Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13

bei uns veröffentlicht am22.05.2014
vorgehend
Landgericht Hanau, 5 O 72/11, 23.05.2012
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 5 U 138/12, 24.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 0 9 / 1 3 Verkündet am:
22. Mai 2014
Führinger
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 17 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1; HGB § 435; BGB §§ 242 Cd, 368;ZPO
§§ 416, 440
Wird weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt, kann der Beweis
für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1
CMR Anspruchsberechtigten auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem
Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt
werden. Der Frachtführer kann sich nicht darauf berufen, die Übernahmequittung
habe keinerlei Beweiswert oder aber ihr Beweiswert sei erschüttert, weil
sie "blind" unterschrieben wurde, wenn der Unterzeichner der Empfangsbestätigung
die Möglichkeit hatte, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen
Abschluss zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen.
BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung führender Transportversicherer der W. C. He. GmbH mit Sitz in H. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin ). Diese beauftragte die seinerzeit in A. ansässige Beklagte unter anderem mit dem Transport zweier Päckchen mit je drei Kilogramm Carboplatin per Lkw zu festen Kosten von H. nach U. in Österreich. Der Wert der Päckchen betrug nach der Packliste jeweils 86.000 €.
2
Mit der Durchführung des Transports vom Lager der Streithelferin der Klägerin in H. nach A. beauftragte die Beklagte ihre Streithelferin. Am Nachmittag des 4. August 2010 belud der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin den von der Streithelferin der Beklagten bereitgestellten Lkw mit einer Vielzahl von Packstücken. Die einzelnen Sendungen erfasste der Mitarbeiter Al. mit einem Handscanner. Dazu gehörten auch die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin mit Carboplatin. Während des Beladevorgangs hielt sich der Fahrer der Streithelferin der Beklagten K. im Führerhaus des Lkw auf. Anschließend begaben sich der Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin und der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zum Büro des Lagers. Der Fahrer der Streithelferin der Beklagten zeichnete die ihm dort vorgelegte Ladeliste, auf der auch die beiden Päckchen mit Carboplatin aufgeführt waren, unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" ab. Daraufhin erhielt der Fahrer die Ladepapiere und eine Plombe zur Anbringung am Lkw, die der Streithelferin der Klägerin von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden war. Der Fahrer verschloss den bis dahin offenstehenden Lkw und trat die Fahrt nach A. an. Wann er den beladenen Lkw verplombte, ist nicht festgestellt. Bei der Entladung des Lkw im Lager der Beklagten in A. fehlte eines der Päckchen mit Carboplatin.
3
Die Klägerin hat behauptet, beide Päckchen mit Carboplatin seien auf den Lkw der Streithelferin der Beklagten verladen worden. Jedes der Päckchen habe einen Warenwert von 77.180,54 € gehabt. Sie habe den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden nach Abzug eines Selbstbehalts von 2.500 € reguliert.
4
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 77.180,54 € nebst Zinsen in Anspruch genommen, wobei sie hilfsweise Zahlung eines Teilbetrags von 2.500 € an die Versicherungsnehmerin beantragt hat.

5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hanau, Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 O 72/11, juris). Dagegen haben die Klägerin und ihre Streithelferin Berufung eingelegt, die das Berufungsgericht zurückgewiesen hat (OLG Frankfurt, TranspR 2013, 341 = RdTW 2014, 204). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, verfolgen die Klägerin und ihre Streithelferin den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
7
Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das in Verlust geratene Päckchen von der Beklagten übernommen worden sei. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Mitarbeiter Al. der Streithelferin der Klägerin das Frachtstück auf den Lkw verladen habe und dass es bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer K. unter dem Vermerk "Obige Sendung erhalten" habe keinen Beweiswert. Sie sei unstreitig ohne Kenntnis des Fahrers von der Vollständigkeit des Ladevorgangs, mithin "blind" erfolgt. Die Klägerin könne wegen der vom Fahrer unterzeichneten Ladeliste auch nicht verlangen, dass sich die Beklagte so behandeln lassen müsse, als ob sie das Päckchen übernommen habe. Die für die Streithelferin der Klägerin im Büro des Lagers tätige Mitarbeiterin habe gewusst, dass die Unterzeichnung durch den Fahrer keinen Rückschluss auf die Vollständigkeit der Verladung zugelassen habe. Der Fahrer ha- be zur Kontrolle der Verladung keine Unterlagen in Händen gehabt und hätte allenfalls die Packstücke zählen können, was aber unüblich gewesen wäre. Die Beklagte müsse sich die Abzeichnung der Ladeliste durch den Fahrer ihrer Streithelferin auch nicht als widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Der Fahrer K. habe mit der Abzeichnung keinen Vertrauenstatbestand geschaffen , der die Streithelferin der Klägerin von weiteren Kontrollen oder Sicherungsmaßnahmen zur Vollständigkeit der Verladung abgehalten habe. Dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer K. die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe gerade wegen der Unterzeichnung der Ladeliste zur freien Verfügung überlassen habe, sei weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revisionen der Klägerin und ihrer Streithelferin haben Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann ein nach § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin nach Art. 17 Abs. 1 CMR nicht verneint werden.
9
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den von der Versicherungsnehmerin in Auftrag gegebenen Transport die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anwendbar sind. Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut per Lkw von H. nach U. in Österreich befördert werden. Sowohl Deutschland als auch Österreich gehören zu den Ver- tragsstaaten der CMR. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 CMR sind damit erfüllt.
10
2. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für den Verlust des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Die Übernahme setzt voraus, dass der Frachtführer willentlich selbst oder durch seine Gehilfen aufgrund eines wirksamen Frachtvertrages den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an dem zu befördernden Gut erwirbt (vgl. zu § 425 HGB BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 214/10, TranspR 2012, 107 Rn. 13 = VersR 2013, 251; zu Art. 17 CMR Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 4; Thume in Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 17 Rn. 18; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 17 CMR Rn. 9). Die Übernahme setzt weiter den Willen des Absenders voraus, die Verfügungsgewalt über das Transportgut aufzugeben, und den Willen des Frachtführers, die Kontrolle daran zu übernehmen (Thume aaO Art. 17 Rn. 18).
11
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Streithelferin der Beklagten das Transportgut mit dem Aufbruch der Zeugen Al. und K. zum Ladebüro der Streithelferin der Klägerin nach Abschluss der Verladearbeiten durch den Zeugen Al. übernommen hat. Von einer Übernahme im Sinne des Art. 17 Abs. 1 CMR ist auszugehen, wenn die vom Absender vorzunehmenden Ladearbeiten abgeschlossen sind und der Fahrer entweder den Laderaum schließt oder das Gut derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen gelangt, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können (vgl. zu § 425 HGB BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 13). Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ladearbeiten vor. Zu diesem Zeitpunkt war der FahrerK. in der Lage, das Transportgut durch Verschließen des Laderaums vor Schäden zu bewahren. Dass er statt dessen das Fahrzeug während des Zeitraums, in dem er das Ladebüro aufsuchte, offen stehen ließ, führt nicht zu einer Verschiebung des Zeitpunkts der Übernahme des Gutes.
12
b) Die Klägerin ist für die Übernahme des in Rede stehenden Päckchens mit Carboplatin darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 158 = NJW-RR 2003, 754). Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis geführt hat. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung (dazu II 2 c und d). Mit Erfolg macht die Revision aber geltend, dass die Beklagte sich an der Bestätigung des Fahrers K. ihrer Streithelferin festhalten lassenmuss (dazu II 2 e).
13
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , aufgrund der Bekundungen der Zeugen sei der Nachweis nicht geführt, dass das fragliche Päckchen Carboplatin auf den Lkw verbracht worden sei.
14
aa) Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen Al. , er habe die beiden Päckchen der Versicherungsnehmerin aus dem Tresor geholt, auf den Lkw des Zeugen K. verladen und dort gescannt, keinen Glaubengeschenkt. Das Berufungsgericht, das die Beweisaufnahme teilweise wiederholt hat, hat ausgeführt, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Zeuge Al. das Frachtstück auf das Transportfahrzeug verladen habe und dass dieses bei Abschluss des Ladevorgangs dort noch vorhanden gewesen sei. Es könne nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Zeuge Al. das Päckchen in unredlicher Absicht zwar mit dem Erfassungsgerät aufgezeichnet, dann aber entweder nicht verladen oder aber wieder ausgeladen habe. Ebenso sei es möglich, dass der Zeuge K. das Päckchen zur Seite geschafft habe. Auch sei ein Zugriff Dritter nicht auszuschließen, nachdem der Lastwagen bis zur Rückkehr des Zeugen K. vom Ladebüro offen gestanden habe.
15
bb) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler erkennen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen , ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 150/08, BGHZ 181, 346 Rn. 30).
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cc) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entspricht diesen Anforderungen. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht erwogen , dass der bei der Streithelferin der Klägerin beschäftigte Zeuge Al. Carboplatin gekannt habe; er habe deshalb gewusst, dass es sich nicht um das Edelmetall Platin, sondern um Gefahrgut handelte. Dagegen sei es dem abholenden Fahrer K. eher zuzutrauen, dass er das in Verlust geratenePäckchen für wertvoll und stehlenswert gehalten habe. Damit kann die Revision schon deshalb nicht durchdringen, weil der Zeuge Al. bei seinen Vernehmungen vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht ausdrücklich bekundet hat, nicht gewusst zu haben, dass sich in dem verloren gegangenen Päckchen Gefahrgut befunden hat.
17
d) Die Revision greift vergeblich die Würdigung des Berufungsgerichts an, der Beweis der Übernahme des in Rede stehenden Packstücks sei nicht durch die Übernahmequittung des Fahrers K. auf der Ladeliste geführt.

18
aa) Die Klägerin kann sich im Streitfall nicht mit Erfolg auf die Beweisvermutung nach Art. 9 Abs. 2 CMR berufen. Nach dieser Bestimmung wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen, wenn dieser keinen mit Gründen versehenen Vorbehalt des Frachtführers aufweist. Diese Beweisvermutung greift aber nur ein, wenn ein den Vorschriften der Art. 5 und 6 CMR entsprechender Frachtbrief vorliegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 1979 - I ZR 67/77, NJW 1979, 2471 = VersR 1979, 466; Urteil vom 18. Januar 2001 - I ZR 256/98, TranspR 2001, 369 = NJW-RR 2001, 1253). Das ist hier nicht der Fall. Die Ladeliste ersetzt den Frachtbrief nicht.
19
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den in Art. 8 CMR bestimmten Obliegenheiten. Wie die Revision selbst einräumt , begründet ein etwaiger Verstoß des Zeugen K. gegen derartige Pflichten keine Haftung nach Art. 17 CMR (Koller, Transportrecht aaO Art. 8 CMR Rn. 1 mwN).
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bb) Der Revision verhilft die Rüge nicht zum Erfolg, das Berufungsgericht habe den Beweiswert des vom Fahrer K. unterschriebenen Vermerks über den Erhalt der Sendung verkannt.
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(1) Wurde - wie hier - weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt , kann der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem nach Art. 17 Abs. 1 CMR Anspruchsberechtigten grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden (BGH, TranspR 2003, 156, 158). Die formelle Beweiskraft einer solchen Empfangsbestätigung richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei der Quittung im Sinne von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis , durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (BGH, TranspR 2003, 156; BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403 = NJW-RR 2005, 1557). Der Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 153/77, WM 1979, 1157). Eine Erschütterung der Beweiskraft kommt in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte (BGH, Urteil vom 7. November 1985 - I ZR 130/83, TranspR 1986, 53, 56 = VersR 1986, 287). Dementsprechend bezieht sich die Beweiskraft einer Empfangsquittung im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (BGH, TranspR 2003, 156, 158).
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(2) Die Unterschrift des Zeugen K. besitzt formelle Beweiskraft. Sie erbringt vollen Beweis für die Abgabe der in der Übernahmequittung enthaltenen Erklärung (§§ 416, 440 Abs. 2 ZPO). Ob die in der Übernahmequittung enthaltene Erklärung zur Überzeugung des Gerichts auch inhaltlich richtig oder ihre Beweiswirkung entkräftet ist, muss der Tatrichter würdigen. Diesem ist im Streitfall insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen.
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(3) Vorliegend seht fest, dass der Fahrer K. während des Ladevorgangs nicht zugegen war und den Vermerk über den Erhalt der Sendung ohne Prüfung der Anzahl der Packstücke unterzeichnet hat. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter nicht davon überzeugt war, das fragliche Päckchen sei in die Obhut des Frachtführers gelangt.

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e) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss die Beklagte sich aber an der Übernahmequittung festhalten lassen und kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Fahrer ihre Streithelferin habe die Anzahl der Packstücke ohne Überprüfung - sozusagen "blind" - quittiert.
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aa) Kann der Frachtführer oder ein von ihm eingeschalteter Erfüllungsgehilfe bei der Übernahme die Anzahl der Güter kontrollieren, macht er von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch und quittiert er gleichwohl deren Zahl, so handelt er entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widersprüchlich, wenn er sich später darauf beruft, die Übernahmequittung sei "blind" erteilt worden (vgl. OLG Hamm, TranspR 1992, 359, 360; OLG Karlsruhe , TranspR 2004, 468, 470; Bästlein/Bästlein, TranspR 2003, 413, 418). In einem solchen Fall begründet die Übernahmequittung die widerlegliche Vermutung , dass die angegebene Stückzahl zutrifft (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404 = VersR 2006, 573). Für dieses Ergebnis spricht die große Bedeutung, die der Übernahmequittung im Bereich des Transportwesens für den Nachweis der Übernahme des Gutes zukommt. Unterzeichnet der Frachtführer die Übernahmequittung, ohne die angegebene Stückzahl einer möglichen Kontrolle zu unterziehen, hält er den Absender regelmäßig davon ab, seinerseits die erforderlichen Beweise für die Übernahme des Gutes zu sichern.
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bb) Im Streitfall sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen sich die Berufung der Beklagten auf die "blind" unterzeichnete Übernahmequittung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erweist.
27
(1) Die im Rechtsstreit vorgelegte Ladeliste besteht aus sieben fortlaufend nummerierten Seiten, in der insgesamt 30 Pakete jeweils mit Absender und Empfänger, Maßen, Gewicht, Lieferschein, Warenwert, Sendungsnummer und Auftragsnummer genannt sind. Auf der letzten Seite sind die Gesamtanzahl der Packstücke und das Gesamtgewicht angegeben. Auf der ersten Seite oben befinden sich unter dem Namen und der Adresse der Streithelferin der Klägerin die Tour-Nummer, das Datum, der Name der Sachbearbeiterin sowie die Telefon - und Telefax-Nummer. Direkt darunter hat die Streithelferin der Klägerin einen Stempel aufgebracht, auf dem unter der vorgedruckten Überschrift "Obige Sendung erhalten" das Datum, das Kfz-Kennzeichen, die Unterschrift und der Name in Druckbuchstaben anzugeben waren. In diesem Stempel finden sich als Eintragungen das Kennzeichen des vom Zeugen K. gefahrenen Lkw, die Unterschrift des Zeugen sowie sein Name in Druckbuchstaben. Neben dem ausgefüllten Stempelaufdruck ist in einem vorgedruckten Feld handschriftlich die Plombennummer vermerkt.
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Da die Unterschrift des Fahrers K. unterhalb der Angabe der TourNummer und des Stempelvordrucks "Obige Sendung erhalten" angebracht ist, hat sie die Funktion, die Verantwortung für den darüber stehenden kurzen Text zu übernehmen und ihn räumlich abzuschließen. Die Beweisfunktion der Unterschrift erfasst damit die Erklärung des Fahrers K. , von der Streithelferin der Klägerin eine Sendung zu einer bestimmten Tour erhalten zu haben.
29
(2) Die vom Zeugen K. erteilte Übernahmequittung enthält materiell die Erklärung, dass er insgesamt 30 Packstücke übernommen hat. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da angesichts der umfangreichen Beweisaufnahme vor dem Landgericht und der teilweisen Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind. Danach ist die Unterschrift des Fahrers K. auf der von der Streithelferin der Klägerin erstellten Ladeliste als eine Quittung auch für das verloren gegangene Päckchen anzusehen.

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(3) Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug genommen hat, war es Aufgabe der Streithelferin der Klägerin, den Lkw zu beladen, die aufgeladenen Pakete mithilfe eines Scan-Gerätes zu erfassen , die eingelesenen Daten mit der Ladeliste abzugleichen und dabei zu überprüfen, ob alle Pakete auf der Ladeliste eingescannt waren. Dabei waren der Zeuge Al. mit der Beladung und dem Scannen, die Zeugin W. mit dem Abgleich der vom Scanner übertragenen Daten mit der Ladeliste betraut. Die Streithelferin der Beklagten, für die der Zeuge K. tätig war, war dagegen für die Beladung nicht verantwortlich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dem Fahrer die Ladeliste mit der Vorlage zur Unterschrift erstmals zur Kenntnis gebracht. Er war damit zu einer Überprüfung der Ladeliste während des Beladevorgangs ohne eigene Ladepapiere nicht in der Lage. Der Fahrer hatte aber die Möglichkeit, den Beladevorgang zu beobachten oder nach dessen Abschluss vor der Unterzeichnung der Übernahmequittung zumindest die Anzahl der Frachtstücke zu überprüfen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht und gleichwohl die Übernahmequittung unterzeichnet.
31
(4) Aus dem gesamten Verhalten der Streithelferin der Klägerin ergibt sich, dass sie die Unterschrift des Fahrers zum Anlass genommen hat, auf weitere Maßnahmen zur Kontrolle der Vollständigkeit der Sendung zu verzichten und keine weiteren Beweise für die Übergabe der Güter zu sichern. Sie hat dem Fahrer die Ladepapiere ausgehändigt und ihm die ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Plombe zum Verschließen des Lkw übergeben. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin die mangelnde Kontrolle des Fahrers gekannt haben. Es war nicht ihre Aufgabe, den Fahrer zu Überprüfungsmaßnahmen anzuhalten. An dem durch die Unterzeichnung der Übernahmequittung geschaffenen Vertrauenstatbestand muss sich die Beklagte festhalten lassen. Auch wenn die Übernahmequit- tung ohne Kontrolle unterzeichnet worden ist, begründet sie die widerlegliche Vermutung für die Übernahme von zwei Päckchen mit Carboplatin. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu klären, ob das fragliche Päckchen von der Streithelferin der Beklagten übernommen worden ist.
32
3. Das Berufungsgericht ist im Rahmen einer Hilfserwägung davon ausgegangen , dass die Beklagte nur beschränkt in Höhe von 25 Rechnungseinheiten haftet. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
33
a) Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat (Art. 29 Abs. 1 CMR). Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR).
34
Da auf den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag gemäß Art. 5 Abs. 1 der Rom-I-VO, der im Streitfall maßgeblich ist, deutsches Recht zur Anwendung kommt, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435 HGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 15 = RdTW 2014, 55). Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat.

35
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH, TranspR 2012, 107 Rn. 27). Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
36
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muss, dass in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Ohne ausreichende Einund Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier - bzw. EDV-mäßig erfassten Ware erfordern, kann ein verlässlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, dass der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben. Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt (BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f. mwN.).
37
b) Diesen an die Prüfung qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 29 Abs. 1 CMR anzulegenden Maßstäben werden die hilfsweise hierzu angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts nicht gerecht.
38
aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten sei nicht vorgetragen. Die Beklagte habe vielmehr einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast entsprochen. Die Umstände der Übernahme und des Transports bis zur Entladung in A. seien von der Beklagten eingehend mitgeteilt worden. Es könne danach nicht ausgeschlossen werden, dass die Sendung aus der Obhut der Streithelferin der Beklagten abhandengekommen sei, indem sie aus dem offenen Fahrzeug entwendet worden sei. Das Unterlassen einer Sicherung sei dem Lkw-Fahrer zwar vorzuwerfen. Es sei aber nicht vorsatzgleich, weil der Zeuge K. nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt habe, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen.
39
bb) Das Berufungsgericht hat dabei zum einen erhebliche Umstände in seine Betrachtung nicht einbezogen, zum anderen seine Auffassung auf Umstände gestützt, die nicht festgestellt sind.
40
Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass nach den getroffenen Feststellungen der Fahrer für die Streithelferin der Beklagten den Gewahrsam an dem Transportgut durch eine "blind" ausgestellte Quittung übernommen hat. Zudem hat er seinen Lkw mit geöffnetem Rolltor während der Entgegennahme der Ladepapiere unbeaufsichtigt offen stehen lassen. Dabei hat der Fahrer zum einen auf eine Vollständigkeitskontrolle der übernommenen Sendung verzichtet und zum anderen das übernommene Transportgut gefährdet. Denn es bestand, wie das Berufungsgericht auch festgestellt hat, die Möglichkeit, dass Dritte vom offenen Lastwagen das verloren gegangene Päckchen entwendet haben, weil in dieser Zeit noch zwei weitere Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe beladen wurden. Diese Nachlässigkeiten schließen die Annahme einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs bei der Eingangskontrolle sowie unzureichender Anweisungen an die Fahrer zum Schutz des Transportguts bei der Streithelferin der Beklagten nicht aus. Dies kann den Vorwurf der Leichtfertigkeit im Sinne von § 435 HGB begründen.
41
Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, der Fahrer habe nach den örtlichen Verhältnissen ausreichende Anhaltspunkte gehabt, auf einen günstigen Ausgang zu vertrauen, lassen nicht erkennen, auf welchen Feststellungen sie beruhen.
42
III. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben ; es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
43
Sollte sich im wiedereröffneten Berufungsverfahren ergeben, dass die Beklagte ein qualifiziertes Verschulden an der Entstehung des Schadens trifft, kann der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang gewürdigte Umstand , dass die Streithelferin der Klägerin dem Fahrer die ihr von der Beklagten überlassene Plombe zu dessen unkontrollierter Verfügung überließ, im Rahmen einer Prüfung eines eventuellen Mitverschuldens der Streithelferin der Klägerin (§ 254 BGB) an der Entstehung des Schadens berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Rn. 34; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22 = RdTW 2013,

24).


Büscher Schaffert Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hanau, Entscheidung vom 23.05.2012 - 5 O 72/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.05.2013 - 5 U 138/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 zitiert 14 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 86 Übergang von Ersatzansprüchen


(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werd

Handelsgesetzbuch - HGB | § 425 Haftung für Güter- und Verspätungsschäden. Schadensteilung


(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht. (2) Hat bei der Entstehung des Schade

Handelsgesetzbuch - HGB | § 435 Wegfall der Haftungsbefreiungen und -begrenzungen


Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 428 Haftung für andere


Der Frachtführer hat Handlungen und Unterlassungen seiner Leute in gleichem Umfange zu vertreten wie eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn die Leute in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Gleiches gilt für Handlungen und Unterlassungen anderer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 440 Beweis der Echtheit von Privaturkunden


(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen. (2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 368 Quittung


Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, dass die Quittung in anderer Form erteilt wird, so kann er die Erteilung in dieser Fo

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2014 - I ZR 109/13 zitiert oder wird zitiert von 22 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2013 - I ZR 156/12

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2008 - I ZR 146/05

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 146/05 Verkündet am: 30. Januar 2008 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat a

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2005 - I ZR 235/02

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - I ZR 214/10

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2002 - I ZR 104/00

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Jan. 2001 - I ZR 256/98

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2004 - I ZR 205/01

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2012 - I ZR 87/11

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. März 2017 - I ZR 49/15

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Nov. 2017 - I ZR 51/16

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. März 2017 - I ZR 39/15

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 1554/16

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Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Der Streitwert fü

Referenzen

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.

(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.

13
b) Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Obhutshaftung des Frachtführers beginnt danach mit der Besitzerlangung an dem zu befördernden Gut, wobei der Erwerb des mittelbaren Besitzes ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 - I ZR 13/99, TranspR 2001, 471, 472 = VersR 2001, 1580 zu § 429 Abs. 1 HGB aF; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., § 425 HGB Rn. 17). Das Gut muss derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 428 HGB gelangt sein, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können (Koller aaO § 425 HGB Rn. 17; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 425 Rn. 18). In subjektiver Hinsicht muss die Übernahme des Besitzes vom Willen des Frachtführers oder des von ihm beauftragten Gehilfen getragen sein, wobei der Wille im natürlichen Sinne ausreicht (Koller aaO § 425 HGB Rn. 18; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 425 Rn. 19; MünchKomm.HGB/Herber, § 425 Rn. 39). Haben die Vertragsparteien - in Abweichung von § 412 Abs. 1 HGB - vereinbart, dass der Frachtführer das Gut auch zu verladen hat, so beginnt der nach § 425 Abs. 1 HGB maßgebliche Haftungszeitraum bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Frachtführer das Gut zum Zwecke der Verladung in seine Obhut nimmt, also nicht erst mit Beendigung des Beladevorgangs (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1990 - I ZR 295/88, TranspR 1990, 328, 329 = VersR 1990, 1292, zu § 29 KVO; MünchKomm.HGB/Herber, § 425 Rn. 38 mwN).

(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.

(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 104/00 Verkündet am:
24. Oktober 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Schadensersatzprozeß wegen Verlustes von Transportgut kann der Beweis
für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke und den Zustand des
Gutes von dem Anspruchsberechtigten grundsätzlich durch eine von dem
Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung
) geführt werden. Sind die Güter in verschlossenen Behältnissen
(Kartons) zum Versand gebracht worden, ist bei kaufmännischen Absendern
prima facie anzunehmen, daß die im Lieferschein und in der dazu
korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis enthalten
waren. Es obliegt dann dem Schädiger, den zugunsten des Versenders
streitenden Anscheinsbeweis durch substantiierten Vortrag auszuräumen.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 - I ZR 104/00 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, Transportversicherer der C. GmbH (im folgenden : Versicherungsnehmerin), nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Niederlassung der Versicherungsnehmerin in Bad Hersfeld beauftragte die Spedition E. GmbH (im folgenden: E-GmbH), fünf Euro -Paletten mit in Kartons verpackten Computern zur M. in Hürth zu
befördern. Die E-GmbH transportierte die Sendung zunächst zu ihrer Niederlassung in Köln, die den Beklagten mit dem Weitertransport zur Empfängerin in Hürth betraute. Dessen Fahrer T. nahm das Gut am 18. Februar 1998 bei der E-GmbH in Köln entgegen. Die Ware kam bei der Empfängerin jedoch nicht an, weil der Fahrer sie unterschlug. Er wurde deshalb u.a. wegen veruntreuender Unterschlagung rechtskräftig verurteilt.
Die Klägerin hat an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust der Ware - unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung - eine Entschädigung in Höhe von 124.810,26 DM geleistet. Die Versicherungsnehmerin bestätigte den Erhalt des genannten Ersatzbetrages mit Schreiben vom 12. Oktober 1998 und trat zugleich ihre möglichen Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis an die Klägerin ab. Mit Telefax vom selben Tag erklärte auch die E-GmbH die Abtretung sämtlicher Ansprüche aus dem Frachtvertrag mit dem Beklagten an die Klägerin.
Die Klägerin hat behauptet, dem Fahrer des Beklagten seien die in der Rechnung ihrer Versicherungsnehmerin vom 17. Februar 1998 sowie in dem damit korrespondierenden Lieferschein vom selben Tag aufgeführten Waren, deren Wert 126.410,26 DM netto betragen habe, übergeben worden.
Mit ihrer am 9. Februar 1999 eingereichten und dem Beklagten am 24. Februar 1999 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 124.810,26 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin zum Umfang des seinem Fahrer übergebenen Gutes und dessen Wert entgegengetreten. Zudem hat er die Auffassung vertreten, etwaige Schadensersatzansprüche seien gemäß § 26 AGNB verjährt, da die Geltung der AGNB zwischen ihm und der E-GmbH ausdrücklich vereinbart worden sei. Für das Transportfahrzeug habe zum Zeitpunkt der von seinem Fahrer begangenen Unterschlagung eine Haftpflichtversicherung gegen Güterschäden bestanden.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne aus abgetretenem Recht der E-GmbH gemäß § 429 HGB (in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung, im folgenden: HGB a.F.) in Verbindung mit § 398 BGB Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe verlangen. Dazu hat es ausgeführt :
Die E-GmbH sei als versendende Spediteurin und Vertragspartnerin des Beklagten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation berechtigt, den der Versicherungsnehmerin durch den Verlust des Transportgutes entstande-
nen Schaden geltend zu machen. Der Beklagte müsse sich das Verschulden seines Fahrers gemäß § 431 HGB a.F. zurechnen lassen.
Durch die Veruntreuung des Fahrers des Beklagten sei der Versicherungsnehmerin Ware im Wert von 126.410,26 DM netto abhanden gekommen. Der Beklagte bestreite ohne Erfolg, die in der Rechnung und in dem Lieferschein der Versicherungsnehmerin mit Datum vom 17. Februar 1998 aufgeführte Ware erhalten zu haben. Zwar trage grundsätzlich der Ersatzberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Schaden. Es spreche jedoch eine Vermutung für die Annahme, daß dem Fahrer des Beklagten die in der Rechnung vom 17. Februar 1998 ausgewiesene Ware übergeben worden sei, die der Beklagte nicht entkräftet habe. Die Vermutung rechtfertige sich vor allem aus der von dem Fahrer bei der Entgegennahme des Transportgutes unterzeichneten Empfangsbestätigung. Unter diesen Umständen bedürfe es keiner Vernehmung der von der Klägerin für den Umfang der Warenlieferung benannten Zeugen.
Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Die auf § 26 AGNB gestützte Verjährungseinrede bleibe ohne Erfolg, weil nach dem Vortrag des Beklagten nicht davon ausgegangen werden könne, daß die AGNB in den Frachtvertrag zwischen ihm und der E-GmbH einbezogen worden seien. Der Beklagte berufe sich auf die für ihn günstigen Regelungen dieses Klauselwerkes; er habe deshalb die tatsächlichen Voraussetzungen für deren Geltung darzulegen und zu beweisen. Dieser prozessualen Obliegenheit sei er nicht hinreichend nachgekommen. Insbesondere biete seine Behauptung, die Geltung der AGNB sei zwischen ihm und der E-GmbH "ausdrücklich vereinbart" worden, keine geeignete Grundlage für die Erhebung von Zeugenbeweisen.
Die somit geltende einjährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Satz 1, § 414 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F., die am 18. Februar 1998 zu laufen begonnen habe, sei durch Einreichung der Klage am 9. Februar 1999 unterbrochen worden , da die Klage "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 2 ZPO a.F. zugestellt worden sei.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ansatz zutreffend angenommen , daß sich die Haftung des Beklagten für den streitgegenständlichen Schaden nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. beurteilt.
Das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588 ff.) findet auf die Ersatzpflicht für Gütertransportschäden , die - wie hier - vor dem 1. Juli 1998 eingetreten sind, keine Anwendung. Dies folgt insbesondere aus dem allgemein anerkannten, in Art. 170 und Art. 232 § 1 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatz, wonach sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, sofern - wie im Streitfall - kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (vgl. nur BGHZ 149, 337, 344 m.w.N.).
2. Die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 429 Abs. 1 HGB a.F. i.V. mit § 398 BGB sei nicht verjährt, haben Erfolg.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede nur dann Erfolg hätte, wenn er
sich auf die sechsmonatige Verjährungsfrist gemäß § 26 Abs. 1 AGNB berufen könnte. Es hat die Anwendbarkeit dieser die gesetzliche Verjährungsfrist verkürzenden Regelung auf der bisherigen Tatsachengrundlage jedoch zu Unrecht verneint.

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bislang nicht festgestellt, daß die Geltung der AGNB allgemeiner Handelsbrauch sei mit der Folge, daß diese nicht durch Individualvereinbarung in ein Vertragsverhältnis einbezogen werden müßten, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht beanstandet.

b) Die Revision rügt aber mit Recht, daß das Berufungsgericht eine Einbeziehung der AGNB in den zwischen der E-GmbH und dem Beklagten geschlossenen Frachtvertrag kraft individueller vertraglicher Vereinbarung verfahrensfehlerhaft verneint hat.
aa) Bei den AGNB handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1965 - Ib ZR 140/63, VersR 1966, 180, 181; BGHZ 129, 323, 326 ff.; MünchKomm.HGB/Dubischar, Vor § 1 AGNB Rdn. 1). Die Einbeziehung dieses Klauselwerks in einen Vertrag bedarf daher grundsätzlich einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung (MünchKomm.HGB/Dubischar, § 1 AGNB Rdn. 1; Koller, Transportrecht, 3. Aufl., § 1 AGNB Rdn. 3). Dabei müssen die formalisierten Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG a.F. (nunmehr: § 305 Abs. 2 BGB n.F.) gegenüber einem Kaufmann zwar nicht erfüllt sein (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung ). Vielmehr reicht es im kaufmännischen Geschäftsverkehr für die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig aus, daß der Verwender im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß auf sie hinweist und der
Vertragspartner der Geltung nicht widerspricht (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1977 - I ZR 80/75, NJW 1978, 698; BGHZ 117, 190, 194). Jedoch können auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr - sofern ein entsprechender Handelsbrauch nicht besteht - Allgemeine Geschäftsbedingungen nur kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung Vertragsbestandteil werden. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Willensübereinstimmung der Vertragspartner (vgl. BGHZ 117, 190, 194 f.; MünchKomm.BGB/Basedow, 4. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 42 ff.). Ein stillschweigender Einbeziehungswille kann dann gegeben sein, wenn Kaufleute im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung stets Verträge zu den Geschäftsbedingungen der einen Seite abgeschlossen haben und der Verwender unmißverständlich zu erkennen gegeben hat, daß er regelmäßig Geschäfte nur auf der Grundlage seiner eigenen Geschäftsbedingungen tätigen will (vgl. BGHZ 117, 190, 195; 129, 323, 324 f.; MünchKomm.BGB/Basedow, § 2 AGBG Rdn. 46). Auch durch eine Rahmenvereinbarung (§ 2 Abs. 2 AGBG a.F. = § 305 Abs. 3 BGB n.F.) konnte das Regelwerk der AGNB im voraus in künftig abzuschließende Verträge einbezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1982 - I ZR 176/80, TranspR 1983, 73, 74 = VersR 1983, 339).
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
(1) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte , der aus den AGNB eine für ihn günstige Rechtsfolge herzuleiten sucht, darzulegen und zu beweisen hat, daß dieses Regelwerk Bestandteil des streitgegenständlichen Frachtvertrages zwischen ihm und der E-GmbH geworden ist (vgl. MünchKomm.BGB/Basedow, § 2 AGBG Rdn. 41).
(2) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Sachvortrag des Beklagten, die Geltung der AGNB sei zwischen ihm und der E-GmbH ausdrücklich vereinbart worden, sei nicht hinrei- chend substantiiert und daher keine geeignete Grundlage für die Erhebung des von dem Beklagten angebotenen Zeugenbeweises.
(a) An die Substantiierungslast des Darlegungspflichtigen dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind; dabei hängt es vom Einzelfall, insbesondere der Einlassung des Gegners und dem, was der Partei an näheren Angaben möglich und zumutbar ist, ab, in welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen noch weiter substantiieren muß (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1984 - VII ZR 123/83, MDR 1985, 315; Urt. v. 23.4.1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; Urt. v. 13.7.1998 - II ZR 131/97, NJW-RR 1998, 1409; Urt. v. 4.7.2000 - VI ZR 236/99, NJW 2000, 3286, 3287; Urt. v. 8.5.2002 - I ZR 28/00, WRP 2002, 1077, 1081 - Vergleichsverhandlungen ).
(b) Das Berufungsgericht hat angenommen, aus dem an den Beklagten gerichteten Schreiben der E-GmbH vom 14. Dezember 1994 ergebe sich trotz der Überschrift "Versicherungsbestätigung zum AGNB-Rahmenvertrag E. " nicht die Einbeziehung der AGNB in den streitgegenständlichen Beförderungsvertrag , weil der Beklagte einen Rahmenvertrag mit der E-GmbH nicht vorgelegt habe und das Schreiben zudem mehr als drei Jahre vor dem hier zu beurteilenden Geschehnis abgefaßt worden sei. Die vom Beklagten in der Beru-
fungsverhandlung vorgelegte Ablichtung eines ausgefüllten Fragebogens für Subunternehmer der E-GmbH entbehre jeder Aussagekraft, weil das Formular, in dem unter der Rubrik "Versicherungsart" die Alternative "AGNB" angekreuzt sei, lediglich vom Beklagten selbst ausgefüllt worden sei und weder einen Beleg noch eine Bestätigung durch das Speditionsunternehmen enthalte.
(c) Das Berufungsgericht hat dem an den Beklagten gerichteten Schreiben der E-GmbH vom 14. Dezember 1994, das mit "Versicherungsbestätigung zum AGNB-Rahmenvertrag E. " überschrieben ist, verfahrensfehlerhaft keine hinreichende Indizwirkung für die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung des Beklagten beigemessen, die Geltung der AGNB sei zwischen ihm und der E-GmbH ausdrücklich vereinbart worden. Der vom Berufungsgericht für maßgeblich erachtete Umstand, daß der Beklagte einen Rahmenvertrag nicht vorgelegt hat, spricht nicht zwingend gegen die Schlüssigkeit seines Vortrages, da eine derartige Vereinbarung nicht unbedingt schriftlich geschlossen worden sein muß. Ebensowenig steht dem Vorbringen des Beklagten zur Geltung der AGNB entgegen, daß das Schreiben mehr als drei Jahre vor dem streitgegenständlichen Schadensfall abgefaßt wurde. Denn der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, daß er bereits zum damaligen Zeitpunkt für die E-GmbH als Nahverkehrsunternehmer tätig war. Anhaltspunkte für die Annahme, daß sich daran bis zum in Rede stehenden Schadensereignis etwas geändert haben könnte, sind nicht ersichtlich. Dem Beklagten kann angesichts des lange zurückliegenden Zeitpunktes der behaupteten Vereinbarung über die Einbeziehung der AGNB in die mit der E-GmbH geschlossenen Beförderungsverträge auch nicht vorgehalten werden, daß er zu den näheren Umständen der Vereinbarung in der Berufungsverhandlung ohne vorherigen Hinweis, daß ein derartiger Vortrag erforderlich sein würde, keine Angaben machen konnte. Er hat einen Mitarbeiter der E-GmbH als Zeugen für die Richtigkeit seiner Behauptung betreffend die
Einbeziehung der AGNB in den streitgegenständlichen Beförderungsvertrag benannt. Dieses Beweisangebot ist im Zusammenhang mit den vorgelegten Unterlagen hinreichend substantiiert. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen.
Sollte das Berufungsgericht nach Durchführung der erforderlichen Beweisaufnahme zu der Feststellung gelangen, daß die AGNB auch Gegenstand des in Rede stehenden Vertragsverhältnisses zwischen dem Beklagten und der E-GmbH waren, wird es dem weiteren unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag des Beklagten, für das Transportfahrzeug habe zum Zeitpunkt der von seinem Fahrer begangenen Unterschlagung eine Haftpflichtversicherung gegen Güterschäden bestanden, nachzugehen haben.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Beklagte habe die zugunsten der Klägerin sprechende Vermutung , daß der Fahrer die in der Rechnung und in dem Lieferschein der Versicherungsnehmerin mit Datum vom 17. Februar 1998 aufgeführten Waren erhalten habe, nicht durch hinreichend substantiierten Vortrag entkräftet. Der Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zur Übergabe des Transportguts in der behaupteten Menge, hinsichtlich der die Klägerin grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1964 - Ib ZR 222/62, VersR 1964, 1014, 1015; Urt. v. 19.6.1986 - I ZR 15/84, TranspR 1986, 459, 461 = VersR 1986, 1019; Urt. v. 16.1.1997 - I ZR 208/94, TranspR 1997, 294, 296 = VersR 1997, 1020), entgegen der Ansicht der Revision nicht wirksam bestritten.

a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, der Fahrer des Beklagten habe bei der Entgegennahme des Transportgutes eine Empfangsbestätigung unterzeichnet, die ihrerseits auf die beigefügte Rollkarte Bezug ge-
nommen habe. Die Bestätigung habe den ausdrücklichen Hinweis: "Stückzahlenmäßig und in einwandfreiem Zustand laut Rollkarte übernommen" enthalten. Die Empfangsbestätigung des Fahrers stellte jedenfalls bei Berücksichtigung des Inhalts der Rollkarte, des Lieferscheins und der Rechnung ein geeignetes Beweismittel zugunsten der Klägerin dar mit der Folge, daß der Beklagte die dadurch begründete Vermutung zu entkräften habe, was ihm nicht gelungen sei. Er habe weder aussagekräftige Indizien vorgetragen und unter Beweis gestellt , die gegen die Richtigkeit der Angaben der Klägerin zur Schadenshöhe sprechen würden, noch habe er einen Gegenbeweis - etwa durch Berufung auf die von der Klägerin selbst benannten Zeugen - angetreten. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

b) Der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke und den Zustand des Gutes kann von dem Anspruchsberechtigten grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden. Die formelle Beweiskraft einer solchen Empfangsbestätigung richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei der Quittung i.S. von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis, durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (vgl. BGH, Urt. v. 14.4.1978 - V ZR 10/77, WM 1978, 849 m.w.N. zur Quittung gemäß § 368 BGB; Helm in Großkomm.HGB, 4. Aufl., § 429 Rdn. 106; MünchKomm.HGB/Dubischar, § 426 HGB Rdn. 24 f., § 429 HGB Rdn. 36 ff.; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 408 HGB Rdn. 27). Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn die Empfangsbestätigung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte, wie beispielsweise Angaben über die Anzahl der in Kartons verpackten Waren
oder das nicht nachgewogene Gewicht einer Sendung. Denn die Beweiskraft einer Empfangsbestätigung bezieht sich im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (vgl. BGH TranspR 1986, 459, 461; Koller, Transportrecht , 4. Aufl., § 425 HGB Rdn. 41; MünchKomm.HGB/Dubischar § 426 HGB Rdn. 25, § 429 HGB Rdn. 38).
Die von dem Fahrer des Beklagten unterzeichnete Empfangsbestätigung beweist danach zwar weder für sich allein noch in Verbindung mit der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Rollkarte, daß es sich bei dem unstreitig im Obhutsbereich des Beklagten in Verlust geratenen Transportgut um diejenige Ware gehandelt hat, die in der Rechnung der Versicherungsnehmerin vom 17. Februar 1998 und in dem Lieferschein vom selben Tag im einzelnen aufgeführt ist. Das hindert den Tatrichter jedoch nicht, sich die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dem Fahrer des Beklagten seien die in der Rechnung und in dem Lieferschein der Versicherungsnehmerin mit Datum vom 17. Februar 1998 aufgeführten Waren übergeben worden, anhand der gesamten Umstände des Einzelfalles zu bilden, solange der Beklagte dagegen keine substantiierten Einwände vorbringt. Im Streitfall sprechen für die Annahme, daß durch die Unterschlagung des Transportgutes ein Schaden in der behaupteten Höhe entstanden ist, folgende Gesichtspunkte:
Die Angaben in dem Lieferschein vom 17. Februar 1998 und in der vom selben Tag datierenden Rechnung legen die Vermutung nahe, daß die darin aufgeführten Waren auch tatsächlich von der Versicherungsnehmerin zum Versand gebracht worden sind. Dies ergibt sich vor allem aus dem Umstand, daß es sich sowohl bei der Versenderin als auch bei der Empfängerin der Ware um Gewerbetreibende handelt. Im gewerblichen Bereich spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß an den gewerb-
lichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt wurden. Sofern die Güter - wie hier - in verschlossenen Behältnissen (Kartons) zum Versand gebracht wurden, ist bei kaufmännischen Absendern zwar nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - aufgrund einer tatsächlichen Vermutung (§ 292 ZPO), die den vollen Gegenbeweis erfordert (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 23. Aufl., § 292 Rdn. 2), sondern prima facie anzunehmen, daß die im Lieferschein und in der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis enthalten waren (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 425 HGB Rdn. 41). Es obliegt dann dem Schädiger, den zugunsten des Versenders streitenden Anscheinsbeweis durch substantiierten Vortrag zu erschüttern.
Das ist dem Beklagten im Streitfall nicht gelungen. Er hat lediglich mit Nichtwissen bestritten, daß die in der Rechnung vom 17. Februar 1998 aufgeführten "EDV-Artikel" tatsächlich von der Versicherungsnehmerin an die in der Rechnung genannte Empfängerin verschickt worden sind. Das reicht zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht aus.
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, daß der Beklagte vorgetragen habe, seinem Fahrer sei bei der Übernahme der Ware von der E-GmbH kein Lieferschein übergeben worden, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da der zugunsten der Klägerin sprechende Anscheinsbeweis an diesen Umstand nicht anknüpft. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Empfangsbestätigung des Fahrers stelle jedenfalls unter Berücksichtigung des Inhaltes der Rollkarte, des Lieferscheins und der Rechnung ein geeignetes Beweismittel zugunsten der Klägerin dar mit der Folge, daß der Beklagte die dadurch begründete Vermutung zu entkräften habe, sind - wie die Revision offenbar meint - nicht in dem Sinne zu verstehen, daß das Berufungsgericht hat an-
nehmen wollen, Voraussetzung für das Eingreifen der von ihm angenommenen Vermutung sei die Übergabe des Lieferscheins an den Fahrer des Beklagten.
III. Das angefochtene Urteil war danach auf die Revision des Beklagten aufzuheben. Da der Ausgang des Rechtsstreits noch von weitergehenden tatsächlichen Feststellungen abhängt, die im Revisionsverfahren nicht getroffen werden können, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 256/98 Verkündet am:
18. Januar 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
CMR Art. 17 Abs. 2
Zur Frage der Unvermeidbarkeit eines in der Nähe von Moskau begangenen
Überfalls auf einen Lkw-Transport, bei dem die Ladung (Sanitärausrüstungsgegenstände
) entwendet wurde.
BGH, Urt. v. 18. Januar 2001 - I ZR 256/98 - OLG Naumburg
LG Dessau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, eine Import-Export Handelsgesellschaft, nimmt die Beklagte , die ein Speditions- und Frachtführergewerbe betreibt und in Perm/Rußland eine selbständige Niederlassung unterhält, wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin erteilte dem Geschäftsführer der Beklagten, der auch Leiter der Niederlassung in Perm ist, am 29. April 1996 telefonisch den Auftrag, Sanitärausrüstungsgegenstände per Lkw von Deutschland nach Rußland zu befördern. Die Verladeformalitäten und die Erstellung der für den Transport erforderlichen Papiere erledigte die Beklagte. Der Einsatz des Lkws und des Fahrers B. erfolgte durch die Niederlassung der Beklagten in Perm. Der Fahrer übernahm das Transportgut am 6. und 7. Mai 1996 in Offenburg und Magdeburg /Rottensee. Am 15. Mai 1996 teilte die Niederlassung der Beklagten in Perm der Klägerin per Fax-Schreiben mit, daß die Ladung in der Nähe von Moskau vollständig entwendet worden sei.
In seiner bei der russischen Polizei am 14. Mai 1996 erstatteten Anzeige hat der Fahrer zum Hergang der Entwendung folgendes angegeben: Er sei am 13. Mai 1996 gegen 23.30 Uhr von vier ihm unbekannten Personen, von denen zwei als Milizmitarbeiter uniformiert gewesen seien, angehalten worden. Auf deren Verlangen habe er zunächst seine Papiere vorgezeigt. Anschließend sei er aufgefordert worden, sein Fahrzeug zu verlassen und in einen Pkw einzusteigen , mit dem er dann in einen Wald gebracht worden sei. Dort hätten die Personen ihn an einem Baum festgebunden. Die Nacht habe er in dem Wald
verbringen müssen. Am nächsten Morgen seien die ihm unbekannten Personen weggefahren. Nachdem er sich befreit gehabt habe und aus dem Wald herausgekommen sei, habe er seinen Lkw in der Nähe des Waldes ohne das Ladungsgut vorgefunden.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Ersatz für das in Verlust geratene Gut. Sie hat vorgebracht, die Beklagte mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt zu haben. Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR, weil der von ihr eingesetzte Fahrer nicht die äußerste ihm zumutbare Sorgfalt aufgewendet habe. Er hätte erkennen müssen, daß es sich nicht um eine ordnungsgemäße Polizeikontrolle gehandelt habe, weil von den vier Personen, die ihn angehalten hätten, zwei nicht uniformiert gewesen seien und es sich bei dem von den anhaltenden Personen benutzten Pkw unstreitig nicht um ein Polizeifahrzeug gehandelt habe. Der Fahrer hätte sich deshalb von der Identität der vermeintlichen Polizeibeamten überzeugen müssen, zumal es keinen Anlaß für eine Kontrolle gegeben habe.
Der Nettowert des entwendeten Gutes, das ein Rohgewicht von 7.433 kg gehabt habe, habe 270.170,69 DM betragen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag in Deutscher Mark zu bezahlen, der sich aus folgender Rechnung gemäß Art. 23 CMR ergibt: 7.433 kg fehlendes Gewicht x 8,33 Rechnungseinheiten, diese zu berechnen aus dem Sonderziehungsrecht des Internationalen
Währungsfonds am Tag des Urteils, nebst 12,5 % Zinsen hieraus seit dem 2. August 1996. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und dazu behauptet, es sei mit der Klägerin vereinbart worden , daß ihre Niederlassung in Perm Auftragnehmerin des streitgegenständlichen Transportes habe sein sollen. Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, der Verlust des Transportgutes beruhe auf einem unabwendbaren Ereignis, so daß ihre Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR entfalle. Der Fahrer habe nach den Gesamtumständen davon ausgehen müssen, daß er in eine Polizeikontrolle geraten sei. Folgerichtig habe er sein Fahrzeug angehalten. Es habe für ihn nicht den geringsten Grund gegeben, sich der Polizeikontrolle zu entziehen. Andernfalls wäre er das Risiko eingegangen, daß die eingesetzten Milizionäre von ihrer Schußwaffe Gebrauch gemacht und auf ihn geschossen hätten. Er sei auch verpflichtet gewesen, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, weil ihm eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit vorgeworfen worden sei. Um sich selbst von der Radarmessung überzeugen zu können, sei er aufgefordert worden, in das von den anhaltenden Personen benutzte Fahrzeug einzusteigen. Entgegen der Behauptung der Klägerin habe das Transportgut, dessen Wert sie mit Nichtwissen bestreite, nur ein Bruttogewicht von 6.177 kg gehabt.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR verneint, da sie sich auf einen Haftungsausschluß gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR berufen könne. Dazu hat es ausgeführt:
Das Landgericht habe die Passivlegitimation der Beklagten mit Recht bejaht, da sie nicht hinreichend dargelegt und bewiesen habe, daß sie den streitgegenständlichen Transportauftrag nicht für sich, sondern für ihre selbständige Niederlassung in Perm angenommen habe. Eine Haftung der Beklagten sei jedoch nach Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen, weil der Fahrer die Umstände, die zum Verlust des Gutes geführt hätten, nicht habe vermeiden und deren Folgen auch nicht habe abwenden können. Insbesondere aus der Anzeige des Fahrers vom 14. Mai 1996 ergebe sich, daß das Transportgut durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen sei. Die Angaben zum Hergang des Vorfalls würden durch das Protokoll der russischen Ermittlungsbehörden über die am 14. Mai 1996 durchgeführte Tatortbesichtigung gestützt. Die Klägerin habe zwar Zweifel an der Darstellung der Geschehensabläufe geäußert und die gesamten Umstände des angeblichen Überfalls als dubios und nicht nachvollziehbar bezeichnet. Sie habe jedoch nicht ausdrücklich bestritten, daß dem Verlust des Gutes ein Raubüberfall auf den fahrenden Lkw zugrunde gelegen habe. Ein Raubüberfall auf einen fahrenden Lastzug sei im allgemeinen unvermeidbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR, sofern die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht für ein Außerachtlassen der äußersten , einem besonders gewissenhaften Frachtführer bzw. Fahrer vernünftigerweise noch zumutbaren Sorgfalt sprächen. Im Streitfall sei nichts für die Annahme ersichtlich, der Frachtführer oder der Fahrer hätten die ihnen zumut-
baren Sorgfaltspflichten außer acht gelassen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei nicht zu erkennen, auf welche Weise der Frachtführer oder der Fahrer den Verlust des Transportgutes hätten vermeiden können. Dem Fahrer sei es angesichts der Anwesenheit von zwei Milizsoldaten insbesondere nicht zumutbar gewesen, die Aufforderung zum Anhalten zu mißachten, da er sich sonst einer nicht unerheblichen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt hätte.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Klägerin mit dem Transport des in Verlust geratenen Gutes von Deutschland nach Rußland beauftragt worden ist.
Die Revisionserwiderung rügt, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, daß sich aus dem für den streitgegenständlichen Transport ausgestellten CMR-Frachtbrief (GA 99) ergebe, daß die selbständige Niederlassung der Beklagten in Perm/Rußland von der Klägerin als Frachtführerin beauftragt worden sei. Denn in Ziffer 16 des Frachtbriefs sei als Frachtführerin die H. Handelsgesellschaft Import-Export Perm, L.straße , Perm/Rußland, angegeben. Gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR erbringe der Frachtbrief bis zum Beweis des Gegenteils den Nachweis für den Abschluß und den Inhalt des Beförderungsvertrags. Die Klägerin habe den ihr danach obliegenden Beweis, daß sie die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Transport beauftragt habe, nicht erbracht.
Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die von der Revisionserwiderung erstrebte Abweisung der Klage wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten. Ein ordnungsgemäß ausgestellter und unterzeichneter CMR-Frachtbrief erbringt nach Art. 9 Abs. 1 CMR zwar den widerleglichen Beweis für den Abschluß und den Inhalt des Beförderungsvertrags und für die Übernahme des Transportgutes (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1988 - I ZR 149/86, TranspR 1988, 370, 371; Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 251/94, TranspR 1998, 21, 23 = VersR 1998, 79; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 9 CMR Rdn. 2; MünchKommHGB/Basedow, Art. 9 CMR Rdn. 3) und führt insoweit zur Beweislastumkehr (vgl. BGH TranspR 1998, 21, 23; Herber/Piper, CMR, Art. 9 Rdn. 1). Im Streitfall entfällt die Beweiswirkung des Art. 9 Abs. 1 CMR jedoch, da nicht ersichtlich ist, daß der Frachtbrief für die selbständige Niederlassung der Beklagten in Perm unterzeichnet worden ist. Der in Feld 23 des maßgeblichen CMR-Frachtbriefs enthaltene Rundstempel nebst Unterschrift reicht für eine derartige Annahme nicht aus, weil er nur die deutsche Firmenbezeichnung der Beklagten "H. Handelsgesellschaft Import - Export m.b.H." und den Zusatz "NL Perm" enthält. Aus der bloßen Angabe "NL Perm" kann - ungeachtet der Empfängerangabe in Feld 16 - nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit geschlossen werden, daß die Klägerin eine selbständige Niederlassung der Beklagten mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt hat, zumal nicht einmal erkennbar ist, daß die Niederlassung der Beklagten in Perm selbständig ist. Da unter den gegebenen Umständen eine Beweislastumkehr zugunsten der Beklagten nicht in Betracht kommt, ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von deren Passivlegitimation ausgegangen.
2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, eine CMR-Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V. mit Art. 3 CMR schei-
de aus, weil sie nach Art. 17 Abs. 2 CMR von ihrer Haftung befreit sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz u.a. für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportgutes. Er ist von dieser Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dann befreit, wenn der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für ihn selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, dem Frachtführer möglichen und z umutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 164/96, TranspR 1999, 59, 61 = VersR 1999, 469; Urt. v. 13.4.2000 - I ZR 290/97, TranspR 2000, 407, 408 = VersR 2000, 1437; Urt. v. 13.7.2000 - I ZR 49/98, TranspR 2000, 409, 410 = VersR 2001, 261).

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der streitgegenständliche Verlust sei für die Beklagte bzw. den mit der Durchführung des Transports betrauten Fahrer, für dessen Verhalten die Beklagte nach Art. 3 CMR einzustehen hat, unvermeidbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR gewesen, weil das Gut durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen sei. Dem Fahrer sei nach den konkreten Umständen keine andere Möglichkeit geblieben , als seinen Lkw anzuhalten und der Aufforderung der ihn stoppenden Personen, von denen zwei Milizuniformen getragen hätten, nachzukommen, seine Papiere vorzuzeigen und auszusteigen. Nach dem Verlassen seines Fahrzeugs habe er sich in der Gewalt von vier Personen befunden, denen er
sich wegen ihrer Übermacht nicht habe widersetzen können. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

b) Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht zugrunde gelegten und von der Beklagten vorgetragenen Hergangs des streitgegenständlichen Vorfalls kann nicht angenommen werden, daß der Fahrer der Beklagten im Zusammenhang mit dem Raubüberfall die äußerste, ihm nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt hat walten lassen.
aa) Das Berufungsgericht ist im Tatsächlichen zunächst davon ausgegangen , daß das Transportgut durch einen Raubüberfall abhanden gekommen ist. Es hat angenommen, die Klägerin habe zwar Zweifel an der Darstellung der Geschehensabläufe seitens der Beklagten geäußert und die Auffassung vertreten , es seien Ungereimtheiten vorhanden. Die Klägerin habe jedoch - so hat das Berufungsgericht gemeint - nicht ausdrücklich bestritten, daß dem Verlust des Gutes ein Raubüberfall zugrunde gelegen habe. Diese Beurteilung erweist sich als verfahrensfehlerhaft.
Das Berufungsgericht hat - wie die Revision mit Recht rügt - rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Juli 1997 ausdrücklich bestritten hat, daß überhaupt eine Kontrolle des Fahrers durch falsche oder richtige Polizeibeamte erfolgt sei. Darüber hinaus hat die Klägerin an der Darstellung der Geschehensabläufe durch den Fahrer und die Beklagte Zweifel angemeldet und - was das Berufungsgericht an sich auch zutreffend erkannt hat - auf Widersprüche und Ungereimtheiten hingewiesen. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht nicht annehmen, die Klägerin habe nicht substantiiert in Abrede gestellt, daß das Gut durch einen Raubüberfall abhanden gekommen sei. Es hätte sich vielmehr mit dem
Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 12. Mai 1997 im einzelnen auseinandersetzen müssen, in dem auf das Anlagenkonvolut B 5 Bezug genommen wird, das offenbar eine detaillierte Schilderung des Vorfalls durch den Fahrer anläßlich seiner Zeugenvernehmung im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft Dessau durchgeführten Ermittlungsverfahrens enthält. Das wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein. Die Anlage B 5 befindet sich allerdings nicht bei den Akten und es ist nicht ersichtlich, ob sie im Verfahren vorgelegen hat. Die Beklagte hat aber im neu eröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit, das Anlagenkonvolut B 5, wie bereits in ihrer Klageerwiderung vom 12. Mai 1997 angekündigt, zum Gegenstand des Rechtsstreits zu machen.
bb) Das Berufungsgericht hat des weiteren angenommen, das Gut sei durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen. Es hat sich hierbei auf die Schilderung des Tathergangs durch den Fahrer anläßlich der von ihm am 14. Mai 1996 bei der russischen Polizei erstatteten Anzeige und das Protokoll der russischen Ermittlungsbehörden über die Tatortbesichtigung vom 14. Mai 1996 gestützt. Daraus läßt sich die Annahme des Berufungsgerichts jedoch nicht herleiten.
Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen zu den Umständen getroffen, die zum Anhalten des Lkw geführt haben. Auf der Grundlage der Sachverhaltsschilderungen der Beklagten und des Fahrers ist davon auszugehen , daß der Fahrer aufgrund einer fingierten Polizeikontrolle zum Anhalten und Aussteigen veranlaßt wurde. Anhaltspunkte dafür, daß ein bewaffneter Überfall auf einen fahrenden Lkw vorgelegen haben könnte, wie es in dem vom Senat mit Urteil vom 13. November 1997 entschiedenen Revisionsverfahren I ZR 157/95 (TranspR 1998, 250) der Fall war, auf das sich das Berufungsge-
richt zur Stützung seiner Ansicht bezogen hat, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und können auch dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen werden.
cc) Zur Beantwortung der Frage, ob der streitgegenständliche Verlust des Transportgutes für die Beklagte unvermeidbar war i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
(1) Daß ein Haftungsausschluß gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR - wie die Revision geltend macht - im Streitfall schon daran scheitert, daß der Frachtführer den Transport nur mit einem Fahrer hat durchführen lassen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 131/95, TranspR 1998, 25 = VersR 1998, 82; Urt. v. 28.5.1998 - I ZR 73/96, TranspR 1998, 454 = VersR 1998, 1264, jeweils zu Art. 29 Abs. 1 CMR), kann auf der bisherigen Tatsachengrundlage nicht angenommen werden. Da es bislang an konkreten Feststellungen des Berufungsgerichts zu den näheren Umständen fehlt, die zum Anhalten und Verlassen des Lkw durch den Fahrer geführt haben, kann nicht abschließend beurteilt werden , ob der Einsatz eines zweiten Fahrers die Entwendung der Ladung in der konkreten Situation hätte verhindern können.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers nicht darin erblickt werden, daß er die Anhaltesignale der ihn anhaltenden Personen befolgt hat und nicht bis zur nächsten Milizstation weitergefahren ist. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage kann schon nicht davon ausgegangen werden, daß der Fahrer erkennen konnte, daß es sich lediglich um eine fingierte Polizeikontrolle gehandelt hat. Denn die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die Person, die den Fahrer angehalten hat, habe eine Uniformjacke mit Dienstmarke getragen. Es kann nach dem unstrei-
tigen Sachverhalt und den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht angenommen werden, daß der Fahrer sofort alle vier Täter und das von ihnen benutzte Fahrzeug erkennen konnte. Die Revisionserwiderung verweist darauf, daß der Fahrer bei seiner Vernehmung im von der Staatsanwaltschaft Dessau durchgeführten Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, die beiden in Zivil gekleideten Täter habe er erst beim Einsteigen in das von den Tätern benutzte Fahrzeug entdecken können. Diese von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Zeugenaussage zum Tathergang kann der Revisionsentscheidung allerdings nicht zugrunde gelegt werden, da sie offenbar in dem bislang nicht zu den Akten gelangten Anlagenkonvolut B 5 enthalten ist.
Nach den bisherigen Feststellungen ist in der Revisionsinstanz sonach davon auszugehen, daß der Fahrer annehmen mußte, er sei in eine "echte" Polizeikontrolle geraten. Bei dieser Sachlage war es ihm aber nicht zumutbar, die Anhaltesignale zu ignorieren und bis zur nächsten Milizstation weiterzufahren.
(3) Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers kann sich jedoch möglicherweise daraus ergeben, daß er der Aufforderung der ihn anhaltenden Person nachgekommen ist, sein Fahrzeug zu verlassen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17. Juli 1997 unwidersprochen vorgetragen, es sei im Fernverkehr mit Rußland absolut üblich, daß sich der Fahrer bei einer Kontrolle durch die russische Verkehrspolizei (GAI) oder Miliz den Dienstausweis des kontrollierenden Polizeibeamten geben lasse, bevor er aus dem Fahrerhaus aussteige. Dies sei den kontrollierenden Polizeibeamten auch bekannt. Bei einer "echten" Kontrolle werde dem Verlangen des Fahrers bereitwillig nachgekommen und ein Dienstausweis vorgelegt.
Das Berufungsgericht hat bislang nicht festgestellt, daß der Fahrer sich vor dem Aussteigen einen Dienstausweis hat zeigen lassen. Den Akten kann dies ebenfalls nicht entnommen werden. Die Beklagte hat allerdings vorgetragen , die Person, die den Fahrer angehalten habe, habe eine Uniformjacke und die von der Klägerin angesprochene Dienstmarke getragen. Die Revisionserwiderung verweist zudem darauf, daß der Fahrer bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dessau bekundet habe, es habe sich in seiner Fahrtrichtung am Straßenrand ein gültiges Verkehrsschild mit der Beschriftung "GAI 500 m" befunden, das für ihn besagt habe, es könnte in einer Entfernung von 500 m eine Verkehrskontrolle stattfinden; etwa 300-400 m nach dem Schild sei er dann auch tatsächlich angehalten worden. Das Berufungsgericht wird diesem Vorbringen nachzugehen und zu prüfen haben, ob der Fahrer unter diesen Umständen mit einer nur fingierten Kontrolle rechnen mußte und deshalb Veranlassung hatte, sich einen Dienstausweis der kontrollierenden Person vorlegen zu lassen.
3. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren gegebenenfalls auch zu berücksichtigen haben, daß die Beklagte den Wert und das Gewicht des in Verlust geratenen Gutes in zulässiger Weise bestritten hat und es insoweit bislang an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt.
Ferner wird das Berufungsgericht - sofern es zu einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach gelangt - zu prüfen haben, ob die Klägerin den Verlust des Gutes dadurch i.S. von Art. 17 Abs. 5 CMR mitverursacht hat, daß sie - was allerdings bestritten ist - die Beklagte und den Fahrer in Unkenntnis darüber gelassen habe, daß die Wertdeklaration von ca. 30.000,-- DM nicht richtig gewesen sei, der wahre Wert des Gutes vielmehr - so die bestrittene Behaup-
tung der Klägerin - etwa 270.000,-- DM betragen habe. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 12. Mai 1997 u.a. vorgebracht, im russischen Verlade- und Frachtführergewerbe bestehe grundsätzlich die Verkehrsübung, daß bei Transportgut, dessen Wert pro Lastzug ca. 100.000,-- DM überschreite , von seiten des Frachtführers die Lastzüge mit zwei Fahrern besetzt würden bzw. der vom Verlader vorgegebene Begleitschutz mitgeführt werde. Für den Transit durch Polen habe im Jahre 1996 zudem eine Anordnung des polnischen Zolls bestanden, daß bei Transportgut ab 100.000,-- DM Warenwert je Lastzug ausschließlich im Konvoi mit anderen Lastzügen unter amtlichem Begleitschutz habe gefahren werden dürfen. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die von der Beklagten angeführten zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen den in Rede stehenden Verlust des Transportgutes verhindert hätten.
III. Danach war auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, dass die Quittung in anderer Form erteilt wird, so kann er die Erteilung in dieser Form verlangen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 235/02 Verkündet am:
4. Mai 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Haben ein Paketversender (Großkunde) und ein Paketbeförderungsunternehmen
die Anwendung des EDI-Verfahrens bei der Abwicklung von Transportaufträgen
vereinbart, kann der Versender nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
davon ausgehen, daß der Spediteur/Frachtführer nach Öffnung des verplombten
Behältnisses, in dem sich die Pakete befinden, die Richtigkeit der Versandliste
unverzüglich überprüft und Beanstandungen dem Versender ebenfalls unverzüglich
mitteilt. Unterbleibt eine unverzügliche Beanstandung, kann der Versender
dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste
ansehen, die damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung erhält.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2005 - I ZR 235/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2005 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant,
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Transportversicherer der S. GmbH in Düsseldorf (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte), die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, sowie deren persönlich haftende Gesellschafterin, die Beklagte zu 2, aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes eines nach ihrer Behauptung am 12. Oktober 1999 aufgegebenen Pakets (mit der Kontrollnummer 1 ) auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin ist als Versenderin von Paketen Großkundin der Beklagten. Sie nimmt bei der Abwicklung der Paketversendung an dem nachfolgend beschriebenen Feeder- bzw. EDI-Verfahren der Beklagten teil: Die Versenderin druckt mit einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Software die Barcode-Paketkontrollnummern aus und versieht die versandfertigen Pakete mit diesen Kontrollnummern. Anschließend übermittelt sie per Datenfernübertragung eine Versandliste an die Beklagte, in der auch die Kontrollnummern aufgeführt sind. Mitarbeiter der Versenderin packen die Pakete in ein von der Beklagten überlassenes Behältnis (Feeder). Das Behältnis wird dann im Beisein des Abholfahrers der Beklagten verplombt. Der Fahrer bestätigt - ohne vorherige Überprüfung des Inhalts des Behältnisses und ohne daß ihm die Liste mit den U. -Kontrollnummern zur Verfügung gestanden hat - auf einem als "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" bezeichneten Schreiben den Empfang einer bestimmten Anzahl von Paketen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Beklagte hat die Möglichkeit, alle Pakete bei deren erstem Eingang zu scannen und die Kontrollnummern der eingegangenen Pakete mit der per Datenfernleitung übermittelten Versandliste und den danach zu erwartenden Paketen abzugleichen.
Die Beklagte hat der Versicherungsnehmerin mit Schreiben vom 8. November 1999 mitgeteilt, daß das Paket mit der Kontrollnummer 1 einen "Transportschaden" erlitten habe.
Die Klägerin hat behauptet, ihre Versicherungsnehmerin habe dem Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 insgesamt 234 Pakete übergeben , darunter auch das streitgegenständliche Paket. Dieses Paket, das 250 Arbeitsspeichermodule enthalten habe, sei im Gewahrsam der Beklagten verlorengegangen. Die Klägerin hat ihrer Versicherungsnehmerin im Hinblick
auf den Verlust des Pakets unstreitig eine Entschädigung in Höhe von 99.450 DM geleistet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Fahrer der Beklagten unterzeichnete Empfangsbestätigung begründe eine Vermutung dafür, daß die Beklagte das verlorengegangene Paket übernommen habe. Diese Vermutung sei nicht erschüttert worden. Die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt, da der Verlust auf groben Mängeln in ihrer Betriebsorganisation beruhe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 99.570 DM (= 50.909,15 €) nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten haben bestritten, daß die Beklagte zu 1 an dem streitgegenständlichen Paket Gewahrsam erlangt habe. Der Empfangsbestätigung könne insoweit keine Bedeutung zukommen, weil der Abholfahrer vereinbarungsgemäß die Pakete nicht zähle.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs antragsgemäß verurteilt.
Mit der (vom Berufungsgericht) zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte unterliege als Fixkostenspediteurin gemäß § 459 HGB der Frachtführerhaftung (§ 425 Abs. 1 HGB).
Der Abholfahrer der Beklagten habe in dem streitgegenständlichen Fall eine Empfangsbestätigung über die Anzahl der bei der Versenderin in Empfang genommenen Pakete unterzeichnet. Aus dieser Empfangsbestätigung in Verbindung mit dem Unterlassen einer Rückmeldung über ein angeblich nicht im Feeder befindliches Paket durch den ersten Hauptumschlagsbetrieb der Beklagten sei die Vermutung abzuleiten, daß das in Verlust geratene Paket in den Gewahrsam der Beklagten gelangt sei. Diese Vermutung sei nicht erschüttert. Es sei daher davon auszugehen, daß das Paket während des Frachtführergewahrsams verlorengegangen sei. Für den dadurch entstandenen Schaden hafte die Beklagte gemäß § 435 HGB unbeschränkt. Das Unterlassen von ausreichenden Schnittstellenkontrollen rechtfertige den Vorwurf leichtfertigen Handelns. Die Beklagte zu 2 hafte gemäß § 128 HGB.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg (§ 561 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für den in Rede stehenden Verlust von Transportgut nach § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, § 128 HGB bejaht. Es ist
dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen , daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt.
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, aus der Empfangsbestätigung über die Anzahl der bei der Versenderin abgeholten Pakete, die der Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 unterzeichnet habe, sei in Verbindung mit dem Unterlassen einer unverzüglichen Rückmeldung über das Fehlen von Paketen, die sich nach der (durch Datenfernübertragung) übermittelten Versandliste im Feeder hätten befinden sollen, die Vermutung abzuleiten, daß das in Verlust geratene Paket in die Obhut der Beklagten gelangt sei. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der ersatzberechtigte Versender darzulegen und zu beweisen hat, daß der Frachtführer die zu befördernde Sendung vollständig und ohne Beschädigung übernommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2002 - I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 158).

b) Der Beweis, daß das streitgegenständliche Paket in die Obhut der Beklagten gelangt ist, kann im vorliegenden Fall nicht allein durch die Empfangsbestätigung geführt werden, die der Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 durch Unterschreiben der "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" abgegeben hat.
aa) Der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke und den Zustand des Gutes kann von dem Anspruchsberechtigten allerdings grundsätz-
lich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden. Die formelle Beweiskraft eines solchen Empfangsbekenntnisses richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei einer Quittung i.S. von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis, durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (BGH TranspR 2003, 156, 158, m.w.N.). Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte. Die Beweiskraft einer Empfangsquittung bezieht sich im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (vgl. BGH TranspR 2003, 156, 158, m.w.N.).
bb) Die Revision weist jedoch zutreffend darauf hin, daß der Inhalt des von dem Abholfahrer der Beklagten unterzeichneten, mit "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" überschriebenen Schriftstücks nach den festgestellten Umständen keinen Beweis für die Anzahl der bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin abgeholten Pakete erbringen kann. Denn nach dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten vereinbarten Verfahren übernimmt der Abholfahrer den von Mitarbeitern der Versenderin mit Paketen gefüllten Feeder, der in seinem Beisein verplombt wird, ohne eine Überprüfung der Stückzahl der in Empfang genommenen Pakete vorzunehmen. Auf die Frage, ob der Abholfahrer der Beklagten im konkreten Fall die Möglichkeit hatte, den Inhalt des übergebenen Feeders zu prüfen, kommt es daher nicht an.

c) Die Versicherungsnehmerin der Klägerin als Versenderin und die Beklagte haben aber durch Vereinbarung des EDI-Verfahrens die Abrede getrof-
fen, daß der Inhalt einer Versandliste für einen von dem Abholfahrer der Beklagten quittierten Feeder als bestätigt gilt, sofern die Beklagte diesem nicht unverzüglich widerspricht. Dies kann der Senat selbst feststellen, da weiteres Tatsachenmaterial hierzu nicht zu erwarten ist (vgl. BGHZ 115, 335, 342). Rechtlich ist eine solche Abrede ohne weiteres zulässig. Vertragsparteien steht es grundsätzlich frei, Vereinbarungen zu treffen, in denen festgelegt wird, daß ein bestimmtes Verhalten einer Partei rechtlich die Bedeutung der Abgabe oder Nichtabgabe einer bestimmten Willenserklärung haben soll (vgl. MünchKomm.BGB /Basedow, Bd. 2a, 4. Aufl., § 308 Nr. 5 Rdn. 1; Wagner, Prozeßverträge , 1998, S. 649 ff.).
Im vorliegenden Fall ist die dargelegte Abrede zwar nicht ausdrücklich festgelegt worden; eine solche ist aber in der Vereinbarung des EDI-Verfahrens nach deren Sinn und Zweck enthalten. Das EDI-Verfahren bedeutet für einen Versender einen nicht unerheblichen Aufwand. Er muß seine Pakete selbst mit einer Kontrollnummer versehen, diese dem Abholfahrer in einem verschlossenen Behältnis aushändigen und der Beklagten dazu eine Versandliste mit den Kontrollnummern der durch diese individualisierten Pakete übersenden. Der Versender übernimmt so zunächst auch Kontrollaufgaben, die sonst dem Frachtführer obliegen. Andererseits wird die Übergabe an den Abholfahrer erheblich erleichtert. Das EDI-Verfahren ist damit im beiderseitigen Interesse an einer Beschleunigung des Versands darauf angelegt, daß eine Paketkontrolle bei der Übergabe selbst zunächst unterbleibt und die Übergabe bestimmter Pakete nicht schon zu diesem Zeitpunkt durch eine Empfangsbestätigung festgehalten wird. Ob die Beklagte nach dem EDI-Verfahren auch im Rechtssinn darauf verzichtet hat, die Pakete bei der Übergabe durchzuzählen, kann hier offenbleiben.
Unter den Umständen des EDI-Verfahrens kann ein Versender aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen, daß die Beklagte nach Öffnung des Behältnisses die Richtigkeit der Versandliste unverzüglich überprüft und mögliche Beanstandungen ebenfalls unverzüglich mitteilt. Unterbleibt eine unverzügliche Beanstandung, kann der Versender dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste ansehen. Diese erhält damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung; die dadurch - wie bei einer Empfangsbestätigung - begründete Vermutung kann allerdings widerlegt werden.
Bei einer anderen Beurteilung würde der zusätzliche Aufwand bei der Erfassung der versandten Pakete mit Kontrollnummern und der Zusammenstellung der Pakete in einer Versandliste, die diese Kontrollnummern enthält, die Beweislage des Versenders nicht verbessern. Der Versender käme vielmehr in erhebliche Nachweisschwierigkeiten, wenn eine Sendung nach deren Übergabe an den Frachtführer abhanden kommt. Die Empfangsquittung des Abholfahrers ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - für einen Versender zwar nicht praktisch wertlos, da in dem Schriftstück jedenfalls die Übergabe eines verschlossenen Behältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt wird. Sie genügt aber nicht - wie vorstehend unter II. 2. b) dargelegt ist - als Nachweis für die Übergabe eines bestimmten Pakets. Ein Versender hätte dann aber (auch gegenüber seinem Versicherer) kaum eine Möglichkeit, die Übergabe eines bestimmten Pakets nachzuweisen. Solche Beweisschwierigkeiten des Versenders sind nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens nicht gewollt.

d) Entgegen der Ansicht der Revision kann die Mitteilung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 8. November 1999, die streitgegenständliche Sendung habe "einen Transportschaden erlitten", weder nach dem Zeitpunkt noch nach ihrem Inhalt als eine unverzügliche Rückmeldung der Beklagten zur Richtigkeit
der Versandliste der Versicherungsnehmerin angesehen werden. Eine Rückmeldung über angebliche Fehlbestände muß so rechtzeitig erfolgen, daß ein Versender wie die Versicherungsnehmerin einem Verlust von Paketen im eigenen Unternehmen zeitnah nachgehen kann. Das war bei der Mitteilung der Beklagten vom 8. November 1999 nicht mehr der Fall.
3. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß es den Beklagten nicht gelungen ist, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen oder zu erschüttern. Da die Beklagten eine Zustellung des in Empfang genommenen Pakets nicht darlegen und beweisen können, ist davon auszugehen, daß es im Gewahrsamsbereich der Beklagten in Verlust geraten ist.
4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt , da dieser auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sei, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen habe.

a) Das Berufungsgericht hat den Vorwurf des leichtfertigen Handelns darauf gestützt, daß eine Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die - wie im vorliegenden Fall - Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, den Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens rechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt.

b) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils mehrfach entschieden hat (vgl. BGHZ 158, 322, 330 ff.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004,
399, 401; Urt. v. 2.12.2004 - I ZR 48/02, Umdr. S. 5 ff.; Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 276/02, Umdr. S. 3). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Annahme eines qualifizierten Verschuldens nicht damit begründet , daß die Beklagte an der ersten Hauptumschlagsbasis keine Eingangskontrolle vornimmt. Es hat seine Beurteilung vielmehr ausdrücklich auf das bewußte Unterlassen von Schnittstellenkontrollen auf dem weiteren Transportweg gestützt.
5. Die Beklagte zu 2 hat als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1 gemäß § 128 HGB für deren Verbindlichkeiten einzustehen.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 235/02 Verkündet am:
4. Mai 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Haben ein Paketversender (Großkunde) und ein Paketbeförderungsunternehmen
die Anwendung des EDI-Verfahrens bei der Abwicklung von Transportaufträgen
vereinbart, kann der Versender nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
davon ausgehen, daß der Spediteur/Frachtführer nach Öffnung des verplombten
Behältnisses, in dem sich die Pakete befinden, die Richtigkeit der Versandliste
unverzüglich überprüft und Beanstandungen dem Versender ebenfalls unverzüglich
mitteilt. Unterbleibt eine unverzügliche Beanstandung, kann der Versender
dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste
ansehen, die damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung erhält.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2005 - I ZR 235/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2005 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant,
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Transportversicherer der S. GmbH in Düsseldorf (im folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte), die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, sowie deren persönlich haftende Gesellschafterin, die Beklagte zu 2, aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes eines nach ihrer Behauptung am 12. Oktober 1999 aufgegebenen Pakets (mit der Kontrollnummer 1 ) auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin ist als Versenderin von Paketen Großkundin der Beklagten. Sie nimmt bei der Abwicklung der Paketversendung an dem nachfolgend beschriebenen Feeder- bzw. EDI-Verfahren der Beklagten teil: Die Versenderin druckt mit einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Software die Barcode-Paketkontrollnummern aus und versieht die versandfertigen Pakete mit diesen Kontrollnummern. Anschließend übermittelt sie per Datenfernübertragung eine Versandliste an die Beklagte, in der auch die Kontrollnummern aufgeführt sind. Mitarbeiter der Versenderin packen die Pakete in ein von der Beklagten überlassenes Behältnis (Feeder). Das Behältnis wird dann im Beisein des Abholfahrers der Beklagten verplombt. Der Fahrer bestätigt - ohne vorherige Überprüfung des Inhalts des Behältnisses und ohne daß ihm die Liste mit den U. -Kontrollnummern zur Verfügung gestanden hat - auf einem als "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" bezeichneten Schreiben den Empfang einer bestimmten Anzahl von Paketen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Beklagte hat die Möglichkeit, alle Pakete bei deren erstem Eingang zu scannen und die Kontrollnummern der eingegangenen Pakete mit der per Datenfernleitung übermittelten Versandliste und den danach zu erwartenden Paketen abzugleichen.
Die Beklagte hat der Versicherungsnehmerin mit Schreiben vom 8. November 1999 mitgeteilt, daß das Paket mit der Kontrollnummer 1 einen "Transportschaden" erlitten habe.
Die Klägerin hat behauptet, ihre Versicherungsnehmerin habe dem Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 insgesamt 234 Pakete übergeben , darunter auch das streitgegenständliche Paket. Dieses Paket, das 250 Arbeitsspeichermodule enthalten habe, sei im Gewahrsam der Beklagten verlorengegangen. Die Klägerin hat ihrer Versicherungsnehmerin im Hinblick
auf den Verlust des Pakets unstreitig eine Entschädigung in Höhe von 99.450 DM geleistet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Fahrer der Beklagten unterzeichnete Empfangsbestätigung begründe eine Vermutung dafür, daß die Beklagte das verlorengegangene Paket übernommen habe. Diese Vermutung sei nicht erschüttert worden. Die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt, da der Verlust auf groben Mängeln in ihrer Betriebsorganisation beruhe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 99.570 DM (= 50.909,15 €) nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten haben bestritten, daß die Beklagte zu 1 an dem streitgegenständlichen Paket Gewahrsam erlangt habe. Der Empfangsbestätigung könne insoweit keine Bedeutung zukommen, weil der Abholfahrer vereinbarungsgemäß die Pakete nicht zähle.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs antragsgemäß verurteilt.
Mit der (vom Berufungsgericht) zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Schadensersatz zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte unterliege als Fixkostenspediteurin gemäß § 459 HGB der Frachtführerhaftung (§ 425 Abs. 1 HGB).
Der Abholfahrer der Beklagten habe in dem streitgegenständlichen Fall eine Empfangsbestätigung über die Anzahl der bei der Versenderin in Empfang genommenen Pakete unterzeichnet. Aus dieser Empfangsbestätigung in Verbindung mit dem Unterlassen einer Rückmeldung über ein angeblich nicht im Feeder befindliches Paket durch den ersten Hauptumschlagsbetrieb der Beklagten sei die Vermutung abzuleiten, daß das in Verlust geratene Paket in den Gewahrsam der Beklagten gelangt sei. Diese Vermutung sei nicht erschüttert. Es sei daher davon auszugehen, daß das Paket während des Frachtführergewahrsams verlorengegangen sei. Für den dadurch entstandenen Schaden hafte die Beklagte gemäß § 435 HGB unbeschränkt. Das Unterlassen von ausreichenden Schnittstellenkontrollen rechtfertige den Vorwurf leichtfertigen Handelns. Die Beklagte zu 2 hafte gemäß § 128 HGB.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg (§ 561 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für den in Rede stehenden Verlust von Transportgut nach § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, § 128 HGB bejaht. Es ist
dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen , daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt.
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, aus der Empfangsbestätigung über die Anzahl der bei der Versenderin abgeholten Pakete, die der Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 unterzeichnet habe, sei in Verbindung mit dem Unterlassen einer unverzüglichen Rückmeldung über das Fehlen von Paketen, die sich nach der (durch Datenfernübertragung) übermittelten Versandliste im Feeder hätten befinden sollen, die Vermutung abzuleiten, daß das in Verlust geratene Paket in die Obhut der Beklagten gelangt sei. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der ersatzberechtigte Versender darzulegen und zu beweisen hat, daß der Frachtführer die zu befördernde Sendung vollständig und ohne Beschädigung übernommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2002 - I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 158).

b) Der Beweis, daß das streitgegenständliche Paket in die Obhut der Beklagten gelangt ist, kann im vorliegenden Fall nicht allein durch die Empfangsbestätigung geführt werden, die der Abholfahrer der Beklagten am 12. Oktober 1999 durch Unterschreiben der "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" abgegeben hat.
aa) Der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke und den Zustand des Gutes kann von dem Anspruchsberechtigten allerdings grundsätz-
lich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden. Die formelle Beweiskraft eines solchen Empfangsbekenntnisses richtet sich nach § 416 ZPO. Ihre materielle Beweiskraft hängt - ebenso wie bei einer Quittung i.S. von § 368 BGB - von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) und kann durch jeden Gegenbeweis, durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, entkräftet werden (BGH TranspR 2003, 156, 158, m.w.N.). Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn die Empfangsquittung Angaben enthält, die der Unterzeichnende ersichtlich oder erwiesenermaßen nicht bestätigen konnte. Die Beweiskraft einer Empfangsquittung bezieht sich im Zweifel nicht auf den Inhalt einer verschlossenen Sendung (vgl. BGH TranspR 2003, 156, 158, m.w.N.).
bb) Die Revision weist jedoch zutreffend darauf hin, daß der Inhalt des von dem Abholfahrer der Beklagten unterzeichneten, mit "U. -EDI-Versanddatenzusammenfassung nach Sendungsarten und Zuschlägen" überschriebenen Schriftstücks nach den festgestellten Umständen keinen Beweis für die Anzahl der bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin abgeholten Pakete erbringen kann. Denn nach dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten vereinbarten Verfahren übernimmt der Abholfahrer den von Mitarbeitern der Versenderin mit Paketen gefüllten Feeder, der in seinem Beisein verplombt wird, ohne eine Überprüfung der Stückzahl der in Empfang genommenen Pakete vorzunehmen. Auf die Frage, ob der Abholfahrer der Beklagten im konkreten Fall die Möglichkeit hatte, den Inhalt des übergebenen Feeders zu prüfen, kommt es daher nicht an.

c) Die Versicherungsnehmerin der Klägerin als Versenderin und die Beklagte haben aber durch Vereinbarung des EDI-Verfahrens die Abrede getrof-
fen, daß der Inhalt einer Versandliste für einen von dem Abholfahrer der Beklagten quittierten Feeder als bestätigt gilt, sofern die Beklagte diesem nicht unverzüglich widerspricht. Dies kann der Senat selbst feststellen, da weiteres Tatsachenmaterial hierzu nicht zu erwarten ist (vgl. BGHZ 115, 335, 342). Rechtlich ist eine solche Abrede ohne weiteres zulässig. Vertragsparteien steht es grundsätzlich frei, Vereinbarungen zu treffen, in denen festgelegt wird, daß ein bestimmtes Verhalten einer Partei rechtlich die Bedeutung der Abgabe oder Nichtabgabe einer bestimmten Willenserklärung haben soll (vgl. MünchKomm.BGB /Basedow, Bd. 2a, 4. Aufl., § 308 Nr. 5 Rdn. 1; Wagner, Prozeßverträge , 1998, S. 649 ff.).
Im vorliegenden Fall ist die dargelegte Abrede zwar nicht ausdrücklich festgelegt worden; eine solche ist aber in der Vereinbarung des EDI-Verfahrens nach deren Sinn und Zweck enthalten. Das EDI-Verfahren bedeutet für einen Versender einen nicht unerheblichen Aufwand. Er muß seine Pakete selbst mit einer Kontrollnummer versehen, diese dem Abholfahrer in einem verschlossenen Behältnis aushändigen und der Beklagten dazu eine Versandliste mit den Kontrollnummern der durch diese individualisierten Pakete übersenden. Der Versender übernimmt so zunächst auch Kontrollaufgaben, die sonst dem Frachtführer obliegen. Andererseits wird die Übergabe an den Abholfahrer erheblich erleichtert. Das EDI-Verfahren ist damit im beiderseitigen Interesse an einer Beschleunigung des Versands darauf angelegt, daß eine Paketkontrolle bei der Übergabe selbst zunächst unterbleibt und die Übergabe bestimmter Pakete nicht schon zu diesem Zeitpunkt durch eine Empfangsbestätigung festgehalten wird. Ob die Beklagte nach dem EDI-Verfahren auch im Rechtssinn darauf verzichtet hat, die Pakete bei der Übergabe durchzuzählen, kann hier offenbleiben.
Unter den Umständen des EDI-Verfahrens kann ein Versender aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen, daß die Beklagte nach Öffnung des Behältnisses die Richtigkeit der Versandliste unverzüglich überprüft und mögliche Beanstandungen ebenfalls unverzüglich mitteilt. Unterbleibt eine unverzügliche Beanstandung, kann der Versender dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste ansehen. Diese erhält damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung; die dadurch - wie bei einer Empfangsbestätigung - begründete Vermutung kann allerdings widerlegt werden.
Bei einer anderen Beurteilung würde der zusätzliche Aufwand bei der Erfassung der versandten Pakete mit Kontrollnummern und der Zusammenstellung der Pakete in einer Versandliste, die diese Kontrollnummern enthält, die Beweislage des Versenders nicht verbessern. Der Versender käme vielmehr in erhebliche Nachweisschwierigkeiten, wenn eine Sendung nach deren Übergabe an den Frachtführer abhanden kommt. Die Empfangsquittung des Abholfahrers ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - für einen Versender zwar nicht praktisch wertlos, da in dem Schriftstück jedenfalls die Übergabe eines verschlossenen Behältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt wird. Sie genügt aber nicht - wie vorstehend unter II. 2. b) dargelegt ist - als Nachweis für die Übergabe eines bestimmten Pakets. Ein Versender hätte dann aber (auch gegenüber seinem Versicherer) kaum eine Möglichkeit, die Übergabe eines bestimmten Pakets nachzuweisen. Solche Beweisschwierigkeiten des Versenders sind nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens nicht gewollt.

d) Entgegen der Ansicht der Revision kann die Mitteilung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 8. November 1999, die streitgegenständliche Sendung habe "einen Transportschaden erlitten", weder nach dem Zeitpunkt noch nach ihrem Inhalt als eine unverzügliche Rückmeldung der Beklagten zur Richtigkeit
der Versandliste der Versicherungsnehmerin angesehen werden. Eine Rückmeldung über angebliche Fehlbestände muß so rechtzeitig erfolgen, daß ein Versender wie die Versicherungsnehmerin einem Verlust von Paketen im eigenen Unternehmen zeitnah nachgehen kann. Das war bei der Mitteilung der Beklagten vom 8. November 1999 nicht mehr der Fall.
3. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß es den Beklagten nicht gelungen ist, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen oder zu erschüttern. Da die Beklagten eine Zustellung des in Empfang genommenen Pakets nicht darlegen und beweisen können, ist davon auszugehen, daß es im Gewahrsamsbereich der Beklagten in Verlust geraten ist.
4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt , da dieser auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sei, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen habe.

a) Das Berufungsgericht hat den Vorwurf des leichtfertigen Handelns darauf gestützt, daß eine Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die - wie im vorliegenden Fall - Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, den Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens rechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt.

b) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils mehrfach entschieden hat (vgl. BGHZ 158, 322, 330 ff.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004,
399, 401; Urt. v. 2.12.2004 - I ZR 48/02, Umdr. S. 5 ff.; Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 276/02, Umdr. S. 3). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Annahme eines qualifizierten Verschuldens nicht damit begründet , daß die Beklagte an der ersten Hauptumschlagsbasis keine Eingangskontrolle vornimmt. Es hat seine Beurteilung vielmehr ausdrücklich auf das bewußte Unterlassen von Schnittstellenkontrollen auf dem weiteren Transportweg gestützt.
5. Die Beklagte zu 2 hat als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1 gemäß § 128 HGB für deren Verbindlichkeiten einzustehen.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

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2. Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus - schuldet die Beklagte aber nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat. Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR). Da auf den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag jedenfalls gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB, der im Streitfall noch maßgeblich ist, deutsches Recht zur Anwendung kommt - beide Parteien haben während des Rechtsstreits ausschließlich auf der Grundlage des deutschen Rechts vorgetragen -, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435 HGB heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen hat. Davon ist im Streitfall auszugehen.

Der Frachtführer hat Handlungen und Unterlassungen seiner Leute in gleichem Umfange zu vertreten wie eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn die Leute in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Gleiches gilt für Handlungen und Unterlassungen anderer Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient.

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/01 Verkündet am:
25. März 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit in § 435 HGB erfordert einen
besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder
seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner
hinwegsetzen.

b) Bei einer Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die Ein- und
Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig
vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt
, weil es sich bei diesen Kontrollen um elementare Vorkehrungen gegen
Verlust von Ware handelt.

c) Ein Spediteur/Frachtführer, der elementare Sorgfaltspflichten vernachlässigt
(hier: die Durchführung von ausreichenden Ausgangskontrollen), handelt im
allgemeinen in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen
zu einem Schadenseintritt kommen kann.
BGH, Urt. v. 25. März 2004 - I ZR 205/01 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Transportversicherer der B. GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin) in Achern. Sie nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Ende Februar 1999 zu festen Kosten mit der Besorgung des Transports einer Computeranlage im Wert von 66.000 DM von Achern nach Hannover. Die Sendung wurde einem
von der Beklagten beauftragten Nahverkehrsunternehmer am 1. März 1999 übergeben. Dieser sollte das Gut zunächst im Depot der Beklagten in Herbolzheim abliefern. Von dort sollte es zum Zentrallager der Beklagten in Dietzenbach gebracht und anschließend über ihr Depot in Hannover an die Empfängerin ausgeliefert werden. Die Sendung hat die Empfängerin nicht erreicht. Wo sie abhanden gekommen ist, konnte nicht geklärt werden.
Die Klägerin hat an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust eine Entschädigung in Höhe von 66.000 DM gezahlt. Von diesem Betrag hat die Beklagte der Klägerin lediglich 729 DM erstattet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Verlust unbeschränkt. Die Beklagte könne sich weder auf eine gesetzliche noch auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen, da sie den Geschehensablauf nicht ausreichend habe darlegen können. Die Beklagte habe leichtfertig gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.271 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Handhabung ihrer Betriebsorganisation bei der Abwicklung von Versandaufträgen insbesondere folgendes vorgetragen:
Ein Nahverkehrsunternehmer hole die Sendung beim Kunden ab und bringe sie zum jeweiligen Abgangsdepot. Nach der Entladung würden die Sen-
dungsdaten erfaßt und über ihren Zentralrechner an das jeweilige Empfangsdepot bzw. Umschlagzentrum übermittelt. Anschließend erfolge die Verladung der Packstücke für die Fernverkehrsbeförderung in Kofferwechselbrücken, die dann verschlossen und verplombt würden. Dabei werde nicht positiv anhand einer Packliste geprüft, ob eine Sendung in eine bestimmte Kofferwechselbrücke verbracht worden sei. Der Umschlag werde vielmehr nach dem sogenannten Negativsystem durchgeführt. Danach sei für jeden Arbeitstag vorgeschrieben , daß kein Packstück zurückbleiben dürfe. Dementsprechend führten ihre Mitarbeiter nach Abschluß der Nahverkehrsentladung und der Beladung der Kofferwechselbrücken für die Fernverkehrsbeförderung täglich einen "Lagersturz" durch, bei dem die gesamte Umschlaghalle planmäßig nach liegengebliebenen Sendungen abgesucht werde. Gefundene Sendungen würden in das EDV-System eingegeben und deren Absender und Empfänger unterrichtet.
Ihr organisatorisch geschlossenes System, das durch weitere Sicherheitseinrichtungen (Umzäunung des Depots, strikte Eingangskontrollen von betriebsfremden Personen, Ausweispflicht, stichprobenartige Überprüfung der Nahverkehrsfahrzeuge) ergänzt werde, führe dazu, daß nahezu 100 % aller ihr, der Beklagten, übergebenen Sendungen ordnungsgemäß an den Empfänger ausgeliefert würden.
Die streitgegenständliche in Verlust geratene Sendung sei in ihrem Depot in Herbolzheim abgeliefert worden. Ein Verlust der Sendung auf der Fernverkehrsstrecke könne ausgeschlossen werden, da sie schon nicht in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach eingetroffen sei. Auch in anderen Depots habe die Sendung nicht aufgefunden werden können. Der Verlust sei daher wahrscheinlich bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Als Ursache für eine Fehlleitung der Sendung komme ein der Versicherungsnehmerin zuzu-
rechnender Markierungsfehler in Betracht, da die Versenderin den vorgedruckten Versandauftrag umgeschrieben habe. Denkbar sei aber auch eine kriminelle Umgehung ihres Systems durch den Fahrer des Nah- oder Fernverkehrsunternehmens , ohne daß sie, die Beklagte, dies behaupten könne oder wolle.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe ihrer Einlassungsobliegenheit genügt. Ihr Vortrag zum Ablauf ihrer Betriebsorganisation rechtfertige nicht den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Köln TranspR 2001, 407 ff.).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, §§ 435, 459 HGB ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu, ohne daß sich die Beklagte auf gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzungen berufen könne. Die Beklagte hafte gemäß § 435 HGB für den Verlust der Ware unbeschränkt, weil dieser - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden wahrscheinlich eintreten werde, herbeigeführt worden sei. Für das Verhalten ihrer Leute und anderer Personen, deren sich die Beklagte bei
der Ausführung der Beförderung bedient habe, habe die Beklagte gemäß § 428 HGB in gleichem Umfang wie für eigenes Verschulden einzustehen.
B. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
I. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt, soweit diese mit den in § 449 Abs. 2 HGB enthaltenen Regelungen in Einklang stehen (vgl. dazu BGHZ 153, 308, 310 f.).
II. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte hafte für den streitgegenständlichen Schaden gemäß § 435 HGB unbeschränkt.
Nach § 435 HGB gelten die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 435 HGB einen gegenüber der groben Fahrlässigkeit strengeren Haftungsmaßstab in die gesetzliche Regelung einführen wollen, so daß nicht jede grobe Fahrlässigkeit auch ein leichtfertiges Verhalten darstelle. Ein solcher besonders schwerer Fall der groben Fahrlässigkeit sei im Streitfall gegeben. Die Beklagte gehe selbst davon aus, daß die in ihrer Obhut abhanden gekommene Sendung in ihrem Lager in Herbolzheim in Verlust geraten sein müsse. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, in diesem Lager für ein lückenloses Kontrollsystem zu sorgen, das den Verbleib der Sendung hätte aufklären können. Das angewandte "Negativsystem" verhindere es gerade nicht, daß ein Verlust von Sendungen zunächst unentdeckt bleibe. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Überblick über den Inhalt der beladenen Wechselbrücken sowie den Lauf und Verbleib der ein- und ausgehenden Sendungen gehabt mit der Folge, daß nach einer außer Kontrolle geratenen Sendung nicht systematisch habe gesucht werden können. Erst eine wirksame Ein- und Ausgangskontrolle hätte die gebotenen Nachforschungen ermöglicht. Dieses hohe Risiko sei die Beklagte bewußt eingegangen.
Die Beklagte bzw. die für sie tätigen Personen hätten auch in dem Bewußtsein gehandelt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal setze voraus, daß das Risiko eines Schadenseintritts bei der gehandhabten Betriebsorganisation hoch oder naheliegend sei. Es komme darauf an, ob ein Geschehen vorliege, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Entscheidung gelange, daß es "noch einmal gutgegangen" sei. Das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts könne schon dann festgestellt werden, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten sei, diese
Folgerung rechtfertige. Ausgehend von dem besonders schwerwiegenden Organisationsverschulden der Beklagten stehe zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der Beklagten das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorgelegen habe. Die Beklagte habe - wie sie selbst vortrage - zur Vermeidung von Kosten bewußt auf eine lückenlose Kontrolle verzichtet.
Umstände, die gegen die Schadensursächlichkeit des Organisationsmangels sprechen könnten, habe die Beklagte nicht dargelegt.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewußte Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der bewußten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (vgl. zur groben Fahrlässigkeit: BGHZ 149, 337, 345; BGH, Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, TranspR 2003, 255, 257 = VersR 2003, 1017). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen.

a) Die aufgrund des Transportrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588) mit Wirkung vom 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neufassung des § 435 HGB ist Ausdruck des schon bis dahin im gesamten Transportrecht geltenden Prinzips, daß dem Frachtführer die ihm wegen vertragstypischer Risiken eingeräumten Haftungsprivilegien nicht zugute kommen sollen, wenn ihn oder eine Person, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, ein qualifiziertes Verschulden, also ein über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehender Verschuldensvorwurf, trifft (vgl. § 430 Abs. 3 HGB a.F.; § 607a
Abs. 4, § 660 Abs. 3 HGB, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 CMR, Art. 44 CIM, Art. 25 WA 1955; s. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung , BT-Drucks. 13/8445, S. 71).

b) Der Verschuldensmaßstab des § 435 HGB, der - wenn nicht Vorsatz gegeben ist - neben der Leichtfertigkeit das Bewußtsein voraussetzt, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, ist an den Wortlaut deutscher Übersetzungen internationaler Transportrechtsübereinkommen (u.a. Art. 25 WA 1955) angelehnt. Der Begriff der Leichtfertigkeit bezweckt einen möglichst weitgehenden Einklang des deutschen Transportrechts mit dem internationalen Recht (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 13/8445, S. 72). Der Gesetzgeber ist dabei von dem Bedeutungsgehalt ausgegangen, der dem Begriff schon bisher in der deutschen Rechtsprechung zu Art. 25 WA 1955 zukam (vgl. BT-Drucks. 13/8445, S. 72). Dem entsprechend muß die Auslegung des neuen Verschuldensbegriffs in erster Linie diesem Verständnis entnommen werden (vgl. Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht , § 435 HGB Rdn. 12; Thume, TranspR 2002, 1, 2; Starck in Festgabe für Herber, 2000, S. 128, 131 f.; a.A. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 435 HGB Rdn. 6, 12).
Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1982 - VI ZR 286/80, TranspR 1982, 100, 101 = VersR 1982, 369; BGHZ 145, 170, 183). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestands-
merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein allerdings nicht aus, um auf das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen , wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Es bleibt der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewußtsein getragen wurde, daß der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe (vgl. BGHZ 74, 162, 168 f.; 145, 170, 186). Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen. Zudem kann der Schluß auf das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe naheliegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 470 f.; Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 177; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11).
Von diesem Verständnis des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit ist - wie die Revision nicht verkennt - auch das Berufungsgericht ausgegangen.

c) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer bewußten Leichtfertigkeit i.S. von § 435 HGB bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Vorwurf qualifizierten Verschuldens nicht aus einer unzureichenden Erfüllung der Einlassungsobliegenheit der Beklagten hergeleitet. Fehl geht daher die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die (sekundäre) Darlegungslast der Beklagten überspannt. Das Berufungsgericht hat den Vor-
wurf eines qualifizierten Verschuldens ersichtlich nur aus der eigenen Darstellung der Organisation im Betrieb der Beklagten hergeleitet, wonach es jedenfalls in ihrem Lager in Herbolzheim an einer wirksamen Ausgangskontrolle fehle. Die Formulierungen des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Einlassungspflicht nicht genügt und ihr allgemein gehaltener Vortrag reiche nicht aus, um den Schluß auf ein leichtfertiges Organisationsverschulden auszuräumen, mögen für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß nicht der fehlende Sachvortrag der Beklagten zu ihrer Betriebsorganisation der tragende Grund für das vom Berufungsgericht angenommene bewußt leichtfertige Organisationsverschulden gewesen ist, sondern das sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst ergebende Fehlen einer wirksamen Ausgangskontrolle im Lager Herbolzheim.

d) Dem Berufungsgericht sind bei der Anwendung des Verschuldensmaßstabs der bewußten Leichtfertigkeit im Streitfall keine Rechtsfehler unterlaufen.
aa) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er hier in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden mit der Folge, daß der Eintritt eines Schadens und der Schadensbereich in zeitlicher, räumlicher und personeller
Hinsicht nicht eingegrenzt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn - wie im Streitfall - rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Deshalb ist in der Rechtsprechung zu § 429 Abs. 1 HGB a.F. von einem grob fahrlässigen Verschulden ausgegangen worden, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (vgl. BGHZ 129, 345, 351; 149, 337, 347 f. m.w.N.; BGH TranspR 2003, 255, 257).
bb) Auch die in § 435 HGB geforderte Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner "Leute" kann sich aus einer mangelhaften Organisation des Betriebsablaufs ergeben, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden Frachtgüter gewährleistet und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinwegsetzt (vgl. BGHZ 145, 170, 183 m.w.N. zu Art. 25 WA 1955). Bei einer Betriebsorganisation, die Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, ist im Regelfall der Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens gerechtfertigt, weil es sich bei diesen Maßnahmen um elementare Vorkehrungen gegen Verlust von Ware handelt.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision besteht keine ausreichende Ausgangskontrolle, wenn die Beklagte - wie sie selbst vorgetragen hat - lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot in Herbolzheim und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot in Hannover durchführt. Auch die tägliche Durchführung eines "Lagersturzes" (sog. Negativsystem) in allen Depots und Umschlagzentren der Beklagten sowie die Beförderung des Frachtgutes auf der Fernverkehrsstrecke in verplombten Kofferwechselbrücken gewährleisten keine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags. Die Beklagte räumt die Möglich-
keit von Fehlverladungen, die erst im Empfangsdepot festgestellt werden, bei ihrem System selbst ein.
Aus der Möglichkeit von Fehlverladungen ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht nur eine Verzögerung der Auslieferung, sondern es folgt daraus auch ein erhöhtes Verlustrisiko. Die Beklagte hat selbst vorgetragen , daß eine Fehlverladung zu einer Auslieferung an einen falschen Empfänger führen könne und ein Empfänger, der mehr bekomme, als er nach dem Frachtbrief zu erhalten habe, dies nicht immer reklamiere. Die Ausgangskontrolle im Empfangsdepot kann die Ausgangskontrolle im Abgangsdepot schon deshalb nicht ersetzen, weil die Beklagte bei einer solchen Kontrolle des Warenumschlags den Bereich des Schadenseintritts in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nicht hinreichend eingrenzen und nach einer verlorengegangenen Sendung daher nicht gezielt suchen kann. Dementsprechend hat sie es selbst lediglich für wahrscheinlich gehalten, daß der Verlust der Sendung bereits in ihrem Abgangsdepot in Herbolzheim eingetreten sein müsse. Andererseits konnte sie aber auch nicht ausschließen, daß die Sendung in ihrem Umschlagsdepot in Dietzenbach oder in ihrem Empfangsdepot in Hannover verlorengegangen ist. Hätte die Beklagte in ihrem Abgangsdepot Herbolzheim eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt, wäre ein in diesem Depot eingetretener Verlust zeitnah entdeckt worden und hätte die Suche nach der abhanden gekommenen Sendung gezielt auf dieses Depot und die im maßgeblichen Zeitraum am Warenumschlag in diesem Depot Beteiligten beschränkt werden können.
Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß eine systematische Suche nach außer Kontrolle geratenen Sendungen durch die EDV-mäßige Vernetzung sämtlicher Depots und Umschlagzentren möglich sei. Die Beklagte hat
zu dem streitgegenständlichen Verlustfall lediglich vorgetragen, daß eine zentral gesteuerte Suchmeldung in allen ihren Depots und Umschlagzentren mit negativem Ergebnis durchgeführt worden sei. Da der Eingang der Sendung bereits in ihrem zentralen Umschlagsdepot in Dietzenbach nicht habe festgestellt werden können und ein Verlust von Sendungen auf der Fernverkehrsstrecke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne , sei der Verlust der Sendung "wahrscheinlich" bereits in ihrem Depot in Herbolzheim eingetreten. Damit räumt die Beklagte selbst ein, daß durch ihr EDVSystem nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten ist, um dort eine gezielte Suche zu ermöglichen. Vielmehr bleibt ihr bei ihrem System, in dem lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot und eine Ausgangskontrolle im Empfangsdepot durchgeführt wird, nur die Möglichkeit, eine Suche in allen ihren Depots und Umschlagzentren und somit gerade keine gezielte Suche in einem bestimmten Depot oder Umschlagzentrum zu veranlassen.
Der Vortrag der Beklagten, sie habe eine Zertifizierung nach der ISONorm 9002 durchgeführt, steht der Annahme eines leichtfertigen Organisationsverschuldens schon deshalb nicht entgegen, weil diese DIN-Vorschrift keine spezifischen Anforderungen an die Sorgfalt des Spediteurs beim Warenumschlag , sondern lediglich allgemeine Merkmale eines effektiven Qualitätsmanagementsystems regelt, so daß die Erteilung des Zertifikats nicht den Rückschluß auf einen ausreichenden Schutz des Frachtgutes vor Verlust zuläßt.

e) Entgegen der Ansicht der Revision ist es revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aus der Organisation des Warenumschlags durch die Beklagte auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Wer wie im Streitfall elemen-
tare Sorgfaltsvorkehrungen unterläßt, handelt in dem Bewußtsein, daß es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann. Wer also eine Ein- oder Ausgangskontrolle unterläßt, obwohl er weiß oder hätte wissen müssen, daß es darauf entscheidend ankommt, hat das Bewußtsein , es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden an dem anvertrauten Gut entstehen (vgl. BGHZ 74, 162, 172).
aa) Die von der Beklagten behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei ihr umgeschlagenen Sendungen geringe Schadensquote von 0,1 bis 0,2 ‰ sowie die behauptete Aufklärungsquote von 99 % bei Fehlleitungen von Sendungen widerlegen für sich allein nicht die Annahme des Bewußtseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dies folgt schon daraus, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Schadensquote und der hohen Aufklärungsquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß im hier maßgeblichen Zeitraum keine schwerwiegenden Mängel in der theoretischen oder praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten vorgelegen haben (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 156/95, TranspR 1998, 262, 264 f. = VersR 1998, 657; BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2004, 175, 177; BGH, Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, Umdr. S. 11 f.).
bb) In der Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, die erforderliche Wahrscheinlichkeit sei ein mittlerer Grad von Gewißheit, der zwischen Möglichkeit und absoluter Gewißheit angesiedelt sei. Das Bewußtsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sei daher quantitativ in dem Sinne zu bestimmen, daß die Wahrscheinlichkeit erst anzunehmen sei, wenn die Möglichkeit, daß das Schadensereignis eintrete, mehr als 50 % betrage, die
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts also größer sei als die des Nichteintritts (vgl. OLG Frankfurt VersR 1981, 164, 165; MünchKomm.HGB/Kronke, Art. 25 WA 1955 Rdn. 30; Giemulla in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Art. 25 WA Rdn. 45; Gass in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 435 Rdn. 3; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 435 HGB Rdn. 16; Thume, TranspR 2002, 1, 3; Neumann, TranspR 2002, 413, 416; vgl. auch: Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, S. 130).
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Hierauf kommt es im Fall der Verletzung elementarer Sorgfaltsvorkehrungen in der Organisation eines Betriebs aber auch nicht an, weil schon die Kenntnis des grob mangelhaften Betriebsablaufs das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts einschließt.
Es ist daher entgegen der Auffassung der Revision weder erfahrungswidrig noch verstößt es gegen Denkgesetze, wenn das Berufungsgericht trotz der von der Beklagten behaupteten geringen Schadens- und hohen Aufklärungsquote aufgrund der beim Warenumschlag bei der Beklagten bestehenden Kontrollücken auf deren Bewußtsein geschlossen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
C. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Falle des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH TranspR 2003, 467, 471; BGH, Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179 = NJW-RR 2004, 394). Ein mitwirkender Schadensbeitrag des Versenders kann sich daraus ergeben, dass dieser eine Wertdeklaration unterlassen oder von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens abgesehen hat (BGH TranspR 2003, 467, 471; NJW-RR 2007, 28 Tz. 23).
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aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dassauch die gemäß Art. 29 CMR unbeschränkte Haftung der Beklagten durch ein für den Schaden ursächlich gewordenes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin gemindert sein kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - I ZR 3/07, TranspR 2010, 143 Rn. 11). Es ist weiter davon ausgegangen, dass die Versicherungsnehmerin dadurch eine für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingung gesetzt hat, dass sie ihre aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Obliegenheit nicht rechtzeitig und damit nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, die Beklagte über den außergewöhnlich hohen Wert des Transportguts und das damit verbundene Schadensrisiko aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - I ZR 80/03, TranspR 2006, 121 Rn. 18 = VersR 2006, 953; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 2. Aufl., Art. 29 CMR Rn. 38). Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin im Ergebnis ohne Erfolg.