Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2017 - 1 StR 112/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:200917U1STR112.17.0
bei uns veröffentlicht am20.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 112/17
vom
20. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:200917U1STR112.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 17. November 2016 aufgehoben
a) im Fall B.II.2. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie
c) hinsichtlich der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. 2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zudem ist dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.
Die Vollstreckung von Strafe und Maßregel hat das Landgericht jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
2
Gegen das Urteil wendet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen gegen Teile des Schuldspruchs sowie insgesamt gegen den Rechtsfolgenausspruch.
3
Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der u.a. an einem Hang zu übermäßigem Konsum von Cannabis und synthetischen Cannabinoiden („Spice“) leidende Angeklagte veräußerte dem später geschädigten Zeugen P. im Herbst 2015 etwa 120 bis 140 g Marihuana auf Kommission. Als Kaufpreis waren 1.200 Euro vereinbart worden. Die Zahlung des entsprechenden Betrags blieb jedoch trotz mehrerer Nachfragen des Angeklagten aus. Selbst seine Drohung gegenüber P. , diesen bei der Polizei mit der Behauptung anzuzeigen, P. habe den Betrag gestohlen, führte nicht zur Zahlung.
6
a) Nachdem mehrere Versuche, den Zeugen P. anzutreffen, erfolglos geblieben waren, begab sich der Angeklagte am Tattag erneut zu diesem, um den Kaufpreis einzufordern. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er den „aus einem Betäubungsmittelgeschäft herrührenden Geldbetrag nicht mit zivilrechtlichen Mitteln würde eintreiben können“. Der Angeklagte weckte den schla- fenden Zeugen in dessen Zimmer auf und fragte, was mit seinem (des Angeklagten ) Geld sei. Als P. antwortete, dieses werde der Angeklagte nicht bekommen , wurde dieser wütend. Er entschloss sichnunmehr, den Zeugen P. durch Anwendung von Gewalt zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises zu bewegen. Er schlug den Geschädigten mit der Faust in das Gesicht, was bei diesem zu einer leichten Schwellung und einem Bluterguss am Auge führte. Als sich der Zeuge P. gegen weitere befürchtete Schläge des Angeklagten wehrte , sprühte dieser Pfefferspray aus einer mitgeführten Dose in Richtung des Geschädigten, ohne diesen allerdings zu treffen. P. gelang es aus dem Zimmer zu fliehen, dessen Tür von außen zu verschließen und telefonisch die Polizei zu informieren (Fall B.II.1. der Urteilsgründe).
7
b) Der Angeklagte entschloss sich seinerseits, durch das Fenster des Zimmers zu entfliehen. Zuvor nahm er jedoch aufgrund eines nunmehr gefassten Tatentschlusses einen im Zimmer aufgefundenen, dem Zeugen P. gehörenden Laptop mit einem Wert von ca. 300 Euro an sich, um ihn auf Dauer zu behalten. Anschließend sprang der Angeklagte mit seiner Beute aus dem Fenster , warf außerhalb des Hauses die Dose mit dem Pfefferspray weg und ließ sich von einem weiteren Zeugen zunächst vom Tatort wegfahren. Kurze Zeit später rief er jedoch selbst bei der Polizei an und kehrte zum Tatort zurück, so dass das Laptop zeitnah wieder an den Geschädigten P. gelangte (Fall B.II.2. der Urteilsgründe).
8
2. Das Landgericht hat den Fall B.II.1. als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie mit versuchter gefährlicher Körperverletzung gewertet und eine dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommene Einzelstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt. Im Fall B.II.2. ist eine Verurteilung wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen erfolgt.

II.


9
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe sowie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
10
a) Die Beschwerdeführerin hat zwar in der Revisionsbegründungsschrift einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. Die Revisionsbegründung lässt jedoch erkennen, dass das Rechtsmittel den Schuldspruch im Fall B.II.1. nicht erfassen soll.
11
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16; vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201 und vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, StRR 2017, Nr. 8, 18). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Wendung, die Ausfüh- rungen zur Begründung erfolgten „erläuternd, nicht einschränkend“ liegt keine umfassende Revision vor. Die Begründung des Rechtsmittels, das erkennbar, wenn auch nicht ausdrücklich ausschließlich zuungunsten des Angeklagten eingelegt ist, enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass auch der Schuldspruch im Fall B.II.1. angefochten werden soll. Dieser bildet vielmehr gerade die Grundlage der von der Beschwerdeführerin insoweit erhobenen Einwendungen gegen die Bemessung der entsprechenden Einzelstrafe.
12
b) Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Bei den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten handelt es sich angesichts der durch die Flucht des Zeugen P. aus dem Zimmer gebildeten Zäsur sowie dem erstanschließend gefassten Tatentschluss zur Wegnahme des Laptops um verschiedene materiell -rechtliche Taten im Sinne von § 53 StGB.
13
c) Mit der ausdrücklichen Beanstandung des Strafausspruchs ist allerdings auch der Maßregelausspruch, zu dem sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht verhält, angefochten. Da die Beschwerdeführerin auch die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung beanstandet , schließt § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB eine getrennte Entscheidung über den Vollzug von Strafe einerseits und Maßregel andererseits aus.
14
2. Der Schuldspruch hält im Fall B.II.2. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht den Angeklagten nicht lediglich wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB, sondern wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB verurteilen müssen.
15
a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tat- mittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 244 Rn. 4; Mitsch, JR 2009, 297, 299) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB], wohl auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377 Rn. 4) handelt. Für die Eigenschaft als „Waffe“ im strafrechtlichen Sinne (zum Begriff grundlegend BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 203 ff.) könnte sprechen, dass mit Pfefferspray gefüllte Dosen als tragbare Gegenstände gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.2.2.) sogar als Waffen im waffenrechtlichen Sinn in Betracht kommen (MünchKommStGB/Heinrich, 2. Aufl., Band 8, WaffG § 1 Rn. 117; Gade/Stoppa, Waffengesetz, Anlage 1 Rn. 105 f.; siehe auch Mitsch aaO). Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (zum Maßstab BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 5 StR 286/12, NStZ 2012, 571 f. mwN; grundlegend Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 57, 257, 269 Rn. 32).
16
b) Aus den zu den Taten und dem Nachtatgeschehen getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des Diebstahls am Laptop bei sich geführt hat. Für dieses Merkmal genügt – wie bei der weitgehend inhaltsgleichen Qualifikation aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 – 1 StR 580/96, BGHSt 42, 368, 371; Fischer aaO § 244 Rn. 27), wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (näher BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16, StraFo 2017, 378 Rn. 7 mwN [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]). Ausweislich des festgestellten tatsächlichen Geschehens zu Tat B.II.1. hatte der Angeklagte das Pfefferspray zeitlich kurz vor dem Diebstahl in Richtung des Zeugen P. eingesetzt. Die Dose mit dem Pfefferspray warf er erst weg, nachdem er mit dem an sich genommenen Laptop aus dem Fenster des vom Zeugen bewohnten Zimmers gesprungen war (UA S. 14). Das belegt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.
17
c) Für die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen kommt es nicht darauf an, dass sich zum Zeitpunkt dieser Tat keine andere Person als der Angeklagte in dem Zimmer aufhielt, nachdem dem Zeugen P. seine Flucht und das Einschließen des Angeklagten gelungen waren. Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, 268 Rn. 30 mwN). Diese erhöhte generelle Gefährlichkeit hat den Gesetzgeber des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (vom 28. Januar 1998, BGBl. I S. 164) veranlasst, den Anwendungsbereich der Qualifikation über die zuvor allein erfassten Schusswaffen hinaus zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 18).
18
d) Da die Aufhebung des Schuldspruchs zu Tat B.II.2. ihren Grund allein in einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung des Landgerichts bei rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat, bleiben diese bestehen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
19
3. Bereits die vorgenannte Aufhebung des Schuldspruchs entzieht der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe insgesamt die Grundlage. Angesichts des gegenüber dem Diebstahl deutlich höheren gesetzlichen Strafrahmens des § 244 Abs. 1 StGB kann der Senat die Verhängung einer höheren Gesamtstrafe nicht sicher ausschließen, wenn das Landgericht die Einzelstrafe für die Tat B.II.2. der Urteilsgründe auf der Grundlage von § 244 StGB zugemessen hätte. Das gilt erst recht angesichts des Umstands, dass die Einzelstrafe von 120 Tagessätzen Geldstrafe lediglich bei Annahme eines minder schweren Falls des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 3 StGB) und unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte verhängt werden können. Vor dem Hintergrund der festgestellten besonderen Umstände der Begehung der Diebstahlstat und des Nachtatverhaltens des Angeklagten wird der neue Tatrichter die Möglichkeit einer Bestrafung aus dem Strafrahmen des minder schweren Falls aber nicht aus dem Blick verlieren.
20
Die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs bei bewährungsweiser Aussetzung der Strafvollstreckung führt wegen der durch § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB hergestellten Verknüpfung auch zur Aufhebung des Ausspruchs über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.
21
4. Der Strafausspruch im Fall B.II.1. der Urteilsgründe enthält keinen durchgreifenden, den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
22
a) Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung bejaht und deshalb die verhängte Einzelstrafe dem Ausnahmestrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen hat.
23
aa) Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. In die damit gebotene Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, NJW 2017, 2776 Rn. 16 mwN, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
24
Die Annahme oder Ablehnung eines (unbenannten) minder schweren Falls durch das Tatgericht unterliegt revisionsgerichtlicher Prüfung – wie die Strafzumessung insgesamt – lediglich auf Rechtsfehler hin (zum Maßstab näher BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, Rn. 64 mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107 und vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, Rn. 64 mwN).
25
bb) Das Landgericht hat seinen Erwägungen zur Anwendung des Ausnahmestrafrahmens in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Gesamtwürdigung sowohl der die Tat als auch die Person des Angeklagten prägenden Umstände zugrunde gelegt. Entgegen der von der Revision erhobenen Beanstandung erschöpft sich diese Würdigung nicht in einer schlichten Aufzählung von Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründen. Vielmehr hat das Landgericht erkennbar eine Gewichtung der berücksichtigten Strafzumessungskriterien vorgenommen, wie sich insbesondere an den Ausführungen zu der Bedeutung der früheren Straffälligkeit des Angeklagten und des Umstandes zeigt, dass die verfahrensgegenständlichen Taten während laufender Bewährung begangen wurden. Soweit der Tatrichter dabei den als Jugendlicher und Heranwachsender begangenen früheren Straftaten des Angeklagten einen deutlich geringeren „Unrechtsgehalt“ (UA S. 21) – offenbar im Vergleich zur Aburteilung auf der Grundlage des allgemeinen Strafrechts – beigemessen hat, erweist sich dies nicht als durchgreifender Rechtsfehler. Der äußere Unrechtsgehalt einer von jugendlichen oder heranwachsenden Tätern verübten Tat unterscheidet sich zwar nicht von dem bei der Tatbegehung durch nicht in den Anwendungsbereich des JGG fallende Täter (vgl. MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., Band 6, JGG § 17 Rn. 20 f.). Allerdings ist das für die Strafzumessung bedeutsame Ausmaß des vorwerfbar, also schuldhaft verwirklichten Unrechts bei jugendlichen und – ggf. (vgl. § 105 Abs. 1 JGG) – heranwachsenden Straftätern unter Berücksichtigung der entwicklungsbedingten Besonderheiten in jugendspezifischer Weise zu bestimmen (BGH, Urteile vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15, NJW 2016, 2050, 2051 und vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, NStZ-RR 2016, 325, 326 mwN). Für die Strafrahmenwahl kommt es aber gerade auf diesen strafzumessungsrelevanten Schuldgehalt früherer Straftatbegehung an.
26
Die Gewichtung der in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellten Strafzumessungskriterien zeigt sich im Übrigen u.a. darin, dass das Landgericht lediglich unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB zum minder schweren Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB gelangt ist.
27
b) Auch die konkrete Strafzumessung innerhalb des Sonderstrafrahmens enthält unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs keine den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
28
Soweit die Revision die Erörterung von einzelnen Umständen, wie etwa den Wert des erstrebten Vorteils, in der Strafzumessung vermisst, liegt kein Rechtsfehler vor. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumes- sungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017, 196).
29
Angesichts dessen erweist sich die nicht ausdrückliche Berücksichtigung des vom Angeklagten erstrebten Vermögensvorteils nicht als rechtsfehlerhaft. Die Beanstandung, das Landgericht habe bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des gemilderten Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB durch Bezugnahme auf die Erwägungen zur Annahme des Sonderstrafrahmens nochmals das Verbleiben der Tat im Versuchsstadium gewertet, dringt ebenfalls nicht durch. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei bei der Strafrahmenwahl unter Hinweis auf § 50 StGB eine weitere Verschiebung des Strafrahmens aus § 250 Abs. 3 StGB über § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgelehnt (UA S. 21/22). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht bei der Einzelstrafe dem vertypten Milderungsgrund dennoch nochmals bestimmenden strafmildernden Einfluss beigemessen hätte.
30
5. Die Teilaufhebungen des Rechtsfolgenausspruchs bedingen keine Aufhebung der jeweils zugehörigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende aber nicht in Widerspruch dazu stehende Feststellungen zu treffen.
31
6. Der Senat weist darauf hin, dass die durch das Tatgericht gewährte Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB sich bei isolierter Prüfung anhand der dafür geltenden Maßstäbe (dazu BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, Rn. 22 ff. mwN) als rechtsfehlerfrei erwiese. Das gilt auch für den Ausschluss des Versagungsgrundes aus § 56 Abs. 3 StGB (zu diesem ebenfalls näher BGH aaO Rn. 29).
Die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB hielte für sich genommen ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Die Aufhebung der insoweit getroffenen Bewährungsentscheidung folgt – wie ausgeführt – allein aus der durch § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB hergestellten Koppelung mit der Aussetzungsentscheidung hinsichtlich der parallel verhängten Freiheitsstrafe.
32
7. Der Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe und der Rechtsfolgenausspruch insgesamt enthalten keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten D. , worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt).
33
a) Durch die Verurteilung im Fall B.II.2. lediglich wegen Diebstahls (§ 242 StGB) statt wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB (oben Rn. 14-17) ist der Angeklagte nicht nachteilig betroffen.
34
b) Die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sind in beanstandungsfreier Weise belegt.
35
aa) Das sachverständig beratene Landgericht hat das Vorliegen eines Hangs aufgrund der Abhängigkeit des Angeklagten von Cannabis und synthetischen Cannabinoiden rechtsfehlerfrei festgestellt. Die bis zur tatrichterlichen Hauptverhandlung bereits absolvierte stationäre Therapie steht der Abhängigkeitserkrankung nicht entgegen.
36
bb) Die Feststellungen tragen die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen den hier verfahrensgegenständlichen Taten und dem Hang des Angeklagten, die genannten berauschenden Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Für diesen Zusammenhang braucht der Hang nicht die alleinige Ursache für die begangenen erheblichen rechtswidrigen Taten zu sein. Es genügt dessen Mitursächlichkeit sowohl für die in der Vergangenheit liegenden Taten als auch für in der Zukunft zu erwartende (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 278 und vom 22. Juni 2017 – 1 StR 652/16, Rn. 20 sowie Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, NStZ-RR 2017, 198). Im Hinblick auf die fraglichen Taten ergibt sich diese Mitursächlichkeit im Ergebnis bereits aus dem Umstand, dass die Tatbegehung in einer Phase intensiven eigenen Drogenkonsums des Angeklagten (vgl. UA S. 5) bei geringen legalen Einkünften erfolgte, um „Forderungen“ aus einem früheren Rauschgiftgeschäft einzutreiben.
37
cc) Die aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft gebotene Aufhebung des Schuldspruchs im Fall B.II.2. entzieht weder der Annahme des symptomatischen Zusammenhangs noch der Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts die Grundlage. Die rechtsfehlerfrei zu dieser lediglich fehlerhaft materiell-rechtlich gewürdigten Tat getroffenen Feststellungen liegen als Anknüpfungstatsachen vor. Bezogen auf die Hauptverhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt für die tatrichterliche Prognose (BGH, Urteil vom 3. August 2017 – 4 StR 193/17, NStZ-RR 2017, 309 Rn. 16 mwN) hat das auch insoweit sachverständig beratene Landgericht die Wahrscheinlichkeit zukünftiger erheblicher Straftaten beanstandungsfrei festgestellt. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringungsentscheidung kommt es wegen der Maßgeblichkeit des genannten Urteilszeitpunkts vorliegend nicht darauf an, ob sich möglicherweise in der aufgrund der Teilaufhebung auf Revision der Staatsanwaltschaft hin erfor- derlichen neuen Hauptverhandlung weitere Erkenntnisse ergeben können, die an sich auch für die Voraussetzungen des § 64 StGB relevant wären. In anderen Konstellationen zur Bewährung ausgesetzter Freiheitsstrafe und kumulativ erfolgter Unterbringung gemäß § 64 StGB, etwa bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung durch einen Beschwerdeführer, kann Anderes gelten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 2 StR 29/12, NStZ-RR 2012, 202, 203).
38
Ein hinreichend sicherer Therapieerfolg bei dem Angeklagten wird im angefochtenen Urteil ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt.
Raum Jäger Radtke RinBGH Dr. Fischer ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Bär

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(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 1 Gegenstand und Zweck des Gesetzes, Begriffsbestimmungen


(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. (2) Waffen sind 1. Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und2. tragbare Gegenstände, a) die ihr

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


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Strafgesetzbuch - StGB | § 244 Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel b

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

Strafgesetzbuch - StGB | § 67b Aussetzung zugleich mit der Anordnung


(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßrege

Strafgesetzbuch - StGB | § 50 Zusammentreffen von Milderungsgründen


Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Apr. 2015 - 3 StR 638/14

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 6 3 8 / 1 4 vom 16. April 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzender R

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Referenzen

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
3
Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
4
Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
5
2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
10
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
11
Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
12
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
13
Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


14
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
15
1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
16
Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
17
Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
18
2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
19
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 545/16
vom
22. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220217U5STR545.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt S.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Rau1 bes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der 25 Jahre alte Angeklagte, der keinen Beruf erlernt und zuletzt So3 zialleistungen bezogen hat, konsumierte bereits in seiner Jugend Cannabis.
Seit 2012 nahm er, zunächst an Wochenenden, zusätzlich Speed, Ecstasy und Kokain zu sich. Etwa Ende Februar 2016 verlor seine damalige Lebensgefährtin das erwartete gemeinsame Kind durch Fehlgeburt. Spätestens nach diesem Verlust, der ihn sehr belastete, hatte der Angeklagte seinen Betäubungsmittelkonsum nicht mehr unter Kontrolle. Er steigerte insbesondere die Einnahme von Amphetamin und Kokain und gab für diese Drogen nahezu täglich 50 Euro aus. Dadurch verschuldetete er sich in erheblicher Höhe bei seinen Rauschgiftlieferanten , die ihm bedeuteten, dass er vor einem Erhalt weiterer Drogen zunächst seine Schulden abtragen müsse.
Als er über kein Rauschgift und kein Geld mehr verfügte, entschloss sich
4
der Angeklagte, um neue Drogen kaufen zu können, die Filiale eines Einkaufsmarktes zu überfallen. Bewaffnet mit einer mit Gaspatronen geladenen Pistole begab er sich am 21. März 2016 kurz vor Geschäftsschluss in diesen Einkaufsmarkt und verbarg sich maskiert zunächst in der Damentoilette. Als eine Mitarbeiterin den Raum betrat, bedrohte der Angeklagte sie mit der Pistole und fesselte sie mit einem mitgeführten Klebeband. Er ließ sie im Toilettenraum zurück und traf auf dem davor liegenden Gang auf einen Filialmitarbeiter, den er ebenfalls mit der Pistole bedrohte und fesselte. Sodann begegnete der Angeklagte einem Sicherheitsbediensteten. Als dieser die ihm vom Angeklagten vorgehaltene Pistole abzuwehren versuchte, schoss der Angeklagte ihm aus 20 bis 30 cm Entfernung mit der Pistole gezielt gegen die Stirn, wodurch der Zeuge unter anderem eine Platzwunde erlitt. Auf seinem anschließenden Weg zu den Büroräumen bedrohte der Angeklagte einen weiteren Mitarbeiter des Einkaufsmarktes mit der Pistole. Im Kassenbüro angekommen hielt er der mit der Abrechnung befassten Mitarbeiterin die Pistole vor und ergriff eine Tüte mit dem Kassenbestand von 13.600 Euro. Anschließend bedrohte er mit seiner Waffe zwei weitere Mitarbeiter, bevor er mit der Beute den Einkaufsmarkt verließ. Das erbeutete Geld verwandte der Angeklagte zur Tilgung seiner Schulden bei seinen Drogenlieferanten und zum Erwerb von Betäubungsmitteln.
2. Das sachverständig beratene Landgericht hat in Übereinstimmung mit
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der psychiatrischen Sachverständigen nicht ausschließen können, dass der Angeklagte bei der Tat aus Angst vor Entzugserscheinungen im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gehandelt habe. Der Angeklagte sei polytoxikoman abhängig von Amphetaminen, Ecstasy und Kokain gewesen und habe unter einem Suchtdruck gelitten, der ihn die Betäubungsmittel täglich konsumieren ließ. Er habe für die Vergangenheit eine deutliche Entzugssymptomatik geschildert. Auch während des Tatgeschehens habe der Angeklagte gezittert. Nicht ausschließbar sei sein Zittern während des Tatgeschehens auf einen Entzug zurückzuführen.
Dementsprechend hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl unter
6
Verbrauch des Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen.

II.


Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
7
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
8
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Auf9 hebung des angefochtenen Urteils gestellt. Auch hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts dargelegt, dass die der allgemeinen Sachrüge nachfolgenden Ausführungen nur beispielhaft erfolgten. Jedoch hält die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht zu Unrecht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten angenommen und ihn unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt habe.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün10 dung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88, 89 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel weder den Schuld- noch den Maßregelausspruch angreifen will.
2. Die Beurteilung des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Ange11 klagten sei erheblich vermindert gewesen, und die sich maßgeblich auf diesen Strafmilderungsgrund stützende Strafrahmenwahl halten der sachlichrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei
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Beschaffungsdelikten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit unter Umständen auch dann erheblich vermindert sein, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 2012 – 1StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54, und vom 20. August 2013 – 5 StR 36/13, NStZ-RR 2013, 346, 347 mwN). Dieser zunächst in Bezug auf Heroinabhängigkeit entwickelte Grundsatz (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1989 – 5 StR 175/89, NJW 1989, 2336) ist trotz unterschiedlicher Entzugsfolgen auch bei einer Koka- inabhängigkeit für ausnahmsweise anwendbar gehalten worden (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12 aaO), bei der körperliche Entzugssymptome in der Regel geringer ausgeprägt sind.
Für die Beurteilung, ob Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheb13 lichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem betäubungsmittelabhängigen Täter geführt hat, ist insbesondere auf die konkrete Erscheinungsform der Sucht abzustellen. Auch deren Verlauf und die suchtbedingte Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens sind in die Gesamtwürdigung des Zustands einzubeziehen (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05 aaO). Ob bei Betäubungsmittelabhängigkeit aufgetretene Entzugserscheinungen oder Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, ist eine Frage, die das Tatgericht zu entscheiden hat; hierbei steht ihm ein nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbarer Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03).

b) Diesen Vorgaben trägt das angefochtene Urteil noch hinreichend
14
Rechnung. Sein Ergebnis, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen seiner Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen erheblich vermindert gewesen, hält sich noch innerhalb der ihm eingeräumten Grenzen.
3. Auch bei der konkreten Strafzumessung ist dem Tatgericht kein
15
Rechtsfehler unterlaufen.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 47/17
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR47.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 4. August 2016 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 10. März 2015 kurz vor 20.00 Uhr aufgrund eines spontanen Entschlusses maskiert mit einer Sturmhaube unter Verwendung einer ungeladenen Soft-Air-Pistole eine ihm bis dahin unbekannte Tankstelle. Zum Zeitpunkt des Überfalls befanden sich eine Kassiererin und der Betreiber der Tankstelle in dem Verkaufsraum. Eingeschüchtert von der Drohung mit der von ihr für echt gehaltenen Scheinwaffe händigte die Kassiererin dem Angeklagten 200 bis 300 Euro "Wechselgeld" aus. Mehr Geld befand sich nicht in der Kasse, weil der Betreiber kurz zuvor die Tageseinnahmen in den Tresor verbracht hatte. Die Geschädigten haben keine psychischen Schäden davon getragen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
4
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
5
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
6
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; zuletzt BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel nicht den Schuldspruch angreifen will.
7
2. Die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
8
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16).
9
b) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung Bestand.
10
Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. So hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser sich geständig eingelassen, sich in der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und seine Tat bereut hat, dass die Tat nicht langfristig geplant und die Beute mit maximal 300 Euro eher gering war.
11
Dagegen abgewogen hat die Strafkammer die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten - Einstellungen, Weisungen und Auflagen nach dem JGG sowie eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" - sowie den Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat unter laufender Bewährung begangen habe. Relativiert werde das Gewicht der strafrechtlichen Vorbelastungen dadurch, dass es sich um nicht einschlägige, schon länger zurückliegende jugendtümliche Verfehlungen handele.
12
Hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht aus dem Blick verloren haben könnte, dass sich der Angeklagte von dem Überfall eine höhere Beute erhofft hatte. Im Übrigen ist dem Generalbundesanwalt zwar zuzugeben, dass die Strafkammer die genauen Tatumstände der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Mühlhausen vom 3. Januar 2013 wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" nicht mitteilt, so dass der Schluss auf jugendtümliche Verfehlungen nicht im Einzelnen belegt ist. Allerdings ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass Tatzeit bereits der 4. Januar 2010 war und auf den damals 18 Jahre alten Angeklagten noch Jugendstrafrecht angewandt worden ist. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass sich das Versäumnis der Strafkammer durchgreifend zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal die zweijährige Bewährungszeit aus diesem jugendrichterlichen Urteil vom 3. Januar 2013 bei Tatbegehung in dieser Sache am 10. März 2015 - nach den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - bereits abgelaufen war, so dass ihm nicht zur Last gelegt werden kann, er habe die Tat während laufender Bewährung begangen.
13
3. Das Urteil ist im Strafausspruch auch nicht gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben. Dass die Strafkammer - hätte sie ein Bewährungsversagen nicht angenommen - eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, schließt der Senat aus.
14
4. Die Bewährungsentscheidung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
15
a) Auch die Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung , dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider läuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107, 108).
16
b) Das Landgericht hat dem Angeklagten, der über gefestigte soziale Beziehungen verfügt, eine günstige Sozialprognose gestellt und dabei besondere Umstände in der Tat und in seiner Persönlichkeit festgestellt. So ist der Angeklagte bemüht, den im Jahre 2010 durch seine Brandstiftung verursachten Schaden von über 50.000 Euro durch erhöhte Arbeitsanstrengungen wieder gutzumachen. Zudem setzt er sich intensiv mit der verfahrensgegenständlichen Straftat auseinander. Soweit die Revision beanstandet, die Strafkammer habe das Bewährungsversagen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, übersieht sie auch hier, dass die zweijährige Bewährungszeit aus dem jugendrichterlichen Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen nach den für den Senat allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen bei Tatbegehung in dieser Sache bereits abgelaufen war. Ungeachtet eines möglicherweise noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe ist der Angeklagte damit kein "Bewährungsversager" (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11; BGH, Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91). Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube
22
Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätzlich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2007 – 4 StR 557/06, NStZ-RR 2007, 232, 233, und vom 21. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 110 mwN).

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 186/12
vom
12. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 12. Juni
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Januar 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten schweren Raubes" in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und hat zudem den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Angeklagte hat sich aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht, da er bei der Tat Pfefferspray und somit ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwendete. Wie sich insbesondere aus der Strafzumessung des angefochtenen Urteils ergibt, ist auch das Landgericht davon in zutreffender Weise ausgegangen, ohne dies aber im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt , weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
2. Die straferschwerende Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte "den angestrebten Taterfolg nicht nur durch das bloße Entreißen der Handtasche, sondern unter Einsatz des Pfeffersprays […] zu erreichen" versuchte , verstößt gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB) und führt daher zur Aufhebung des Strafausspruchs. Dabei kann dahinstehen, ob eine strafschärfende Verwertung des Pfeffersprayeinsatzes unter dem Gesichtspunkt rechtsfehlerfrei wäre, dass nicht nur die Wegnahme ermöglicht, sondern zudem die Identifizierung des Angeklagten als Täter erschwert werden sollte; denn die Kammer hat bei der Strafzumessung nicht allein auf den - im Übrigen durch die Feststellungen und die Beweiswürdigung nicht näher belegten - letztgenannten Aspekt abgestellt, sondern ausdrücklich auch darauf, dass die Verwendung des Pfeffersprays die Wegnahme habe erleichtern sollen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
4
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die möglichen Auswirkungen der festgestellten depressiven Störung des Angeklagten und der damit einhergehenden Medikamenteneinnahme auf dessen Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - näher in den Blick zu nehmen und im Urteil zu erörtern sind. Indes berührt dies den Schuldspruch nicht, da eine Aufhebung der Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB nach den Feststellungen nicht in Betracht kommt. Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Dieses Gesetz regelt den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

(2) Waffen sind

1.
Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und
2.
tragbare Gegenstände,
a)
die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;
b)
die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.

(3) Umgang mit einer Waffe oder Munition hat, wer diese erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, damit schießt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt. Umgang mit einer Schusswaffe hat auch, wer diese unbrauchbar macht.

(4) Die Begriffe der Waffen und Munition sowie die Einstufung von Gegenständen nach Absatz 2 Nr. 2 Buchstabe b als Waffen, die Begriffe der Arten des Umgangs und sonstige waffenrechtliche Begriffe sind in der Anlage 1 (Begriffsbestimmungen) zu diesem Gesetz näher geregelt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 186/12
vom
12. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 12. Juni
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Januar 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten schweren Raubes" in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und hat zudem den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Angeklagte hat sich aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht, da er bei der Tat Pfefferspray und somit ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwendete. Wie sich insbesondere aus der Strafzumessung des angefochtenen Urteils ergibt, ist auch das Landgericht davon in zutreffender Weise ausgegangen, ohne dies aber im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt , weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
2. Die straferschwerende Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte "den angestrebten Taterfolg nicht nur durch das bloße Entreißen der Handtasche, sondern unter Einsatz des Pfeffersprays […] zu erreichen" versuchte , verstößt gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB) und führt daher zur Aufhebung des Strafausspruchs. Dabei kann dahinstehen, ob eine strafschärfende Verwertung des Pfeffersprayeinsatzes unter dem Gesichtspunkt rechtsfehlerfrei wäre, dass nicht nur die Wegnahme ermöglicht, sondern zudem die Identifizierung des Angeklagten als Täter erschwert werden sollte; denn die Kammer hat bei der Strafzumessung nicht allein auf den - im Übrigen durch die Feststellungen und die Beweiswürdigung nicht näher belegten - letztgenannten Aspekt abgestellt, sondern ausdrücklich auch darauf, dass die Verwendung des Pfeffersprays die Wegnahme habe erleichtern sollen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
4
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die möglichen Auswirkungen der festgestellten depressiven Störung des Angeklagten und der damit einhergehenden Medikamenteneinnahme auf dessen Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - näher in den Blick zu nehmen und im Urteil zu erörtern sind. Indes berührt dies den Schuldspruch nicht, da eine Aufhebung der Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB nach den Feststellungen nicht in Betracht kommt. Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 StR 286/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am am 21. Juni 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 7. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1a und b der Urteilsgründe wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen verurteilt wurde;
b) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist;
c) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollziehung von einem Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilungen wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB) haben keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte mit „zwei mitge- brachten Schraubendrehern“ ein Fenster auf,um in die Geschäftsräume einer Firma zu gelangen, aus denen er eine LED-Lampe entwendete. Kurze Zeit später begab er sich zu den Geschäftsräumen einer weiteren Firma und schlug zwei Glasschiebetüren zum Lagerraum ein oder hebelte sie auf. Er trug anschließend einen Wandtresor mit über 7.000 € hinaus, wobei er die „verwendeten Schraubendreher gebrauchsbereit bei sich führte“.
4
b) Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Erfüllung des Tatbestands von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zu belegen. Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 – und vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437; Urteil vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, StV 2010, 628), etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug. Solche Feststellungen zur objektiven Gefährlichkeit hinsichtlich der Beschaffenheit der als Einbruchswerkzeug mitgeführten Schraubendreher hat das Landgericht nicht getroffen. Es grenzt diese – ohne sie näher zu beschreiben – nicht von „sonstigen Werkzeugen“ in Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB ab, bei denen eine Verwendungsabsicht des Täters zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist.
5
2. Auch das Konkurrenzverhältnis im Fall II.2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwendete der Angeklagte in einem Kaufhaus ein Notebook, schlug auf der Flucht einem ihn verfolgenden Kaufhausdetektiv mit der Faust ins Gesicht und setzte Pfefferspray gegen ihn ein, um sich den Besitz des Diebesgutes zu erhalten. Als er die zwischenzeitlich eingetroffenen Polizeibeamten bemerkte, ergriff der Angeklagte das vorübergehend abgelegte Notebook und floh weiter. Gegen die ihn ergreifenden Polizeibeamten setzte sich der Angeklagte mit körperlicher Gewalt zur Wehr.
7
b) Die Wertung des Landgerichts, dass der besonders schwere räuberische Diebstahl in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte steht, ist rechtsfehlerhaft. Die Beutesicherungsabsicht dauerte auch bei der Festnahme des Angeklagten fort, so dass tateinheitliche Begehung (§ 52 StGB) vorliegt.
8
c) Der Senat stellt daher den Schuldspruch entsprechend um. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
9
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche und die Schuldspruchänderung haben den Wegfall der Einzelstrafaussprüche und der – entgegen der Dar- stellung in den Urteilsgründen nicht „eng zusammengezogenen“ – Gesamt- freiheitsstrafe zur Folge.
10
4. Der Senat hebt auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf, weil die Erwägungen des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern sind.
11
Die Strafkammer geht zutreffend von einem Hang des Angeklagten aus, zur Befriedigung seiner langjährigen Suchtmittelabhängigkeit schwerwiegende Straftaten zu begehen. Die von ihr angenommene hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) ist aber nicht ausreichend begründet. Das Landgericht legt lediglich dar, dass die Unwilligkeit des Angeklagten, sich im Maßregelvollzug therapieren zu lassen, einer Unterbringungsanordnung nicht entgegensteht. Unerörtert bleibt hingegen , ob überhaupt eine konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren. Der Angeklagte hat seit 1996 eine Vielzahl von Entwöhnungsbehandlungen absolviert und ist stets wieder rückfällig geworden. Auch eine 2003/2004 durchgeführte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt blieb nach neun Monaten ohne Erfolg und wurde für erledigt erklärt. Es versteht sich daher nicht von selbst, dass eine erneute Maßregelanordnung einen Erfolg erzielen könnte.
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32
b) Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB muss somit allein auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden. Dabei ist indes nicht zu verkennen , dass gegen diesen Ansatz und die in seinem Rahmen vertretenen einzelnen Auffassungen durchaus gewichtige Argumente vorgebracht werden können. So kann etwa die Bestimmung eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach rein objektiven Kriterien in Anbetracht der zahlreichen in Betracht kommenden Gegenstände zu einer schwer kalkulierbaren Einzelfallkasuistik führen, bei der zudem die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen offenkundig ist. Hinzu kommt, dass im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen vor allem zu sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB, aber auch etwa zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder zum Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) im Hinblick auf die hierzu regelmäßig verwendeten Einbruchswerkzeuge aufgeworfen werden können. Jedoch lassen aus den dargelegten Gründen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck des Gesetzes keinen Raum für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Die sich hieraus ergebenden Misslichkeiten sind gegebenenfalls durch eine adäquate Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Bis zu einer derartigen gesetzlichen Neuregelung wird es indes für besondere Sachverhaltsvarianten - soweit nach den anerkannten Auslegungskriterien möglich - weiterer Präzisierungen des Tatbestandes durch die Rechtsprechung bedürfen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

7
a) Das für den Qualifikationstatbestand gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in beiden Varianten objektiv erforderliche Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes liegt dann vor, wenn der Täter derartige Waffen oder Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 StR 246/16, Rn. 13; Beschlüsse vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13; vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, NStZ 2015, 349 und vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14 Rn. 2 [in NStZ-RR 2015, 77 nur redaktioneller LS] jeweils mwN). Hierfür genügt es, dass die Schusswaffe bzw. der gefährliche Gegenstand dem Täter in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung steht (näher BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 – 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10 mwN und S. 13 f.; Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13), d.h. diese sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2012 – 4 StR 246/16, Rn. 13; Beschluss vom 5. April2016 – 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13 mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, NStZ 2015, 349 mit Praxiskommentar Volkmer und vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14 Rn. 2 [in NStZ-RR 2015, 77 nur redaktioneller LS]). Ein Tragen der Waffe oder des Gegenstandes am Körper ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 21. März 2000 – 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 StR 203/10, NStZ 2011, 99); es genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, NStZ 2015, 349).

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

32
b) Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB muss somit allein auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden. Dabei ist indes nicht zu verkennen , dass gegen diesen Ansatz und die in seinem Rahmen vertretenen einzelnen Auffassungen durchaus gewichtige Argumente vorgebracht werden können. So kann etwa die Bestimmung eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach rein objektiven Kriterien in Anbetracht der zahlreichen in Betracht kommenden Gegenstände zu einer schwer kalkulierbaren Einzelfallkasuistik führen, bei der zudem die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen offenkundig ist. Hinzu kommt, dass im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen vor allem zu sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB, aber auch etwa zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder zum Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) im Hinblick auf die hierzu regelmäßig verwendeten Einbruchswerkzeuge aufgeworfen werden können. Jedoch lassen aus den dargelegten Gründen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck des Gesetzes keinen Raum für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Die sich hieraus ergebenden Misslichkeiten sind gegebenenfalls durch eine adäquate Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Bis zu einer derartigen gesetzlichen Neuregelung wird es indes für besondere Sachverhaltsvarianten - soweit nach den anerkannten Auslegungskriterien möglich - weiterer Präzisierungen des Tatbestandes durch die Rechtsprechung bedürfen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

16
aa) Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfül- lung des Qualifikationstatbestands beschreibt (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch allein die Erfüllung des Qualifikationstatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze verläuft, hat in erster Linie der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie „annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge“ (vgl. BGH,Beschluss vom 14. März 2017 – 4 StR 533/16), beim zweieinhalbfachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141), bei der dreifachen nicht geringen Menge (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) liegt, oder ob die Bagatellgrenze bei Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um ein Drittel (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 4 StR248/16 Rn. 31) noch eingehalten ist, kann hier offen bleiben. Bei einem Handeltreiben mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge handelt es sich jedenfalls nicht um eine derart geringe Überschreitung des Grenzwerts, dass diese Tatsache gemäß § 46 Abs. 3 StGB aus der Gesamtschau aller Strafzumessungsgründe ausscheiden müsste.
64
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 414/15
vom
12. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:120116U1STR414.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 28. April 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 7. Mai 2014 verhängten Einzelstrafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen Steuerhinterziehung in sieben weiteren Fällen zu einer weiteren Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.

I.


2
Sämtliche Steuerhinterziehungen stehen im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit des Angeklagten, dem Handel mit Navigationsgeräten für PKWs. Für die - nun einbezogenen - sieben Steuerhinterziehungen hatte das Amtsgericht Braunschweig Einzelstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr verhängt, eine Gesamtstrafe von zwei Jahren gebildet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafkammer hat für die ersten vier Steuerhinterziehungen Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr verhängt und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Verurteilung des Amtsgerichts Braunschweig und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe auf eine solche von zwei Jahren erkannt. Aus den weiteren sieben Taten, für die sie Freiheitsstrafen zwischen zwei Monaten und einem Jahr und zwei Monaten verhängt hat, wurde eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gebildet. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Strafzumessung der Einzelstrafen, der Gesamtfreiheitsstrafen sowie deren Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung.

II.


3
Die Revision ist unbegründet. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand. Die Strafrahmenwahl ist fehlerfrei. Das Landgericht hat mit seiner Einzel- und Gesamtstrafbemessung sowie der Strafaussetzung zur Bewährung den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht unterschritten.
4
1. Die Strafzumessung der angegriffenen Einzelstrafaussprüche ist ohne Rechtsfehler. Die Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die zu Gunsten des Angeklagten getroffene Strafzumessungserwä- gung der Strafkammer, der Angeklagte sei „aufgrund des im Falle einer zu voll- streckenden Freiheitsstrafe zu erwartenden Verlusts seines Arbeitsplatzes be- sonders strafempfindlich“ (UA S. 52), ist nicht rechtsfehlerhaft.
6
Zwar trifft es zu, dass nachteilige Folgen für den Täter in der Regel nicht strafmildernd berücksichtigt werden dürfen, wenn er bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst - zwar nicht gewollt, aber bewusst - auf sich genommen hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - 2 StR 168/05, wistra 2005, 458). Der Verlust seiner selbstständigen Tätigkeit, während deren Ausübung sich der Angeklagte der Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, durfte daher nicht als Strafmilderungsgrund herangezogen werden. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs aber hat die Strafkammer auch nicht herangezogen. Vielmehr hat sie den zu erwartenden Verlust seiner abhängigen Beschäftigung berücksichtigt, die er am 28. März 2015 und damit erst nach der Verhaftung im vorliegenden Verfahren bei einem Zulieferer der Automobilindustrie begonnen hat (UA S. 8, 57). Diese berufliche Folge durfte die Strafkammer strafmildernd berücksichtigen; denn dieser Nachteil war bei Begehung der Steuerstraftaten nicht absehbar.
7
b) Die von der Strafkammer als strafmildernd gewertete Erwägung, bei der Art und Weise der Begehung der Taten sei eine besonders geringe kriminelle Energie zum Ausdruck gekommen, weil der Angeklagte „in dem Wissen, dass Ermittlungen gegen ihn geführt wurden (Taten 1 - 4) bzw. er unmittelbar zuvor wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war und er im Falle der Nichtabgabe von Steuererklärungen mit einem Widerruf der Strafaussetzung aufgrund eines Verstoßes gegen die Weisung aus dem Bewährungsbeschluss zu rechnen hatte (Taten 5 - 11) sein eigen programmiertes Rechnungserstellungssystem , aus dem sämtliche Geschäftsvorfälle für die Steuerfahnder einfach abzulesen waren, weiterverwendet und gleichwohl keine Steuererklärun- gen abgegeben“ hat (UA S. 52), erweist sich unter keinem der Kontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung durch das Revisionsgericht unterliegenden rechtlichen Gesichtspunkt als rechtfehlerhaft.
8
aa) Die Staatsanwaltschaft hat diese Erwägung mit der Begründung beanstandet , der Straftatbestand der Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setze keine aktive Begehungsform voraus, sondern knüpfe an ein pflichtwidriges Unterlassen in Gestalt der Nichtabgabe der Steuererklärung an und nicht an eine diesem vorgelagerte Handlung. Deswegen sei in dieser strafmildernden Erwägung der Strafkammer eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots des § 46 Abs. 3 StGB zu sehen.
9
bb) Es kann dahinstehen, ob das in § 46 Abs. 3 StGB statuierte Doppelverwertungsverbot in Einzelfällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 50 StGB auch einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründen kann. Die Anwendung von § 46 Abs. 3 StGB mag in den Fällen in Betracht zu ziehen sein, in denen Tatbestandsmerkmale eine mildernde Tendenz aufweisen. Ein solcher Rechtsfehler liegt hier aber nicht vor. Das Landgericht hat mit der von der Revision beanstandeten Strafzumessungserwägung nicht an Merkmale des verwirklichten Tatbestandes gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO angeknüpft. Die Strafkammer hat nämlich maßgeblich auf die nach ihrer Wertung bei der Art und Weise der Begehung der Taten zum Ausdruck gekommene besonders geringe kriminelle Energie abgestellt. Dabei handelt es sich nicht um ein „Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes“ im Sinne von § 46Abs. 3 StGB, sondern um die Berücksichtigung eines von § 46 Abs. 2 StGB gerade vorgesehenen Straf- zumessungsgesichtspunktes. Dessen Anwendung weist keinen der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegenden Fehler auf.
10
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB bildet die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Aus § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB folgt das Gebot einer umfassenden Würdigung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände. Der bei der Tat aufgewendete Wille und die Art der Tatausführung sind in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB beispielhaft benannte Umstände zur Bemessung der Schuld. Beide Umstände kennzeichnen ggf. die große kriminelle Intensität, mit der ein Täter sein Ziel verfolgt. Diese der Tat regelmäßig vorgelagerten oder sie begleitenden Umstände können die Schuld des Täters charakterisieren (BGH, Urteil vom 14. Februar 1996 - 3 StR 445/95, BGHSt 42, 43, 44) und dürfen daher in der Strafzumessung verwendet werden. Das Doppelverwertungsverbot verbietet es dem Gericht nicht, bei der Strafzumessung die Modalitäten der Tatausführung im konkreten Fall, hier also die „Art der Ausführung“ und den „bei der Tat aufgewendete(n) Wille(n)“ (§ 46 Abs. 2 StGB) als Strafzumes- sungsgrund heranzuziehen. Die dem Unterlassen des Angeklagten vorgelagerten Umstände zieht die Strafkammer in ihren Strafzumessungserwägungen heran.
11
cc) Die durch die Strafkammer vorgenommene Wertung des Ausmaßes der aufgewendeten kriminellen Energie als gering und die dafür angeführte Begründung hält revisionsgerichtlicher Kontrolle stand.
12
Es ist Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN).
13
Zu der dem Tatrichter aufgegebenen, lediglich der beschriebenen eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegenden Strafzumessung gehört auch die Bewertung, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich ist und welche Bewertungsrichtung ihm gegeben wird (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350). Auch die Bestimmung der Bewertungsrichtung eines vom Tatrichter als zumessungserheblich betrachteten Umstands prüft das Revisionsgericht lediglich auf Vertretbarkeit. Bei diesem Maßstab ist die Annahme der Strafkammer, eine vollständige oder leicht zu vervollständigende Buchhaltung - wie vorliegend beim Angeklagten - deute auf eine geringere kriminelle Energie hin, nicht zu beanstanden.
14
2. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
15
a) Die Strafkammer durfte bei der Begründung der Gesamtfreiheitsstrafen auf die den Einzelstrafen zu Grunde liegenden Strafzumessungserwägungen Bezug nehmen. Zwar müssen bei diesem Zumessungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in einer Gesamtschau erneut berücksichtigt werden; jedoch ist nicht in jedem Fall eine ausdrückliche Wiederholung in den Urteilsgründen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 - 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 - 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung

4).

16
Die Strafkammer hat es vorliegend nicht bei einer Bezugnahme bewenden lassen, sondern hat zusätzliche Strafzumessungserwägungen getroffen. Sie hat auf das Gesamtgewicht der Taten abgestellt und berücksichtigt, dass alle Taten in einem situativen Kontext standen, also alle im Zusammenhang mit der damaligen gewerblichen Tätigkeit des Angeklagten und in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum - sowie einzelne Taten unter laufender Bewährung - begangen wurden, und der Gesamtsteuerschaden bei den jeweiligen Gesamtstrafen beträchtlich ist. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine darüber hinausgehende „Begründungstiefe“ ist, anders als die Staatsanwaltschaft meint, nicht zu fordern.
17
b) Hinweise darauf, dass die Gesamtfreiheitsstrafen deshalb jeweils die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen, um sie zur Bewährung aussetzen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321 f.), lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
18
c) Nach den Urteilsgründen ist auszuschließen, dass die Strafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbemessung bei Steuerschäden über einer Million übersehen haben könnte. Nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt „bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe“ eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 86).
19
Der Gesamtsteuerschaden betrug bei den beiden Gesamtstrafen 682.485 Euro bzw. 232.804 Euro. Die Kammer hat hierzu ausgeführt, dass sie sich bewusst sei, dass auch bei „unter der Millionengrenze liegenden Hinterzie- hungsbeträgen eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren in Betracht kommt, wenn die Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen“ (UA S. 56). Die Kammer habe, nachdem aufgrund der Zäsurwirkung der Vorverurteilung (UA S. 55) zwei Gesamtstrafen zu bilden waren, „ihren Blick auch auf die Schuldangemessen- heit des Gesamtstrafmaßes gerichtet und dabei insbesondere auch den Gesamtschaden von 915.289 Euro berücksichtigt“.
20
In Anbetracht dieser Umstände verfehlen die verhängten und durchaus milden Strafen ihre Funktion eines gerechten Schuldausgleichs nicht.
21
3. Der Revision bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie sich gegen die Aussetzung der erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung wendet.
22
Wie die Strafzumessung ist auch die Bewährungsentscheidung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung, dass die Strafaussetzung trotz des Unrechtsund Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderläuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - 4 StR 509/01, NStZ 2002, 312).
23
Die getroffene Bewährungsentscheidung wurde eingehend begründet und enthält keinen Rechtsfehler.
24
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht dem Angeklagten eine positive Sozialprognose gestellt hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden.
25
Das Landgericht hat diese Prognose wesentlich auf die geänderten Lebensverhältnisse des Angeklagten gestützt. Insbesondere der Aufgabe des Gewerbebetriebs, der die Grundlage für die Begehung der Steuerstraftaten war, kam erhebliches Gewicht zu. Mit den sozialen Bindungen des Angeklagten und seiner festen Arbeitsstelle bildete dies eine tragfähige Grundlage für eine günstige Prognose. Eine solche hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag (UA S. 58) trotz des Bewährungsbruchs ebenfalls bejaht.
26
b) Die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2StGB hält ebenfalls revisionsrechtlicher Prüfung stand.
27
Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände.Vielmehr können dessen Voraussetzungen sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Juli 1988 - 2 StR 374/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 7). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten vorzunehmen. Dabei sind die wesentlichen Umstände nachprüfbar darzulegen. Die ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 - 5 StR 95/01, StV 2001, 676 und vom 28. Mai 2008 - 2 StR 140/08, NStZ-RR 2008, 276 und Beschluss vom 27. Juni 2012 - 1 StR 201/12).
28
Diesem Prüfungsmaßstab genügen die Urteilsgründe. Das Landgericht hat über die im Rahmen der Prüfung des § 56 Abs. 1 StGB herangezogenen Umstände hinaus vor allem als besonderen Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht nur die für den Gewerbebetrieb eingesetzte betriebliche Abfindung in Höhe von 145.000 Euro verloren hat, sondern auch Schulden in sechsstelliger Höhe angehäuft hat, die ihn wirtschaftlich ruinieren, auch im Hinblick auf sein Alter und der Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern. Das pflichtgemäße Ermessen des Tatgerichts ist vorliegend auch nicht deshalb überschritten , weil die Strafkammer dem Angeklagten trotz seines Bewährungsversagens nochmals Bewährung gewährte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2012 - 1 StR 100/12, NStZ-RR 2012, 201 und vom 10. November 2004 - 1 StR 339/04, NStZ-RR 2005, 38).
29
Die Strafkammer hat gesehen, dass der Angeklagte zum Urteilszeitpunkt noch keine Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2014 abgegeben hatte (UA S. 57), musste dies aber nicht zu seinem Nachteil werten. Dass der Angeklagte gewillt ist, dies zu tun, hatte er bereits durch seine früheren Bemühungen gezeigt, unter Einbindung eines Steuerberaters Steuererklärungen fertigen zu lassen. Nach den Feststellungen ist dies allein durch die Unvollständigkeit der an den Steuerberater übergebenen Belege und die damalige Überforderung des Angeklagten mit seiner selbstständigen Tätigkeit gescheitert (UA S. 46). Diese Hindernisse bestanden für den Erklärungszeitpunkt 2014 nach den Urteilsgründen (UA S. 57) aber nicht. Raum Graf Jäger Radtke Fischer
64
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15 Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107).

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 320/15
vom
20. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Bei freiwilligem Rücktritt vom Versuch ist die schulderhöhende Berücksichtigung
des zunächst gegebenen Vollendungsvorsatzes im Rahmen der Prüfung
der "Schwere der Schuld" im Sinne von § 17 JGG jedenfalls dann
rechtsfehlerhaft, wenn nicht der Umstand der freiwilligen Abkehr von diesem
Vorsatz gleichermaßen berücksichtigt wird. Erst beide Gesichtspunkte gemeinsam
ergeben das Tatbild, welches in der spezifisch jugendstrafrechtlichen Beurteilung
der Schuldschwere zu bewerten ist.
BGH, Urteil vom 20. April 2016 - 2 StR 320/15 - LG Neubrandenburg
ECLI:DE:BGH:2016:200416U2STR320.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. April 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 10. März 2015 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen geriet der zur Tatzeit 20 Jahre und sechs Monate alte Angeklagte am 28. Dezember 2013 gegen 2.00 Uhr in einer Diskothek aus nicht näher feststellbarem Grund mit dem Geschädigten K. in Streit, in dessen Verlauf es zu wechselseitigen Beleidigungen und Handgreiflichkeiten kam. Etwa zwei Stunden später folgte der Angeklagte dem die Diskothek verlassenden Geschädigten und seiner Begleiterin zu deren Fahrzeug und trat „aus Wut“ gegen Scheibe und Fensterrahmen der Beifahrertür des Fahrzeugs, wodurch dieses beschädigt wurde.
3
Nachdem der Geschädigte aus dem Fahrzeug ausgestiegen war und es erneut zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen war, stach der Ange- klagte auf dem Parkplatz einer Diskothek mit einem so genannten „Neckknife“, einem Messer mit einer fünf Zentimeter langen, feststehenden Klinge wuchtig in Richtung des Brustkorbs des Geschädigten K. , um ihn zu töten. Dem Geschädigten gelang es, den Angriff abzuwehren, wodurch er eine Schnittverletzung am linken Unterarm erlitt. Entweder aufgrund einer weiteren Stichbewegung oder "im Ausklang der abgelenkten Ursprungsbewegung" fügte der Angeklagte dem Geschädigten zwei tiefe Schnittverletzungen am Rücken zu und führte weitere ungezielte Bewegungen mit dem Messer in Richtung des Geschädigten aus. Dieser erlitt weitere Schnittverletzungen unter anderem an Kopf und Hals und sank – heftig blutend – zu Boden.
4
Der Angeklagte erkannte, dass er den Geschädigten noch nicht tödlich verletzt hatte, und gab die weitere Tatausführung in dem Bewusstsein auf, dass er den tödlichen Erfolg noch hätte herbeiführen können. Der Geschädigte erlitt infolge des Blutverlusts einen Schock und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Er befand sich drei Wochen in stationärer Behandlung und leidet physisch und psychisch noch immer unter den Tatfolgen.
5
Die Jugendkammer ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass der zur Tatzeit alkoholisierte Geschädigte, der aus dem Fahrzeug ausgestiegen war, um den Angeklagten zur Rede zu stellen, ihn im Rahmen der ent- standenen – erneuten – Auseinandersetzung beleidigt hatte und der Angeklagte darüber „sehr erbost“ war.
6
Das Landgericht hat einen freiwilligen Rücktritt vom Totschlagsversuch angenommen und hat die Tat als tateinheitliche Vergehen der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gewürdigt; soweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung und der Liste der angewendeten Vorschriften § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB angeführt ist, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen.
7
Die Jugendkammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG auf den Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewendet und eine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld verhängt, weil der Angeklagte dem Tatopfer „aus jedenfalls im Verhältnis zum Ausmaß der Tat nichtigem Anlass mit bedingtem Tötungsvorsatz erhebliche, potentiell lebensgefährliche Verletzungen beigebracht“ habe.
8
2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
Es begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Jugendkammer die Schwere der Schuld auch damit begründet hat, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, ohne zugleich zu berücksichtigen , dass der Angeklagte vom Versuch des Tötungsdelikts freiwillig zurückgetreten ist.
10
a) Ist der erwachsene Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend zurückgetreten , gleichwohl aber wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten anderen Delikts zu bestrafen, so darf der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht strafschärfend berücksichtigt werden (Senat, Beschluss vom 4. April 2012 – 2 StR 70/12, NStZ 2013, 158; Beschluss vom 7. April 2010 – 2 StR 51/10, NStZ-RR 2010, 202; Beschluss vom 14. Mai 2003 – 2 StR 98/03, NStZ 2003, 533; Beschluss vom 13. Mai 1998 – 2 StR 172/98, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 30; BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StV 2014, 482; Beschluss vom 20. August 2002 – 5 StR 338/02, StV 2003, 218; Urteil vom 14. Februar 1996 – 3 StR 445/95, BGHSt 42, 43, 44 ff.; Beschluss vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95, StV 1996, 263; Beschluss vom 16. April 1980 – 3 StR 115/80, MDR 1980, 813; st. Rspr.). Dies trägt dem Grundgedanken des § 24 StGB Rechnung, der im Interesse des Opferschutzes einen persönlichen Strafaufhebungsgrund für Fälle vorsieht, in denen ein Täter freiwillig die weitere Tatausführung aufgibt oder ihre Vollendung aktiv verhindert. Dieser Gesetzeszweck würde unterlaufen, wenn der auf die Verwirklichung des weitergehenden Delikts gerichtete Vorsatz strafschärfend berücksichtigt würde.
11
b) Zwar ist der Schuldgehalt der Tat bei der Deliktsbegehung durch jugendliche und heranwachsende Täter jugendspezifisch zu bestimmen (MüKo/Radtke, 2. Aufl., § 17 JGG, Rn. 58, 70). Die „Schwere der Schuld“ im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG wird daher nicht vorrangig anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat und ihrer Einordnung nach dem allgemeinen Strafrecht bestimmt. In erster Linie ist vielmehr auf die innere Tatseite abzustellen (Senat, Urteil vom 19. Februar 2014 – 2 StR 413/13, NStZ 2014, 407, 408). Der äußere Unrechtsgehalt der Tat und das Tatbild sind jedoch insofern von Belang, als hieraus Schlüsse auf die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden gezogen werden können (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155, 156; Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, StraFo 2012, 469, 470). Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Täters vorwerfbar in der Tat mani- festiert haben (BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226).
12
Auch unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten kann aber der Umstand , dass der jugendliche oder heranwachsende Täter zunächst mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, im Falle eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch des Tötungsdelikts nicht ohne Weiteres zur Begründung der Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG herangezogen werden.
13
aa) Die Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters wird nach der in § 24 StGB zum Ausdruck kommenden, nicht auf das Erwachsenenstrafrecht beschränkten, sondern auch im Jugendstrafrecht zu beachtenden gesetzgeberischen Wertung nicht durch den Umstand erhöht, dass er zunächst mit Tötungsvorsatz handelte, wenn er vor Erreichen dieses tatbestandlichen Zieles die weitere Tatausführung aus autonomen Gründen freiwillig aufgegeben oder die Tatvollendung aktiv verhindert hat. Mit dem freiwilligen Rücktritt vom Versuch hat er vielmehr dokumentiert, dass sein „verbrecherischer Wille“ nicht ausgeprägt genug gewesen ist, um sein deliktisches Ziel zu verwirklichen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1956 – 5 StR 352/55, BGHSt 9, 48, 52). Die in dem Versuch zunächst zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Täters erweist sich nachträglich als „wesentlich geringer“ (BGH, aaO; Roxin, 2003, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band II, S. 478).
14
bb) Die auf der Tatbestandsebene auch im Jugendstrafrecht uneingeschränkt geltende Regelung des § 24 Abs. 1 StGB zwingt daher dazu, den Umstand des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch in die unter jugendstrafrechtlichem Blickwinkel erfolgende Berücksichtigung des Tatbilds einzustellen, wenn der auf den weitergehenden Erfolg gerichtete Tatvorsatz schulderhöhend berücksichtigt werden soll. Erst beide Gesichtspunkte gemeinsam ergeben das Tatbild, welches in der spezifisch jugendstrafrechtlichen Beurteilung der Schuldschwere zu bewerten ist. Die einseitig schulderhöhende Berücksichtigung allein des zunächst vorliegenden Vollendungsvorsatzes bei der Beurteilung der Schwere der Schuld erweist sich demgegenüber als rechtsfehlerhaft.
15
cc) Die Frage, ob die Annahme erheblicher Anlage- und Erziehungsmängel (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154) im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG auch auf den Umstand gestützt werden könnte, dass ein jugendlicher oder heranwachsender Täter zunächst zu einem Angriff auf das Leben eines anderen bereit gewesen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil die Jugendkammer das Vorliegen schädlicher Neigungen verneint und Jugendstrafe allein wegen Schwere der Schuld verhängt hat. Der Senat neigt jedoch der Ansicht zu, dass die Bewertung insoweit keinen anderen Grundsätzen folgen kann.
16
3. Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem festgestellten Rechtsfehler nicht ausschließen, zumal die Jugendkammer auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne „strafschärfend“ auf den bei Tatbeginn bestehenden bedingten Tötungsvorsatz abgestellt hat.
17
Die Sache bedarf daher im Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Fischer Appl Eschelbach Ott Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 142/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816U4STR142.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenkläger, Die Nebenklägerin in Person - in der Verhandlung - , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es der Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren und neun Monaten festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Mit ihrem ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung mit dem Ziel der Verhängung einer höheren Jugendstrafe.
2
Das Rechtsmittel, das ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift der Staatsanwaltschaft über die ausdrückliche Beschränkungs- erklärung hinaus wirksam auf den Strafausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09), bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte am Sonntag, den 17. August 2014, mit dem Pkw ihrer Mutter auf der Fahrt zu ihrem Wohnort. Als sie gegen 7.40 Uhr an einer Rotlicht zeigenden Ampel anhalten musste, nahm sie ihr bei Fahrtantritt in der Mittelkonsole des Fahrzeugs abgelegtes Mobiltelefon in die Hand, um nach der Uhrzeit zu schauen, wobei sie bemerkte, dass in der vorangegangenen Nacht zwei Nachrichten über den Nachrichtendienst WhatsApp eingegangen waren. Während sie weiter an der Ampel wartete, begann sie, die Nachrichten zu beantworten. Am Ende der Rotlichtphase war sie damit noch nicht fertig und hatte noch keine Nachricht versandt. Sie unterbrach daraufhin das Schreiben der Textnachrichten, fuhr los und bog mit ihrem Fahrzeug in die Bundesstraße ein, wo sie auf eine Geschwindigkeit von höchstens 70 km/h beschleunigte. Sodann machte sich die Angeklagte daran, die erhaltenen Textnachrichten weiter zu beantworten. Sie schrieb auf ihrem Mobiltelefon kurz hintereinander zwei Nachrichten, die sie über den Nachrichtendienst WhatsApp verschickte.
4
Zur selben Zeit waren auf der in diesem Bereich geradlinig verlaufenden Bundesstraße die späteren Tatopfer G. und P. als Radfahrer unterwegs. Beide fuhren in Fahrtrichtung der Angeklagten mit ihren Rennrädern in sehr engem Abstand hintereinander. Durch das Schreiben und Absenden der Textnachrichten war die Angeklagte so abgelenkt, dass sie die Radfahrer nicht wahrnahm, obwohl sich diese mindestens 9 Sekunden lang in ihrem Blickfeld befanden. Ohne auszuweichen, was auf der ansonsten freien Straße bereits durch eine leichte Lenkbewegung möglich gewesen wäre, fuhr die Angeklagte geradlinig und ungebremst mit der rechten Fahrzeugfront zunächst auf P. und unmittelbar darauf auf G. auf, wodurch beide Opfer und deren Rennräder in die rechts der Fahrbahn gelegene Wiese geschleudert wurden. Die schnell hintereinander erfolgten Aufpralle nahm die Angeklagte, die möglicherweise die Radfahrer und die Fahrräder nicht mehr sehen konnte, als sie ihren Blick aufrichtete, als nur einen Schlag wahr. Infolge der Zusammenstöße war die Windschutzscheibe des Pkws auf der rechten Seite großflächig gesplittert, der rechte Seitenspiegel abgerissen, der rechte vordere Reifen luftleer und der rechte Frontbereich des Fahrzeugs so beschädigt , dass sich das Fahrzeug nur noch mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h fahren und erschwert lenken ließ.
5
Die Angeklagte bremste das Fahrzeug in einem normalen Bremsvorgang bis zum Stillstand ab und sah sich seitlich und zumindest über den Rückspiegel nach hinten um. Aufgrund des starken Aufprallgeräuschs, der Schäden am Fahrzeug, der Abwesenheit eines anderen Fahrzeugs und der örtlichen Gegebenheiten war ihr klar, dass es gerade zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen war, den sie durch ihre Unaufmerksamkeit verursacht hatte und bei dem mutmaßlich ein Mensch schwer verletzt worden war, der irgendwo abseits der Fahrbahn liegen musste. Statt entweder auszusteigen und das Gelände abzusuchen oder nach Zurücksetzen des Fahrzeugs vom Fahrzeug aus nach dem Verletzten zu schauen und anschließend Hilfe zu holen und entgegen der ihr bekannten Verpflichtung, nach einem Unfall solange vor Ort zu bleiben, bis die erforderlichen Feststellungen zur Person der Unfallbeteiligten und der Art ihrer Beteiligung am Unfall getroffen werden können, fuhr sie – einer augenblicklichen Entscheidung folgend – vom Unfallort weg, um sich allen Feststel- lungen zu entziehen und ihre Beteiligung an dem Unfall zu verschleiern. Dabei rechnete sie damit und nahm es hin, dass der von ihr mutmaßlich angefahrene Mensch schwer verletzt liegen bleiben und versterben könnte. Ihr kam es darauf an, für den Unfall nicht verantwortlich gemacht zu werden.
6
Während der Geschädigte P. , der einen Berstungsbruch des 1. Lendenwirbels , eine tiefe Riss-Quetschwunde am linken Unterschenkel und zahlreiche Schürfwunden erlitten hatte, einige Minuten nach dem Zusammenprall wieder das Bewusstsein erlangte und es ihm gelang, einen Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, trug G. so schwere Kopfverletzungen davon, dass er auf dem Transport ins Krankenhaus verstarb. Wegen der Schwere der Verletzungen wäre sein Tod auch dann nicht vermeidbar gewesen , wenn die Angeklagte noch am Unfallort einen Notruf abgesetzt hätte.
7
Das Landgericht hat auf die zur Tatzeit 19 Jahre und elf Monate alte Angeklagte Jugendstrafrecht angewandt, gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe erkannt und diese auf zwei Jahre bemessen. Die Vollstreckung der Jugendstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
9
1. Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86,BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127).
10
2. Bei Zugrundelegung dieses beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils Rechtsfehler weder zu Gunsten der Angeklagten noch – für § 301 StPO bedeutsam – zu ihrem Nachteil auf.
11
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 NJW 2016, 2050, 2051; Radtke in MüKo, 2. Aufl., § 17 JGG Rn. 58, 70) zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung , die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 aaO mwN; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; Urteile vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Von diesem rechtlichen Maßstab ausgehend hat das Landgericht zutreffend das gesamte Tatgeschehen in seine Schuldbewertung einbezogen und ist mit Blick auf die in dem Verhalten nach dem Unfall deutlich gewordene charakterliche Haltung der Angeklagten zur Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG gelangt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei allein fahrlässigen Straftaten im Straßenverkehr die Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG in Betracht kommt (vgl. OLG Braunschweig, NZV 2002, 194 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 241 f.; BayObLG, VRS 67, 121, 122; Radtke aaO Rn. 71; Dölling in Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 16; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 32b; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 17 Rn. 26), bedarf daher keiner näheren Erörterung.
12
b) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
aa) Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist auch dann vorrangig zu berücksichtigen, wenn eineJugendstrafe – wiehier – ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).
14
bb) Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Jugendstrafe nicht nur die erforderliche erzieherische Einwirkung auf die Angeklagte , sondern auch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen. Sie hat die für den bestehenden Erziehungsbedarf als auch das Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten relevanten Umstände umfassend gewürdigt und auch die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafandrohungen des Allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, in ihre Überlegungen miteinbezogen. Gegen das auf dieser Grundlage gefundene Ergebnis ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs - auch unter Berücksichtigung der in grob fahrlässiger Weise herbeigeführten schweren Folgen - in unangemessener Weise nicht mehr gerecht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95 aaO; vom 7. September 1993 – 5 StR 455/93, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 3), vermag der Senat nicht festzustellen.
15
cc) Die Ausführungen zur Bemessung der verhängten Jugendstrafe lassen schließlich nicht besorgen, dass das Landgericht gegen das auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht geltende Gebot, die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 Rn. 20; vom 20. November 2012 – 1 StR 428/12, NStZ 2013, 288; Beschluss vom 12. März2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke aaO § 21 JGG Rn. 3 mwN), verstoßen hat. Die ausführlichen Darlegungen der Strafkammer zu den für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblichen Gesichtspunkten lassen eine solche rechtlich unzulässige Vermengung von Strafzumessung und Bewährungsentscheidung nicht erkennen. Anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - weder aus der im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten erfolgten Berücksichtigung des auf eine „nicht notwendigerweise im nicht mehr bewährungsfähigen Bereich“ liegende Jugendstrafe gerichteten Schlussantrags der als Nebenklägerin am Verfahren beteiligten Witwe des Tatopfers , noch aus der abschließenden, das Ergebnis der Zumessungsüberlegungen zusammenfassenden Formulierung der Strafkammer, wonach auf eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren erkannt werde, „mithin eine Strafe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann“.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 3 8 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. August 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
2
Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen. Dass das Landgericht einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB angenommen und die Strafe diesem Sonderstrafrahmen entnommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die Strafzumessung im engeren Sinne einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4).
4
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5
2. Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein sonst minder schwerer Fall im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB vor, noch die Bemessung der Strafhöhe als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.

6
Zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles hat das Landgericht eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; S/S-Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 13 f. mwN). Bei seiner Würdigung hat es keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich "im Wesentlichen" geständig eingelassen hat, die dauerhaft beeinträchtigende Ehesituation zu einer psychischen Labilisierung und möglicherweise sogar zu einem Drogenrückfall geführt hatte, der Tatentschluss nach Enttäuschung über die Nichtrückkehr seiner Ehefrau spontan gefasst worden war und der Angeklagte nach der Tat, wenn auch auf Aufforderung seiner Ehefrau, einen Notruf getätigt hatte. Zu seinen Lasten hat es lediglich angeführt, dass der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig mit Delikten gegen Leib und Leben, mehrfach vorverurteilt ist. Auf dieser Grundlage ist die Bejahung eines minder schweren Falles revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Die genannten Umstände hat das Landgericht auch bei der konkreten Strafzumessung gegeneinander abgewogen. Dass es insoweit in den Urteilsgründen die Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 414/16
vom
13. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR414.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 27. April 2016 wird dieses im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die in dem Zeitraum vom 17. Juli bis 31. Dezember 2014 von ihm begangenen verfahrensgegenständlichen Straftaten entstehen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen; im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die verfahrensgegenständlichen Straftaten entstanden sind oder noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidung.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich das Folgende:
3
a) Die erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO dadurch , dass das Landgericht sich mit dem verlesenen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder auf deren Mutter im Urteil nicht auseinandergesetzt hat, greift nicht durch. Das Landgericht hat die Mutter der Geschädigten, die Verfasserin des Antragsschreibens war, in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommen. Dass sie in einem wesentlichen Punkt etwas anderes bekundet hat, als sich aus dem Antragsschreiben ergibt, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Senat schließt aus, dass die Beweiswürdigung auf der von der Revision geltend gemachten unterbliebenen Erörterung des Schreibens beruht.
4
Auch soweit die Revision die Erörterung von in dem Antragsschreiben angeführten Umständen bei der Strafzumessung vermisst, liegt ein Rechtsfehler nicht vor. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240). Gemessen hieran sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht zu beanstanden.
5
b) Die Rüge, mit der eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend gemacht wird, ist schon nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision versäumt es, wesentliche Verfahrensvorgänge mitzuteilen: Die Anklage vom 18. Februar 2015 wurde zunächst zum Jugendschöffengericht Soest erhoben, dessen Vorsitzender nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten unter dem 2. April 2015 die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens angeordnet hat. Das schriftliche Gutachten ging am 22. Juni 2015 bei dem Schöffengericht ein, das am 15. Juli 2015 die Akten mit der Bitte an die Staatsanwaltschaft übersandte, sie gemäß § 209 Abs. 2 StPO dem Landgericht Arnsberg vorzulegen. Durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans am 7. Oktober 2015 ging beim Landgericht die Zuständigkeit für das Verfahren auf eine andere Strafkammer über. Im Übrigen steht bereits die Gesamtdauer des Verfahrens – Tatzeiten zwischen dem 7. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2014, Anzeigeerstattung am 2. Januar 2015, Urteil vom 27. April 2016 – der Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung entgegen.
6
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
7
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die weiteren bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern hat die Adhäsionsklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sind und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2016 – 4 StR 330/16, NStZ-RR 2017, 23, 24; vom 15. Dezember 2016 – 2 StR 380/16, jeweils mwN), zumal eine Fallgestaltung derart, dass bereits ein Feststellungsurteil – etwa wegen Beteiligung einer Versicherung oder der öffentlichen Hand auf Schuldnerseite – zu endgültiger Streitbeilegung führen würde (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 8 mwN), im vorliegenden Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich ist.
8
3. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten teilweise von den Kosten und Auslagen des Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

22
Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätzlich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2007 – 4 StR 557/06, NStZ-RR 2007, 232, 233, und vom 21. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 110 mwN).

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 428/01
vom
4. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
4. Dezember 2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird 1. das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen B. II. 3. der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen; 2. das Urteil des Landgerichts München I vom 24. April 2001
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 93 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, sowie des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in fünf Fällen schuldig ist;
b) insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als gegen den Angeklagten kein Berufsverbot ausgesprochen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten, einen Hauptschullehrer im Beamtenverhältnis , wegen sexuellen Miûbrauchs von Kindern in 97 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen schweren sexuellen Miûbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie erstrebt die Verhängung höherer Einzelstrafen und einer höheren Gesamtstrafe sowie den Ausspruch eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich des Berufsverbots vertretene Rechtsmittel ist nur zum Teil begründet. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vier Fällen des sexuellen Miûbrauchs der 12jährigen Michaela M. gemäû B. II. 3. der Urteilsgründe muû entfallen, weil diese Taten verjährt sind. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen filmte der Angeklagte im Jahre 1986 oder 1987 in vier Fällen mit einer Videokamera die Geschädigte beim Ausziehen und führte ihr die Aufnahmen anschlieûend vor; bei dem Fi l-
men wie bei den Filmvorführungen wollte er sich sexuell erregen. Dieses Verhalten erfüllt mangels körperlichen Kontakts mit der Geschädigten nicht den Tatbestand des § 176 Abs. 1 StGB aF, sondern den eigenständigen Tatbestand des § 176 Abs. 5 StGB aF, der lediglich Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe androhte. Die Verjährungsfrist hierfür betrug fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Strafverfolgungsverjährung ist daher insoweit im Jahre 1991 oder 1992 eingetreten, denn bis dahin wurde eine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Unterbrechungshandlung nicht vorgenommen. § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, der am 30. Juni 1994 in Kraft trat und das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bestimmt, ändert daran nichts. Diese Neuregelung der Verjährungsvorschriften gilt zwar auch für Taten , die vor dem 30. Juni 1994 begangen worden sind, diese dürfen aber zu dieser Zeit noch nicht verjährt sein (Art. 2 des 30. StrÄndG; Senatsbeschluû vom 2. September 1998 - 1 StR 385/98 -). Das Verfahren ist daher ungeachtet der Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch insoweit gemäû § 260 Abs. 3 StPO einzustellen (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Juli 1996 - 4 StR 257/96; Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 23 m.w.N.). Trotz des Wegfalls dieser Vorwürfe kann die Gesamtstrafe bestehen bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen auch verjährte Taten bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden, wenn auch nicht mit demselben Gewicht wie nicht verjährte Straftaten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 38 m.w.N.). Angesichts der maûvollen Gesamtstrafe kann ausgeschlossen werden, daû das Landgericht die vier verjährten Taten mit zu groûem Gewicht berücksichtigt hat.
2. Die Angriffe der Beschwerdeführerin gegen den Strafausspruch sind unbegründet. Weder die Zumessung der Einzelstrafen noch Ausspruch und Begründung der Gesamtfreiheitsstrafe lassen Rechtsfehler erkennen. 3. Die Rüge, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten gemäû § 70 Abs. 1 StGB zu prüfen, hat Erfolg. Der Angeklagte hat die ihm durch seinen Lehrerberuf gegebenen Möglichkeiten bei seiner Berufstätigkeit bewuût und planmäûig dazu benutzt, for tlaufend sexuelle Miûbrauchshandlungen an unter 14 Jahre alten Schülerinnen zu begehen. Trotz der erstmaligen Verurteilung des Angeklagten liegt eine Wiederholungsgefahr nahe. Der Angeklagte hat eine Vielzahl solcher Miûbrauchstaten über nahezu den gesamten Zeitraum seiner Festanstellung als Lehrer begangen. Zuletzt hat er das sexuelle Verhältnis mit der Geschädigten Petra J. fortgesetzt, auch nachdem seine Ehefrau hiervon Kenntnis erlangt hatte, und noch nach Auûervollzugsetzung des Haftbefehls am 30. Mai 2000 hat er entgegen dem angeordneten Kontaktverbot erneut mit Petra J. Kontakt aufgenommen. Die Verhängung eines Berufsverbots wird nicht dadurch gehindert, daû der Angeklagte Beamter ist. Zwar tritt § 70 StGB grundsätzlich hinter der Bestimmung des § 45 StGB über den Verlust der Amtsfähigkeit und den einschlägigen Bestimmungen der Beamtengesetze über den Verlust der Beamtenrechte - hier Art. 46 BayBG - zurück (BGH NJW 1987, 2686, 2687; Hanack in LK 11. Aufl. § 70 StGB Rdn. 32). Dies gilt jedoch nur hinsichtlich der Beamtenstellung als solcher und muû sich nicht auf berufsfachliche Fähigkeiten erstrecken , aufgrund derer der Beamte tätig geworden ist. Hat ein Beamter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat die Möglichkeiten einer speziellen
fachlichen Qualifikation genutzt, von der er auch in nichtamtlicher Eigenschaft in gefährlicher Weise Gebrauch machen könnte, so sind darauf gerichtete Berufsverbote zulässig (Hanack aaO Rdn. 33; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 70 Rdn. 3; vgl. auch BGH wistra 2000, 459 und BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 7). Insoweit steht die Beamteneigenschaft dem Verbot einer seinem Fach entsprechenden Berufsausübung nicht entgegen. Es kann daher zum Beispiel einem beamteten Lehrer oder einem Amtsarzt gemäû § 70 StGB untersagt werden, privat als Lehrer oder Arzt tätig zu werden. Da das Beamtenverhältnis des Angeklagten mit der Rechtskraft seiner Verurteilung gemäû Art. 46 Satz 1 Nr. 1 BayBG endet und der Angeklagte, der keine andere Ausbildung als die für das Lehramt besitzt, den Beruf als Lehrer selbst als "Traumberuf" bezeichnet hat, liegt hier sogar die Annahme nahe, daû der Angeklagte versuchen wird, als Privatlehrer tätig zu werden. Der neue Tatrichter wird daher die Frage der Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB noch zu prüfen haben. Dabei wird zu beachten sein, daû das Berufsverbot im Hinblick auf das Verhältnismäûigkeitsprinzip und den auf die Gefahrenabwehr zugeschnittenen Charakter der Maûregel nur in dem gegenständlichen Umfang ausgesprochen werden darf, in dem dies erforderlich ist, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2).
4. Die gemäû § 301 StPO gebotene Prüfung des Urteils auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die nur im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels zulässig ist und nicht auf die Schuldfrage ausgedehnt werden kann (Kleinknecht /Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 301 Rdn. 1), hat einen Mangel nicht aufgedeckt. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 351/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:081216U1STR351.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Dezember 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten J. , Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten K. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers D. , Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2015 im Strafausspruch und im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten J. und M. wird das vorgenannte Urteil aufgehoben , soweit die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Angeklagten M. wird aufgehoben. Hinsichtlich des Angeklagten J. bleibt der Adhäsionsausspruch mit der Maßgabe bestehen, dass Zinsen auf den im Wege des Adhäsionsverfahrens dem Nebenkläger zuerkannten Betrag ab dem 16. Oktober 2015 zu entrichten sind. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen. 3. Die Revision des Nebenklägers wird verworfen. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. 4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten M. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Außerdem hat das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung getroffen, in der es die Angeklagten verurteilt hat, als Gesamtschuldner an den Geschädigten D. ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen zu bezahlen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten J. und K. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Angeklagten M. und J. beanstanden die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; M. wendet sich ausdrücklich auch gegen die Höhe des dem Nebenkläger im Adhäsionsausspruch zuerkannten Schmerzensgeldes.
3
Der Nebenkläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet, dass die Angeklagten, vor allem der Angeklagte J. , nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt worden sind. Die Revisionen der Angeklagten haben teilweise Erfolg; die Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.

I.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte M. am 20. Dezember 2014 mit seiner Freundin L. und seinem Bekannten C. im Zug. Der 18-jährige dunkelhäutige Asylbewerber D. aus Mali ging durch den Waggon und ließ auf Höhe der drei Fahrgäste eine größere Menge Speichels zu Boden tropfen. Der Speichel traf auch den Schuh von L. , die zuvor bereits am Bahnhof von einer Gruppe dunkelhäutiger Personen belästigt worden war. M. versuchte, die anderen beiden Angeklagten telefonisch und mit Textnachrichten zu erreichen, erreichte aber nur K. . Er bestellte ihn zum nächsten Halt des Zuges, weil er dort D. verprügeln wollte.
5
Der Angeklagte K. teilte J. telefonisch mit, dass sein Bruder M. „Stress mit Schwarzen“ habe, worauf J. seinen Bruder zurückrief. M. erklärte ihm die Situation und bestellte ihn zum Bahnhof, damit er ihn bei der geplanten Prügelei unterstütze. J. steckte einen roten Nothammer ein, wie er zum Einschlagen von Scheiben in Zügen und Bussen bereitgehalten wird, um ihn bei den zu erwartenden Tätlichkeiten einzusetzen.
6
Als der Zug hielt, stieg M. aus, rannte zu den beiden wartenden Mitangeklagten und besprach sich kurz mit ihnen. Seine Freundin L. verließ den Zug, um zum Elternhaus der Brüder Ml. zu gehen. Als die Angeklagten M. und J. zum Zug blickten, sahen sie D. im Türbereich des Zuges stehen und obszöne Gesten in ihre Richtung machen. Er fasste sich in den Schritt und simulierte mit dem Mund den Oralverkehr. Dadurch fühlten sich die Brüder Ml. provoziert.
7
Nun rannten alle drei Angeklagten, die Brüder voraus – K. folgte in einigem Abstand – auf den Zug zu und stiegen ein. Sie drängten D. zurück in den Zug und begannen entsprechend ihrem gemeinsamen Tatplan D. zu dritt mehrfach mit den Fäusten – auch gegen den Kopf – zu schlagen. Dann zogen sie ihm die Kapuze seiner Winterjacke über den Kopf. J. schlug dem Geschädigten mit dem Nothammer mindestens zweimal kräftig auf den von der Kapuze bedeckten Kopf. Dabei war ihm bewusst , dass diese Schläge potentiell dazu geeignet waren, das Leben des Geschädigten in Gefahr zu bringen. Ihm kam es jedoch nur darauf an, ihn durch die Schläge zu verletzen.
8
M. und K. , die von der Mitnahme und dem geplanten Einsatz des Nothammers keine Kenntnis gehabt hatten, billigten dessen Einsatz nicht.
9
Der Geschädigte ging zu Boden. Als sich der Fahrgast P. näherte , liefen die drei Angeklagten weg, um ihre Identifizierung und Ergreifung zu verhindern. Im Übrigen hatten sie ihr Ziel, den Geschädigten zu maßregeln, nach ihrer Vorstellung erreicht.
10
Der Geschädigte erlitt durch die Schläge mit dem Hammer zwei stark blutende, sternförmige Riss-Quetschwunden am linken Hinterhaupt und auf der Schädelhöhe, die genäht werden mussten. Zudem zog er sich eine Schwellung hinter dem rechten Ohr und eine linksseitige Schulterprellung zu.
11
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt bei allen Angeklagten als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, bei J. zusätzlich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB, bewertet. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen.

II.


12
Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
13
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB; ergänzend verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
14
2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die diesen Angeklagten betreffenden Strafzumessungserwägungen weisen in mehreren Punkten Rechtsfehler auf.
15
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung das Folgende aus- geführt: „Zu seinen Lasten waren die von ihm verursachten nicht unerheblichen Verletzung[en] des Opfers zu werten. Zum anderen war die Tatsache zu wer- ten, dass die Angeklagten zu dritt auf ein einzelnes Opfer einschlugen…. Dar- über hinaus war zu seinen Lasten zu werten, dass er von den vorangegangenen Provokationen des Geschädigten selbst nicht betroffen war.“
16
a) Hätte das Opfer dem Angeklagten K. durch eine Provokation Anlass zur Tat gegeben, wäre dies ein Umstand, der den körperlichen Übergriff in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Mit der Erwägung, der Angeklagte sei vom Opfer nicht provoziert worden, wird daher zu Lasten des Angeklagten unzulässig das Fehlen eines Milderungsgrunds in die Strafzumessung eingestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 – 1 StR 525/13, NStZ 2015, 517; vom 8. Januar 2015 – 2 StR 233/14, NStZ 2015, 333 f. und vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40).
17
b) Die Erwägung, dass zu Lasten des Angeklagten K. „die … nicht unerheblichen Verletzungen des Opfers“ strafschärfend berücksichtigt werden müssen, lässt befürchten, dass diesem Angeklagten diejenigen Verletzungen uneingeschränkt zugerechnet worden sind, die auf dem einen Exzess darstellenden Einsatz des Nothammers durch den Mitangeklagten J. beruhen.
18
c) Nicht unbedenklich erscheint zudem die strafschärfende Erwägung der Kammer, die Angeklagten hätten zu dritt auf das Opfer eingeschlagen; denn eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in der Form der Tatbegehung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ setzt bereits voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken. Das Zusammenwirken mehrerer als solcher darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Zulässig wäre es freilich, die erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation infolge einer Beteiligung von mehr als zwei Personen straferhöhend heranzuziehen.
19
Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben daher bestehen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann hierzu ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
20
3. Die Adhäsionsentscheidung hat im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten K. zu leistenden Schmerzensgeldes bereits deshalb keinen Bestand, weil die Kammer hierbei ausdrücklich „die bei der Strafzumessung bewerteten Tatumstände berücksichtigt“ hat, diese Wertungen aber mit Rechtsfehlern behaftet sind.
21
Der Schmerzensgeldanspruch wäre auch erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags zu verzinsen und nicht – wovon die Kammer ausgegangen ist – ab dem Tattag. Die Rechtshängigkeit ist mit dem Eingang der Antragsschrift bei Gericht am 16. Oktober 2015 eingetreten. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 404 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Antragstellung dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144).

III.


22
Die Revision des Angeklagten M. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
23
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum eigentlichen Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
24
2. Die Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand.
25
Das Landgericht hat – sachverständig beraten – angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund der Amphetaminabhängigkeit ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor; deshalb seien weitere Straftaten, insbesondere Beschaffungskriminalität , zu erwarten. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
26
Zur Frage des symptomatischen Zusammenhangs hatte der Sachverständige ausgeführt, der Angeklagte habe eine leichte bis mittelgradige Amphetaminabhängigkeit und eine Neigung zu aggressivem Verhalten, die nach seinen eigenen Angaben nach dem Konsum von „Crystal“ gesteigert sei. Zur Tatzeit sei davon auszugehen, dass infolge der konsumierten Drogen noch eine gewisse Wirkung in Gestalt einer Steigerung des Selbstbewusstseins und eine gewisse Enthemmung vorgelegen habe. Daher könne ein partieller Zusammenhang zwischen Tat und Suchterkrankung abgeleitet werden, der aus einer Enthemmung durch die Droge und einer dadurch erhöhten Bereitschaft, sich einer Handgreiflichkeit nicht zu entziehen, herrühre.
27
Das Landgericht hat dagegen den symptomatischen Zusammenhang verneint und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine gewisse Enthemmung vorgelegen haben sollte. Gegen einen enthemmenden Einfluss von Drogen spräche, dass der Angeklagte in der Lage gewesen sei, sich nach der Provokation im Zug durch das Spucken zurückzuhalten und den Geschädigten nicht sofort anzugreifen. Ursache der Tat seien die Provokationen des Geschädigten gewesen. Der Angeklagte neige – wie die Vorahndungen zeigten – auch ohne Drogenkonsum zu aggressivem Verhalten.
28
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein symptomatischer Zusammenhang vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Der geforderte symptomatische Zusam- menhang zwischen dem Hang und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit kann allerdings auch dann vorliegen, wenn ein evident gewordener Hang lediglich Einfluss auf die Qualität der bisherigen Straftaten hatte und ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftigen zu befürchtenden Straftaten zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 – 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
29
Dies hat die Strafkammer nicht ausreichend erwogen, obwohl sie im Urteil den Bericht der Jugendgerichtshilfe mitgeteilt hat. Dort heißt es, der Angeklagte zeige, nicht zuletzt aufgrund seines Drogenkonsums, aggressive Tendenzen. Den Drogenkonsum hätten seine Eltern als Ursache für seine wiederholte Straffälligkeit gesehen, da er zum Verlust der Selbstkontrolle und Enthemmung führe. Der Angeklagte selbst meinte, er sei für die Tat mitausschlaggebend gewesen.
30
3. Der Senat kann hier ausnahmsweise die verhängte Jugendstrafe trotz § 5 Abs. 3 JGG bestehen lassen. Die Erwägungen zu der rechtsfehlerfrei bemessenen Jugendstrafe lassen es hier ausgeschlossen erscheinen, dass das Tatgericht bei Anwendung des § 64 StGB von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen oder eine geringere Jugendstrafe verhängt hätte.
31
4. Soweit sich der Angeklagte M. ausdrücklich auch gegen die Bemessung des Schmerzensgeldes in der Adhäsionsentscheidung wendet, hat er Erfolg.
32
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer insbesonde- re gewertet, dass „der Geschädigte den Faustschlägen dreier Angreifer ausge- setzt war, dass darüber hinaus mit dem Nothammer ein äußerst gefährliches Werkzeug zum Einsatz kam, das zudem zum zweifachen Schlagen auf den Kopf des Geschädigten benutzt wurde. Hierdurch erlitt der Geschädigte zwei Wunden (…) am Kopf, die genäht werden mussten und einen stationären Kran- kenhausaufenthalt … erforderlich machten.“
33
Damit hat die Strafkammer ausdrücklich als schmerzensgelderhöhend die durch den Einsatz des Hammers verursachten Verletzungsfolgen herangezogen. Indes hat sich die Strafkammer nicht davon überzeugen können, dass der Einsatz dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war; vielmehr ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte J. dem Nebenkläger die Verletzung ohne Kenntnis und Billigung der beiden anderen zugefügt hat. Unter diesen Umständen können dem Angeklagten M. (wie auch dem Angeklagten K. ) die entsprechenden Verletzungsfolgen nicht zugerechnet werden (auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze der sukzessiven Mittäterschaft). Damit kommt eine Zurechnung dieses (exzessiven) Tatbeitrags auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zu- rechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 und vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12; Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen aus dem Einsatz des Hammers können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten M. in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten J. zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 und vom 28. April 2015 - 3 StR 52/15, NStZ- RR 2015, 320).

IV.


34
Die Revision des Angeklagten J. hat nur hinsichtlich der Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB Erfolg.
35
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrüge wird auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts verwiesen.
36
2. Die Nichtanordnung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand. Das Landgericht hat – sachverständig beraten – angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund seiner Abhängigkeit von Stimulanzien ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
37
Der Sachverständige hatte festgestellt, dass das Tatverhalten zumindest in Teilen auf den Hang zurückgehe, weil eine unmittelbare Wirkung der Stimulanzien in Gestalt einer Reduktion der Angst, Förderung der Aggression und Enthemmung gegeben gewesen sei, wenngleich nicht so ausgeprägt, dass die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen oder ein Eingangskriterium der §§ 20, 21 StGB erfüllt worden wäre. Der gesamte Lebensstil des Angeklagten werde in qualitativer wie quantitativer Hinsicht in relevanter Art vom Umgang mit Drogen bestimmt. Der Angeklagte selbst habe seinen Zustand so beschrieben, dass er geglaubt hätte, keine Angst zu haben und „jeden zerlegen“ zu können. In seiner Einlassung in der Hauptverhandlung hatte er berichtet, „drogenbe- dingt“ sehr aggressiv gewesen zu sein; ihm sei klar gewesen, dass er seinem Bruder nun „beispringen“ müsse.
38
Die Kammer verneinte dagegen den symptomatischen Zusammenhang und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine drogenbedingte Enthemmung vorgelegen haben sollte; denn der Angeklagte hätte seinem Bruder auch ohne vorangegangenen Rauschmittelkonsum geholfen. Die Motivation sei nicht dem Hang entsprungen, Stimulanzien zu konsumieren, sondern seiner falsch verstandenen Bruderliebe und seinem aggressiven Naturell mit dissozialen Zügen.
39
Diese Erwägungen, die überdies rein hypothetischer Natur sind, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte sah sich erst durch den Drogenkonsum in der Lage, seinem Bruder zu helfen, weil er durch den Drogenkonsum einen Abbau von Angstgefühlen empfand und das Gefühl aufbaute, „jeden zerlegen“ zu können; das zeigt eine drogenbedingte erhöhte Aggressi- onsbereitschaft. Das Landgericht hat die notwendige Berücksichtigung dieses Umstands unterlassen, so dass es an einer tatsächlichen Grundlage für die hier sich aufdrängende Beurteilung fehlt, ob der evident gewordene Hang nicht wenigstens Einfluss auf die Qualität der Straftat hatte und ob ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftig zu befürchtenden Taten zukommen kann.

V.


40
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers hat keinen Erfolg. Die Annahme des Landgerichts , dem Angeklagten J. sei ein Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen , hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Soweit die Kammer hinsichtlich des Einsatzes des Nothammers von einem Exzess des Angeklagten J. ausgeht, ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
41
1. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen. Für einen solchen Vorsatz sprächen zwar die Schläge mit dem Nothammer mit einiger Kraft in Richtung des Kopfes. Der Nothammer sei wegen seiner nadelgleichen metallenen Spitze ein besonders gefährliches und selbst bei mit geringer Wucht ausgeführten Schlägen zur Verursachung erheblicher Wunden geeignetes Werkzeug. Für einen solchen Vorsatz sprächen auch das schwer zu beherrschende Verhalten des Opfers, das durch eine unglückliche Ausweichbewegung schlimmer hätte verletzt werden können.
42
Andererseits sei nicht näher eingrenzbar gewesen, wohin der Angeklagte eigentlich genau hatte treffen wollen. Zu Gunsten des Angeklagten müsse hier davon ausgegangen werden, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper einwirken wollte, nicht ausschließbar nur auf Schulter oder Arm des Opfers. Die Kammer geht weiter zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er subjektiv die Wucht der Schläge nicht als ausreichend empfand, um beim Opfer eine tödliche Verletzung herbeizuführen. Auch sei der Angeklagte nach zwei Hammerschlägen weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge angesichts der Tatsache, dass das Opfer am Boden lag, möglich gewesen wären. Zwar habe der Angeklagte nach der Tat eine SMS an den Angeklagten M. mit der Nachricht geschrieben „Ja Bruder normal für dich töte ich jeden“. Das werte die Kammer aber nicht als Indiz für einen bei der Tat bestehenden Tötungsvorsatz, sondern als Imponiergehabe und Ausdruck falsch verstandener Bruderliebe. Auch das Tatmotiv spräche gegen einen Tötungsvorsatz , der Angeklagte habe den Geschädigten nur für seine vorherigen Provokationen abstrafen und ihm einen Denkzettel erteilen wollen.
43
2. Diese Erwägungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
44
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, Rn. 7; vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Ge- fährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, Rn. 7 und vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
45
b) Das Urteil lässt eine getrennte Prüfung des Wissens- und des Willenselements vermissen. Die Überlegung des Landgerichts, der Angeklagte habe ein selbst bei Schlägen mit geringer Wucht besonders gefährliches Werkzeug verwendet und zwar einen Nothammer mit nadelgleicher metallener Spitze und er habe den Treffpunkt wegen möglicher Ausweichbewegungen nicht kontrollieren können, belegt, dass das Landgericht aus der Kenntnis des Angeklagten von der objektiven Lebensgefährlichkeit seines Tuns auf das Wissenselement geschlossen hat. Nach den auf dem Gutachten des Rechtsmediziners beruhenden Feststellungen der Kammer wurden die Schläge gerade auch unter Berücksichtigung des Überziehens der Kapuze des Anoraks mit intensiver Schlagwucht ausgeführt und führten durch das Material der (schützenden ) Kapuze hindurch zu zwei eng nebeneinanderliegenden, stark blutenden Verletzungen.
46
c) Eine Begründung für das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements lässt sich dem Urteil noch in ausreichender Weise entnehmen.
47
(1) Zwar findet die Annahme der Kammer, zu Gunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper des Opfers einwirken wollte, in den Feststellungen keine Grundlage. Diese belegen ein gebückt, mit vorwärts geneigtem und von der heruntergezogenen Kapuze bedecktem Kopf, stehendes Opfer und ein enges Trefferbild auf dem linken Hinterhaupt und der Schädelhöhe (UA S. 24).
48
(2) Soweit die Strafkammer ausgeführt hat, der Angeklagte sei nach zwei Schlägen mit dem Hammer weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge auf das am Boden liegende Opfer möglich gewesen wären, und einen bedingten Tötungsvorsatz auch aus diesem Grund verneint hat, vermengt es die Prüfung des Tötungsvorsatzes mit der eines etwaigen Rücktrittshorizonts und legt die Flucht des Angeklagten zu seinen Gunsten aus. Zwar kann dem sich der eigentlichen Tatbegehung anschließenden Verhalten indizielles Gewicht zukommen. Jedoch spricht ein Unterlassen weiterer Angriffe – auch unter Berücksichtigung sich nähernder Personen – allein nicht gegen die Billigung des Todes des Opfers (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 192).
49
d) Entscheidend ist aber, dass nach den Feststellungen der Strafammer der Angeklagte dem Nebenkläger erst dann mit dem Nothammer auf den Kopf geschlagen hatte, als dessen Kopf mit der Kapuze der Winterjacke bedeckt war. Diesem Umstand kommt zu Recht besondere Bedeutung bei der Bewertung des voluntativen Elements zu, weil das vorherige Herunterziehen der Kapuze ersichtlich dadurch begründet war, die Wucht der Schläge zu dämpfen und bei dem Nebenkläger tödliche Verletzungsfolgen gerade nicht eintreten zu lassen. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf diesen Gesichtspunkt, der Verursachung von (nur) zwei sternförmigen Riss-Quetschwunden und mit der von ihm als glaubwürdig erachteten Einlassung des Angeklagten, dem Geschädigten wegen seiner Provokationen „körperlich weh tun“ zu wollen (UA S. 31), das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements jedenfalls rechtsfehlerfrei begründet.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer
20
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein symptomatischer Zusammenhang vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 278; Beschlüsse vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, NStZRR 2017, 198; vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai2011 – 4 StR 27/11,NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteile vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 278 und vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Der geforderte symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit kann allerdings auch dann vorliegen , wenn ein evident gewordener Hang lediglich Einfluss auf die Qualität der bisherigen Straftaten hatte und ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftigen zu befürchtenden Straftaten zukommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 278; Beschluss vom 20. Dezember 1996 – 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1). Ein solcher Zusammenhang ist daher bereits dann zu bejahen, wenn der Hang des Betroffenen einschließlich des zugrundeliegenden Konsums von Betäubungsmitteln mitursächlich für die verfahrensgegenständlichen Taten sowie ihr Ausmaß geworden und solches auch in Zukunft zu befürchten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 604/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 12. Januar 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte gehörte zu einer aus ca. 10 - 15 Personen bestehenden Clique von gleichaltrigen Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen aus dem Gebiet der Stadt L. („L. er Gruppe“), die teilweise in Kon- flikt mit der ebenfalls aus ca. 10 - 15 gleichaltrigen Personen bestehenden Clique aus dem Gebiet der Gemeinde B. („B. er Gruppe“) geriet. Nachdem beide Gruppen bereits am 19. Oktober 2015 aufeinander getroffen waren, sollte am Abend des 23. Oktober 2015 ein weiteres Treffen erfolgen. Vor diesem Treffen hatte sich der Angeklagte ein von ihm verliehenes Springmesser mit einer ca. 10 cm langen einschneidigen und spitz zulaufenden Klinge zurückgeben lassen, das er ab diesem Zeitpunkt mit sich führte, um es ggf. einsetzen zu können.
4
Nachdem sich die beiden Gruppen zunächst erfolglos im Gemeindegebiet von B. gesucht hatten, trafen sie gegen ca. 23.30 Uhr in der Ortsmitte beim Rathaus sukzessive aufeinander, wobei sich zwischen einzelnen Mitgliedern der beiden Gruppen eine Schlägerei entwickelte. Dabei griff der Angeklagte zunächst W. an und es entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung. In das Geschehen griff der mit einer AnonymousGesichtsmaske maskierte La. schlichtend ein. Dem körperlich überlegenen Angeklagten gelang es, La. an der Kapuze zu packen und gegen einen Pfeiler zu drücken, bevor beide schließlich in einem anschließenden Gerangel das Gleichgewicht verloren und in einen Busch fielen, wobei La. auf dem Angeklagten zum Liegen kam. In dieser Situation zog der Angeklagte das von ihm mitgeführte Springmesser, ließ die Klinge herausfahren und stach La. sinngemäß mit den Worten „Ich stech dir das Messer in die Seite“ in die rechte Brustseite, wo- bei dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Stich geeignet war, den Tod des Opfers herbei zu führen, was er billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurde in lebensgefährlicher Weise der obere rechte Lungenlappen verletzt und der Herzbeutel nur um ca. 1 cm verfehlt. Trotz der Stichverletzung gelang es La. , der vom Angeklagten nach dem Stich am Boden festgehalten wurde, sich loszureißen, aufzustehen und weg zu rennen, bevor er entkräftet zusammenbrach.
5
Wenige Augenblicke danach wollte der mit einer Sturmhaube maskierte E. , der aus einigen Metern Entfernung zwar den Sturz des Angeklagten , nicht aber den Messerangriff beobachtet hatte, den Angeklagten mit einem Pfefferspray angreifen, das aber nicht funktionsfähig war, weswegen er die Dose dem Angeklagten entgegen schleuderte, der nun auf ihn zustürmte. Nachdem der Angeklagte den ihm körperlich unterlegenen und nunmehr unbewaffneten E. erreicht hatte, packte er diesen mit der linken Hand am rechten Oberarm, holte mit der rechten Hand aus und stach mit dem Springmesser in der Hand mit nicht unerheblicher Wucht auf E. ein, der sich in diesem Moment selbst nicht zur Wehr setzte. Der Stich durchdrang das Bauchfell und verursachte bei E. vier Perforationen des Dünndarms auf einer Länge von 6 cm, wobei große Blutgefäße und die Hauptschlagader nur knapp verfehlt wurden. Anschließend versetzte der Angeklagte E. noch zwei weitere schmerzhafte Stiche in beide Oberarme, bevor es diesem gelang, sich mit einer Rechtsdrehung aus dem Griff des Angeklagten zu winden, in Panik davon zu rennen und bis zu einer Bushaltestelle zu flüchten, wo er schließlich zusammenbrach.
6
2. Das Landgericht geht bei den zum Nachteil der Geschädigten La. und E. ausgeführten Messerstichen jeweils von einem versuchten Totschlag aus, wobei beide Taten auf Grund der zeitlichen Zäsur zwischen den Verletzungen in Tatmehrheit zueinander stehen. Angesichts der hochgradigen Gefährlichkeit der durch den Angeklagten geführten Messerstiche habe dieser jeweils mit dem Tod des Opfers gerechnet. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint das Landgericht. Es geht jeweils von einem beendeten Versuch aus, da der Angeklagte nach seiner Vorstellung das Versterben der beiden Geschädigten allein auf Grund der äußerst schweren Verletzungen zumindest für möglich hielt. Unabhängig davon habe der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von möglichen weiteren Messerattacken Abstand genommen, da er die beiden Geschädigten auch nach den Stichen weiter festgehalten habe und es beiden erst gelungen sei, wegzurennen, nachdem sie sich losgerissen hatten.

II.


7
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jeweils vom beendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
9
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein unbeendeter Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1987 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mit zahlr. Nachw.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH jeweils aaO).
10
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht in beiden Fällen des versuchten Totschlags nicht erörtert, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten. Beiden Geschädigten war es nach den letzten vom Angeklagten ausgeführten Stichen gelungen, sich noch aus eigener Kraft vom Angeklagten loszureißen und wegzurennen, bevor sie letztlich entkräftet zusammenbrachen. Konkrete Feststellungen dazu, wel- che Distanz die beiden Geschädigten bis zu ihrem Zusammenbruch zurückgelegt hatten und ob der Angeklagte dies beobachtet und wahrgenommen hat, werden vom Landgericht nicht getroffen. Die bisherigen Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte, sofern er das Verhalten der Geschädigten alsbald nach der letzten Tathandlung beobachtet hat, nicht mehr davon ausging, diese tödlich verletzt zu haben. Das gilt auch für die Tat zum Nachteil des Geschädigten La. . Trotz des sehr knappen Zeitraums bis zum Beginn der Auseinandersetzung mit dem GeschädigtenE. (UA S. 16), ist nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte das Weglaufen des Geschädigten La. wahrgenommen hat. Damit kann der Senat auf Grund dieses Erörterungsmangels das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs nicht ausschließen.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f. und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
12
4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

III.

13
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6/7) liegt bei dem Angeklagten spätestens seit Mitte 2015 ein polytoxikomaner Substanzmissbrauch vor, wobei der Angeklagte seit Juli 2015 seinen Konsum auf täglich 1,5 g Kokain steigerte und zum „Runterkommen“ und Entspannen auch seinen Cannabiskonsum zumindest am Wochenende aufrecht erhielt. Weiter konsumierte der Angeklagte in erheblichem Umfang auch Alkohol, wobei sich dies bei regelmäßigen „Feiern“ am Wochenende auf bis zu einer halben Fla- sche Wodka (0,7 l) steigerte. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geht das Landgericht (UA S. 53/54) davon aus, dass bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln oder Alkohol vorliegt, aber weder eine körperliche noch ein psychische Abhängigkeit gegeben ist, so dass es bereits an einem Hang fehlt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, weil der Angeklagte seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum in seinen Alltag „eingepasst“ und dieser keine wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen und sozialen Lebensbereichs bewirkt hat. Auch bestünden „erhebliche Zweifel“ am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB, obwohl das Landgericht feststellt, dass beim Angeklagten ein sein Gehalt übersteigender Finanzbedarf bestand, den er durch Einnahmen illegaler Art und Weise zu steigern suchte (UA S. 9) und die vom Angeklagten gegenüber der B. er Gruppe geforderte „Schutzgeldzahlung“ von 5.000 Euro(UA S. 12) letztlich Auslöser für die körperlichen Auseinandersetzungen war.
15
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
16
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15).
17
b) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mit- hin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Raum Bellay Radtke Fischer Bär
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a) Das Landgericht ist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung des Tatrichters derjenige der Hauptverhandlung ist (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1977 – 1 StR 417/77, NJW 1978, 599; vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03; vom 10. August 2005 – 2 StR 209/05, StraFo 2005, 472). Dies bedeutet aber nicht, dass die Gefährlichkeitsprognose nur bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu stellen ist; sie muss vielmehr einen längeren Zeitraum in den Blick nehmen. Daher muss auch in Fällen, in denen auf Grund einer zwischenzeitlichen Behandlung – etwa, wie hier, während der Unterbringung nach dem PsychKG und der einstweiligen Unterbringung – im Urteilszeitpunkt eine Stabilisierung des Krankheitsbildes eingetreten ist, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bei der Prognoseentscheidung der Umstand in die Abwägung einbezogen werden, dass in späterer, aber absehbarer Zeit mit einer erneuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Wahrscheinlichkeit erneuter rechtswidriger Taten zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 30. August 1988 – 1 StR 358/88, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 6).

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 29/12
vom
16. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Raub
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist;
b) im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge geführte und auf die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Revision des Angeklagten. Sie führt zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit 1999 zunächst Amphetamine und schließlich Heroin, das er intravenös zu sich nahm. Nach einer erfolgreichen Therapie in einer Entziehungsanstalt von 2002 bis 2004 lebte der Angeklagte in der Folgezeit drogenfrei, bevor er im Jahr 2009 rückfällig wurde und erneut mit dem intravenösen Konsum von Heroin begann. Zur Tatzeit am 15. Januar 2011 verfügte der Angeklagte, der bereits unter einsetzenden Entzugserscheinungen litt, weder über weitere Drogen noch über die finanziellen Mittel, sich diese zu besorgen. Aufgrund seines Suchtverhaltens stand er unter dem Druck, kurzfristig Drogen konsumieren und sich die dafür erforderlichen Mittel beschaffen zu müssen (UA S. 4, 6).
3
Die Strafkammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB mit dem Hinweis auf die zur Tatzeit erst einsetzenden Entzugserscheinungen abgelehnt (UA S. 6). Eine Strafaussetzung zur Bewährung hat sie dem Angeklagten versagt, weil sie aufgrund der Anzahl der Vorstrafen, die entweder der Beschaffungskriminalität zuzuordnen waren oder im berauschten Zustand begangen wurden, und der ungelösten Drogenproblematik des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte durch eine bloße Bewährungsstrafe nicht zu beeindrucken wäre (UA S. 6).
4
2. Die - grundsätzlich zulässige - Beschränkung der Revision ist vorliegend unwirksam, soweit die Nichtanwendung des § 64 StGB und der Strafausspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden.
5
Die Entscheidung über die Gewährung der Strafaussetzung beruht hinsichtlich der anzustellenden Sozialprognose des vorliegend unter Suchtdruck handelnden Angeklagten auf denselben Gesichtspunkten wie die Täterprognose bei der Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB. Sind aber bestimmte Feststellungen doppelrelevant, ist eine rechtlich und tatsächlich selb- ständige Beurteilung der angegriffenen Entscheidung über die Versagung der Strafaussetzung nicht losgelöst von der Entscheidung über die Unterbringung nach § 64 StGB möglich (vgl. Senat, NStZ 1994, 449; OLG Köln NStZ-RR 1997, 360, 361; OLG München NStZ-RR 2009, 10, 11; Fischer StGB 59. Aufl. § 64 Rn. 29).
6
Auch der Strafausspruch kann nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden, da es sowohl für die Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB als auch für die Entscheidung über eine Strafrahmenmilderung gemäß § 21 StGB darauf ankommt, aus welchem Grunde der Angeklagte Drogen zu sich nimmt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 6).
7
3. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
8
a) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerhaft nicht mit der Frage auseinandergesetzt , ob bei dem Angeklagten eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB neben der Freiheitsstrafe anzuordnen war. Die von der Strafkammer angeführten Umstände legen einen "Hang" des Angeklagten zum Missbrauch von Betäubungsmitteln im Sinne des § 64 Satz 1 StGB nahe. Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nach einer erfolgreichen Therapie jedenfalls fünf Jahre drogenfrei lebte, erscheint eine solche auch nicht von vornherein aussichtslos.
9
b) Die unterlassene Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB führt zur Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch. Der Senat kann schon nicht ausschließen, dass die Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die Strafkammer die Voraussetzungen des § 64 StGB bejaht und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet (vgl. BGHSt 37, 5, 10; BGH NStZ 1992, 33). Denn die Unterbringung kann sich im Einzelfall wie ein zusätzliches Strafübel auswirken und deshalb Rückwirkungen auf die Bemessung der Höhe der Strafe haben (BGH StV 1994, 80), namentlich wenn sie - wie vorliegend - die Dauer der Strafe überschreiten kann.
10
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass bei der Frage, ob die Vollstreckung einer zu verhängenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, bei einem Drogenkonsumenten, der über einen längeren Zeitraum Straftaten als Folge einer Sucht oder eingewurzelten intensiven Neigung begangen hat, weder frühere noch erneute gleichgelagerte Delikte die Annahme einer positiven Sozialprognose ohne weiteres ausschließen, wenn zugleich die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird. Sollte eine Unterbringung nicht in Betracht kommen, wird auch zu erwägen sein, ob durch Einbindung des Angeklagten in eine geeignete Einrichtung gemäß § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB die Erwartungen an das künftige Verhalten des Angeklagten verbessert werden können (BGH NJW 1991, 3289, 3290; StV 1999, 601 f.; OLG Düsseldorf NJW 1993, 805).
Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott