Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil, 16. März 2018 - 7 Ca 214/17

bei uns veröffentlicht am16.03.2018

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf EUR 1.306,38 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger beansprucht von der Beklagten Urlaubsabgeltung.
Die Beklagte befindet sich in Liquidation. Sie betrieb ein Unternehmen mit Personen- und Sachtransporten. Zum 30.06.2015 hat sie ihren Betrieb eingestellt. Sie kündigte dem bei ihr beschäftigten Kläger mit Schreiben vom 26.02.2015 zum 30.04.2015. Das Bruttomonatsentgelt des Klägers belief sich auf EUR 1.258,00. Er hatte 24 Urlaubstage im Jahr. Der Kläger war vom 01.04.2015 bis zum 14.04.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 15.05.2015 hat der Kläger eine neue Arbeitsstelle. Deswegen einigten sich die Parteien auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen zum 14.04.2015. Mit Schreiben vom 11.05.2016 forderte der Kläger Entgelt für die Monate März und April 2015. Dieses hatte die Beklagte bereits im Januar 2016 bezahlt. Mit Email vom 09.03.2017 verlangte der Kläger Urlaubsabgeltung. Das lehnte die Beklagte mit Email vom 21.05.2017 ab. Mit seiner am 28.08.2017 eingegangenen, der Beklagten am 30.08.2017 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Urlaubsabgeltungsanspruch weiter.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor,
ihm stünden noch 19 Urlaubstage aus dem Jahr 2014 und acht Urlaubstage aus dem Jahr 2015 zu, die er krankheitsbedingt nicht habe nehmen können und auch nicht von seinem neuen Arbeitgeber erhalten habe. Deswegen habe die Beklagte ihm die nicht genommenen Urlaubstage abzugelten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 1.306,38 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.03.2017 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint,
der Kläger habe seinen Urlaubsabgeltungsanspruch verwirkt. Sie habe nach so langer Zeit und nach Stilllegung ihres Betriebs nicht mehr mit einem Urlaubsabgeltungsanspruch gerechnet. Unabhängig davon hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass im Interesse des Klägers wegen seiner neuen Arbeitsstelle das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet und der Kläger seinen noch offenen Urlaubsanspruch von seinem neuen Arbeitgeber gewährt werde, da sie – die Beklagte – dem Kläger seine offenen Urlaubstage wegen der vorzeitigen Beendigung nicht mehr habe gewähren können. Sie gehe davon aus, dass der Kläger seinen anteiligen Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2015 auch tatsächlich von seinem neuen Arbeitgeber erhalten habe. Resturlaub aus dem Jahr 2014 sei verfallen. Nach alle dem sei die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 15.09.2017, 01.12.2017 und vom 20.02.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
10 
Die zulässige Klage bleibt erfolglos, da sie unbegründet ist.
I.
11 
Der Kläger hat einen etwaigen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BurlG verwirkt.
12 
1. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Surrogat des Urlaubsanspruchs ist, sondern ein reiner Entgeltanspruch, kann er verfallen (vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – Rn. 26; 08.04.2014 – 9 AZR 550/12 – Rn. 12) und dementsprechend auch verwirken.
13 
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Gläubigers als auch des Schuldners hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Schuldner als unzumutbar anzusehen. Der Gläubiger muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Schuldner sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Gläubigers an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Schuldner die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG, 24.08.2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 60; 25.04.2006 – 3 AZR 372/05 – Rn. 20).
14 
2. Gemessen an dem aufgezeigten Maßstab hat der Kläger vorliegend seinen geltend gemachten Urlaubsanspruch verwirkt.
15 
Als er diesen eingeklagt hat, war das Arbeitsverhältnis bereits seit zwei Jahren und vier Monaten beendet. Außergerichtlich hat er seinen Urlaubsabgeltungsanspruch erstmals geltend gemacht, nachdem das Arbeitsverhältnis bereits fast zwei Jahre beendet war. Das Zeitmoment ist mithin gegeben. Daneben liegt auch das Umstandsmoment vor. Denn die Beklagte hatte ihren Geschäftsbetrieb zum Zeitpunkt der Klageerhebung schon seit über zwei Jahren stillgelegt und zwischenzeitlich abgewickelt. Sie befindet sich in Liquidation. Hinzu kommt, dass der Kläger seit über zwei Jahren schon eine neue Arbeitsstelle hat, das Arbeitsverhältnis deswegen einvernehmlich vorzeitig beendet worden und mit der letzten Entgeltzahlung Anfang 2016 abgewickelt war. Soweit der Kläger dennoch mit Schreiben vom 11.05.2016 Entgeltansprüche geltend gemacht hat, waren diese bereits erfüllt. Gerade auch, weil er mit diesem Schreiben außer den Entgeltansprüchen nichts weiter verlangt hat – auch keine Urlaubsabgeltung – hat die Beklagte nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger weitere zehn Monate später außergerichtlich und weitere 18 Monate später gerichtlich Urlaubsabgeltung einfordert. Vielmehr hat die Beklagte in Anbetracht des Zeitablaufs und der Umstände darauf vertrauen dürfen, dass aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Deswegen ist es ihr nunmehr nicht mehr zuzumuten, den eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruch zu erfüllen – zumal sie ihren Geschäftsbetrieb stillgelegt und abgewickelt hat.
16 
Aus diesen Gründen hat der Kläger seinen eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruch verwirkt. Darauf, ob ihm der eingeklagte Urlaubsabgeltungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach überhaupt zusteht, kommt es mithin nicht an. Die Klage war jedenfalls wegen Verwirkung abzuweisen.
II.
17 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger als die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
18 
2. Der Streitwertfestsetzung liegen § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO zugrunde. Der Streitwert entspricht der von dem Kläger eingeklagten Summe.
III.
19 
Gründe, die Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor. Die Berufung ist daher nur nach § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG zulässig.

Gründe

 
10 
Die zulässige Klage bleibt erfolglos, da sie unbegründet ist.
I.
11 
Der Kläger hat einen etwaigen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BurlG verwirkt.
12 
1. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Surrogat des Urlaubsanspruchs ist, sondern ein reiner Entgeltanspruch, kann er verfallen (vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – Rn. 26; 08.04.2014 – 9 AZR 550/12 – Rn. 12) und dementsprechend auch verwirken.
13 
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Gläubigers als auch des Schuldners hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Schuldner als unzumutbar anzusehen. Der Gläubiger muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Schuldner sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Gläubigers an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Schuldner die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BAG, 24.08.2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 60; 25.04.2006 – 3 AZR 372/05 – Rn. 20).
14 
2. Gemessen an dem aufgezeigten Maßstab hat der Kläger vorliegend seinen geltend gemachten Urlaubsanspruch verwirkt.
15 
Als er diesen eingeklagt hat, war das Arbeitsverhältnis bereits seit zwei Jahren und vier Monaten beendet. Außergerichtlich hat er seinen Urlaubsabgeltungsanspruch erstmals geltend gemacht, nachdem das Arbeitsverhältnis bereits fast zwei Jahre beendet war. Das Zeitmoment ist mithin gegeben. Daneben liegt auch das Umstandsmoment vor. Denn die Beklagte hatte ihren Geschäftsbetrieb zum Zeitpunkt der Klageerhebung schon seit über zwei Jahren stillgelegt und zwischenzeitlich abgewickelt. Sie befindet sich in Liquidation. Hinzu kommt, dass der Kläger seit über zwei Jahren schon eine neue Arbeitsstelle hat, das Arbeitsverhältnis deswegen einvernehmlich vorzeitig beendet worden und mit der letzten Entgeltzahlung Anfang 2016 abgewickelt war. Soweit der Kläger dennoch mit Schreiben vom 11.05.2016 Entgeltansprüche geltend gemacht hat, waren diese bereits erfüllt. Gerade auch, weil er mit diesem Schreiben außer den Entgeltansprüchen nichts weiter verlangt hat – auch keine Urlaubsabgeltung – hat die Beklagte nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger weitere zehn Monate später außergerichtlich und weitere 18 Monate später gerichtlich Urlaubsabgeltung einfordert. Vielmehr hat die Beklagte in Anbetracht des Zeitablaufs und der Umstände darauf vertrauen dürfen, dass aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Deswegen ist es ihr nunmehr nicht mehr zuzumuten, den eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruch zu erfüllen – zumal sie ihren Geschäftsbetrieb stillgelegt und abgewickelt hat.
16 
Aus diesen Gründen hat der Kläger seinen eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruch verwirkt. Darauf, ob ihm der eingeklagte Urlaubsabgeltungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach überhaupt zusteht, kommt es mithin nicht an. Die Klage war jedenfalls wegen Verwirkung abzuweisen.
II.
17 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger als die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
18 
2. Der Streitwertfestsetzung liegen § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO zugrunde. Der Streitwert entspricht der von dem Kläger eingeklagten Summe.
III.
19 
Gründe, die Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor. Die Berufung ist daher nur nach § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG zulässig.

Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil, 16. März 2018 - 7 Ca 214/17

Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil, 16. März 2018 - 7 Ca 214/17

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger
Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil, 16. März 2018 - 7 Ca 214/17 zitiert 7 §§.

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(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspu

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Arbeitsgericht Karlsruhe Urteil, 16. März 2018 - 7 Ca 214/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Okt. 2017 - 9 AZR 80/17

bei uns veröffentlicht am 17.10.2017

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2016 - 8 Sa 405/16 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Aug. 2016 - 5 AZR 129/16

bei uns veröffentlicht am 24.08.2016

Tenor I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 4. Dezember 2015 - 9 Sa 12/15 - unter Zurückweisung der Revision

Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Apr. 2014 - 9 AZR 550/12

bei uns veröffentlicht am 08.04.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. März 2012 - 16 Sa 322/10 - teilweise aufgehoben.

Referenzen

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2016 - 8 Sa 405/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2014 sowie die Zahlung einer Sonderurlaubsprämie.

2

Der Kläger war ab dem 1. Dezember 2013 bei der Beklagten gegen eine monatliche Vergütung von 2.650,00 Euro brutto als Mechaniker beschäftigt. In § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 2. Dezember 2013 ist geregelt, dass der Kläger 30 Werktage Urlaub erhält. Unter der Überschrift „§ 9 Ausschlussklausel“ vereinbarten die Parteien Folgendes:

        

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Der Ausschluss gilt nicht, soweit ein Anspruch auf der Haftung wegen Vorsatz beruht.“

3

Der Kläger war seit Dezember 2013 durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. September 2014 zum 31. Oktober 2014. Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht am 13. November 2015 einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 29. September 2014 fristgemäß mit Ablauf des 31. Oktober 2014 endete. In diesem Zusammenhang erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Hinweis des Klägers, es stünden noch Urlaubsansprüche offen, das Arbeitsverhältnis werde ordnungsgemäß abgerechnet. In der von der Beklagten erstellten Schlussabrechnung vom 25. November 2015 war ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen ausgewiesen.

4

Mit seiner am 18. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. Dezember 2015 zugestellten Klage hat der Kläger die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2014 mit 3.669,00 Euro brutto sowie die Zahlung einer Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto verlangt. Er hat behauptet, alle anderen Mitarbeiter der Beklagten hätten diese Prämie erhalten. Der Anspruch folge daher aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, aber auch aus betrieblicher Übung. Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, die Ausschlussfristenregelung in § 9 des Arbeitsvertrags sei rechtsunwirksam. Im Übrigen sei für die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Oktober 2014, sondern auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs am 13. November 2015 abzustellen. Danach habe er seinen Urlaubsabgeltungsanspruch fristgerecht geltend gemacht. Unabhängig davon habe er den Urlaubsabgeltungsanspruch durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage im Sinne der Ausschlussfristenregelung schriftlich geltend gemacht.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.869,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, etwaige Ansprüche des Klägers seien gemäß § 9 des Arbeitsvertrags verfallen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger zur Abgeltung seines Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2014 einen Betrag iHv. 3.669,00 Euro brutto und eine Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto zu zahlen. Die von dem Kläger erhobenen Ansprüche sind verfallen. Dem Kläger steht deshalb auch kein Zinsanspruch zu.

9

A. Der dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehende Urlaubsabgeltungsanspruch ist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags erloschen. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.

10

I. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist auf den Abgeltungsanspruch anzuwenden.

11

1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dies hat der Senat sowohl für tarifvertragliche Ausschlussfristen (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 14 ff., BAGE 139, 1) als auch für Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 28, BAGE 150, 207) entschieden.

12

2. § 9 des Arbeitsvertrags erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Zu diesen gehört ua. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 29, BAGE 150, 207; 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 17, BAGE 140, 133).

13

II. Die Regelung in § 9 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden.

14

1. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 17 mwN), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

15

2. Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (BAG 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 - Rn. 19, BAGE 154, 93; vgl. auch BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 115, 19). Die Regelung befindet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle, sondern in einem mit „Ausschlussklausel“ überschriebenen eigenen Paragrafen.

16

3. Auch § 307 Abs. 1 BGB steht der Klausel nicht entgegen.

17

a) Die Klausel verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine einzelvertragliche Verfallfrist, die wie § 9 des Arbeitsvertrags eine Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von mindestens drei Monaten verlangt, begegnet in AGB-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken(vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - zu II 5 der Gründe, BAGE 116, 66; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV der Gründe, BAGE 115, 19).

18

b) Die Klausel ist auch nicht intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ordnet eindeutig den Verfall der Ansprüche an, wenn diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

19

c) Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB läge für den streitgegenständlichen Zeitraum selbst bei einer Auslegung von § 9 des Arbeitsvertrags nicht vor, der zufolge die Klausel grundsätzlich auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG erfasste(vgl. zu dieser Auslegung: MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 27; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 17. Aufl. § 66 Rn. 43; Sagan/Witschen jM 2014, 372, 376; Nebel/Kloster BB 2014, 2933, 2936; unentschieden: Preis/Ulber Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz S. 53 f.; Bayreuther NZA 2014, 865, 870; vgl. zu § 9 AEntG BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 21, BAGE 156, 150).

20

aa) Wegen der Einbeziehung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn verstieße sie dann zwar gegen § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Die Norm erfasst ua. Regelungen über Ausschlussfristen, soweit diese (auch) zur Vermeidung des Verfalls des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn dessen rechtzeitige Geltendmachung verlangen. Denn Ausschlussfristen betreffen die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs (vgl. BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 31 mwN, BAGE 137, 249). Sie beschränken somit iSv. § 3 Satz 1 MiLoG die Geltendmachung des (Mindestlohn-)Anspruchs in zeitlicher Hinsicht.

21

bb) Vorliegend muss der Senat nicht entscheiden, ob der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Gesamtunwirksamkeit einer Verfallklausel nach § 306 BGB führt, dessen Rechtsfolgen nicht nur zur Anwendung kommen, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 23, BAGE 156, 150; 19. Juni 2012 - 9 AZR 712/10 - Rn. 21 mwN). Unabhängig davon, ob für die Prüfung der Wirksamkeit einer Formularklausel im Individualprozess allein auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist und nachträgliche Gesetzesänderungen grundsätzlich keine Änderung des Prüfungsmaßstabs mehr bewirken können (vgl. BGH 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 - Rn. 31, 38, BGHZ 201, 363; 4. Februar 2009 - VIII ZR 66/08 - Rn. 15; Palandt/Grüneberg 76. Aufl. § 307 Rn. 7; Staudinger/Coester [2013] § 307 Rn. 100) oder eine Klausel bei Dauerschuldverhältnissen auch einer AGB-Kontrolle im Lichte des geänderten Rechts zu unterziehen ist (vgl. Palandt/Grüneberg aaO; Sagan RdA 2017, 264, 267), ist der vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte § 9 des Arbeitsvertrags jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht am Maßstab des § 3 Satz 1 MiLoG zu messen.

22

(1) Die Ausschlussfristenregelung weicht nicht zu Ungunsten des Klägers von der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Mindestlohns aus § 1 MiLoG ab. Denn sein Arbeitsverhältnis war bereits mit Ablauf des 31. Oktober 2014 rechtlich beendet. Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BGBl. I 2014, 1348) eingeführt und am 16. August 2014 am Tag nach seiner Verkündung (Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz) in Kraft getreten. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht erst seit dem 1. Januar 2015 (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 16, BAGE 157, 356; 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, BAGE 155, 202). Das MiLoG greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbare Tarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - aaO). Der den Schutz des Mindestlohnanspruchs bezweckende § 3 Satz 1 MiLoG setzt eine zeitliche Parallelität von arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltansprüchen einerseits und dem Mindestlohnanspruch andererseits voraus. Ein zeitliches Nebeneinander dieser Ansprüche war vor Geltung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 ausgeschlossen.

23

(2) Für den streitgegenständlichen Zeitraum scheidet auch ein Verstoß der Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB aus(vgl. zu einem Verstoß gegen § 9 Satz 3 AEntG BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 28 ff., BAGE 156, 150).

24

(a) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden (st. Rspr., zB BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 29, BAGE 156, 150; 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286). Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - aaO mwN).

25

(b) Danach war die Ausschlussfristenregelung in § 9 des Arbeitsvertrags jedenfalls für Ansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2015 nicht intransparent. Die Klausel stellte die Rechtslage nicht irreführend dar. Sie konnte dem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht den Eindruck vermitteln, er müsse auch den noch nicht in Kraft gesetzten Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG innerhalb der dort vorgesehenen Frist schriftlich geltend machen. Es bestand insoweit nicht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte (aus dem MiLoG) abgehalten wird.

26

d) Der in § 9 des Arbeitsvertrags angeordnete Verfall ist auch unabhängig davon wirksam, ob der Anspruch auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs oder auf Abgeltung des übergesetzlichen Mehrurlaubs gerichtet ist. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9) entgegen (vgl. ausf. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 32 ff. mwN).

27

III. Der Kläger hat die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und auf eine Sonderurlaubsprämie nicht binnen der dreimonatigen Ausschlussfrist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags geltend gemacht.

28

1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2014 fällig. Der Kläger hätte ihn deshalb spätestens bis zum 31. Januar 2015 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt.

29

a) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des ihm nicht gewährten Urlaubs entsteht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt fällig(BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 758/12 - Rn. 14; 6. August 2013 - 9 AZR 956/11 - Rn. 22). Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Fehlen Sonderregelungen, gilt der Grundsatz sofortiger Fälligkeit der Leistung (BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 758/12 - aaO; 8. April 2014 - 9 AZR 550/12 - Rn. 15). Dies gilt auch in Fällen, in denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 23; 9. August 2011 - 9 AZR 352/10 - Rn. 19 ff.). Ein Auseinanderfallen von Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Solche liegen beispielsweise vor, wenn es dem Gläubiger praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist etwa der Fall, wenn die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 37).

30

b) Die für den Lauf der Ausschlussfrist maßgebliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien trat durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2014 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Oktober 2014 ein. Das vom Kläger eingeleitete Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich haben auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und dessen Fälligkeit keinen Einfluss.

31

aa) Die Kündigung ist eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sie gehört zu den rechtsvernichtenden (negativen) Gestaltungsrechten. Ein Gestaltungsrecht gewährt die Macht zur Gestaltung konkreter Rechtsbeziehungen durch einseitiges Rechtsgeschäft. Durch rechtsvernichtende Gestaltungsrechte wie eine Kündigung wird im Ausübungsfall regelmäßig einseitig und unmittelbar in eine fremde rechtliche Sphäre eingebrochen. Die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses führt die gewollten Rechtswirkungen zu dem gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei. Ihre Gestaltungswirkung tritt aber bereits unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung, durch die sie ausgeübt wird, ein, wobei es auf die Rechtslage beim Zugang der einseitigen Willenserklärung ankommt (BAG 21. März 2013 - 6 AZR 618/11 - Rn. 15 mwN).

32

bb) Einigen sich die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die streitgegenständliche Kündigung und auf die Beendigung des Rechtsstreits, liegt darin die Aufgabe einer Rechtsposition - der reklamierten Unwirksamkeit der Kündigung - und - durch die Einwilligung in die Beendigung des Kündigungsrechtsstreits - zugleich eine weiter reichende materiell-rechtliche Auswirkung. Die Abrede führt, sofern die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ausnahmsweise noch nicht abgelaufen ist, zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Dies wiederum ist für den Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Verzicht auf weitere Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren können. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt das Einverständnis mit der Prozesserledigung, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund - der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG - greift(BAG 24. September 2015 - 2 AZR 716/14 - Rn. 33, BAGE 153, 20).

33

cc) Durch die Kündigung vom 29. September 2014 zum 31. Oktober 2014 hat die Beklagte einseitig ihr Gestaltungsrecht ausgeübt und dadurch unmittelbar auf die Rechtsbeziehung zum Kläger eingewirkt. Der Kläger war bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist berechtigt, die Abgeltung seiner bis zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Urlaubsansprüche zu verlangen. Unabhängig davon haben sich die Parteien mit dem Prozessvergleich vom 13. November 2015 nicht nur darauf verständigt, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist, sondern auch die Rechtswirkung des § 7 KSchG herbeigeführt. Die Kündigung gilt damit als von Anfang an rechtswirksam. Durch den Vergleich haben die Parteien bezogen auf die Kündigung selbst keine Änderung gegenüber der durch die Ausübung des Gestaltungsrechts herbeigeführten Situation vorgenommen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs besteht, waren dem Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt, dh. der mit Ablauf der Kündigungsfrist eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bekannt.

34

2. Der Kläger hat den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht fristgerecht geltend gemacht.

35

a) Entgegen seiner Rechtsauffassung hat er die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage im Jahr 2014 nicht gewahrt.

36

aa) Mit einer Bestandschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängigen Ansprüche, insbesondere die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 27, BAGE 149, 169; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14, BAGE 143, 119).

37

bb) Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft nicht an den Erfolg der Kündigungsschutzklage, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, an, sondern setzt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. Will der Arbeitnehmer den Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 24). Die Erhebung einer Bestandsschutzklage vermag eine ausdrückliche schriftliche Geltendmachung nur insoweit zu ersetzen, als sie dieselbe Zielrichtung verfolgt, dh. einen mit dieser vergleichbaren Bedeutungsgehalt aufweist. Zur Geltendmachung im Sinne einer Ausschlussfristenregelung muss der Anspruchsinhaber unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 1000/13 - Rn. 24, BAGE 152, 221; 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 24, BAGE 144, 210). Mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage bringt der Arbeitnehmer deutlich zum Ausdruck, dass er das für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung maßgebliche Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade als nicht gegeben ansieht. Ohne weitere Anhaltspunkte (zB einen echten Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung) kann der Arbeitgeber einer Bestandsschutzklage als solcher nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass der Arbeitnehmer (auch) auf die Erfüllung solcher Ansprüche besteht, die nicht an den mit seiner Klage bezweckten rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen.

38

b) Dem Kläger wird mit diesem Verständnis keine im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG stehende übersteigerte Obliegenheit auferlegt.

39

aa) Bei der Auslegung und Anwendung von Ausschlussfristen ist das in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dem Arbeitnehmer dürfen keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht (BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 f.).

40

bb) Die Obliegenheit zur - außergerichtlichen - schriftlichen Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs während des laufenden Bestandsschutzverfahrens stellt für den Arbeitnehmer weder in tatsächlicher Hinsicht unzumutbare Hürden auf noch eine überobligatorische Kostenbelastung dar. Sie besteht völlig unabhängig vom Bestandsschutzprozess, führt dort nicht zu einer Streitwerterhöhung und trifft Arbeitnehmer, die keine Bestandsschutzklage erhoben haben, gleichermaßen.

41

c) Der Kläger hat den streitgegenständlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erst nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 13. November 2015 und damit außerhalb der dreimonatigen Frist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags schriftlich geltend gemacht.

42

IV. Mit Abschluss des Vergleichs vom 13. November 2015 hat die Beklagte weder auf die Geltung von Ausschlussfristen verzichtet noch haben die Parteien dadurch den bereits verfallenen Urlaubsabgeltungsanspruch wiederbegründet.

43

1. Dabei kann offenbleiben, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; offengelassen von BAG 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 23, BAGE 153, 365). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

44

2. Der Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs selbst bietet keine Anhaltspunkte für einen Verzicht auf die Ausschlussfrist bzw. ein Wiederaufleben des bereits verfallenen Urlaubsabgeltungsanspruchs des Klägers. Eine Urlaubsabgeltung wird im Vergleich nicht erwähnt. Die ausdrückliche Regelung des mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang stehenden Zeugnisanspruchs spricht eher gegen einen Willen der Parteien, eine Regelung über den ebenfalls von der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung treffen zu wollen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass auch die Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht keine Zusage beinhalteten, die Urlaubsabgeltung noch leisten zu wollen. Etwaige Hinweise, die Beklagte werde berechtigte Ansprüche des Klägers regulieren bzw. sie werde das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnen, erlauben nicht die Annahme eines auf Beklagtenseite vorliegenden Rechtsbindungswillens, auf eine Ausschlussfrist zu verzichten und danach bereits verfallene Ansprüche zu erfüllen. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte, die einen solchen Rückschluss zulassen, hat der Kläger nicht vorgetragen.

45

3. Der Kläger kann sich zur Anspruchsbegründung auch nicht auf die von der Beklagten unter dem 25. November 2015 erstellte Schlussabrechnung stützen. Er hat keine besonderen Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden kann, dass die Beklagte mit der Abrechnung auf alle Einwendungen verzichten wollte (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 41; 12. Dezember 2000 - 9 AZR 508/99 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 96, 344).

46

B. Der vom Kläger reklamierte Anspruch auf eine Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto ist ebenfalls gemäß § 9 des Arbeitsvertrags verfallen. Sein Entstehen unterstellt, war der Anspruch spätestens mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2014 fällig. Der Kläger hat ihn jedoch erst nach dem 13. November 2015 schriftlich geltend gemacht.

47

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Starke    

        

    Gell    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. März 2012 - 16 Sa 322/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird insgesamt zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21. Januar 2010 - 4 Ca 955/09 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über Urlaubsabgeltung und zusätzliche Urlaubsvergütung (Urlaubsgeld) für die Jahre 2007 und 2008.

2

Die Klägerin war vom 14. März 1984 bis zum 10. Dezember 2008 bei der Beklagten als Monteurin beschäftigt. Sie bezog zuletzt ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 1.674,61 Euro brutto, welches sich durch regelmäßige Entgeltbestandteile um durchschnittlich 30,92 Euro pro Tag erhöhte. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit richtete sich das Arbeitsverhältnis ua. nach den Vorschriften des „Einheitlichen Manteltarifvertrags“ für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 (EMTV). In diesem heißt es zum Urlaub und zum Arbeitsentgelt ua.:

        

§ 11 

        

Grundsätze der Urlaubsgewährung

        

1.    

Beschäftigte/Auszubildende haben nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

                          
                 

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.

                 

Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch zwölf Monate nach Ablauf des Zeitraums nach Abs. 2.

        

…       

        
        

3.    

Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Ausbildungsverhältnisses zulässig.

                 

Die Urlaubsabgeltung entfällt ausnahmsweise, wenn der/die Beschäftigte durch eigenes schwerwiegendes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.

                 

Die hiernach verwirkte Urlaubsvergütung ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einer betrieblichen Unterstützungseinrichtung zuzuführen oder sonst zugunsten der Beschäftigten zu verwenden. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Zuführung oder Verwendung ist nach § 24 zu verfahren.

        

…       

        
        

§ 13   

        

Urlaubsdauer

        

1.    

Der Urlaub beträgt für Beschäftigte/Auszubildende 30 Arbeitstage/Ausbildungstage bei einer Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf fünf Tage/Woche.

        

…       

        
        

§ 14   

        

Urlaubsvergütung

        

1.    

Den Beschäftigten und Auszubildenden wird während des Urlaubs das regelmäßige Arbeitsentgelt/die regelmäßige Ausbildungsvergütung weitergezahlt (berechnet nach § 16).

                 

Sie erhalten darüber hinaus eine zusätzliche Urlaubsvergütung, die bei 30 Urlaubstagen gemäß § 13 Nr. 1 je Urlaubstag 2,4 % des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts/der regelmäßigen Ausbildungsvergütung ausmacht. In den Fällen des § 13 Nr. 4 ist der Prozentsatz wertgleich anzupassen.

                 

Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Urlaubsvergütung sind die festen Entgeltbestandteile des laufenden Monats zuzüglich des Monatsdurchschnitts der gemäß § 16 Nr. 1 zu berücksichtigenden variablen Entgeltbestandteile der letzten sechs abgerechneten Monate.

        

2.    

Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.

                 

Fällt ein Zahlungstermin für Entgelt oder Ausbildungsvergütung in die Urlaubszeit, so ist das Entgelt oder die Ausbildungsvergütung auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Beginn des Urlaubs auszuzahlen. Stattdessen kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.

        

3.    

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, dass die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Urlaubsjahr spätestens mit der Abrechnung für den Monat Juni, bei Eintritt im Laufe des Urlaubsjahres mit der Abrechnung im Monat Dezember ausgezahlt wird. Steht dem/der Beschäftigten/Auszubildenden bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis ein anteiliger Urlaubsanspruch zu, kann die zu viel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden.

        

§ 15   

        

Monatsentgelt

        

I       

Monatsentgelt

        

1.    

Die Beschäftigten erhalten ein Monatsentgelt als regelmäßiges Arbeitsentgelt.

        

2.    

Das Monatsentgelt setzt sich zusammen aus

                 

-       

den festen Entgeltbestandteilen,

                 

-       

den variablen Entgeltbestandteilen.

        

3.    

Feste Entgeltbestandteile des Monatsentgelts sind

                 

-       

das tarifliche Monatsgrundentgelt entsprechend der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach den Bestimmungen des Entgeltabkommens,

                 

-       

weitere monatlich stetige Entgeltbestandteile (alle Zulagen, Zuschläge und sonstige Vergütungen, die regelmäßig und in gleicher Höhe anfallen).

        

4.    

Variable Entgeltbestandteile des Monatsentgelts sind

                 

-       

leistungsabhängige variable Entgeltbestandteile,

                 

-       

zeitabhängige variable Entgeltbestandteile,

                 

-       

sonstige variable Entgeltbestandteile.

                 

Die variablen Entgeltbestandteile werden aus dem Vormonat ermittelt. Sie werden aus dem laufenden Monat ermittelt, wenn gemäß Nr. 11 ein späterer Auszahlungstermin als der letzte Banktag des Kalendermonats vereinbart worden ist.

        

5.    

Zu den leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteilen gehören die über das Monatsgrundentgelt hinausgehenden leistungsbezogenen Entgeltbestandteile (einschließlich der Leistungsentgeltdurchschnitte), die nicht verstetigt sind.

        

6.    

Zu den zeitabhängigen variablen Entgeltbestandteilen gehören die Vergütungen für Mehrarbeit, die Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, die Vergütungen für Reisezeit nach § 5 II sowie sonstige zeitbezogene Zulagen und Zuschläge.

        

7.    

Zu den sonstigen variablen Entgeltbestandteilen des Monatsentgelts gehören alle sonstigen Vergütungen, die nicht regelmäßig oder nicht in gleicher Höhe wiederkehren.

        

8.    

Einmalzahlungen (z. B. Jahressonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütungen), vermögenswirksame Leistungen sowie Aufwendungsersatz gehören nicht zum Monatsentgelt. Diese Ansprüche werden unabhängig von den Regelungen des Monatsentgelts erfüllt.

        

…       

        
        

10.     

Der Abrechnungszeitraum für das Monatsentgelt ist der Kalendermonat.

        

11.     

Den Beschäftigten muss das Monatsentgelt spätestens zum Schluss des Kalendermonats (am letzten Banktag) zur Verfügung stehen.

                 

Hiervon abweichende Auszahlungstermine, insbesondere zur Ermöglichung einer gemeinsamen Abrechnung der variablen mit den festen Entgeltbestandteilen des Monats, können betrieblich vereinbart werden.

        

12.     

Die Abrechnung des Monatsentgelts erfolgt in Textform. Aus ihr müssen die festen und variablen Bestandteile des Monatsentgelts ersichtlich sein.

        

…       

        
        

§ 16   

        

Berechnung des weiterzuzahlenden regelmäßigen Arbeitsentgelts/…

        

1.    

In allen Fällen, in denen dieser Tarifvertrag Anspruch auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts regelt, werden für die Berechnung die festen Entgeltbestandteile des Monatsentgelts (Monatsgrundentgelt und stetige Entgeltbestandteile) zu Grunde gelegt, die der/die Beschäftigte erhalten haben würde, wenn er/sie gearbeitet hätte.

                 

Zusätzlich erhält er/sie die leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Erschwerniszuschläge, individuelle Prämien, Provisionen und Zulagen aus dem Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate, jedoch ohne das Mehrarbeitsentgelt gemäß § 6 Nr. 1.

                 

…“    

3

§ 19 EMTV regelt für die Geltendmachung und den Ausschluss von Ansprüchen ua. Folgendes:

        

„…    

        
        

2.    

Beschäftigte/Auszubildende haben das Recht, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis innerhalb folgender Fristen geltend zu machen:

                 

a)    

Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Abrechnung,

                 

b)    

alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

        

…       

        
        

4.    

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert waren, diese Fristen einzuhalten.

        

…“    

        
4

Nach der bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Regelung erfolgen die monatlichen Entgeltzahlungen spätestens bis zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats. Die zusätzliche Urlaubsvergütung ist nach § 6 des bei der Beklagten geltenden Sanierungstarifvertrags vom 18. Dezember 2006 ab dem Kalenderjahr 2007 jeweils mit der Vergütung für Juni zu zahlen.

5

Die Klägerin war seit dem 31. Januar 2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 10. Dezember 2008 arbeitsunfähig krank. Sie bezog seit dem 1. August 2006 wegen voller Erwerbsminderung eine zunächst befristete Rente, die mit Bescheid vom 5. August 2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weitergewährt wurde. Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 9. Januar 2009 eine Entgeltabrechnung für Dezember 2008. In dieser wurde der Urlaubsanspruch der Klägerin mit null Tagen angegeben, während eine am 5. Dezember 2008 für November 2008 erteilte Abrechnung einen Urlaubanspruch der Klägerin von 13 Tagen ausgewiesen hatte.

6

Die Klägerin verlangte mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 26. Januar 2009 die Auszahlung einer Urlaubsvergütung für 13 Urlaubstage aus den Jahren 2005 und 2006, die sie einschließlich eines Urlaubsgelds von 50 % mit 2.430,68 Euro brutto berechnete. Mit weiterem Schreiben vom 25. März 2009 machte sie für Urlaubsansprüche aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 im Umfang von insgesamt 58 Arbeitstagen eine weitere Urlaubsvergütung von 7.229,70 Euro brutto geltend. Mit ihrer Klageschrift vom 30. März 2009 beanspruchte sie die Abgeltung ihres tariflichen Urlaubsanspruchs im Umfang von jeweils 30 Tagen für die Jahre 2006, 2007 und anteilig für das Jahr 2008 sowie Urlaubsgeld iHv. insgesamt 16.453,80 Euro brutto. Die Klageschrift übermittelte die Klägerin der Beklagten am 31. März 2009 zum Zwecke der Geltendmachung ihrer Ansprüche per Telefax. Das Original der Klageschrift ging am 1. April 2009 beim Arbeitsgericht ein.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.453,80 Euro brutto, hilfsweise 7.229,70 Euro brutto, äußerst hilfsweise 2.430,06 Euro brutto, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin seien während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente nicht entstanden. Im Übrigen seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche infolge der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 11.167,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2009 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht unter jeweiliger Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.524,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten und an die Klägerin Urlaubsgeld zu zahlen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen.

11

I. Die Regelungen in § 19 EMTV gelten für die tarifgebundenen Parteien(§ 3 Abs. 1 TVG) gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Nach § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV sind alle nicht in § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV genannten Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen, damit sie nicht gemäß § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen sind. Das Schreiben der Klägerin vom 25. März 2009 wahrte die Ausschlussfrist ebenso wenig wie die Übersendung der Klageschrift an die Beklagte per Telefax zum Zwecke der Geltendmachung der Abgeltungsansprüche am 31. März 2009.

12

1. Der Anspruch auf Abgeltung des nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit bestehenden gesetzlichen Mindesturlaubs kann aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen (BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 16 f., BAGE 139, 1). Er ist nicht in dem Sinne Surrogat des Urlaubsanspruchs, dass für ihn dieselben Regeln wie für den Urlaubsanspruch gelten, sondern ist ein reiner Geldanspruch. Er unterfällt deshalb den Bedingungen, die nach dem anwendbaren Tarifvertrag für die Geltendmachung von Geldansprüchen vorgeschrieben sind. Solche Ausschlussfristen können dabei kürzer als ein Jahr sein. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellte Rechtssatz, dass die Dauer des Übertragungszeitraums, innerhalb dessen der Urlaubsanspruch bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen kann, die Dauer des Bezugszeitraums deutlich übersteigen muss, ist auf die Mindestlänge einer tariflichen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht übertragbar (BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 31, BAGE 140, 133; vgl. auch BAG 18. September 2012 - 9 AZR 1/11 - Rn. 27).

13

2. Die Klägerin hat Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nicht rechtzeitig geltend gemacht. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch keinen Anspruch auf „Zuschläge“ iSd. § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV darstellt, ist er innerhalb von drei Monaten nach seiner Fälligkeit geltend zu machen (§ 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV). Ansonsten ist der Anspruch nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.

14

a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 10. Dezember 2008 fällig. Der Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses(BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 45, BAGE 142, 371; 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, BAGE 139, 1). Das Arbeitsverhältnis endete nach der von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts zum 10. Dezember 2008.

15

aa) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung gemäß § 271 BGB sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Fehlen Sonderregeln, gilt der Grundsatz sofortiger Fälligkeit der Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg 73. Aufl. § 271 BGB Rn. 2). Das gilt auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch, der grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 18, BAGE 139, 1; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 67).

16

bb) Der EMTV enthält für die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine vom Grundsatz der sofortigen Fälligkeit abweichende Sonderregelung. Zwar ist es grundsätzlich zulässig zu vereinbaren, dass die Urlaubsabgeltung in die allgemeine Abrechnung einbezogen und zum Beispiel erst zum Monatsende mit der letzten Entgeltzahlung fällig wird (vgl. BAG 21. September 2010 - 9 AZR 510/09 - Rn. 32, BAGE 135, 312). Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf eine finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG gerichtete reine Geldforderung darstellt(vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, BAGE 139, 1). Auch kann es im Interesse des Arbeitgebers liegen, bei einer Beendigung im laufenden Monat die Urlaubsabgeltung nicht getrennt von anderen Ansprüchen abrechnen und auszahlen zu müssen. Die Tarifvertragsparteien des EMTV haben jedoch keine eigenständige Regelung zur Fälligkeit der Urlaubsabgeltung getroffen. Nach § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV in Verbindung mit der bei der Beklagten bestehenden Regelung muss den Beschäftigten das Monatsentgelt spätestens zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats zur Verfügung stehen. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass der Tarifvertrag den Begriff des Monatsentgelts in § 15 EMTV selbstständig definiert. Nach § 15 Abschn. I Nr. 2 EMTV setzt sich das Monatsentgelt aus den festen und den variablen Entgeltbestandteilen zusammen. Diese sind wiederum in § 15 Abschn. I Nr. 3 ff. EMTV definiert. Die Urlaubsabgeltung fällt weder unter die festen noch unter die variablen Entgeltbestandteile. Vielmehr ist sie eine Einmalzahlung iSd. § 15 Abschn. I Nr. 8 EMTV. Der Begriff der Einmalzahlung wird in dieser Tarifbestimmung durch eine beispielhafte, aber nicht abschließende Aufzählung („Jahressonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütungen“) konkretisiert. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich um eine einmalige Zahlung, durch die nicht gewährter Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten wird. Einmalzahlungen sind nach § 15 Abschn. I Nr. 8 Satz 2 EMTV unabhängig von den Regelungen zum Monatsentgelt zu erfüllen. Die Fälligkeitsregelung des § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV einschließlich der dort vorgesehenen Möglichkeit der abweichenden betrieblichen Regelung gilt damit für die Urlaubsabgeltung nicht.

17

b) Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt iSd. § 19 Nr. 4 EMTV verhindert war, die Ausschlussfrist einzuhalten(zu diesem Ausnahmetatbestand: vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 494/12 - Rn. 12 ff.). Es ist auch sonst nicht erkennbar, warum die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, die tarifliche Ausschlussfrist von drei Monaten zu wahren.

18

II. Die Klägerin ist auch mit etwaigen Ansprüchen auf zusätzliche Urlaubsvergütung nach § 14 Nr. 1 Abs. 2 und Abs. 3 EMTV (Urlaubsgeld) ausgeschlossen. Das Urlaubsgeld war wie der Urlaubsabgeltungsanspruch innerhalb der Frist des § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV geltend zu machen. Es war spätestens mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Urlaubsgeld akzessorisch zur Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung ausgestaltet ist. Etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld sind damit mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen.

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Preuß    

        

    Starke    

                 

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 4. Dezember 2015 - 9 Sa 12/15 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 19. Mai 2015 - 5 Ca 478/14 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.909,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 67 % und die Beklagte zu 33 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Entsorgungs- und Recyclingunternehmen, vom 19. Mai 2008 bis zum 31. Mai 2014 als Wiegemeisterin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag zunächst ein Arbeitsvertrag vom 13. Mai 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008) zugrunde, in dem ua. geregelt war:

        

㤠1

        

…       

        

4. Arbeitszeit:

        

Die Arbeitszeiten werden von der Betriebsleitung nach arbeitstechnischen Gesichtspunkten festgesetzt und dem Arbeitnehmer rechtzeitig im Voraus mitgeteilt.

        

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt derzeit ca. 45,00 Stunden wöchentlich.

        

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers Mehrarbeit im Rahmen der geltenden Bestimmungen der Arbeitszeitordnung zu leisten.

        

§ 2 Arbeitsentgelt

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält folgendes Arbeitsentgelt (Bruttolohn) je Stunde:

                 

Grundlohn: 11,00 € / Std.

                 

…“    

3

Ab Mitte Juli 2008 arbeitete die Klägerin von Montag bis Freitag jeweils von 06:00 bis 17:00 Uhr mit einer unbezahlten Pause von 30 Minuten. Im Jahr 2010 erzielte sie einen Verdienst von 30.612,72 Euro brutto.

4

Einen später eingestellten Wiegemeister beschäftigte die Beklagte zu günstigeren Konditionen im Angestelltenverhältnis. Nachdem die Klägerin dies erfahren hatte, bat sie um Übernahme ins Angestelltenverhältnis.

5

Am 21. Februar 2011 suchten Mitarbeiterinnen der Beklagten die Klägerin in ihrem Büro auf und legten ihr nachfolgendes Schreiben vor:

        

„Übernahme ins Angestelltenverhältnis

        

Frau H

        

Derzeitiger Brutto-Monatslohn:

2.551,06 €

        

Derzeitiger Jahresverdienst:

30.612,72 €

        

Neues Brutto-Monatsgehalt:

2.500,00 €

        

Neuer Jahresverdienst (inklusive

        
        

13. Monatsgehalt)

32.500,00 €

        

➔ Ergibt eine effektive Gehaltserhöhung von 6,2 %.“

6

Zuvor hatten die Parteien besprochen, die bisherigen Arbeitszeiten der Klägerin beizubehalten.

7

Am 1. März 2011 schlossen die Parteien einen von der Beklagten formulierten „Anstellungsvertrag“ (im Folgenden Arbeitsvertrag), in dem es ua. heißt:

        

㤠3

Entgelt

        

Das monatlich nachträglich zu zahlende Bruttogehalt beträgt € 2.500,00. Der Arbeitgeber gewährt, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse dies zulassen, ein 13. Monatsgehalt, das mit dem Dezember-Gehalt zeitanteilig ausbezahlt wird.

        

Scheidet die Arbeitnehmerin während des Jahres aus, erfolgt eine zeitanteilige Vergütung. …

        

§ 4

Arbeitszeit

        

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich und wird durch unser Zeiterfassungssystem erfasst.

        

Die derzeitige Arbeitszeit ist wie folgt festgelegt:

        

6:00 h

bis     

12:00 h

        

12:00 h

bis     

12:30 h (Pause)

        

12:30 h

bis     

17:00 h

        

…“    

8

Die Klägerin arbeitete nach der Vertragsänderung weiterhin an fünf Tagen der Woche zwischen 06:00 und 17:00 Uhr. Über 10,5 Stunden hinaus geleistete Arbeitsstunden machte die Klägerin als Überstunden geltend und erhielt hierfür entsprechend den von ihr gestellten Anträgen Freizeitausgleich.

9

Nach einer Beanstandung durch das Gewerbeaufsichtsamt reduzierte die Beklagte die tägliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 1. November 2013 auf 9,5 Stunden und kürzte das Bruttomonatsgehalt von 2.500,00 Euro auf 2.265,00 Euro. Nach Protest der Klägerin zahlte die Beklagte die Vergütungsdifferenz für die Monate November und Dezember 2013 nach. Ende Februar 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe.

10

Mit der am 30. Dezember 2014 eingereichten Klage hat die Klägerin, nach vorangegangener erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 wöchentlich über 40 Stunden hinaus geleistete 12,5 Arbeitsstunden Vergütung verlangt. Die vereinbarte Vergütung sei nach dem Arbeitsvertrag für eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zu zahlen. Die in § 4 Arbeitsvertrag wiedergegebenen Arbeitszeiten seien nur die betriebsüblichen Bedienzeiten an der Waage. Eine Festlegung des zeitlichen Umfangs der von ihr geschuldeten Arbeitsleistung sei damit nicht verbunden gewesen. Jedenfalls seien die über die gesetzlich zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden zusätzlich zu vergüten.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.965,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2014 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe mit der Klägerin vereinbart, es solle die bisherige tägliche Arbeitszeit von 10,5 Stunden beibehalten und der Bruttojahresverdienst von 32.500,00 Euro als Gegenleistung für eine wöchentliche Arbeitsleistung von 52,5 Stunden gezahlt werden. Die Klägerin habe durch die Änderung des Vertrags eine Gehaltserhöhung von 6,2 % erhalten sollen und nicht von 33,99 %. Zur Erwähnung von 40 Stunden im Arbeitsvertrag sei es gekommen, weil ein Formulararbeitsvertrag verwendet wurde. Die über das gesetzlich zulässige Maß hinaus geleistete Arbeitszeit sei nicht zu vergüten. Dies gebiete der Schutzzweck von § 3 ArbZG. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin verwirkt.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

15

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Vergütung von wöchentlich 12,5 Arbeitsstunden, die die Klägerin unstreitig vom 1. März 2011 bis zum 30. September 2013 innerhalb einer konkret bezeichneten Zeitspanne über eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus arbeitete. Die Vergütung von Pausenzeiten ist nicht Gegenstand der Klage.

16

B. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

17

Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleistete 4,5 Arbeitsstunden. Diese Stunden sind nicht mit dem vereinbarten Jahresverdienst von 32.500,00 Euro brutto entgolten. Die Klägerin schuldete für das vereinbarte Arbeitsentgelt lediglich eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche der Klägerin für wöchentlich im Streitzeitraum geleistete 48 Arbeitsstunden erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

18

I. Die Parteien haben, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, vor Unterzeichnung des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags in einer konkludent getroffenen individuellen Vertragsabrede eine wöchentliche Arbeitszeit von 52,5 Stunden vereinbart. Dies ergibt die Auslegung der von ihnen abgegebenen nichttypischen Erklärungen, die nach § 305b BGB den Regelungen des Formulararbeitsvertrags vorgehen.

19

Individualabreden können - weiter gehend als in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB oder § 310 Abs. 3 Nr. 2 letzter Halbsatz BGB geregelt - grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Vertragsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 39, BAGE 139, 156). Auch können sie auf mündlichen Erklärungen der Parteien beruhen (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 27 ff., BAGE 126, 364). Eine solche Abrede haben die Parteien getroffen, indem sie vor Unterzeichnung des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags den Umfang der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung und die Höhe der hierfür von der Beklagten als Gegenleistung geschuldeten Vergütung vereinbarten. Die Vereinbarung hat im Rahmen ihrer Wirksamkeit vor den Regelungen des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags Vorrang.

20

1. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang atypische Erklärungen der Parteien haben, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 20, BAGE 138, 136). Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 27, BAGE 149, 144). Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., zB BAG 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 27 mwN, aaO).

21

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Erklärungen der Parteien nicht vollständig ausgelegt, indem es offenließ, ob diese als Individualabrede zu qualifizieren seien, und deren Bedeutungsgehalt lediglich für das Verständnis der Parteien von § 4 Arbeitsvertrag bewertete. Der Senat kann die gebotene Auslegung auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Der erforderliche Sachverhalt ist vollständig festgestellt. Weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien ist nicht zu erwarten.

22

a) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 28, BAGE 149, 144).

23

b) Hiervon ausgehend haben die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 52,5 Stunden vereinbart.

24

aa) Die Parteien haben vor Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags die künftigen Arbeitszeiten der Klägerin besprochen. Es bestand Einvernehmen, die bisherige Arbeitszeit bei Übernahme der Klägerin in ein Angestelltenverhältnis beizubehalten. Die Klägerin lehnte eine Verlängerung der Pausenzeiten ausdrücklich ab.

25

bb) Die Berechnung der künftigen Vergütung basierte, für die Klägerin erkennbar, auf der getroffenen Abrede. Die Beklagte legte die Berechnung der neuen Bruttovergütung in dem der Klägerin vorgelegten Schreiben „Übernahme ins Angestelltenverhältnis“ offen. Ausweislich der Gegenüberstellung von neuem und altem Jahresverdienst sollte die Bruttovergütung um 6,2 % erhöht werden. Eine solche effektive Gehaltserhöhung von 6,2 % errechnet sich bei einer unveränderten Arbeitsleistung von 10,5 Stunden täglich.

26

cc) Die Vereinbarung einer Arbeitszeit von 52,5 Stunden wöchentlich wird durch die Einlassung der Klägerin in der Berufungsverhandlung bestätigt, es sei überraschend gewesen, dass im schriftlichen Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche gestanden habe, was sich mit den bisherigen Arbeitszeiten nicht vertragen hätte. Dies deckt sich mit der Erklärung der Beklagten, es sei versehentlich ein Formulararbeitsvertrag verwendet worden, in dem eine 40-Stunden-Woche vorgesehen gewesen sei. Die Diskrepanz zwischen der im Arbeitsvertrag angegebenen Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden und der zuvor verabredeten von 52,5 Stunden wöchentlich war der Klägerin bei Vertragsunterzeichnung bewusst.

27

dd) Dem Auslegungsergebnis entspricht die Vertragspraxis der Parteien. Sie verdeutlicht, dass sich die Parteien vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags nicht nur iSv. Wissenserklärungen über die bisherigen Arbeitszeiten der Klägerin austauschten, sondern rechtsgeschäftliche Erklärungen zum Umfang der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung und zur Höhe der hierfür als Gegenleistung geschuldeten Vergütung abgaben und abgeben wollten. Das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss ist ein bedeutsames Indiz für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und Verständnisses bei Vertragsschluss (vgl. BGH 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - Rn. 16, BGHZ 181, 278; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 35 Rn. 31). Nicht nur aus der Abwicklung des Vertrags durch die Beklagte, sondern auch aus dem Verhalten der Klägerin nach Vertragsschluss, ergibt sich, dass nach dem Verständnis beider Parteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 10,5 Stunden täglich und 52,5 Stunden wöchentlich vereinbart war. Die Klägerin legte der Geltendmachung von Überstunden, wie ihren Ausführungen im Zusammenhang mit den Anträgen auf Freizeitausgleich zu entnehmen ist, stets eine Arbeitszeit von 10,5 Stunden als vertraglich geschuldet zugrunde und ermittelte den Ausgleichsanspruch auf dieser Basis.

28

ee) Die unterlassene Anpassung des vorformulierten Vertragstexts an die vereinbarte Dauer der Arbeitszeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Anhaltspunkte für eine mit dem schriftlichen Arbeitsvertrag beabsichtigte Einschränkung der zuvor getroffenen Vereinbarungen (vgl. BGH 23. Januar 2013 - VIII ZR 47/12 - Rn. 22) sind nicht gegeben.

29

II. Die Parteien konnten wirksam nur eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vereinbaren. Die getroffene Arbeitszeitvereinbarung ist nach § 3 ArbZG iVm. § 134 BGB unwirksam, soweit sie eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit vorsieht.

30

1. Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. § 3 ArbZG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB(Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. Einf. Rn. 53; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 155 Rn. 4).

31

2. Die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 52,5 Stunden verstößt gegen § 3 ArbZG. Der Verstoß hat jedoch nach § 134 BGB nicht die Nichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung insgesamt, sondern deren Teilnichtigkeit zur Folge. Die Vereinbarung ist wirksam, soweit sie eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vorsieht.

32

a) Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, § 134 BGB. Dabei muss das Rechtsgeschäft selbst verbotswidrig sein. Das ist der Fall, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, insbesondere der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg verbotswidrig ist (BAG 18. März 2009 - 5 AZR 355/08 - Rn. 15, BAGE 130, 34). Das Verbot braucht nicht unmittelbar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden zu haben. Es kann sich auch aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ergeben. Maßgebend ist insoweit die Reichweite ihres Schutzzwecks (vgl. BAG 19. März 2009 - 8 AZR 722/07 - Rn. 25, BAGE 130, 90; 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 38, BAGE 144, 47; 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 31, 32, BAGE 152, 228).

33

b) Die Arbeitszeitvereinbarung der Parteien ist nach § 134 BGB nur unwirksam, soweit sie im Widerspruch zu § 3 ArbZG steht. § 3 ArbZG soll den Arbeitnehmer vor Überforderung durch übermäßige zeitliche Inanspruchnahme schützen. Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot aufgrund dessen es dem Arbeitgeber - nur - untersagt ist, Arbeitsleistung in einem die gesetzlichen Höchstgrenzen übersteigenden Umfang anzuordnen oder entgegenzunehmen (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, BAGE 116, 66). § 3 ArbZG gibt damit eine Grenze für das Arbeitszeitvolumen vor, das wirksam als geschuldet vereinbart werden kann. Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bleibt eine gegen die gesetzlichen Höchstgrenzen verstoßende Arbeitszeitvereinbarung wirksam.

34

III. Im Rahmen ihrer Wirksamkeit hat die Individualabrede der Parteien Vorrang vor den Regelungen des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags.

35

1. Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB und vor in Verbraucherverträgen vorformulierten Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ausdrücklich klargestellt ist dies für Allgemeine Geschäftsbedingungen in § 305b BGB. Der Vorrang der Individualabrede ergibt sich zudem aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. zu § 4 AGBG und vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes geschlossenen Verträgen BGH 13. Januar 1982 - IVa ZR 162/80 - zu IV der Gründe). Er gilt trotz der fehlenden Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf § 305b BGB auch für vorformulierte Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen(vgl. Clemenz in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 305b Rn. 4; Kreft in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 310 Rn. 35; einen Vorrang der Individualabrede aus §§ 133, 157 BGB ableitend Staudinger/Schlosser (2013) § 310 Rn. 67; Erman/Roloff BGB 14. Aufl. § 310 Rn. 21).

36

2. Es bedarf danach keiner weiteren Aufklärung, ob es sich bei § 4 Abs. 1 Arbeitsvertrag um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB handelt und deshalb § 305b BGB anzuwenden ist oder der Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag zu bewerten ist(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff.; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14). In beiden Fällen geht die Individualabrede der Parteien den Bestimmungen des schriftlichen Arbeitsvertrags vor.

37

a) Bei dem Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede handelt es sich um eine Kollisionsregel, die auf der Rechtsfolgenseite zu einer Verdrängung der vom Verwender als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als Einmalbedingung gestellten Vertragsbedingung durch die Individualabrede führt. Die Kollisionsregel setzt voraus, dass es auf der einen Seite Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Einmalbedingungen in einem Verbrauchervertrag als gestellte Vertragsbedingungen und auf der anderen Seite eine Individualabrede gibt. Sie kommt zum Tragen, wenn die durch Auslegung der Individualabrede nach §§ 133, 157 BGB und der vom Verwender gestellten Vertragsbedingungen nach den für ihre Auslegung geltenden Grundsätzen zu ermittelnden Regelungsbereiche einer wirksamen Individualabrede und einer wirksamen Formularabrede zumindest teilweise inhaltlich deckungsgleich sind(vgl. Clemenz in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 305b Rn. 2). Im Falle widersprechender Regelungen ist allein auf die individuelle abzustellen. Die gestellten Vertragsbedingungen können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, wie die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt (zu § 305b BGB vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 39, BAGE 139, 156). Für den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen und vorformulierter Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen kommt es daher auf die Reichweite der Individualvereinbarung an und nicht umgekehrt (zu § 305b BGB BGH 23. Januar 2013 - VIII ZR 47/12 - Rn. 22).

38

b) Hiervon ausgehend werden die Bestimmungen des schriftlichen Arbeitsvertrags durch die Individualvereinbarung der Parteien verdrängt, soweit sie zu dieser im Widerspruch stehen. Es kann deshalb zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, § 4 Arbeitsvertrag regele ausgehend von einer Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab(vgl. BAG 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 26 mwN) und einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle wirksam eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Auch in diesem Fall ist allein auf die Individualabrede der Parteien abzustellen, die zwar wegen Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 134 BGB teilunwirksam ist, aber trotz des Verstoßes gegen § 3 ArbZG wirksam bleibt, soweit sie eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vorsieht.

39

IV. Die Klägerin hat nach § 612 Abs. 1 BGB Anspruch auf Vergütung der wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten 4,5 Arbeitsstunden, denn sie schuldete für das vereinbarte Arbeitsentgelt lediglich eine Arbeitsleistung in gesetzlich zulässigem Umfang.

40

1. Die Vergütung von Arbeitsstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB voraus(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 16, BAGE 151, 180).

41

2. Eine anderweitige normative Regelung, die einen Vergütungsanspruch der Klägerin begründen könnte, besteht nicht. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung, der von der Klägerin wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden, weder vereinbart noch ausgeschlossen.

42

3. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 612 Abs. 1 BGB.

43

a) § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 17; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 17, BAGE 151, 180) und damit Leistungen erbringt, die durch die vereinbarte Vergütung nicht entgolten sind, und weder einzel- noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (st. Rspr., BAG 29. Januar 2003 - 5 AZR 703/01 - zu I 1 der Gründe; 6. Dezember 2006 - 5 AZR 737/05 - Rn. 16; 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 20).

44

b) Die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitsleistung der Klägerin wurde von der Vergütungsabrede der Parteien nicht erfasst. Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet der Arbeitnehmer für die vereinbarte Vergütung qualitativ und quantitativ allein die vereinbarte Arbeitsleistung(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 20; 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 20). Der Arbeitgeber kann Arbeitsleistung allerdings nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen verlangen. Das vereinbarte Bruttojahresentgelt in Höhe von 32.500,00 Euro stellt deshalb die Gegenleistung für die wirksam vereinbarte Arbeitszeit dar, dh. für 48 Arbeitsstunden wöchentlich.

45

4. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

46

a) § 612 BGB sieht nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor. Vielmehr setzt die Norm stets voraus, dass die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

47

b) Die Leistung von Arbeitsstunden durch die Klägerin über das geschuldete Maß hinaus war nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Besondere Umstände, die gegen eine objektive Vergütungserwartung sprechen könnten, ergeben sich weder aus der Tätigkeit und Stellung der Klägerin noch aus der Höhe ihres Einkommens (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

48

c) Der Verstoß gegen § 3 ArbZG führt nicht zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs. Der Sinn des § 3 ArbZG besteht darin, eine Überforderung des Arbeitnehmers zu vermeiden(BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, BAGE 116, 66). Der Schutzzweck des § 3 ArbZG gebietet nicht, dem Arbeitnehmer Vergütung für Arbeitsleistungen zu versagen, die der Arbeitgeber trotz des Beschäftigungsverbots in Anspruch genommen hat. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes untersagen es dem Arbeitgeber nicht, die über die gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen hinaus erbrachten Arbeitsleistungen zu vergüten.

49

V. Der Klägerin steht nach § 612 Abs. 2 BGB weitere Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto zu.

50

1. Für die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Vergütung bleibt die vereinbarte Vergütung maßgebend. Die Vereinbarung einer Jahresvergütung bei gleichzeitiger Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit rechtfertigt den Schluss, dass sich die Jahresvergütung grundsätzlich auf die geschuldete Arbeitszeit bezieht und darüber hinausgehende Stunden anteilig zu vergüten sind (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, 16, BAGE 116, 66).

51

2. Der mit der Reduzierung der - vermeintlich - geschuldeten Arbeitsleistung auf das gesetzlich zulässige Maß verbundene Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma rechtfertigt keine andere Bewertung.

52

a) Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt (BAG 27. April 2016 - 5 AZR 311/15 - Rn. 25). Für den Wert der Arbeitsleistung sollte nach den Vorstellungen der Parteien eine Arbeitszeit von 52,5 Stunden wöchentlich in Relation zur vereinbarten Vergütung bestimmend sein.

53

b) Eine diesem Regelungsplan Rechnung tragende ergänzende Vertragsauslegung zur Ermittlung der Höhe der geschuldeten Vergütung (vgl. hierzu BAG 18. November 2015 - 5 AZR 751/13 - Rn. 26 ff.) scheidet aus, weil die vertragliche Regelung nicht lückenhaft ist. Der Verstoß gegen § 3 ArbZG hat nach §§ 134, 139 BGB allein die Teilnichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung zur Folge. Er lässt die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung im Übrigen unberührt (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 34 Rn. 20).

54

c) Eine andere Bemessung der Vergütung für die wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten 4,5 Arbeitsstunden ist auch nicht unter Berücksichtigung der in § 313 BGB kodifizierten Rechtsgrundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage geboten.

55

aa) Nach § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB kann, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen, eine Anpassung des Vertrags nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 513/11 - Rn. 36). Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann bei einem beiderseitigen Irrtum über die Rechtslage bei Abschluss des Vertrags anzunehmen sein, wenn ohne diesen beiderseitigen Irrtum der Vertrag nicht wie geschehen geschlossen worden wäre (vgl. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 144/04 - zu B I 3 a der Gründe). Eine Vertragsanpassung ist jedoch auch in diesem Fall nur bei erheblichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht zu ziehen.

56

bb) Von einer die Anpassung der Vergütungsabrede rechtfertigenden Störung der Geschäftsgrundlage kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der mit der Reduzierung der - vermeintlich - geschuldeten wöchentlichen Arbeitsleistung von 52,5 Stunden auf das gesetzlich zulässige Maß von 48 Stunden - dh. um weniger als 9 % - unter Beibehaltung der vereinbarten Vergütung verbundene Eingriff in das Äquivalenzverhältnis ist nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.

57

d) Die Beklagte schuldet der Klägerin danach ausgehend von einem vereinbarten Jahresverdienst in Höhe von 32.500,00 Euro brutto für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 geleistete 607,5 Stunden weitere Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto.

58

VI. Die Klägerin hat ihren Vergütungsanspruch nicht verwirkt.

59

1. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob die Ansprüche der Klägerin verwirkt sind. Es hat allerdings den Sachverhalt, der für die Bewertung, ob die Ansprüche verwirkt sind, erforderlich ist, vollständig festgestellt. Weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien ist nicht zu erwarten. Der Senat kann deshalb die Prüfung der Verwirkung selbst vornehmen.

60

2. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 372/05 - Rn. 20, BAGE 118, 51; 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43; 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 15).

61

3. Eine Verwirkung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen ergeben, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Dispositionen „unzumutbar“ geworden (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 28), die Ansprüche der Klägerin zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen.

62

VII. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

63

VIII. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin kann nicht weiter gehend die Vergütung der Stunden verlangen, die sie über 40 Stunden wöchentlich hinaus gearbeitet hat. Ein Anspruch nach § 612 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil die Parteien eine vertragliche Vereinbarung über die Vergütung von wöchentlich 48 Stunden getroffen haben. Die Ansprüche der Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB auf die vertraglich vereinbarte Vergütung für eine Arbeitsleistung von 48 Stunden wöchentlich hat die Beklagte durch Zahlung erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

64

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Zorn    

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2016 - 8 Sa 405/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2014 sowie die Zahlung einer Sonderurlaubsprämie.

2

Der Kläger war ab dem 1. Dezember 2013 bei der Beklagten gegen eine monatliche Vergütung von 2.650,00 Euro brutto als Mechaniker beschäftigt. In § 6 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 2. Dezember 2013 ist geregelt, dass der Kläger 30 Werktage Urlaub erhält. Unter der Überschrift „§ 9 Ausschlussklausel“ vereinbarten die Parteien Folgendes:

        

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Der Ausschluss gilt nicht, soweit ein Anspruch auf der Haftung wegen Vorsatz beruht.“

3

Der Kläger war seit Dezember 2013 durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. September 2014 zum 31. Oktober 2014. Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht am 13. November 2015 einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 29. September 2014 fristgemäß mit Ablauf des 31. Oktober 2014 endete. In diesem Zusammenhang erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Hinweis des Klägers, es stünden noch Urlaubsansprüche offen, das Arbeitsverhältnis werde ordnungsgemäß abgerechnet. In der von der Beklagten erstellten Schlussabrechnung vom 25. November 2015 war ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen ausgewiesen.

4

Mit seiner am 18. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. Dezember 2015 zugestellten Klage hat der Kläger die Abgeltung von 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2014 mit 3.669,00 Euro brutto sowie die Zahlung einer Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto verlangt. Er hat behauptet, alle anderen Mitarbeiter der Beklagten hätten diese Prämie erhalten. Der Anspruch folge daher aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, aber auch aus betrieblicher Übung. Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, die Ausschlussfristenregelung in § 9 des Arbeitsvertrags sei rechtsunwirksam. Im Übrigen sei für die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Oktober 2014, sondern auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs am 13. November 2015 abzustellen. Danach habe er seinen Urlaubsabgeltungsanspruch fristgerecht geltend gemacht. Unabhängig davon habe er den Urlaubsabgeltungsanspruch durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage im Sinne der Ausschlussfristenregelung schriftlich geltend gemacht.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.869,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, etwaige Ansprüche des Klägers seien gemäß § 9 des Arbeitsvertrags verfallen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger zur Abgeltung seines Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2014 einen Betrag iHv. 3.669,00 Euro brutto und eine Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto zu zahlen. Die von dem Kläger erhobenen Ansprüche sind verfallen. Dem Kläger steht deshalb auch kein Zinsanspruch zu.

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A. Der dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehende Urlaubsabgeltungsanspruch ist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags erloschen. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.

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I. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist auf den Abgeltungsanspruch anzuwenden.

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1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dies hat der Senat sowohl für tarifvertragliche Ausschlussfristen (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 14 ff., BAGE 139, 1) als auch für Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 28, BAGE 150, 207) entschieden.

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2. § 9 des Arbeitsvertrags erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Zu diesen gehört ua. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 29, BAGE 150, 207; 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 17, BAGE 140, 133).

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II. Die Regelung in § 9 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden.

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1. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 17 mwN), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

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2. Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (BAG 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 - Rn. 19, BAGE 154, 93; vgl. auch BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 115, 19). Die Regelung befindet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle, sondern in einem mit „Ausschlussklausel“ überschriebenen eigenen Paragrafen.

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3. Auch § 307 Abs. 1 BGB steht der Klausel nicht entgegen.

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a) Die Klausel verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine einzelvertragliche Verfallfrist, die wie § 9 des Arbeitsvertrags eine Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von mindestens drei Monaten verlangt, begegnet in AGB-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken(vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - zu II 5 der Gründe, BAGE 116, 66; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV der Gründe, BAGE 115, 19).

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b) Die Klausel ist auch nicht intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ordnet eindeutig den Verfall der Ansprüche an, wenn diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

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c) Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB läge für den streitgegenständlichen Zeitraum selbst bei einer Auslegung von § 9 des Arbeitsvertrags nicht vor, der zufolge die Klausel grundsätzlich auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG erfasste(vgl. zu dieser Auslegung: MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 27; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 17. Aufl. § 66 Rn. 43; Sagan/Witschen jM 2014, 372, 376; Nebel/Kloster BB 2014, 2933, 2936; unentschieden: Preis/Ulber Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz S. 53 f.; Bayreuther NZA 2014, 865, 870; vgl. zu § 9 AEntG BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 21, BAGE 156, 150).

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aa) Wegen der Einbeziehung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn verstieße sie dann zwar gegen § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Die Norm erfasst ua. Regelungen über Ausschlussfristen, soweit diese (auch) zur Vermeidung des Verfalls des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn dessen rechtzeitige Geltendmachung verlangen. Denn Ausschlussfristen betreffen die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs (vgl. BAG 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 31 mwN, BAGE 137, 249). Sie beschränken somit iSv. § 3 Satz 1 MiLoG die Geltendmachung des (Mindestlohn-)Anspruchs in zeitlicher Hinsicht.

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bb) Vorliegend muss der Senat nicht entscheiden, ob der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Gesamtunwirksamkeit einer Verfallklausel nach § 306 BGB führt, dessen Rechtsfolgen nicht nur zur Anwendung kommen, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 23, BAGE 156, 150; 19. Juni 2012 - 9 AZR 712/10 - Rn. 21 mwN). Unabhängig davon, ob für die Prüfung der Wirksamkeit einer Formularklausel im Individualprozess allein auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist und nachträgliche Gesetzesänderungen grundsätzlich keine Änderung des Prüfungsmaßstabs mehr bewirken können (vgl. BGH 25. Juni 2014 - VIII ZR 344/13 - Rn. 31, 38, BGHZ 201, 363; 4. Februar 2009 - VIII ZR 66/08 - Rn. 15; Palandt/Grüneberg 76. Aufl. § 307 Rn. 7; Staudinger/Coester [2013] § 307 Rn. 100) oder eine Klausel bei Dauerschuldverhältnissen auch einer AGB-Kontrolle im Lichte des geänderten Rechts zu unterziehen ist (vgl. Palandt/Grüneberg aaO; Sagan RdA 2017, 264, 267), ist der vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte § 9 des Arbeitsvertrags jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht am Maßstab des § 3 Satz 1 MiLoG zu messen.

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(1) Die Ausschlussfristenregelung weicht nicht zu Ungunsten des Klägers von der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Mindestlohns aus § 1 MiLoG ab. Denn sein Arbeitsverhältnis war bereits mit Ablauf des 31. Oktober 2014 rechtlich beendet. Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BGBl. I 2014, 1348) eingeführt und am 16. August 2014 am Tag nach seiner Verkündung (Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz) in Kraft getreten. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht erst seit dem 1. Januar 2015 (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 16, BAGE 157, 356; 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, BAGE 155, 202). Das MiLoG greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbare Tarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - aaO). Der den Schutz des Mindestlohnanspruchs bezweckende § 3 Satz 1 MiLoG setzt eine zeitliche Parallelität von arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltansprüchen einerseits und dem Mindestlohnanspruch andererseits voraus. Ein zeitliches Nebeneinander dieser Ansprüche war vor Geltung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 ausgeschlossen.

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(2) Für den streitgegenständlichen Zeitraum scheidet auch ein Verstoß der Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB aus(vgl. zu einem Verstoß gegen § 9 Satz 3 AEntG BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 28 ff., BAGE 156, 150).

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(a) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden (st. Rspr., zB BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - Rn. 29, BAGE 156, 150; 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BAGE 150, 286). Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BAG 24. August 2016 - 5 AZR 703/15 - aaO mwN).

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(b) Danach war die Ausschlussfristenregelung in § 9 des Arbeitsvertrags jedenfalls für Ansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2015 nicht intransparent. Die Klausel stellte die Rechtslage nicht irreführend dar. Sie konnte dem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht den Eindruck vermitteln, er müsse auch den noch nicht in Kraft gesetzten Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG innerhalb der dort vorgesehenen Frist schriftlich geltend machen. Es bestand insoweit nicht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte (aus dem MiLoG) abgehalten wird.

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d) Der in § 9 des Arbeitsvertrags angeordnete Verfall ist auch unabhängig davon wirksam, ob der Anspruch auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs oder auf Abgeltung des übergesetzlichen Mehrurlaubs gerichtet ist. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9) entgegen (vgl. ausf. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 32 ff. mwN).

27

III. Der Kläger hat die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und auf eine Sonderurlaubsprämie nicht binnen der dreimonatigen Ausschlussfrist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags geltend gemacht.

28

1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2014 fällig. Der Kläger hätte ihn deshalb spätestens bis zum 31. Januar 2015 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt.

29

a) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des ihm nicht gewährten Urlaubs entsteht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt fällig(BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 758/12 - Rn. 14; 6. August 2013 - 9 AZR 956/11 - Rn. 22). Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Fehlen Sonderregelungen, gilt der Grundsatz sofortiger Fälligkeit der Leistung (BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 758/12 - aaO; 8. April 2014 - 9 AZR 550/12 - Rn. 15). Dies gilt auch in Fällen, in denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 23; 9. August 2011 - 9 AZR 352/10 - Rn. 19 ff.). Ein Auseinanderfallen von Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Solche liegen beispielsweise vor, wenn es dem Gläubiger praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist etwa der Fall, wenn die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 37).

30

b) Die für den Lauf der Ausschlussfrist maßgebliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien trat durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2014 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Oktober 2014 ein. Das vom Kläger eingeleitete Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich haben auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und dessen Fälligkeit keinen Einfluss.

31

aa) Die Kündigung ist eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sie gehört zu den rechtsvernichtenden (negativen) Gestaltungsrechten. Ein Gestaltungsrecht gewährt die Macht zur Gestaltung konkreter Rechtsbeziehungen durch einseitiges Rechtsgeschäft. Durch rechtsvernichtende Gestaltungsrechte wie eine Kündigung wird im Ausübungsfall regelmäßig einseitig und unmittelbar in eine fremde rechtliche Sphäre eingebrochen. Die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses führt die gewollten Rechtswirkungen zu dem gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei. Ihre Gestaltungswirkung tritt aber bereits unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung, durch die sie ausgeübt wird, ein, wobei es auf die Rechtslage beim Zugang der einseitigen Willenserklärung ankommt (BAG 21. März 2013 - 6 AZR 618/11 - Rn. 15 mwN).

32

bb) Einigen sich die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die streitgegenständliche Kündigung und auf die Beendigung des Rechtsstreits, liegt darin die Aufgabe einer Rechtsposition - der reklamierten Unwirksamkeit der Kündigung - und - durch die Einwilligung in die Beendigung des Kündigungsrechtsstreits - zugleich eine weiter reichende materiell-rechtliche Auswirkung. Die Abrede führt, sofern die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ausnahmsweise noch nicht abgelaufen ist, zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Dies wiederum ist für den Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Verzicht auf weitere Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren können. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt das Einverständnis mit der Prozesserledigung, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund - der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG - greift(BAG 24. September 2015 - 2 AZR 716/14 - Rn. 33, BAGE 153, 20).

33

cc) Durch die Kündigung vom 29. September 2014 zum 31. Oktober 2014 hat die Beklagte einseitig ihr Gestaltungsrecht ausgeübt und dadurch unmittelbar auf die Rechtsbeziehung zum Kläger eingewirkt. Der Kläger war bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist berechtigt, die Abgeltung seiner bis zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Urlaubsansprüche zu verlangen. Unabhängig davon haben sich die Parteien mit dem Prozessvergleich vom 13. November 2015 nicht nur darauf verständigt, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist, sondern auch die Rechtswirkung des § 7 KSchG herbeigeführt. Die Kündigung gilt damit als von Anfang an rechtswirksam. Durch den Vergleich haben die Parteien bezogen auf die Kündigung selbst keine Änderung gegenüber der durch die Ausübung des Gestaltungsrechts herbeigeführten Situation vorgenommen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs besteht, waren dem Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt, dh. der mit Ablauf der Kündigungsfrist eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bekannt.

34

2. Der Kläger hat den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht fristgerecht geltend gemacht.

35

a) Entgegen seiner Rechtsauffassung hat er die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage im Jahr 2014 nicht gewahrt.

36

aa) Mit einer Bestandschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängigen Ansprüche, insbesondere die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 27, BAGE 149, 169; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14, BAGE 143, 119).

37

bb) Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft nicht an den Erfolg der Kündigungsschutzklage, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, an, sondern setzt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. Will der Arbeitnehmer den Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 24). Die Erhebung einer Bestandsschutzklage vermag eine ausdrückliche schriftliche Geltendmachung nur insoweit zu ersetzen, als sie dieselbe Zielrichtung verfolgt, dh. einen mit dieser vergleichbaren Bedeutungsgehalt aufweist. Zur Geltendmachung im Sinne einer Ausschlussfristenregelung muss der Anspruchsinhaber unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 1000/13 - Rn. 24, BAGE 152, 221; 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 24, BAGE 144, 210). Mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage bringt der Arbeitnehmer deutlich zum Ausdruck, dass er das für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung maßgebliche Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade als nicht gegeben ansieht. Ohne weitere Anhaltspunkte (zB einen echten Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung) kann der Arbeitgeber einer Bestandsschutzklage als solcher nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass der Arbeitnehmer (auch) auf die Erfüllung solcher Ansprüche besteht, die nicht an den mit seiner Klage bezweckten rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen.

38

b) Dem Kläger wird mit diesem Verständnis keine im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG stehende übersteigerte Obliegenheit auferlegt.

39

aa) Bei der Auslegung und Anwendung von Ausschlussfristen ist das in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dem Arbeitnehmer dürfen keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht (BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 f.).

40

bb) Die Obliegenheit zur - außergerichtlichen - schriftlichen Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs während des laufenden Bestandsschutzverfahrens stellt für den Arbeitnehmer weder in tatsächlicher Hinsicht unzumutbare Hürden auf noch eine überobligatorische Kostenbelastung dar. Sie besteht völlig unabhängig vom Bestandsschutzprozess, führt dort nicht zu einer Streitwerterhöhung und trifft Arbeitnehmer, die keine Bestandsschutzklage erhoben haben, gleichermaßen.

41

c) Der Kläger hat den streitgegenständlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erst nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 13. November 2015 und damit außerhalb der dreimonatigen Frist gemäß § 9 des Arbeitsvertrags schriftlich geltend gemacht.

42

IV. Mit Abschluss des Vergleichs vom 13. November 2015 hat die Beklagte weder auf die Geltung von Ausschlussfristen verzichtet noch haben die Parteien dadurch den bereits verfallenen Urlaubsabgeltungsanspruch wiederbegründet.

43

1. Dabei kann offenbleiben, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; offengelassen von BAG 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 23, BAGE 153, 365). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

44

2. Der Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs selbst bietet keine Anhaltspunkte für einen Verzicht auf die Ausschlussfrist bzw. ein Wiederaufleben des bereits verfallenen Urlaubsabgeltungsanspruchs des Klägers. Eine Urlaubsabgeltung wird im Vergleich nicht erwähnt. Die ausdrückliche Regelung des mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang stehenden Zeugnisanspruchs spricht eher gegen einen Willen der Parteien, eine Regelung über den ebenfalls von der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung treffen zu wollen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass auch die Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht keine Zusage beinhalteten, die Urlaubsabgeltung noch leisten zu wollen. Etwaige Hinweise, die Beklagte werde berechtigte Ansprüche des Klägers regulieren bzw. sie werde das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnen, erlauben nicht die Annahme eines auf Beklagtenseite vorliegenden Rechtsbindungswillens, auf eine Ausschlussfrist zu verzichten und danach bereits verfallene Ansprüche zu erfüllen. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte, die einen solchen Rückschluss zulassen, hat der Kläger nicht vorgetragen.

45

3. Der Kläger kann sich zur Anspruchsbegründung auch nicht auf die von der Beklagten unter dem 25. November 2015 erstellte Schlussabrechnung stützen. Er hat keine besonderen Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden kann, dass die Beklagte mit der Abrechnung auf alle Einwendungen verzichten wollte (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 41; 12. Dezember 2000 - 9 AZR 508/99 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 96, 344).

46

B. Der vom Kläger reklamierte Anspruch auf eine Sonderurlaubsprämie iHv. 1.200,00 Euro brutto ist ebenfalls gemäß § 9 des Arbeitsvertrags verfallen. Sein Entstehen unterstellt, war der Anspruch spätestens mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2014 fällig. Der Kläger hat ihn jedoch erst nach dem 13. November 2015 schriftlich geltend gemacht.

47

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Starke    

        

    Gell    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. März 2012 - 16 Sa 322/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird insgesamt zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21. Januar 2010 - 4 Ca 955/09 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über Urlaubsabgeltung und zusätzliche Urlaubsvergütung (Urlaubsgeld) für die Jahre 2007 und 2008.

2

Die Klägerin war vom 14. März 1984 bis zum 10. Dezember 2008 bei der Beklagten als Monteurin beschäftigt. Sie bezog zuletzt ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 1.674,61 Euro brutto, welches sich durch regelmäßige Entgeltbestandteile um durchschnittlich 30,92 Euro pro Tag erhöhte. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit richtete sich das Arbeitsverhältnis ua. nach den Vorschriften des „Einheitlichen Manteltarifvertrags“ für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 (EMTV). In diesem heißt es zum Urlaub und zum Arbeitsentgelt ua.:

        

§ 11 

        

Grundsätze der Urlaubsgewährung

        

1.    

Beschäftigte/Auszubildende haben nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

                          
                 

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.

                 

Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch zwölf Monate nach Ablauf des Zeitraums nach Abs. 2.

        

…       

        
        

3.    

Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Ausbildungsverhältnisses zulässig.

                 

Die Urlaubsabgeltung entfällt ausnahmsweise, wenn der/die Beschäftigte durch eigenes schwerwiegendes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.

                 

Die hiernach verwirkte Urlaubsvergütung ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einer betrieblichen Unterstützungseinrichtung zuzuführen oder sonst zugunsten der Beschäftigten zu verwenden. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Zuführung oder Verwendung ist nach § 24 zu verfahren.

        

…       

        
        

§ 13   

        

Urlaubsdauer

        

1.    

Der Urlaub beträgt für Beschäftigte/Auszubildende 30 Arbeitstage/Ausbildungstage bei einer Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf fünf Tage/Woche.

        

…       

        
        

§ 14   

        

Urlaubsvergütung

        

1.    

Den Beschäftigten und Auszubildenden wird während des Urlaubs das regelmäßige Arbeitsentgelt/die regelmäßige Ausbildungsvergütung weitergezahlt (berechnet nach § 16).

                 

Sie erhalten darüber hinaus eine zusätzliche Urlaubsvergütung, die bei 30 Urlaubstagen gemäß § 13 Nr. 1 je Urlaubstag 2,4 % des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts/der regelmäßigen Ausbildungsvergütung ausmacht. In den Fällen des § 13 Nr. 4 ist der Prozentsatz wertgleich anzupassen.

                 

Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Urlaubsvergütung sind die festen Entgeltbestandteile des laufenden Monats zuzüglich des Monatsdurchschnitts der gemäß § 16 Nr. 1 zu berücksichtigenden variablen Entgeltbestandteile der letzten sechs abgerechneten Monate.

        

2.    

Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.

                 

Fällt ein Zahlungstermin für Entgelt oder Ausbildungsvergütung in die Urlaubszeit, so ist das Entgelt oder die Ausbildungsvergütung auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Beginn des Urlaubs auszuzahlen. Stattdessen kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.

        

3.    

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, dass die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Urlaubsjahr spätestens mit der Abrechnung für den Monat Juni, bei Eintritt im Laufe des Urlaubsjahres mit der Abrechnung im Monat Dezember ausgezahlt wird. Steht dem/der Beschäftigten/Auszubildenden bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis ein anteiliger Urlaubsanspruch zu, kann die zu viel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden.

        

§ 15   

        

Monatsentgelt

        

I       

Monatsentgelt

        

1.    

Die Beschäftigten erhalten ein Monatsentgelt als regelmäßiges Arbeitsentgelt.

        

2.    

Das Monatsentgelt setzt sich zusammen aus

                 

-       

den festen Entgeltbestandteilen,

                 

-       

den variablen Entgeltbestandteilen.

        

3.    

Feste Entgeltbestandteile des Monatsentgelts sind

                 

-       

das tarifliche Monatsgrundentgelt entsprechend der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach den Bestimmungen des Entgeltabkommens,

                 

-       

weitere monatlich stetige Entgeltbestandteile (alle Zulagen, Zuschläge und sonstige Vergütungen, die regelmäßig und in gleicher Höhe anfallen).

        

4.    

Variable Entgeltbestandteile des Monatsentgelts sind

                 

-       

leistungsabhängige variable Entgeltbestandteile,

                 

-       

zeitabhängige variable Entgeltbestandteile,

                 

-       

sonstige variable Entgeltbestandteile.

                 

Die variablen Entgeltbestandteile werden aus dem Vormonat ermittelt. Sie werden aus dem laufenden Monat ermittelt, wenn gemäß Nr. 11 ein späterer Auszahlungstermin als der letzte Banktag des Kalendermonats vereinbart worden ist.

        

5.    

Zu den leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteilen gehören die über das Monatsgrundentgelt hinausgehenden leistungsbezogenen Entgeltbestandteile (einschließlich der Leistungsentgeltdurchschnitte), die nicht verstetigt sind.

        

6.    

Zu den zeitabhängigen variablen Entgeltbestandteilen gehören die Vergütungen für Mehrarbeit, die Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, die Vergütungen für Reisezeit nach § 5 II sowie sonstige zeitbezogene Zulagen und Zuschläge.

        

7.    

Zu den sonstigen variablen Entgeltbestandteilen des Monatsentgelts gehören alle sonstigen Vergütungen, die nicht regelmäßig oder nicht in gleicher Höhe wiederkehren.

        

8.    

Einmalzahlungen (z. B. Jahressonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütungen), vermögenswirksame Leistungen sowie Aufwendungsersatz gehören nicht zum Monatsentgelt. Diese Ansprüche werden unabhängig von den Regelungen des Monatsentgelts erfüllt.

        

…       

        
        

10.     

Der Abrechnungszeitraum für das Monatsentgelt ist der Kalendermonat.

        

11.     

Den Beschäftigten muss das Monatsentgelt spätestens zum Schluss des Kalendermonats (am letzten Banktag) zur Verfügung stehen.

                 

Hiervon abweichende Auszahlungstermine, insbesondere zur Ermöglichung einer gemeinsamen Abrechnung der variablen mit den festen Entgeltbestandteilen des Monats, können betrieblich vereinbart werden.

        

12.     

Die Abrechnung des Monatsentgelts erfolgt in Textform. Aus ihr müssen die festen und variablen Bestandteile des Monatsentgelts ersichtlich sein.

        

…       

        
        

§ 16   

        

Berechnung des weiterzuzahlenden regelmäßigen Arbeitsentgelts/…

        

1.    

In allen Fällen, in denen dieser Tarifvertrag Anspruch auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts regelt, werden für die Berechnung die festen Entgeltbestandteile des Monatsentgelts (Monatsgrundentgelt und stetige Entgeltbestandteile) zu Grunde gelegt, die der/die Beschäftigte erhalten haben würde, wenn er/sie gearbeitet hätte.

                 

Zusätzlich erhält er/sie die leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Erschwerniszuschläge, individuelle Prämien, Provisionen und Zulagen aus dem Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate, jedoch ohne das Mehrarbeitsentgelt gemäß § 6 Nr. 1.

                 

…“    

3

§ 19 EMTV regelt für die Geltendmachung und den Ausschluss von Ansprüchen ua. Folgendes:

        

„…    

        
        

2.    

Beschäftigte/Auszubildende haben das Recht, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis innerhalb folgender Fristen geltend zu machen:

                 

a)    

Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Abrechnung,

                 

b)    

alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

        

…       

        
        

4.    

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert waren, diese Fristen einzuhalten.

        

…“    

        
4

Nach der bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Regelung erfolgen die monatlichen Entgeltzahlungen spätestens bis zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats. Die zusätzliche Urlaubsvergütung ist nach § 6 des bei der Beklagten geltenden Sanierungstarifvertrags vom 18. Dezember 2006 ab dem Kalenderjahr 2007 jeweils mit der Vergütung für Juni zu zahlen.

5

Die Klägerin war seit dem 31. Januar 2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 10. Dezember 2008 arbeitsunfähig krank. Sie bezog seit dem 1. August 2006 wegen voller Erwerbsminderung eine zunächst befristete Rente, die mit Bescheid vom 5. August 2008 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weitergewährt wurde. Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 9. Januar 2009 eine Entgeltabrechnung für Dezember 2008. In dieser wurde der Urlaubsanspruch der Klägerin mit null Tagen angegeben, während eine am 5. Dezember 2008 für November 2008 erteilte Abrechnung einen Urlaubanspruch der Klägerin von 13 Tagen ausgewiesen hatte.

6

Die Klägerin verlangte mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 26. Januar 2009 die Auszahlung einer Urlaubsvergütung für 13 Urlaubstage aus den Jahren 2005 und 2006, die sie einschließlich eines Urlaubsgelds von 50 % mit 2.430,68 Euro brutto berechnete. Mit weiterem Schreiben vom 25. März 2009 machte sie für Urlaubsansprüche aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 im Umfang von insgesamt 58 Arbeitstagen eine weitere Urlaubsvergütung von 7.229,70 Euro brutto geltend. Mit ihrer Klageschrift vom 30. März 2009 beanspruchte sie die Abgeltung ihres tariflichen Urlaubsanspruchs im Umfang von jeweils 30 Tagen für die Jahre 2006, 2007 und anteilig für das Jahr 2008 sowie Urlaubsgeld iHv. insgesamt 16.453,80 Euro brutto. Die Klageschrift übermittelte die Klägerin der Beklagten am 31. März 2009 zum Zwecke der Geltendmachung ihrer Ansprüche per Telefax. Das Original der Klageschrift ging am 1. April 2009 beim Arbeitsgericht ein.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.453,80 Euro brutto, hilfsweise 7.229,70 Euro brutto, äußerst hilfsweise 2.430,06 Euro brutto, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin seien während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente nicht entstanden. Im Übrigen seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche infolge der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 11.167,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2009 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht unter jeweiliger Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.524,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten und an die Klägerin Urlaubsgeld zu zahlen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen.

11

I. Die Regelungen in § 19 EMTV gelten für die tarifgebundenen Parteien(§ 3 Abs. 1 TVG) gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Nach § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV sind alle nicht in § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV genannten Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen, damit sie nicht gemäß § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen sind. Das Schreiben der Klägerin vom 25. März 2009 wahrte die Ausschlussfrist ebenso wenig wie die Übersendung der Klageschrift an die Beklagte per Telefax zum Zwecke der Geltendmachung der Abgeltungsansprüche am 31. März 2009.

12

1. Der Anspruch auf Abgeltung des nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit bestehenden gesetzlichen Mindesturlaubs kann aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen (BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 16 f., BAGE 139, 1). Er ist nicht in dem Sinne Surrogat des Urlaubsanspruchs, dass für ihn dieselben Regeln wie für den Urlaubsanspruch gelten, sondern ist ein reiner Geldanspruch. Er unterfällt deshalb den Bedingungen, die nach dem anwendbaren Tarifvertrag für die Geltendmachung von Geldansprüchen vorgeschrieben sind. Solche Ausschlussfristen können dabei kürzer als ein Jahr sein. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellte Rechtssatz, dass die Dauer des Übertragungszeitraums, innerhalb dessen der Urlaubsanspruch bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen kann, die Dauer des Bezugszeitraums deutlich übersteigen muss, ist auf die Mindestlänge einer tariflichen Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht übertragbar (BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 31, BAGE 140, 133; vgl. auch BAG 18. September 2012 - 9 AZR 1/11 - Rn. 27).

13

2. Die Klägerin hat Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nicht rechtzeitig geltend gemacht. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch keinen Anspruch auf „Zuschläge“ iSd. § 19 Nr. 2 Buchst. a EMTV darstellt, ist er innerhalb von drei Monaten nach seiner Fälligkeit geltend zu machen (§ 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV). Ansonsten ist der Anspruch nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.

14

a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 10. Dezember 2008 fällig. Der Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses(BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 45, BAGE 142, 371; 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, BAGE 139, 1). Das Arbeitsverhältnis endete nach der von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts zum 10. Dezember 2008.

15

aa) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung gemäß § 271 BGB sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. Fehlen Sonderregeln, gilt der Grundsatz sofortiger Fälligkeit der Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg 73. Aufl. § 271 BGB Rn. 2). Das gilt auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch, der grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 18, BAGE 139, 1; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 67).

16

bb) Der EMTV enthält für die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs keine vom Grundsatz der sofortigen Fälligkeit abweichende Sonderregelung. Zwar ist es grundsätzlich zulässig zu vereinbaren, dass die Urlaubsabgeltung in die allgemeine Abrechnung einbezogen und zum Beispiel erst zum Monatsende mit der letzten Entgeltzahlung fällig wird (vgl. BAG 21. September 2010 - 9 AZR 510/09 - Rn. 32, BAGE 135, 312). Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf eine finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG gerichtete reine Geldforderung darstellt(vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, BAGE 139, 1). Auch kann es im Interesse des Arbeitgebers liegen, bei einer Beendigung im laufenden Monat die Urlaubsabgeltung nicht getrennt von anderen Ansprüchen abrechnen und auszahlen zu müssen. Die Tarifvertragsparteien des EMTV haben jedoch keine eigenständige Regelung zur Fälligkeit der Urlaubsabgeltung getroffen. Nach § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV in Verbindung mit der bei der Beklagten bestehenden Regelung muss den Beschäftigten das Monatsentgelt spätestens zum sechsten Werktag des jeweiligen Folgemonats zur Verfügung stehen. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass der Tarifvertrag den Begriff des Monatsentgelts in § 15 EMTV selbstständig definiert. Nach § 15 Abschn. I Nr. 2 EMTV setzt sich das Monatsentgelt aus den festen und den variablen Entgeltbestandteilen zusammen. Diese sind wiederum in § 15 Abschn. I Nr. 3 ff. EMTV definiert. Die Urlaubsabgeltung fällt weder unter die festen noch unter die variablen Entgeltbestandteile. Vielmehr ist sie eine Einmalzahlung iSd. § 15 Abschn. I Nr. 8 EMTV. Der Begriff der Einmalzahlung wird in dieser Tarifbestimmung durch eine beispielhafte, aber nicht abschließende Aufzählung („Jahressonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütungen“) konkretisiert. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich um eine einmalige Zahlung, durch die nicht gewährter Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten wird. Einmalzahlungen sind nach § 15 Abschn. I Nr. 8 Satz 2 EMTV unabhängig von den Regelungen zum Monatsentgelt zu erfüllen. Die Fälligkeitsregelung des § 15 Abschn. I Nr. 11 EMTV einschließlich der dort vorgesehenen Möglichkeit der abweichenden betrieblichen Regelung gilt damit für die Urlaubsabgeltung nicht.

17

b) Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt iSd. § 19 Nr. 4 EMTV verhindert war, die Ausschlussfrist einzuhalten(zu diesem Ausnahmetatbestand: vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 494/12 - Rn. 12 ff.). Es ist auch sonst nicht erkennbar, warum die Klägerin nicht in der Lage gewesen sein sollte, die tarifliche Ausschlussfrist von drei Monaten zu wahren.

18

II. Die Klägerin ist auch mit etwaigen Ansprüchen auf zusätzliche Urlaubsvergütung nach § 14 Nr. 1 Abs. 2 und Abs. 3 EMTV (Urlaubsgeld) ausgeschlossen. Das Urlaubsgeld war wie der Urlaubsabgeltungsanspruch innerhalb der Frist des § 19 Nr. 2 Buchst. b EMTV geltend zu machen. Es war spätestens mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Urlaubsgeld akzessorisch zur Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung ausgestaltet ist. Etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld sind damit mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen.

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Preuß    

        

    Starke    

                 

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 4. Dezember 2015 - 9 Sa 12/15 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 19. Mai 2015 - 5 Ca 478/14 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.909,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 67 % und die Beklagte zu 33 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Entsorgungs- und Recyclingunternehmen, vom 19. Mai 2008 bis zum 31. Mai 2014 als Wiegemeisterin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag zunächst ein Arbeitsvertrag vom 13. Mai 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008) zugrunde, in dem ua. geregelt war:

        

㤠1

        

…       

        

4. Arbeitszeit:

        

Die Arbeitszeiten werden von der Betriebsleitung nach arbeitstechnischen Gesichtspunkten festgesetzt und dem Arbeitnehmer rechtzeitig im Voraus mitgeteilt.

        

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt derzeit ca. 45,00 Stunden wöchentlich.

        

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers Mehrarbeit im Rahmen der geltenden Bestimmungen der Arbeitszeitordnung zu leisten.

        

§ 2 Arbeitsentgelt

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält folgendes Arbeitsentgelt (Bruttolohn) je Stunde:

                 

Grundlohn: 11,00 € / Std.

                 

…“    

3

Ab Mitte Juli 2008 arbeitete die Klägerin von Montag bis Freitag jeweils von 06:00 bis 17:00 Uhr mit einer unbezahlten Pause von 30 Minuten. Im Jahr 2010 erzielte sie einen Verdienst von 30.612,72 Euro brutto.

4

Einen später eingestellten Wiegemeister beschäftigte die Beklagte zu günstigeren Konditionen im Angestelltenverhältnis. Nachdem die Klägerin dies erfahren hatte, bat sie um Übernahme ins Angestelltenverhältnis.

5

Am 21. Februar 2011 suchten Mitarbeiterinnen der Beklagten die Klägerin in ihrem Büro auf und legten ihr nachfolgendes Schreiben vor:

        

„Übernahme ins Angestelltenverhältnis

        

Frau H

        

Derzeitiger Brutto-Monatslohn:

2.551,06 €

        

Derzeitiger Jahresverdienst:

30.612,72 €

        

Neues Brutto-Monatsgehalt:

2.500,00 €

        

Neuer Jahresverdienst (inklusive

        
        

13. Monatsgehalt)

32.500,00 €

        

➔ Ergibt eine effektive Gehaltserhöhung von 6,2 %.“

6

Zuvor hatten die Parteien besprochen, die bisherigen Arbeitszeiten der Klägerin beizubehalten.

7

Am 1. März 2011 schlossen die Parteien einen von der Beklagten formulierten „Anstellungsvertrag“ (im Folgenden Arbeitsvertrag), in dem es ua. heißt:

        

㤠3

Entgelt

        

Das monatlich nachträglich zu zahlende Bruttogehalt beträgt € 2.500,00. Der Arbeitgeber gewährt, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse dies zulassen, ein 13. Monatsgehalt, das mit dem Dezember-Gehalt zeitanteilig ausbezahlt wird.

        

Scheidet die Arbeitnehmerin während des Jahres aus, erfolgt eine zeitanteilige Vergütung. …

        

§ 4

Arbeitszeit

        

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich und wird durch unser Zeiterfassungssystem erfasst.

        

Die derzeitige Arbeitszeit ist wie folgt festgelegt:

        

6:00 h

bis     

12:00 h

        

12:00 h

bis     

12:30 h (Pause)

        

12:30 h

bis     

17:00 h

        

…“    

8

Die Klägerin arbeitete nach der Vertragsänderung weiterhin an fünf Tagen der Woche zwischen 06:00 und 17:00 Uhr. Über 10,5 Stunden hinaus geleistete Arbeitsstunden machte die Klägerin als Überstunden geltend und erhielt hierfür entsprechend den von ihr gestellten Anträgen Freizeitausgleich.

9

Nach einer Beanstandung durch das Gewerbeaufsichtsamt reduzierte die Beklagte die tägliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 1. November 2013 auf 9,5 Stunden und kürzte das Bruttomonatsgehalt von 2.500,00 Euro auf 2.265,00 Euro. Nach Protest der Klägerin zahlte die Beklagte die Vergütungsdifferenz für die Monate November und Dezember 2013 nach. Ende Februar 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe.

10

Mit der am 30. Dezember 2014 eingereichten Klage hat die Klägerin, nach vorangegangener erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 wöchentlich über 40 Stunden hinaus geleistete 12,5 Arbeitsstunden Vergütung verlangt. Die vereinbarte Vergütung sei nach dem Arbeitsvertrag für eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zu zahlen. Die in § 4 Arbeitsvertrag wiedergegebenen Arbeitszeiten seien nur die betriebsüblichen Bedienzeiten an der Waage. Eine Festlegung des zeitlichen Umfangs der von ihr geschuldeten Arbeitsleistung sei damit nicht verbunden gewesen. Jedenfalls seien die über die gesetzlich zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden zusätzlich zu vergüten.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.965,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2014 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe mit der Klägerin vereinbart, es solle die bisherige tägliche Arbeitszeit von 10,5 Stunden beibehalten und der Bruttojahresverdienst von 32.500,00 Euro als Gegenleistung für eine wöchentliche Arbeitsleistung von 52,5 Stunden gezahlt werden. Die Klägerin habe durch die Änderung des Vertrags eine Gehaltserhöhung von 6,2 % erhalten sollen und nicht von 33,99 %. Zur Erwähnung von 40 Stunden im Arbeitsvertrag sei es gekommen, weil ein Formulararbeitsvertrag verwendet wurde. Die über das gesetzlich zulässige Maß hinaus geleistete Arbeitszeit sei nicht zu vergüten. Dies gebiete der Schutzzweck von § 3 ArbZG. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin verwirkt.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

15

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Vergütung von wöchentlich 12,5 Arbeitsstunden, die die Klägerin unstreitig vom 1. März 2011 bis zum 30. September 2013 innerhalb einer konkret bezeichneten Zeitspanne über eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus arbeitete. Die Vergütung von Pausenzeiten ist nicht Gegenstand der Klage.

16

B. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

17

Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleistete 4,5 Arbeitsstunden. Diese Stunden sind nicht mit dem vereinbarten Jahresverdienst von 32.500,00 Euro brutto entgolten. Die Klägerin schuldete für das vereinbarte Arbeitsentgelt lediglich eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche der Klägerin für wöchentlich im Streitzeitraum geleistete 48 Arbeitsstunden erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

18

I. Die Parteien haben, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, vor Unterzeichnung des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags in einer konkludent getroffenen individuellen Vertragsabrede eine wöchentliche Arbeitszeit von 52,5 Stunden vereinbart. Dies ergibt die Auslegung der von ihnen abgegebenen nichttypischen Erklärungen, die nach § 305b BGB den Regelungen des Formulararbeitsvertrags vorgehen.

19

Individualabreden können - weiter gehend als in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB oder § 310 Abs. 3 Nr. 2 letzter Halbsatz BGB geregelt - grundsätzlich alle Abreden zwischen den Vertragsparteien außerhalb der einseitig vom Verwender vorgegebenen Vertragsbedingungen sein. Sie können sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 39, BAGE 139, 156). Auch können sie auf mündlichen Erklärungen der Parteien beruhen (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 27 ff., BAGE 126, 364). Eine solche Abrede haben die Parteien getroffen, indem sie vor Unterzeichnung des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags den Umfang der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung und die Höhe der hierfür von der Beklagten als Gegenleistung geschuldeten Vergütung vereinbarten. Die Vereinbarung hat im Rahmen ihrer Wirksamkeit vor den Regelungen des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags Vorrang.

20

1. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang atypische Erklärungen der Parteien haben, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 20, BAGE 138, 136). Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 27, BAGE 149, 144). Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., zB BAG 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 27 mwN, aaO).

21

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Erklärungen der Parteien nicht vollständig ausgelegt, indem es offenließ, ob diese als Individualabrede zu qualifizieren seien, und deren Bedeutungsgehalt lediglich für das Verständnis der Parteien von § 4 Arbeitsvertrag bewertete. Der Senat kann die gebotene Auslegung auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Der erforderliche Sachverhalt ist vollständig festgestellt. Weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien ist nicht zu erwarten.

22

a) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 28, BAGE 149, 144).

23

b) Hiervon ausgehend haben die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 52,5 Stunden vereinbart.

24

aa) Die Parteien haben vor Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags die künftigen Arbeitszeiten der Klägerin besprochen. Es bestand Einvernehmen, die bisherige Arbeitszeit bei Übernahme der Klägerin in ein Angestelltenverhältnis beizubehalten. Die Klägerin lehnte eine Verlängerung der Pausenzeiten ausdrücklich ab.

25

bb) Die Berechnung der künftigen Vergütung basierte, für die Klägerin erkennbar, auf der getroffenen Abrede. Die Beklagte legte die Berechnung der neuen Bruttovergütung in dem der Klägerin vorgelegten Schreiben „Übernahme ins Angestelltenverhältnis“ offen. Ausweislich der Gegenüberstellung von neuem und altem Jahresverdienst sollte die Bruttovergütung um 6,2 % erhöht werden. Eine solche effektive Gehaltserhöhung von 6,2 % errechnet sich bei einer unveränderten Arbeitsleistung von 10,5 Stunden täglich.

26

cc) Die Vereinbarung einer Arbeitszeit von 52,5 Stunden wöchentlich wird durch die Einlassung der Klägerin in der Berufungsverhandlung bestätigt, es sei überraschend gewesen, dass im schriftlichen Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche gestanden habe, was sich mit den bisherigen Arbeitszeiten nicht vertragen hätte. Dies deckt sich mit der Erklärung der Beklagten, es sei versehentlich ein Formulararbeitsvertrag verwendet worden, in dem eine 40-Stunden-Woche vorgesehen gewesen sei. Die Diskrepanz zwischen der im Arbeitsvertrag angegebenen Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden und der zuvor verabredeten von 52,5 Stunden wöchentlich war der Klägerin bei Vertragsunterzeichnung bewusst.

27

dd) Dem Auslegungsergebnis entspricht die Vertragspraxis der Parteien. Sie verdeutlicht, dass sich die Parteien vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags nicht nur iSv. Wissenserklärungen über die bisherigen Arbeitszeiten der Klägerin austauschten, sondern rechtsgeschäftliche Erklärungen zum Umfang der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung und zur Höhe der hierfür als Gegenleistung geschuldeten Vergütung abgaben und abgeben wollten. Das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss ist ein bedeutsames Indiz für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und Verständnisses bei Vertragsschluss (vgl. BGH 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - Rn. 16, BGHZ 181, 278; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 35 Rn. 31). Nicht nur aus der Abwicklung des Vertrags durch die Beklagte, sondern auch aus dem Verhalten der Klägerin nach Vertragsschluss, ergibt sich, dass nach dem Verständnis beider Parteien eine regelmäßige Arbeitszeit von 10,5 Stunden täglich und 52,5 Stunden wöchentlich vereinbart war. Die Klägerin legte der Geltendmachung von Überstunden, wie ihren Ausführungen im Zusammenhang mit den Anträgen auf Freizeitausgleich zu entnehmen ist, stets eine Arbeitszeit von 10,5 Stunden als vertraglich geschuldet zugrunde und ermittelte den Ausgleichsanspruch auf dieser Basis.

28

ee) Die unterlassene Anpassung des vorformulierten Vertragstexts an die vereinbarte Dauer der Arbeitszeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Anhaltspunkte für eine mit dem schriftlichen Arbeitsvertrag beabsichtigte Einschränkung der zuvor getroffenen Vereinbarungen (vgl. BGH 23. Januar 2013 - VIII ZR 47/12 - Rn. 22) sind nicht gegeben.

29

II. Die Parteien konnten wirksam nur eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vereinbaren. Die getroffene Arbeitszeitvereinbarung ist nach § 3 ArbZG iVm. § 134 BGB unwirksam, soweit sie eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit vorsieht.

30

1. Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. § 3 ArbZG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB(Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. Einf. Rn. 53; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 155 Rn. 4).

31

2. Die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 52,5 Stunden verstößt gegen § 3 ArbZG. Der Verstoß hat jedoch nach § 134 BGB nicht die Nichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung insgesamt, sondern deren Teilnichtigkeit zur Folge. Die Vereinbarung ist wirksam, soweit sie eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vorsieht.

32

a) Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, § 134 BGB. Dabei muss das Rechtsgeschäft selbst verbotswidrig sein. Das ist der Fall, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, insbesondere der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg verbotswidrig ist (BAG 18. März 2009 - 5 AZR 355/08 - Rn. 15, BAGE 130, 34). Das Verbot braucht nicht unmittelbar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden zu haben. Es kann sich auch aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ergeben. Maßgebend ist insoweit die Reichweite ihres Schutzzwecks (vgl. BAG 19. März 2009 - 8 AZR 722/07 - Rn. 25, BAGE 130, 90; 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 38, BAGE 144, 47; 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 31, 32, BAGE 152, 228).

33

b) Die Arbeitszeitvereinbarung der Parteien ist nach § 134 BGB nur unwirksam, soweit sie im Widerspruch zu § 3 ArbZG steht. § 3 ArbZG soll den Arbeitnehmer vor Überforderung durch übermäßige zeitliche Inanspruchnahme schützen. Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot aufgrund dessen es dem Arbeitgeber - nur - untersagt ist, Arbeitsleistung in einem die gesetzlichen Höchstgrenzen übersteigenden Umfang anzuordnen oder entgegenzunehmen (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, BAGE 116, 66). § 3 ArbZG gibt damit eine Grenze für das Arbeitszeitvolumen vor, das wirksam als geschuldet vereinbart werden kann. Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bleibt eine gegen die gesetzlichen Höchstgrenzen verstoßende Arbeitszeitvereinbarung wirksam.

34

III. Im Rahmen ihrer Wirksamkeit hat die Individualabrede der Parteien Vorrang vor den Regelungen des von der Beklagten gestellten schriftlichen Arbeitsvertrags.

35

1. Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB und vor in Verbraucherverträgen vorformulierten Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Ausdrücklich klargestellt ist dies für Allgemeine Geschäftsbedingungen in § 305b BGB. Der Vorrang der Individualabrede ergibt sich zudem aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. zu § 4 AGBG und vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes geschlossenen Verträgen BGH 13. Januar 1982 - IVa ZR 162/80 - zu IV der Gründe). Er gilt trotz der fehlenden Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf § 305b BGB auch für vorformulierte Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen(vgl. Clemenz in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 305b Rn. 4; Kreft in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 310 Rn. 35; einen Vorrang der Individualabrede aus §§ 133, 157 BGB ableitend Staudinger/Schlosser (2013) § 310 Rn. 67; Erman/Roloff BGB 14. Aufl. § 310 Rn. 21).

36

2. Es bedarf danach keiner weiteren Aufklärung, ob es sich bei § 4 Abs. 1 Arbeitsvertrag um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB handelt und deshalb § 305b BGB anzuwenden ist oder der Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag zu bewerten ist(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff.; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14). In beiden Fällen geht die Individualabrede der Parteien den Bestimmungen des schriftlichen Arbeitsvertrags vor.

37

a) Bei dem Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede handelt es sich um eine Kollisionsregel, die auf der Rechtsfolgenseite zu einer Verdrängung der vom Verwender als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als Einmalbedingung gestellten Vertragsbedingung durch die Individualabrede führt. Die Kollisionsregel setzt voraus, dass es auf der einen Seite Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Einmalbedingungen in einem Verbrauchervertrag als gestellte Vertragsbedingungen und auf der anderen Seite eine Individualabrede gibt. Sie kommt zum Tragen, wenn die durch Auslegung der Individualabrede nach §§ 133, 157 BGB und der vom Verwender gestellten Vertragsbedingungen nach den für ihre Auslegung geltenden Grundsätzen zu ermittelnden Regelungsbereiche einer wirksamen Individualabrede und einer wirksamen Formularabrede zumindest teilweise inhaltlich deckungsgleich sind(vgl. Clemenz in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 305b Rn. 2). Im Falle widersprechender Regelungen ist allein auf die individuelle abzustellen. Die gestellten Vertragsbedingungen können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, wie die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt (zu § 305b BGB vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 39, BAGE 139, 156). Für den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen und vorformulierter Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen kommt es daher auf die Reichweite der Individualvereinbarung an und nicht umgekehrt (zu § 305b BGB BGH 23. Januar 2013 - VIII ZR 47/12 - Rn. 22).

38

b) Hiervon ausgehend werden die Bestimmungen des schriftlichen Arbeitsvertrags durch die Individualvereinbarung der Parteien verdrängt, soweit sie zu dieser im Widerspruch stehen. Es kann deshalb zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, § 4 Arbeitsvertrag regele ausgehend von einer Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab(vgl. BAG 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 26 mwN) und einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle wirksam eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Auch in diesem Fall ist allein auf die Individualabrede der Parteien abzustellen, die zwar wegen Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 134 BGB teilunwirksam ist, aber trotz des Verstoßes gegen § 3 ArbZG wirksam bleibt, soweit sie eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vorsieht.

39

IV. Die Klägerin hat nach § 612 Abs. 1 BGB Anspruch auf Vergütung der wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten 4,5 Arbeitsstunden, denn sie schuldete für das vereinbarte Arbeitsentgelt lediglich eine Arbeitsleistung in gesetzlich zulässigem Umfang.

40

1. Die Vergütung von Arbeitsstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB voraus(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 16, BAGE 151, 180).

41

2. Eine anderweitige normative Regelung, die einen Vergütungsanspruch der Klägerin begründen könnte, besteht nicht. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung, der von der Klägerin wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden, weder vereinbart noch ausgeschlossen.

42

3. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 612 Abs. 1 BGB.

43

a) § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 17; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 17, BAGE 151, 180) und damit Leistungen erbringt, die durch die vereinbarte Vergütung nicht entgolten sind, und weder einzel- noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (st. Rspr., BAG 29. Januar 2003 - 5 AZR 703/01 - zu I 1 der Gründe; 6. Dezember 2006 - 5 AZR 737/05 - Rn. 16; 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 20).

44

b) Die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitsleistung der Klägerin wurde von der Vergütungsabrede der Parteien nicht erfasst. Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet der Arbeitnehmer für die vereinbarte Vergütung qualitativ und quantitativ allein die vereinbarte Arbeitsleistung(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 20; 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 20). Der Arbeitgeber kann Arbeitsleistung allerdings nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen verlangen. Das vereinbarte Bruttojahresentgelt in Höhe von 32.500,00 Euro stellt deshalb die Gegenleistung für die wirksam vereinbarte Arbeitszeit dar, dh. für 48 Arbeitsstunden wöchentlich.

45

4. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

46

a) § 612 BGB sieht nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor. Vielmehr setzt die Norm stets voraus, dass die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

47

b) Die Leistung von Arbeitsstunden durch die Klägerin über das geschuldete Maß hinaus war nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Besondere Umstände, die gegen eine objektive Vergütungserwartung sprechen könnten, ergeben sich weder aus der Tätigkeit und Stellung der Klägerin noch aus der Höhe ihres Einkommens (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

48

c) Der Verstoß gegen § 3 ArbZG führt nicht zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs. Der Sinn des § 3 ArbZG besteht darin, eine Überforderung des Arbeitnehmers zu vermeiden(BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, BAGE 116, 66). Der Schutzzweck des § 3 ArbZG gebietet nicht, dem Arbeitnehmer Vergütung für Arbeitsleistungen zu versagen, die der Arbeitgeber trotz des Beschäftigungsverbots in Anspruch genommen hat. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes untersagen es dem Arbeitgeber nicht, die über die gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen hinaus erbrachten Arbeitsleistungen zu vergüten.

49

V. Der Klägerin steht nach § 612 Abs. 2 BGB weitere Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto zu.

50

1. Für die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Vergütung bleibt die vereinbarte Vergütung maßgebend. Die Vereinbarung einer Jahresvergütung bei gleichzeitiger Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit rechtfertigt den Schluss, dass sich die Jahresvergütung grundsätzlich auf die geschuldete Arbeitszeit bezieht und darüber hinausgehende Stunden anteilig zu vergüten sind (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 15, 16, BAGE 116, 66).

51

2. Der mit der Reduzierung der - vermeintlich - geschuldeten Arbeitsleistung auf das gesetzlich zulässige Maß verbundene Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma rechtfertigt keine andere Bewertung.

52

a) Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt (BAG 27. April 2016 - 5 AZR 311/15 - Rn. 25). Für den Wert der Arbeitsleistung sollte nach den Vorstellungen der Parteien eine Arbeitszeit von 52,5 Stunden wöchentlich in Relation zur vereinbarten Vergütung bestimmend sein.

53

b) Eine diesem Regelungsplan Rechnung tragende ergänzende Vertragsauslegung zur Ermittlung der Höhe der geschuldeten Vergütung (vgl. hierzu BAG 18. November 2015 - 5 AZR 751/13 - Rn. 26 ff.) scheidet aus, weil die vertragliche Regelung nicht lückenhaft ist. Der Verstoß gegen § 3 ArbZG hat nach §§ 134, 139 BGB allein die Teilnichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung zur Folge. Er lässt die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung im Übrigen unberührt (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 34 Rn. 20).

54

c) Eine andere Bemessung der Vergütung für die wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten 4,5 Arbeitsstunden ist auch nicht unter Berücksichtigung der in § 313 BGB kodifizierten Rechtsgrundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage geboten.

55

aa) Nach § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB kann, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen, eine Anpassung des Vertrags nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 513/11 - Rn. 36). Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann bei einem beiderseitigen Irrtum über die Rechtslage bei Abschluss des Vertrags anzunehmen sein, wenn ohne diesen beiderseitigen Irrtum der Vertrag nicht wie geschehen geschlossen worden wäre (vgl. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 144/04 - zu B I 3 a der Gründe). Eine Vertragsanpassung ist jedoch auch in diesem Fall nur bei erheblichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht zu ziehen.

56

bb) Von einer die Anpassung der Vergütungsabrede rechtfertigenden Störung der Geschäftsgrundlage kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der mit der Reduzierung der - vermeintlich - geschuldeten wöchentlichen Arbeitsleistung von 52,5 Stunden auf das gesetzlich zulässige Maß von 48 Stunden - dh. um weniger als 9 % - unter Beibehaltung der vereinbarten Vergütung verbundene Eingriff in das Äquivalenzverhältnis ist nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.

57

d) Die Beklagte schuldet der Klägerin danach ausgehend von einem vereinbarten Jahresverdienst in Höhe von 32.500,00 Euro brutto für im Zeitraum 1. März 2011 bis 30. September 2013 geleistete 607,5 Stunden weitere Vergütung in Höhe von 7.909,65 Euro brutto.

58

VI. Die Klägerin hat ihren Vergütungsanspruch nicht verwirkt.

59

1. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob die Ansprüche der Klägerin verwirkt sind. Es hat allerdings den Sachverhalt, der für die Bewertung, ob die Ansprüche verwirkt sind, erforderlich ist, vollständig festgestellt. Weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien ist nicht zu erwarten. Der Senat kann deshalb die Prüfung der Verwirkung selbst vornehmen.

60

2. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 372/05 - Rn. 20, BAGE 118, 51; 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43; 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 15).

61

3. Eine Verwirkung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen ergeben, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Dispositionen „unzumutbar“ geworden (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 28), die Ansprüche der Klägerin zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen.

62

VII. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

63

VIII. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin kann nicht weiter gehend die Vergütung der Stunden verlangen, die sie über 40 Stunden wöchentlich hinaus gearbeitet hat. Ein Anspruch nach § 612 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil die Parteien eine vertragliche Vereinbarung über die Vergütung von wöchentlich 48 Stunden getroffen haben. Die Ansprüche der Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB auf die vertraglich vereinbarte Vergütung für eine Arbeitsleistung von 48 Stunden wöchentlich hat die Beklagte durch Zahlung erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

64

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Zorn    

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.