagte in einem Schreiben vom 26. Januar 2012 an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung einen Antrag auf eine außerplan- mäßige Sitzung „zur Wahrung der gemeindlichen Interessen“ gestellt und darin ausgeführt, dass die Sparkasse vorab telefonisch mitgeteilt habe, sie werde dem Ba. eine neue Finanzierung nur gewähren, wenn die Gemeinde ihre Forderungen langfristig finanziere. Allerdings gehe die Sparkasse davon aus, dass mit Fälligstellung der Forderungen der Gemeinde auch bei Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse der Ba. KG nicht genügend Mittel zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses zur Verfügung stehen würden. Daher könne eine Insolvenz der Ba. KG nur abgewendet werden, wenn die Gemeinde einer langfristigen Finanzierung ihrer offenen Forderungen zustimme. Dies geschah letztlich nicht.
10
Am 2. März 2012 trat der Angeklagte von seinem Amt als Bürgermeister zurück. Im April 2012 kam es zu einer Besprechung von Mitgliedern der Gemeindevertretung und des Gemeindevorstands, in der unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts die finanzielle Situation der Ba. KG erörtert und über die Stellung eines Insolvenzantrags nachgedacht wurde. Man kam überein, zunächst von der Stellung eines Insolvenzantrags abzusehen und die weitere Entwicklung abzuwarten, wobei von offenen Forderungen gegenüber der Ba. KG in Höhe von ca. 350.000 € ausgegangen wurde. Sowohl die Gemeindevertretung als auch der Gemeindevorstand waren weiterhin bestrebt, eine Insolvenz nach Möglichkeit zu vermeiden. Es kam auch nicht zu der mehrfach angedrohten Einstellung der Stromlieferung. Zum einen war es technisch nicht durchführbar, den Strom ausschließlich für das Hotel Ba. abzustellen, ohne dass weitere Stromabnehmer von der Maßnahme betroffen gewesen wären. Zum anderen bestanden rechtliche Bedenken hinsichtlich der Durchsetzung der Stromsperre. Schließlich war den handelnden Personen klar, dass die Durchführung der Stromsperre zur Einstellung des laufenden Betriebs im Ba. führen würde.
11
Am 14. November 2012 stellte die Gemeinde S. , vertreten durch ihren neuen Bürgermeister, als Gläubigerin beim Amtsgericht Fulda einen Insolvenzantrag über das Vermögen der Ba. KG. Diese Entscheidung war am 31. Oktober 2012 im Rahmen einer Gemeindevertretersitzung getroffen worden. Ausschlaggebend hierfür war der Umstand, dass allein in den vorangegangenen fünf Monaten weitere Forderungen gegenüber der Ba. KG in Höhe von ca. 70.000 € entstanden waren. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 1. Februar 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

II.

12
1. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Untreue freigesprochen wurde (Anklagepunkt Ziff. 1); insofern fehlt es an einer wirksamen Anklage.
13
a) Dem liegt Folgendes zu Grunde:
14
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Fulda vom 21. August 2013 legt dem Angeklagten – neben dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO (Anklagepunkt Ziff. 2) – zur Last, im Tatzeitraum „seit Juni 2010“ eine Untreue zum Nachteil der Gemeinde S. gemäß § 266 Abs. 1 StGB begangen zu haben (Anklagepunkt Ziff. 1). Im konkreten Anklagesatz wird zum Untreuevorwurf einleitend dargestellt, dass der Angeklagte seit 2003 bis zu seinem Rücktritt im März 2012 Bürgermeister der Gemeinde S. war und außerdem als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG tätig wurde. Weiter werden die Beteiligungen des Angeklagten an den „Ba. gesellschaften“ aufgeführt und erläutert, dass die Gemeinde zu 100% an der K. GmbH beteiligt war, über die sie die von den „Ba. gesellschaften“ vereinnahmten Kurtaxenbeträge erhielt. Zudem wird mitgeteilt, dass von der Ba. KG seit dem Jahr 2005 Kurtaxen erhoben wurden, diese aber zumindest ab dem Jahr 2009 nicht bzw. nicht vollständig an die Gemeinde abgeführt wurden. Desweiteren werden die von der Ba. KG geschuldeten Kurtaxenbeiträge und weitere offene Verbindlichkeiten (wie Stromkosten und Grundsteuern etc.) gegenüber der Gemeinde im Zeitraum von 2008 bis 2012 dargelegt.
15
Zur Tat selbst ist in der Anklageschriftausgeführt: „Der Angeschuldigte verweigerte aber auf Anfragen des Gemeindevorstandes und der Kommunalaufsicht zunehmend die Auskunftserteilung über den Stand der Zahlungen der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten und veranlasste, obwohl er dazu verpflichtet, fähig und rechtlich in der Lage gewesen war, zumindest ab Juni 2010 nicht deren Zahlung.“ Schließlich heißt es: „Hierdurch wurden die Vermögensinteressen der Gemeinde S. , welche der Angeschuldigte als Bürgermeister und Aufsichtsrat der K. GmbH zu beachten hatte, zumindest ab der Stundungsvereinbarung vom Juni 2010 bis zu seinem Rücktritt als Bürgermeister am 2. März 2012, beeinträchtigt und es entstand der Gemeinde S. ein sich jährlich vergrößernder Schaden aufgrund der nicht gezahlten Verbindlichkeiten und Nichteinhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung in der Zeit von Juni 2010 bis Anfang 2012 von zuletzt insgesamt 284.252,31 Euro.“ Eine detailliertere Darstellung des Tatvorwurfs, insbesondere eine nähere Konkretisierung der untreuerelevanten Tathandlungen, enthält die Anklage nicht.
16
b) Die Anklageschrift genügt in Bezug auf den Vorwurf der Untreue zum Nachteil der Gemeinde (Anklagepunkt Ziff. 1) nicht den sich aus der Umgrenzungsfunktion ergebenden Mindestanforderungen an die Konkretisierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO).
17
aa) Eine Anklage ist dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel ihre Umgrenzungsfunktion betreffen (st. Rspr.; Senat, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160). Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (vgl. Senat, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 185). Die Umgrenzungsfunktion der Anklage dient dazu, den Prozessgegenstand festzulegen, mit dem sich das Gericht aufgrund seiner Kognitionspflicht zu befassen hat. Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245 jeweils mwN). Jede einzelne Tat muss sich als historisches Ereignis von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Angeschuldigten unterscheiden lassen , damit sich die Reichweite des Strafklageverbrauchs und Fragen der Verfolgungsverjährung eindeutig beurteilen lassen (Senat, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 186). Die Umstände, welche die gesetzlichen Merkmale der Straftat ausfüllen, gehören dagegen nicht zur Bezeichnung der Tat. Wann die Tat in dem beschriebenen Sinne hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles festgelegt werden (Senat, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 186). So kann sich etwa aus der besonderen rechtlichen Ausgestaltung eines Deliktstatbestands ergeben, dass erhöhte Anforderungen zu stellen sind (BGH, Beschluss vom 5. Mai 1999 – 3 StR 153/99, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 23).
18
bb) Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Umgrenzung des Prozessgegenstands wird die Anklageschrift vom 21. August 2013 im Anklagepunkt Ziffer 1 – insbesondere vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Präzisierungsgebots beim Untreuetatbestand (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 198) – nicht gerecht. Aus der Anklageschrift ergibt sich nicht hinreichend konkret, welche bestimmte Tat die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten – über die Insolvenzverschleppung hinaus – als Untreue zum Nachteil der Gemeinde zur Anklage bringen wollte. Insofern fehlt es insbesondere an der Konkretisierung eines nach § 266 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen Verhaltens des Angeklagten zum Nachteil der Gemeinde (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Februar 1995 – 2 StR630/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 10 und vom 4. Februar 2014 – 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2002 – 3 StR 315/02; wistra 2003, 111, 112).
19
(1) Der Anklagesatz enthält zunächst in Bezug auf den Untreuevorwurf lediglich eine allgemein gehaltene, zusammenfassende Schilderung, dass der Angeklagte seit Juni 2010 auf Anfragen des Gemeindevorstandes und der Kommunalaufsicht „zunehmend die Auskunftserteilung über den Stand der Zahlungen der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten verweigerte“.Diese Beschreibung reicht nicht aus, eine mögliche Untreuestraftat des Angeklagten hinreichend deutlich im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO zu umgrenzen. Es bleibt – neben der vagen zeitlichen Eingrenzung – vollständig offen, welches von anderen gleichartigen Taten abgrenzbare, individualisierbare Verhalten (Tun oder Unterlassen) im Zusammenhang mit Anfragen einer Institution (Gemeindevorstand oder Kommunalaufsicht) als untreuerelevante und zu einem Schaden der Gemeinde führende Pflichtverletzung dem Angeklagten zur Last gelegt werden soll.
20
Näheres ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Inhalt der Anklageschrift. Zwar dürfen bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGH, Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 134; Urteil vom 22. August 2001 – 5 StR 431/00, NStZ 2001, 656, 657; Beschluss vom 19. Februar 2008 – 1 StR 596/07, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; KKStPO /Schneider, 7. Aufl., § 200 Rdn. 31 mwN), wenn sich aus diesem zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09; NStZ 2010, 159, 160). Zur näheren Konkretisierung tragen die Angaben im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen vorliegend jedoch nicht bei. Hieraus ergeben sich lediglich genauere Informationen zur Person des Angeklagten, zu den Aussagen von Zeugen, den durchgeführten Finanzermittlungen sowie zur Zahlungsunfähigkeit der Ba. KG. Zu möglichen (Teil-)Akten einer Untreuehandlung des Angeklagten lässt auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen jedwede Information vermissen, insbesondere enthält es keine Angaben zu etwaigen an den Angeklagten als Bürgermeister gerichteten Anfragen von Gremien oder Aufsichtsbehörden, zu erteilten oder unterlassenen Auskünften des Angeklagten oder zu sonstigen möglichen untreuerelevanten Handlungen.
21
(2) Soweit im konkreten Anklagesatz weiter geschildert wird, der Angeklagte habe die Zahlung der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten des Ba. s nicht „veranlasst“, liegt darin ebenfalls keine hinreichende Konkretisierung der ihm zur Last gelegten Untreuetat im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dieser Sachverhalt betrifft ersichtlich sein Nichttätigwerden als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG (und nicht sein Handeln als Bürgermeister), denn nur als solcher war der Angeklagte in die betrieblichen Vorgänge des Hotels eingebunden und befugt, Zahlungen für die Gesellschaft vorzunehmen. Handlungen des Angeklagten als Geschäftsführer des Ba. s, etwa zum Nachteil einer der „Ba. gesellschaften“ – sollten nach dem Willen der Staatsanwaltschaft allerdings ausdrücklich nicht angeklagt werden, was auch der Begleitverfügung der Staatsanwaltschaft Fulda vom 21. August 2013 zu entnehmen ist, wonach das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO auf die Untreue zum Nachteil der Gemeinde und die Insolvenzverschleppung beschränkt wurde.
22
c) Die Unwirksamkeit der Anklageschrift führt zur Verfahrenseinstellung. Die Mängel der Anklageschrift konnten weder durch den Eröffnungsbeschluss vom 16. Dezember 2015, in dem das Landgericht klarstellend Ausführungen zur Konkretisierung des Anklagevorwurfs gemacht hat, noch durch einen gerichtlichen Hinweis zu Beginn der Hauptverhandlung geheilt werden.
23
Eine unwirksame Anklageschrift stellt keine taugliche Verfahrensgrundlage für das Hauptverfahren dar (LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 200 Rn. 86; Kuckein, StraFo 1997, 33, 35; SSW-StPO/Rosenau, 2. Aufl., § 200 Rn. 18). Allein der Staatsanwaltschaft obliegt die Pflicht, den Verfahrensgegenstand festzulegen (vgl. BeckOK-StPO/Ritscher, 28. Edition/Stand 1. Juli 2017, § 200 Rn. 20; MüKo-StPO/Wenske, 1. Aufl., § 200 Rn. 111; vgl. schon BGH, Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 134 im Zusammenhang mit der unzulässigen Korrektur des Tatzeitraums durch den Tatrichter, die die Identität zwischen angeklagter und abgeurteilter Tat aufhebt); es widerspräche dem Anklageprinzip des § 151 StPO, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, eine nicht hinreichend umgrenzte und damit an sich unwirksame Anklage zu konkretisieren, damit sie der erforderlichen Umgrenzungsfunktion genügt (LRStPO /Stuckenberg, 26. Aufl., § 200 Rn. 88; Kuckein, StraFo 1997, 33, 35; SSW-StPO/Rosenau, 2. Aufl., § 200 Rn. 18). Es ist dem Tatrichter deshalb versagt , eine Anklageschrift, die wie hier auch nach der unter Berücksichtigung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen gebotenen Auslegung der Umgrenzungsfunktion nicht genügt und deshalb unwirksam ist, durch Rückgriff auf außerhalb liegende Umstände zu ergänzen und damit zu heilen. Ansonsten bestünde die nicht hinzunehmende Gefahr, dass sich der Angeschuldigte im Zwischenverfahren nicht angemessen gegen einen für ihn unklaren Tatvorwurf verteidigen kann, wenn eine ausreichende Tatkonkretisierung erst durch das eröffnende Gericht vorgenommen werden würde (vgl. Krause/Thon, StV 1985, 252, 255; Schäpe, Die Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss und ihre Heilung im späteren Verfahren, S. 73 f. jeweils unter Hinweis auf den Fair-Trial Grundsatz; vgl. weitergehend auch OLG Schleswig, Beschlüsse vom 3. Mai 1995 – 1 Ws 456 und 457/94, NStZ-RR 1996, 111, 112).
24
Soweit sich einige ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit den Möglichkeiten der Heilung von Mängeln bei der Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift befassen, betrafen sie Fälle der „fortgesetzten Handlung“, bei denen es der Bundesgerichtshof für zulässig erachtet hatte, den in der Anklageschrift nicht hinreichend umgrenzten Tatvorwurf im Hinblick auf die Dauer der fortgesetzten Handlung und die Mindestzahl der Einzelakte noch „durch einen Hinweis in der Hauptverhandlung für die Verfahrensbeteiligten erkennbarer“ zu machen (BGH, Urteil vom 3. Mai 1972 – 3 StR 49/72, GA 1973, 111, 112; Senat , Urteil vom 20. Februar 1980 – 2 StR 828/79, GA 1980, 468). Diese Recht- sprechung ist mit der Aufgabe der Rechtsfigur der „fortgesetzten Handlung“ obsolet geworden (so auch MüKo-StPO-Wenske, aaO, § 200 Rn. 111; vgl. aber bei Serienstraftaten OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2008 – 3 Ss 500/07, StV 2008, 509, 510). Dies übersieht die heute noch vereinzelt in der Literatur (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 200 Rn. 26, § 207 Rn. 12; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 200 Rn. 10) und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. September 1992 – 3 Ss31/92, NStZ 1993, 147; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2008 – 3 Ss 500/07, StV 2008, 509, 510) vertretene Gegensicht, die sich zum Teil noch auf die überkommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützt, ohne ihre Rechtsauffassung im Übrigen zu begründen.
25
d) Das Urteil unterliegt insoweit der Aufhebung, das Verfahren ist einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 136 f.). Dies steht einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werdenden Anklage nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308, 309; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245 f.).
26
2. Das Rechtsmittel hat im Übrigen mit der Sachrüge Erfolg, soweit die Staatsanwaltschaft eine Verletzung des § 264 StPO rügt. Das Landgericht hat seiner umfassenden Kognitionspflicht nicht genügt.
27
a) Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 − 2 StR 308/13, NStZ 2014, 599, 600; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57; Beschluss vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 75 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 264 Rn. 10). Zur Tat im prozessualen Sinne gehört – unabhängig davon, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt – das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt (Senat, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 216 mwN). Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen – unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung – ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 17. März 2004 – 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583 mwN).
28
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in Bezug auf den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO (Anklagepunkt Ziffer 2), der nach dem Gesetz die beiden Eröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) als Tatbestandsvarianten umfasst, nicht in vollem Umfang gerecht.
29
aa) Zwar ist die Strafkammer auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass mit dem Schreiben des Gemeindevorstands vom 10. Januar 2012 Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO eingetreten ist. Es ist ungeachtet der weiteren Gespräche über den Fortbestand der Ba. KG im April 2012 rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einem „ernsthaften Geltendmachen der nunmehr fälligen Forderungen“ gegenüber der Ba. KG ausgegangen ist (vgl. hierzu Braun, InsO, 7. Aufl., § 17 Rn. 25 ff.; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – IX ZR 63/08, NZI 2009, 471, 472 f.; BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165; Senat, Beschluss vom 16. Mai 2017 – 2 StR 169/15, juris Rn. 32). Unter Berücksichtigung dieser Forderungen der Gemeinde bestanden zum 10. Januar 2012 fällige Verpflichtungen in einer Höhe, welche dieBa. KG weder aus vorhandenen Guthaben und Einnahmen noch durch die Aufnahme von Darlehen erfüllen konnte.
30
bb) Allerdings hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob neben der festgestellten Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO gegebenenfalls auch der Insolvenzgrund der Überschuldung nach § 19 InsO anzunehmen ist, wozu nach den Feststellungen Anlass bestand.
31
Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Um eine Überschuldung zu ermitteln, bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342 mwN). Zwar wird in der Anklageschrift nicht ausdrücklich auf eine bilanzielle Überschuldung der Ba. KG abgestellt. Allerdings besteht in der vorliegenden Konstellation zwischen den beiden Tatvarianten des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ein derart enger sachlicher Zusammenhang, dass das Landgericht gehalten war, neben dem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) auch die Überschuldung (§ 19 InsO) der Ba. KG im Tatzeitraum in den Blick zu nehmen und abzuurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2004 – 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583). Mögliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überschuldung lassen sich – zumal Feststellungen zum Wert des durch Investitionen erneuerten Ba. s in den Urteilsgründen fehlen – vorliegend sowohl der Anklageschrift als auch den Urteilsgründen entnehmen. Daraus ergeben sich nicht nur Verbindlichkeiten des Ba. s gegenüber der Gemeinde S. in Höhe von insgesamt mehr als 284.000 €, sondern auch Hinweise auf weitere Schulden der Ba. KG gegenüber sonstigen Gläubigern in nicht unerheblicher Höhe. So war es im Jahr 2011 zu einem Sanierungsschnitt gekommen, der an der finanziell angespannten Situation der Ba. KG nichts ändern konnte. Zahlungen auf Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäftsbetrieb des Hotels wurden vorrangig an solche Gläubiger geleistet, die ihre Forderungen mit Nachdruck geltend machten. Teilweise konnten Gehälter zunächst nur hälftig ausgezahlt werden. Schließlich weigerte sich die Sparkasse im Januar 2012, der Ba. KG eine Zwischenfinanzierung zu gewähren, ohne dass die Gemeinde einer langfristigen Finanzierung ihrer offenen Forderungen zustimmen würde.
32
cc) Das von der Anklage umfasste Tatgeschehen hatte das Landgericht – ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO – bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 − 2 StR 308/13, NStZ 2014, 599, 600 mwN). Dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2012 – 1 StR 648/11, NStZ-RR 2012, 215, 216; Urteil vom 16. Dezember 1982 – 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174, 175; Meyer-Goßner/ Schmitt, aaO, § 264 Rn. 12; KK-StPO/Kuckein, aaO, § 264 Rn. 25).
33
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch.
34
aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 5 InsO strafbar gemacht hat. Dabei hat es ausschließlich auf den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit abgestellt und angenommen, „dass der Angeklagte auch im Januar 2012 auf einen Fortbe- stand des Stillhalteabkommens vertraute bzw. die Frage der Fälligkeit der Forderungen im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO rechtsirrig verneinte“, weil er bis zuletzt davon ausgegangen sei, dass die Gemeinde die aufgelaufenen Forderungen nicht geltend machen werde. Das Landgericht hat diese Vorstellung des Angeklagten als Irrtum über den Insolvenzgrund angesehen, der einen Tatbestandsirrtum darstelle, mit der Folge, dass eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung nicht in Betracht komme.
35
bb) Ob damit ein Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzgrundes, der einen Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB darstellen würde (vgl. Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , 2. Aufl., InsO, § 15a Rn. 142; MüKo-InsO/Klöhn, 3. Aufl., § 15a Rn. 336 mwN; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 15a Rn. 66), rechtsfehlerfrei nachgewiesen ist, wird das neue Tatgericht genauer als bisher zu untersuchen haben. Bei der Prüfung des subjektiven Tatbestands des § 15a InsO wird es auch den weiteren Insolvenzgrund der Überschuldung in den Blick nehmen müssen. Bei Anzeichen einer Krise hat der Geschäftsführer einer Gesellschaft die Pflicht, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehungsprognose besteht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224 zu § 64 GmbHG aF). Ob der Angeklagte dies getan hat, hat das Landgericht nicht geprüft. Dadurch hat es sich den Blick darauf verstellt, dass der Angeklagte auch insoweit – bedingt vorsätzlich – eine Insolvenzverschleppung begangen haben könnte. Dafür würde es bereits ausreichen, wenn sich der Geschäftsführer – wie hier – trotz der Anzeichen einer Krise keine Informationen über die wirtschaftliche Lage verschafft und deshalb nichts von der Überschuldung gewusst hat (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 24. April 2008 – 8 U 5/08, NZG 2008, 778, 779 f. mwN zu § 64 GmbHG aF).
36
cc) Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht – hätte es die im Zusammenhang erwähnten Umstände und den Insolvenz- grund der Überschuldung in den Blick genommen – von einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung ausgegangen wäre. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Appl Krehl Eschelbach Bartel Grube

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.

(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.