Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - 3 StR 437/12

bei uns veröffentlicht am28.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 437/12
vom
28. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
Markus D.
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
weiterer Verfahrensbeteiligter: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
, Brauerstraße 30, 76135 Karlsruhe
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
7. März 2013 in der Sitzung am 28. Mai 2013, an denen teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

beschlossen:
1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 ff.) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. EG Nr. L 136 vom 30. April 2004, S. 34 ff.) geltenden Fassung gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass Stoffe oder Stoffzusammensetzungen im Sinne dieser Vorschrift, die die menschlichen physiologischen Funktionen lediglich beeinflussen - also nicht wiederherstellen oder korrigieren -, nur dann als Arzneimittel anzusehen sind, wenn sie einen therapeutischen Nutzen haben oder jedenfalls eine Beeinflussung der körperlichen Funktionen zum Positiven hin bewirken? Fallen mithin Stoffe oder Stoffzusammensetzungen , die allein wegen ihrer - einen Rauschzustand hervorrufenden - psychoaktiven Wirkungen konsumiert werden und dabei einen jedenfalls gesundheitsgefährdenden Effekt haben , nicht unter den Arzneimittelbegriff der Richtlinie? 2. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorlagefrage ausgesetzt.

Gründe:

1
Dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs liegt die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Lüneburg zur Entscheidung vor. Das Landgericht hatte den Angeklagten unter anderem wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

I.


2
1. Dem Revisionsverfahren liegt - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen von Bedeutung - folgender, vom Landgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde:
3
Der Angeklagte verkaufte in seinem Geschäft "G. - Alles rund um Hanf" unter anderem Tütchen mit bis zu 3 g Kräutermischungen. Diese sogenannten Legal-High-Produkte enthielten synthetische Cannabinoide. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Kräutermischungen von seinen Kunden als Ersatz für Marihuana geraucht wurden in der Erwartung, sich dadurch in einen mit dem Konsum von Marihuana vergleichbaren Rauschzustand zu versetzen. Die Kräutermischungen unterfielen zum damaligen Zeitpunkt nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Aufgrund eines zuvor gegen ihn eingeleite- ten Ermittlungsverfahrens war ihm bekannt, dass die Kräutermischungen wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen von den Ermittlungsbehörden als bedenkliche Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) eingestuft wurden.
4
Die Untersuchung der aufgefundenen Kräutermischungen ergab, dass ihnen jeweils synthetische Cannabinoide - unter anderem JWH-210 und RCS-4 - zugesetzt waren. Diesen Verbindungen liegt keine Dibenzopyranbasis wie bei dem in Marihuana enthaltenen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) zugrunde. Sie gehören zur Gruppe der Aminoalkylindole und wirken - dem THC ähnlich - auf die Cannabinoidrezeptoren im menschlichen Körper ein, wodurch eine physiologische Wirkung hervorgerufen wird. Sie wurden aufgrund von Erkenntnissen , dass THC immunstimulierend wirkt und daher etwa bei Mukoviszidose -Patienten eingesetzt wird, von der pharmazeutischen Industrie in vorexperimentellen Studien getestet. Die Testreihen wurden bereits in der ersten experimentell -phamakologischen Phase abgebrochen, da die gewünschten gesundheitlichen Effekte nicht erzielt werden konnten und erhebliche Nebenwirkungen aufgrund der psychoaktiven Wirksamkeit zu erwarten waren.
5
Die von dem Angeklagten zum Kauf angebotenen Tütchen enthielten weder festgelegte Wirkstoffmengen noch Hinweise auf den Wirkstoff oder Dosierungsanleitungen. In der Regel waren sie mit dem Aufdruck versehen, es handele sich um Raumerfrischer, der Inhalt sei nicht zum menschlichen Verzehr geeignet. Die Konsumenten brachten die Kräutermischungen zumeist auf Tabak auf und rauchten diese Kombination.
6
Typische Wirkung nach dem Konsum solcher Kräutermischungen ist eine gehobene Stimmung bis hin zur Euphorie mit subjektiv gesteigerter Sinneswahrnehmung. Phasen gesteigerten Antriebs können mit Schläfrigkeit, Apathie und Lethargie abwechseln. Bei hohen Konsumdosen, Anwendung durch Personen mit psychischen Störungen und bei wiederholtem Konsum kommt es häufiger zu atypischen Rauscherlebnissen, bei denen Wahnvorstellungen, Angst, Halluzinationen und Depersonalisierungserlebnisse, akute Panikreaktionen , Desorientierung, Verwirrtheitszustände und Gedächtnisverlust auftreten. Die Rauscherlebnisse können sich bis zu sogenannten bad trips mit Suizidimpulsen steigern. Aufgrund der nicht standardisierten Zumischung der synthetischen Cannabinoide und der daraus folgenden sehr ungleichmäßigen Verteilung besteht die Gefahr der Überdosierung. Die von der Strafkammer vernommenen Zeugen haben zudem als weitere Nebenwirkungen Herzrasen, Schwindelgefühle und Übelkeit geschildert.
7
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte durch den Verkauf der Kräutermischungen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG strafbar gemacht, indem er im Sinne des § 5 Abs. 1 AMG in Verbindung mit § 4 Abs. 17 AMG bedenkliche Arzneimittel in Verkehr gebracht hat.
8
3. Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts sowie dessen Wertung, dass die synthetischen Cannabinoide eine bedenkliche Wirkung hätten und eine solche dem Angeklagten bekannt gewesen sei.

II.

9
Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage ab. Nach den vom Landgericht getroffenen, den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen haben die von dem Angeklagten zum Verkauf angebotenen Kräutermischungen keine gesundheitsfördernde Wirkung, sondern werden allein wegen ihrer einen Rauschzustand hervorrufenden Nebenwirkungen konsumiert. Bei diesem Sachverhalt kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG nur in Betracht, wenn auch solche Stoffe und Stoffzubereitungen, die keine therapeutische Wirkung entfalten oder die körperlichen Funktionen nicht im Sinne einer Besserung beeinflussen, vielmehr lediglich gesundheitsschädlich wirken, ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG darstellen können.
10
Ob dies der Fall ist, hängt entscheidend davon ab, wie der § 2 Abs. 1 AMG zugrundeliegende, mit dieser Vorschrift nahezu wortgleiche Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung auszulegen ist. Das Vorabentscheidungsersuchen ist erforderlich, denn die in der Vorlagefrage enthaltene Rechtsfrage ist vom Gerichtshof der Europäischen Union weder bereits entschieden worden (acte éclairé), noch ist die Anwendung des für den Arzneimittelbegriff maßgeblichen Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (acte clair).
11
Im Einzelnen:
12
1. In Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung wird der Begriff des Arzneimittels definiert. Arzneimittel sind danach "a) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder
b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen."
13
Der deutsche Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) den nationalen Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei in Umsetzung der Richtlinie den europarechtlichen Arzneimittelbegriff gemäß Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a) und b) der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung in das deutsche Arzneimittelgesetz implementiert. Das nationale Recht unterscheidet demgemäß - wie die Richtlinie - zwischen sogenannten Präsentationsarzneimitteln ("nach der Bezeichnung / Bestimmung") gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und sogenannten Funktionsarzneimitteln ("nach der Funktion") gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG.
14
Präsentationsarzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, "die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind".
15
Hingegen handelt es sich um Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG, wenn Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen "im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder
a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b) eine medizinische Diagnose zu erstellen."
16
2. Da die von dem Angeklagten angebotenen Kräutermischungen nicht als Arzneimittel bezeichnet und bestimmt waren, kommt es hier allein auf die Definition des Funktionsarzneimittels und dabei auf das Verständnis des Merkmals "beeinflussen" an. Denn die Merkmale "wiederherstellen" und "korrigieren" können mangels entsprechender Wirksamkeit der synthetischen Cannabinoide nach den Feststellungen des Landgerichts ersichtlich nicht erfüllt sein.
17
In Rechtsprechung und Literatur zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG ist umstritten, ob hinsichtlich des Merkmals "beeinflussen" ausreichend ist, dass Körperfunktionen durch die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung des eingenommenen Stoffes in irgendeiner - gegebenenfalls gesundheitsschädlichen - Weise beeinflusst werden, oder ob ein "Beeinflussen" nur vorliegt, wenn damit ein therapeutischer Nutzen oder jedenfalls eine positive Beeinflussung der physiologischen Funktionen im Sinne einer therapeutischen Zielrichtung erreicht wird.
18
a) Letztgenannte Auffassung wird von Teilen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie Teilen der verwaltungs- und strafrechtlichen Literatur vertreten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2012 - 13 B 127/12, ZVR-online 11/2012 Rn. 25 ff.; VG Köln, Urteil vom 20. März 2012 - 7 K 3169/11, juris Rn. 168 ff.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 5. Juni 2012 - 3 M 129/12, PharmR 2012, 298, 300; Rennert, NVwZ 2008, 1179, 1184; Müller, PharmR 2012, 137, 139; Voit, PharmR 2012, 241, 243 f.; zust. aus der straf- rechtlichen Literatur Krumdiek, StRR 2011, 213, 215; Nobis, NStZ 2012, 422, 424 f.; Weidig, Blutalkohol 50/2013, 57, 63 ff.).
19
Diese Gerichte und Autoren argumentieren in erster Linie mit der Systematik der Norm: Die beiden erstgenannten Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG "wiederherstellen" und "korrigieren" betonten erkennbar den positiven Zweck der Anwendung des Arzneimittels; es sei nicht ersichtlich, dass die dritte Variante "beeinflussen" unter diesem Niveau bleiben solle. Bei einem anderem Verständnis seien zudem die "Wiederherstellung" oder "Korrektur" der physiologischen Funktionen als besonders ausgewiesene Ziele überflüssig, da die dritte Variante des "Beeinflussens" ohnehin alles umfassen würde (vgl. nur OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2012 - 13 B 127/12, ZVR-online 11/2012 Rn. 25 ff.). Dieses Verständnis trage auch der Begriffsdefinition "nach der Funktion" Rechnung, denn die Funktion eines Arzneimittels liege gerade in der Bekämpfung von Krankheiten und unerwünschten körperlichen Zuständen und Befindlichkeiten, nicht aber darin, Gesundheitsgefahren auszulösen (Rennert , NVwZ 2008, 1179, 1184 f.). Darüber hinaus bedürfe der ansonsten uferlose Arzneimittelbegriff einer einschränkenden Auslegung (s. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2685), die auf diesem Wege erreicht werden könne (Voit, PharmR 2012, 241, 244 mwN).
20
b) Andere Gerichte und Autoren sehen hingegen das Merkmal bei jeder nennenswerten Beeinflussung der physiologischen Funktionen als gegeben an, sei sie positiv im Sinne eines therapeutischen Nutzens oder negativ im Sinne einer schädlichen Einwirkung (aus verwaltungsrechtlicher Sicht: OVG Saarlouis , Urteil vom 3. Februar 2006 - 3 R 7/05, ZLR 2006, 173, 188; VG Potsdam, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 3 L 115/08, PharmR 2009, 250, 251; Koyuncu in: Deutsch/Lippert, AMG, 3. Aufl., § 2 Rn. 18, 21; Müller in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, § 2 Rn. 91; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 119. Erg.-Lief., § 2 Nr. 69 aE; Volkmer in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., Vorbem. AMG Rn. 72; aus strafrechtlicher Sicht: OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Dezember 2012 - 1 St OLG Ss 246/12, PharmR 2013, 94, 97; LG Limburg, Urteil vom 27. September 2012 - 5 KLs 3 Js 14210/11, PharmR 2013, 190, 203 f.; Diehm/Pütz, Kriminalistik 2009, 131, 135; Patzak/Volkmer, NStZ 2011, 498, 500). Maßgeblich sei auf die (pharmakologische) Wirkung des Stoffes abzustellen , die - abhängig von der verabreichten Dosis - zu einer positiven oder negativen Beeinflussung der Körperfunktionen führen könne (OVG Saarlouis, aaO). Für die Frage der Beeinflussung und damit die Einstufung als Funktionsarzneimittel sei entscheidend, ob es durch die Einnahme zu einer Veränderung komme, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liege (Volkmer in: Körner/Patzak/Volkmer, aaO unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 3 C 22.06, PharmR 2008, 73, 77). Dies sei auch der Fall, wenn Stoffe oder Zubereitungen zum Zwecke der Rauscherzeugung eingesetzt würden (Koyuncu, aaO, Rn. 18; Volkmer in: Körner /Patzak/Volkmer, aaO).
21
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof sogenannte Designerdrogen (Methyl-Metaqualon) und chemische Lösungsmittel, die in nahezu reiner Form als Droge verwendet werden (Gamma-Butyrolacton) unter den Begriff des Arzneimittels subsumiert (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 270/97, BGHSt 43, 336 und vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09, BGHSt 54, 243). Dabei hat er ausgeführt, die Frage, ob ein Präparat eine therapeutische Wirkung entfalte, sei keine Frage des Arzneimittelbegriffs, sondern allein eine Voraussetzung seiner Zulassung (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 270/97, BGHSt 43, 336, 339). Diese Rechtsprechung ist allerdings unter der Geltung des § 2 Abs. 1 AMG aF ergangen, nach der Arzneimittel definiert wurden als "Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, . . . 5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen."
22
Auch der deutsche Gesetzgeber ist bei der weitergehenden Überführung des unionsrechtlichen Arzneimittelbegriffs in das deutsche Arzneimittelrecht im Jahr 2009 davon ausgegangen, dass Designerdrogen etwa mit Beimischungen synthetischer Stoffe mit cannabinoider oder ähnlicher Wirkung bei einer Beurteilung nach ihrer Funktion Arzneimittel im Sinne von § 2 AMG sein können (BT-Drucks. 16/12256, S. 41).
23
3. Da in § 2 AMG die Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG umgesetzt und der europäische Arzneimittelbegriff in das deutsche Arzneimittelrecht übernommen worden ist, kommt es für die Frage, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist, auf die - autonom vorzunehmende - Auslegung des unionsrechtlichen Arzneimittelbegriffs an, für die nicht auf die frühere nationale Rechtsprechung zum deutschen Arzneimittelbegriff angeknüpft werden kann (vgl. Voit, PharmR 2012, 241, 244). Diese Auslegung des europäischen Rechts obliegt allein dem Gerichtshof der Europäischen Union.
24
a) Der Gerichtshof hat die Frage, ob das Merkmal des "Beeinflussens" wie die Begriffe "Wiederherstellung" und "Korrektur" eine positive Wirkung voraussetzt , jedenfalls aber bei einer rein gesundheitsschädlichen Beeinflussung der Körperfunktionen nicht erfüllt ist, oder ob es sich dabei um einen Auffang- begriff handelt, der wertneutral jegliche positive wie negative Beeinflussung umfasst , bislang nicht entschieden (kein "acte éclairé").
25
b) Die Anwendung des Unionsrechts ist auch nicht derart offenkundig, dass sie im Sinne eines " acte clair" keinen vernünftigen Zweifeln unterläge.
26
Zwar hat der Gerichtshof - worauf die Vertreter der Auffassung, es komme auf einen therapeutischen Nutzen der Beeinflussung nicht an, verweisen - bereits im Jahr 1991 dahin erkannt, dass in den Anwendungsbereich der Funktionsarzneimittel nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der früheren Richtlinie 65/65/EWG auch solche Erzeugnisse fielen, die die Körperfunktionen veränderten, ohne dass eine Krankheit vorliege, wie beispielsweise Verhütungsmittel. Aus dem vom Richtliniengeber verfolgten Ziel des Gesundheitsschutzes folge, dass alle Stoffe eingeschlossen seien, die eine Auswirkung auf die Körperfunktionen im eigentlichen Sinne haben könnten (EuGH, Urteil vom 16. April 1991 - Rs. C112 /89 - "Upjohn", Sammlung der Rechtsprechung 1991, S. I-1703, Rn. 19, 21). Diese Rechtsprechung ist auf die Definition des Funktionsarzneimittels in der Richtlinie 2001/83/EG zu übertragen (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - Rs. C-211/03 - "HLH Warenvertrieb und Orthica", Sammlung der Rechtsprechung 2005, S. I-5141, Rn. 50); auch die Neufassung durch die Richtlinie 2004/27/EG hat nicht zu einer Änderung der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien geführt (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - Rs. C140 /07 - "Hecht Pharma", Sammlung der Rechtsprechung 2009, S. I-41, Rn. 35). Zudem hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass auch die Gesundheitsgefahren , die von einem Erzeugnis ausgehen, bei der Entscheidung, ob es sich dabei um ein Funktionsarzneimittel handelt, einzubeziehen sind (EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - Rs. C-369/88 - "Delattre", Sammlung der Rechtsprechung 1991, S. I-1487, Rn. 35 und vom vom 9. Juni 2005 - Rs. C- 211/03 - "HLH Warenvertrieb und Orthica", Sammlung der Rechtsprechung 2005, S. I-5141, Rn. 30 mwN).
27
Mit diesen vom Gerichtshof entschiedenen Fällen, in denen es vorrangig um die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Lebensmitteln, aber auch zu Kosmetika , ging und zu prüfen war, ob die Erzeugnisse überhaupt eine nennenswerte physiologische Wirkung hatten und deshalb den für Arzneimittel geltenden Verkehrsbeschränkungen unterworfen werden konnten, ist die vorliegende Fallkonstellation nicht zu vergleichen. Insoweit gilt:
28
Die Produktgruppe der Arzneimittel ist von jeher durch die spezifische Zwecksetzung der Heilung, Verhütung und Diagnose von Krankheiten geprägt (vgl. Müller, PharmR 2012, 137, 138 mwN; Rennert, NVwZ 2008, 1179, 1184). Mit diesem allgemeinen Begriffsverständnis ist es nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen, auch solche Stoffe oder Stoffzubereitungen unter den Begriff des Funktionsarzneimittels zu subsumieren, die zwar unzweifelhaft die körperlichen Funktionen beeinflussen, wie ein Gift aber ausschließlich gesundheitsschädliche Wirkungen haben. Die "Funktion" des Arzneimittels läge dann - wie auch im vorliegenden Fall - allein in der Auslösung von Gesundheitsgefahren (vgl. Rennert aaO, S. 1184 f.).
29
Es stellt sich mithin die grundsätzliche Frage, ob ein Stoff, der allein im Hinblick auf seine gesundheitsschädigende Wirkung als Rauschgift erzeugt und vertrieben wird, unter den Oberbegriff des "Arzneimittels" gefasst werden kann. Diese Frage verneinend verstehen die Befürworter einer einschränkenden Auslegung auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wenn er ausführt, dass ein Erzeugnis, um als Funktionsarzneimittel eingestuft werden zu können, "wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen" müsse (EuGH, Urteil vom 15. November 2007 - Rs. C-319/05 - Kommission/Deutschland III, Sammlung der Rechtsprechung 2007, S. I-9811, Rn. 64).
30
Insoweit ist die Ausgangslage auch nicht mit der etwa bei oralen Kontrazeptiva vergleichbar: Zwar verfolgen diese in aller Regel keinen therapeutischen Zweck in dem Sinne, dass sie eine Krankheit heilen oder verhindern sollen. Gleichwohl erscheint deren Einbeziehung in den Regulierungsbereich des Arzneimittelrechts schon deshalb ohne Weiteres gerechtfertigt, weil sie sich mit Blick auf das ihnen zugrundeliegende Konzept nur geringfügig von therapeutisch wirksamen Arzneimitteln unterscheiden und anerkanntermaßen einen von der Frau unerwünschten körperlichen Zustand - die Schwangerschaft - verhindern sollen (vgl. Rennert, NVwZ 2008, 1179, 1181; Müller, PharmR 2012, 137,

139).


III.

31
Der Senat bittet anzuordnen, dass über das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit Vorrang entschieden wird. Die Vorabentscheidungsfrage ist in einem schwebenden Strafverfahren entscheidungserheblich, für das in besonderem Maße der aus Art. 6 Abs. 1 MRK resultierende Anspruch des Angeklagten gilt, dass über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen Anklage in angemessener Zeit entschieden wird.
Tolksdorf Pfister Schäfer Mayer Gericke

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(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, 1. die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenscha

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 4 Sonstige Begriffsbestimmungen


(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in so

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.entgegen § 5 Absatz 1 ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei anderen anwendet,2.entgegen § 6 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - 3 StR 437/12 zitiert 6 §§.

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Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 5 Verbot bedenklicher Arzneimittel


(1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden. (2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht

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entgegen § 5 Absatz 1 ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei anderen anwendet,
2.
entgegen § 6 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 3, ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei einem anderen Menschen anwendet,
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
entgegen § 7 Abs. 1 radioaktive Arzneimittel oder Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet worden sind, in den Verkehr bringt,
3a.
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Absatz 2, auch in Verbindung mit § 73 Abs. 4 oder § 73a, Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt, in den Verkehr bringt oder sonst mit ihnen Handel treibt,
4.
entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt,
5.
Arzneimittel, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, entgegen § 47 Abs. 1 an andere als dort bezeichnete Personen oder Stellen abgibt oder entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 bezieht oder
5a.
entgegen § 47a Abs. 1 ein dort bezeichnetes Arzneimittel an andere als die dort bezeichneten Einrichtungen abgibt oder in den Verkehr bringt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen
a)
die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet,
b)
einen anderen der Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit aussetzt oder
c)
aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt oder
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3a gefälschte Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt und dabei gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden.

(2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.

(2) Blutzubereitungen sind Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.

(3) Sera sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, die Antikörper, Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil als Wirkstoff enthalten und wegen dieses Wirkstoffs angewendet werden. Sera gelten nicht als Blutzubereitungen im Sinne des Absatzes 2 oder als Gewebezubereitungen im Sinne des Absatzes 30.

(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.

(5) Allergene sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder Haptene enthalten und dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erkennung von spezifischen Abwehr- oder Schutzstoffen angewendet zu werden (Testallergene), oder Stoffe enthalten, die zur antigenspezifischen Verminderung einer spezifischen immunologischen Überempfindlichkeit angewendet werden (Therapieallergene).

(6) (weggefallen)

(7) (weggefallen)

(8) Radioaktive Arzneimittel sind Arzneimittel, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen) sowie die zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln bestimmten Systeme mit einem fixierten Mutterradionuklid, das ein Tochterradionuklid bildet, (Generatoren).

(9) Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.

(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.

(15) Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.

(16) Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels.

(17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.

(18) Der pharmazeutische Unternehmer ist bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2.

(19) Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.

(20) Ein Hilfsstoff ist jeder Bestandteil eines Arzneimittels, mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.

(21) Xenogene Arzneimittel sind zur Anwendung im oder am Menschen bestimmte Arzneimittel, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten.

(22) Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser.

(22a) Arzneimittelvermittlung ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Großhandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über die Arzneimittel zu erlangen.

(23) Klinische Prüfung ist eine solche im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1; L 311 vom 17.11.2016, S. 25). Keine klinische Prüfung ist eine nichtinterventionelle Studie im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(24) Sponsor ist eine Person, ein Unternehmen, eine Einrichtung oder eine Organisation im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(25) Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(26) Homöopathisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.

(27) Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist

a)
jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit,
b)
jedes Risiko unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt.

(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a.

(29) Pflanzliche Arzneimittel sind Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.

(30) Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Menschliche Samen- und Eizellen (Keimzellen) sowie imprägnierte Eizellen und Embryonen sind weder Arzneimittel noch Gewebezubereitungen.

(30a) Einheitlicher Europäischer Code oder „SEC“ ist die eindeutige Kennnummer für in der Europäischen Union verteilte Gewebe oder Gewebezubereitungen gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/565 (ABl. L 93 vom 9.4.2015, S. 43) geändert worden ist.

(30b) EU-Gewebeeinrichtungs-Code ist die eindeutige Kennnummer für Gewebeeinrichtungen in der Europäischen Union. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt er für alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen. Der EU-Gewebeeinrichtungs-Code besteht gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG aus einem ISO-Ländercode und der Gewebeeinrichtungsnummer des EU-Kompendiums der Gewebeeinrichtungen.

(30c) EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen ist das Register, in dem alle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigten, lizenzierten, benannten oder zugelassenen Gewebeeinrichtungen enthalten sind und das die Informationen über diese Einrichtungen gemäß Anhang VIII der Richtlinie 2006/86/EG in der jeweils geltenden Fassung enthält. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes enthält das Register alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen.

(30d) EU-Kompendium der Gewebe- und Zellprodukte ist das Register aller in der Europäischen Union in Verkehr befindlichen Arten von Geweben, Gewebezubereitungen oder von hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit den jeweiligen Produktcodes.

(31) Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.

(32) Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Einfuhr ist die Überführung von unter das Arzneimittelgesetz fallenden Produkten aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in den zollrechtlich freien Verkehr. Produkte gemäß Satz 2 gelten als eingeführt, wenn sie entgegen den Zollvorschriften in den Wirtschaftskreislauf überführt wurden. Ausfuhr ist jedes Verbringen in Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.

(33) Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.

(34) Eine Unbedenklichkeitsstudie ist jede Studie zu einem zugelassenen Arzneimittel, die durchgeführt wird, um ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen.

(35) (weggefallen)

(36) Das Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen; dazu gehört auch die Bewertung der Wirksamkeit derartiger Tätigkeiten und Maßnahmen.

(37) Der Risikomanagement-Plan ist eine detaillierte Beschreibung des Risikomanagement-Systems.

(38) Das Pharmakovigilanz-System ist ein System, das der Inhaber der Zulassung und die zuständige Bundesoberbehörde anwenden, um insbesondere den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen, und das der Überwachung der Sicherheit zugelassener Arzneimittel und der Entdeckung sämtlicher Änderungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dient.

(39) Die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation ist eine detaillierte Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems, das der Inhaber der Zulassung auf eines oder mehrere zugelassene Arzneimittel anwendet.

(40) Ein gefälschtes Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über

1.
die Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile,
2.
die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung oder
3.
den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg.

(41) Ein gefälschter Wirkstoff ist ein Wirkstoff, dessen Kennzeichnung auf dem Behältnis nicht den tatsächlichen Inhalt angibt oder dessen Begleitdokumentation nicht alle beteiligten Hersteller oder nicht den tatsächlichen Vertriebsweg widerspiegelt.

(42) EU-Portal ist das gemäß Artikel 80 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 auf EU-Ebene eingerichtete und unterhaltene Portal für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 5 Absatz 1 ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei anderen anwendet,
2.
entgegen § 6 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 3, ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei einem anderen Menschen anwendet,
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
entgegen § 7 Abs. 1 radioaktive Arzneimittel oder Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet worden sind, in den Verkehr bringt,
3a.
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Absatz 2, auch in Verbindung mit § 73 Abs. 4 oder § 73a, Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt, in den Verkehr bringt oder sonst mit ihnen Handel treibt,
4.
entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt,
5.
Arzneimittel, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, entgegen § 47 Abs. 1 an andere als dort bezeichnete Personen oder Stellen abgibt oder entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 bezieht oder
5a.
entgegen § 47a Abs. 1 ein dort bezeichnetes Arzneimittel an andere als die dort bezeichneten Einrichtungen abgibt oder in den Verkehr bringt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen
a)
die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet,
b)
einen anderen der Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit aussetzt oder
c)
aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt oder
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3a gefälschte Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt und dabei gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

2

Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts das private Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. März 2012 vor einer endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheids verschont zu bleiben, dem öffentlichen Interesse an seiner sofortigen Vollziehung vorgeht. Denn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit dem angefochtenen Bescheid untersagten Vertriebs der Nikotin-Liquids der Marke „Pina Colada“ im Ladenlokal der Antragstellerin in C-Stadt, E-Straße (…).

3

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983) - AMG - nicht als Ermächtigungsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid herangezogen werden, da sich nach der nur gebotenen summarischen Prüfung nicht feststellen lässt, dass es sich bei dem Nikotin-Liquid um ein zulassungspflichtiges und apothekenpflichtiges Arzneimittel im Sinne der §§ 2, 43 AMG handelt.

4

Die Zulassungspflichtigkeit des Liquids ist bislang nicht durch die zuständige Bundesbehörde festgestellt worden. Es ist weder aus dem Vortrag der Antragsgegnerin noch aus der Verwaltungsakte ersichtlich, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bezug auf das hier streitgegenständliche Liquid bereits einen Bescheid im Sinne des § 21 Abs. 4 AMG erlassen hat, mit dem festgestellt wurde, dass es sich bei den von dem Antragstellerin vertriebenen Produkt um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt. Die in dem Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Februar 2012 zitierte Entscheidung des BfArM vom 22. Juli 2009 (Beiakte A, Bl. 1 und 56 f.) und ein weiterer Feststellungbescheid vom 29. Februar 2012 beziehen sich auf andere Produkte der Gattung „E-Zigarette“ (vgl. hierzu OVG Münster, Beschl. v. 23.04.2012 - 13 B 127/12 -, juris m. w. N.; zur Bindungswirkung der Entscheidungen nach § 21 Abs. 4 AMG für die zuständigen Landesbehörden: OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2011 - 13 LA 213/10 -, juris).

5

Bei dem in Rede stehenden Nikotin-Liquid „Pina Colada“ des Unternehmens (...) handelt es sich zunächst nicht um ein sogenanntes Präsentationsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67). Darunter fallen alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2011 - 3 C 8.10 -, juris; EuGH, Urt. v. 15.11.2007 - C-319/05 - „Kommission/Deutschland“, Rdnr. 46). Trotz einer Bezeichnung etwa als „Genussmittel“ können aber andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 3 C 34.06 -, NVwZ-RR 2007, 771 zu einer kampherhaltigen Salbe; Rennert, NVwZ 2008,1182).

6

Eine solche Art der Bewerbung oder eine preisende Nennung von arzneilich wirksamen Bestandteilen lässt sich weder der Verwaltungsakte im Hinblick auf den Vertrieb des streitgegenständlichen Liquids bei der Antragstellerin noch der Bewerbung des Produkts auf der Internetseite des Unternehmens (...) GmbH (www.(...).de) entnehmen. Dort heißt es zum einen unter der Überschrift „Zehn Vorteile der eZigarette von (...)“: „Kein Teer, kein Feinstaub, kein Kohlenmonoxid! Keine Belästigung der Mitmenschen! Dampfen in Nichtraucherzonen erlaubt! Viel günstiger als eine Tabakzigarette - spart bares Geld! Schluss mit stinkender Kleidung, muffiger Wohnung, vergilbten Vorhängen und Tapeten! Bietet vielfältige Geschmacksvariationen! Hochwertige technische Qualität der Komponenten! Stylisches Aussehen! Besseres Gewissen! Tolle Alternative zum Tabak-Glimmstengel!“. In den „Sicherheits- und Gesundheitshinweisen“ heißt es dort weiter: „Der erzeugte Nebel der elektrischen Zigarette kann Nikotin enthalten, wenn Sie entsprechende Aromaliquids verwenden. Die elektrische Zigarette von (...) ist in diesem Fall wie alle nikotinhaltigen Produkte nicht für Personen unter 18 Jahren, Nichtraucher, Schwangere, stillende Mütter und Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläre Erkrankungen) geeignet! Benutzen Sie das Produkt nur mit äußerster Vorsicht, wenn Sie an einer Lungenerkrankung (z.B. Asthma, COPD, Bronchitis, Lungenentzündung) leiden. Der freigesetzte Nebel kann bei vorgeschädigter Lunge unter Umständen einen Asthmaanfall, Luftnot und Hustenanfälle auslösen. Verwenden Sie das Produkt nicht, wenn eines dieser Symptome bei Ihnen auftritt! Falls Sie allergisch auf einen der Inhaltsstoffe reagieren, dürfen Sie das Produkt nicht benutzen! Elektrische Zigaretten sind kein Spielzeug! Bewahren Sie daher das Gerät und die Aromaliquids absolut unzugänglich für Kinder auf!“. Dem Inhalt der Internetseite ist zwar zu entnehmen, dass der Hersteller die aus seiner Sicht gegebenen Vorteile des Gebrauchs einer sog. elektrischen Zigarette gegenüber dem Gebrauch einer Tabakzigarette hervorhebt, eine preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen, etwa zur Linderung oder Behandlung einer bestehenden Nikotinabhängigkeit, kann jedoch nicht festgestellt werden.

7

Das von der Antragstellerin vertriebene streitgegenständliche Nikotin-Liquid ist auch nicht als sog. Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG anzusehen. Dies sind Stoffe, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder - hier nicht einschlägig - eine medizinische Diagnose zu erstellen (vgl. zur Auslegung: BVerwG, Urt. v. 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038 m. w. N.).

8

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Antragsgegnerin vermittelt nicht allein der Umstand, dass das streitgegenständliche Liquid nach dem Prüfbericht des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt (Beiakte A, Bl. 11) 16,16 mg/ml Nikotin enthält, dem Produkt die Eigenschaft eines Funktionsarzneimittels. Die im Liquid enthaltene Nikotinmenge entspricht auch der Deklaration der Zusammensetzung des Liquids auf der Internethomepage des Herstellers, wonach das Liquid außer einem Anteil von - hier - 1,6 % Nikotin zu 50 % Propylenglycol, 40 % pflanzliches Glycerin und weiter demineralisiertes Wasser sowie Nahrungsmittelaromen (hier in der Geschmacksrichtung „Pina Colada“) enthält. Die Aufnahme der in einem Tank oder Wattedepot enthaltenen Inhaltsstoffe des Liquids in den menschlichen Körper erfolgt dabei über einen batteriebetriebenen Mechanismus in der eigentlichen elektrischen Zigarette, mit dem das Liquid erwärmt und vernebelt wird. Der Dampf kann inhaliert werden. Im Gegensatz zu Tabak-Zigaretten findet bei den elektrischen Zigaretten kein Verbrennungsprozess statt. Die meisten Inhaltsstoffe der Kartusche, darunter auch das Nikotin, werden im Dampf vernebelt (vgl. zur Wirkungsweise der sog. E-Zigarette: Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 016/2012 vom 24.02.2012; BT-Drucksache 17/8772 vom 29.02.2012; Müller, PharmR 2012, 137; Stollmann, NVwZ 2012, 401; Volkmer, PharmR 2012, 11). Aus Sicht des Senats bedarf es keiner näheren Begründung, dass ein nikotinhaltiges Liquid pharmakologisch wirken kann, wenn das in der elektrischen Zigarette aus dem Liquid erzeugte Aerosol inhaliert wird, da sich Nikotin nennenswert auf den Stoffwechsel auswirkt und somit dessen Funktionsbedingungen wirklich beeinflusst. Nikotin beschleunigt den Herzschlag und bewirkt eine Verengung vor allem der peripheren Blutgefäße. Zu den zentralen Effekten gehören vor allem - für eine kurze Dauer - die Steigerung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit sowie der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen (zu den Wirkungen des Nikotinkonsums mittels einer sog. E-Zigarette im Vergleich zu Nikotininhalatoren und Tabakzigaretten: Bullen/McRobbie/Thornley/Glover/Lin/Laugesen, Tobacco Control 2010, 98 f.). Soweit die Bundesregierung in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage vom 29. Februar 2012 (BT-Drucksache 17/8772, S. 15) unter Bezugnahme auf die vorgenannte Studie von Bullen et al. auch von der Erzeugung von „Flasheffekten“ berichtet, die infolge des Erreichens eines hohen Wirkstoffspiegels im Blutserum beim Nikotinkonsum durch eine E-Zigarette erreicht werden, wird diese Studie allerdings nicht korrekt zitiert (13 ng/ml statt tatsächlich 1,3 ng/ml, vgl. auch Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung 016/2012 vom 24.02.2012). Nikotin ist ferner sehr giftig für höhere Säugetiere, da es die Ganglien des vegetativen Nervensystems blockiert (de.wikipedia.org/wiki/Nikotin; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.04.2012, a. a. O.). Entsprechend ist auch das hier in Rede stehende Liquid mit der Gefahrstoffkennzeichnung „Giftig“ versehen. Die wesentliche Aufgabe eines Stoffs, der als Funktionsarzneimittel in Betracht kommt, darf jedoch nicht außer Acht bleiben. Ein Produkt ist trotz pharmakologischer Wirkung nicht bereits deshalb als Funktionsarzneimittel einzustufen, weil es einen Stoff - hier Nikotin - enthält, dessen Verwendung ein Gesundheitsrisiko darstellt (vgl. EuGH, Urt. v. 30.04.2009 - C-27/08 - „BIOS Naturprodukte“, Rdnr. 25). Denn die Begriffsdefinition des Funktionsarzneimittels in § 2 Abs. 1 AMG sieht die Funktion des Arzneimittels in der Bekämpfung von Krankheiten oder von unerwünschten körperlichen Zuständen und Befindlichkeiten bzw. in der Erstellung einer medizinischen Diagnose (vgl. Müller, PharmR 2012, 137, 138; Rennert, NVwZ 2008, 1179, 1184). Arzneimittel sind keine gewöhnliche Ware, sondern eines der wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst, um Krankheiten zu erkennen, zu heilen und ihnen vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2010 - 3 C 30.09 -, juris). Das Ziel eines Stoffes im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG ist es, die physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Auch die Beeinflussung der physiologischen Funktionen im Sinne dieser Vorschrift hat diesem Zweck zu dienen, wenn der Stoff als Funktionsarzneimittel in Betracht kommen soll. Dies ergibt sich bei systematischer Auslegung der Norm, da die beiden erstgenannten Zwecke (Wiederherstellung bzw. Korrektur der physiologischen Funktion) den positiven Zweck der Anwendung deutlich erkennbar hervorheben und es nicht plausibel ist, dass die dritte Variante („beeinflussen“) unter diesem Niveau bleiben soll. Bei einem anderen Verständnis wären die Zwecke der Wiederherstellung oder Korrektur der physiologischen Funktionen als eigens ausgewiesene Ziele überflüssig. Bereits die dritte Variante würde alles umfassen. Hiervon ist aber nicht auszugehen. Die bloße physiologische Wirkung von Nikotin ist für die Annahme eines Funktionsarzneimittels nicht ausreichend. In der Regel können daher nur Produkte mit therapeutischer oder prophylaktischer Zweckbestimmung ein Funktionsarzneimittel sein. Vom Arzneimittelgesetz nicht erfasst sind solche Produkte, mit denen primär andere Zwecke verfolgt werden, wie beispielsweise Ernährungs- oder Genusszwecke (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.04.2012, a. a. O.; Müller, a. a. O.).

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Neben der objektiven Eignung zu therapeutischen Zwecken ist also eine entsprechende Zweckbestimmung erforderlich (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08.12.2011 - 5 N 20.08 -, juris). Sonst wäre der Begriff des Funktionsarzneimittels zu weit gefasst. Die physiologischen Funktionen des Körpers können nämlich durch zahlreiche Stoffe, z. B. Lösungsmittel oder Giftstoffe, ohne arzneimittelspezifischen Bezug beeinflusst werden (vgl. die Beispiele bei Voit, „Blauer Dunst aus der Apotheke“, Legal Tribune Online vom 16.01.2012 und Müller, a. a. O. sowie EuGH, Urt. v. 15.11.2007 - C- 319/05 - „Kommission/Deutschland“, Rdnr. 63f.; VG Köln, Urt. v. 20.03.2012 - 7 K 3169/11 -, juris). Das Arzneimittelrecht ist erst anwendbar, wenn für ein Produkt bereits im Zeitpunkt der Herstellung feststeht, dass seine künftige Zweckbestimmung ausschließlich darin besteht, durch Anwendung im menschlichen Körper - wenn auch erst im notwendigen Zusammenwirken mit einem anderen Stoff - arzneilichen Zwecken zu dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2011 - 3 C 8.10 -, juris). Dies kann in Bezug auf das streitgegenständliche nikotinhaltige Liquid nicht festgestellt werden. Es steht nicht die Entwöhnung vom Konsum von Tabakzigaretten oder die Linderung einer Nikotinabhängigkeit im Vordergrund. Das Liquid ist - wie oben ausgeführt - nicht dazu bestimmt, solche Erfolge zu bewirken. Der Senat stellt zwar nicht in Abrede, dass Nikotin ein Arzneistoff sein kann und als solcher zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden kann (z.B. in Nikotininhalationsgeräten, Nikotinkaugummi oder Nikotinpflastern zur Unterstützung der Raucherentwöhnung). Das hier in Rede stehende nikotinhaltige Liquid hat jedoch keine für ein Arzneimittel erforderliche therapeutische oder vorbeugende Zweckbestimmung erhalten. Der Genuss des nikotinhaltigen Liquids mittels des Applikators dient nicht einer bestimmten Heilbehandlung oder Vorsorgemaßnahme, sondern soll dem Anwender ein Genusserlebnis vermitteln. Da es sich bei den nikotinhaltigen Liquids nicht um Arzneimittel im Sinne der Definition in § 2 Abs. 1 AMG handelt, greift auch die Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3a AMG nicht ein. Diese Regelung, nach der in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von Arzneimitteln als auch unter die Definition eines Erzeugnisses im Sinne des § 2 Abs. 3 AMG fallen kann, führt nicht dazu, dass die Anforderungen für eine Einordnung des Produkts als Arzneimittel abgesenkt würden. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Vorrangregelung für das Arzneimittelrecht nur zur Anwendung kommt, wenn die Arzneimitteleigenschaft des Produktes festgestellt ist. Andernfalls würden die strengeren Vorschriften des Arzneimittelrechts auf Sachverhalte erstreckt und der freie Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union damit behindert, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes vorliegen würde (vgl. EuGH, Urt. v. 15.01.2009 - C-140/07 - „Hecht-Pharma GmbH“, Rdnr. 27). Auch in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) heißt es: „Die Anwendung der Zweifelsfallregelung setzt die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft des betreffenden Mittels voraus“ (BT-Drucksache 16/12256, S. 41). Dementsprechend setzt die Umsetzung der Zweifelsfallregelung in § 2 Abs. 3a AMG auch bereits tatbestandlich ein Arzneimittel voraus. Die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel „auf Verdacht“ ist daher grundsätzlich nicht zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.2009, a. a. O.). So liegt es hier nach den vorstehenden Ausführungen nicht.

10

Es kann daher auch offen bleiben, ob das streitige Liquid bereits deshalb nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG anzusehen ist, weil es sich möglicherweise um ein Tabakerzeugnis im Sinne des § 3 des Vorläufigen Tabakgesetzes handelt, welches nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG generell kein Arzneimittel darstellt.

11

Ob das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verkaufsverbot auch auf andere rechtliche Grundlagen gestützt werden könnte, kann ebenfalls offen bleiben. Die Antragsgegnerin hat sich in dem Bescheid vom 18. März 2012 - allerdings ohne ausdrücklich auf die Vorschrift des § 69 Abs. 1 AMG einzugehen - allein auf arzneimittelrechtliche Erwägungen und nicht auch auf andere stoffrechtliche, wie das Chemikaliengesetz, bzw. allgemeine ordnungsrechtliche Regelungen gestützt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den hälftigen Auffangstreitwert festzusetzen.

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Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin bringt ihr Produkt „W.“ - im Folgenden nur als Produkt bezeichnet - als Nahrungsergänzungsmittel und damit als Lebensmittel in Deutschland mit entsprechender Packungskennzeichnung in den Verkehr. Es handelt sich dabei um indischen Weihrauchextrakt. Die Klägerin bezieht ihr Produkt nach eigenen Angaben aus Österreich, wo es als Lebensmittel im Verkehr ist, und der österreichische Lieferant bezieht es aus Indien.

Mit dem streitigen Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin ein Verkehrsverbot für ihr Produkt auf der Grundlage des § 69 I AMG. Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, Fertigpräparate aus Weihrauchextrakt seien in Indien als Arzneimittel zugelassen und die Verkehrsauffassung sei durch das Fertigarzneimittel aus Indien geprägt mit der Konsequenz, dass ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ohne Zulassung vorliege.

Gegen den am 25.1.2002 bekannt gegebenen Untersagungsbescheid hat die Klägerin am 29.1.2002 Klage erhoben.

Die Klägerin hat den Rechtsstandpunkt vertreten, ihr Produkt sei sowohl nach der Einordnung gemäß dem materiell geltenden Lebensmittelrecht ein Lebensmittel als auch auf Grund des freien europäischen Marktes als Importprodukt verkehrsfähig, das sowohl der Importerleichterung des § 47 a LMBG als importiertes Lebensmittel unterliege als auch der verbindlichen Zolltarifauskunft der EG vom 16.9.2002 mit der Einstufung ebenfalls als Lebensmittel.

Bei materieller Betrachtung liege ein Ernährungszweck im Sinne eines Nahrungsergänzungsmittels vor. Nach der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG sei für Nahrungsergänzungsmittel eine breite Palette von Nährstoffen und anderen Zutaten einschließlich Ballaststoffen, Pflanzen und Kräuterextrakten - und damit auch aus der Weihrauchpflanze - zugelassen und die dosierte Form beispielsweise in Tabletten normativ vorgesehen. Dagegen liege ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Arzneimittelbegriffs nicht vor. Insbesondere fehle es für ein Funktionsarzneimittel an der pharmakologischen Wirkung in der vorgeschriebenen Dosierung von 400 mg täglich. Der Beklagte habe eine pharmakologische Wirkung nicht erwiesen, sie, die Klägerin, habe dagegen mit den Gutachten Bertram und Reuss den Gegenbeweis geführt, dass eine pharmakologische Wirkung auszuschließen sei. Zumindest fehle es an einem überwiegenden arzneilichen Zweck.

Unabhängig von der materiellen Zusammensetzung sei der Weihrauchextrakt als Lebensmittelimport aus dem EU-Land Österreich gemäß § 47 a LMBG ein verkehrsfähiges Erzeugnis. Aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft der Gemeinschaft vom 16.9.2002 mit der Einstufung als Lebensmittelzubereitung stehe weiter fest, dass ihr Produkt überall in der EU als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden könne, was auch in Österreich und England der Fall sei. Die Frage der Verkehrsfähigkeit aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft sei erforderlichenfalls dem EuGH vorzulegen.

Die Klägerin hat beantragt (VG-Akte Bl. 167),

den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 23.1.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

dem Europäischen Gerichtshof dieses Verfahren mit der folgenden Frage vorzulegen: „Wenn ein Produkt nach einer verbindlichen Zolltarifauskunft für die Europäische Gemeinschaft als Lebensmittel eingestuft worden ist und darüber hinaus in den EU-Mitgliedstaaten Großbritannien und Österreich rechtmäßig im Verkehr ist, darf dann ein Vertriebsverbot von der zuständigen Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen werden, wenn diese nicht nachweist, dass das Produkt konkret gegen Vorschriften des Gesundheitsschutzes verstößt, sondern die Behörde das Vertriebsverbot mit der Ansicht begründet, dass der Inhalt grundsätzlich als Arzneimittel anzusehen ist, obwohl eine pharmakologische Wirkung erst bei einer Dosierung nachgewiesen werden konnte, die die empfohlene Tagesverzehrmenge des beanstandeten Produktes um das 3-fache übersteigt. Unstreitig wird das Produkt nach der Packungskennzeichnung als „Nahrungsergänzungsmittel“ in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht,

hilfsweise,

die Akte mit der folgenden Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen: „Kann eine Landesbehörde in der Bundesrepublik Deutschland ein Produkt, das in den EU-Mitgliedstaaten Österreich und England als verkehrsfähiges Lebensmittel im Verkehr ist, eine verbindliche Zolltarifauskunft der Europäischen Gemeinschaft die Lebensmittel-Eigenschaft bestätigt hat, mit dem Hinweis, dass dort keine arzneilichen Angaben auf der Packung enthalten sind, noch als Arzneimittel einstufen, auch wenn die Behörde eine pharmakologische Wirkung in der angegebenen Tagesdosierung nicht nachweisen kann.“

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten. Das Produkt stamme aus der traditionellen indischen Ayurveda-Medizin. Ein Ernährungszweck sei nicht nachzuweisen. Stattdessen sei ein Arzneimittelzweck gegeben. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen liege ein Funktionsarzneimittel mit Auswirkungen auf Entzündungsprozesse auch in niedriger Dosis vor. Als Arzneimittel sei Weihrauchextrakt den Verbrauchern insbesondere aus dem Internet bekannt. Die Importerleichterung nach § 47 a LMBG sei hier nicht einschlägig. Auch die Zolltarifauskunft beschränke sich ausschließlich auf den Zolltarif, um den es hier nicht gehe.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20.5.2003 - 3 K 47/02 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich den Rechtsstandpunkt des Beklagten unter Bezugnahme zu Eigen gemacht. Maßgebend sei die überwiegende Zweckbestimmung nach der Verkehrsauffassung. Das Produkt sei nach Aufmachung, Verpackung und Vertrieb wie ein Arzneimittel aufgemacht und werde auch in der Apotheke vertrieben. Die Klägerin mache für ihr Produkt zwar selbst keine Werbung, indessen werde von anderer Seite für ein Konkurrenzprodukt im Internet Werbung als Arzneimittel betrieben. Nach den Verbrauchererwartungen werde das Produkt also als Arzneimittel gekauft. Die Importerleichterung des § 47 a LMBG sei auf Arzneimittel nicht anwendbar und die Zolltarifauskunft binde nicht die Gesundheitsbehörden der deutschen Bundesländer. Angesichts dieser klaren Rechtslage bedürfe es keiner Vorlage an den EuGH, zu der das Verwaltungsgericht ohnedies nicht verpflichtet sei. Nach allem sei die Klage abzuweisen.

Gegen das am 10.6.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.7.2003 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Zulassungsbeschluss vom 16.1.2004 (Berufungsakte Bl. 108) mit Blick auf schwierige Fragen des Gemeinschaftsrechts unter der seinerzeitigen Geschäftsnummer 3 R 1/04 stattgegeben hat. Mit Blick auf eine bevorstehende EuGH-Entscheidung zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln hat der Senat das Verfahren vorübergehend durch Beschluss vom 16.4.2004 ausgesetzt (Berufungsakte Bl. 164). Nach dem Ergehen der EuGH-Entscheidung vom 9.6.2005 - C-211/03 - (Lactobact-Urteil) haben beide Beteiligten das Urteil für ihren Rechtsstandpunkt in Anspruch genommen und halten im fortgesetzten Rechtsstreit 3 R 7/05 an ihrer Rechtsauffassung fest.

Die Klägerin trägt vor: Das Lactobact-Urteil des EuGH stütze ihre Rechtsansicht. Im Bereich der allgemeinen Lebensmittel und der Arzneimittel sei nach dem EuGH-Urteil eine Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts noch nicht vorgenommen worden (Rz. 56). Dagegen sei es zu einer europaweiten Harmonisierung bei der hier einschlägigen Untergruppe der Lebensmittel, der Nahrungsergänzungsmittel, gekommen (Rz. 70 ff.). Nachdem der EuGH (Rz. 44) dargelegt habe, dass in Zweifelsfällen bei vollständigen Feststellungen die Arzneimittelrichtlinie gelte, habe er sodann (Rz. 70 ff.) darauf hingewiesen, dass im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel eine weitgehende Harmonisierung eingetreten sei; bei den Nahrungsergänzungsmitteln blieben den Mitgliedstaaten nur begrenzte Möglichkeiten, das Inverkehrbringen solcher Nahrungsergänzungsmittel zu beschränken, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat wie hier in Österreich und in Großbritannien rechtmäßig im Verkehr seien. Solche Verkehrsbeschränkungen setzten voraus, dass der Beklagte konkrete Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung nachweise, was nicht geschehen sei.

Ihr Produkt sei bei materieller Betrachtung nach dem fortgeschrittenen Gemeinschaftsrecht als Lebensmittel und als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen. Art. 2 der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung 178/2002 sei weiter gefasst und stelle nicht mehr auf den Ernährungs- oder Genusszweck des Produkts ab. Ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des weitgehend harmonisierten Gemeinschaftsrechts liege hier vor. Nach dem Erwägungsgrund 3 gehe es um die Erhaltung einer guten Gesundheit und nach dem Erwägungsgrund 6 handele es sich um eine breite Palette von Stoffen einschließlich Kräuterextrakten. Art. 2 a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie erfordere nicht notwendig Nährstoffe, sondern lasse sonstige Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung genügen. Dies sei hier zu bejahen. Aus dem vorgelegten Zusatzgutachten Reuss ergebe sich, dass Weihrauch ein gesundes, natürliches Gewürz darstelle mit der ernährungsspezifischen Wirkung, die Lebensmittel bekömmlicher zu machen. Weihrauchextrakt wirke sich auch positiv auf den Lipoprotein-Haushalt und den Cholesterin-Haushalt aus. Er sei nicht nur in Österreich und Großbritannien, sondern auch in Deutschland abgesehen von dem Produkt der Klägerin als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Nach dem zentralen Bestellsystem der deutschen Apotheken, der Lauer-Taxe, seien 11 verschiedene Weihrauchprodukte anderer Firmen als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Insofern sei Weihrauch bei dem Verbraucher als Nahrungsergänzungsmittel bekannt. Demgegenüber müsse die Internetwerbung für die Arzneiwirkung anderer Weihrauchprodukte nach der vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigen BGH-Rechtsprechung außer Betracht bleiben (BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 273/99 -). Darüber hinaus sei die Einfuhr von Weihrauchprodukten als Arzneimitteln aus der Schweiz oder Indien unzulässig, da es dort an einer staatlichen, mit der deutschen Arzneimittelzulassung vergleichbaren Zulassung fehle. In Indien sei Weihrauchextrakt ein Lebensmittel und unterliege der Lebensmittelüberwachung. Nach allem sei ihr Produkt ein Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, das nicht durch das Nadelöhr der Arzneimittelüberwachung müsse.

Entgegen der Annahme des Beklagten sei das Vorliegen eines Arzneimittels auszuschließen. Sowohl der EuGH als auch der BGH unterschieden beim europäischen Arzneimittelbegriff zwischen einem Präsentationsarzneimittel und einem Funktionsarzneimittel. Ein Präsentationsarzneimittel liege nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn es so auf den Verkaufspackungen, nicht lediglich in Werbeangaben in Medien, präsentiert werde. Dies sei eindeutig nicht der Fall. Die Verpackung enthalte eine deutliche Präsentation als Nahrungsergänzungsmittel, eine Verzehrempfehlung und neuerdings den Hinweis, die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht zu überschreiten.

Ebenso wenig sei ihr Produkt ein Funktionsarzneimittel. Stoffe könnten wie das Vitamin C je nach Dosis eine Doppelfunktion als Lebensmittel und Arzneimittel haben. Dann komme es allein auf die Dosis an. Maßgebend für die Beurteilung sei die Empfehlung, nur ein Mal täglich eine Tablette einzunehmen. Eine Mehrfacheinnahme - wie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angenommen - nur zur Begründung pharmakologischer Eigenschaften sei eine nicht wissenschaftliche Unterstellung. Ausgehend von der maßgebenden Dosis habe der Beklagte mit allen vorgelegten Unterlagen den Beweis einer pharmakologischen Wirkung nicht erbracht, dagegen habe sie den Gegenbeweis durch die Gutachten Bertram und Reuss geführt. Soweit der Beklagte sich mit seinen Unterlagen auf die Ayurvedische Medizin aus Indien berufe, liege darin nach neuerer Erkenntnis eher eine Empfehlung für eine gesunde Lebensweise im Sinne einer Nahrungsergänzung als die Behandlung von Krankheiten. Auch die vom Beklagten vorgetragene Bemühung der deutschen Firma P. um eine europäische Zulassung als Arzneimittel sei bisher wegen fehlender Nachweise gescheitert. Eine pharmakologische Wirkung in der vorgeschriebenen Dosis lasse sich nach allem nicht begründen. Der Beklagte habe den Beweis dafür nicht erbracht. Deshalb führten die stofflichen Eigenschaften ihres Produkts dazu, dass allein ein Nahrungsergänzungsmittel vorliege und mangels konkreter Gesundheitsgefahren keine Verbotsgrundlage bestehe.

Wesentlich sei weiter, dass ein EG-Lebensmittelimport vorliege. Der freie Handelsverkehr innerhalb der Gemeinschaft sei nach dem EG-Vertrag geschützt und die Auffassung des Beklagten führe zu unzulässigen Handelshindernissen bei dem Import von Lebensmitteln. Das Produkt werde unmittelbar aus Österreich eingeführt und sei dort rechtmäßig als Lebensmittel im Verkehr. Auf der Grundlage des § 47 a LMBG sei das Produkt aus der Sicht von Österreich einzuordnen und sei damit ein verkehrsfähiges Lebensmittel und kein Arzneimittel. Bezogen auf die Gemeinschaft insgesamt bedeute darüber hinaus die vorgelegte Zolltarifauskunft vom 16.9.2002 mit der Einordnung als Lebensmittelzubereitung den Verkehrsfähigkeitsnachweis für die gesamte Gemeinschaft.

Nach allem sei das Vertriebsverbot aufzuheben; hilfsweise komme eine Vorlage der Sache an den EuGH in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.5.2003 - 3 K 47/02 - den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 23.1.2002 aufzuheben.

Die Klägerin regt hilfsweise an,

dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage vorzulegen:

„Kann eine Landesbehörde in der Bundesrepublik Deutschland ein Produkt, das in den EU-Mitgliedstaaten Österreich und England als verkehrsfähiges Lebensmittel im Verkehr ist, dem eine verbindliche Zolltarifauskunft der Europäischen Gemeinschaft die Lebensmittel-Eigenschaft bestätigt hat, mit dem Hinweis, dass dort keine arzneilichen Angaben auf der Packung enthalten sind, noch als Arzneimittel einstufen, auch wenn die Behörde eine pharmakologische Wirkung in der angegebenen Tagesdosierung nicht nachweisen kann.“

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005 stütze seinen Standpunkt. Aus dem Tenor des EuGH-Urteils ergebe sich, dass die Einstufung als Arzneimittel oder als Nahrungsmittel unabhängig von der Einstufung in anderen EU-Mitgliedstaaten erfolge und in Zweifelsfällen die Arzneimittelrichtlinie einschlägig sei.

Der Beklagte ist der Auffassung, es liege kein Lebensmittel und kein Nahrungsergänzungsmittel vor. Die Nahrungseigenschaft sei nicht nachvollziehbar begründet. Allenfalls liege ein Zweifelsfall vor, der damit als Arzneimittel zu behandeln sei.

Der Arzneimittelbegriff werde durch das Produkt der Klägerin erfüllt. Zwar präsentiere die Klägerin ihr Produkt nicht als Arzneimittel, so dass ein Präsentationsarzneimittel ausscheide. Dagegen liege wegen der pharmakologischen Wirkung ein Funktionsarzneimittel vor. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen nehme indischer Weihrauchextrakt Einfluss auf Entzündungsprozesse im Körper. Bei der Einstufung als Arzneimittel sei nach Auffassung des Bundesinstituts die Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme der Tagesdosis zu berücksichtigen. Therapeutische Wirkungen seien bereits in einer Tagesdosis von 900 mg möglich und könnten durch Mehrfacheinnahme erreicht werden. Darüber hinaus ergebe sich aus den Forschungsergebnissen von Prof. Dr. Ammon, dass bei niedriger Dosierung eine Stimulierung der Leukotriensynthese eintreten könne.

Die Einstufung als Arzneimittel ergebe sich auch daraus, dass die europäische Behörde EMEA am 21.10.2002 für die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren indischem Weihrauchextrakt zugunsten der deutschen Firma P. den Orphan-Drug-Status zuerkannt habe. Nur bei einer Einstufung als Arzneimittel und nicht als Lebensmittel könne ein Präparat einen solchen Status erhalten. Dagegen sei die von der Klägerin vorgelegte Zolltarifauskunft vom 16.9.2002 nicht entscheidungserheblich, da sie sich nach Sinn und Zweck auf die Zollkalkulation beschränke.

Nach allem sei das Weihrauchpräparat der Klägerin ein Funktionsarzneimittel, das zulassungsbedürftig sei, aber keine Zulassung als Arzneimittel habe. Mithin sei der Untersagungsbescheid rechtmäßig.

Zur Ergänzung des Sachverhalts insbesondere mit Blick auf die vorgelegten Unterlagen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten (2 Hefter) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.

Der Streit der Beteiligten betrifft die richtige rechtliche Einordnung des Produkts der Klägerin, der W., das sie von Österreich nach Deutschland einführt. Handelt es sich inhaltlich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels oder um einen rechtlich maßgebenden Lebensmittelimport, wie die Klägerin annimmt, unterliegt es unstreitig grundsätzlich dem freien Warenverkehr und mithin nicht dem vom Beklagten ausgesprochenen Verkehrsverbot nach § 69 AMG. Handelt es sich dagegen rechtlich um ein Fertigarzneimittel, fehlt ihm die erforderliche Zulassung, da es unstreitig weder in Deutschland noch sonst im Bereich der Europäischen Union eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel hat.

Angesichts der fortgeschrittenen EG-Harmonisierung des Arzneimittelrechts und des Lebensmittelrechts ist zunächst klarzustellen, wer die Qualifizierungszuständigkeit bei der grenzüberschreitenden Verbringung eines Produkts innerhalb der EG hat. Abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 für das Produkt verbleibt die Qualifizierung den nationalen Behörden und Gerichten. Auf eine Vorlage des OVG Münster hin mit dem Ziel einer EG-weiten Qualifizierung eines Produkts durch den EuGH hat der EuGH nach seinem Rechtsverständnis das Europarecht auszulegen, ist aber nicht befugt, über den Sachverhalt zu entscheiden und die Einstufung von Produkten als Arzneimittel oder Lebensmittel gemeinschaftsweit selbst vorzunehmen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 – u.a. C – 211/03 -, betreffend die Einfuhr streitiger Nahrungsergänzungsmittel von den Niederlanden nach Deutschland auf eine Vorlage des OVG Münster, im Folgenden als Lactobact-Urteil bezeichnet.

Zuständig für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Behörden.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 30; ebenso schon EuGH, Urteil vom 16.4.1991 – Upjohn – Rz 35.

Die Einfuhr eines Produkts berührt zwar sowohl den Ausfuhrmitgliedstaat als auch den Einfuhrmitgliedstaat. Bei streitiger Zulässigkeit der Marktverwertung nach Einfuhr entscheidet indessen der jeweilige Einfuhrmitgliedstaat über die Einstufung als Arzneimittel oder Lebensmittel ohne Bindung an die Auffassung des Ausfuhrmitgliedstaats.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 56; ebenso EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz 53.

Die nationalen Behörden des Einfuhrmitgliedstaates, hier der Beklagte, haben mithin die Einstufung des streitigen Produkts mit Wirkung nur für ihren Staat vorzunehmen. Die Kontrolle der richtigen Einstufung ist sodann Sache der nationalen Gerichte.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 96 und 97; ebenso EuGH, Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Delattre-Urteil, Rz 35.

Mithin hat der Senat in dem vorliegenden Berufungsverfahren über die Einstufung des streitigen Produkts in Deutschland ohne Vorlage an den EuGH selbst zu entscheiden.

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, wenn noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts besteht.

Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der hier streitige Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 auf der Grundlage von § 69 I Nr. 1 AMG verbietet das Inverkehrbringen des streitigen Produkts ab Bekanntgabe (25.1.2002) auf Dauer. Dauerverwaltungsakte sind häufig – so auch hier – als sich ständig aktualisierende Verwaltungsakte anzusehen, für die sodann verändertes neues Recht ebenfalls zu beachten ist.

Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 43; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der Senat legt seiner Entscheidung das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende neue Recht zugrunde und geht auf älteres Recht seit 25.1.2002 (Bescheidbekanntgabe) zusätzlich ein.

Die Klägerin begehrt die Einstufung ihres Produkts als Lebensmittel.

Nach dem ab 7.9.2005 geltenden deutschen Recht werden Lebensmittel in § 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches – LFGB – vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) wie folgt definiert:

Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Mit Blick auf älteres Recht galt zwar bis zum 6.9.2005 formell noch die Lebensmitteldefinition des § 1 I LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) mit folgendem Wortlaut:

Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Diese Definitionsvorschrift musste aber bereits seit 21.2.2002 wegen des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts unangewendet bleiben. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft getreten nach Artikel 65 am 21.2.2002, ist nach Artikel 65 der Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Einer Umsetzung bedurfte es mithin nicht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang.

Vgl. mit näherer Begründung sowohl aus dem Gemeinschaftsrecht als auch aus dem deutschen Recht mit Blick auf Artikel 23 GG Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnrn. 27 bis 29.

Für die Lebensmitteldefinition ist mithin auszugehen von der Gesamtdefinition (positive und negative Abgrenzung) nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 – im Folgenden Lebensmittelverordnung -, die insoweit nicht abgeändert worden ist durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1642/2003 vom 22.7.2003. Die europäische Lebensmitteldefinition enthält in Artikel 2 I eine Positivdefinition und in Artikel 2 III eine Negativdefinition, auf die nacheinander einzugehen ist. Die Positivdefinition in Artikel 2 I Lebensmittelverordnung lautet:

Im Sinne dieser Verordnung sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, stellt die europäische Definition nicht mehr wie die deutsche Definition ausdrücklich auf den Ernährungs- oder Genusszweck ab. Sie ist von dem europäischen Verordnungsgeber bewusst weit gefasst. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Erwägungsgrund 11 der Lebensmittelverordnung, wonach die Definition für ein hinreichend umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit weit gefasst werden müsse.

Das Produkt der Klägerin fällt nach der Auffassung des Senats bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung unter die weite europäische Positivdefinition eines Lebensmittels. Normativ vorausgesetzt sind zunächst einmal „Stoffe“. Das Produkt der Klägerin enthält ausweislich der in Fotokopie vorgelegten Faltschachtel sowohl nach dem jetzigen Stand von 2005 als auch dem von 2002 als einzigen Inhaltsstoff 400 mg indischen Weihrauchtrockenextrakt pro Tablette. Weiterhin ist der Stoff dazu bestimmt, in verarbeitetem Zustand – als Trockenextrakt und mit den Bindemitteln einer Tablette – von Menschen aufgenommen zu werden. Dies ist der Fall, denn nach der Verzehrempfehlung soll täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehrt werden. Zugunsten der Klägerin ist damit die weite europäische Positivdefinition der Lebensmittel erfüllt.

Weiter geht der Senat noch mit Blick auf den Zeitabschnitt Januar/Februar 2002 auf den Streit der Beteiligten um die engere deutsche Positivdefinition ein, die nach § 1 I des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes – LMBG – vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) noch zusätzlich einen Ernährungs- oder Genusszweck verlangt. Die Klägerin hat den Genusszweck einleuchtend mit drei Gutachten begründet, wonach Weihrauch seit Jahrtausenden verwendet wird, einen bitterlichen, eigenartigen Geschmack hat, sich für Gewürzzwecke eignet und ein gesundes, natürliches Gewürz darstellt.

Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001, Behördenakte Bl. 50, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 4; ebenso das Erstgutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 10.1.2001, Behördenakte Blatt 3, im Folgenden zitiert als Gutachten Reuss, dort S. 1 zu Aromaeffekten und S. 3 zur Gewürzfunktion, sowie eingehender zu Genusszweck und ernährungsspezifischer Wirkung das weitere Gutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, im Folgenden zitiert als Zusatzgutachten Reuss.

Der Beklagte hat dem in einer relativ engen Betrachtungsweise entgegengehalten, der Weihrauch werde nach der Anwendungsvorschrift nicht als Gewürz gestreut und erfülle insofern nicht den Lebensmittelbegriff. Das überzeugt nicht, denn die deutsche Lebensmitteldefinition stellt in § 1 I LMBG auf den Verzehr selbst und nicht auf besondere Formen des Verzehrs wie etwa die Anwendung von Gewürzen nur als Streumittel ab. In der Kommentierung zur deutschen Lebensmitteldefinition ist anerkannt, dass Stoffe, die einen spezifischen Geruchs- oder Geschmackswert aufweisen wie Gewürze oder Aromastoffe, jedenfalls dem Lebensmittelbegriff unterliegen.

Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 42, zum bisherigen deutschen Recht.

Mithin liegt nachweislich ein Aromastoff vor, der auch nach der engeren deutschen Positivdefinition als Lebensmittel anzusehen ist. Für die weitere europäische Positivdefinition genügt wie bereits dargelegt bereits die Bestimmung zur Aufnahme durch Menschen. Genussmittel und Aromastoffe sind von der europäischen Definition ohne Weiteres umfasst, was sich zusätzlich noch durch die besondere Bestimmung des Artikel 2 II Lebensmittelverordnung ergibt, wonach Kaugummi – und damit ein Genussmittel - ausdrücklich zu den Lebensmitteln gerechnet wird.

Vgl. zur deutschen Lebensmitteldefinition Zipfel/Rathke § 1 LMBG Rdnr. 31, wonach Kaugummi wegen des Genusszwecks ein Lebensmittel darstellt.

Nach allem erfüllt das Produkt der Klägerin nach der Auffassung des Senats die europäische Positivdefinition eines Lebensmittels, die bereits seit 21.2.2002 gilt, und zuvor (25.1.-20.2.2002) die deutsche Positivdefinition.

Rein vorsorglich geht der Senat noch auf den Streit der Beteiligten um die derzeitige europäische Zusatzeinstufung als Nahrungsergänzungsmittel ein. Bereits die dosierte Abgabe des Produkts in Tablettenform spricht dafür, dass zusätzlich zu der allgemeinen Lebensmitteldefinition derzeit auch die Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels erfüllt ist. Nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG vom 10.6.2002 lautet die europäische Positivdefinition wie folgt:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d.h. in Form von z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen (es folgen weitere Darreichungsformen).

Damit ist im Jahr 2002 erstmals eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Nahrungsergänzungsmittel erfolgt. Die deutsche Umsetzung ist durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24.5.2004 mit Wirkung vom 28.5.2004 erfolgt, die in § 1 eine inhaltsgleiche Definition enthält. Der EuGH hat die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie nach dem zutreffenden Hinweis der Klägerin dahingehend gewürdigt, dass sie eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften für die dort definierten Nahrungsergänzungsmittel vornimmt.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 70.

Nahrungsergänzungsmittel müssen sowohl nach der europäischen Definition als nach der umgesetzten inhaltsgleichen deutschen Definition zunächst einmal Lebensmittel sein. Insofern ist nach den bisherigen Darlegungen des Senats – allein – die positive Lebensmitteldefinition erfüllt. Weiter kommt es auf den Nahrungsergänzungszweck an. Darauf weist die Faltschachtel des Produkts der Klägerin ausdrücklich hin; insofern bestehen keine Bedenken. Die Frage, ob Weihrauch ein Nährstoff oder ein sonstiger Stoff ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ein Nährstoff liegt zwar nicht vor, da das Produkt keine der nach Artikel 4 I in Verbindung mit Anhang I der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe enthält und dies in gleicher Weise für das umgesetzte Recht nach § 3 I und Anlage 1 der deutschen Nahrungsmittelergänzungsverordnung gilt. Mit sonstigen Stoffen ist nach dem Erwägungsgrund 6 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie eine breite Palette von Stoffen gemeint, die auch Kräuterextrakte einschließt und damit erkennbar auch Aromastoffe. Ein Aromastoff liegt wie dargelegt vor.

Weiterhin müssen nach der Definition die sonstigen Stoffe eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung haben. Mit dem Ausdruck physiologisch sind sprachlich die Lebensvorgänge im Organismus gemeint.

Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Auflage 2001, Stichwort Physiologie; ebenso im Sinne der Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Demgegenüber bezieht sich die ernährungsspezifische Wirkung speziell auf die Lebensvorgänge bei der Ernährung. Dazu mag die von der Klägerin aufgestellte Behauptung der Auswirkungen etwa auf den Cholesterin-Haushalt gehören. Entscheidungserheblich ist das nicht. Ernährungsspezifische Bedeutung kann bereits ein Stoff mit bitterem Geschmack – wie hier - haben.

Vgl. Zipfel/Rathke, § 1 LMBG Rdnr. 37, dort im Zusammenhang mit der Verwendung von bitterem Chinin aus ernährungsphysiologischen Gründen.

Die Klägerin hat nunmehr mit der Vorlage des Zusatzgutachtens Reuss einleuchtend nachgewiesen, dass Weihrauchextrakt aus ernährungsspezifischer Sicht die Lebensmittel bekömmlicher macht und die Freisetzung von Verdauungssekreten vorbereitet.

Zusatzgutachten Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 97.

Mindestens liegt aber als physiologische Wirkung die Geschmackswirkung eines Aromastoffs vor. Das genügt der Richtlinie.

Weiter muss nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie und § 1 I Nr. 3 der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung ein Produkt in dosierter Form, insbesondere in Form von Tabletten vorliegen. Dies trifft auf das Produkt der Klägerin zu.

Nach dem vom Senat gefundenen Zwischenergebnis erfüllt das streitige Produkt der Klägerin entgegen der Meinung des Beklagten von Anfang an und auch jetzt die europäische und deutsche Positivdefinition eines Lebensmittels und die europäische Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels seit Erlass der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie.

Nach der Positivdefinition ist die Negativdefinition zu beachten.

Die als Verordnung unmittelbar verbindliche europäische Lebensmittelverordnung enthält neben der positiven Definition der Lebensmittel in Artikel 2 Abs. 3 auch eine Negativdefinition. Artikel 2 Abs. 3 lit. d lautete:

Nicht zu „Lebensmitteln“ gehören: Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG (21) und 92/73/EWG (22) des Rates.

Durch Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG vom 6.11.2001 sind alle Bezugnahmen auf die bereits aufgehobenen älteren Arzneimittelrichtlinien durch die Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie ersetzt. Nicht zu den Lebensmitteln gehören mithin nach der Norm seit 2001 Arzneimittel im Sinne der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG.

Wesentlich ist für die weitere Subsumtion, dass die Negativdefinition allein auf Gemeinschaftsrecht verweist, die Umsetzung des Arzneimittelbegriffs aus den Richtlinien in nationales Recht mithin nach der Verordnung für die Negativabgrenzung außer Betracht bleiben muss.

Die dargelegte europäische Negativabgrenzung zu einem Arzneimittel ist systemgleich für Lebensmittel im Allgemeinen und für die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin meint zwar (Schriftsatz vom 6.10.2005), die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel sei wegen der besonderen Harmonisierung anders zu beurteilen als die übrigen Lebensmittel und bezieht dies möglicherweise auch auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln. Die Abgrenzung ist aber für Lebensmittel im Allgemeinen und Nahrungsergänzungsmittel systemgleich. Dies ergibt sich sowohl aus dem Normvergleich als auch der Rechtsprechung des EuGH. Die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG führt die Negativabgrenzung in Artikel 1 II wie folgt durch:

Diese Richtlinie gilt nicht für Arzneimittel, die in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel definiert sind.

Eine „synchrone“ Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und allgemeinen Lebensmitteln einerseits gegenüber Arzneimitteln andererseits wird vom Richtliniengeber zusätzlich dadurch erreicht, dass er in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich als Lebensmittel mit näher gekennzeichneten Eigenschaften definiert, mithin bereits die Lebensmitteldefinition in Artikel 2 der europäischen Lebensmittelverordnung erfüllt sein muss.

Die normativ angelegte synchrone Abgrenzung wird auch deutlich in dem Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005. In dem Vorabentscheidungsverfahren ging es in dem Ausgangsverfahren des OVG Münster um Produkte, die von den Niederlanden nach Deutschland eingeführt und dort als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden sollten (Lactobact-Urteil Rz. 20). Der EuGH hat in diesem Urteil (Rz. 41 und 42) die beiden Abgrenzungsregelungen in Artikel 2 Abs. 3 Buchstabe d der Lebensmittelverordnung und Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsrichtlinie synchron behandelt und als inhaltsgleich angesehen. Für die weitere gemeinschaftsrechtliche Prüfung kommt es ohne Differenzierung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mithin nur darauf an, ob das Produkt der Klägerin gleichzeitig ein Arzneimittel nach dem europäischen Arzneimittelbegriff ist.

Der Senat prüft nunmehr das Vorliegen eines Arzneimittels. Maßgebend ist dafür das Gemeinschaftsrecht.

Normativ war der europäische Arzneimittelbegriff von vornherein (seit 1965) doppelt angelegt und ist es auch jetzt. Arzneimittel sind sowohl Präsentationsarzneimittel als auch Funktionsarzneimittel.

Vgl. für die ursprüngliche Rechtslage Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965; sodann Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001; nunmehr in der geänderten Fassung von Artikel 1 der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.10.2005.

Die beiden Arzneimitteldefinitionen sollen sich nach der Rechtsprechung des EuGH ergänzen.

Urteil des EuGH Upjohn vom 16.4.1991 – C 112/89 -, Rz. 15 bis 18.

Mit der Definition des Präsentationsarzneimittels, das lediglich als Arzneimittel bezeichnet ist, sollen nicht nur Arzneimittel erfasst werden, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind. Die zweite Definition der Funktionsarzneimittel betrifft Erzeugnisse, die zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt sind und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben können. Durch die zweite Definition sollen auch Stoffe erfasst werden, die Heilungswirkung haben, aber nicht als Arzneimittel bezeichnet werden. Auf die formelle Zulassung kommt es nach beiden Definitionen nicht an.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Produkt der Klägerin kein Präsentationsarzneimittel ist. Bereits auf der im Jahr 2002 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie VG-Akte Bl. 93) wird das Mittel als Nahrungsergänzung bezeichnet mit einer Verzehrempfehlung. Auf der neuen 2005 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 51) wird das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet und sie enthält den Hinweis, es sei kein vollständiges Lebensmittel und daher nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet. Wesentlich für die Subsumtion ist noch, dass die Faltschachtel keinerlei Hinweis auf pharmazeutische Forschung enthält oder auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Zeugnisse bestimmter Ärzte zugunsten der Eigenschaften des Produkts.

Zu diesen Kriterien eines Präsentationsarzneimittels vgl. das Delattre-Urteil des EuGH vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 41.

Auch der Beklagte meint, die Klägerin habe eine Präsentation als Arzneimittel vermieden. Mithin ist der Ausschluss eines Präsentationsarzneimittels übereinstimmend mit der Meinung der Beteiligten unproblematisch.

Schwieriger ist die Streitfrage zwischen den Beteiligten zu entscheiden, ob inhaltlich ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Die Klägerin verneint dies für die maßgebende Tagesdosis von 400 mg Weihrauch, der Beklagte bejaht die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel. Beide haben dafür wissenschaftliche Unterlagen und Gutachten vorgelegt.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Inhaltsstoff Weihrauch unstreitig weder in der EG noch in einem Staat der EG über eine Marktgenehmigung als Arzneimittel verfügt und damit auch nicht im Ausfuhrland Österreich (vgl. insbesondere Schriftsatz der Klägerin vom 6.10.2005, S. 4/5, Gerichtsakte 3 R 7/05, Bl. 49/50). Die fehlende Zulassung steht aber der Einstufung als Funktionsarzneimittel von vornherein nicht entgegen, denn nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Funktionsarzneimittel nicht als Arzneimittel bezeichnet sein.

EuGH im Upjohn-Urteil vom 16.4.1991, Rz. 18.

Da sie in einer solchen Aufmachung nicht zugelassen werden könnten, ist die Zulassung schon deshalb kein Definitionselement des Funktionsarzneimittels.

Zum begrifflichen Verständnis des europäischen Funktionsarzneimittels geht der Senat auf die Normentwicklung ein.

Die ursprüngliche Definition in Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965 lautete:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden.

Innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des streitigen Untersagungsbescheides vom 23.1.2002 galt zunächst die Arzneimitteldefinition nach Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 in der ursprünglichen Fassung mit folgendem Wortlaut:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

Dem entspricht im Übrigen die ab 2002 geltende Umsetzung in § 2 I Nr. 5 AMG in der Fassung vom 20.6.2002 (BGBl. I. S. 2076) mit folgendem Wortlaut:

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Nunmehr wird das europäische Funktionsarzneimittel nach Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b der Humanarzneimittelrichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 wie folgt definiert:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Die letztgenannte aktuelle Definition des Funktionsarzneimittels erschließt sich wegen der zahlreichen medizinischen Fachausdrücke auch bei Hinzuziehung von Fachlexika nicht ohne weiteres, wird aber durch die dargelegte Normgeschichte und die insbesondere noch darzulegende Rechtsprechung des EuGH insgesamt verständlicher. Die Definition soll zunächst wissenschaftsbezogen und alsdann an Hand der Rechtsprechung des EuGH verständlich gemacht werden.

Nach der aktuellen Definition muss ein Funktionsarzneimittel physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Das Wort Physiologie bezeichnet die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen.

Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Physiologie; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Bei der Physiologie geht es wissenschaftsbezogen insbesondere um die physikalischen Funktionen des Organismus.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Physiologie.

Die bereits zitierte ursprüngliche Definition in der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG hatte dafür den allgemein verständlichen Ausdruck Körperfunktionen verwendet, der die Bedeutung auch in der aktuellen Fassung zutreffend wiedergibt. Auch der EuGH verwendet in einem neueren Urteil von 2004 noch den Ausdruck Körperfunktionen mit Blick auf Funktionsarzneimittel.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Nach der neuesten Definitionsfassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG wird die Art der Beeinflussung noch präzisiert. Es muss sich um eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung handeln. Bei der Immunologie geht es um die Erkennungs- und Abwehrmechanismen des Organismus gegenüber körperfremden Substanzen und metabolisch bedeutet den Stoffwechsel betreffend.

Beide Definitionen aus Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwörter Immunologie und metabolisch.

Fallbezogen von Bedeutung ist nur die pharmakologische Wirkung eines Stoffes. Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen einschließlich dem Untergebiet Toxikologie.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakologie.

Die Pharmakologie betrifft ambivalent sowohl die Heilwirkung als auch die Giftwirkung eines Stoffes. Auch die Klägerin bezieht in ihrem Schriftsatz vom 6.12.2005 die toxische Dosierung in die pharmakologische Wirkung ein. Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutet ein Pharmakon einen körperfremden oder körpereigenen Stoff, der nach Aufnahme im Körper oder an dessen Oberfläche erwünschte oder schädliche Wirkungen hervorruft.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Aus der Sicht der Pharmakologie wirken viele Pharmaka dosisabhängig entweder als Arzneimittel oder als Gift.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Quantitativ wird das in der Dosis-Wirkungs-Kurve erfasst.

Hunnius, Stichwort Dosis-Wirkungs-Kurve.

Bei diesem wissenschaftlichen Verständnis umfasst das Funktionsarzneimittel mit seiner pharmakologischen Wirkung nicht nur den Bereich einer positiven, therapeutischen Beeinflussung der Körperfunktionen, sondern auch den Bereich einer negativen, schädlichen Beeinflussung der Körperfunktionen. Kurz gesagt umfasst ein Funktionsarzneimittel positive und negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das dargelegte wissenschaftsbezogene Verständnis der Definition entspricht auch dem praktischen Verständnis der europäischen Definition nach der Rechtsprechung des EuGH.

Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58, eine allgemein verständliche Definition des europäischen Funktionsarzneimittels gegeben:

Für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion müssen sich die Behörden daher vergewissern, dass es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

Aus demselben Urteil des EuGH vom 29.4.2004 ergibt sich auch, dass er die Auswirkungen auf die Gesundheit ambivalent, als sowohl positiv als auch negativ versteht, da er im Rz. 56 die positive Wirkung der Vitamine zu therapeutischen Zwecken und in Rz. 60 die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Gesundheit einschließlich etwaiger Schädlichkeitsgrade anspricht.

Die ambivalenten heilenden oder schädigenden Gesundheitswirkungen machen wie dargelegt die Besonderheit eines Pharmakons aus. Auf der Normebene hat erst die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG die pharmakologische Wirkung ausdrücklich in die Definition des Funktionsarzneimittels aufgenommen. Damit hat der Richtliniengeber aber kein Neuland betreten, sondern die bisherige Rechtsprechung des EuGH übernommen, der in ständiger Rechtsprechung auf die pharmakologischen Eigenschaften des abzugrenzenden Produkts abstellt.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate Rz. 62; Upjohn Urteil vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 23, 24; Delattre-Urteile vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 26.

Die pharmakologischen Eigenschaften des Produkts werden damit als wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung betrachtet. In der Rechtsprechung des EuGH drücken die pharmakologischen Eigenschaften zusammenfassend das aus, was mit der Beeinflussung der Körperfunktionen und somit Auswirkungen auf die Gesundheit konkreter umrissen ist. Deutlich wird der Zusammenhang insbesondere in dem Urteil Upjohn vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 17-24, in dem zunächst die Beeinflussung der Körperfunktionen mit Auswirkungen auf die Gesundheit dargelegt wird (Rz. 17), im Folgenden die Beeinflussung der Körperfunktionen näher erläutert wird (Rz. 19-22) und im unmittelbaren Anschluss daran (Rz. 23 und 24) zusammenfassend entschieden wird, dass das nationale Gericht auf die pharmakologischen Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses abstellen muss.

Übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung definiert der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 52, den Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften wirkungsbezogen wie folgt:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörden ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Die dargelegte Definition der pharmakologischen Eigenschaften klingt etwas kompliziert, fasst aber nur die bisherige Rechtsprechung zusammen, wonach der Begriff der pharmakologischen Eigenschaften konkret die Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen (Körperfunktionen) bedeutet. Die pharmakologischen Eigenschaften entsprechen also den pharmakologischen Wirkungen im Sinne des neuen Rechts.

Nach dem dargelegten Gesamtzusammenhang ist der bisherige Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften von dem Richtliniengeber in der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG in Form einer pharmakologischen Wirkung in den Normtext aufgenommen worden. Die im Jahr 2004 geänderte Definition des Funktionsarzneimittels führt mithin nicht zu einer substanziellen Rechtsänderung.

In der Substanz der europäischen Arzneimitteldefinition geht es nach wie vor darum, ob ein Produkt zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Klar zu unterscheiden von der Auslegung der europäischen Normen, die der EuGH vorgenommen hat, ist die Rechtsanwendung. Im Lactobactfall des EuGH zielte die Vorlagefrage 1 a des OVG Münster, vgl. in der Wiedergabe des EuGH Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 25, unmittelbar auf die Feststellung, ob das Produkt Lactobact Lebensmittel oder Arzneimittel ist mit gegebenenfalls Verbindlichkeit für alle Mitgliedstaaten. Der EuGH hat in dem Lactobact-Urteil (Rz. 96) mit Blick auf die klare Aufgabentrennung zwischen nationalen Gerichten und Gerichtshof klargestellt, dass er im Vorlageverfahren nicht befugt ist über den Sachverhalt zu entscheiden und dass es vielmehr Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Einstufung selbst vorzunehmen (Rz. 97). Ungeachtet dessen hat der EuGH in dem Lactobact-Urteil sowie schon zuvor Rechtsanwendungshinweise gegeben, die sich im Sinne einer Vollständigkeitsanforderung zusammenfassen lassen. Bei der Beurteilung eines Erzeugnisses müssen die Behörden (Lactobact-Urteil Rz. 51), alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, berücksichtigen.

Zur Klarstellung weist der Senat aber darauf hin, dass die Berücksichtigung sämtlicher Merkmale nicht deren Gleichrangigkeit bedeutet. Während die Wirkungen des Produkts auf die Körperfunktionen und damit die Gesundheitsauswirkungen als pharmakologische Eigenschaften schon definitionsgemäß wesentliche Bedeutung haben, hat der EuGH im Lauf seiner Rechtsprechung die Bedeutung der anderen Merkmale zu Hilfsmerkmalen herabgestuft. So hat er entschieden, dass etwa die äußere Form des Produkts kein allein ausschlaggebendes Indiz ist und die Modalitäten des Gebrauchs ein nicht an sich ausschlaggebender Umstand sind.

Vgl. zum Ersteren Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 38 und zum Letzteren Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Weiterhin hat eine unterschiedliche Verbreitung und Verbraucherbekanntheit des Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten keine unmittelbar ausschlaggebende Wirkung, da der EuGH die unterschiedliche Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten als rechtlich zulässig betrachtet.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

Nach der BGH-Rechtsprechung haben für die Produkteinstufung nach dem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff Werbeangaben in Zeitschriften verglichen mit den pharmakologischen Wirkungen keine ausschlaggebende Bedeutung.

BGH, Urteil vom 11.7.2002 – I ZR 273/99 -, Juris-Ausdruck Rz. 23.

Der BGH gewichtet die pharmakologische Wirkung der Präparate deutlich stärker als die Verbraucherkenntnisse aus den Medien, was auch dem Sinn der EuGH-Rechtsprechung entspricht. Der EuGH schließt nicht aus, dass ein Produkt im Verkehr im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, aber dennoch ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Rechts ist.

EuGH, Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21.

Die allgemeine Verkehrsauffassung ist also nicht ausschlaggebend.

Damit sind die Grundlagen der Einstufung eines Produkts als europäisches Funktionsarzneimittel geklärt.

Auf der dargelegten Grundlage bedarf es einer konkreten Prüfung, ob das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts ist.

Der Senat nimmt diese Prüfung von Amts wegen vor, worauf die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind. Dabei sind die von den Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten gleichrangig heranzuziehen.

Nach der vom EuGH geforderten Berücksichtigung aller Merkmale des Produkts ist zunächst die Zusammensetzung zu betrachten. Ausweislich der fotokopierten Faltschachteln von 2002 und 2005 (VG-Akte Bl. 93/94 und OVG-Akte 3 R 7/05 Bl. 51) besteht das Mittel abgesehen von hier nicht interessierenden Tablettenhilfsstoffen nur aus einem Inhaltsstoff, nämlich indischem Weihrauchtrockenextrakt von 400 mg pro Tablette; die Verzehrempfehlung lautet:

Täglich 1 Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehren.

Die neue Faltschachtel von 2005 enthält zusätzlich den Hinweis, dass die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht überschritten werden soll. Aus der Verzehrempfehlung ergibt sich zugleich, dass der Inhaltsstoff im menschlichen Körper verwendet werden soll.

Sodann sind im Sinne des EuGH Prüfungsschwerpunkt die pharmakologischen Eigenschaften des Inhaltsstoffs Weihrauch. Es kommt darauf an, ob Weihrauchextrakt physiologische Funktionen beeinflusst, und zwar durch eine pharmakologische Wirkung. Wie bereits dargelegt bedeutet die Prüfung einfacher ausgedrückt, ob Weihrauchextrakt Körperfunktionen beeinflusst mit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten zum Wirkstoff Weihrauch handelte es sich ursprünglich um ein traditionelles Mittel in Indien.

Vgl. umfassend die auf Anregung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) durchgeführte Veröffentlichung von Privatdozent Safayhi und Prof. Dr. Ammon, Pharmakologische Aspekte von Weihrauch und Boswelliasäuren, im Folgenden zitiert als Safayhi/Ammon, in: Sonderdruck der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 39, 142. Jahrgang 1997, S. 1 ff., dort S. 1 und S. 2; weiter Ammon Kurzbericht, Salai-Guggal – (Indischer Weihrauch), Gummiharz aus Boswellia serrata, in: Deutsches Ärzteblatt 95, Januar 1998, S. A-30 ff, im folgenden zitiert als Kurzbericht Ammon, dort S. A-30; zur traditionellen therapeutischen Verwendung in Asien und zur Herstellung des Therapeutikums in Indien; vgl. das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001 zur pharmakologischen Wirkung von Weihrauch, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 2.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die Zuordnung eines Produkts zur traditionellen Ayurveda-Medizin ganzheitlich auch im Sinne einer gesunden Lebensweise mit geeigneten Lebensmitteln zu verstehen sein kann und für sich genommen nicht eine pharmakologische Wirkung nach modernen Wissenschaftsmaßstäben indiziert, vgl. zum ganzheitlichen Konzept der Ayurveda (Wissen vom Leben) Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Ayurveda.

Die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch wurden indes in jüngster Zeit wissenschaftlich erforscht, und zwar in Untersuchungen ab 1986.

Gutachten Bertram, S. 1, und Jahreszahl bei Safayhi/Ammon, S. 2.

Das Hauptergebnis der bisherigen Forschung liegt nach der Angabe von Fachlexika sowie nach den von beiden Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten darin, dass Weihrauchextrakt mit seinem Gehalt an Boswelliasäuren Entzündungsprozesse beeinflusst.

Safayhi/Ammon, mit ausführlicher Darlegung der Entzündungsmodelle, S. 2 – S. 5; Kurzbericht Ammon, S. A-30; Gutachten Bertram, S. 2, wobei die Bezeichnung antiphlogistische Wirkungen entzündungshemmende Wirkungen bedeutet; Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003, Stichwort Boswellia serrata, mit Hinweis auf die nachgewiesene Wirkung bei den Entzündungskrankheiten Colitis ulcerosa und Enteritis regionalis (Crohn-Krankheit) sowie unterstützend bei Polyarthritis; zurückhaltender im Sinne zugeschriebener Wirkungen bei Entzündungskrankheiten Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, Stichwort Boswellia serata unter Weiterverweisung auf das Stichwort Boswellia bhaw-dajiana; zurückhaltend ebenfalls das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss, S. 1, wonach Weihrauch nach vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen eine arzneiliche Wirkung haben soll und es (S. 2) für entzündliche Erkrankungen einen therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich gibt, positiv Bertsche/Schulz, Kurzbewertung, 2002, Berufungsakte 3 R 7/05 Bl. 71 R.; ebenso Gupta u.a., 2001, Zusammenfassung einer Forschungsarbeit zur Colitis, Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 75.

Die bei chronischen Entzündungen ablaufenden soweit hier einschlägigen Körperprozesse sind bei Safayhi/Ammon S. 2 und 3, als Kausalketten im Sinne eines Entzündungsmodells zusammengefasst. Danach ist die 5 – Lipoxygenase das Schlüsselenzym der Leukotrienbiosynthese. Die Produkte der 5 – Lipoxygenase, die Leukotriene, sind hochwirksame Mediatoren (Förderer) chronischer Entzündungen. Pharmazeutisch gesucht zur Entzündungsbekämpfung werden mithin Inhibitoren (Hemmstoffe), die bereits das Schlüsselenzym, die 5 – Lipoxygenase, hemmen. Solche Hemmstoffe sind zwar in der Forschung bekannt, haben aber regelmäßig reduzierende oder oxidierende Eigenschaften und wirken sich deshalb toxisch aus. Pharmazeutisch gesucht werden deshalb Inhibitoren der chronischen Entzündungen mit besserer Verträglichkeit. Die Boswelliasäuren – chemisch Triterpene - als Inhaltsstoffe des Weihrauchs erweisen sich nach den Forschungsergebnissen als nicht reduzierende oder oxidierende und insofern einmalige Hemmstoffe der Leukotriensynthese und damit chronischer Entzündungen (Safayhi/Ammon S. 4 mit einem Diagramm). Der bei Safayhi/Ammon eingehend dargelegte Wirkungsmechanismus der Leukotrienhemmung wird in anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und im Gutachten Bertram der Klägerin kurz dargestellt oder erwähnt.

Kurzbericht Ammon, a.a.O., S. A-31; Kurzbewertung Bertsche/Schulz, S. 1; das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Bertram, S. 2/3; zurückhaltend Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Boswellia serrata unter Weiterverweisung auf Boswellya bhaw-dajiana, positiv Bertsche/Schulz, S. 1; Gupta u.a., Zusammenfassung S. 1.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Boswelliasäuren, allerdings in wesentlich höheren Konzentrationen, auch zur Behandlung von Hirnödemen bei Tumoren eingesetzt werden.

Safayhi/Ammon, S. 7, dort zu einer täglichen Dosis von 3600 mg, Bertsche/Schulz, S. 2: mindestens 3600 mg.

Begrenzt auf die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren und damit auf diesen hoch dosierten Anwendungsbereich ist der vorgelegte Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 (Berufungsakte Bl. 69 R) ergangen, der Weihrauchextrakt als potenzielles Arzneimittel für diese seltene Krankheit ausweist; auf die Rechtswirkung dieses Bescheides ist noch einzugehen.

Vorliegend ist wesentlich, dass Weihrauchextrakt abgesehen von diesem seltenen Anwendungsbereich ganz allgemein Entzündungen beeinflusst.

Der dargelegte Wirkungsmechanismus bei Entzündungen bedeutet im Sinne der Definition des EuGH, dass die Körperfunktionen beeinflusst werden, und zwar mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Chronische Entzündungen werden mit positiver Gesundheitswirkung gehemmt. Bei dem Eingriff in die bei Entzündungen ablaufenden Körperprozesse handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung hier im Sinne einer positiven therapeutischen Einwirkung. Eine pharmakologische Wirkung von Weihrauch wird in der Veröffentlichung von Safayhi/Ammon (S. 8) ausdrücklich bejaht. Auch das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram gibt an, dass die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch erst in jüngster Zeit systematisch beforscht wurden (S. 1), weist auf antientzündliche Wirkungen hin und gibt dazu den wahrscheinlichen Wirkmechanismus an (S. 2).

Damit ist aber nach den vorliegenden Forschungsergebnissen die Wirkung von Weihrauchextrakt auf Entzündungsprozesse noch nicht erschöpft. Weihrauchextrakt kann auch den umgekehrten Effekt haben, dass er – nunmehr in niedriger Konzentration – Entzündungsprozesse fördert. Die pharmakologische Wirkung soll vom Sinn her - dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers - die ambivalenten Gesundheitswirkungen insgesamt erfassen. Insofern greift die Argumentation der Klägerin zu kurz, die negative Gesundheitsauswirkungen nur bei Überdosierung, nicht bei Unterdosierung in den Blick nimmt. Ergeben wie hier beim Weihrauchextrakt Forschungsergebnisse eine negative Gesundheitsauswirkung ausnahmsweise bei Unterdosierung, muss sie zum Gesundheitsschutz auch rechtlich als pharmakologische Wirkung beachtet werden.

Das „Umkippen“ der Wirkung erklärt sich aus der chemischen Vielfalt von Weihrauchextrakt. Es gibt keinen einheitlichen Wirkstoff Boswelliasäure, sondern unterschiedliche Boswelliasäuren mit unterschiedlichen pharmazeutischen Wirkungen.

Bertsche/Schulz, S. 1; konkreter zu den unterschiedlichen Boswelliasäuren und ihren Wirkungen vgl. bei Safayhi/Ammon, S. 4, die Tabelle 1; zum Gehalt von indischem Weihrauch an pentazyklischen (fünfringigen) Triterpensäuren und tetrazyklischen (vierringigen) Triterpensäuren Gutachten Bertram, S. 2.

Wesentlich ist das Zusammenwirken der Inhaltsstoffe, die auch antagonistisch (im Sinne der Gegenwirkung) wirken können.

Safayhi/Ammon S. 5 und S. 8, Bertsche/Schulz, S. 1.

Eine hinreichend starke Gegenwirkung bedeutet konkret, dass Weihrauchextrakt dann die Leukotriensynthese und damit den chronischen Entzündungsprozess verstärkt. Gerade für einen solchen Umkehreffekt liegen Forschungsergebnisse vor.

Schlusswort Ammon als Ergänzung des Kurzberichts in: Deutsches Ärzteblatt 95, Oktober 1998, S. A-2482, im Folgenden zitiert als Schlusswort Ammon; ebenso als Forschungsergebnis berücksichtigt in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 3; Bertsche/Schulz, S. 1.

Verantwortlich gemacht für den Umkehreffekt werden die Tirucallsäuren.

So als positive Feststellung Bertsche/Schulz, S. 1; als Möglichkeit Gutachten Bertram, S. 3.

Konsequenterweise sehen Bertsche/Schulz die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als pharmakologisch wirksame Substanzen an.

Bertsche/Schulz, S. 1.

Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung.

In dem zitierten Schlusswort von Ammon (S. A-2482) wird nochmals hervorgehoben, dass Weihrauchextrakte nicht eine einzelne Wirksubstanz enthalten, sondern ein Gemisch von Wirksubstanzen mit nicht einheitlichem Wirkungsmechanismus. Sodann ist ausgeführt, dass die richtige Dosierung eine wesentliche Rolle spielt. Das räumt auch die Klägerin ein. Danach heißt es wörtlich:

Bei niedriger Dosierung eines Extraktes kann es sogar zu einer Stimulierung der Leukotriensynthese kommen.

Wie bereits dargelegt bedeutet die Stimulierung der Leukotriensynthese auch eine Verstärkung der chronischen Entzündungsprozesse und damit eine pharmakologisch negative Wirkung. Das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram, S. 3, bestätigt dieses Forschungsergebnis, dass in niedriger Dosierung die Bildung von 5 – Lipoxygenaseprodukten erhöht sein kann und fügt hinzu, diesem Befund müsse weiter nachgegangen werden. Die im Gutachten Bertram genannten 5 – Lipoxygenaseprodukte sind gerade die Leukotriene und fördern als Mediatoren chronische Entzündungen.

Ausführlich zu der gesamten Kausalkette Safayhi/Ammon, S. 3, und kurz zusammengefasst Gutachten Bertram, S. 2.

Das einleuchtend mit der antagonistischen Wirkung und damit mit der Wirkung einzelner Wirkstoffe des Stoffgemischs Weihrauch – Tirucallsäuren - erklärte Forschungsergebnis muss bei den pharmakologischen Wirkungen von Weihrauch beachtet werden.

Die vom Senat aus Verständnisgründen zunächst nur qualitativ dargelegte pharmakologische Wirkung bedarf mit Blick darauf, dass das Produkt der Klägerin eine Tagesdosis von 400 mg Weihrauch in Form einer Tablette empfiehlt, nun auch einer quantitativen Darlegung. Von dieser empfohlenen Menge – die nach der neuen Packungsangabe auch nicht überschritten werden soll – ist vernünftigerweise auszugehen. Die von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in seiner Stellungnahme vom 29.9.2005 erwähnte Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme würde im Grunde jede Dosierungsvorschrift bei anerkannten Arzneimitteln entwerten und überzeugt schon deshalb nicht. Die Kritik der Klägerin an dieser Stellungnahme trifft zu.

Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen ist das quantitative Spektrum pharmakologischer Wirkungen (positiv und negativ) des Weihrauchs relativ weit. Nach übereinstimmenden Feststellungen von Safayhi/Ammon, S. 7, und dem Bertramgutachten, S. 3, werden insbesondere Tumorpatienten mit der hohen Tagesdosis von 3600 mg Weihrauch-Trockenextrakt in wissenschaftlichen Studien behandelt. In diesem hoch dosierten Bereich ist auch der positive Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 zur Ausweisung als Forschungsarzneimittel ergangen. Die Grenze guter Verträglichkeit von Weihrauchextrakt liegt in der Regel bei 1200 mg pro Tag, während hohe Dosen von 3600 mg pro Tag zu Nebenwirkungen führen können.

Safayhi/Ammon, S. 7, zu relativ seltenen Nebenwirkungen Bertsche/Schulz, S. 2.

Für die im vorliegenden Rechtsstreit erhebliche Hauptwirkung von Weihrauch, die antientzündliche Wirkung, wird nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Veröffentlichungen und Gutachten eine Tagesdosis von ungefähr 800 bis 1600 mg verabreicht.

So Gutachten Reuss vom 10.1.2001, S. 2, mit Blick auf die publizierten Studien; ähnlich Safayhi/Ammon mit der Tagesdosis von 800 bis 2000 mg in einer Pilotstudie (S. 5) und der Verabreichung von 1050 mg bei Colitis ulcerosa (S. 7); das Gutachten Bertram kommt allerdings unter Einschluss der sehr hohen Dosierungen bei Tumorpatienten (S. 3) zu einer höheren pharmakologischen Dosis zwischen insgesamt 900 und 3600 mg am Tag (S. 4); Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.9.2005: ab 900 mg; Bertsche/Schulz, S. 1 und 2: 900 mg bei Asthma, mindestens 3600 mg bei Ödemen.

Eine positive Wirkung auf Entzündungen ist nach dem Forschungsstand, wie er dem Senat aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, mithin ungefähr bei einer Tagesdosis von 800 bis 1600 mg gegeben.

Von der regelmäßigen pharmakologischen Tagesdosis von 800 bis 1600 mg ist der tiefer liegende untere Dosisbereich bei Weihrauch zu unterscheiden. Den unteren Dosisbereich siedelt das Gutachten Bertram bei einer Tagesdosis unter 500 mg an, wie sie hier vorliegt.

Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 1 (unterer Dosisbereich) im Zusammenhang mit S. 4 (Tagesdosis unter 500 mg).

Da die Untergrenze des positiven therapeutischen Einsatzes von Weihrauchextrakt nach den vorliegenden Veröffentlichungen und Gutachten wie dargelegt bei 800 bis 900 mg Tagesdosis liegt, ist die Hälfte der Untergrenze (ca. 450 mg) sicherlich als niedrige Dosierung anzusehen.

Gerade bei einer niedrigen Dosierung von Weihrauchextrakt kommen nach den dargelegten Forschungsergebnissen aber die antagonistischen Wirkungen des Stoffgemischs aus Boswelliasäuren und Tirucallsäuren zur Geltung. Das Forschungsergebnis der Stimulierung der Leukotriensynthese und damit der Verstärkung von Entzündungsprozessen betrifft den Fall der niedrigen Dosierung des Weihrauchextraktes.

Übereinstimmend Schlusswort Ammon, S. A-2482, Gutachten Bertram, S. 3, und Bertsche/Schulz, S. 1 und 2.

Die dem Gericht vorliegenden Forschungsunterlagen und Gutachten enthalten keine Gegenfeststellung, die dieser antagonistischen Wirkung konkret widerspricht. Konsequenterweise kommen Bertsche/Schulz (S. 1) zu dem Ergebnis, dass die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als Verursacher des Umkehreffekts in niedriger Konzentration des Weihrauchextrakts pharmakologisch wirksame Substanzen sind.

Diese Konsequenz ziehen die von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten zwar nicht. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss kommen nur deshalb zum Ausschluss einer pharmakologischen Wirkung in niedriger Dosis, weil sie die maßgebende pharmakologische Wirkung auf die therapeutische Wirkung einengen.

Das Gutachten Reuss (S. 2) nimmt von vornherein nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich in den Blick und schließt die therapeutisch verstandene pharmakologische Wirkung bei einer niedrigen Dosis von 30 % beziehungsweise 50 % der üblichen Dosis aus. Nichts anderes gilt für das Gutachten Bertram (S. 4). Die Bewertung der Dosisbereiche wird mit Blick auf den ausdrücklich angeführten therapeutischen Erfolg vorgenommen, und insoweit einer Tagesdosis unter 500 mg keine pharmakologische Wirkung mehr beigemessen. Nur bei dieser aus dem Gutachtentext ersichtlichen Auslegung bleibt das Gutachten widerspruchsfrei, denn der Gutachter Bertram hat bei der Betrachtung des Wirkmechanismus durchaus gesehen (S. 3), dass bei niedrigerer Dosierung die Bildung von Entzündungsverstärkern erhöht sein kann.

Nach allem ist ersichtlich, dass beide von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich bei niedriger Dosierung ausschließen. Eine positive Wirkung fehlt nach den Gutachten in diesem Bereich und eine negative Wirkung wird ausgeblendet.

Entscheidend sind aber die Forschungsergebnisse über einen Umkehreffekt bei niedriger Dosis. Die Hauptwirkung auf Entzündungsprozesse kehrt sich um. Diese Forschungsergebnisse werden in den vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten an keiner Stelle konkret angegriffen. Die Forschungsergebnisse sind auch mit Blick auf den dargelegten antagonistischen Effekt des Stoffgemischs für das Gericht einleuchtend nachvollziehbar und überzeugend. Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung. Mithin besteht zwischen den Gutachten und den wissenschaftlichen Veröffentlichungen insgesamt kein konkreter fachlicher Widerspruch, der die Einholung eines Obergutachtens durch den Senat bei der von Amts wegen durchgeführten Prüfung aufdrängen würde.

Nach der dargelegten Würdigung hat das Wirkstoffgemisch Weihrauch bei einer Gesamtbetrachtung der positiven und negativen pharmakologischen Wirkungen ein weites Spektrum der pharmakologisch wirksamen Tagesdosis.

Eine hohe Tagesdosis von etwa 3600 mg entspricht der Ödembehandlung von Tumorpatienten und ist Gegenstand einer europäischen Ausweisung als Forschungsarzneimittel.

Die positive pharmakologische Wirkung im Sinne einer Therapie von Entzündungen besteht in einem Dosisbereich etwa zwischen 800 und 1600 mg Tagesdosis.

Bei einer niedrigen Tagesdosis von 400 bis 500 mg gibt es unwidersprochene Forschungsergebnisse im Sinne einer Verstärkung von Entzündungen insbesondere durch Tirucallsäuren und damit einer negativen pharmakologischen Wirkung. Eine Gesundheitsgefahr ist hier dem Grunde nach zu bejahen. Mit Blick auch auf die antagonistischen Wirkungen kommt auch die wissenschaftliche Veröffentlichung Safayhi/Ammon (S. 8) zu dem Ergebnis, von einer freizügigen Abgabe von Weihrauch sei abzuraten. Bertsche/Schulz warnen mit Blick auf den Umkehreffekt vor nicht ausreichend hoher Dosierung und befürworten sogar die Hochdosierung von 3600 mg.

Bertsche/Schulz, S. 2.

Daran gemessen fällt die tägliche Einnahme von 400 mg Weihrauchextrakt erkennbar in den zu vermeidenden niedrigen Dosisbereich.

Nach allem ist eine Beeinflussung von Körperfunktionen mit pharmakologischer Wirkung und damit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit für Weihrauchextrakt nicht nur in hohen, sondern auch in niedrigen Tagesdosen wie hier von 400 mg aufgrund der Forschungsergebnisse zu bejahen.

Gesundheitsgefahren sind bei einem Funktionsarzneimittel in jedem Fall zu berücksichtigen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 - C-211/03 -, Rz. 53, dort als eigenständiger Faktor hervorgehoben.

Die bereits dargelegte gemeinschaftsrechtliche Definition des Funktionsarzneimittels in der Arzneimittelrichtlinie ist erfüllt, da eine Beeinflussung physiologischer Funktionen durch pharmakologische Wirkungen nach dem Forschungsstand zu bejahen ist. Weihrauch hat die pharmakologische Wirkung, dass er die Körperfunktionen bei Entzündungsprozessen mit Auswirkungen auf die Gesundheit beeinflusst.

Mit der Betrachtung der pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs in dem streitigen Produkt der Klägerin ist die Subsumtion erst im Schwerpunkt abgeschlossen.

Wie dargelegt bedarf es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Einstufung eines Produkts der Berücksichtigung aller seiner Merkmale. Dazu gehören über die geprüfte Zusammensetzung, die pharmakologischen Eigenschaften und die Risiken hinaus noch die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung und die Bekanntheit bei den Verbrauchern.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 51.

Mithin sind noch diese Hilfsmerkmale nachfolgend zu berücksichtigen.

Zu beginnen ist mit den Modalitäten des Gebrauchs. Nach der Anweisung auf der Faltschachtel ist täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit zu verzehren. Darin liegt einerseits die für Arzneimittel übliche Einnahme, andererseits werden nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls in dosierter Form unter anderem in Tablettenform eingenommen. Das Merkmal ist also nicht trennscharf. Auch der EuGH hat dem Umstand, dass ein streitiges Erzeugnis nach der Gebrauchsanweisung in Wasser oder Joghurt verrührt werden sollte, keine an sich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Als nächster Gesichtspunkt ist die Verbreitung des weihrauchhaltigen Produkts der Klägerin in den Blick zu nehmen. Die Klägerin importiert ihr Produkt aus Österreich und bringt es als Nahrungsergänzungsmittel auf den deutschen Markt. Werbung für ihr Produkt wie für ein Arzneimittel betreibt sie nach der insoweit unwidersprochenen Klagebegründung (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 15) nicht. Das namensgleiche Produkt wird in Österreich selbst ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht, indessen nicht von der Klägerin, sondern von der Firma G. Die Firma G hat das namensgleiche Produkt in Österreich als Verzehrprodukt angemeldet (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 27) und betreibt in Österreich nach dem belegten Vortrag des Beklagten Werbung für die entzündungshemmende Wirkung der namensgleichen Weihrauchtabletten ebenfalls mit dem Inhalt von 400 mg Weihrauch.

Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 17.10.2002, S. 2 (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 111) und Auszug aus der Homepage der österreichischen Firma (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 113).

Weiterhin ist das namensgleiche Produkt nach dem belegten Vortrag der Klägerin in Großbritannien als Nahrungsmittel im freien Verkehr.

Bescheinigung des britischen Agrarministers vom 9.8.2001, Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 28.

Ergänzend ist noch die Verbreitung von nicht namensgleichen Konkurrenzprodukten mit dem identischen Inhaltsstoff Weihrauch in den Blick zu nehmen. Insoweit hat die Klägerin nachgewiesen, dass auf dem deutschen Apothekenmarkt ausweislich des zentralen Bestellsystems der Lauer-Taxe insgesamt 11 nicht namensgleiche Weihrauchprodukte als Nahrungsergänzungsmittel bestellt werden können.

Schriftsatz vom 11.8.2005, S. 3/4, OVG Akte 3 R 7/05 Bl. 20/21 mit Anlage K 22, OVG Akte Bl. 23 ff..

Bei einer Würdigung der Verbreitung des namensgleichen Produkts der Klägerin muss gesehen werden, dass das Produkt in drei Staaten der EU – Österreich, Deutschland und Großbritannien - als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt ist. In Österreich wird es – allerdings nicht von der Klägerin – von der vertreibenden Firma als entzündungshemmend und damit wie ein Arzneimittel beworben.

Zur rechtlichen Qualifizierung vgl. das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 – Rz. 27, wonach eine Veröffentlichung des Herstellers oder Verkäufers mit der Bezeichnung therapeutischer Wirkungen als entscheidendes Indiz für die Absicht des Herstellers oder Verkäufers anzusehen ist, das Erzeugnis als Präsentationsarzneimittel in den Verkehr zu bringen.

Eine Verkehrsgenehmigung auf EU-Ebene hat hoch dosierter Weihrauchextrakt als Mittel gegen Gehirnödeme noch nicht, wohl aber den Status eines Forschungsarzneimittels.

Den vom Beklagten vorgetragenen Import von Weihrauchextrakt als Fertigarzneimittel aus der Schweiz und aus Indien hält die Klägerin für unzulässig, da es im Fall der Schweiz an einer landesweiten Arzneimittelzulassung und im Fall Indiens an einer mit deutschem Recht vergleichbaren Zulassung fehle, vielmehr Weihrauchextrakt in Indien ein Lebensmittel sei und der Lebensmittelüberwachung unterliege. Dieser Vortrag kann zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt werden.

In diesem Fall spricht der Gesichtspunkt der Verbreitung eher für die Einordnung als Lebensmittel. Er hat aber verglichen mit den festgestellten pharmakologischen Wirkungen des Produkts keine für sich entscheidende Bedeutung.

Sodann ist als weiteres Merkmal noch wie dargelegt die Bekanntheit des Produkts bei den Verbrauchern zu würdigen.

Die Klägerin nimmt an, ihr Weihrauchprodukt sei insbesondere mit Blick auf das deutsche Apothekensortiment mit zahlreichen weiteren Weihrauchprodukten als Nahrungsergänzungsmittel dem informierten deutschen Verbraucher als Lebensmittel bekannt. Demgegenüber nimmt der Beklagte an, dem informierten deutschen Verbraucher sei abgesehen von der speziellen Arzneimittelwerbung im Internet für das namensgleiche Produkt in Österreich auch ansonsten durch das Internet die Arzneimitteleigenschaft bekannt, was die Klägerin mit rechtlichen Gesichtspunkten zur Unmaßgeblichkeit von Medienwerbung bekämpft.

Bei der Würdigung der konkreten Verbraucherkenntnisse schließt sich der Senat weder dem Standpunkt der Klägerin noch dem des Beklagten an. Überzeugender erscheint vielmehr das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss vom 10.1.2001 (S. 2), wonach die Verkehrsauffassung als mögliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln im Fall Weihrauch ohne wesentliche Bedeutung ist. Der Gutachter begründet dies damit, dass eine arzneiliche Wirkung beim durchschnittlich informierten deutschen Verbraucher kaum bekannt ist. Eine Bekanntheit von Weihrauch als Nahrungsmittel nimmt der Gutachter aber ersichtlich ebenfalls nicht an, weil anderenfalls die Verkehrsauffassung entgegen seiner Fachmeinung zu einem eindeutigen Ergebnis führte. Die richtige Einordnung von Weihrauch, der eher als Kultmittel bekannt ist, wird einen durchschnittlich informierten Verbraucher kaum berühren. Konkrete Verbraucherkenntnisse über die Lebensmittel- oder Arzneimitteleigenschaft können also nicht erwartet werden.

Der Gesichtspunkt der Verbraucherkenntnisse ist jedenfalls gegenüber den festgestellten pharmakologischen Eigenschaften nicht ausschlaggebend.

Zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten der Verbreitung und der Verbraucherkenntnisse führt der Senat noch eine Hilfserwägung durch. Im günstigsten Fall könnte die gerichtliche Würdigung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis führen, dass ein Weihrauchprodukt im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird. Selbst diese allgemeine Ansicht würde es aber nicht hindern, dass ein solches Produkt dennoch nach dem europäischen Arzneimittelbegriff als Arzneimittel einzuordnen ist.

So das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21, für aus Südamerika eingeführte Kräutertees.

Damit kann der Prüfungsabschnitt über die Einstufung des Produkts der Klägerin als Arzneimittel abgeschlossen werden.

Nach der Überzeugung des Senats ist das weihrauchhaltige Produkt der Klägerin unter Berücksichtigung aller seiner Merkmale, insbesondere seiner Zusammensetzung, seiner pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen – der Modalitäten seines Gebrauchs, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken nach dem maßgebenden Gemeinschaftsrecht als Funktionsarzneimittel im Sinne sowohl der ursprünglichen Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG als auch der dargelegten Änderungsfassung durch die Arzneimittelrichtlinie 2004/27/EG anzusehen.

Damit führen die bisherigen Prüfungsschritte des Urteils zu dem Doppelergebnis, dass das Produkt der Klägerin mit 400 mg Weihrauchextrakt Tagesdosis nach den europäischen Definitionen sowohl ein Aromastoff und damit ein Lebensmittel ist als auch ein Funktionsarzneimittel mit Blick auf seine antagonistische Wirkung auf Entzündungsprozesse. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts unterliegt das Produkt mithin nach vollständiger Subsumtion einerseits der Lebensmittelverordnung 178/2002 und zusätzlich der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG, andererseits auch der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG in der ursprünglichen Form und gleichermaßen in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Dieses Doppelergebnis auf der europäischen Rechtsebene bedarf aber einer juristischen Auflösung wegen seiner widersprüchlichen Konsequenzen.

Ein Lebensmittel fällt unstreitig grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (vgl. zum Grundsatz Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel. Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung Nr. 2309/93 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Umgesetzt ist diese Regelung im deutschen Recht in § 21 AMG. Unstreitig hat das Produkt der Klägerin weder in der EG noch in einem EG-Staat eine Zulassung als Arzneimittel. Deshalb bedarf das festgestellte Doppelergebnis einer Auflösung.

Nach dem dargelegten Zwischenergebnis bedarf es auf Gemeinschaftsebene einer Entscheidungsregel, ob beim Zusammentreffen beider Definitionen das Arzneimittelrecht oder das Lebensmittelrecht Vorrang hat.

Zusammengefasst kommt der Senat zu der Entscheidung, dass nach dem aktuellen Recht bei der Produktbehandlung das Arzneimittelrecht vor dem Lebensmittelrecht Vorrang aufgrund ausdrücklicher normativer Regelung hat. Für die vorausgehenden Zeitabschnitte ergibt sich dasselbe Ergebnis aus der Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, der in ständiger Rechtsprechung bereits seit 1992 eine Art „Strenge-Regel“ aufgestellt hat, wonach das strengere Arzneimittelrecht in der Anwendung Vorrang vor weniger strengen Regelungen anderer Rechtsgebiete hat. Dies ist nunmehr im Einzelnen auszuführen.

Beginnend mit dem neuesten Zeitabschnitt ab 30.10.2005 ist der Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts bereits nach deutschem Recht normativ eindeutig bestimmt. Das deutsche Recht verweist in § 2 III Nr. 1 des ArzneimittelgesetzesAMG – in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) sowie in der jetzigen Fassung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) zur Abgrenzung auf den Lebensmittelbegriff nach dem deutschen Lebensmittelgesetz. § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618), gültig ab 7.9.2005, verweist für die Lebensmitteldefinition seinerseits unmittelbar auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Die europäische Lebensmittelverordnung 178/2002 verweist in ihrer Negativabgrenzung in Art. 2 Abs. 3 d wiederum auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG. Die Humanarzneimittelrichtlinie enthält in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 31.3.2004 mit einer Umsetzungsfrist bis 30.10.2005 in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich eine Vorrangregel des Arzneimittelrechts mit folgendem Inhalt:

In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie.

Mit dieser Richtlinie ist die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG gemeint, was mithin zum Vorrang des Arzneimittelrechts führt. Der EuGH hat die klar formulierte Vorrangregel auch in diesem Sinn verstanden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Nach dem aktuell geltenden Gemeinschaftsrecht ist auf das Produkt der Klägerin mithin nur das Arzneimittelrecht anzuwenden. Das aktuelle deutsche Recht verweist darauf.

Für das vorausgehende Recht innerhalb der zeitlichen Reichweite des Dauerverwaltungsaktes vom 23.1.2002 geht der Senat aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Zeitabschnitte zunächst nach dem wie dargelegt maßgeblichen Gemeinschaftsrecht und erst dann nach dem deutschen Recht ein.

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts war im vorausgehenden Zeitabschnitt vom 31.3.2004 bis zum 29.10.2005 die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 mit der normativen Vorrangregel des Arzneimittelrechts zwar bereits erlassen, indessen war die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Richtlinien setzen zwar ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren mit Erlass auf Gemeinschaftsebene und Umsetzung in nationales Recht voraus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV Rdnr. 8.

Richtlinien sind aber auch als Auslegungsmaßstab heranzuziehen.

Geiger, EUV/EGV, Artikel 249 EGV Rdnr. 12.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung, und zwar gerade für die Vorrangregel in der hier vorliegenden Änderungsrichtlinie 2004/27/EG, entschieden, dass eine Richtlinie schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist als Auslegungsmaßstab heranzuziehen ist.

Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Auch für diesen Zeitraum galt als Auslegungsergebnis der Rechtsprechung des EuGH ein normativer Vorrang des Arzneimittelrechts.

Auf Gemeinschaftsebene galt in dem davor liegenden Zeitraum vom 6.11.2001 (mithin vor Erlass des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis zum 30.3.2004 die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG noch ohne eine normative Vorrangregelung. Die Abgrenzung des gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriffs gegenüber den Konkurrenzbegriffen bedurfte mithin richterlicher Auslegung. Eine solche ständige Rechtsprechung des EuGH liegt vor, die von den Jahren 1991 bis 2005 reicht und damit den Entscheidungszeitraum (Januar 2002 bis Februar 2006) erfasst. Dies ist jetzt darzulegen.

Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung ist einfach. Er besteht darin, dass das strengere Arzneimittelrecht wegen der besonderen Gefahren Anwendungsvorrang vor weniger strengem Recht anderer Gebiete besitzt. Erstmals hat der EuGH diesen Gedanken im Urteil Delattre vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, zur Abgrenzung von Arzneimitteln gegenüber seinerzeit Kosmetika (Schlankheitsmitteln) geäußert. Zur Begründung hat er (Rz. 21) ausgeführt:

Diese Schlussfolgerung ist im Übrigen die Einzige, die dem mit beiden Richtlinien verfolgten Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im Allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel.

Im nachfolgenden Jahr 1992 hat der EuGH in seinem Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19, diese „Strenge-Regel“ auf die hier einschlägige Abgrenzung von Arzneimittelrecht gegenüber Lebensmittelrecht übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt (Rz. 19), ein Produkt sei selbst dann als Arzneimittel anzusehen und der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen weniger strengen Gemeinschaftsregelung falle.

Sodann hat der EuGH aktuell in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 43, nochmals seine Rechtsprechung bestätigt, dass die für Arzneimittel geltenden Bestimmungen auf ein Erzeugnis anzuwenden sind, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels erfülle. Zur Begründung hat er sich (Rz. 43) ausdrücklich auf sein Ter Voort-Urteil C – 219/91 – berufen, dort insbesondere auf die Rz. 19 verwiesen und damit wie dargelegt den Grundsatz, dass ein Produkt auch dann als Arzneimittel anzusehen ist, wenn es dem Anwendungsbereich einer weniger strengen Regelung unterfällt. Zwischen 1991 und jetzt hat der EuGH mithin in ständiger Rechtsprechung die „Strenge-Regel“ seiner Abgrenzung zwischen Arzneimittelrecht und weniger strengem Recht zugrunde gelegt.

Die dargelegte normative Vorrangregel der Richtlinie 2004/27/EG entspricht mithin inhaltlich der ständigen Rechtsprechung des EuGH. Dementsprechend hat sich der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 - sowohl vergangenheitsbezogen auf seine ständige bisherige Rechtsprechung (Rz. 43) als auch zukunftsbezogen auf die neue Richtlinie 2004/27/EG (Rz. 44) berufen. Das Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist mithin der Vorrang des Arzneimittelrechts bei der Abgrenzung gegenüber dem Lebensmittelrecht. Dies steht für den Zeitraum von 1992 bis jetzt fest. Bezogen auf den hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom 25.1.2002 (Bekanntgabe des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis jetzt (Februar 2006) ist die Abgrenzungsfrage auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts mithin immer gleich zu beantworten. Maßgebend für die rechtliche Behandlung ist das strengere Arzneimittelrecht gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht.

Für die vorsorglich vorzunehmende Abgrenzungsprüfung nach dem deutschen Recht sind andere Zeitabschnitte zu bilden. Unproblematisch ist der bereits behandelte aktuelle Zeitabschnitt ab dem 7.9.2005. Ab diesem Zeitpunkt verweist wie dargelegt § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) für die Lebensmitteldefinition ausdrücklich auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, und damit auch auf die in Artikel 2 Abs. 3 der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung vorgenommene Abgrenzung zu Lebensmitteln, für die die EuGH-Rechtsprechung maßgebend ist. Die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts für die Abgrenzung ist vom deutschen Gesetzgeber sichergestellt, da auch § 2 III Nr. 1 AMG für die Abgrenzung auf die Lebensmitteldefinition verweist mit der Konsequenz, dass nach der ausdrücklichen Anordnung des deutschen Gesetzgebers für die Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete einheitlich das Gemeinschaftsrecht gilt.

Für den vorausgehenden Zeitabschnitt vom 21.2.2002 bis zum 6.9.2005 hat der deutsche Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich für Rechtsklarheit gesorgt. Die Rechtsklarheit ergibt sich aber aus dem gemeinschaftlichen Verordnungsrecht. Die gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln in Artikel 2 der Lebensmittelverordnung galt bereits in diesem Zeitabschnitt. Die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002 trat nach Artikel 65 am 21.2.2002 in Kraft. Sie ist nach Artikel 65 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als bei Richtlinien bedarf es keines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens, vielmehr gilt die Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ohne Transformation.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV, Rdnrn. 6 und 8.

Der deutsche Gesetzgeber hatte aber in diesem Zeitraum der verbindlichen Regelung noch nicht formell Rechnung getragen. Vielmehr war in § 1 LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296), gültig vom 1.8.1997 bis 6.9.2005, eine formell abweichende Regelung bestimmt. Produkte waren nach § 1 I LMBG nur dann keine Lebensmitteln, wenn sie überwiegend zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses bestimmt waren. Das ältere deutsche Recht legte die Auslegung nahe, dass ein Lebensmittel auch dann vorlag, wenn sich kein überwiegender Verwendungszweck feststellen ließ.

So noch die Kommentierung von Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 35 und die ältere BGH-Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 6.2.1976 – I ZR 125/74 -.

Die deutsche Regelung ließ sich mithin in nahe liegender Auslegung als Vorrang des weniger strengen Lebensmittelrechts vor dem strengeren Arzneimittelrecht verstehen.

Bei diesem Ergebnis kann es aber nicht verbleiben. Das Gemeinschaftsrecht hat grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Gerichte und Behörden haben den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne weiteres zu beachten, und innerstaatliche Vorlageverfahren etwa an ein Verfassungsgericht müssen außer Betracht bleiben.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Mithin musste die inhaltlich anders gefasste Abgrenzung des deutschen Rechts zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln gegenüber der bindenden europäischen Verordnung außer Betracht bleiben. Vielmehr galt nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH die „Strenge-Regel“, wonach für die Produktbehandlung das strengere Arzneimittelrecht vor weniger strengem Recht in der Anwendung Vorrang hat. Auch für diesen Zeitabschnitt verbleibt es mithin bei dem gefundenen Ergebnis.

In einem vorausgehenden kurzen Zeitabschnitt des Dauerverwaltungsakts knapp einen Monat zwischen seiner Bekanntgabe am 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 galt auf der Gemeinschaftsrechtsebene allerdings noch nicht die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft ab 21.2.2002. Der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung muss mithin für diesen kurzen Zeitabschnitt außer Betracht bleiben.

Auch für diese Zeit blieb der Vorrang des Arzneimittelrechts unverändert. Maßgebend ist hier nicht der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, sondern der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.

Im Zeitraum Januar/Februar 2002 stellte sich die Vorrangfrage vom Arzneimittelrecht her, das im Gegensatz zum seinerzeitigen Lebensmittelrecht schon gemeinschaftsrechtlich normiert war. Wie bereits dargelegt war das gemeinschaftliche Arzneimittelrecht bereits seit 1965 fortlaufend durch Richtlinien kodifiziert, die in nationales Recht umzusetzen waren.

Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965, sodann als Nachfolgerichtlinie die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG sowie deren Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Das deutsche Arzneimittelgesetz war also bereits in der in diesem Zeitabschnitt (Januar/Februar 2002) maßgebenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) Umsetzung des europäischen Richtlinienrechts. Zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln verwies § 2 III Nr. 1 AMG 2001 auf § 1 LMBG und damit die bereits dargelegte Regelung, wonach nur eine überwiegende Bestimmung zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses maßgebend ist. Auch unabhängig von der Direktwirkung von Richtlinien zu Gunsten Einzelner, vgl. EuGH, Urteil vom 26.9.2000 – C- 443/98 -, Rz. 50; Urteil vom 4.12.1997 – C – 97/96 -, NJW 1998, 129, ist umgesetztes nationales Recht nach der EuGH-Rechtsprechung so auszulegen, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden kann. EuGH, Urteil vom 11.7.2002 – C – 62/00 -, Rz. 41.

Eine solche europarechtskonforme Auslegung des § 1 LMBG 1997 ist aber möglich und deshalb auch geboten. Zwar ist die Auslegung nahe liegend, dass die überwiegende Zweckbestimmung rein faktisch im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen ist.

So Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 34.

Zwingend ist diese Auslegung aber nicht. Die überwiegende Zweckbestimmung kann statt faktisch auch normativ verstanden werden. Die überwiegende Zweckbestimmung ergibt sich dann normativ nach dem strengeren Recht; das strengere Recht prägt die Zweckbestimmung. Das Ziel der einschlägigen Arzneimittelrichtlinie ist nach der Rechtsprechung des EuGH gerade der Schutz vor den besonderen Gefahren, die Arzneimittel mit sich bringen.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, und Ter Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19.

Das umgesetzte deutsche Arzneimittelrecht ist mithin europarechtskonform so auszulegen, dass das dargelegte Ziel der Arzneimittelrichtlinie mit Blick auf den Vorrang des strengeren Rechts erreicht wird. Mithin ist die deutsche Abgrenzungsregelung in den §§ 2 AMG 2001 und 1 LMBG 1997 europarechtskonform auch in dem hier interessierenden Zeitabschnitt vom 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 im Sinne einer normativen überwiegenden Zweckbestimmung durch das strengere Arzneimittelrecht auszulegen. Dieser Gesichtspunkt gilt im Übrigen auch für die nachfolgende Zeit, für die aber der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung hinzukommt.

Mithin ist die Geltung der europäischen Arzneimittelabgrenzung für den gesamten in Anspruch genommenen Zeitraum des angegriffenen Dauerverwaltungsakts seit 25.1.2002 bis jetzt zu beachten.

Für den Zeitraum des Dauerverwaltungsakts ist nach dem Ergebnis der Prüfung des europäischen und des deutschen Rechts einheitlich von dem Vorrang des Arzneimittelrechts gegenüber dem Lebensmittelrecht bei der Produktbehandlung auszugehen.

Die von der Klägerin gegen den Vorrang vorgebrachten Gründe überzeugen nicht.

Soweit die Klägerin eine vollständige Subsumierung als Voraussetzung der Vorrangregelung ansieht, hat der Senat sie vorgenommen.

Soweit die Klägerin meint, für Nahrungsergänzungsmittel gelte eine günstigere Behandlung, trifft dies nicht zu. Sie hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der neuen Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel die Richtlinie 2002/46 eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen hat.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 70.

Nahrungsergänzungsmittel, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, dürfen in der Gemeinschaft grundsätzlich frei in den Verkehr gebracht werden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C- 211/03 -, Rz. 71.

Die der Klägerin günstige Folge tritt aber nur ein, wenn die Voraussetzungen der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie überhaupt erfüllt sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG ausdrücklich nicht für Arzneimittel gilt (Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie) und darüber hinaus Nahrungsergänzungsmittel nach Artikel 2 der Richtlinie 2002/46/EG bereits Lebensmittel sein müssen, mithin auch für Nahrungsergänzungsmittel die allgemeine Abgrenzungsvorschrift von Artikel 2 der Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt. Dementsprechend führt der EuGH wie dargelegt in seinem Lactobact-Urteil (Rz. 41 und 42) eine synchrone Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln einerseits und Arzneimitteln andererseits durch. Für eine anderweitige Abgrenzung mit einer günstigeren Behandlung von Nahrungsergänzungsmitteln ist mithin aus Gründen des Gemeinschaftsrechts kein Raum.

Weiterhin beruft sich die Klägerin zu ihren Gunsten auf eine spezielle deutsche Liberalisierungsvorschrift für die Einfuhr von Lebensmitteln aus EU-Staaten im deutschen Lebensmittelrecht. Ausgehend zunächst von dem neuesten Rechtsstand der Einfuhrliberalisierung begünstigt § 54 LFGB mit Geltung ab dem 7.9.2005 Lebensmittelimporte aus anderen EU-Staaten. Danach dürfen Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände, die entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder aus einem Drittstaat stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig im Verkehr befinden, auch dann in das Inland verbracht und in Verkehr gebracht werden, wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände nicht entsprechen. Eine Ausnahme von der Liberalisierung besteht insbesondere dann, wenn gemäß § 54 I LFGB in Verbindung mit § 54 II zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen, über die durch Allgemeinverfügungen entschieden wird. Die verbleibenden Unterschiede des nationalen Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten stehen mithin dem Import eines Lebensmittels grundsätzlich nicht entgegen.

Diese Liberalisierungsregelung trifft aber nach dem geltenden Recht ausdrücklich nur für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände zu, von vorneherein nicht für Arzneimittel. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 54 LFGB und aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Gesamtregelung des Lebensmittelrechts, nicht des Arzneimittelrechts.

Nichts anderes gilt innerhalb der Zeitdauer des Dauerverwaltungsakts für die im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerreglung des § 47 a LMBG in den insoweit übereinstimmenden vorausgehenden Fassungen vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) sowie vom 6.8.2002 (BGBl. I S. 3082). Die Liberalisierung von Importen aus anderen Mitgliedstaaten bezieht sich nach dem übereinstimmenden Wortlaut auf „Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes“. Maßgebend ist also die deutsche Einordnung des Produkts. Durch eine Klammerdefinition ist in § 35 LMBG klargestellt, dass Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes Lebensmittel, Zusatzstoffe, mit Lebensmittel verwechselbare Erzeugnisse, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände sind. Arzneimittel gehören nicht dazu. Die Klägerin kommt nur insofern zu einem anderen Ergebnis, als sie behauptet, ihr Nahrungsergänzungsmittel könne mit einem Arzneimittel verwechselt werden. Insoweit stellt aber § 8 LMBG klar, dass die Ausdehnung des Lebensmittelrechts auf verwechselbare Erzeugnisse gerade nicht für zulassungspflichtige Arzneimittel gilt.

Zur generellen einschlägigen Zulassungspflicht von Fertigarzneimitteln § 21 AMG mit hier nicht gegebenen Ausnahmen insbesondere einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und einer Anwendung zur klinischen Prüfung.

Die Vorschrift zielt erkennbar darauf ab, dass die Zulassungspflicht von Arzneimitteln als Marktschranke nicht etwa in dem ungünstigen Fall, dass importierte Arzneimittel verwechslungsfähig aufgemacht sind, entfällt. Dies wäre auch offensichtlich gefahrenbezogen sachwidrig. Nach den dargelegten Vorschriften gilt die Liberalisierung nach Wortlaut und Sinn nicht für Arzneimittel, und zwar insbesondere auch nicht für mit Lebensmitteln verwechslungsfähig aufgemachte Arzneimittel.

Das Gemeinschaftsrecht bietet sowohl nach den in Betracht kommenden Normen als auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH keinen Anlass zu einer weiter gehenden Auslegung dieser lebensmittelrechtlichen Liberalisierungsregelung.

Wie dargelegt fällt ein Lebensmittel zwar grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel, denn Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Diese Rechtslage nach dem Gemeinschaftsrecht führt allerdings dazu, dass ein Produkt im Exportstaat (hier Österreich) als Lebensmittel und im Importstaat (hier Deutschland) als Arzneimittel eingeordnet werden kann. Gerade diese Divergenz ist nach der ständigen bis heute geltenden Rechtsprechung des EuGH mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 27; EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – Rz. 52 und 53, betreffend Vitaminpräparate; EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

In seinem Lactobact-Urteil (Rz. 56) hat der EuGH seine ständige Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist.

Die Tatsache, dass das Produkt der Klägerin in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist, führt mithin nicht zu einer Bindung des Einfuhrstaates an österreichisches Recht. Dem nach dem Gemeinschaftsrecht bestehenden Vorrang des strengeren Arzneimittelrechts vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht muss in Deutschland selbstständig, ohne Bindung an die Rechtsauffassung in Österreich, Geltung verschafft werden.

Nach allem führt die deutsche Liberalisierungsregelung nicht zur Anerkennung der österreichischen Produkteinordnung und ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

Im Folgenden hat der Senat noch die beiden von den Beteiligten vorgelegten europäischen Verwaltungsakte zu würdigen, die eine Einstufung von Weihrauchextrakt in demselben Jahr – 2002 – als Arzneimittel beziehungsweise als Lebensmittel betreffen.

Zusammengefasst sind beide Verwaltungsakte nicht unmittelbar einschlägig für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit über ein Marktverbot und geben keinen Anlass, von der vom EuGH aufgestellten „Strenge-Regel“ abzuweichen.

Der Beklagte hat einen Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 vorgelegt, den die EMEA, die Europäische Agentur für Arzneimittel, am 11.12.2002 veröffentlicht hat (Berufungsakte 3 R 7/05, Blatt 69 R). Der Beklagte hat dazu vorgetragen, der Weihrauchextrakt aus Boswellia serrata habe damit den Orphan-drug-Status erhalten (Berufungsakte Blatt 66). Mit dieser Bezeichnung hat es Folgendes auf sich. Die in dem Bescheid der EG-Kommission auch genannte Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16.12.1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Sinn und Regelungszusammenhang der Verordnung sind in dem Erwägungsgrund 1 zusammengefasst. Danach treten bestimmte Leiden EU-weit so selten auf, dass die Entwicklungskosten von Arzneimitteln durch den zu erwartenden Umsatz nicht mehr gedeckt werden. Die pharmazeutische Industrie wäre in diesen Fällen nicht bereit, das Arzneimittel unter normalen Marktbedingungen zu entwickeln. Diese Arzneimittel werden im englischen Sprachraum als „Orphan medicinal products“, das heißt als Waisenkinder unter den Arzneimitteln bezeichnet. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Verordnung nach dem Erwägungsgrund 4, durch die Einführung eines Gemeinschaftsverfahrens potenzielle Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden auszuweisen. Die Förderung erfolgt durch Forschungshilfe bei der Entwicklung (Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung) und durch ein späteres Marktexklusivitätsrecht (Artikel 8 der Verordnung). Der Antrag auf Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden kann grundsätzlich in jedem Entwicklungsstadium des Arzneimittels gestellt werden, indessen nur vor dem Antrag auf Verkehrsgenehmigung (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Zusammengefasst bedeutet der Bescheid mithin eine Ausweisung von Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für die Behandlung der seltenen Krankheit der Gehirnödeme bei Gehirntumor; eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel bedeutet der Bescheid nicht, wie im letzten Absatz ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Bescheid betrifft also keine Marktzulassung.

Der Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden liegt nach Artikel 2 a der Humanarzneimittelbegriff nach der Richtlinie 65/65/EWG zugrunde, wobei diese Bezugnahme nunmehr durch eine Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ersetzt ist (Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie). Da die Ödembehandlung bei Tumoren nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen ausschließlich den hoch dosierten Bereich von Weihrauchextrakt betrifft,

Safayhi-Ammon, Seite 7; Gutachten Bertram, Seite 3; Bertsche/Schulz, Seite 2

steht damit in diesem Bereich gemeinschaftsrechtlich die Einordnung als Arzneimittel fest.

Zwingend ist dies für die hier maßgebende niedrige Dosis von Weihrauch nicht. Einen Doppelcharakter nach der Dosis hat der EuGH bei Vitaminen anerkannt, die in ganz geringer Menge für die tägliche Ernährung unbedingt erforderlich sind, in starken Dosen aber zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, Rz. 56.

Deshalb bedeutet die im Jahr 2002 erfolgte Ausweisung von indischem Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für seltene Krankheiten ein - nicht zwingendes - Indiz für die gemeinschaftsrechtliche Einstufung von Weihrauchextrakt insgesamt als Arzneimittel. Der Gegenschluss der Klägerin, die angestrebte Marktzulassung sei bereits gescheitert, überzeugt nicht, da die Zulassungsreife einschließlich Standardisierung eines Stoffgemischs schwer erreichbar und langwierig sein kann.

Ebenso wie der Beklagte hat die Klägerin im Rechtsstreit einen Verwaltungsakt der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt, den sie zu ihren Gunsten verwerten will (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 75). Dabei handelt es sich um die verbindliche Zolltarifauskunft vom 16.9.2002. Der Bescheid ist im Namen der Europäischen Gemeinschaft erlassen, die erteilende Zollbehörde ist das Bundesministerium für Finanzen in Wien. Als Berechtigter ist angegeben die österreichische Firma G.. Gegenstand des Bescheides ist das namensidentische Produkt der Klägerin. Inhaltlich betrifft der Bescheid die Einreihung in die Zollnomenklatur als Lebensmittel und zur Begründung ist angegeben, aufgrund des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, sowie der exakten Dosierungsvorschrift, liege keine näher gekennzeichnete Arzneiware vor.

Die Klägerin hat aus dieser verbindlichen Zolltarifauskunft von Anfang an den Schluss gezogen,

Schriftsatz vom 7.10.2002, VG-Akte Bl. 78

das streitige Produkt dürfe in der gesamten Europäischen Union aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Verkehrsfähigkeit des von ihr vertriebenen Produktes in Deutschland ergebe sich damit schon aus der amtlichen Bestätigung der Europäischen Union. Zur Bekräftigung ihres Vortrags hat sie erstinstanzlich zwei verschiedene Vorlageanträge an den EuGH angeregt (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 91 und Bl. 133), die jeweils die Auswirkungen der verbindlichen Zolltarifauskunft auf die Zulässigkeit der Vermarktung betreffen. Zweitinstanzlich hat sie ausweislich des Protokolls eine entsprechende Vorlage an den EuGH hilfsweise angeregt.

Das Begehren der Klägerin entspricht offenkundig nicht dem Gemeinschaftsrecht, das eine Auslegung im Sinne der Klägerin nicht zulässt. Es entspricht auch nicht der dargelegten Rechtsprechung des EuGH zur selbstständigen Sachverhaltsbeurteilung der nationalen Behörden und Gerichte im Vermarktungsstreit.

Dafür ist zunächst auf die Rechtsgrundlage der verbindlichen Zolltarifauskunft einzugehen. Wie im Bescheid auch ausdrücklich angegeben, beruht die Zolltarifauskunft auf Art. 12 der – insoweit nicht geänderten - Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – Zollkodexverordnung -. Nach dem Erwägungsgrund 1 geht es bei der Verordnung um die Kodifizierung der bisherigen Zollvorschriften der Gemeinschaft als Zollunion. Betroffen von dem Zollrecht ist nach Art. 1 der Verordnung der Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern. Nach Art. 2 gilt das gemeinschaftliche Zollrecht einheitlich im gesamten Zollgebiet der Gemeinschaft. Richtig ist damit der Standpunkt der Klägerin, dass die Zollverwaltungsakte die gesamte Gemeinschaft betreffen. Sodann werden nach Art. 12 Abs. 1 der Zollkodexverordnung auf schriftlichen Antrag von den Zollbehörden verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt. Verbindliche Zolltarifauskünfte sind nach der Definitionsvorschrift des Art. 4 Nr. 5 der Zollkodexverordnung hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Zollrechts.

Die Klägerin begehrt eine Vorlage des Sachverhalts zur Entscheidung an den EuGH. Sie hält es nach ihrem Rechtsstandpunkt für eine klärungsbedürftige Auslegungsfrage, wie weit die Verbindlichkeit der Zolltarifauskunft reicht. Sie meint, die Verbindlichkeit betreffe nicht nur den Zolltarif, sondern auch die anschließende Vermarktung. In Wirklichkeit ist aber die Verbindlichkeitsfrage in Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung ohne Auslegungsspielraum wie folgt geregelt:

Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren.

Das Wort „nur“ lässt keinen Auslegungsspielraum dahingehend zu, die Bindungswirkung erstrecke sich über die zolltarifliche Einreihung der Waren hinaus auch auf die anschließende Vermarktung und die Anwendung des Gesundheitsrechts. Ist mithin die Einschränkung der Verbindlichkeit auf das Zollrecht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, scheidet eine Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 234 EGV selbst nach den Maßstäben für ein letztinstanzliches Gericht – die hier nicht erfüllt sind – aus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 16.

Im Übrigen hat das nationale Gericht über die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage selbst zu befinden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 12.

Darüber hinaus hat das nationale Gericht über die Vorlage von Amts wegen, unabhängig von der Auffassung der Beteiligten zu entscheiden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 Rdnr. 11.

Entsprechende Anträge der Beteiligten bedeuten prozessual mithin nur die Anregung zu einer Vorlageentscheidung.

Von Amts wegen scheidet eine Vorlage schon deshalb aus, weil Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung auch unabhängig von dem streitigen objektiven Anwendungsbereich auch nach den subjektiven Merkmalen nicht entscheidungserheblich ist.

Vorliegend sind die subjektiven Voraussetzungen der Verbindlichkeitsbestimmung des Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung nicht gegeben. Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet nach der Verordnung nur die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten. Zollbehörde ist nach Art. 4 Nr. 3 der Zollkodexverordnung eine für die Anwendung des Zollrechts zuständige Behörde. Der Beklagte als oberste Gesundheitsbehörde ist ebenso wenig eine Zollbehörde im Sinne der Gemeinschaftsvorschrift wie die Klägerin Berechtigte des Bescheides ist, da in dem Bescheid als Berechtigte ausdrücklich die österreichische Firma G. genannt ist. Mithin verbleibt es dabei, dass die Vorschrift des Art. 12 II der Zollkodexverordnung auf den vorliegenden Fall zweifelsfrei subjektiv nicht anwendbar ist.

Unabhängig von der normativen Rechtslage entspricht es auch nicht der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu gesundheitsbezogenen Marktverboten gegenüber importierten Produkten, dass das Gesundheitsrecht bindend an das Zollrecht gekoppelt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und zu deren Kontrolle die nationalen Gerichte bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Vermarktung in ihrem Staat auch bei importierten Erzeugnissen selbst die Qualifizierungszuständigkeit für den Einzelfall, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist.

EuGH Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 30 für die Zuständigkeit der nationalen Behörden und Rz. 97 für die Zuständigkeit des nationalen Gerichts; ebenso schon EuGH, Ter-Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 – betreffend die Zulässigkeit der Vermarktung von Kräutertee aus Südamerika, dort zur fallbezogenen Einstufungszuständigkeit der nationalen Gerichte Rz. 32; EuGH Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, dort Rz. 35 zur Einstufungszuständigkeit der nationalen Behörden unter Kontrolle der nationalen Gerichte.

In einem entschiedenen Fall – dem Ter-Voort-Urteil des EuGH von 1992 – betraf die Einstufung die Vermarktung von aus Südamerika eingeführten Produkten. Nach der seinerzeit schon bestehenden Zollunion unterlagen diese Produkte einer Außenzollerhebung und damit einer Zolltarifeinordnung. Die seinerzeitige Vorlagefrage (Rz. 13), ob ein Erzeugnis, das im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, als Arzneimittel eingestuft werden kann, hätte vom Rechtsstandpunkt der Klägerin damit beantwortet werden müssen, dass die Antwort aus dem Zollrecht folge. Stattdessen lautet die Antwort des EuGH (Rz. 21), dass ein Arzneimittel selbst dann vorliegen kann, wenn es im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, und (Rz. 32) es Sache der nationalen Gerichte ist, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles die Einordnung vorzunehmen. Auch der Grundgedanke in dem Ter-Voort-Urteil des EuGH, dass (Rz. 19) im Gesundheitsrecht die strengere Gemeinschaftsregelung anzuwenden ist, verträgt sich nicht damit, dass die der Einnahmeerzielung dienende Zolltarifregelung stattdessen einschlägig sein soll. Damit könnten die Gesundheitsgefahren nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Mithin scheidet eine Vorlage an den EuGH auch deshalb aus, weil die Rechtsansicht der Klägerin zur Bindung der Vermarktung an das Zollrecht der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH widerspricht.

Der Bescheid ist für den vorliegenden Vermarktungsprozess offensichtlich rechtsunerheblich.

Unabhängig von der fehlenden Bindungswirkung kann auch die Begründung der Zolltarifauskunft für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden. Begründet ist die Ablehnung einer Arzneiware mit dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten und einer entsprechenden exakten krankheitsbezogenen Dosierungsvorschrift. Mit dieser Überlegung lässt sich aber allein ein Präsentationsarzneimittel ausschließen, was ohnedies unstreitig ist. Dagegen enthält die Begründung keinerlei Gesichtspunkte zu einem Funktionsarzneimittel, da die pharmakologische Wirkung von vornherein nicht behandelt wird. Für den Hauptstreit der Beteiligten über das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels lässt sich aus der Begründung des Bescheides nichts gewinnen.

Nach dem Prüfungsergebnis des Senats haben die von den Beteiligten vorgelegten Bescheide nach dem Gemeinschaftsrecht für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung und führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mithin hat es bei einer selbstständigen sachverhaltsbezogenen Einstufung des Produkts der Klägerin für die Vermarktung durch die nationalen Behörden und die nationalen Gerichte ohne Vorlagepflicht an den EuGH zu verbleiben.

Nach allem ist der Senat davon überzeugt, dass das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel ist und damit dem strengen Zulassungsrecht für Fertigarzneimittel unterliegt. Der Klägerin ist zwar Recht zu geben, dass in dieser Rechtsanwendung ein Hemmnis für den freien Warenverkehr liegt. Das Produkt muss also nach der plastischen Formulierung der Klägerin durch das „Nadelöhr“ des Arzneimittelrechts. Der Grund dafür liegt aber letztlich in der eindeutigen Weichenstellung des EuGH zu Gunsten des strengeren Gesundheitsrechts. Der EuGH hat dem nunmehr im Gemeinschaftsrecht kodifizierten Gedanken Bedeutung beigemessen, dass die besonderen Gesundheitsgefahren gerade von Arzneimitteln im Zweifel die Anwendung des strengeren Gesundheitsrechts gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht erfordern. Diese Gefahrabwägung führt letztlich zu dem Ergebnis, dass hier wegen der festgestellten – negativen - pharmakologischen Wirkung des Produkts in der empfohlenen niedrigen Dosis ein Funktionsarzneimittel vorliegt.

Die Prüfung des Senats führt mithin zu dem Gesamtergebnis, dass gemeinschaftsrechtlich und nach deutschem Recht für die gesamte Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002 rechtlich maßgebend ein Funktionsarzneimittel vorliegt, das als Fertigarzneimittel für den Verbraucher gemäß § 21 AMG einer Zulassung bedarf, die aber unstreitig weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Recht vorhanden ist.

Damit liegt aber zur Überzeugung des Senats der Untersagungstatbestand des § 69 I Nr. 1 AMG in den insoweit übereinstimmenden Fassungen vom 11.12.1998 (BGBl. I Bl. 3586), vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 2031), vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2555) sowie der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) vor. Die im Gesetz eingeräumte Ermessensausübung ist von der Klägerin nicht problematisiert worden. Ein Ermessensfehler wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die für das Arzneimittel erforderliche Zulassung ausschließlich aus formellen Gründen fehlte, materiell aber die therapeutische Wirksamkeit mit vertretbaren Nebenwirkungen bereits feststünde. Schon die nicht geklärte therapeutische Wirksamkeit würde die Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung rechtfertigen. Erst recht gilt das hier, da nach den vorliegenden Forschungsergebnissen für niedrig dosierten Weihrauchextrakt zwar keine positiven pharmakologischen Wirkungen, wohl aber negative pharmakologische Wirkungen in Form der Förderung von Entzündungsprozessen wissenschaftlich festgestellt sind. Bei dieser Sachlage ist allein die Untersagung ermessensgerecht.

Nach allem ist der angefochtene Dauerverwaltungsakt vom 23.1.2002 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Mithin ist ihre Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO und die Nichtzulassung der Revision auf § 132 II VwGO.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.

Der Streit der Beteiligten betrifft die richtige rechtliche Einordnung des Produkts der Klägerin, der W., das sie von Österreich nach Deutschland einführt. Handelt es sich inhaltlich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels oder um einen rechtlich maßgebenden Lebensmittelimport, wie die Klägerin annimmt, unterliegt es unstreitig grundsätzlich dem freien Warenverkehr und mithin nicht dem vom Beklagten ausgesprochenen Verkehrsverbot nach § 69 AMG. Handelt es sich dagegen rechtlich um ein Fertigarzneimittel, fehlt ihm die erforderliche Zulassung, da es unstreitig weder in Deutschland noch sonst im Bereich der Europäischen Union eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel hat.

Angesichts der fortgeschrittenen EG-Harmonisierung des Arzneimittelrechts und des Lebensmittelrechts ist zunächst klarzustellen, wer die Qualifizierungszuständigkeit bei der grenzüberschreitenden Verbringung eines Produkts innerhalb der EG hat. Abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 für das Produkt verbleibt die Qualifizierung den nationalen Behörden und Gerichten. Auf eine Vorlage des OVG Münster hin mit dem Ziel einer EG-weiten Qualifizierung eines Produkts durch den EuGH hat der EuGH nach seinem Rechtsverständnis das Europarecht auszulegen, ist aber nicht befugt, über den Sachverhalt zu entscheiden und die Einstufung von Produkten als Arzneimittel oder Lebensmittel gemeinschaftsweit selbst vorzunehmen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 – u.a. C – 211/03 -, betreffend die Einfuhr streitiger Nahrungsergänzungsmittel von den Niederlanden nach Deutschland auf eine Vorlage des OVG Münster, im Folgenden als Lactobact-Urteil bezeichnet.

Zuständig für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Behörden.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 30; ebenso schon EuGH, Urteil vom 16.4.1991 – Upjohn – Rz 35.

Die Einfuhr eines Produkts berührt zwar sowohl den Ausfuhrmitgliedstaat als auch den Einfuhrmitgliedstaat. Bei streitiger Zulässigkeit der Marktverwertung nach Einfuhr entscheidet indessen der jeweilige Einfuhrmitgliedstaat über die Einstufung als Arzneimittel oder Lebensmittel ohne Bindung an die Auffassung des Ausfuhrmitgliedstaats.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 56; ebenso EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz 53.

Die nationalen Behörden des Einfuhrmitgliedstaates, hier der Beklagte, haben mithin die Einstufung des streitigen Produkts mit Wirkung nur für ihren Staat vorzunehmen. Die Kontrolle der richtigen Einstufung ist sodann Sache der nationalen Gerichte.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 96 und 97; ebenso EuGH, Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Delattre-Urteil, Rz 35.

Mithin hat der Senat in dem vorliegenden Berufungsverfahren über die Einstufung des streitigen Produkts in Deutschland ohne Vorlage an den EuGH selbst zu entscheiden.

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, wenn noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts besteht.

Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der hier streitige Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 auf der Grundlage von § 69 I Nr. 1 AMG verbietet das Inverkehrbringen des streitigen Produkts ab Bekanntgabe (25.1.2002) auf Dauer. Dauerverwaltungsakte sind häufig – so auch hier – als sich ständig aktualisierende Verwaltungsakte anzusehen, für die sodann verändertes neues Recht ebenfalls zu beachten ist.

Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 43; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der Senat legt seiner Entscheidung das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende neue Recht zugrunde und geht auf älteres Recht seit 25.1.2002 (Bescheidbekanntgabe) zusätzlich ein.

Die Klägerin begehrt die Einstufung ihres Produkts als Lebensmittel.

Nach dem ab 7.9.2005 geltenden deutschen Recht werden Lebensmittel in § 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches – LFGB – vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) wie folgt definiert:

Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Mit Blick auf älteres Recht galt zwar bis zum 6.9.2005 formell noch die Lebensmitteldefinition des § 1 I LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) mit folgendem Wortlaut:

Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Diese Definitionsvorschrift musste aber bereits seit 21.2.2002 wegen des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts unangewendet bleiben. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft getreten nach Artikel 65 am 21.2.2002, ist nach Artikel 65 der Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Einer Umsetzung bedurfte es mithin nicht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang.

Vgl. mit näherer Begründung sowohl aus dem Gemeinschaftsrecht als auch aus dem deutschen Recht mit Blick auf Artikel 23 GG Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnrn. 27 bis 29.

Für die Lebensmitteldefinition ist mithin auszugehen von der Gesamtdefinition (positive und negative Abgrenzung) nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 – im Folgenden Lebensmittelverordnung -, die insoweit nicht abgeändert worden ist durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1642/2003 vom 22.7.2003. Die europäische Lebensmitteldefinition enthält in Artikel 2 I eine Positivdefinition und in Artikel 2 III eine Negativdefinition, auf die nacheinander einzugehen ist. Die Positivdefinition in Artikel 2 I Lebensmittelverordnung lautet:

Im Sinne dieser Verordnung sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, stellt die europäische Definition nicht mehr wie die deutsche Definition ausdrücklich auf den Ernährungs- oder Genusszweck ab. Sie ist von dem europäischen Verordnungsgeber bewusst weit gefasst. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Erwägungsgrund 11 der Lebensmittelverordnung, wonach die Definition für ein hinreichend umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit weit gefasst werden müsse.

Das Produkt der Klägerin fällt nach der Auffassung des Senats bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung unter die weite europäische Positivdefinition eines Lebensmittels. Normativ vorausgesetzt sind zunächst einmal „Stoffe“. Das Produkt der Klägerin enthält ausweislich der in Fotokopie vorgelegten Faltschachtel sowohl nach dem jetzigen Stand von 2005 als auch dem von 2002 als einzigen Inhaltsstoff 400 mg indischen Weihrauchtrockenextrakt pro Tablette. Weiterhin ist der Stoff dazu bestimmt, in verarbeitetem Zustand – als Trockenextrakt und mit den Bindemitteln einer Tablette – von Menschen aufgenommen zu werden. Dies ist der Fall, denn nach der Verzehrempfehlung soll täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehrt werden. Zugunsten der Klägerin ist damit die weite europäische Positivdefinition der Lebensmittel erfüllt.

Weiter geht der Senat noch mit Blick auf den Zeitabschnitt Januar/Februar 2002 auf den Streit der Beteiligten um die engere deutsche Positivdefinition ein, die nach § 1 I des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes – LMBG – vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) noch zusätzlich einen Ernährungs- oder Genusszweck verlangt. Die Klägerin hat den Genusszweck einleuchtend mit drei Gutachten begründet, wonach Weihrauch seit Jahrtausenden verwendet wird, einen bitterlichen, eigenartigen Geschmack hat, sich für Gewürzzwecke eignet und ein gesundes, natürliches Gewürz darstellt.

Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001, Behördenakte Bl. 50, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 4; ebenso das Erstgutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 10.1.2001, Behördenakte Blatt 3, im Folgenden zitiert als Gutachten Reuss, dort S. 1 zu Aromaeffekten und S. 3 zur Gewürzfunktion, sowie eingehender zu Genusszweck und ernährungsspezifischer Wirkung das weitere Gutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, im Folgenden zitiert als Zusatzgutachten Reuss.

Der Beklagte hat dem in einer relativ engen Betrachtungsweise entgegengehalten, der Weihrauch werde nach der Anwendungsvorschrift nicht als Gewürz gestreut und erfülle insofern nicht den Lebensmittelbegriff. Das überzeugt nicht, denn die deutsche Lebensmitteldefinition stellt in § 1 I LMBG auf den Verzehr selbst und nicht auf besondere Formen des Verzehrs wie etwa die Anwendung von Gewürzen nur als Streumittel ab. In der Kommentierung zur deutschen Lebensmitteldefinition ist anerkannt, dass Stoffe, die einen spezifischen Geruchs- oder Geschmackswert aufweisen wie Gewürze oder Aromastoffe, jedenfalls dem Lebensmittelbegriff unterliegen.

Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 42, zum bisherigen deutschen Recht.

Mithin liegt nachweislich ein Aromastoff vor, der auch nach der engeren deutschen Positivdefinition als Lebensmittel anzusehen ist. Für die weitere europäische Positivdefinition genügt wie bereits dargelegt bereits die Bestimmung zur Aufnahme durch Menschen. Genussmittel und Aromastoffe sind von der europäischen Definition ohne Weiteres umfasst, was sich zusätzlich noch durch die besondere Bestimmung des Artikel 2 II Lebensmittelverordnung ergibt, wonach Kaugummi – und damit ein Genussmittel - ausdrücklich zu den Lebensmitteln gerechnet wird.

Vgl. zur deutschen Lebensmitteldefinition Zipfel/Rathke § 1 LMBG Rdnr. 31, wonach Kaugummi wegen des Genusszwecks ein Lebensmittel darstellt.

Nach allem erfüllt das Produkt der Klägerin nach der Auffassung des Senats die europäische Positivdefinition eines Lebensmittels, die bereits seit 21.2.2002 gilt, und zuvor (25.1.-20.2.2002) die deutsche Positivdefinition.

Rein vorsorglich geht der Senat noch auf den Streit der Beteiligten um die derzeitige europäische Zusatzeinstufung als Nahrungsergänzungsmittel ein. Bereits die dosierte Abgabe des Produkts in Tablettenform spricht dafür, dass zusätzlich zu der allgemeinen Lebensmitteldefinition derzeit auch die Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels erfüllt ist. Nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG vom 10.6.2002 lautet die europäische Positivdefinition wie folgt:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d.h. in Form von z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen (es folgen weitere Darreichungsformen).

Damit ist im Jahr 2002 erstmals eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Nahrungsergänzungsmittel erfolgt. Die deutsche Umsetzung ist durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24.5.2004 mit Wirkung vom 28.5.2004 erfolgt, die in § 1 eine inhaltsgleiche Definition enthält. Der EuGH hat die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie nach dem zutreffenden Hinweis der Klägerin dahingehend gewürdigt, dass sie eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften für die dort definierten Nahrungsergänzungsmittel vornimmt.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 70.

Nahrungsergänzungsmittel müssen sowohl nach der europäischen Definition als nach der umgesetzten inhaltsgleichen deutschen Definition zunächst einmal Lebensmittel sein. Insofern ist nach den bisherigen Darlegungen des Senats – allein – die positive Lebensmitteldefinition erfüllt. Weiter kommt es auf den Nahrungsergänzungszweck an. Darauf weist die Faltschachtel des Produkts der Klägerin ausdrücklich hin; insofern bestehen keine Bedenken. Die Frage, ob Weihrauch ein Nährstoff oder ein sonstiger Stoff ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ein Nährstoff liegt zwar nicht vor, da das Produkt keine der nach Artikel 4 I in Verbindung mit Anhang I der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe enthält und dies in gleicher Weise für das umgesetzte Recht nach § 3 I und Anlage 1 der deutschen Nahrungsmittelergänzungsverordnung gilt. Mit sonstigen Stoffen ist nach dem Erwägungsgrund 6 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie eine breite Palette von Stoffen gemeint, die auch Kräuterextrakte einschließt und damit erkennbar auch Aromastoffe. Ein Aromastoff liegt wie dargelegt vor.

Weiterhin müssen nach der Definition die sonstigen Stoffe eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung haben. Mit dem Ausdruck physiologisch sind sprachlich die Lebensvorgänge im Organismus gemeint.

Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Auflage 2001, Stichwort Physiologie; ebenso im Sinne der Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Demgegenüber bezieht sich die ernährungsspezifische Wirkung speziell auf die Lebensvorgänge bei der Ernährung. Dazu mag die von der Klägerin aufgestellte Behauptung der Auswirkungen etwa auf den Cholesterin-Haushalt gehören. Entscheidungserheblich ist das nicht. Ernährungsspezifische Bedeutung kann bereits ein Stoff mit bitterem Geschmack – wie hier - haben.

Vgl. Zipfel/Rathke, § 1 LMBG Rdnr. 37, dort im Zusammenhang mit der Verwendung von bitterem Chinin aus ernährungsphysiologischen Gründen.

Die Klägerin hat nunmehr mit der Vorlage des Zusatzgutachtens Reuss einleuchtend nachgewiesen, dass Weihrauchextrakt aus ernährungsspezifischer Sicht die Lebensmittel bekömmlicher macht und die Freisetzung von Verdauungssekreten vorbereitet.

Zusatzgutachten Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 97.

Mindestens liegt aber als physiologische Wirkung die Geschmackswirkung eines Aromastoffs vor. Das genügt der Richtlinie.

Weiter muss nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie und § 1 I Nr. 3 der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung ein Produkt in dosierter Form, insbesondere in Form von Tabletten vorliegen. Dies trifft auf das Produkt der Klägerin zu.

Nach dem vom Senat gefundenen Zwischenergebnis erfüllt das streitige Produkt der Klägerin entgegen der Meinung des Beklagten von Anfang an und auch jetzt die europäische und deutsche Positivdefinition eines Lebensmittels und die europäische Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels seit Erlass der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie.

Nach der Positivdefinition ist die Negativdefinition zu beachten.

Die als Verordnung unmittelbar verbindliche europäische Lebensmittelverordnung enthält neben der positiven Definition der Lebensmittel in Artikel 2 Abs. 3 auch eine Negativdefinition. Artikel 2 Abs. 3 lit. d lautete:

Nicht zu „Lebensmitteln“ gehören: Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG (21) und 92/73/EWG (22) des Rates.

Durch Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG vom 6.11.2001 sind alle Bezugnahmen auf die bereits aufgehobenen älteren Arzneimittelrichtlinien durch die Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie ersetzt. Nicht zu den Lebensmitteln gehören mithin nach der Norm seit 2001 Arzneimittel im Sinne der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG.

Wesentlich ist für die weitere Subsumtion, dass die Negativdefinition allein auf Gemeinschaftsrecht verweist, die Umsetzung des Arzneimittelbegriffs aus den Richtlinien in nationales Recht mithin nach der Verordnung für die Negativabgrenzung außer Betracht bleiben muss.

Die dargelegte europäische Negativabgrenzung zu einem Arzneimittel ist systemgleich für Lebensmittel im Allgemeinen und für die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin meint zwar (Schriftsatz vom 6.10.2005), die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel sei wegen der besonderen Harmonisierung anders zu beurteilen als die übrigen Lebensmittel und bezieht dies möglicherweise auch auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln. Die Abgrenzung ist aber für Lebensmittel im Allgemeinen und Nahrungsergänzungsmittel systemgleich. Dies ergibt sich sowohl aus dem Normvergleich als auch der Rechtsprechung des EuGH. Die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG führt die Negativabgrenzung in Artikel 1 II wie folgt durch:

Diese Richtlinie gilt nicht für Arzneimittel, die in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel definiert sind.

Eine „synchrone“ Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und allgemeinen Lebensmitteln einerseits gegenüber Arzneimitteln andererseits wird vom Richtliniengeber zusätzlich dadurch erreicht, dass er in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich als Lebensmittel mit näher gekennzeichneten Eigenschaften definiert, mithin bereits die Lebensmitteldefinition in Artikel 2 der europäischen Lebensmittelverordnung erfüllt sein muss.

Die normativ angelegte synchrone Abgrenzung wird auch deutlich in dem Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005. In dem Vorabentscheidungsverfahren ging es in dem Ausgangsverfahren des OVG Münster um Produkte, die von den Niederlanden nach Deutschland eingeführt und dort als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden sollten (Lactobact-Urteil Rz. 20). Der EuGH hat in diesem Urteil (Rz. 41 und 42) die beiden Abgrenzungsregelungen in Artikel 2 Abs. 3 Buchstabe d der Lebensmittelverordnung und Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsrichtlinie synchron behandelt und als inhaltsgleich angesehen. Für die weitere gemeinschaftsrechtliche Prüfung kommt es ohne Differenzierung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mithin nur darauf an, ob das Produkt der Klägerin gleichzeitig ein Arzneimittel nach dem europäischen Arzneimittelbegriff ist.

Der Senat prüft nunmehr das Vorliegen eines Arzneimittels. Maßgebend ist dafür das Gemeinschaftsrecht.

Normativ war der europäische Arzneimittelbegriff von vornherein (seit 1965) doppelt angelegt und ist es auch jetzt. Arzneimittel sind sowohl Präsentationsarzneimittel als auch Funktionsarzneimittel.

Vgl. für die ursprüngliche Rechtslage Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965; sodann Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001; nunmehr in der geänderten Fassung von Artikel 1 der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.10.2005.

Die beiden Arzneimitteldefinitionen sollen sich nach der Rechtsprechung des EuGH ergänzen.

Urteil des EuGH Upjohn vom 16.4.1991 – C 112/89 -, Rz. 15 bis 18.

Mit der Definition des Präsentationsarzneimittels, das lediglich als Arzneimittel bezeichnet ist, sollen nicht nur Arzneimittel erfasst werden, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind. Die zweite Definition der Funktionsarzneimittel betrifft Erzeugnisse, die zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt sind und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben können. Durch die zweite Definition sollen auch Stoffe erfasst werden, die Heilungswirkung haben, aber nicht als Arzneimittel bezeichnet werden. Auf die formelle Zulassung kommt es nach beiden Definitionen nicht an.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Produkt der Klägerin kein Präsentationsarzneimittel ist. Bereits auf der im Jahr 2002 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie VG-Akte Bl. 93) wird das Mittel als Nahrungsergänzung bezeichnet mit einer Verzehrempfehlung. Auf der neuen 2005 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 51) wird das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet und sie enthält den Hinweis, es sei kein vollständiges Lebensmittel und daher nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet. Wesentlich für die Subsumtion ist noch, dass die Faltschachtel keinerlei Hinweis auf pharmazeutische Forschung enthält oder auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Zeugnisse bestimmter Ärzte zugunsten der Eigenschaften des Produkts.

Zu diesen Kriterien eines Präsentationsarzneimittels vgl. das Delattre-Urteil des EuGH vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 41.

Auch der Beklagte meint, die Klägerin habe eine Präsentation als Arzneimittel vermieden. Mithin ist der Ausschluss eines Präsentationsarzneimittels übereinstimmend mit der Meinung der Beteiligten unproblematisch.

Schwieriger ist die Streitfrage zwischen den Beteiligten zu entscheiden, ob inhaltlich ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Die Klägerin verneint dies für die maßgebende Tagesdosis von 400 mg Weihrauch, der Beklagte bejaht die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel. Beide haben dafür wissenschaftliche Unterlagen und Gutachten vorgelegt.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Inhaltsstoff Weihrauch unstreitig weder in der EG noch in einem Staat der EG über eine Marktgenehmigung als Arzneimittel verfügt und damit auch nicht im Ausfuhrland Österreich (vgl. insbesondere Schriftsatz der Klägerin vom 6.10.2005, S. 4/5, Gerichtsakte 3 R 7/05, Bl. 49/50). Die fehlende Zulassung steht aber der Einstufung als Funktionsarzneimittel von vornherein nicht entgegen, denn nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Funktionsarzneimittel nicht als Arzneimittel bezeichnet sein.

EuGH im Upjohn-Urteil vom 16.4.1991, Rz. 18.

Da sie in einer solchen Aufmachung nicht zugelassen werden könnten, ist die Zulassung schon deshalb kein Definitionselement des Funktionsarzneimittels.

Zum begrifflichen Verständnis des europäischen Funktionsarzneimittels geht der Senat auf die Normentwicklung ein.

Die ursprüngliche Definition in Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965 lautete:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden.

Innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des streitigen Untersagungsbescheides vom 23.1.2002 galt zunächst die Arzneimitteldefinition nach Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 in der ursprünglichen Fassung mit folgendem Wortlaut:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

Dem entspricht im Übrigen die ab 2002 geltende Umsetzung in § 2 I Nr. 5 AMG in der Fassung vom 20.6.2002 (BGBl. I. S. 2076) mit folgendem Wortlaut:

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Nunmehr wird das europäische Funktionsarzneimittel nach Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b der Humanarzneimittelrichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 wie folgt definiert:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Die letztgenannte aktuelle Definition des Funktionsarzneimittels erschließt sich wegen der zahlreichen medizinischen Fachausdrücke auch bei Hinzuziehung von Fachlexika nicht ohne weiteres, wird aber durch die dargelegte Normgeschichte und die insbesondere noch darzulegende Rechtsprechung des EuGH insgesamt verständlicher. Die Definition soll zunächst wissenschaftsbezogen und alsdann an Hand der Rechtsprechung des EuGH verständlich gemacht werden.

Nach der aktuellen Definition muss ein Funktionsarzneimittel physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Das Wort Physiologie bezeichnet die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen.

Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Physiologie; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Bei der Physiologie geht es wissenschaftsbezogen insbesondere um die physikalischen Funktionen des Organismus.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Physiologie.

Die bereits zitierte ursprüngliche Definition in der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG hatte dafür den allgemein verständlichen Ausdruck Körperfunktionen verwendet, der die Bedeutung auch in der aktuellen Fassung zutreffend wiedergibt. Auch der EuGH verwendet in einem neueren Urteil von 2004 noch den Ausdruck Körperfunktionen mit Blick auf Funktionsarzneimittel.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Nach der neuesten Definitionsfassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG wird die Art der Beeinflussung noch präzisiert. Es muss sich um eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung handeln. Bei der Immunologie geht es um die Erkennungs- und Abwehrmechanismen des Organismus gegenüber körperfremden Substanzen und metabolisch bedeutet den Stoffwechsel betreffend.

Beide Definitionen aus Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwörter Immunologie und metabolisch.

Fallbezogen von Bedeutung ist nur die pharmakologische Wirkung eines Stoffes. Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen einschließlich dem Untergebiet Toxikologie.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakologie.

Die Pharmakologie betrifft ambivalent sowohl die Heilwirkung als auch die Giftwirkung eines Stoffes. Auch die Klägerin bezieht in ihrem Schriftsatz vom 6.12.2005 die toxische Dosierung in die pharmakologische Wirkung ein. Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutet ein Pharmakon einen körperfremden oder körpereigenen Stoff, der nach Aufnahme im Körper oder an dessen Oberfläche erwünschte oder schädliche Wirkungen hervorruft.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Aus der Sicht der Pharmakologie wirken viele Pharmaka dosisabhängig entweder als Arzneimittel oder als Gift.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Quantitativ wird das in der Dosis-Wirkungs-Kurve erfasst.

Hunnius, Stichwort Dosis-Wirkungs-Kurve.

Bei diesem wissenschaftlichen Verständnis umfasst das Funktionsarzneimittel mit seiner pharmakologischen Wirkung nicht nur den Bereich einer positiven, therapeutischen Beeinflussung der Körperfunktionen, sondern auch den Bereich einer negativen, schädlichen Beeinflussung der Körperfunktionen. Kurz gesagt umfasst ein Funktionsarzneimittel positive und negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das dargelegte wissenschaftsbezogene Verständnis der Definition entspricht auch dem praktischen Verständnis der europäischen Definition nach der Rechtsprechung des EuGH.

Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58, eine allgemein verständliche Definition des europäischen Funktionsarzneimittels gegeben:

Für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion müssen sich die Behörden daher vergewissern, dass es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

Aus demselben Urteil des EuGH vom 29.4.2004 ergibt sich auch, dass er die Auswirkungen auf die Gesundheit ambivalent, als sowohl positiv als auch negativ versteht, da er im Rz. 56 die positive Wirkung der Vitamine zu therapeutischen Zwecken und in Rz. 60 die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Gesundheit einschließlich etwaiger Schädlichkeitsgrade anspricht.

Die ambivalenten heilenden oder schädigenden Gesundheitswirkungen machen wie dargelegt die Besonderheit eines Pharmakons aus. Auf der Normebene hat erst die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG die pharmakologische Wirkung ausdrücklich in die Definition des Funktionsarzneimittels aufgenommen. Damit hat der Richtliniengeber aber kein Neuland betreten, sondern die bisherige Rechtsprechung des EuGH übernommen, der in ständiger Rechtsprechung auf die pharmakologischen Eigenschaften des abzugrenzenden Produkts abstellt.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate Rz. 62; Upjohn Urteil vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 23, 24; Delattre-Urteile vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 26.

Die pharmakologischen Eigenschaften des Produkts werden damit als wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung betrachtet. In der Rechtsprechung des EuGH drücken die pharmakologischen Eigenschaften zusammenfassend das aus, was mit der Beeinflussung der Körperfunktionen und somit Auswirkungen auf die Gesundheit konkreter umrissen ist. Deutlich wird der Zusammenhang insbesondere in dem Urteil Upjohn vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 17-24, in dem zunächst die Beeinflussung der Körperfunktionen mit Auswirkungen auf die Gesundheit dargelegt wird (Rz. 17), im Folgenden die Beeinflussung der Körperfunktionen näher erläutert wird (Rz. 19-22) und im unmittelbaren Anschluss daran (Rz. 23 und 24) zusammenfassend entschieden wird, dass das nationale Gericht auf die pharmakologischen Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses abstellen muss.

Übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung definiert der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 52, den Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften wirkungsbezogen wie folgt:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörden ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Die dargelegte Definition der pharmakologischen Eigenschaften klingt etwas kompliziert, fasst aber nur die bisherige Rechtsprechung zusammen, wonach der Begriff der pharmakologischen Eigenschaften konkret die Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen (Körperfunktionen) bedeutet. Die pharmakologischen Eigenschaften entsprechen also den pharmakologischen Wirkungen im Sinne des neuen Rechts.

Nach dem dargelegten Gesamtzusammenhang ist der bisherige Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften von dem Richtliniengeber in der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG in Form einer pharmakologischen Wirkung in den Normtext aufgenommen worden. Die im Jahr 2004 geänderte Definition des Funktionsarzneimittels führt mithin nicht zu einer substanziellen Rechtsänderung.

In der Substanz der europäischen Arzneimitteldefinition geht es nach wie vor darum, ob ein Produkt zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Klar zu unterscheiden von der Auslegung der europäischen Normen, die der EuGH vorgenommen hat, ist die Rechtsanwendung. Im Lactobactfall des EuGH zielte die Vorlagefrage 1 a des OVG Münster, vgl. in der Wiedergabe des EuGH Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 25, unmittelbar auf die Feststellung, ob das Produkt Lactobact Lebensmittel oder Arzneimittel ist mit gegebenenfalls Verbindlichkeit für alle Mitgliedstaaten. Der EuGH hat in dem Lactobact-Urteil (Rz. 96) mit Blick auf die klare Aufgabentrennung zwischen nationalen Gerichten und Gerichtshof klargestellt, dass er im Vorlageverfahren nicht befugt ist über den Sachverhalt zu entscheiden und dass es vielmehr Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Einstufung selbst vorzunehmen (Rz. 97). Ungeachtet dessen hat der EuGH in dem Lactobact-Urteil sowie schon zuvor Rechtsanwendungshinweise gegeben, die sich im Sinne einer Vollständigkeitsanforderung zusammenfassen lassen. Bei der Beurteilung eines Erzeugnisses müssen die Behörden (Lactobact-Urteil Rz. 51), alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, berücksichtigen.

Zur Klarstellung weist der Senat aber darauf hin, dass die Berücksichtigung sämtlicher Merkmale nicht deren Gleichrangigkeit bedeutet. Während die Wirkungen des Produkts auf die Körperfunktionen und damit die Gesundheitsauswirkungen als pharmakologische Eigenschaften schon definitionsgemäß wesentliche Bedeutung haben, hat der EuGH im Lauf seiner Rechtsprechung die Bedeutung der anderen Merkmale zu Hilfsmerkmalen herabgestuft. So hat er entschieden, dass etwa die äußere Form des Produkts kein allein ausschlaggebendes Indiz ist und die Modalitäten des Gebrauchs ein nicht an sich ausschlaggebender Umstand sind.

Vgl. zum Ersteren Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 38 und zum Letzteren Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Weiterhin hat eine unterschiedliche Verbreitung und Verbraucherbekanntheit des Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten keine unmittelbar ausschlaggebende Wirkung, da der EuGH die unterschiedliche Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten als rechtlich zulässig betrachtet.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

Nach der BGH-Rechtsprechung haben für die Produkteinstufung nach dem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff Werbeangaben in Zeitschriften verglichen mit den pharmakologischen Wirkungen keine ausschlaggebende Bedeutung.

BGH, Urteil vom 11.7.2002 – I ZR 273/99 -, Juris-Ausdruck Rz. 23.

Der BGH gewichtet die pharmakologische Wirkung der Präparate deutlich stärker als die Verbraucherkenntnisse aus den Medien, was auch dem Sinn der EuGH-Rechtsprechung entspricht. Der EuGH schließt nicht aus, dass ein Produkt im Verkehr im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, aber dennoch ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Rechts ist.

EuGH, Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21.

Die allgemeine Verkehrsauffassung ist also nicht ausschlaggebend.

Damit sind die Grundlagen der Einstufung eines Produkts als europäisches Funktionsarzneimittel geklärt.

Auf der dargelegten Grundlage bedarf es einer konkreten Prüfung, ob das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts ist.

Der Senat nimmt diese Prüfung von Amts wegen vor, worauf die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind. Dabei sind die von den Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten gleichrangig heranzuziehen.

Nach der vom EuGH geforderten Berücksichtigung aller Merkmale des Produkts ist zunächst die Zusammensetzung zu betrachten. Ausweislich der fotokopierten Faltschachteln von 2002 und 2005 (VG-Akte Bl. 93/94 und OVG-Akte 3 R 7/05 Bl. 51) besteht das Mittel abgesehen von hier nicht interessierenden Tablettenhilfsstoffen nur aus einem Inhaltsstoff, nämlich indischem Weihrauchtrockenextrakt von 400 mg pro Tablette; die Verzehrempfehlung lautet:

Täglich 1 Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehren.

Die neue Faltschachtel von 2005 enthält zusätzlich den Hinweis, dass die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht überschritten werden soll. Aus der Verzehrempfehlung ergibt sich zugleich, dass der Inhaltsstoff im menschlichen Körper verwendet werden soll.

Sodann sind im Sinne des EuGH Prüfungsschwerpunkt die pharmakologischen Eigenschaften des Inhaltsstoffs Weihrauch. Es kommt darauf an, ob Weihrauchextrakt physiologische Funktionen beeinflusst, und zwar durch eine pharmakologische Wirkung. Wie bereits dargelegt bedeutet die Prüfung einfacher ausgedrückt, ob Weihrauchextrakt Körperfunktionen beeinflusst mit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten zum Wirkstoff Weihrauch handelte es sich ursprünglich um ein traditionelles Mittel in Indien.

Vgl. umfassend die auf Anregung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) durchgeführte Veröffentlichung von Privatdozent Safayhi und Prof. Dr. Ammon, Pharmakologische Aspekte von Weihrauch und Boswelliasäuren, im Folgenden zitiert als Safayhi/Ammon, in: Sonderdruck der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 39, 142. Jahrgang 1997, S. 1 ff., dort S. 1 und S. 2; weiter Ammon Kurzbericht, Salai-Guggal – (Indischer Weihrauch), Gummiharz aus Boswellia serrata, in: Deutsches Ärzteblatt 95, Januar 1998, S. A-30 ff, im folgenden zitiert als Kurzbericht Ammon, dort S. A-30; zur traditionellen therapeutischen Verwendung in Asien und zur Herstellung des Therapeutikums in Indien; vgl. das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001 zur pharmakologischen Wirkung von Weihrauch, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 2.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die Zuordnung eines Produkts zur traditionellen Ayurveda-Medizin ganzheitlich auch im Sinne einer gesunden Lebensweise mit geeigneten Lebensmitteln zu verstehen sein kann und für sich genommen nicht eine pharmakologische Wirkung nach modernen Wissenschaftsmaßstäben indiziert, vgl. zum ganzheitlichen Konzept der Ayurveda (Wissen vom Leben) Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Ayurveda.

Die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch wurden indes in jüngster Zeit wissenschaftlich erforscht, und zwar in Untersuchungen ab 1986.

Gutachten Bertram, S. 1, und Jahreszahl bei Safayhi/Ammon, S. 2.

Das Hauptergebnis der bisherigen Forschung liegt nach der Angabe von Fachlexika sowie nach den von beiden Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten darin, dass Weihrauchextrakt mit seinem Gehalt an Boswelliasäuren Entzündungsprozesse beeinflusst.

Safayhi/Ammon, mit ausführlicher Darlegung der Entzündungsmodelle, S. 2 – S. 5; Kurzbericht Ammon, S. A-30; Gutachten Bertram, S. 2, wobei die Bezeichnung antiphlogistische Wirkungen entzündungshemmende Wirkungen bedeutet; Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003, Stichwort Boswellia serrata, mit Hinweis auf die nachgewiesene Wirkung bei den Entzündungskrankheiten Colitis ulcerosa und Enteritis regionalis (Crohn-Krankheit) sowie unterstützend bei Polyarthritis; zurückhaltender im Sinne zugeschriebener Wirkungen bei Entzündungskrankheiten Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, Stichwort Boswellia serata unter Weiterverweisung auf das Stichwort Boswellia bhaw-dajiana; zurückhaltend ebenfalls das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss, S. 1, wonach Weihrauch nach vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen eine arzneiliche Wirkung haben soll und es (S. 2) für entzündliche Erkrankungen einen therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich gibt, positiv Bertsche/Schulz, Kurzbewertung, 2002, Berufungsakte 3 R 7/05 Bl. 71 R.; ebenso Gupta u.a., 2001, Zusammenfassung einer Forschungsarbeit zur Colitis, Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 75.

Die bei chronischen Entzündungen ablaufenden soweit hier einschlägigen Körperprozesse sind bei Safayhi/Ammon S. 2 und 3, als Kausalketten im Sinne eines Entzündungsmodells zusammengefasst. Danach ist die 5 – Lipoxygenase das Schlüsselenzym der Leukotrienbiosynthese. Die Produkte der 5 – Lipoxygenase, die Leukotriene, sind hochwirksame Mediatoren (Förderer) chronischer Entzündungen. Pharmazeutisch gesucht zur Entzündungsbekämpfung werden mithin Inhibitoren (Hemmstoffe), die bereits das Schlüsselenzym, die 5 – Lipoxygenase, hemmen. Solche Hemmstoffe sind zwar in der Forschung bekannt, haben aber regelmäßig reduzierende oder oxidierende Eigenschaften und wirken sich deshalb toxisch aus. Pharmazeutisch gesucht werden deshalb Inhibitoren der chronischen Entzündungen mit besserer Verträglichkeit. Die Boswelliasäuren – chemisch Triterpene - als Inhaltsstoffe des Weihrauchs erweisen sich nach den Forschungsergebnissen als nicht reduzierende oder oxidierende und insofern einmalige Hemmstoffe der Leukotriensynthese und damit chronischer Entzündungen (Safayhi/Ammon S. 4 mit einem Diagramm). Der bei Safayhi/Ammon eingehend dargelegte Wirkungsmechanismus der Leukotrienhemmung wird in anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und im Gutachten Bertram der Klägerin kurz dargestellt oder erwähnt.

Kurzbericht Ammon, a.a.O., S. A-31; Kurzbewertung Bertsche/Schulz, S. 1; das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Bertram, S. 2/3; zurückhaltend Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Boswellia serrata unter Weiterverweisung auf Boswellya bhaw-dajiana, positiv Bertsche/Schulz, S. 1; Gupta u.a., Zusammenfassung S. 1.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Boswelliasäuren, allerdings in wesentlich höheren Konzentrationen, auch zur Behandlung von Hirnödemen bei Tumoren eingesetzt werden.

Safayhi/Ammon, S. 7, dort zu einer täglichen Dosis von 3600 mg, Bertsche/Schulz, S. 2: mindestens 3600 mg.

Begrenzt auf die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren und damit auf diesen hoch dosierten Anwendungsbereich ist der vorgelegte Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 (Berufungsakte Bl. 69 R) ergangen, der Weihrauchextrakt als potenzielles Arzneimittel für diese seltene Krankheit ausweist; auf die Rechtswirkung dieses Bescheides ist noch einzugehen.

Vorliegend ist wesentlich, dass Weihrauchextrakt abgesehen von diesem seltenen Anwendungsbereich ganz allgemein Entzündungen beeinflusst.

Der dargelegte Wirkungsmechanismus bei Entzündungen bedeutet im Sinne der Definition des EuGH, dass die Körperfunktionen beeinflusst werden, und zwar mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Chronische Entzündungen werden mit positiver Gesundheitswirkung gehemmt. Bei dem Eingriff in die bei Entzündungen ablaufenden Körperprozesse handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung hier im Sinne einer positiven therapeutischen Einwirkung. Eine pharmakologische Wirkung von Weihrauch wird in der Veröffentlichung von Safayhi/Ammon (S. 8) ausdrücklich bejaht. Auch das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram gibt an, dass die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch erst in jüngster Zeit systematisch beforscht wurden (S. 1), weist auf antientzündliche Wirkungen hin und gibt dazu den wahrscheinlichen Wirkmechanismus an (S. 2).

Damit ist aber nach den vorliegenden Forschungsergebnissen die Wirkung von Weihrauchextrakt auf Entzündungsprozesse noch nicht erschöpft. Weihrauchextrakt kann auch den umgekehrten Effekt haben, dass er – nunmehr in niedriger Konzentration – Entzündungsprozesse fördert. Die pharmakologische Wirkung soll vom Sinn her - dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers - die ambivalenten Gesundheitswirkungen insgesamt erfassen. Insofern greift die Argumentation der Klägerin zu kurz, die negative Gesundheitsauswirkungen nur bei Überdosierung, nicht bei Unterdosierung in den Blick nimmt. Ergeben wie hier beim Weihrauchextrakt Forschungsergebnisse eine negative Gesundheitsauswirkung ausnahmsweise bei Unterdosierung, muss sie zum Gesundheitsschutz auch rechtlich als pharmakologische Wirkung beachtet werden.

Das „Umkippen“ der Wirkung erklärt sich aus der chemischen Vielfalt von Weihrauchextrakt. Es gibt keinen einheitlichen Wirkstoff Boswelliasäure, sondern unterschiedliche Boswelliasäuren mit unterschiedlichen pharmazeutischen Wirkungen.

Bertsche/Schulz, S. 1; konkreter zu den unterschiedlichen Boswelliasäuren und ihren Wirkungen vgl. bei Safayhi/Ammon, S. 4, die Tabelle 1; zum Gehalt von indischem Weihrauch an pentazyklischen (fünfringigen) Triterpensäuren und tetrazyklischen (vierringigen) Triterpensäuren Gutachten Bertram, S. 2.

Wesentlich ist das Zusammenwirken der Inhaltsstoffe, die auch antagonistisch (im Sinne der Gegenwirkung) wirken können.

Safayhi/Ammon S. 5 und S. 8, Bertsche/Schulz, S. 1.

Eine hinreichend starke Gegenwirkung bedeutet konkret, dass Weihrauchextrakt dann die Leukotriensynthese und damit den chronischen Entzündungsprozess verstärkt. Gerade für einen solchen Umkehreffekt liegen Forschungsergebnisse vor.

Schlusswort Ammon als Ergänzung des Kurzberichts in: Deutsches Ärzteblatt 95, Oktober 1998, S. A-2482, im Folgenden zitiert als Schlusswort Ammon; ebenso als Forschungsergebnis berücksichtigt in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 3; Bertsche/Schulz, S. 1.

Verantwortlich gemacht für den Umkehreffekt werden die Tirucallsäuren.

So als positive Feststellung Bertsche/Schulz, S. 1; als Möglichkeit Gutachten Bertram, S. 3.

Konsequenterweise sehen Bertsche/Schulz die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als pharmakologisch wirksame Substanzen an.

Bertsche/Schulz, S. 1.

Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung.

In dem zitierten Schlusswort von Ammon (S. A-2482) wird nochmals hervorgehoben, dass Weihrauchextrakte nicht eine einzelne Wirksubstanz enthalten, sondern ein Gemisch von Wirksubstanzen mit nicht einheitlichem Wirkungsmechanismus. Sodann ist ausgeführt, dass die richtige Dosierung eine wesentliche Rolle spielt. Das räumt auch die Klägerin ein. Danach heißt es wörtlich:

Bei niedriger Dosierung eines Extraktes kann es sogar zu einer Stimulierung der Leukotriensynthese kommen.

Wie bereits dargelegt bedeutet die Stimulierung der Leukotriensynthese auch eine Verstärkung der chronischen Entzündungsprozesse und damit eine pharmakologisch negative Wirkung. Das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram, S. 3, bestätigt dieses Forschungsergebnis, dass in niedriger Dosierung die Bildung von 5 – Lipoxygenaseprodukten erhöht sein kann und fügt hinzu, diesem Befund müsse weiter nachgegangen werden. Die im Gutachten Bertram genannten 5 – Lipoxygenaseprodukte sind gerade die Leukotriene und fördern als Mediatoren chronische Entzündungen.

Ausführlich zu der gesamten Kausalkette Safayhi/Ammon, S. 3, und kurz zusammengefasst Gutachten Bertram, S. 2.

Das einleuchtend mit der antagonistischen Wirkung und damit mit der Wirkung einzelner Wirkstoffe des Stoffgemischs Weihrauch – Tirucallsäuren - erklärte Forschungsergebnis muss bei den pharmakologischen Wirkungen von Weihrauch beachtet werden.

Die vom Senat aus Verständnisgründen zunächst nur qualitativ dargelegte pharmakologische Wirkung bedarf mit Blick darauf, dass das Produkt der Klägerin eine Tagesdosis von 400 mg Weihrauch in Form einer Tablette empfiehlt, nun auch einer quantitativen Darlegung. Von dieser empfohlenen Menge – die nach der neuen Packungsangabe auch nicht überschritten werden soll – ist vernünftigerweise auszugehen. Die von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in seiner Stellungnahme vom 29.9.2005 erwähnte Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme würde im Grunde jede Dosierungsvorschrift bei anerkannten Arzneimitteln entwerten und überzeugt schon deshalb nicht. Die Kritik der Klägerin an dieser Stellungnahme trifft zu.

Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen ist das quantitative Spektrum pharmakologischer Wirkungen (positiv und negativ) des Weihrauchs relativ weit. Nach übereinstimmenden Feststellungen von Safayhi/Ammon, S. 7, und dem Bertramgutachten, S. 3, werden insbesondere Tumorpatienten mit der hohen Tagesdosis von 3600 mg Weihrauch-Trockenextrakt in wissenschaftlichen Studien behandelt. In diesem hoch dosierten Bereich ist auch der positive Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 zur Ausweisung als Forschungsarzneimittel ergangen. Die Grenze guter Verträglichkeit von Weihrauchextrakt liegt in der Regel bei 1200 mg pro Tag, während hohe Dosen von 3600 mg pro Tag zu Nebenwirkungen führen können.

Safayhi/Ammon, S. 7, zu relativ seltenen Nebenwirkungen Bertsche/Schulz, S. 2.

Für die im vorliegenden Rechtsstreit erhebliche Hauptwirkung von Weihrauch, die antientzündliche Wirkung, wird nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Veröffentlichungen und Gutachten eine Tagesdosis von ungefähr 800 bis 1600 mg verabreicht.

So Gutachten Reuss vom 10.1.2001, S. 2, mit Blick auf die publizierten Studien; ähnlich Safayhi/Ammon mit der Tagesdosis von 800 bis 2000 mg in einer Pilotstudie (S. 5) und der Verabreichung von 1050 mg bei Colitis ulcerosa (S. 7); das Gutachten Bertram kommt allerdings unter Einschluss der sehr hohen Dosierungen bei Tumorpatienten (S. 3) zu einer höheren pharmakologischen Dosis zwischen insgesamt 900 und 3600 mg am Tag (S. 4); Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.9.2005: ab 900 mg; Bertsche/Schulz, S. 1 und 2: 900 mg bei Asthma, mindestens 3600 mg bei Ödemen.

Eine positive Wirkung auf Entzündungen ist nach dem Forschungsstand, wie er dem Senat aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, mithin ungefähr bei einer Tagesdosis von 800 bis 1600 mg gegeben.

Von der regelmäßigen pharmakologischen Tagesdosis von 800 bis 1600 mg ist der tiefer liegende untere Dosisbereich bei Weihrauch zu unterscheiden. Den unteren Dosisbereich siedelt das Gutachten Bertram bei einer Tagesdosis unter 500 mg an, wie sie hier vorliegt.

Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 1 (unterer Dosisbereich) im Zusammenhang mit S. 4 (Tagesdosis unter 500 mg).

Da die Untergrenze des positiven therapeutischen Einsatzes von Weihrauchextrakt nach den vorliegenden Veröffentlichungen und Gutachten wie dargelegt bei 800 bis 900 mg Tagesdosis liegt, ist die Hälfte der Untergrenze (ca. 450 mg) sicherlich als niedrige Dosierung anzusehen.

Gerade bei einer niedrigen Dosierung von Weihrauchextrakt kommen nach den dargelegten Forschungsergebnissen aber die antagonistischen Wirkungen des Stoffgemischs aus Boswelliasäuren und Tirucallsäuren zur Geltung. Das Forschungsergebnis der Stimulierung der Leukotriensynthese und damit der Verstärkung von Entzündungsprozessen betrifft den Fall der niedrigen Dosierung des Weihrauchextraktes.

Übereinstimmend Schlusswort Ammon, S. A-2482, Gutachten Bertram, S. 3, und Bertsche/Schulz, S. 1 und 2.

Die dem Gericht vorliegenden Forschungsunterlagen und Gutachten enthalten keine Gegenfeststellung, die dieser antagonistischen Wirkung konkret widerspricht. Konsequenterweise kommen Bertsche/Schulz (S. 1) zu dem Ergebnis, dass die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als Verursacher des Umkehreffekts in niedriger Konzentration des Weihrauchextrakts pharmakologisch wirksame Substanzen sind.

Diese Konsequenz ziehen die von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten zwar nicht. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss kommen nur deshalb zum Ausschluss einer pharmakologischen Wirkung in niedriger Dosis, weil sie die maßgebende pharmakologische Wirkung auf die therapeutische Wirkung einengen.

Das Gutachten Reuss (S. 2) nimmt von vornherein nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich in den Blick und schließt die therapeutisch verstandene pharmakologische Wirkung bei einer niedrigen Dosis von 30 % beziehungsweise 50 % der üblichen Dosis aus. Nichts anderes gilt für das Gutachten Bertram (S. 4). Die Bewertung der Dosisbereiche wird mit Blick auf den ausdrücklich angeführten therapeutischen Erfolg vorgenommen, und insoweit einer Tagesdosis unter 500 mg keine pharmakologische Wirkung mehr beigemessen. Nur bei dieser aus dem Gutachtentext ersichtlichen Auslegung bleibt das Gutachten widerspruchsfrei, denn der Gutachter Bertram hat bei der Betrachtung des Wirkmechanismus durchaus gesehen (S. 3), dass bei niedrigerer Dosierung die Bildung von Entzündungsverstärkern erhöht sein kann.

Nach allem ist ersichtlich, dass beide von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich bei niedriger Dosierung ausschließen. Eine positive Wirkung fehlt nach den Gutachten in diesem Bereich und eine negative Wirkung wird ausgeblendet.

Entscheidend sind aber die Forschungsergebnisse über einen Umkehreffekt bei niedriger Dosis. Die Hauptwirkung auf Entzündungsprozesse kehrt sich um. Diese Forschungsergebnisse werden in den vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten an keiner Stelle konkret angegriffen. Die Forschungsergebnisse sind auch mit Blick auf den dargelegten antagonistischen Effekt des Stoffgemischs für das Gericht einleuchtend nachvollziehbar und überzeugend. Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung. Mithin besteht zwischen den Gutachten und den wissenschaftlichen Veröffentlichungen insgesamt kein konkreter fachlicher Widerspruch, der die Einholung eines Obergutachtens durch den Senat bei der von Amts wegen durchgeführten Prüfung aufdrängen würde.

Nach der dargelegten Würdigung hat das Wirkstoffgemisch Weihrauch bei einer Gesamtbetrachtung der positiven und negativen pharmakologischen Wirkungen ein weites Spektrum der pharmakologisch wirksamen Tagesdosis.

Eine hohe Tagesdosis von etwa 3600 mg entspricht der Ödembehandlung von Tumorpatienten und ist Gegenstand einer europäischen Ausweisung als Forschungsarzneimittel.

Die positive pharmakologische Wirkung im Sinne einer Therapie von Entzündungen besteht in einem Dosisbereich etwa zwischen 800 und 1600 mg Tagesdosis.

Bei einer niedrigen Tagesdosis von 400 bis 500 mg gibt es unwidersprochene Forschungsergebnisse im Sinne einer Verstärkung von Entzündungen insbesondere durch Tirucallsäuren und damit einer negativen pharmakologischen Wirkung. Eine Gesundheitsgefahr ist hier dem Grunde nach zu bejahen. Mit Blick auch auf die antagonistischen Wirkungen kommt auch die wissenschaftliche Veröffentlichung Safayhi/Ammon (S. 8) zu dem Ergebnis, von einer freizügigen Abgabe von Weihrauch sei abzuraten. Bertsche/Schulz warnen mit Blick auf den Umkehreffekt vor nicht ausreichend hoher Dosierung und befürworten sogar die Hochdosierung von 3600 mg.

Bertsche/Schulz, S. 2.

Daran gemessen fällt die tägliche Einnahme von 400 mg Weihrauchextrakt erkennbar in den zu vermeidenden niedrigen Dosisbereich.

Nach allem ist eine Beeinflussung von Körperfunktionen mit pharmakologischer Wirkung und damit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit für Weihrauchextrakt nicht nur in hohen, sondern auch in niedrigen Tagesdosen wie hier von 400 mg aufgrund der Forschungsergebnisse zu bejahen.

Gesundheitsgefahren sind bei einem Funktionsarzneimittel in jedem Fall zu berücksichtigen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 - C-211/03 -, Rz. 53, dort als eigenständiger Faktor hervorgehoben.

Die bereits dargelegte gemeinschaftsrechtliche Definition des Funktionsarzneimittels in der Arzneimittelrichtlinie ist erfüllt, da eine Beeinflussung physiologischer Funktionen durch pharmakologische Wirkungen nach dem Forschungsstand zu bejahen ist. Weihrauch hat die pharmakologische Wirkung, dass er die Körperfunktionen bei Entzündungsprozessen mit Auswirkungen auf die Gesundheit beeinflusst.

Mit der Betrachtung der pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs in dem streitigen Produkt der Klägerin ist die Subsumtion erst im Schwerpunkt abgeschlossen.

Wie dargelegt bedarf es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Einstufung eines Produkts der Berücksichtigung aller seiner Merkmale. Dazu gehören über die geprüfte Zusammensetzung, die pharmakologischen Eigenschaften und die Risiken hinaus noch die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung und die Bekanntheit bei den Verbrauchern.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 51.

Mithin sind noch diese Hilfsmerkmale nachfolgend zu berücksichtigen.

Zu beginnen ist mit den Modalitäten des Gebrauchs. Nach der Anweisung auf der Faltschachtel ist täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit zu verzehren. Darin liegt einerseits die für Arzneimittel übliche Einnahme, andererseits werden nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls in dosierter Form unter anderem in Tablettenform eingenommen. Das Merkmal ist also nicht trennscharf. Auch der EuGH hat dem Umstand, dass ein streitiges Erzeugnis nach der Gebrauchsanweisung in Wasser oder Joghurt verrührt werden sollte, keine an sich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Als nächster Gesichtspunkt ist die Verbreitung des weihrauchhaltigen Produkts der Klägerin in den Blick zu nehmen. Die Klägerin importiert ihr Produkt aus Österreich und bringt es als Nahrungsergänzungsmittel auf den deutschen Markt. Werbung für ihr Produkt wie für ein Arzneimittel betreibt sie nach der insoweit unwidersprochenen Klagebegründung (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 15) nicht. Das namensgleiche Produkt wird in Österreich selbst ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht, indessen nicht von der Klägerin, sondern von der Firma G. Die Firma G hat das namensgleiche Produkt in Österreich als Verzehrprodukt angemeldet (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 27) und betreibt in Österreich nach dem belegten Vortrag des Beklagten Werbung für die entzündungshemmende Wirkung der namensgleichen Weihrauchtabletten ebenfalls mit dem Inhalt von 400 mg Weihrauch.

Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 17.10.2002, S. 2 (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 111) und Auszug aus der Homepage der österreichischen Firma (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 113).

Weiterhin ist das namensgleiche Produkt nach dem belegten Vortrag der Klägerin in Großbritannien als Nahrungsmittel im freien Verkehr.

Bescheinigung des britischen Agrarministers vom 9.8.2001, Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 28.

Ergänzend ist noch die Verbreitung von nicht namensgleichen Konkurrenzprodukten mit dem identischen Inhaltsstoff Weihrauch in den Blick zu nehmen. Insoweit hat die Klägerin nachgewiesen, dass auf dem deutschen Apothekenmarkt ausweislich des zentralen Bestellsystems der Lauer-Taxe insgesamt 11 nicht namensgleiche Weihrauchprodukte als Nahrungsergänzungsmittel bestellt werden können.

Schriftsatz vom 11.8.2005, S. 3/4, OVG Akte 3 R 7/05 Bl. 20/21 mit Anlage K 22, OVG Akte Bl. 23 ff..

Bei einer Würdigung der Verbreitung des namensgleichen Produkts der Klägerin muss gesehen werden, dass das Produkt in drei Staaten der EU – Österreich, Deutschland und Großbritannien - als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt ist. In Österreich wird es – allerdings nicht von der Klägerin – von der vertreibenden Firma als entzündungshemmend und damit wie ein Arzneimittel beworben.

Zur rechtlichen Qualifizierung vgl. das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 – Rz. 27, wonach eine Veröffentlichung des Herstellers oder Verkäufers mit der Bezeichnung therapeutischer Wirkungen als entscheidendes Indiz für die Absicht des Herstellers oder Verkäufers anzusehen ist, das Erzeugnis als Präsentationsarzneimittel in den Verkehr zu bringen.

Eine Verkehrsgenehmigung auf EU-Ebene hat hoch dosierter Weihrauchextrakt als Mittel gegen Gehirnödeme noch nicht, wohl aber den Status eines Forschungsarzneimittels.

Den vom Beklagten vorgetragenen Import von Weihrauchextrakt als Fertigarzneimittel aus der Schweiz und aus Indien hält die Klägerin für unzulässig, da es im Fall der Schweiz an einer landesweiten Arzneimittelzulassung und im Fall Indiens an einer mit deutschem Recht vergleichbaren Zulassung fehle, vielmehr Weihrauchextrakt in Indien ein Lebensmittel sei und der Lebensmittelüberwachung unterliege. Dieser Vortrag kann zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt werden.

In diesem Fall spricht der Gesichtspunkt der Verbreitung eher für die Einordnung als Lebensmittel. Er hat aber verglichen mit den festgestellten pharmakologischen Wirkungen des Produkts keine für sich entscheidende Bedeutung.

Sodann ist als weiteres Merkmal noch wie dargelegt die Bekanntheit des Produkts bei den Verbrauchern zu würdigen.

Die Klägerin nimmt an, ihr Weihrauchprodukt sei insbesondere mit Blick auf das deutsche Apothekensortiment mit zahlreichen weiteren Weihrauchprodukten als Nahrungsergänzungsmittel dem informierten deutschen Verbraucher als Lebensmittel bekannt. Demgegenüber nimmt der Beklagte an, dem informierten deutschen Verbraucher sei abgesehen von der speziellen Arzneimittelwerbung im Internet für das namensgleiche Produkt in Österreich auch ansonsten durch das Internet die Arzneimitteleigenschaft bekannt, was die Klägerin mit rechtlichen Gesichtspunkten zur Unmaßgeblichkeit von Medienwerbung bekämpft.

Bei der Würdigung der konkreten Verbraucherkenntnisse schließt sich der Senat weder dem Standpunkt der Klägerin noch dem des Beklagten an. Überzeugender erscheint vielmehr das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss vom 10.1.2001 (S. 2), wonach die Verkehrsauffassung als mögliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln im Fall Weihrauch ohne wesentliche Bedeutung ist. Der Gutachter begründet dies damit, dass eine arzneiliche Wirkung beim durchschnittlich informierten deutschen Verbraucher kaum bekannt ist. Eine Bekanntheit von Weihrauch als Nahrungsmittel nimmt der Gutachter aber ersichtlich ebenfalls nicht an, weil anderenfalls die Verkehrsauffassung entgegen seiner Fachmeinung zu einem eindeutigen Ergebnis führte. Die richtige Einordnung von Weihrauch, der eher als Kultmittel bekannt ist, wird einen durchschnittlich informierten Verbraucher kaum berühren. Konkrete Verbraucherkenntnisse über die Lebensmittel- oder Arzneimitteleigenschaft können also nicht erwartet werden.

Der Gesichtspunkt der Verbraucherkenntnisse ist jedenfalls gegenüber den festgestellten pharmakologischen Eigenschaften nicht ausschlaggebend.

Zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten der Verbreitung und der Verbraucherkenntnisse führt der Senat noch eine Hilfserwägung durch. Im günstigsten Fall könnte die gerichtliche Würdigung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis führen, dass ein Weihrauchprodukt im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird. Selbst diese allgemeine Ansicht würde es aber nicht hindern, dass ein solches Produkt dennoch nach dem europäischen Arzneimittelbegriff als Arzneimittel einzuordnen ist.

So das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21, für aus Südamerika eingeführte Kräutertees.

Damit kann der Prüfungsabschnitt über die Einstufung des Produkts der Klägerin als Arzneimittel abgeschlossen werden.

Nach der Überzeugung des Senats ist das weihrauchhaltige Produkt der Klägerin unter Berücksichtigung aller seiner Merkmale, insbesondere seiner Zusammensetzung, seiner pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen – der Modalitäten seines Gebrauchs, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken nach dem maßgebenden Gemeinschaftsrecht als Funktionsarzneimittel im Sinne sowohl der ursprünglichen Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG als auch der dargelegten Änderungsfassung durch die Arzneimittelrichtlinie 2004/27/EG anzusehen.

Damit führen die bisherigen Prüfungsschritte des Urteils zu dem Doppelergebnis, dass das Produkt der Klägerin mit 400 mg Weihrauchextrakt Tagesdosis nach den europäischen Definitionen sowohl ein Aromastoff und damit ein Lebensmittel ist als auch ein Funktionsarzneimittel mit Blick auf seine antagonistische Wirkung auf Entzündungsprozesse. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts unterliegt das Produkt mithin nach vollständiger Subsumtion einerseits der Lebensmittelverordnung 178/2002 und zusätzlich der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG, andererseits auch der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG in der ursprünglichen Form und gleichermaßen in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Dieses Doppelergebnis auf der europäischen Rechtsebene bedarf aber einer juristischen Auflösung wegen seiner widersprüchlichen Konsequenzen.

Ein Lebensmittel fällt unstreitig grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (vgl. zum Grundsatz Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel. Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung Nr. 2309/93 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Umgesetzt ist diese Regelung im deutschen Recht in § 21 AMG. Unstreitig hat das Produkt der Klägerin weder in der EG noch in einem EG-Staat eine Zulassung als Arzneimittel. Deshalb bedarf das festgestellte Doppelergebnis einer Auflösung.

Nach dem dargelegten Zwischenergebnis bedarf es auf Gemeinschaftsebene einer Entscheidungsregel, ob beim Zusammentreffen beider Definitionen das Arzneimittelrecht oder das Lebensmittelrecht Vorrang hat.

Zusammengefasst kommt der Senat zu der Entscheidung, dass nach dem aktuellen Recht bei der Produktbehandlung das Arzneimittelrecht vor dem Lebensmittelrecht Vorrang aufgrund ausdrücklicher normativer Regelung hat. Für die vorausgehenden Zeitabschnitte ergibt sich dasselbe Ergebnis aus der Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, der in ständiger Rechtsprechung bereits seit 1992 eine Art „Strenge-Regel“ aufgestellt hat, wonach das strengere Arzneimittelrecht in der Anwendung Vorrang vor weniger strengen Regelungen anderer Rechtsgebiete hat. Dies ist nunmehr im Einzelnen auszuführen.

Beginnend mit dem neuesten Zeitabschnitt ab 30.10.2005 ist der Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts bereits nach deutschem Recht normativ eindeutig bestimmt. Das deutsche Recht verweist in § 2 III Nr. 1 des ArzneimittelgesetzesAMG – in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) sowie in der jetzigen Fassung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) zur Abgrenzung auf den Lebensmittelbegriff nach dem deutschen Lebensmittelgesetz. § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618), gültig ab 7.9.2005, verweist für die Lebensmitteldefinition seinerseits unmittelbar auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Die europäische Lebensmittelverordnung 178/2002 verweist in ihrer Negativabgrenzung in Art. 2 Abs. 3 d wiederum auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG. Die Humanarzneimittelrichtlinie enthält in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 31.3.2004 mit einer Umsetzungsfrist bis 30.10.2005 in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich eine Vorrangregel des Arzneimittelrechts mit folgendem Inhalt:

In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie.

Mit dieser Richtlinie ist die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG gemeint, was mithin zum Vorrang des Arzneimittelrechts führt. Der EuGH hat die klar formulierte Vorrangregel auch in diesem Sinn verstanden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Nach dem aktuell geltenden Gemeinschaftsrecht ist auf das Produkt der Klägerin mithin nur das Arzneimittelrecht anzuwenden. Das aktuelle deutsche Recht verweist darauf.

Für das vorausgehende Recht innerhalb der zeitlichen Reichweite des Dauerverwaltungsaktes vom 23.1.2002 geht der Senat aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Zeitabschnitte zunächst nach dem wie dargelegt maßgeblichen Gemeinschaftsrecht und erst dann nach dem deutschen Recht ein.

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts war im vorausgehenden Zeitabschnitt vom 31.3.2004 bis zum 29.10.2005 die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 mit der normativen Vorrangregel des Arzneimittelrechts zwar bereits erlassen, indessen war die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Richtlinien setzen zwar ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren mit Erlass auf Gemeinschaftsebene und Umsetzung in nationales Recht voraus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV Rdnr. 8.

Richtlinien sind aber auch als Auslegungsmaßstab heranzuziehen.

Geiger, EUV/EGV, Artikel 249 EGV Rdnr. 12.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung, und zwar gerade für die Vorrangregel in der hier vorliegenden Änderungsrichtlinie 2004/27/EG, entschieden, dass eine Richtlinie schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist als Auslegungsmaßstab heranzuziehen ist.

Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Auch für diesen Zeitraum galt als Auslegungsergebnis der Rechtsprechung des EuGH ein normativer Vorrang des Arzneimittelrechts.

Auf Gemeinschaftsebene galt in dem davor liegenden Zeitraum vom 6.11.2001 (mithin vor Erlass des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis zum 30.3.2004 die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG noch ohne eine normative Vorrangregelung. Die Abgrenzung des gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriffs gegenüber den Konkurrenzbegriffen bedurfte mithin richterlicher Auslegung. Eine solche ständige Rechtsprechung des EuGH liegt vor, die von den Jahren 1991 bis 2005 reicht und damit den Entscheidungszeitraum (Januar 2002 bis Februar 2006) erfasst. Dies ist jetzt darzulegen.

Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung ist einfach. Er besteht darin, dass das strengere Arzneimittelrecht wegen der besonderen Gefahren Anwendungsvorrang vor weniger strengem Recht anderer Gebiete besitzt. Erstmals hat der EuGH diesen Gedanken im Urteil Delattre vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, zur Abgrenzung von Arzneimitteln gegenüber seinerzeit Kosmetika (Schlankheitsmitteln) geäußert. Zur Begründung hat er (Rz. 21) ausgeführt:

Diese Schlussfolgerung ist im Übrigen die Einzige, die dem mit beiden Richtlinien verfolgten Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im Allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel.

Im nachfolgenden Jahr 1992 hat der EuGH in seinem Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19, diese „Strenge-Regel“ auf die hier einschlägige Abgrenzung von Arzneimittelrecht gegenüber Lebensmittelrecht übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt (Rz. 19), ein Produkt sei selbst dann als Arzneimittel anzusehen und der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen weniger strengen Gemeinschaftsregelung falle.

Sodann hat der EuGH aktuell in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 43, nochmals seine Rechtsprechung bestätigt, dass die für Arzneimittel geltenden Bestimmungen auf ein Erzeugnis anzuwenden sind, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels erfülle. Zur Begründung hat er sich (Rz. 43) ausdrücklich auf sein Ter Voort-Urteil C – 219/91 – berufen, dort insbesondere auf die Rz. 19 verwiesen und damit wie dargelegt den Grundsatz, dass ein Produkt auch dann als Arzneimittel anzusehen ist, wenn es dem Anwendungsbereich einer weniger strengen Regelung unterfällt. Zwischen 1991 und jetzt hat der EuGH mithin in ständiger Rechtsprechung die „Strenge-Regel“ seiner Abgrenzung zwischen Arzneimittelrecht und weniger strengem Recht zugrunde gelegt.

Die dargelegte normative Vorrangregel der Richtlinie 2004/27/EG entspricht mithin inhaltlich der ständigen Rechtsprechung des EuGH. Dementsprechend hat sich der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 - sowohl vergangenheitsbezogen auf seine ständige bisherige Rechtsprechung (Rz. 43) als auch zukunftsbezogen auf die neue Richtlinie 2004/27/EG (Rz. 44) berufen. Das Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist mithin der Vorrang des Arzneimittelrechts bei der Abgrenzung gegenüber dem Lebensmittelrecht. Dies steht für den Zeitraum von 1992 bis jetzt fest. Bezogen auf den hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom 25.1.2002 (Bekanntgabe des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis jetzt (Februar 2006) ist die Abgrenzungsfrage auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts mithin immer gleich zu beantworten. Maßgebend für die rechtliche Behandlung ist das strengere Arzneimittelrecht gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht.

Für die vorsorglich vorzunehmende Abgrenzungsprüfung nach dem deutschen Recht sind andere Zeitabschnitte zu bilden. Unproblematisch ist der bereits behandelte aktuelle Zeitabschnitt ab dem 7.9.2005. Ab diesem Zeitpunkt verweist wie dargelegt § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) für die Lebensmitteldefinition ausdrücklich auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, und damit auch auf die in Artikel 2 Abs. 3 der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung vorgenommene Abgrenzung zu Lebensmitteln, für die die EuGH-Rechtsprechung maßgebend ist. Die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts für die Abgrenzung ist vom deutschen Gesetzgeber sichergestellt, da auch § 2 III Nr. 1 AMG für die Abgrenzung auf die Lebensmitteldefinition verweist mit der Konsequenz, dass nach der ausdrücklichen Anordnung des deutschen Gesetzgebers für die Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete einheitlich das Gemeinschaftsrecht gilt.

Für den vorausgehenden Zeitabschnitt vom 21.2.2002 bis zum 6.9.2005 hat der deutsche Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich für Rechtsklarheit gesorgt. Die Rechtsklarheit ergibt sich aber aus dem gemeinschaftlichen Verordnungsrecht. Die gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln in Artikel 2 der Lebensmittelverordnung galt bereits in diesem Zeitabschnitt. Die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002 trat nach Artikel 65 am 21.2.2002 in Kraft. Sie ist nach Artikel 65 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als bei Richtlinien bedarf es keines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens, vielmehr gilt die Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ohne Transformation.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV, Rdnrn. 6 und 8.

Der deutsche Gesetzgeber hatte aber in diesem Zeitraum der verbindlichen Regelung noch nicht formell Rechnung getragen. Vielmehr war in § 1 LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296), gültig vom 1.8.1997 bis 6.9.2005, eine formell abweichende Regelung bestimmt. Produkte waren nach § 1 I LMBG nur dann keine Lebensmitteln, wenn sie überwiegend zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses bestimmt waren. Das ältere deutsche Recht legte die Auslegung nahe, dass ein Lebensmittel auch dann vorlag, wenn sich kein überwiegender Verwendungszweck feststellen ließ.

So noch die Kommentierung von Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 35 und die ältere BGH-Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 6.2.1976 – I ZR 125/74 -.

Die deutsche Regelung ließ sich mithin in nahe liegender Auslegung als Vorrang des weniger strengen Lebensmittelrechts vor dem strengeren Arzneimittelrecht verstehen.

Bei diesem Ergebnis kann es aber nicht verbleiben. Das Gemeinschaftsrecht hat grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Gerichte und Behörden haben den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne weiteres zu beachten, und innerstaatliche Vorlageverfahren etwa an ein Verfassungsgericht müssen außer Betracht bleiben.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Mithin musste die inhaltlich anders gefasste Abgrenzung des deutschen Rechts zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln gegenüber der bindenden europäischen Verordnung außer Betracht bleiben. Vielmehr galt nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH die „Strenge-Regel“, wonach für die Produktbehandlung das strengere Arzneimittelrecht vor weniger strengem Recht in der Anwendung Vorrang hat. Auch für diesen Zeitabschnitt verbleibt es mithin bei dem gefundenen Ergebnis.

In einem vorausgehenden kurzen Zeitabschnitt des Dauerverwaltungsakts knapp einen Monat zwischen seiner Bekanntgabe am 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 galt auf der Gemeinschaftsrechtsebene allerdings noch nicht die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft ab 21.2.2002. Der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung muss mithin für diesen kurzen Zeitabschnitt außer Betracht bleiben.

Auch für diese Zeit blieb der Vorrang des Arzneimittelrechts unverändert. Maßgebend ist hier nicht der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, sondern der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.

Im Zeitraum Januar/Februar 2002 stellte sich die Vorrangfrage vom Arzneimittelrecht her, das im Gegensatz zum seinerzeitigen Lebensmittelrecht schon gemeinschaftsrechtlich normiert war. Wie bereits dargelegt war das gemeinschaftliche Arzneimittelrecht bereits seit 1965 fortlaufend durch Richtlinien kodifiziert, die in nationales Recht umzusetzen waren.

Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965, sodann als Nachfolgerichtlinie die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG sowie deren Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Das deutsche Arzneimittelgesetz war also bereits in der in diesem Zeitabschnitt (Januar/Februar 2002) maßgebenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) Umsetzung des europäischen Richtlinienrechts. Zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln verwies § 2 III Nr. 1 AMG 2001 auf § 1 LMBG und damit die bereits dargelegte Regelung, wonach nur eine überwiegende Bestimmung zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses maßgebend ist. Auch unabhängig von der Direktwirkung von Richtlinien zu Gunsten Einzelner, vgl. EuGH, Urteil vom 26.9.2000 – C- 443/98 -, Rz. 50; Urteil vom 4.12.1997 – C – 97/96 -, NJW 1998, 129, ist umgesetztes nationales Recht nach der EuGH-Rechtsprechung so auszulegen, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden kann. EuGH, Urteil vom 11.7.2002 – C – 62/00 -, Rz. 41.

Eine solche europarechtskonforme Auslegung des § 1 LMBG 1997 ist aber möglich und deshalb auch geboten. Zwar ist die Auslegung nahe liegend, dass die überwiegende Zweckbestimmung rein faktisch im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen ist.

So Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 34.

Zwingend ist diese Auslegung aber nicht. Die überwiegende Zweckbestimmung kann statt faktisch auch normativ verstanden werden. Die überwiegende Zweckbestimmung ergibt sich dann normativ nach dem strengeren Recht; das strengere Recht prägt die Zweckbestimmung. Das Ziel der einschlägigen Arzneimittelrichtlinie ist nach der Rechtsprechung des EuGH gerade der Schutz vor den besonderen Gefahren, die Arzneimittel mit sich bringen.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, und Ter Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19.

Das umgesetzte deutsche Arzneimittelrecht ist mithin europarechtskonform so auszulegen, dass das dargelegte Ziel der Arzneimittelrichtlinie mit Blick auf den Vorrang des strengeren Rechts erreicht wird. Mithin ist die deutsche Abgrenzungsregelung in den §§ 2 AMG 2001 und 1 LMBG 1997 europarechtskonform auch in dem hier interessierenden Zeitabschnitt vom 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 im Sinne einer normativen überwiegenden Zweckbestimmung durch das strengere Arzneimittelrecht auszulegen. Dieser Gesichtspunkt gilt im Übrigen auch für die nachfolgende Zeit, für die aber der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung hinzukommt.

Mithin ist die Geltung der europäischen Arzneimittelabgrenzung für den gesamten in Anspruch genommenen Zeitraum des angegriffenen Dauerverwaltungsakts seit 25.1.2002 bis jetzt zu beachten.

Für den Zeitraum des Dauerverwaltungsakts ist nach dem Ergebnis der Prüfung des europäischen und des deutschen Rechts einheitlich von dem Vorrang des Arzneimittelrechts gegenüber dem Lebensmittelrecht bei der Produktbehandlung auszugehen.

Die von der Klägerin gegen den Vorrang vorgebrachten Gründe überzeugen nicht.

Soweit die Klägerin eine vollständige Subsumierung als Voraussetzung der Vorrangregelung ansieht, hat der Senat sie vorgenommen.

Soweit die Klägerin meint, für Nahrungsergänzungsmittel gelte eine günstigere Behandlung, trifft dies nicht zu. Sie hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der neuen Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel die Richtlinie 2002/46 eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen hat.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 70.

Nahrungsergänzungsmittel, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, dürfen in der Gemeinschaft grundsätzlich frei in den Verkehr gebracht werden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C- 211/03 -, Rz. 71.

Die der Klägerin günstige Folge tritt aber nur ein, wenn die Voraussetzungen der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie überhaupt erfüllt sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG ausdrücklich nicht für Arzneimittel gilt (Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie) und darüber hinaus Nahrungsergänzungsmittel nach Artikel 2 der Richtlinie 2002/46/EG bereits Lebensmittel sein müssen, mithin auch für Nahrungsergänzungsmittel die allgemeine Abgrenzungsvorschrift von Artikel 2 der Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt. Dementsprechend führt der EuGH wie dargelegt in seinem Lactobact-Urteil (Rz. 41 und 42) eine synchrone Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln einerseits und Arzneimitteln andererseits durch. Für eine anderweitige Abgrenzung mit einer günstigeren Behandlung von Nahrungsergänzungsmitteln ist mithin aus Gründen des Gemeinschaftsrechts kein Raum.

Weiterhin beruft sich die Klägerin zu ihren Gunsten auf eine spezielle deutsche Liberalisierungsvorschrift für die Einfuhr von Lebensmitteln aus EU-Staaten im deutschen Lebensmittelrecht. Ausgehend zunächst von dem neuesten Rechtsstand der Einfuhrliberalisierung begünstigt § 54 LFGB mit Geltung ab dem 7.9.2005 Lebensmittelimporte aus anderen EU-Staaten. Danach dürfen Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände, die entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder aus einem Drittstaat stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig im Verkehr befinden, auch dann in das Inland verbracht und in Verkehr gebracht werden, wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände nicht entsprechen. Eine Ausnahme von der Liberalisierung besteht insbesondere dann, wenn gemäß § 54 I LFGB in Verbindung mit § 54 II zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen, über die durch Allgemeinverfügungen entschieden wird. Die verbleibenden Unterschiede des nationalen Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten stehen mithin dem Import eines Lebensmittels grundsätzlich nicht entgegen.

Diese Liberalisierungsregelung trifft aber nach dem geltenden Recht ausdrücklich nur für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände zu, von vorneherein nicht für Arzneimittel. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 54 LFGB und aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Gesamtregelung des Lebensmittelrechts, nicht des Arzneimittelrechts.

Nichts anderes gilt innerhalb der Zeitdauer des Dauerverwaltungsakts für die im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerreglung des § 47 a LMBG in den insoweit übereinstimmenden vorausgehenden Fassungen vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) sowie vom 6.8.2002 (BGBl. I S. 3082). Die Liberalisierung von Importen aus anderen Mitgliedstaaten bezieht sich nach dem übereinstimmenden Wortlaut auf „Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes“. Maßgebend ist also die deutsche Einordnung des Produkts. Durch eine Klammerdefinition ist in § 35 LMBG klargestellt, dass Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes Lebensmittel, Zusatzstoffe, mit Lebensmittel verwechselbare Erzeugnisse, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände sind. Arzneimittel gehören nicht dazu. Die Klägerin kommt nur insofern zu einem anderen Ergebnis, als sie behauptet, ihr Nahrungsergänzungsmittel könne mit einem Arzneimittel verwechselt werden. Insoweit stellt aber § 8 LMBG klar, dass die Ausdehnung des Lebensmittelrechts auf verwechselbare Erzeugnisse gerade nicht für zulassungspflichtige Arzneimittel gilt.

Zur generellen einschlägigen Zulassungspflicht von Fertigarzneimitteln § 21 AMG mit hier nicht gegebenen Ausnahmen insbesondere einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und einer Anwendung zur klinischen Prüfung.

Die Vorschrift zielt erkennbar darauf ab, dass die Zulassungspflicht von Arzneimitteln als Marktschranke nicht etwa in dem ungünstigen Fall, dass importierte Arzneimittel verwechslungsfähig aufgemacht sind, entfällt. Dies wäre auch offensichtlich gefahrenbezogen sachwidrig. Nach den dargelegten Vorschriften gilt die Liberalisierung nach Wortlaut und Sinn nicht für Arzneimittel, und zwar insbesondere auch nicht für mit Lebensmitteln verwechslungsfähig aufgemachte Arzneimittel.

Das Gemeinschaftsrecht bietet sowohl nach den in Betracht kommenden Normen als auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH keinen Anlass zu einer weiter gehenden Auslegung dieser lebensmittelrechtlichen Liberalisierungsregelung.

Wie dargelegt fällt ein Lebensmittel zwar grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel, denn Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Diese Rechtslage nach dem Gemeinschaftsrecht führt allerdings dazu, dass ein Produkt im Exportstaat (hier Österreich) als Lebensmittel und im Importstaat (hier Deutschland) als Arzneimittel eingeordnet werden kann. Gerade diese Divergenz ist nach der ständigen bis heute geltenden Rechtsprechung des EuGH mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 27; EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – Rz. 52 und 53, betreffend Vitaminpräparate; EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

In seinem Lactobact-Urteil (Rz. 56) hat der EuGH seine ständige Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist.

Die Tatsache, dass das Produkt der Klägerin in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist, führt mithin nicht zu einer Bindung des Einfuhrstaates an österreichisches Recht. Dem nach dem Gemeinschaftsrecht bestehenden Vorrang des strengeren Arzneimittelrechts vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht muss in Deutschland selbstständig, ohne Bindung an die Rechtsauffassung in Österreich, Geltung verschafft werden.

Nach allem führt die deutsche Liberalisierungsregelung nicht zur Anerkennung der österreichischen Produkteinordnung und ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

Im Folgenden hat der Senat noch die beiden von den Beteiligten vorgelegten europäischen Verwaltungsakte zu würdigen, die eine Einstufung von Weihrauchextrakt in demselben Jahr – 2002 – als Arzneimittel beziehungsweise als Lebensmittel betreffen.

Zusammengefasst sind beide Verwaltungsakte nicht unmittelbar einschlägig für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit über ein Marktverbot und geben keinen Anlass, von der vom EuGH aufgestellten „Strenge-Regel“ abzuweichen.

Der Beklagte hat einen Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 vorgelegt, den die EMEA, die Europäische Agentur für Arzneimittel, am 11.12.2002 veröffentlicht hat (Berufungsakte 3 R 7/05, Blatt 69 R). Der Beklagte hat dazu vorgetragen, der Weihrauchextrakt aus Boswellia serrata habe damit den Orphan-drug-Status erhalten (Berufungsakte Blatt 66). Mit dieser Bezeichnung hat es Folgendes auf sich. Die in dem Bescheid der EG-Kommission auch genannte Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16.12.1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Sinn und Regelungszusammenhang der Verordnung sind in dem Erwägungsgrund 1 zusammengefasst. Danach treten bestimmte Leiden EU-weit so selten auf, dass die Entwicklungskosten von Arzneimitteln durch den zu erwartenden Umsatz nicht mehr gedeckt werden. Die pharmazeutische Industrie wäre in diesen Fällen nicht bereit, das Arzneimittel unter normalen Marktbedingungen zu entwickeln. Diese Arzneimittel werden im englischen Sprachraum als „Orphan medicinal products“, das heißt als Waisenkinder unter den Arzneimitteln bezeichnet. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Verordnung nach dem Erwägungsgrund 4, durch die Einführung eines Gemeinschaftsverfahrens potenzielle Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden auszuweisen. Die Förderung erfolgt durch Forschungshilfe bei der Entwicklung (Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung) und durch ein späteres Marktexklusivitätsrecht (Artikel 8 der Verordnung). Der Antrag auf Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden kann grundsätzlich in jedem Entwicklungsstadium des Arzneimittels gestellt werden, indessen nur vor dem Antrag auf Verkehrsgenehmigung (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Zusammengefasst bedeutet der Bescheid mithin eine Ausweisung von Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für die Behandlung der seltenen Krankheit der Gehirnödeme bei Gehirntumor; eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel bedeutet der Bescheid nicht, wie im letzten Absatz ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Bescheid betrifft also keine Marktzulassung.

Der Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden liegt nach Artikel 2 a der Humanarzneimittelbegriff nach der Richtlinie 65/65/EWG zugrunde, wobei diese Bezugnahme nunmehr durch eine Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ersetzt ist (Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie). Da die Ödembehandlung bei Tumoren nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen ausschließlich den hoch dosierten Bereich von Weihrauchextrakt betrifft,

Safayhi-Ammon, Seite 7; Gutachten Bertram, Seite 3; Bertsche/Schulz, Seite 2

steht damit in diesem Bereich gemeinschaftsrechtlich die Einordnung als Arzneimittel fest.

Zwingend ist dies für die hier maßgebende niedrige Dosis von Weihrauch nicht. Einen Doppelcharakter nach der Dosis hat der EuGH bei Vitaminen anerkannt, die in ganz geringer Menge für die tägliche Ernährung unbedingt erforderlich sind, in starken Dosen aber zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, Rz. 56.

Deshalb bedeutet die im Jahr 2002 erfolgte Ausweisung von indischem Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für seltene Krankheiten ein - nicht zwingendes - Indiz für die gemeinschaftsrechtliche Einstufung von Weihrauchextrakt insgesamt als Arzneimittel. Der Gegenschluss der Klägerin, die angestrebte Marktzulassung sei bereits gescheitert, überzeugt nicht, da die Zulassungsreife einschließlich Standardisierung eines Stoffgemischs schwer erreichbar und langwierig sein kann.

Ebenso wie der Beklagte hat die Klägerin im Rechtsstreit einen Verwaltungsakt der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt, den sie zu ihren Gunsten verwerten will (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 75). Dabei handelt es sich um die verbindliche Zolltarifauskunft vom 16.9.2002. Der Bescheid ist im Namen der Europäischen Gemeinschaft erlassen, die erteilende Zollbehörde ist das Bundesministerium für Finanzen in Wien. Als Berechtigter ist angegeben die österreichische Firma G.. Gegenstand des Bescheides ist das namensidentische Produkt der Klägerin. Inhaltlich betrifft der Bescheid die Einreihung in die Zollnomenklatur als Lebensmittel und zur Begründung ist angegeben, aufgrund des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, sowie der exakten Dosierungsvorschrift, liege keine näher gekennzeichnete Arzneiware vor.

Die Klägerin hat aus dieser verbindlichen Zolltarifauskunft von Anfang an den Schluss gezogen,

Schriftsatz vom 7.10.2002, VG-Akte Bl. 78

das streitige Produkt dürfe in der gesamten Europäischen Union aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Verkehrsfähigkeit des von ihr vertriebenen Produktes in Deutschland ergebe sich damit schon aus der amtlichen Bestätigung der Europäischen Union. Zur Bekräftigung ihres Vortrags hat sie erstinstanzlich zwei verschiedene Vorlageanträge an den EuGH angeregt (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 91 und Bl. 133), die jeweils die Auswirkungen der verbindlichen Zolltarifauskunft auf die Zulässigkeit der Vermarktung betreffen. Zweitinstanzlich hat sie ausweislich des Protokolls eine entsprechende Vorlage an den EuGH hilfsweise angeregt.

Das Begehren der Klägerin entspricht offenkundig nicht dem Gemeinschaftsrecht, das eine Auslegung im Sinne der Klägerin nicht zulässt. Es entspricht auch nicht der dargelegten Rechtsprechung des EuGH zur selbstständigen Sachverhaltsbeurteilung der nationalen Behörden und Gerichte im Vermarktungsstreit.

Dafür ist zunächst auf die Rechtsgrundlage der verbindlichen Zolltarifauskunft einzugehen. Wie im Bescheid auch ausdrücklich angegeben, beruht die Zolltarifauskunft auf Art. 12 der – insoweit nicht geänderten - Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – Zollkodexverordnung -. Nach dem Erwägungsgrund 1 geht es bei der Verordnung um die Kodifizierung der bisherigen Zollvorschriften der Gemeinschaft als Zollunion. Betroffen von dem Zollrecht ist nach Art. 1 der Verordnung der Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern. Nach Art. 2 gilt das gemeinschaftliche Zollrecht einheitlich im gesamten Zollgebiet der Gemeinschaft. Richtig ist damit der Standpunkt der Klägerin, dass die Zollverwaltungsakte die gesamte Gemeinschaft betreffen. Sodann werden nach Art. 12 Abs. 1 der Zollkodexverordnung auf schriftlichen Antrag von den Zollbehörden verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt. Verbindliche Zolltarifauskünfte sind nach der Definitionsvorschrift des Art. 4 Nr. 5 der Zollkodexverordnung hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Zollrechts.

Die Klägerin begehrt eine Vorlage des Sachverhalts zur Entscheidung an den EuGH. Sie hält es nach ihrem Rechtsstandpunkt für eine klärungsbedürftige Auslegungsfrage, wie weit die Verbindlichkeit der Zolltarifauskunft reicht. Sie meint, die Verbindlichkeit betreffe nicht nur den Zolltarif, sondern auch die anschließende Vermarktung. In Wirklichkeit ist aber die Verbindlichkeitsfrage in Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung ohne Auslegungsspielraum wie folgt geregelt:

Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren.

Das Wort „nur“ lässt keinen Auslegungsspielraum dahingehend zu, die Bindungswirkung erstrecke sich über die zolltarifliche Einreihung der Waren hinaus auch auf die anschließende Vermarktung und die Anwendung des Gesundheitsrechts. Ist mithin die Einschränkung der Verbindlichkeit auf das Zollrecht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, scheidet eine Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 234 EGV selbst nach den Maßstäben für ein letztinstanzliches Gericht – die hier nicht erfüllt sind – aus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 16.

Im Übrigen hat das nationale Gericht über die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage selbst zu befinden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 12.

Darüber hinaus hat das nationale Gericht über die Vorlage von Amts wegen, unabhängig von der Auffassung der Beteiligten zu entscheiden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 Rdnr. 11.

Entsprechende Anträge der Beteiligten bedeuten prozessual mithin nur die Anregung zu einer Vorlageentscheidung.

Von Amts wegen scheidet eine Vorlage schon deshalb aus, weil Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung auch unabhängig von dem streitigen objektiven Anwendungsbereich auch nach den subjektiven Merkmalen nicht entscheidungserheblich ist.

Vorliegend sind die subjektiven Voraussetzungen der Verbindlichkeitsbestimmung des Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung nicht gegeben. Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet nach der Verordnung nur die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten. Zollbehörde ist nach Art. 4 Nr. 3 der Zollkodexverordnung eine für die Anwendung des Zollrechts zuständige Behörde. Der Beklagte als oberste Gesundheitsbehörde ist ebenso wenig eine Zollbehörde im Sinne der Gemeinschaftsvorschrift wie die Klägerin Berechtigte des Bescheides ist, da in dem Bescheid als Berechtigte ausdrücklich die österreichische Firma G. genannt ist. Mithin verbleibt es dabei, dass die Vorschrift des Art. 12 II der Zollkodexverordnung auf den vorliegenden Fall zweifelsfrei subjektiv nicht anwendbar ist.

Unabhängig von der normativen Rechtslage entspricht es auch nicht der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu gesundheitsbezogenen Marktverboten gegenüber importierten Produkten, dass das Gesundheitsrecht bindend an das Zollrecht gekoppelt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und zu deren Kontrolle die nationalen Gerichte bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Vermarktung in ihrem Staat auch bei importierten Erzeugnissen selbst die Qualifizierungszuständigkeit für den Einzelfall, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist.

EuGH Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 30 für die Zuständigkeit der nationalen Behörden und Rz. 97 für die Zuständigkeit des nationalen Gerichts; ebenso schon EuGH, Ter-Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 – betreffend die Zulässigkeit der Vermarktung von Kräutertee aus Südamerika, dort zur fallbezogenen Einstufungszuständigkeit der nationalen Gerichte Rz. 32; EuGH Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, dort Rz. 35 zur Einstufungszuständigkeit der nationalen Behörden unter Kontrolle der nationalen Gerichte.

In einem entschiedenen Fall – dem Ter-Voort-Urteil des EuGH von 1992 – betraf die Einstufung die Vermarktung von aus Südamerika eingeführten Produkten. Nach der seinerzeit schon bestehenden Zollunion unterlagen diese Produkte einer Außenzollerhebung und damit einer Zolltarifeinordnung. Die seinerzeitige Vorlagefrage (Rz. 13), ob ein Erzeugnis, das im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, als Arzneimittel eingestuft werden kann, hätte vom Rechtsstandpunkt der Klägerin damit beantwortet werden müssen, dass die Antwort aus dem Zollrecht folge. Stattdessen lautet die Antwort des EuGH (Rz. 21), dass ein Arzneimittel selbst dann vorliegen kann, wenn es im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, und (Rz. 32) es Sache der nationalen Gerichte ist, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles die Einordnung vorzunehmen. Auch der Grundgedanke in dem Ter-Voort-Urteil des EuGH, dass (Rz. 19) im Gesundheitsrecht die strengere Gemeinschaftsregelung anzuwenden ist, verträgt sich nicht damit, dass die der Einnahmeerzielung dienende Zolltarifregelung stattdessen einschlägig sein soll. Damit könnten die Gesundheitsgefahren nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Mithin scheidet eine Vorlage an den EuGH auch deshalb aus, weil die Rechtsansicht der Klägerin zur Bindung der Vermarktung an das Zollrecht der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH widerspricht.

Der Bescheid ist für den vorliegenden Vermarktungsprozess offensichtlich rechtsunerheblich.

Unabhängig von der fehlenden Bindungswirkung kann auch die Begründung der Zolltarifauskunft für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden. Begründet ist die Ablehnung einer Arzneiware mit dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten und einer entsprechenden exakten krankheitsbezogenen Dosierungsvorschrift. Mit dieser Überlegung lässt sich aber allein ein Präsentationsarzneimittel ausschließen, was ohnedies unstreitig ist. Dagegen enthält die Begründung keinerlei Gesichtspunkte zu einem Funktionsarzneimittel, da die pharmakologische Wirkung von vornherein nicht behandelt wird. Für den Hauptstreit der Beteiligten über das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels lässt sich aus der Begründung des Bescheides nichts gewinnen.

Nach dem Prüfungsergebnis des Senats haben die von den Beteiligten vorgelegten Bescheide nach dem Gemeinschaftsrecht für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung und führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mithin hat es bei einer selbstständigen sachverhaltsbezogenen Einstufung des Produkts der Klägerin für die Vermarktung durch die nationalen Behörden und die nationalen Gerichte ohne Vorlagepflicht an den EuGH zu verbleiben.

Nach allem ist der Senat davon überzeugt, dass das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel ist und damit dem strengen Zulassungsrecht für Fertigarzneimittel unterliegt. Der Klägerin ist zwar Recht zu geben, dass in dieser Rechtsanwendung ein Hemmnis für den freien Warenverkehr liegt. Das Produkt muss also nach der plastischen Formulierung der Klägerin durch das „Nadelöhr“ des Arzneimittelrechts. Der Grund dafür liegt aber letztlich in der eindeutigen Weichenstellung des EuGH zu Gunsten des strengeren Gesundheitsrechts. Der EuGH hat dem nunmehr im Gemeinschaftsrecht kodifizierten Gedanken Bedeutung beigemessen, dass die besonderen Gesundheitsgefahren gerade von Arzneimitteln im Zweifel die Anwendung des strengeren Gesundheitsrechts gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht erfordern. Diese Gefahrabwägung führt letztlich zu dem Ergebnis, dass hier wegen der festgestellten – negativen - pharmakologischen Wirkung des Produkts in der empfohlenen niedrigen Dosis ein Funktionsarzneimittel vorliegt.

Die Prüfung des Senats führt mithin zu dem Gesamtergebnis, dass gemeinschaftsrechtlich und nach deutschem Recht für die gesamte Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002 rechtlich maßgebend ein Funktionsarzneimittel vorliegt, das als Fertigarzneimittel für den Verbraucher gemäß § 21 AMG einer Zulassung bedarf, die aber unstreitig weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Recht vorhanden ist.

Damit liegt aber zur Überzeugung des Senats der Untersagungstatbestand des § 69 I Nr. 1 AMG in den insoweit übereinstimmenden Fassungen vom 11.12.1998 (BGBl. I Bl. 3586), vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 2031), vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2555) sowie der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) vor. Die im Gesetz eingeräumte Ermessensausübung ist von der Klägerin nicht problematisiert worden. Ein Ermessensfehler wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die für das Arzneimittel erforderliche Zulassung ausschließlich aus formellen Gründen fehlte, materiell aber die therapeutische Wirksamkeit mit vertretbaren Nebenwirkungen bereits feststünde. Schon die nicht geklärte therapeutische Wirksamkeit würde die Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung rechtfertigen. Erst recht gilt das hier, da nach den vorliegenden Forschungsergebnissen für niedrig dosierten Weihrauchextrakt zwar keine positiven pharmakologischen Wirkungen, wohl aber negative pharmakologische Wirkungen in Form der Förderung von Entzündungsprozessen wissenschaftlich festgestellt sind. Bei dieser Sachlage ist allein die Untersagung ermessensgerecht.

Nach allem ist der angefochtene Dauerverwaltungsakt vom 23.1.2002 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Mithin ist ihre Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO und die Nichtzulassung der Revision auf § 132 II VwGO.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die streitige Vermarktung des Produkts der Klägerin auf dem deutschen Markt ist bedeutungsangemessen jahresbezogen gemäß den §§ 52 I, 63 II GKG unter Mitberücksichtigung der Nummern 4, 25.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8.7.2004 mit 40.000,-- Euro zu bewerten (vgl. auch die Streitwertfestsetzung im Urteil des OVG Münster vom 10.11.2005 – 13 A 463/03 – ebenfalls auf 40.000,-- Euro für ein vergleichbares Produkt).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 277/09
vom
8. Dezember 2009
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
ArzneimittelG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a.F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n.F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1,
Das unerlaubte Inverkehrbringen von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken
ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar.
BGH, Urt. vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. Dezember 2009, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und der Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. L. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Dezember 2008 werden mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Angeklagten B. L. die Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 (Az.: ) entfällt. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in acht Fällen schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten M. L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten B. L. unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Den in dem vorbezeichneten Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck angeordneten Entzug der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins sowie die angeordnete Sperrfrist von acht Monaten hat das Landgericht aufrechterhalten. Außerdem hat es gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 463.410,-- € angeordnet. Gegen diese Verurteilung richten sich die Revisionen der beiden Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Ihre Rechtsmittel bleiben jedoch ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die beiden Angeklagten betrieben einen Handel mit der chemischen Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL). GBL wird industriell in großen Mengen hergestellt, in Deutschland insbesondere von der Firma BASF mit einer Jahresproduktion von ungefähr 50.000 Tonnen. Es wird hauptsächlich in der Industrie als Ausgangsstoff für chemische Synthesen oder als Wirkstoff in Reinigungsund Lösungsmitteln eingesetzt, z.B. in Graffitientfernern in einer Konzentration von fünf bis zehn Prozent. Es kann aber auch in nahezu reiner Form (etwa mit einem Reinheitsgrad von 99,9 %) als Droge verwendet werden. Bei GBL handelt es sich um einen Ester der Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB), auch bekannt als „liquid ecstasy“, die - anders als GBL - dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt. GBL ist einer der Grundstoffe bei der Herstellung von GHB. Bei einer oralen Einnahme wandelt es sich im menschlichen Körper in weniger als einer Minute in GHB um und hat deshalb dieselbe berauschende Wirkung wie GHB. Dementsprechend wirkt GBL in einer Dosis bis zu zweieinhalb Milliliter euphorisierend , angstlösend und sexuell stimulierend. Aber schon eine geringe Überdosierung oder die Einnahme in Verbindung mit Alkohol kann zu schwerwie- genden, möglicherweise auch lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung, komatösen Zuständen, Atemstillstand oder zu Herz- oder Kreislaufversagen führen. Der dauerhafte Konsum von GBL macht zudem süchtig. Schwerstabhängige müssen die Substanz stündlich einnehmen, um nicht an starken Entzugserscheinungen zu leiden. Um der Gefahr zu begegnen, dass GBL als Droge missbraucht oder zur Herstellung von GHB verwendet wird, hat sich die chemische Industrie einer freiwilligen Selbstkontrolle unterworfen (sog. Monitoring). Der Verkauf des Mittels ist gewissen Beschränkungen unterworfen. Danach verlangen die Hersteller von jedem Abnehmer eine Endverbleibserklärung sowie die Verpflichtung, seinerseits von seinen Kunden eine dementsprechende Erklärung zu fordern. Verdachtsfälle werden an die gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden gemeldet. Privatverbraucher können deshalb konsumtypische Kleinmengen GBL im Chemikalienhandel nicht ohne weiteres beziehen.
4
Die Angeklagten machten im Jahr 2004 erstmals eigene Erfahrungen mit dem Konsum von GBL. Zuvor hatten sie sich im Internet mit der Wirkungsweise der Substanz vertraut gemacht. Ihnen war bekannt, dass die Einnahme von GBL nicht nur die gewünschte Berauschung, sondern auch die bereits beschriebenen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Folge haben konnte. Seit Sommer 2004 erwarben sie GBL in einer Chemikaliengroßhandlung und verkauften die Substanz in Gewinnerzielungsabsicht an Dritte weiter, die das GBL wegen dessen berauschender Wirkung konsumieren wollten. Eine Verdachtsmeldung an die gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle führte am 24. Februar 2005 zu einer Durchsuchung der Wohnungen der beiden Angeklagten. Dabei wurden Restmengen von GBL sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft erhob in einem anderen Verfahren unter dem Datum des 16. November 2005 Anklage gegen die beiden Angeklagten. Am 28. März 2007 wurden sie durch das Amtsgericht Hersbruck wegen des unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in drei Fällen (Tatzeitraum August bis Oktober 2004) jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das Urteil ist infolge der von den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen nicht rechtskräftig.
5
Nach den Wohnungsdurchsuchungen im Februar 2005 setzten die Angeklagten ihren Handel mit GBL fort, obwohl ihnen von zwei Rechtsanwälten geraten worden war, „von einem solchen Verkauf die Finger zu lassen“ (UA S. 55). Über das Internet verkauften sie Mengen von 250, 500, 1.000, 5.000 und 10.000 Millilitern. Der von ihnen geforderte Durchschnittsverkaufspreis lag bei 100,-- € pro Liter. Sie selbst hatten beim Einkauf im Großhandel lediglich zwischen 12,50 € und 21,-- € pro Liter für das GBL gezahlt. Der Versand durch die Angeklagten erfolgte per Post. Das GBL war in Plastikflaschen abgefüllt, die mit Warnhinweisen versehen waren, die auf die Gesundheitsschädlichkeit von GBL hinwiesen. Gebrauchsanweisungen für die Verwendung als Lösungs- oder Reinigungsmittel waren demgegenüber nicht beigefügt. Auf ihren Internetseiten bezeichneten die beiden Angeklagten die von ihnen vertriebenen Produkte als „wheel-cleaner“ oder als „glue-remover“ aus „100 % reinem GBL“ bzw. „purecleaner (gbl)“ mit einer „Reinheit von mindestens 99,94 %“, mit dem „besonders gut Kleberückstände, metallische Oberflächen, Nagellacke, Graffitis usw.“ entfernt werden könnten. Außerdem warben sie mit „Verkauf an Privat/kein Monitoring“. Die von den Angeklagten verwendeten Bezeichnungen dienten nach den landgerichtlichen Feststellungen lediglich der Verschleierung des eigentlichen Verwendungszweckes. Das Angebot der Angeklagten richtete sich vornehmlich an einen Kundenkreis, der das - für Privatpersonen aufgrund des sog. Monito- rings schwer zu beschaffende - GBL erwerben wollte, um sich damit zu berauschen , ohne zugleich behördlich erfasst zu werden. Demzufolge nahmen die Angeklagten ihren Kunden keine Endverbleibserklärungen ab; sie forderten keinerlei Nachweise, auch nicht bezüglich des Alters ihrer Kunden, sondern gaben das von ihnen vertriebene GBL ohne jegliche Einschränkung an ihre Interessenten ab.
6
In der Zeit vom 4. März 2005 bis 13. Februar 2007 wurde den Angeklagten in acht Fällen GBL in Mengen zwischen 100 und 1.492 Litern geliefert. Die auf diese Weise beschaffte Gesamtmenge von insgesamt 5.699 Litern gaben die Angeklagten bis auf eine Restmenge von 550 Litern, die bei neuerlichen Durchsuchungen ihrer Wohnungen und eines ihrer Lagerräume sichergestellt werden konnte, an ihre Kunden ab, wobei sie das GBL in einer großen Anzahl von Fällen in kleinen Mengen zwischen 0,1 und 1,0 Liter weiterverkauften. Bei insgesamt mehr als 4.000 Verkaufsgeschäften erzielten die beiden Angeklagten einen Erlös von etwa 564.000,-- €. Durch die Einnahme des von den Angeklagten vertriebenen GBL kam es bei einigen Konsumenten, die zum Teil noch minderjährig waren, zu beträchtlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Bewusstseinsverlust , Schwindelgefühlen, Erbrechen oder schwerer Abhängigkeit. Das Landgericht ist zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass diese mit dem Eintritt solcher Folgen bei ihren Abnehmern nicht rechneten bzw. solche nicht billigten.
7
2. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten in dem Tatzeitraum vom 4. März 2005 bis 13. Februar 2007 als ein unerlaubtes Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG in acht Fällen bewertet , wobei es bezüglich der einzelnen Taten nicht auf die Verkaufsgeschäfte zwischen den Angeklagten und ihren privaten Abnehmern, sondern auf die im Tatzeitraum erhaltenen Lieferungen abgestellt hat. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung allerdings verneint, dass es sich bei dem von den Angeklagten vertriebenen GBL nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG (in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung) handelt. Diese Einschätzung hat es darauf gestützt, dass die Substanz nicht nur nach den Vorstellungen des Herstellers, sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung lediglich als Industriechemikalie anzusehen sei. Die Einordnung der Substanz als Arzneimittel ergebe sich jedoch aus der Zweckbestimmung durch die Angeklagten, die das Mittel in erster Linie zur Verwendung als Droge an ihre Kunden abgegeben hätten. Zwar sei die Arzneimitteleigenschaft grundsätzlich objektiv zu bestimmen, es liege vorliegend jedoch einer der Ausnahmefälle vor, bei denen es nur auf eine subjektive Zweckbestimmung ankomme. Da die von den Angeklagten vertriebene Substanz für mehrere Verwendungszwecke geeignet sei, nämlich als Industriechemikalie und zur Erzeugung eines Rauschzustands bei oraler Einnahme, sei für die Einordnung der Substanz als Arzneimittel maßgeblich auf die Zweckbestimmung dessen abzustellen , der ein Mittel in Verkehr bringe. Im vorliegenden Fall komme es daher allein auf die Zweckbestimmung durch die Angeklagten an, die bei der Abgabe des GBL an ihre Kunden dessen Einsatz als Rauschmittel im Auge gehabt hätten.

II.


8
Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, wie der Generalbundesanwalt schon in seinen Antragsschriften vom 19. Juni 2009 zutreffend ausgeführt hat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat - abgesehen von der Aufrechterhal- tung der Sperrfrist hinsichtlich des Angeklagten B. L. - ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere wird der Schuldspruch wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis getragen.
9
Allerdings hat das Landgericht die Arzneimitteleigenschaft des von den Angeklagten vertriebenen Gamma-Butyrolactons (GBL) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF für sich genommen nicht tragfähig begründet. Denn es hat insoweit einen unzutreffenden Maßstab angelegt, als es bei der arzneimittelrechtlichen Einordnung der Substanz allein auf die subjektive Zweckbestimmung durch die Angeklagten abgestellt hat und die Frage, ob es sich bei dem Mittel auch nach der Verkehrsauffassung um ein Arzneimittel handelt, verneint bzw. an anderer Stelle des Urteils offen gelassen hat.
10
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF sind Arzneimittel unter anderem Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Diese Zweckbestimmung richtet sich, was das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, grundsätzlich nach objektiven Kriterien, nämlich der Verkehrsanschauung. Nur im Ausnahmefall, etwa wenn sich die Zweckbestimmung bei neuartigen Substanzen (noch) nicht beurteilen lässt, kann es auf subjektive Kriterien wie den vom Hersteller oder Abgebenden bestimmten Zweck ankommen (vgl. BGHSt 43, 336, 339 f. m.w.N.; BGH NStZ 2008, 530). Ein weiterer Ausnahmefall, in dem eine subjektive Zweckbestimmung erforderlich werden kann, ist auch für solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen bejaht worden, die, wie z.B. Nitroglycerin, sowohl als Arzneimittel als auch zu technischen Zwecken verwendet werden können http://www.juris.de/jportal/portal/t/m6o/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR024480976BJNE002115310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 11 - (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. AMG § 2 Anm. 24; vgl. auch BGHSt 43, 336, 339, insoweit jedoch nicht tragend; Sander, Arzneimittelrecht 46. Lfg. AMG § 2 Erl. 1; Körner, BtMG 6. Aufl. Vorbem. AMG Rdn. 15 u. 49 zur Arzneimitteleigenschaft von Lachgas; jeweils allerdings ohne konkretisierende Begründung). Das Landgericht ist dieser Auffassung gefolgt. Es hat einen solchen Ausnahmefall bei mehreren Verwendungszwecken auch vorliegend angenommen , da die von den Angeklagten vertriebene Substanz nicht nur als Industriechemikalie oder Reinigungsmittel, sondern bei einer Einnahme durch den Menschen auch als Droge eingesetzt werden kann. Obwohl das Landgericht eine Arzneimitteleigenschaft des GBL nach der Verkehrsanschauung verneint bzw. offen gelassen hat, ist es aufgrund des von den Angeklagten bei der Abgabe bestimmten Zwecks, nämlich der Verwendung als Rauschmittel, davon ausgegangen, dass es sich bei GBL um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs.1 Nr. 5 AMG aF handelt.
11
Die genannte Auffassung lässt jedoch außer Acht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Arzneimittelbegriff einer einschränkenden Auslegung bedarf (BVerfG NJW 2006, 2684, 2685). Das Kriterium der subjektiven Zweckbestimmung kann daher bei der Einordnung eines Stoffes oder einer Zubereitung von Stoffen als Arzneimittel nicht zu einer Ausweitung des gesetzlichen Tatbestands führen, sondern angesichts der außerordentlichen tatbestandlichen Weite lediglich zu einer Begrenzung der Strafbarkeit herangezogen werden. Auf diese Weise werden Substanzen, die zwar die von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF geschilderten Wirkungsweisen aufweisen, aber nicht zum Zweck der Einflussnahme auf den menschlichen Körper eingesetzt werden sollen, dem Anwendungsbereich der im Arzneimittelgesetz enthaltenen Strafvorschriften entzogen. Auch dem Rückgriff auf die Vorstellungen des Produkt- herstellers in den Fällen, in denen es an einer Verkehrsanschauung (noch) fehlt, kommt limitierende Wirkung zu (BVerfG aaO).
12
Dieser Begrenzungsfunktion der subjektiven Zweckbestimmung liefe es jedoch zuwider, wenn in Fällen, in denen nach der Verkehrsanschauung objektiv kein Arzneimittel vorliegt, die Einordnung einer Substanz unter den Arzneimittelbegriff und damit auch die Strafbarkeit nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften allein mit der vom Hersteller oder vom Abgebenden zum Ausdruck gebrachten Zweckbestimmung begründet würde. Denn dies würde nicht zu einer Begrenzung, sondern zu einer Erweiterung des Tatbestandes führen, da eine Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz auch dann gegeben wäre, wenn die in den Verkehr gebrachte Substanz nach der Verkehrsanschauung kein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG aF darstellte. Steht daher aufgrund objektiver Kriterien fest, dass ein Stoff bzw. eine Stoffzubereitung zu keinem der in § 2 AMG aF genannten Verwendungszwecke bestimmt ist, kommt ein Rückgriff auf die Zweckbestimmung, die der Hersteller eines Mittels oder derjenige, der es in den Verkehr bringt, diesem Mittel gibt, zur Begründung einer Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz nicht in Betracht.

III.


13
1. Dennoch halten die Schuldsprüche auf der Basis der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Bei der von den Angeklagten vertriebenen Substanz handelt es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF.
14
a) Ob ein Stoff (oder eine Zubereitung aus Stoffen) zu einem der in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF aufgeführten Zwecke bestimmt ist, richtet sich grundsätzlich nach der Verkehrsanschauung. Dabei ist auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers - hier: der am Gebrauch euphorisierend wirkender Mittel Interessierten - abzustellen. Die Verkehrsanschauung knüpft dabei regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Anschauungen der Verbraucher werden weiterhin durch die stoffliche Zusammensetzung eines Erzeugnisses, die pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels, durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft sowie durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise, Gebrauchsanweisungen oder durch die Aufmachung beeinflusst, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt. Von Bedeutung sind schließlich auch der Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber auch die Gefahren aufgrund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch (vgl. BGHSt 46, 380, 383; BGHZ 151, 286, 291; BVerwGE 97, 132, 135; Kloesel/Cyran, aaO AMG § 2 Anm. 20 f.; Körner, aaO Vorbem. AMG Rdn. 12 f.).
15
b) Das Landgericht hat angenommen, dass es sich bei GBL nach der Verkehrsauffassung um eine Industriechemikalie und nicht um ein Arzneimittel handele, und dies damit begründet, dass die Verwendung als Rauschdroge gegenüber der industriellen Verwendung quantitativ unbedeutend sei. Tatsächlich hat die Rechtsprechung bei der Prüfung der Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes darauf abgestellt, wie groß der Anteil der Verbraucher ist, die diesen Stoff als Arzneimittel ansehen (vgl. BGHSt 46, 380, 383 m.w.N.). Dabei ging es je- doch um die anders gelagerte Frage der Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmitteln. In derartigen Fällen kann es gerade deshalb zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, weil sich die Verwendung von Arznei- oder Lebensmitteln bei einer oralen Einnahme äußerlich nicht voneinander unterscheidet. Bei der Beurteilung, ob sich eine Verkehrsauffassung hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes gebildet hat, kann es daher bedeutsam sein, wie viele der Verbraucher den Stoff in die eine oder andere Richtung verwenden wollen.
16
Anders als bei der Einordnung eines Stoffes als Arznei- oder Lebensmittel wird GBL aber nicht einheitlich verwendet. Vielmehr unterscheidet sich die Art und Weise seines Gebrauchs nach dem jeweiligen Verwendungszweck. In der chemischen Industrie wird es in großen Mengen produziert und anderen Stoffen zur Durchführung von chemischen Synthesen oder - in einer geringen Konzentration von lediglich fünf bis zehn Prozent - zur Herstellung von Reinigungs - und Lösungsmitteln zugesetzt. Demgegenüber wird GBL von Personen, die sich damit berauschen wollen, in einer Dosis von wenigen Millilitern und in nahezu reiner Form konsumiert. Da diese unterschiedlichen Verwendungsarten weder qualitativ noch quantitativ vergleichbar sind, kommt es für die Beurteilung einer Verkehrsauffassung nicht auf deren zahlenmäßiges Verhältnis zueinander an. Maßstab kann vielmehr nur die Verwendung innerhalb eines einheitlichen Verkehrskreises sein, in dem das Mittel auf dieselbe Art und Weise gebraucht wird, da nur insoweit eine Vergleichbarkeit der Verwendungsmöglichkeiten besteht. Die quantitative Betrachtungsweise des Landgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass es schon aus Gründen des Gesundheitsschutzes, wie er etwa auch vom Arzneimittelgesetz bezweckt wird (vgl. § 1 AMG), nicht angezeigt ist, bei der Beurteilung einer Verkehrsauffassung allein auf einen zahlenmäßigen Vergleich der unterschiedlichen Verwendungsarten abzustellen. Selbst wenn mehrere zehntausend Tonnen eines Stoffes zu industriellen Zwecken eingesetzt werden, sagt dies für sich genommen noch nichts darüber aus, ob dieser Stoff daneben nicht auch von einer großen Zahl von Verbrauchern zur Anwendung im oder am menschlichen Körper eingesetzt wird, selbst wenn der Umfang des Gebrauchs für diese Anwendung gegenüber dem Umfang der industriellen Verwendung verhältnismäßig gering erscheinen mag. Da sich auch diese Verbraucher durch die Verwendung eines solchen Stoffes einer erheblichen Gefahr für ihre Gesundheit aussetzen können, liefe es den Aspekten des Gesundheitsschutzes zuwider, ihnen diesen Schutz durch das AMG zu versagen, nur weil dieser Stoff quantitativ überwiegend in der Industrie Verwendung findet. Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, dass die Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes freilich nicht schon dadurch begründet wird, dass er von einigen wenigen Verbrauchern, denen die Wirkungsweise des Stoffes bekannt ist, als Rauschmittel verwendet wird. Kennen aber zahlreiche Verbraucher die Wirkungsweise eines Mittels und hat sich eine Verbrauchergewohnheit gebildet, dieses Mittel zu den in § 2 Abs. 1 AMG aF benannten Zwecken zu verwenden, so liegt ein Arzneimittel vor (vgl. Sander, aaO AMG § 2 Erl. 1).
17
c) An diesen Maßstäben gemessen, gilt Folgendes: Nach den Feststellungen des Landgerichts führt die Einnahme von Gamma-Butyrolacton (GBL) bei einem Menschen zu Rauschzuständen, es beeinflusst die Stimmungslage und wirkt euphorisierend, angstlösend und sexuell stimulierend. Der dauerhafte Missbrauch kann zu schweren Abhängigkeitserkrankungen führen, schon geringe Überdosierungen zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung, Atemstillstand, Herz- oder Kreislaufversagen und möglicherweise auch zum Tod des Einnehmenden. Da sich GBL nach der Einnahme im Körper in kurzer Zeit in Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB) umwandelt , dessen Ester es ist, entspricht GBL auch in seiner pharmakologischen Wirkung dieser Droge, die unter dem Namen „liquid ecstasy“ bekannt ist und aufgrund der 16. BtMÄndV vom 28. November 2001 (BGBl. I S. 3338) seit 1. März 2002 dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt. GHB wird nach den Feststellungen des Landgerichts zudem als Wirkstoff in Medikamenten genutzt. So findet sich dieser Stoff in dem Medikament „Somsanit“, einer Injektionslösung für Anästhesiezwecke, und „Xyrem“, das zur Behandlung von Schlafstörungen verwendet wird. Hinzu kommt, dass die berauschende Wirkung von GBL öffentlich bekannt ist. Gerade wegen der Gefahr des Missbrauchs von GBL als Droge oder als Ausgangsstoff zur Herstellung des unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Mittels GHB („liquid ecstasy“) unterwirft sich die chemische Industrie einer freiwilligen Selbstkontrolle durch das sog. Monitoring, indem die Hersteller von ihren Abnehmern Endverbleibserklärungen verlangen.
18
Solche Schutzmaßnahmen sprechen dagegen, dass nur wenige Verbraucher Kenntnis von den Verwendungsmöglichkeiten des GBL als Droge oder als Ausgangsstoff zur Herstellung von Drogen haben und sich der Missbrauch von GBL deshalb nur auf einen geringen Kreis von Anwendern beschränkt. Der Umstand, dass sich zudem im Internet leicht zugängliche Informationen über die Wirkungsweise des GBL finden, spricht ebenfalls dafür, dass diese einem größeren Verbraucherkreis bekannt ist. Auf diese Weise haben auch die Angeklagten ihre Kenntnisse von der berauschenden Wirkung der Substanz erlangt. In „Drogenforen“ im Internet, an denen auch der Angeklagte M. L. mit eigenen Beiträgen aktiv teilgenommen hat, wird nach den Feststellungen des Landgerichts anhaltend über die Verwendung von GBL als Rauschmittel, die dazu angebrachte Dosierung, etwaige Vorsichtsmaßnahmen und insbesondere mögliche Bezugsquellen diskutiert. Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass in einer Pressemitteilung der Zollfahndung in Hamburg vom 28. April 2004 - die im Übrigen auch den beiden Angeklagten vorlag - über Ermittlungen gegen ein Hamburger Unternehmen berichtet worden sei, das eine größere Menge an GBL beschafft habe, das zur Herstellung der synthetischen Droge GHB, besser bekannt unter dem Namen „liquid ecstasy“, verwendet werden könne. Diese Pressemitteilung enthielt zudem einen Text mit der Überschrift „Hintergrund-Info Liquid Ecstasy“, in dem unter anderem auf die pharmakologische Wirkung und die beträchtlichen Gesundheitsgefahren dieser Substanz hingewiesen wurde.
19
Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass es eine Praxis von zahlreichen Konsumenten gibt, GBL aufgrund seiner berauschenden Wirkung als Droge zu verwenden, und sich hierfür auch ein Markt gebildet hat. In diesem Zusammenhang ist es zu sehen, dass nach den landgerichtlichen Feststellungen allein von den Angeklagten im hier relevanten Tatzeitraum etwa 5.000 Liter GBL durch mehr als 4.000 Verkaufsgeschäfte veräußert wurden. Unter Zugrundelegung einer Dosierung von zweieinhalb M illilitern, die regelmäßig noch nicht unmittelbar zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung führt, ergibt sich, dass aus der von den Angeklagten veräußerten verfahrensgegenständlichen Gesamtmenge an GBL mindestens zwei Millionen Konsumeinheiten hätten hergestellt werden können. Angesichts dieser Umstände, namentlich der pharmakologischen Wirkung von GBL und der Möglichkeiten, sich über diese etwa durch Beiträge hierüber im Internet zu informieren, sowie der von dem Landgericht festgestellten beträchtlichen Verkaufszahlen und Mengen an GBL, die von den Angeklagten veräußert wurden, steht fest, dass zahlreichen Verbrauchern die Wirkungsweise von GBL bekannt ist und sich auch ein entsprechender Markt an Konsumenten gebildet hat. Diese Substanz ist daher auch nach der allgemeinen Verkehrsanschauung aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Fall einer oralen Einnahme dazu bestimmt, den seelischen Zustand eines Menschen zu be- einflussen. Demnach handelt es sich aber nicht nur nach der Zweckbestimmung durch die Angeklagten, sondern bereits nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF (so auch Körner, BtMG 6. Aufl. Anhang zum BtMG Teil C 1 Rdn. 615; allgemein zur Einordnung von Psychopharmaka unter den Arzneimittelbegriff vgl. BGHSt 43, 336, 341 m.w.N.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. AMG § 2 Anm. 74).
20
d) Der Umstand, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine Verkehrsauffassung hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft des GBL gebildet hat, einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat, indem es allein auf das zahlenmäßige Verhältnis der unterschiedlichen Verwendungsarten abgestellt hat, erfordert nicht die Aufhebung des Urteils. Die Beurteilung der Verkehrsanschauung ist zwar grundsätzlich tatgerichtliche Aufgabe (vgl. Kloesel/Cyran aaO Anm. 21). Hat das Tatgericht aber bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und sich deshalb - wie im vorliegenden Fall - daran gehindert gesehen, einen Schluss auf deren Bestehen zu ziehen, kann das Revisionsgericht aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen selbst die Schlussfolgerungen ziehen , die sich auch dem Tatgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabes hinsichtlich des Bestehens einer Verkehrsauffassung aufgedrängt hätten , und in der Sache selbst entscheiden. Es kann insoweit nichts anderes gelten , als bei einer - noch weiter gehenden - Schuldspruchänderung zu Lasten eines Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Auch dort kann das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden, wenn das Tatgericht durch umfangreiche Feststellungen eine Tatsachengrundlage geschaffen hat, deren Änderung oder Ergänzung durch eine weitere Beweisaufnahme ausgeschlossen werden kann (BVerfG NStZ 2001, 187, 188; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 12). Solche umfangreichen und rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die dem Senat die Beurteilung ermöglichen, ob sich hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft des GBL eine entsprechende Verkehrsanschauung gebildet hat, liegen hier vor.
21
2. Der Einordnung von GBL als Arzneimittel steht es nicht entgegen, dass aufgrund der 17. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 12. Februar 2002 (BGBl. I S. 612) die Ester von GHB - und damit auch GBL - vom Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen worden sind. Dies hat für eine Strafbarkeit der Angeklagten nach dem Arzneimittelgesetz keine Bedeutung. Die Begriffe Arzneimittel und Betäubungsmittel schließen sich nicht gegenseitig aus. So ergibt sich aus § 81 AMG, dass auf Arzneimittel , die zugleich Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, neben den Vorschriften des AMG auch die des BtMG anwendbar sind. Dieses Zusammenwirken von Betäubungsmittel- und Arzneimittelrecht hat zur Folge, dass der Umgang mit Substanzen, die nicht Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, nur nach den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften straflos ist. Insbesondere eine mögliche Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz bleibt hiervon aber unberührt (vgl. BGHSt 43, 336, 342; Körner, aaO § 1 BtMG Rdn. 12).
22
3. Bei dem von den Angeklagten vertriebenen GBL handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch um ein bedenkliches Arzneimittel gemäß § 5 AMG. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind Arzneimittel bedenklich, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einnahme von GBL kann zu Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung und komatösen Zuständen führen. Durch eine Überdosierung oder eine Einnahme in Verbindung mit geringen Mengen an Alkohol kann es zu einem lebensbedrohlichen Atemstillstand oder zu Herz- oder Kreislaufversagen kommen. Selbst wenn sich die eingenommene Dosis in einem Bereich bewegen sollte, der nicht unmittelbar zu den beschriebenen schweren Gesundheitsschäden führt, macht der dauerhafte Konsum von GBL süchtig. Es kann zu schwerwiegenden Abhängigkeitserkrankungen kommen, mit der Folge, dass Schwerstabhängige die Substanz - auch in der Nacht - stündlich einnehmen müssen, um nicht an starken Entzugserscheinungen zu leiden. Die Angeklagten haben das GBL überwiegend ohne Dosierungsanleitung und ohne Rücksicht auf das Alter oder die Erfahrungen ihrer Kunden mit entsprechenden Mitteln zum Zweck der oralen Einnahme beliebig weiterverkauft, obwohl sie um die gesundheitlichen Gefahren insbesondere bei Überdosierung oder dauerhaftem Gebrauch wussten. Ihre Abnehmer haben die Substanz dementsprechend als Rauschmittel verwendet, so dass vorliegend der bestimmungsgemäße Gebrauch des GBL mit dem auf diesem Markt vorgesehenen Missbrauch gleichzusetzen ist (vgl. BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittel 2).
23
4. Weiter liegt kein Rechtsfehler darin, dass das Landgericht entgegen der von der Staatsanwaltschaft - ausweislich der Urteilsgründe - in ihrem Plädoyer vertretenen Auffassung die beiden Angeklagten nicht jeweils wegen nur einer Tat verurteilt hat. Das Landgericht hat trotz umfangreicher Beweisaufnahme keine konkreten Feststellungen dazu treffen können, ob und in welchem Umfang die Angeklagten durch die jeweiligen Einzellieferungen ihr Depot jeweils vor dessen vollständiger Entleerung aufgefüllt haben. Die Annahme einer Bewertungseinheit setzt aber zumindest konkrete Anhaltspunkte voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 20 m.w.N.). Fehlen solche Anhaltspunkte , wie im vorliegenden Fall, gebietet es auch der Zweifelssatz nicht, eine Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 14 m.w.N.). Andererseits beschwert es die Angeklagten nicht, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Konkurrenzen nicht auf die einzelnen von den Angeklagten getätigten Verkaufsgeschäfte mit ihren privaten Abnehmern abgestellt , sondern hinsichtlich der einzelnen Lieferungen des GBL an die Angeklagten jeweils eine Bewertungseinheit angenommen hat und deshalb lediglich von acht Fällen des unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel ausgegangen ist.
24
5. Das Landgericht hat schließlich mit zutreffender Begründung einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) der beiden Angeklagten verneint. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die Angeklagten, nachdem ihre Wohnungen im Februar 2005 durchsucht worden waren, Rechtsrat hinsichtlich des weiteren Verkaufs von GBL bei ihren zwei damaligen Verteidigern gesucht. Beide Rechtsanwälte hatten den Angeklagten empfohlen, „zur Vorsicht“ wegen einer möglichen Strafbarkeit den Verkauf einzustellen bzw. „von einem solchen Verkauf die Finger zu lassen“. Selbst nach der damaligen Einschätzung des Angeklagten M. L. war eine Abgabe von GBL zu Konsumzwecken strafbar, wie sich einem von ihm stammenden Eintrag vom Januar 2006 in einem „Drogen -Forum“ im Internet entnehmen lässt: „Solange es (das GBL) nicht zur Einnahme abgegeben wurde, passiert dem Verkäufer nichts“ (UA S. 56). Schließlich zeigen auch die Bemühungen der Angeklagten, die Abgabe des GBL zu Konsumzwecken zu verschleiern, indem sie es als Mittel zum Entfernen von Klebstoff („glue-remover“) oder Felgenreiniger („wheel-cleaner“) anboten, dass sie Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden unter allen Umständen vermeiden wollten. Ein solches Vorgehen der Angeklagten setzt damit die gedankliche Auseinandersetzung mit den Grenzen strafbaren Verhaltens voraus und schließt selbst dann, wenn höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorlie- gen, jedenfalls die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen (vgl. BVerfG NJW 2006, 2684, 2686).

IV.


25
Der Senat hat gemäß § 354a StPO geprüft, ob die Neuregelung des Arzneimittelbegriffs durch das am 23. Juli 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1990) eine den Angeklagten günstigere Bewertung zulässt, als dies nach dem bisherigen Arzneimittelbegriff, der auch der Entscheidung des Landgerichts zugrunde liegt, möglich gewesen ist. Nach der Neufassung sind Arzneimittel unter anderem Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG nF). Mit der Neufassung des Arzneimittelbegriffs hat der Gesetzgeber weiter gehend als bisher Elemente der Definition des Arzneimittels nach der Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) und der Richtlinie 2001/82/EG (Gemeinschaftskodex für Tierarzneimittel) in das deutsche Recht überführt. Nach den Gesetzgebungsmaterialien bleiben die Änderungen zwar weitgehend ohne Auswirkungen in der Anwendungspraxis, weil die Kernelemente der bisherigen deutschen und der gemeinschaftsrechtlichen Arzneimitteldefinition übereinstimmen (BTDrucks. 16/12256 S. 41). Für den Bereich der sog. Funktionsarzneimittel (vgl. zum Begriff Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. § 2 AMG Anm. 3) hat der Gesetzgeber aber nunmehr klargestellt, dass es für die Einordnung eines Mittels als (Hu- man-)Arzneimittel allein auf dessen Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper ankommt. Für eine Zweckbestimmung des Mittels nach objektiven Kriterien bleibt insoweit kein Raum mehr. Da durch die Einnahme von GBL die körperlichen und seelischen Zustände eines Menschen beeinflusst werden, kommt diesem Mittel eine pharmakologische Wirkung zu. Nach der Neufassung des Arzneimittelbegriffs handelt es sich bei GBL deshalb um ein (Funktions-)Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Dessen unerlaubte Abgabe an Konsumenten ist daher nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften verboten und unterliegt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG derselben Strafandrohung wie bisher (§ 2 Abs. 1 und 3 StGB). Die Gesetzesänderung lässt daher im Vergleich zur bisherigen gesetzlichen Regelung keine günstigere Bewertung für die beiden Angeklagten zu, so dass im vorliegenden Fall noch von dem Arzneimittelbegriff in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung auszugehen war.

V.


26
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet - wie auch der Generalbundesanwalt , schon in seinen Antragsschriften vom 19. Juni 2009, zutreffend dargelegt hat - ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Lediglich die Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem gegen den Angeklagten B. L. ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 (Az.: ) hat zu entfallen, da sich die bis 4. Juli 2008 bemessene Sperrfrist infolge des Zeitablaufs erledigt hat (BGH NStZ 1996, 433). Wahl Hebenstreit Elf Jäger Sander

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.