Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. März 2013 - 3 AZR 68/11

bei uns veröffentlicht am26.03.2013

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 9 Sa 428/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von Gas- und Stromkosten iHv. 25 vH freizustellen.

2

Der im Dezember 1948 geborene Kläger war seit dem 1. März 1976 bei der Wuppertaler Stadtwerke AG (im Folgenden: WSW AG) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich ua. nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen; daneben fanden die für die Angestellten des Arbeitgebers geltenden sonstigen Tarifverträge und betrieblichen Vereinbarungen Anwendung.

3

Am 26. September 1975 hatte der damalige Vorstand der WSW AG eine allgemeine Regelung zu einem Werkstarif für Energieleistungen erlassen. Diese Vorstandsverfügung bestimmte auszugsweise:

        

„Neufassung der Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 vom 26.9.1975

        

Betrifft : Werkstarif

        

0       

Bezugsberechtigte

                 

00    

Für den gemessenen Haushaltsbezug von elektrischer Energie und Gas wird auf Antrag eine Ermäßigung eingeräumt:

                          

000     

vollbeschäftigten Betriebsangehörigen,

                          

001     

ehemaligen Betriebsangehörigen,

                          

002     

Witwen ehemaliger Betriebsangehöriger für die Dauer des Witwenstandes,

                          

…       

        
        

1       

Voraussetzungen für die Gewährung des Werkstarifs sind:

                 

10    

der eigene Haushalt,

                 

11    

die ununterbrochene Beschäftigungszeit bei den WSW / BEV bzw. - vor dem 1.4.1948 - den Städt. Werken Wuppertal der

                          

110     

Betriebsangehörigen von mindestens 6 Monaten,

                          

111     

ehemaligen Betriebsangehörigen von mindestens 5 Jahren bis zu ihrer Inruhesetzung,

                 

12    

der Bestand der Ehe während der aktiven Betriebszugehörigkeit des verstorbenen Ehemannes.

        

…       

        
        

3       

Wohnen außerhalb des Versorgungsbereichs der WSW

                 

Bezugsberechtigte, die nicht im Versorgungsbereich der WSW wohnen, erhalten - sofern ihr Verbrauch an elektrischer Energie und Gas von ihrem Versorgungsunternehmen im Währungsgebiet der Deutschen Mark zu einem höheren Preis abgerechnet wird, als er nach dem Werkstarif zur Verrechnung kommen würde - den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihnen bezahlten Rechnungsbetrag und dem nach dem Werkstarif zu verrechnenden Betrag erstattet.

        

…       

        
        

5       

Tarife

                 

Ab 1.1.1976 erhalten die Bezugsberechtigten 25 % Rabatt auf die allgemeinen Tarife für die Versorgung mit elektrischer Energie und Gas sowie auf Sondervertragspreise für Raumheizung und sonstigen Haushaltsbedarf.

        

6       

Besitzstand

                 

Hinsichtlich der auf dieser Verfügung beruhenden Ansprüche wird kein Besitzstand begründet.

        

7       

Kündigung

                 

Der Anspruch auf Werkstarif kann - auch mit Wirkung gegenüber ehemaligen Betriebsangehörigen - unter Aufheben oder Ändern dieser Verfügung mit einer Frist von 3 Monaten zum jeweiligen Jahresende gekündigt werden.

        

8       

Die Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 (alte Fassung) wird am 31.12.1975 ungültig.“

4

Ab dem 1. Januar 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung. Dieser bestimmt in § 2 Abs. 1:

        

„Der Arbeitsvertrag wird schriftlich unter Angabe der Entgeltgruppe abgeschlossen. Nebenabreden sind schriftlich zu vereinbaren.“

5

Im Jahr 2007 wurden die mit der Erstellung zentraler Dienstleistungen befassten Organisationseinheiten der WSW AG abgespalten und im Wege der Aufnahme nach §§ 123 ff. UmwG auf die Beklagte übertragen. Diese ist weder Erzeuger noch Lieferant von Strom und Gas. Im Zuge der zum 1. Januar 2007 erfolgten Umwandlung wies die WSW AG den Kläger darauf hin, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergehen und diese in seinen Arbeitsvertrag eintreten werde.

6

Im Zuge der Umstrukturierung der WSW AG schlossen die WSW AG und die der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte zählt, einerseits und die Gewerkschaft ver.di andererseits den Tarifvertrag zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der WSW Unternehmensgruppe vom 10. November 2006 (im Folgenden: TV-SR). Dieser bestimmt ua.:

        

Präambel

        

Die Wuppertaler Stadtwerke AG, ein einheitliches und sich mehrheitlich im Eigentum der Stadt Wuppertal befindliches Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, wird durch eine grundlegende Umstrukturierung in mehrere Unternehmen geteilt. Dieser Tarifvertrag wird zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der WSW-Unternehmensgruppe abgeschlossen.

                 
        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten der diesen Tarifvertrag abschließenden oder beitretenden Unternehmen, sofern der Geltungsbereich für einzelne Regelungen dieses Tarifvertrages nachstehend nicht abweichend festgelegt wird.

        

(2) Der § 4 I dieses Tarifvertrages gilt nur für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 2 III.

        

(3) Der Tarifvertrag bindet und verpflichtet die ihn abschließenden und die ihm beitretenden Unternehmen und Parteien.

        

§ 2     

        

Definitionen

        

(1) Der Begriff ‚WSW-Unternehmensgruppe’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint folgende bestehende, sich in Gründung befindliche bzw. zu gründende Unternehmen:

        

WSW Holding GmbH (Arbeitstitel),

        

WSW Verkehr GmbH (Arbeitstitel),

        

Wuppertaler Stadtwerke AG und die

        

WSW Netz GmbH.

        

(2) ‚Stichtag’ im Sinne dieses Tarifvertrages ist:

        

       

für die WSW Holding GmbH und die WSW Verkehr GmbH der Tag, an dem die ersten Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Wuppertaler Stadtwerke AG durch Betriebsübergang auf eines der beiden Unternehmen übergehen.

        

       

für die Wuppertaler Stadtwerke AG der Tag, auf den der spätere der beiden oben genannten Stichtage fällt.

        

(3) Der Begriff ‚heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, die

        

       

am jeweiligen Stichtag in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe stehen werden und

        

       

am Vortag des oben genannten Stichtages in einem Arbeitsverhältnis mit der Wuppertaler Stadtwerke AG standen.

        

Die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind ausgeschlossen.

        

§ 3     

        

Tarifbindung

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe führen die bei der Wuppertaler Stadtwerke AG am Vortag des Stichtages geltenden Tarifverträge - ausdrücklich einschließlich des Tarifvertrages ‚Tarifvertrag vom 17. Januar 2005 zur Einführung des TV-V bei der Wuppertaler Stadtwerke AG (WSW AG)’ - in ihrer jeweils gültigen Fassung weiter und erklären ihren Willen, den Abschluss identischer Tarifverträge beim Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen zu beantragen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erklärt sich schon jetzt zum Abschluss dieser Tarifverträge bereit.

        

(2) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen beantragen, sofern dadurch die Regelungen in Absatz 1 keine Einschränkungen erfahren.

        

§ 4     

        

Kündigungsschutz

        

(1) Der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen ist gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zum 31.12.2020 unzulässig. Ausnahmsweise ist der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jedoch auch innerhalb des Zeitraums bis zum 31.12.2020 zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (durch z. B. drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen oder Aufträgen) so ändert, dass das jeweilige Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe zu Maßnahmen greifen muss, die es zur Anzeige gemäß § 17 I KSchG verpflichtet.

        

…       

        

§ 5     

        

Materielle Sicherung

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten zum Stichtag in die am Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG bestehenden und im Zuge des Betriebsübergangs jeweils auf die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe übergegangenen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung der Eingruppierung und Einstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Streichung von Entgeltbestandteilen und auch keine andere Veränderung des derzeitigen Entgelts vorgenommen.

        

(2) Die zum Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozialleistungen werden für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag ihr Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe beginnen, werden die bis zum Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozialleistungen bis zu einer Neuregelung in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt.

        

§ 6     

        

Immaterielle Sicherung

        

Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung des Tätigkeitsbereichs, des Arbeitsinhaltes und des Arbeitsortes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgenommen. Eventuelle spätere Veränderungen in den vorgenannten Bereichen erfolgen auf der Grundlage der dann in dem jeweiligen Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe geltenden Regelwerke.

        

§ 7     

        

Betriebsvereinbarungen

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten in die am Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG geltenden Betriebsvereinbarungen ein.

        

…       

        

§ 8     

        

Zusatzversorgung

        

Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Ansprüche aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 18 TV-V, auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Altersvorsorge nach Maßgabe des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) oder des Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) in ihrer jeweils geltenden Fassung, erfüllen.“

7

Am 24. September 2007 beschlossen der Vorstand der WSW AG und die Geschäftsführungen der Beklagten und der WSW mobil GmbH, dass künftig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der WSW-Unternehmensgruppe angestellt werden, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab dem 1. Oktober 2007 ihr Arbeitsverhältnis beenden und anschließend in den Ruhestand wechseln, Energierabatte iHv. 15 vH erhalten, wenn die Energie von der WSW AG bezogen wird.

8

Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2008 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und befindet sich seit dem 1. Januar 2009 im Ruhestand. Bis zum 31. Dezember 2008 gewährte ihm die Beklagte einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH; seit dem 1. Januar 2009 erhält er nur noch einen Rabatt iHv. 15 vH.

9

Gegen diese Absenkung des Energiekostenrabatts hat sich der Kläger gewandt und von der Beklagten weiterhin die Freistellung von den abgerechneten Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH begehrt.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund betrieblicher Übung ein Energiekostenrabatt für Strom und Gas iHv. 25 vH zu. Der Entstehung einer betrieblichen Übung stehe das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT und des § 2 Abs. 1 Satz 2 TV-V nicht entgegen. Bei der Vereinbarung des Personalrabatts handele es sich nicht um eine Nebenabrede. Die Zusage übertariflicher Sonderleistungen gehöre zu den vertraglichen Hauptpflichten. Im Übrigen stelle sich die Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Vorstandsverfügung vom 26. September 1975 stehe der Begründung von Ansprüchen aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Diese Verfügung sei ihm nicht bekannt. Im Übrigen sei ihm gegenüber ein Widerruf nicht erklärt worden. Schließlich stehe ihm der Anspruch auch aufgrund § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR zu.

11

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn von Forderungen der Wuppertaler Stadtwerke AG freizustellen, soweit diese vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 mehr als 75 % der gemessenen Energiekosten (Gas und Strom) gegenüber ihm abgerechnet hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn auf Lebenszeit, nach seinem Tod seine Witwe auf Lebenszeit, in Höhe von 25 % von den Kosten der Energielieferung (Gas und Strom) durch die WSW AG oder einen Nachfolge-Versorgungsbetrieb freizustellen,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Energiepreisvergünstigung von 25 % entsprechend den bisherigen Bedingungen bei der Energielieferung durch die WSW AG zu gewähren.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht mit den Hauptanträgen entsprochen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn auf Lebenszeit und ggf. nach seinem Tod seine Witwe auf deren Lebenszeit - jedenfalls für die Dauer ihres Witwenstands - von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH der anfallenden Kosten freistellt.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die Hauptanträge bedürfen der Auslegung.

17

a) Klageanträge sind der Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich. Dabei sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat vielmehr den erklärten Willen zu erforschen, wie er sich aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage ergibt. Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 25, EzTöD 650 TV-Ärzte/VKA § 16 Entgeltgruppe III Nr. 13; BGH 12. Februar 2003 - XII ZR 324/98 - zu II 1 a der Gründe mwN, WM 2003, 1919).

18

b) Mit den Hauptanträgen begehrt der Kläger trotz der Formulierung als (unbezifferte) Leistungsanträge die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 (Hauptantrag zu 1) und für die Zeit ab dem 1. November 2009 bis zu seinem Tod sowie ggf. für die Dauer des Witwenstands seiner Ehefrau (Hauptantrag zu 2) freizustellen. Dieses Verständnis seiner Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

19

2. In dieser Auslegung sind die Hauptanträge zulässig.

20

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Klage muss sich dabei nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen. Es reicht, wenn sie sich auf einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 14).

21

b) Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn von den Forderungen der WSW AG oder eines Nachfolge-Versorgungsunternehmens aus dem Bezug von Strom und Gas iHv. 25 vH der tatsächlich angefallenen Kosten in der Zeit ab dem 1. Januar 2009 freizustellen. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Da die Beklagte die vom Kläger begehrte Freistellungsverpflichtung leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 286/09 - Rn. 17; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 31, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11). Dies ist hier der Fall.

22

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 TV-SR Anspruch auf die begehrte Freistellung von den Kosten für Strom und Gas. Bis zum 1. Januar 2007 gewährte die WSW AG als Rechtsvorgängerin der Beklagten allen Arbeitnehmern, die in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt des Versorgungsfalls in einem Arbeitsverhältnis zu ihr standen, auch für die Dauer des Ruhestands und darüber hinaus nach ihrem Tod deren Witwen einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH der gemessenen Verbrauchskosten für Strom und Gas. Hierbei handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung iSv. § 5 Abs. 2 TV-SR. Nach dieser Tarifbestimmung ist es unerheblich, ob auf deren Gewährung in der Vergangenheit ein Rechtsanspruch bestanden hat. Entscheidend ist allein die tatsächliche Gewährung. Es kann deshalb dahinstehen, ob bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine betriebliche Übung auf die Gewährung eines Energiekostenrabatts entstanden ist.

23

1. Der TV-SR ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Nach § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 10. Februar 1976 finden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für Angestellte des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge Anwendung. Hierzu zählt auch der TV-SR. Dieser gilt nach § 2 Abs. 1 TV-SR für die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte gehört.

24

2. § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR erfasst auch den von der WSW AG an ihre Mitarbeiter und Betriebsrentner gewährten Energiekostenrabatt als betriebliche Sozialleistung. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

25

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 236/11 - Rn. 12; 16. Juni 2010 - 4 AZR 944/08 - Rn. 18; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162; 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - zu I 2 a bb (2) (c) (bb) der Gründe mwN, BAGE 113, 291).

26

b) Danach erfasst § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch den von der Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens seit 1975 tatsächlich gewährten Energiekostenrabatt, ohne dass es darauf ankäme, ob hierauf ein Rechtsanspruch, etwa in Gestalt einer betrieblichen Übung, bestanden hat.

27

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR. Danach werden die von der WSW AG zum Vortag des Stichtags gewährten betrieblichen Sozialleistungen für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, somit auch im Unternehmen der Beklagten, fortgeführt.

28

Bei dem Energiekostenrabatt handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung. Diese soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR „heutigen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der Beklagten weitergewährt werden. Nach der Definition in § 2 Abs. 3 TV-SR sind heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Stichtag(§ 2 Abs. 2 TV-SR), dem 1. Januar 2007, in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe stehen und am Vortrag des Stichtags, dem 31. Dezember 2006, in einem Arbeitsverhältnis mit der WSW AG gestanden haben. Diese Arbeitnehmer sollen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR den Energiekostenrabatt auch weiterhin erhalten. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag in ein Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe eintreten. Diesen Arbeitnehmern werden die bis zum Stichtag gewährten Sozialleistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR nur bis zu einer Neuregelung in der WSW-Unternehmensgruppe weiter gewährt. Die „heutigen“ Arbeitnehmer mussten nach der Tarifbestimmung nicht mit einer Neuregelung rechnen. Da der Energiekostenrabatt von der WSW AG nicht nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Ruhestand gewährt wurde, ist der Rabatt den „heutigen“ Arbeitnehmern auch dann weiterzugewähren, wenn sie in den Ruhestand treten.

29

Nach dem Tarifwortlaut kommt es für die Weitergewährung der betrieblichen Sozialleistung nicht darauf an, ob hierauf ein Rechtsanspruch bestand. Mit der Formulierung „gewährte betriebliche Sozialleistungen“ haben die Tarifvertragsparteien allein darauf abgestellt, dass die Sozialleistung von der WSW AG tatsächlich erbracht wurde.

30

bb) Für diese Auslegung sprechen auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen und ihr Sinn und Zweck.

31

Der TV-SR dient nach seiner Präambel der Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmer im Zuge der grundlegenden Umstrukturierung der WSW AG und der damit verbundenen Schaffung der WSW-Unternehmensgruppe. Diese Sicherung soll nach § 4 TV-SR den kündigungsrechtlichen Bestandsschutz gewährleisten und nach § 5 Abs. 1 TV-SR die Sicherung des Arbeitsentgelts einschließlich der Eingruppierung und Einstufung umfassen. Durch § 5 Abs. 2 TV-SR sollen die gewährten betrieblichen Sozialleistungen gesichert werden und mit § 6 TV-SR werden die bisherigen Tätigkeitsbereiche, Arbeitsinhalte und Arbeitsorte weitgehend gegen Veränderungen geschützt. Schließlich enthält § 8 TV-SR Regelungen zur zusätzlichen Altersversorgung. Die tarifliche Regelung bezweckt damit, wie sich etwa aus § 6 TV-SR ergibt, eine über den Schutz aus § 613a BGB hinausgehende Absicherung der von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer. Diesen sollten ihre bisherigen (Rechts-)Positionen und die ihnen tatsächlich gewährten Leistungen erhalten bleiben und durch den Tarifvertrag rechtlich abgesichert werden. Zu diesen tatsächlich gewährten Leistungen gehört auch der Energiekostenrabatt, der auch im Ruhestand weitergewährt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei den gewährten betrieblichen Sozialleistungen zwischen Leistungen an aktive Arbeitnehmer und an Versorgungsempfänger unterschieden haben, sind nicht ersichtlich. Ob auf den Energiekostenrabatt bereits gegenüber der WSW AG ein Rechtsanspruch - ggf. aus betrieblicher Übung - bestand, ist daher ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Beklagte selbst weder Gas noch Strom produziert oder liefert.

32

c) Der Kläger kann daher von der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch während seines Ruhestands, nach seinem Tod seine Witwe für die Dauer des Witwenstands, Freistellung von den anfallenden Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH verlangen. Er stand am 1. Januar 2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe. Am Vortrag dieses Stichtags war er Arbeitnehmer der WSW AG. Somit erfüllt er die tariflichen Voraussetzungen für die Weitergewährung des Energiekostenrabatts in der bisherigen Höhe.

33

III. Der Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, denn er ist erkennbar nur für den Fall der Abweisung der Hauptanträge gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

34

IV. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Lohre     

        

    C. Reiter     

                 

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Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 19.10.2017, Az. 11 Ca 661/17, in Ziffern 1 und 3 abgeändert. 2. Die Klage wird hinsichtlich des Klage

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 25. Jan. 2018 - 3 Sa 101/17

bei uns veröffentlicht am 25.01.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg, Az. 27 Ca 524/16, vom 21. Juni 2017 wird teilweise, und zwar hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. aus der Berufungsbegründung vom 13. Oktober 2017, zurückgewiesen. Di

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 20. Juli 2016 - 8 B 10/16

bei uns veröffentlicht am 20.07.2016

Gründe 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Jahresbeiträgen zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 10 Abs. 1 bis 3 des Gesetz

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 20. Juli 2016 - 8 B 11/16

bei uns veröffentlicht am 20.07.2016

Gründe 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Jahresbeiträgen zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 10 Abs. 1 bis 3 des Gesetz

Referenzen

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Oktober 2009 - 6 Sa 25/09 - aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. März 2009 - 29 Ca 463/08 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.674,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz auf jeweils 79,96 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2007, auf jeweils 128,47 Euro seit dem 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli 2008 und auf jeweils 93,75 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab November 2008 bei der Berechnung des ruhegeldfähigen Jahresgehalts für die Gewährung der Versorgungsleistungen auf Grundlage des Pensionsstatuts die tariflichen Änderungen des Bankentarifvertrages zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers bei Änderungen des tariflichen Einkommens im Bankengewerbe unter Berücksichtigung dieser Änderungen neu zu berechnen.

2

Der Kläger ist 1944 geboren. Er trat am 1. Oktober 1976 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführten Bausparkasse, ein. Bei der Beklagten schied er zum 30. September 2005 aus. Anschließend befand er sich bis zum 30. Juni 2007 im Vorruhestand. Seit dem 1. Juli 2007 bezieht der Kläger eine gesetzliche Rente und Leistungen der Beklagten aus betrieblicher Altersversorgung.

3

Grundlage der Beschäftigung des Klägers war ein Anstellungsschreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 27. Juli 1976. Danach sollte sich das Gehalt nach den Bestimmungen des Tarifes für öffentlich-rechtliche Kreditanstalten bzw. dem Haustarif richten. Hinsichtlich der Altersversorgung wurde auf die gesetzliche Altersversorgung verwiesen und im Übrigen eine Altersversorgung über die P als zusätzliche Altersversorgung zugesagt. Daneben bestand bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine weitere Versorgungsregelung. Diese wurde vom Vorstand der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter dem 30. Dezember 1959 über das „Schwarze Brett“ bekannt gemacht und lautet wie folgt:

        

„...   

        

Wir können unseren Mitarbeitern die erfreuliche Mitteilung machen, daß unser Verwaltungsrat eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung (Pensionsstatut) genehmigt hat. Danach erteilen wir grundsätzlich eine Versorgungszusage bei Vollendung von 25 anerkannten Dienstjahren.

        

Die Bestimmungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung können in der Personalstelle und beim Vorsitzenden des Personalrates eingesehen werden.

        

...“   

4

Das Pensionsstatut lautet auszugsweise:

        

„I.     

        

Den Angestellten der Öffentlichen Bausparkasse H, die 25 Jahre im Dienst der Bausparkasse oder ihrer Rechtsvorgängerin tätig sind, wird eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung gewährt.

        

Dabei ist das Hamburgische Ruhegeldgesetz vom 16. Februar 1921 in seiner jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden, soweit im folgenden keine abweichenden Bestimmungen getroffen sind.

        

…       

        

III.   

        

Der § 29 des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes (allgemeiner Vorbehalt) wird nicht angewandt.

                 
        

IV.     

        

Die Höhe der zusätzlichen Versorgung ist von der Zahl der Dienstjahre abhängig, die der Angestellte nach Vollendung des 21. Lebensjahres in den Diensten der Bausparkasse verbracht hat. Als Dienstjahre gelten auch Zeiten nach Vollendung des 21. Lebensjahres, die von der Bausparkasse als Dienstjahre für die Altersversorgung anerkannt worden sind.

        

Mindestzuschüsse (§ 19, 2 des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes in der Fassung vom 16. Dezember 1958) werden nicht gezahlt.

        

V.    

        

Für die Berechnung der zusätzlichen Versorgung ist das ruhegeldfähige Jahresgehalt, das der Betreffende im Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung bezogen hat - unter Berücksichtigung künftiger Änderungen -, maßgebend. Zu ihm zählen

        

a)    

das tarifliche oder vertragliche Jahresgrundgehalt

        

b)    

die tarifliche Haushaltszulage

        

c)    

sonstige Zulagen, soweit diese als ruhegeldfähig bezeichnet sind.

        

Kinderzulagen gehören nicht zum letzten Jahresgehalt. Sie werden dem Angestellten oder den Waisen neben der zusätzlichen Versorgung gewährt.

        

…“    

5

Mit einem an alle Mitarbeiter gerichteten Schreiben schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Versorgung nach dem Pensionsstatut für die Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 1982 eingetreten waren.

6

Die Beklagte hatte die Ruhegelder ihrer Betriebsrentner bei Änderungen des tariflichen Entgelts im Bankenbereich jeweils neu berechnet. Nachdem durch eine Änderung des Hamburger Ruhegeldrechts und seine Zusammenfassung im Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz (HmbZVG) durch das Gesetz zur Neuordnung des Zusatzversorgungsrechts (Zusatzversorgungs-Neuordnungsgesetz - ZVNG) vom 2. Juli 2003 (HmbGVBl. I S. 222) die Versorgung der ehemaligen Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg lediglich um 1 % pro Kalenderjahr erhöht wird, verfährt auch die Beklagte entsprechend.

7

Der Kläger hat gemeint, dies sei nicht zulässig. Er hat sich auf V. des Pensionsstatuts berufen und die Ansicht vertreten, diese Berechnungsregelung stelle eine vom Ruhegeldrecht der Freien und Hansestadt Hamburg unabhängige Berechnungsweise dar, die ihm auch nach Änderung der gesetzlichen Grundlagen zustehe. Er hat Differenzbeträge für den Zeitraum 1. Juli 2007 bis Oktober 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe geltend gemacht und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, auch künftig seine Betriebsrente unter Berücksichtigung der Tariferhöhungen des Bankentarifvertrags neu zu berechnen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.674,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz auf

        

        

79,96 Euro seit dem 1. August 2007,

                 

79,96 Euro seit dem 1. September 2007,

                 

79,96 Euro seit dem 1. Oktober 2007,

                 

79,96 Euro seit dem 1. November 2007,

                 

79,96 Euro seit dem 1. Dezember 2007,

                 

128,47 Euro seit dem 1. Januar 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. Februar 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. März 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. April 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. Mai 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. Juni 2008,

                 

128,47 Euro seit dem 1. Juli 2008,

                 

93,75 Euro seit dem 1. August 2008,

                 

93,75 Euro seit dem 1. September 2008,

                 

93,75 Euro seit dem 1. Oktober 2008,

                 

93,75 Euro seit dem 1. November 2008

                 

zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab November 2008 bei der Berechnung des ruhegeldfähigen Jahresgehalts für die Gewährung der Versorgungsleistungen auf Grundlage des Pensionsstatuts die tariflichen Änderungen des Bankentarifvertrages zugrunde zu legen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Sie hat die Auffassung vertreten, auch hinsichtlich der Anpassung der Betriebsrente sei auf die Regelungen des Hamburger Ruhegeldrechts abzustellen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden dem nicht entgegen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen der Klage nicht stattgegeben. Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig. Sowohl der auf Zahlung in rechnerisch unstreitiger Höhe für die Vergangenheit gerichtete Leistungsantrag als auch der Feststellungsantrag sind begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass seine Betriebsrente bei Änderungen des Entgelts im Bankengewerbe unter Berücksichtigung dieser Änderungen neu festgesetzt wird.

13

I. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für den Feststellungsantrag. Die in § 256 Abs. 1 ZPO für Feststellungsanträge geregelten Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antrag ist auch bestimmt genug iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Klage muss sich dabei nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen. Es reicht, wenn sie sich - wie hier - auf einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht (vgl. BAG 12. Oktober 2004 - 3 AZR 444/03 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 44 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 39). Daher ist der Kläger berechtigt, die Frage zur Entscheidung zu stellen, nach welchen Regeln sich die Berechnung seiner Betriebsrente nach Einritt des Versorgungsfalls richtet. Ein Feststellungsinteresse besteht, da die Beklagte ihre Pflicht zur Neuberechnung der Betriebsrente unter Berücksichtigung von Änderungen des Entgelts nach dem Bankentarifvertrag leugnet.

15

2. Der Feststellungsantrag ist auch bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Parteien haben keine unterschiedlichen Auffassungen darüber, dass - soweit die Betriebsrente des Klägers bei Änderungen des Tarifrechts weiter neu festzusetzen ist - die Tarifentwicklung im Tarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken einschlägig ist. So ist auch der Klageantrag zu verstehen.

16

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist nach dem Pensionsstatut verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers bei Änderungen der tariflichen Entgeltentwicklung nach dem Tarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken neu zu berechnen. Das Pensionsstatut stellt eine Gesamtzusage dar, aus der der Kläger Ansprüche ableiten kann. Seine Auslegung ergibt, dass dem Kläger eine Gesamtversorgung zugesagt war, die unabhängig von der weiteren Entwicklung des Ruhegeldrechts für Angestellte der Freien und Hansestadt Hamburg unter Berücksichtigung der Tarifentwicklung für das Bankengewerbe bei Veränderungen der dort geregelten tariflichen Entgelte neu zu berechnen ist.

17

1. Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer gesonderten Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Sie sind als „typisierte Willenserklärungen“ nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers. Die Auslegung einer Gesamtzusage durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 136/08 - Rn. 22 f., AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1b Nr. 7).

18

2. Danach liegt eine Gesamtzusage zugunsten des Klägers vor, aus der er Rechte ableiten kann.

19

Indem die Rechtsvorgängerin der Beklagten unter dem 30. Dezember 1959 durch Aushang am „Schwarzen Brett“ unter Hinweis auf das vom Verwaltungsrat genehmigte Pensionsstatut eine Versorgungszusage erteilte, machte sie allen Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen des Pensionsstatuts erfüllten, eine verbindliche und sofort wirksame Zusage. Dass sie das Pensionsstatut nicht in gleicher Weise bekannt gab, ist unschädlich. Der Wille, die Versorgungszusage zu erteilen, wird aus dem Aushang hinreichend deutlich. Es war den Arbeitnehmern auch jederzeit möglich, sich vom Inhalt des Pensionsstatuts Kenntnis zu verschaffen, worauf der Aushang auch hinwies.

20

Der Kläger war vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. September 2005 und damit 29 Jahre bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin tätig, so dass er nach I. Abs. 1 in den persönlichen Geltungsbereich des Pensionsstatuts fällt. Er war auch nicht von der Schließung der Versorgung nach dem Pensionsstatut zum 31. Dezember 1982 erfasst, da sein Arbeitsverhältnis bereits vor diesem Tag begründet war.

21

3. Die Auslegung des Pensionsstatuts ergibt, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Ruhegeld des Klägers bei Änderungen des Tarifentgelts im Tarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken jeweils neu zu berechnen.

22

a) Nach I. Abs. 2 des Pensionsstatuts gilt für die Versorgung des Klägers das Hamburgische Ruhegeldgesetz vom 16. Februar 1921 in seiner jeweils geltenden Fassung sinngemäß, jedoch nur, soweit im Folgenden keine abweichenden Bestimmungen getroffen sind. Für die Berechnung der zusätzlichen Versorgung ist nach V. des Pensionsstatuts das ruhegeldfähige Jahresgehalt, das der Betreffende im Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung bezogen hat, maßgebend, wobei - wie sich aus dem dort vorhandenen Einschub in Satz 1 ergibt - künftige Änderungen zu berücksichtigen sind. V. legt damit fest, dass bei der Anwendung des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes in seiner jeweiligen Fassung auf das Jahresgehalt des Betreffenden zum Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung abzustellen ist und insoweit auch künftige Änderungen maßgebend sein sollen. Künftige Änderungen können nach der Formulierung dabei nur Änderungen des Jahreseinkommens nach der Zurruhesetzung sein. Das bedeutet, dass - soweit der Betreffende ein Tarifeinkommen bezogen hat - Änderungen des Tarifeinkommens zu einer neuen Berechnung des Ruhegeldes zu führen haben.

23

b) Die so verstandene Regelung in V. des Pensionsstatuts weicht hinsichtlich der Anpassungsautomatik vom Hamburgischen Ruhegeldgesetz ab und geht deshalb der allgemeinen Verweisung auf das Hamburgische Ruhegeldgesetz in I. des Pensionsstatuts vor. Dies hat zur Folge, dass gesetzliche Änderungen des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes, was die Berücksichtigung von Entwicklungen nach der Zurruhesetzung betrifft, die Versorgung unberührt lassen. Im Einzelnen gilt:

24

aa) Für die Auslegung ist auf die Rechtslage nach dem Hamburger Ruhegeldrecht im Dezember 1959, als das Pensionsstatut erlassen wurde, abzustellen. Denn zu diesem Zeitpunkt wurden die maßgeblichen Willenserklärungen abgegeben, um deren Auslegung es geht.

25

bb) Zu diesem Zeitpunkt galt das Gesetz über die Gewährung von Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung für hamburgische Staatsangestellte vom 16. Februar 1921 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1927 (HmbGVBl. I S. 300) mit Änderungen durch die Gesetze vom 11. August 1948 (HmbGVBl. I S. 86) und vom 17. Dezember 1954 (HmbGVBl. I S. 148). Nach § 6 dieses Gesetzes war für das Ruhegeld die zuletzt bezogene Grundvergütung maßgeblich, die anteilig entsprechend den zurückgelegten vollen Dienstjahren höchstens in Höhe von 80 % zu zahlen war. Zudem war der örtliche Sonderzuschlag nach für Aktive jeweils geltenden Regelungen zu zahlen (§ 9 des Gesetzes). Nach § 19 wurden auf die zu gewährenden Bezüge bestimmte andere Einkünfte, insbesondere gesetzliche Renten, grundsätzlich angerechnet. Weitere Vorschriften über die Neuberechnung des Ruhegeldes nach Eintritt des Versorgungsfalls enthielt das Gesetz nicht. Dynamisch bezogen auf die Entgeltentwicklung der Aktiven war das Ruhegeld deshalb lediglich insoweit, als der Sonderzuschlag in seine Berechnung einzustellen war.

26

Ferner galt das Gesetz über Änderungen in der Gewährung von Ruhegeld (Ruhelohn) und Hinterbliebenenversorgung für hamburgische Staatsangestellte und Staatsarbeiter vom 16. Dezember 1958 (HmbGVBl. I S. 411; künftig: Änderungsgesetz 1958). Dessen Art. 6 enthielt eine Regelung zur Neuberechnung des Ruhegeldes. Nach dieser Vorschrift wurde der Senat ermächtigt, im Falle einer Änderung der tariflichen Vergütungen oder der Löhne die Versorgungsbezüge nach dem Ruhegeldgesetz durch Rechtsverordnung entsprechend zu regeln.

27

cc) Die Bestimmung in V. des Pensionsstatuts wich hinsichtlich des Anpassungsmechanismus vom Hamburgischen Ruhegeldgesetz ab. Während das Hamburgische Ruhegeldgesetz Vergütungsänderungen bei den Aktiven lediglich insoweit automatisch berücksichtigte, als sie den Sonderzuschlag betrafen, sah das Pensionsstatut eine automatische Berücksichtigung von Änderungen beim Einkommen der Aktiven hinsichtlich des gesamten Einkommens und nicht nur einzelner Teile vor. Das Pensionsstatut ging damit auch über die Anpassungsregelung in Art. 6 Änderungsgesetz 1958 hinaus. Dieses Gesetz sah hinsichtlich von Änderungen, die nicht den Sonderzuschlag betrafen, lediglich eine Verordnungsermächtigung zugunsten des Senats vor, die zu einer Berücksichtigung auch solcher Änderungen führen konnte. Ein vollständiger Automatismus war deshalb im Hamburger Ruhegeldrecht - anders als im Pensionsstatut - nicht vorgesehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein derartiger, von weiteren Entscheidungen abhängiger „Anpassungsmechanismus in zwei Stufen“ der automatischen Anpassung nicht gleichzustellen.

28

dd) Unerheblich ist, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg - erstmals durch Verordnung vom 20. Februar 1959 (HmbGVBl. I S. 21) - wohl regelmäßig von der gesetzlichen Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht hat. Eine derartige Praxis änderte nichts daran, dass die gesetzlichen Grundlagen - auf die allein I. des Pensionsstatuts allgemein verweist - gerade keine automatische Berücksichtigung von Änderungen bei sämtlichen Bestandteilen des Einkommens der Aktiven vorsahen, als das Pensionsstatut erlassen wurde. Auf eine bloß tatsächliche Praxis hat das Pensionsstatut nicht abgestellt.

29

ee) Damit kommt es für die Frage, in welcher Weise das Ruhegeld des Klägers nach Eintritt des Versorgungsfalls neu zu berechnen ist, auf die gesetzlichen Entwicklungen im Hamburger Ruhegeldrecht nicht an. Nach der in V. des Pensionsstatuts getroffenen Sonderregelung ist die Betriebsrente vielmehr bei jeder Änderung des tariflichen Entgelts im Bankenbereich neu zu berechnen.

30

Daher ist es unerheblich, dass seit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg vom 28. Mai 1973 (HmbGVBl. I S. 207) im Jahre 1973 im Hamburger Ruhegeldrecht eine Berücksichtigung der künftigen Entwicklung der Gesamtvergütung bei der Neufestsetzung des Ruhegeldes vorgesehen war. Mit Art. 1 Nr. 7 a aa dieses Gesetzes wurde § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg(Ruhegeldgesetz) vom 3. Juli 1961 (HmbGVBl. I S. 225), mit dem das Ruhegeldrecht der Arbeiter und Angestellten bei der Freien und Hansestadt Hamburg zusammengefasst worden war, ohne dass eine automatische Neuberechnung anhand des gesamten Entgelts bei Änderung der Tarifeinkommen der Aktiven vorgesehen war (§ 7 Abs. 1, § 36 Ruhegeldgesetz), entsprechend geändert. Aufgrund einer Neubekanntmachung dieses Gesetzes vom 13. Juli 1973 (HmbGVBl. I S. 373) wurde § 7 nach einer Änderung der Paragraphenzählung zu § 8.

31

Ebenso wenig maßgeblich ist die Ergänzung dieses § 8 des Ruhegeldgesetzes um einen Absatz 10, der die Einzelheiten der Neuberechnung des Ruhegeldes bei tariflichen Änderungen für die Aktiven regelte. Diese Ergänzung, die durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Ruhegeldgesetzes vom 5. Dezember 1984 (HmbGVBl. I S. 255) ins Gesetz eingefügt wurde, diente lediglich der Konkretisierung einer Rechtslage, die vom Pensionsstatut nicht in Bezug genommen wurde. Entgegen dem Landesarbeitsgericht kann deshalb nicht auf diese Vorschrift abgestellt werden, um zu begründen, warum in der Anpassungsautomatik des Pensionsstatuts keine Abweichung von der des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes lag.

32

Aus demselben Grunde ist schließlich auch die Regelung in § 6 Abs. 3 HmbZVG, eingefügt durch das ZVNG(Art. 2 Nr. 11 Buchst. c), nach der nach dem Beginn der Ruhegeldzahlung der monatliche Betrag des Ruhegeldes zum 1. Juli jedes Jahres um 1 vH erhöht wird, vom Pensionsstatut nicht in Bezug genommen worden. Die Beklagte kann sich entgegen ihrer Auffassung darauf nicht stützen.

33

c) Die maßgebliche Rechtsentwicklung war - entgegen der Ansicht der Beklagten - im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, obwohl das Landesarbeitsgericht sie nicht festgestellt hat. Im Revisionsverfahren ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts daraufhin zu überprüfen, ob es auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht (§ 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das Landesarbeitsgericht verletzt eine Rechtsnorm auch dann, wenn es sie in rechtserheblicher Weise völlig unberücksichtigt lässt. Das gilt auch, wenn sie lediglich den Hintergrund der Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung bildet. Der Senat als Revisionsgericht war deshalb berechtigt, bei der Prüfung der für die Auslegung von I. und V. des Pensionsstatuts maßgeblichen Frage, inwieweit die Regelung in V. bei Erlass des Pensionsstatuts vom Hamburgischen Ruhegeldgesetz abwich, zu ermitteln, wie sich die Rechtslage nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz zu dem Zeitpunkt darstellte.

34

4. Entgegen der Anregung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat war eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht nicht erforderlich. Der Rechtsstreit ist aufgrund der sonstigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat keine weiteren Umstände festgestellt, die gegen die Auslegung, wie sie der erkennende Senat oben unter II 3 vorgenommen hat, sprechen würden. Solche Feststellungen sind auch nicht zu erwarten:

35

Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass im Jahr 1959 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten noch die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes angewendet worden sein könnten. Insoweit bedarf es aber keiner Feststellungen. Gerade wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre dies ein weiteres Argument für die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung des Pensionsstatuts. In diesem Falle wäre nämlich die Abweichung der Berechnungsregel in V. des Pensionsstatuts von der Rechtslage nach dem Hamburger Ruhegeldrecht, wie sie für Angestellte der Freien und Hansestadt Hamburg galt, noch deutlicher. Trotz gleicher Entgeltstruktur wäre nicht nur hinsichtlich des Sonderzuschlags, sondern hinsichtlich des gesamten Entgelts eine automatische Berücksichtigung von Veränderungen vorgesehen worden, obwohl eine Anknüpfung an die Anpassung, wie sie der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg für deren Angestellte durch Rechtsverordnung tatsächlich vornahm, ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

36

Dass sonstige entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen nach einer Zurückverweisung denkbar sind, hat die Beklagte im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich.

37

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Schmidt    

        

    Wischnath    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)