Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - IV ZR 193/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:261016UIVZR193.15.0
bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Berichtigt durch
Beschluss vom 23.11.2016
Heinekamp, Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 193/15 Verkündet am:
26. Oktober 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Kraftfahrzeugversicherung (hier AKB 09/2009 A.2.6.2 und A.2.6.3)
1. Zur Neupreisentschädigung bei Versicherung eines Leasing-Fahrzeugs.
2. Nach der Klausel
"Wir zahlen die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende
Entschädigung nur in der Höhe, in der gesichert ist, dass die Entschädigung
innerhalb von einem Jahr nach ihrer Feststellung für die
Reparatur des Fahrzeugs oder den Erwerb eines anderen Fahrzeugs
verwendet wird."
beginnt die Frist nach der Feststellung der Entschädigung, zu laufen.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 - IV ZR 193/15 - OLG Celle
LG Hannover
ECLI:DE:BGH:2016:261016UIVZR193.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2016

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. März 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus einer bei der Beklagten gehaltenen Kraftfahrzeugkaskoversicherung für ein geleastes Fahrzeug nach dessen unfallbedingtem Totalschaden eine den Wiederbeschaffungswert übersteigende Neupreisentschädigung zusteht.
2
Ende 2009 schloss der Kläger mit der S. Leasing GmbH (im Folgenden: Leasinggeberin) einen Leasingvertrag über das Neufahrzeug Chevrolet Corvette Z06 ab. Die Leasinggeberin erwarb das Fahrzeug. Für die Erstzulassung am 30. Dezember 2009 erteilte die Beklagte eine Versicherungsbestätigung über vorläufige Deckung in der Haftpflichtversicherung.
3
Mit Schreiben vom 20. März 2010 forderte sie vom Kläger mittels eines beigefügten Fragebogens weitere Informationen an, um seinen Versicherungswunsch dokumentieren zu können. Dem Schreiben lagen auch Verbraucherinformationen ("Hinweise und Erklärungen zum Antrag auf Kraftfahrt- und Schutzbriefversicherung") bei, welche unter Nr. 15 Hinweise zur so genannten GAP-Versicherung bei Leasing-Pkw enthielten.
4
Der Kläger füllte den ihm übersandten Fragebogen aus und erklärte darin, er wünsche eine Fahrzeugvollversicherung mit 500 € Selbstbeteiligung sowie eine Fahrzeugteilversicherung ohne Selbstbeteiligung. Die Beklagte übersandte ihm sodann einen "Antrag auf Kraftfahrtversicherung Comfort", den der Kläger unterzeichnete und zurücksandte. Den Abschluss einer GAP-Versicherung beantragte er nicht.
5
In den Versicherungsvertrag sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung der Beklagten (im Folgenden AKB 09/2009) einbezogen. Dort heißt es unter anderem: "Neupreisentschädigung A.2.6.2 Bei Pkw (ausgenommen Mietwagen, Taxen und Selbstfahrervermiet-Pkw) zahlen wir den Neupreis des Fahrzeugs gemäß A.2.12, wenn innerhalb von 12 Monaten (bei Entwendung in den ersten 6 Monaten) nach dessen Erstzulassung ein Totalschaden, eine Zerstörung oder ein Verlust eintritt. Wir erstatten den Neupreis auch, wenn in diesem Fall die erforderlichen Kosten der Reparatur mindestens 80 Prozent des Neupreises betragen. Voraussetzung ist, dass sich das Fahrzeug bei Eintritt des Schadenereignisses im Eigentum dessen befindet, der es als Neufahrzeug vom Kfz-Händler oder Kfz-Hersteller erworben hat (erste Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil II). … Ein vorhandener Restwert des Fahrzeugs wird abgezo- gen.
A.2.6.3 Wir zahlen die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Entschädigung nur in der Höhe, in der gesichert ist, dass die Entschädigung innerhalb von einem Jahr nach ihrer Feststellung für die Reparatur des Fahrzeugs oder den Erwerb eines anderen Fahrzeugs verwendet wird."
6
Unter A.2.15 finden sich AVB-Regelungen zur GAP-Versicherung geleaster Pkw.
7
Das versicherte Fahrzeug erlitt am 23. November 2010 einen unfallbedingten Totalschaden. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung regulierte die Beklagte lediglich den Wiederbeschaf- fungswert in Höhe von 31.256,31 € und erklärte dazu mit Schreiben vom 26. Januar 2011, eine Neupreisentschädigung scheide aus, weil das versicherte Fahrzeug geleast gewesen sei.
8
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Neupreisentschädigung zu. Mit der Klage verlangt er deshalb weitere 29.630,25 € nebst Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Hilfsweise beantragt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, den nach Maßgabe von A.2.15 AKB 09/2009 zu errechnenden so genannten GAP-Schaden zu ersetzen.
9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


10
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11
I. Dieses hat angenommen, die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger aus keinem Rechtsgrund zu.
12
A.2.6.2 AKB 09/2009 setze für die Neupreisentschädigung zunächst lediglich voraus, dass sich das versicherte Fahrzeug bei Eintritt des Schadenereignisses im Eigentum dessen befinde, der es als Neufahrzeug erworben habe. Deshalb sei der in Klammern gesetzte Hinweis auf die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil II möglicherweise missverständlich, weil diese Eintragung den Fahrzeughalter und nicht den Eigentümer ausweise. Die daraus erwachsenden Zweifel am Regelungsgehalt der Klausel könnten dahinstehen, weil der Kläger jedenfalls die Voraussetzungen der Reinvestitionsklausel (A.2.6.3 AKB 09/2009) nicht erfüllt habe. Diese Klausel sei wirksam und habe ihren Niederschlag in § 93 VVG gefunden. Wegen der darin geregelten Voraussetzungen für die Neupreisentschädigung komme es bei Leasingfahrzeugen auf den Leasinggeber an, wobei es nicht ausreiche, dass dieser laufend Neuanschaffungen tätige. Notwendig sei vielmehr die Fortsetzung des konkreten Leasingverhältnisses. Sei ein Leasing-Vertrag - wie hier - infolge des Schadenereignisses beendet und abgerechnet, könne der Anspruch auf die Neupreisentschädigung nur dadurch gesichert werden, dass der Versicherungsnehmer ein vergleichbar teures Fahrzeug bei derselben Leasinggesellschaft lease. Daran fehle es hier, denn der Kläger habe selbst behauptet, einen neuen Leasingvertrag mit einer anderen Leasinggeberin abgeschlossen zu haben. Das zeige im Übrigen, dass er wirtschaftlich in der Lage gewesen sei, die Voraussetzungen der Reinvestitionsklausel zu erfüllen. Sein Treuwidrigkeitseinwand gehe deshalb ins Leere. Wegen des behaupteten Vertragsschlusses mit einer neuen Leasinggeberin komme es auch auf die in der Reinvestitionsklausel geregelte Jahresfrist für die Sicherstellung nicht mehr an.
13
Auch sonstige Ansprüche des Klägers bestünden nicht. Er mache einen Schaden geltend, der nicht durch die behauptete Fehlberatung sondern allein dadurch entstanden sei, dass er die Voraussetzungen der Reinvestitionsklausel nicht erfüllt habe. Dabei könne unterstellt werden, dass die Grundsätze zur gewohnheitsrechtlich anerkannten Erfüllungshaftung auch unter dem neuen Versicherungsvertragsgesetz weiter Gültigkeit hätten. Da eine Neupreisentschädigung auch für das versicherte Leasingfahrzeug vereinbart worden sei, könne sich die Erfüllungshaftung allenfalls auf die nicht abgeschlossene GAP-Deckung erstrecken. Auf diese sei der Kläger aber in den vor Vertragsschluss übersandten Unterlagen hingewiesen worden, so dass es an dem für einen Anspruch aus gewohnheitsrechtlich anerkannter Erfüllungshaftung erforderlichen Vertrauen des Klägers fehle.
14
Im Übrigen habe die Beklagte ihre Beratungspflicht in Bezug auf die Möglichkeit einer GAP-Deckung nicht verletzt. Eine Verletzung von § 6 Abs. 4 Satz 1 VVG gegenüber dem anwaltlich vertretenen Kläger sei nicht zu erkennen. Auch § 6 Abs. 2 Satz 1 VVG, der vor Vertragsschluss eine Information des Versicherungsinteressenten in Textform verlange, sei entsprochen worden, denn der dem Kläger übersandte Antrag auf Kraftfahrtversicherung habe den Hinweis enthalten, dass er die Kundeninformation und die AKB erhalten habe. Sowohl die AKB als auch die dem Kläger übersandten Verbraucherinformationen hätten Informationen zur GAP-Versicherung enthalten. Der Kläger habe sich daher darüber informieren können. Dass er, Jahrgang 1947, selbständig, und nicht zum ersten Mal Leasingnehmer hochwertiger Fahrzeuge, von dieser Problematik , aus der heraus die GAP-Versicherung entwickelt worden sei, nie etwas gehört haben wolle, erscheine fernliegend.
15
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt stand.
16
1. Im Ansatz zutreffend haben die Vorinstanzen A.2.6.2 AKB 09/2009 dahin ausgelegt, dass die Klausel eine Neupreisentschädigung auch bei der Versicherung von Leasing-Fahrzeugen ermöglicht. Voraussetzung dafür ist, dass sich das versicherte Fahrzeug bei Eintritt des Schadenereignisses im Eigentum dessen befindet, der es als Neufahrzeug vom Kfz-Händler oder Kfz-Hersteller erworben hat. Beides trifft hier auf die Leasinggeberin zu. Anders als die Beklagte meint, schafft der in Klammern gesetzte Hinweis auf die erste Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht die zusätzliche Voraussetzung, dass Eigentümer und Halter des versicherten Fahrzeugs identisch sein müssen, so dass eine Neupreisentschädigung für Leasingfahrzeuge ausgeschlossen wäre.
17
a) Das ergibt die Auslegung der Klausel. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen ab- zustellen (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, WM 2003, 1363 unter 2 a; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 11, vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 289/13, r+s 2015, 88 Rn. 22). Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen zudem gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Soll mit einer Klausel ein Risiko ausgeschlossen oder begrenzt werden, geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet.
18
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 269/14, r+s 2016, 74 Rn. 38 m.w.N.; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 41; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20; vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3b). Deshalb gebieten es Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16 m.w.N.).
19
Diesen Erfordernissen wird A 2.6.2 AKB 09/2009 nur in der Auslegung gerecht, dass der in Klammern gesetzte Hinweis keine zusätzliche Voraussetzung des Inhalts schafft, dass Eigentümer und Halter des versicherten Fahrzeugs identisch sein müssen.
20
b) Zwar mag der durchschnittliche Versicherungsnehmer noch erkennen , dass der Fahrzeugeigentümer nicht notwendigerweise mit dem in die Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragenen Fahrzeughalter identisch sein muss. Er wird jedoch - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - den in Klammern gesetzten Hinweis allenfalls als missverständlich und unpräzise ansehen, ohne anzunehmen, dass damit die Neupreisklausel wesentlich eingeschränkt und gezielt Leasingverträge von ihr ausgenommen werden sollen, denn das hätte nach den vorstehenden Grundsätzen einer unmissverständlichen Regelung bedurft , deren Zielrichtung sich dem Versicherungsnehmer ohne Weiteres erschlösse; der Versicherer hätte eine solche Regelung weitaus weniger verklausuliert - etwa durch den Hinweis "das gilt nicht, wenn das versicherte Fahrzeug geleast ist" - zum Ausdruck bringen können.
21
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, die Klage sei abzuweisen, weil der Kläger die Voraussetzungen der so genannten Reinvestitionsklausel (A.2.6.3 AKB 09/2009) nicht erfüllt, nämlich nicht sichergestellt habe, dass die Entschädigung innerhalb eines Jahres nach ihrer Feststellung für die Reparatur des Fahrzeugs oder den Erwerb eines anderen Fahrzeugs verwendet wird. Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, dass die Frist zur Sicherstellung erst nach Feststellung der Ersatzpflicht durch den Versicherer zu laufen beginnt. Die Klage durfte deshalb noch nicht als unbegründet abgewiesen werden , vielmehr ist es dem Kläger immer noch möglich, die Voraussetzungen der Reinvestitionsklausel zu erfüllen.
22
a) Allerdings trifft es zu, dass dann, wenn das versicherte Fahrzeug geleast ist, für die Frage, ob eine Wiederbeschaffung im Sinne von A.2.6.3 AKB 09/2009 (Verwendung der Entschädigung zum "Erwerb eines anderen Fahrzeuges") sichergestellt ist, die Leasinggeberin als im Rahmen der Fremdversicherung versicherte Fahrzeugeigentümerin in den Blick zu nehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1993 - IV ZR 181/92, VersR 1993, 1223 unter 1 [juris Rn. 7] und 2 b [juris Rn. 13] m.w.N. zu § 13 (10) AKB; OLG Hamm r+s 1995, 87, 88).
23
Eine bedingungsgemäße Ersatzbeschaffung durch die Leasinggeberin ist bisher weder erfolgt noch sichergestellt.
24
Wird - wie hier - der Leasingvertrag nach einem Totalschaden des versicherten Fahrzeugs abgerechnet und beendet, reicht es - anders als der Kläger meint - für die von A.2.6.3 AKB 09/2009 für die Neupreisentschädigung vorausgesetzte Sicherstellung der Ersatzbeschaffung auch nicht aus, dass die Leasinggeberin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes irgendein neues Fahrzeug kauft. Eine solche Ersatzbeschaffung läge vielmehr nur dann vor, wenn die bisherige Leasinggeberin ein neues Fahrzeug erwirbt, um damit das Leasingverhältnis mit dem Versicherungsnehmer fortzusetzen oder ein neues, den abgerechneten Vertrag ersetzendes Leasingverhältnis zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1993 aaO unter 2 b [juris Rn. 13]; OLG Karlsruhe VersR 1998, 1229, 1231 m.w.N.; OLG Jena VersR 1997, 229; OLG Köln VersR 1997, 870; OLG Hamm aaO).
25
b) Das Berufungsurteil erweist sich aber deshalb als rechtsfehlerhaft , weil das Berufungsgericht die weiteren Voraussetzungen der Reinvestitionsklausel (A.2.6.3 AKB 09/2009) verkannt hat.
26
aa) In Sachversicherungen zum Neuwert dienen Wiederbeschaffungsklauseln unter anderem dem Zweck, das so genannte subjektive Risiko des Versicherers zu begrenzen. Der Versicherer soll davor geschützt werden, dass der Versicherungsnehmer - wie dies bei freier Verwendbarkeit der Neuwertentschädigung der Fall wäre - in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschung des Versicherungsfalls Vermögensvorteile zu verschaffen, die auch darin bestehen können, dass die Neuwertentschädigung für den Verlust einer versicherten Sache zur Finanzierung beliebiger anderweitiger Anschaffungen zur Verfügung stünde (vgl. für die Gebäudeversicherung: Senatsurteile vom 20. April 2016 - IV ZR 415/14, r+s 2016, 302 Rn. 12; vom 20. Juli 2011 - IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 16; vom 18. Februar 2004 - IV ZR 94/03, r+s 2004, 238 unter II 1 c [juris Rn. 15] m.w.N.). Um dem entgegenzuwirken, sind Wiederherstellungsklauseln darauf gerichtet, sicherzustellen, dass die Neuwertentschädigung allein dazu verwendet wird, die ursprünglich versicherte Sache zu ersetzen.
27
bb) Auch A.2.6.3 AKB 09/2009 gewährt deshalb dem Versicherungsnehmer oder dem im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung geschützten Fahrzeugeigentümer (hier der Leasinggeberin) die den Wiederbeschaffungswert übersteigende Neuwertspitze nur in der Höhe, in der gesichert ist, dass die Entschädigung innerhalb von einem Jahr nach ihrer Feststellung für die Reparatur des Fahrzeugs oder den Erwerb eines anderen Fahrzeugs verwendet wird. Das setzt allerdings nicht voraus , dass Versicherungsnehmer oder Versicherter die Wiederbeschaffung zunächst aus eigenen Mitteln zu gewährleisten haben. Vielmehr setzt die Jahresfrist für die Sicherstellung der Verwendung der Neuwertspitze für die Ersatzbeschaffung nach dem Bedingungswortlaut erst nach Feststellung der Entschädigung ein, denn die Wendung "ihrer Feststellung" bezieht sich, wie das Berufungsgericht noch zutreffend gesehen hat, auf die Entschädigung. Die Frist beginnt mithin erst zu laufen, wenn der Versicherer erklärt hat, die Neupreisentschädigung bis zu einem bestimmten Betrag dem Grunde nach zu schulden.
28
cc) Verweigert der Versicherer diese Erklärung, etwa weil er - wie hier - der Auffassung ist, die Neupreisentschädigung aus anderen Gründen nicht leisten zu müssen, wird die Jahresfrist für die Sicherstellung der Verwendung der Neuwertspitze für die Ersatzbeschaffung nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut in A.2.6.3 AKB 09/2009 nicht anderweitig, etwa durch die Leistungsablehnung, den Versicherungsfall oder eine Teilregulierung des Schadens ausgelöst. Anders als die Revisionserwiderung meint, führt dies keineswegs zu einem systemwidrigen Ergebnis, weil dann eine Neupreisentschädigung verlangt werden könnte, solange keine Feststellung erfolgt sei. Es wäre vielmehr ein treuwidriges, widersprüchliches Verhalten des Versicherers, wollte er vom Versicherungsnehmer die Sicherstellung der Verwendung der Versicherungsleistung zur Ersatzbeschaffung verlangen, obwohl er diese Versicherungsleistung von vorn herein verweigert. Da die Reinvestitionsklausel lediglich eine zweckgebundene Verwendung der zunächst - auch wertmäßig - festgestellten Neupreisentschädigung gewährleisten soll, muss der Versicherungsnehmer oder Versicherte insbesondere nicht die Ersatzbeschaffung zunächst aus Eigenmitteln gewährleisten. Darauf, ob einer von ihnen - wie hier der Kläger nach seinem Vortrag - in der Lage ist, sich auch ohne Hilfe des Versicherers etwa durch Abschluss eines Leasingvertrages mit einer anderen Leasinggeberin ein anderes Fahrzeug zu beschaffen , kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an. Hierdurch wird weder der Versicherer von seiner Pflicht befreit, die Verpflichtung zur Leistung der Neupreisentschädigung festzustellen, noch wird die Verwendung der Neuwertspitze für eine Ersatzbeschaffung im Sinne von A.2.6.3 AKB 09/2009 vereitelt oder sonst der Anspruch auf die Neupreisentschädigung verwirkt, denn es steht Versicherungsnehmer und Versichertem nach wie vor frei, sicherzustellen, dass eine vom Versicherer zugesagte Neupreisentschädigung für eine bedingungsgemäße Ersatzbeschaffung verwendet wird. Der Auffassung des Berufungsgerichts , wegen des nach seinem Vortrag abgeschlossenen neuen Leasingvertrages des Klägers komme es auf die (hier noch nicht einmal in Gang gesetzte) Jahresfrist in A.2.6.3 AKB 09/2009 nicht mehr an, kann daher nicht gefolgt werden.
29
c) Weigert sich der Versicherer, seine Verpflichtung zur Erstattung der Neuwertspitze - auch hinsichtlich des grundsätzlich erstattungsfähigen Betrages - festzustellen, bleibt dem Versicherungsnehmer nur die Möglichkeit, diese Feststellung durch eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Erst diese Feststellung setzt dann die Jahresfrist zur Sicherstellung ihrer Verwendung nach A.2.6.3 AKB 09/2009 in Lauf.
30
III. Das Berufungsgericht hätte nach allem die Klage noch nicht als unbegründet abweisen dürfen. Daran, die Klage als jedenfalls derzeit (noch) unbegründet abzuweisen, ist der Senat seinerseits gehindert,weil die Sache noch nicht entscheidungsreif im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO ist. Denn das Berufungsgericht, welches den Regelungsgehalt der Reinvestitionsklausel verkannt hat, hat es versäumt, den Kläger nach § 139 Abs. 1 ZPO auf die vorstehend dargelegte Rechtslage hinzuweisen, um ihm so die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Klagantrag sachdienlich umzustellen und zunächst auf die Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Erstattung der über den Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Entschädigung zu klagen. Bestand aber eine derartige Hinweispflicht mit dem Ziel, der Partei in der Tatsacheninstanz Gelegenheit zur Stellung eines sachdienlichen Antrags zu geben, so kommt eine Sachentschei- dung des Revisionsgerichts nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 13/95, BGHZ 135, 1 unter II 3 m.w.N.).
31
IV. Die Sache bedarf nach allem neuer Verhandlung, in deren Rahmen der Kläger Gelegenheit erhält, seine bisherigen Anträge zu überprüfen.
32
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Hilfsantrag des Klägers auf Schadensersatz wegen mangelnder Beratung über die Möglichkeit einer so genannten GAP-Versicherung zurückgewiesen hat, rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
33
Allein die Übersendung einer Verbraucherinformation, in welcher unter anderem auch die GAP-Deckung erläutert ist, vermag weder die von § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG aus Anlass des Abschlusses eines neuen Versicherungsvertrages geforderte Bedarfsermittlung noch die nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG erforderliche Beratungsdokumentation zu ersetzen. In den dem Kläger übersandten Frage- und Antragsbögen ist schon nicht die Option eröffnet, zusätzlich die GAP-Deckung durch Ankreuzen oder sonstigen Eintrag zu wählen. Der Hinweis auf das Lebensalter, die Stellung des Klägers als Selbständiger, den Umstand, dass er früher bereits geleaste Fahrzeuge gefahren habe, und die anwaltliche Vertretung des Klägers im Rechtsstreit kann die Beklagte weder von ihrer Beratungsnoch von der Dokumentationspflicht entbinden.
Mayen Felsch Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 22.10.2014 - 6 O 375/13 -
OLG Celle, Entscheidung vom 19.03.2015 - 8 U 305/14 -
BESCHLUSS
IV ZR 193/15
vom
23. November 2016
in dem Rechtsstreit


ECLI:DE:BGH:2016:231116BIVZR193.15.0
Richterin Mayen, die Richter Felsch, Dr. Karczewski, die Richterin
Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz

am 23. November 2016

beschlossen:

Das Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 wird gemäß § 319
Abs. 1 ZPO dahin berichtigt, dass es in den Entscheidungsgründen
unter II. (Rn. 15) heißen muss:

Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.

Mayen Felsch Dr. Karczewski

Dr. Brockmöller Dr. Götz

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - IV ZR 193/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2016 - IV ZR 193/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 6 Beratung des Versicherungsnehmers


(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 93 Wiederherstellungsklausel


Ist der Versicherer nach dem Vertrag verpflichtet, einen Teil der Entschädigung nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehende
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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bei uns veröffentlicht am 14.02.2019

Berichtigt durch Beschluss vom 28.3.2019 Kirchgeßner, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEILVERSÄUMNIS- UND ENDURTEIL IX ZR 149/16 Verkündet am: 14. Februar 2019 Preuß Justizangestell

Bundesgerichtshof Urteil, 26. März 2019 - II ZR 413/18

bei uns veröffentlicht am 26.03.2019

Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Bm, CI; HGB § 172 Abs. 4, §§ 160, 161 Abs. 2 Die vorformulierte Klausel in einem Kaufvertrag über einen Kommanditanteil an einer Fondsgesellschaft "Für Umstände, die

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 18. Jan. 2019 - 12 U 129/18

bei uns veröffentlicht am 18.01.2019

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg - 4. Zivilkammer - vom 20.07.2018 - 4 O 250/16 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Dieses und das angefoch

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2017 - IV ZR 91/16

bei uns veröffentlicht am 15.02.2017

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 1. März 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

Ist der Versicherer nach dem Vertrag verpflichtet, einen Teil der Entschädigung nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehenden Betrags erst verlangen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist. Der Versicherungsnehmer ist zur Rückzahlung der vom Versicherer geleisteten Entschädigung abzüglich des Versicherungswertes der Sache verpflichtet, wenn die Sache infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht innerhalb einer angemessenen Frist wiederhergestellt oder wiederbeschafft worden ist.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 327/02 Verkündet am:
21. Mai 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) § 4 Abs. 1 c
Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist nicht als Wahrnehmung
rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften
anzusehen.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02 - LG Hannover
AG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert und die
Richterinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Mai 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 19. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit Dezember 1999 eine Rechtsschutzversicherung, die Verkehrsrechtsschutz und Familienrechtsschutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/2000, künftig : AVB) zugrunde, die - soweit hier von Interesse - mit den ARB 75

übereinstimmen. Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine inzwischen in erster Instanz beim Landgericht Frankfurt am Main anhängige Klage auf Schadensersatz gegen die Deutsche Telekom AG. Er hat im Rahmen des dritten Börsenganges der Deutschen Telekom AG im Juli 2000 500 Aktien erworben. Er stützt seinen Schadensersatzanspruch in erster Linie auf § 45 BörsG in der Fassung des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998 (BGBl. I 529). Er behauptet, der im Mai 2000 veröffentlichte Börsenzulassungsprospekt sei unrichtig gewesen, weil in der Bilanz der Deutschen Telekom AG der Immobilienbesitz erheblich zu hoch bewertet worden sei.
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage abgelehnt, weil sich der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 1c AVB nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften beziehe. Erstmals im Deckungsprozeß stützt sie ihre Ablehnung auch auf fehlende Erfolgsaussicht der Klage gegen die Deutsche Telekom AG.
Der Kläger verlangt unter Abzug einer Selbstbeteiligung die Erstattung von verauslagten Prozeßkosten in Höhe von 300 DM. Die Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß sie nicht verpflichtet sei, den Kläger von den weiteren Kosten freizustellen, die diesem bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Deutsche Telekom AG wegen des Wertverlustes der von ihm im Juli 2000 erworbenen Aktien der Deutschen Telekom AG entstehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, das Landgericht hat gegenteilig entschieden (NVersZ 2002, 578). Mit der

zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger für die auf Zahlung von 28.949,02 DM/14.801,40 gegen die Deutsche Telekom AG bedingungsgemäß Rechtsschutz zu gewähren. Der Anspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht durch § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.
1. Der Versicherungsschutz umfaßt nach § 25 Abs. 2a i.V. mit § 14 Abs. 1 AVB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Unter gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen zu verstehen, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses Rechtsfolgen knüpfen (vgl. zu § 1 Nr. 1 AHB Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3a). Bei § 45 BörsG handelt es sich um eine solche auf die Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung, und zwar sowohl nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers wie nach allgemeiner Ansicht in Rechtslehre und Rechtspraxis (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. BörsG § 45 Rdn. 10, 11; Groß, Kapitalmarktrecht §§ 45, 46 BörsG Rdn. 53, 54; Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 112 Rdn. 62; Sittmann, NJW 1998, 3761 ff.; Krämer/Baudisch, WM 1998,

1161, 1163; BGHZ 139, 225, 228 zu der bis 31. März 1998 geltenden Fassung; LG München I NJW 2002, 1807 f.).
Die Revisionserwiderung meint unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 17. Oktober 1984 (IVa ZR 78/83 - VersR 1985, 32), § 45 BörsG sei keine gesetzliche Haftpflichtbestimmung im Sinne der Versicherungsbedingungen , weil es sich bei der Vorschrift um gesetzlich geregelte Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo beim Eingehen eines körperschaftlichen Rechtsverhältnisses handele. Damit kann die Rechtsnatur von § 45 BörsG als auf Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung aber nicht in Frage gestellt werden. Es kann allenfalls darum gehen, ob ein darauf gestützter Anspruch vom Risikoausschluß der Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften nach § 4 Abs. 1c AVB erfaßt wird. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 17. Oktober 1984 (aaO unter II 1) den Anspruch aus culpa in contrahendo auch bei der Reichweite des Risikoausschlusses für die Interessenwahrnehmung aus Spiel- und Wettverträgen nach § 4 Abs. 1g ARB 75 behandelt.
2. Der Anspruch auf Deckungsschutz ist nicht nach § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines

Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt je- doch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa).

b) aa) Die Formulierung "Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Damit verbindet die Rechtssprache aber keinen fest umrissenen Begriff. Es ist schon zweifelhaft , ob das "Recht der Handelsgesellschaften" ein in seinen Konturen eindeutig festgelegter Begriff ist, der - soweit hier von Bedeutung - etwa nur das Aktiengesetz meint oder auch alle sonstigen Rechtsnormen, die dem Aktienrecht zugeordnet werden können. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Bereich" führt jedenfalls dazu, daß ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist.
bb) Demgemäß kommt es für die Auslegung darauf an, was aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehört. Er erkennt, daß es dabei um eine an rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Zuordnung geht, mit der gewisse Risiken vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. We-

gen der Verweisung auf rechtliche Kriterien wird und darf er annehmen, daß die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Interessenwahrnehmung jedenfalls keine Tatbestände betrifft, die nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften , sondern zu einem anderen Rechtsbereich gehören.
So verhält es sich bei den Ansprüchen aus § 45 BörsG. Sie sind nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften zuzuordnen, sondern dem Bereich des Kapitalmarktrechts. Zwischen Gesellschaftsrecht und sonstigem Privatrecht gibt es zwar aufgrund von Zusammenhängen und gemeinsamer Grundlagen einen Überschneidungsbereich, in dem eine eindeutige Zuordnung von Problemen häufig nicht möglich sein wird. In der Rechtslehre und in der Rechtspraxis wird jedoch seit längerer Zeit eine klare Trennung zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht vorgenommen. Dabei wird das Börsen- und Wertpapierhandelsrecht eindeutig dem Kapitalmarktrecht zugeordnet (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl. § 1 II 3; Pötsch, WM 1998, 949 ff.; Meixner, NJW 1998, 1896 ff.; Weber, NJW 2000, 2061 ff.). Assmann (in Handbuch des Kapitalanlagerechts § 1 Rdn. 71) und Weber (NJW 2000, 2061, 2065) bezeichnen das Emissionsrecht als Herzstück einer jeden kapitalmarktrechtlichen Regelung. Auch der Gesetzgeber hat dies so gesehen. Die Änderung des Börsengesetzes , auf der die ab 1. April 1998 geltende Fassung der §§ 45 ff. beruht, war Bestandteil des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998. Die Änderungen der börsenrechtlichen Vorschriften sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dazu beitragen, den Aktienhandel zu fördern, den Emittenten den Börsenzugang zu erleichtern,

die Wettbewerbsposition der Börsen zu stärken und den Anlegerschutz zu verbessern (BT-Drucks. 13/8933 S. 55 ff.).
cc) Ein davon abweichendes Verständnis wird auch der juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer, der sich für den Erwerb von Wertpapieren als Kapitalanlage interessiert, nicht in Betracht ziehen. Aus seiner Sicht geht es in diesem Stadium erst um den Kauf von Aktien und nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einer späteren Stellung als Aktionär. Daher wird er entgegen der Revisionserwiderung den Anspruch aus § 45 BörsG nicht etwa deshalb als zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehörig ansehen, weil er nach dem Erwerb der Aktie als Aktionär an einer Handelsgesellschaft beteiligt ist. Schon der Wortlaut des Gesetzes steht dem entgegen. Die §§ 45, 46 BörsG sprechen vom Erwerbspreis, dem Erwerb und dem Erwerbsgeschäft. Dem Gesetz ist auch ohne weiteres zu entnehmen, daß der haftungsbegründende Vorgang - der Erlaß und die Herausgabe des unrichtigen Prospekts - vor dem Zeitpunkt des Erwerbs liegt. Damit kommt klar zum Ausdruck, daß die Vorschriften nicht Ansprüche des Erwerbers als Aktionär, sondern als Teilnehmer am Kapitalmarkt betreffen. Er soll in seinem vor dem Erwerb gefaßten Vertrauen auf einen richtigen Prospekt geschützt werden, und zwar unabhängig davon, ob im Sinne der bürgerlich -rechtlichen culpa in contrahendo Vertragsverhandlungen stattgefunden oder ihm die Prospektverantwortlichen persönlich gegenübergetreten sind (vgl. BGHZ 123, 106, 109 und BGHZ 79, 337, 341 f., 348).
dd) Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist deshalb nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften anzusehen (vgl. Prölss in Prölss/

Martin, VVG 26. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 4 und Harbauer, Rechtsschutz- versicherung 6. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 23 a.E.), jedenfalls nicht bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlußklauseln (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a und zum Erwerbsrisiko bei der Baurisikoklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 das Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454 unter II 1 und 2).
3. Auf fehlende Erfolgsaussicht kann sich die Beklagte für die Ablehnung nicht berufen. Dies ist ihr schon deshalb verwehrt, weil sie die darauf gestützte Ablehnung dem Kläger nicht unverzüglich mitgeteilt hat (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 - unter 2, zur Veröffentlichung bestimmt). Der Kläger hat der Beklagten zwar seinerzeit keinen Klageentwurf übermittelt. Die Beklagte hat aber nicht geltend gemacht , den Kläger gemäß § 15 Abs. 1a AVB um weitere Informationen gebeten zu haben. Mit denselben Gründen, mit denen die Beklagte jetzt die Erfolgsaussichten verneint, hätte sie es bereits vorgerichtlich unverzüglich tun können.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Ambrosius Dr. Kessal-Wulf
11
a) Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass es zunächst einer Auslegung der betreffenden Bestimmung bedarf, weil nur so Klarheit über ihren Inhalt gewonnen werden kann. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BGHZ 112, 65, 68 f.; Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - VersR 2003, 1163 unter II 2 c). Davon ist bei Ziff. 6.1 AVB 97 nicht auszugehen.
22
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, WM 2003, 1363 unter 2 a; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 11). Liegt - wie hier - ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. etwa für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Senatsurteil vom 12. Januar 2011 - IV ZR 118/10, VersR 2011, 611 Rn. 11 m.w.N.; für die Rechtsschutzversicherung von Gewerkschaftsmitgliedern: Senatsurteil vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 40 m.w.N.).
38
Bei einem anderen Verständnis der Klausel käme der Aufzählung dreier Vollstreckungstitel im Klammerzusatz anstelle einer vermeintlich verbraucherfreundlichen Erläuterung des Begriffes "vollstreckbarer Titel" in Wahrheit die Funktion eines Ausschlusses der Ausfallversicherungsleistung in Fällen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu. Das Versicherteninteresse bei Risikoausschlussklauseln geht in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. (Senatsurteile vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 41; vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20). Dem könnte die hier in Rede stehende Aufzählung, die keinerlei Hinweis darauf gibt, dass mit ihr eine weit reichende Einschränkung des Leistungsversprechens verbunden sein soll bei einem abweichenden Verständnis, nicht genügen.
41
Das Versicherteninteresse geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20).
20
c) Für die Auslegung einer Risikoausschlussklausel gilt nichts anderes. Zwar sind solche Klauseln grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98, NVersZ 1999, 394 unter 2 a; vom 17. Mai 2000 aaO unter 2 b). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und des Oberlandesgerichts Koblenz (r+s 2007, 326) kommt es aber auch in diesem Rahmen für die Ermittlung des Zwecks der Ausschlussklausel auf deren - dem Versicherungsnehmer aus dem Klauselwortlaut nicht erschließbare - Entstehungsgeschichte oder zugrunde liegende wirtschaftliche Erwägungen des Versicherers selbst dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte (Senatsurteil vom 25. September 2002 - IV ZR 248/01, r+s 2003, 16 unter 2 a). Denn auch die für Risikoausschlussklauseln geltende Auslegungsregel beruht weder auf einer (die Entstehungsgeschichte einbeziehenden) "gesetzesähnlichen" Auslegung noch setzt sie eine solche voraus. Vielmehr erfährt diese Regel gerade durch eine Auslegung, die auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellt, Rechtfertigung und Sinn (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1999 aaO). Es besteht, wie der Senat schon mehrfach ausgesprochen hat (Senatsurteile vom 17. Mai 2000 aaO unter 2 c; vom 17. März 1999 aaO), kein Anlass, insoweit für die Auslegung von Risikoausschlussklauseln zur gesetzesmäßigen Auslegung zurückzukehren.
11
a) Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass es zunächst einer Auslegung der betreffenden Bestimmung bedarf, weil nur so Klarheit über ihren Inhalt gewonnen werden kann. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BGHZ 112, 65, 68 f.; Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - VersR 2003, 1163 unter II 2 c). Davon ist bei Ziff. 6.1 AVB 97 nicht auszugehen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 2. Oktober 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert hält, fordert nach dem Brand seines Hauses am 14. Dezember 2010, den die Beklagte mit einer Zeitwertentschädigung in Höhe von 134.501,59 € reguliert hat, eine Entschädigung in Höhe von 47.268,74 € für den Neuwertanteil.

2

Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Wohngebäudeversicherung (VGB) der Beklagten in der Fassung des Jahres 2010 (im Folgenden VGB 2010) zugrunde. In deren § 28 heißt es auszugsweise:

"(7) Sie erwerben den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen …"

3

Da die Wohnfläche des versicherten Hauses ausweislich eines nach dem Brand eingeholten Obmanngutachtens mit 171,29 m2 die im Versicherungsvertrag angegebene Wohnfläche von 116 m2 überstieg, kürzte die Beklagte den vom Sachverständigen ermittelten Zeitwertschaden von 198.610,16 € nach § 28 Abs. 2 VGB 2010 entsprechend dem Flächenunterschied auf 134.501,59 € und zahlte diesen Betrag an den Kläger aus.

4

Dieser hat noch innerhalb von drei Jahren nach dem Brand auf seinem Grundstück mit dem Neubau eines Wohnhauses begonnen, welches infolge einer vergrößerten Wohnfläche und einer angebauten Garage eine um circa 37% größere Grundrissfläche aufweist als das abgebrannte Haus. Eine Baugenehmigung ist inzwischen erteilt, der Kläger hat auch einen Bauvertrag nach VOB mit einem Bauunternehmen abgeschlossen, dem das Leistungsverzeichnis aus dem Obmanngutachten zugrunde liegt.

5

Der Kläger meint, die Voraussetzungen für die Entschädigung des Neuwertanteils zu erfüllen. Unter Zugrundelegung des im Obmanngutachten ausgewiesenen Neuwerts von 268.408,98 € und Berücksichtigung der von der Beklagten ermittelten Kürzungsquote (268.408,98 x 116 m2 ./. 171,29 m2) errechnet der Kläger eine Neuwertentschädigung von insgesamt 181.770,33 €, von der er die vorgerichtlich geleisteten 134.501,59 € in Abzug bringt und mithin eine restliche Klagforderung von 47.268,74 € erhebt.

6

Die Beklagte meint, der Kläger habe die Sicherstellungsvoraussetzungen nach § 28 (7) VBG 2010 nicht erfüllt und verweist insbesondere darauf, dass das neu errichtete Gebäude wegen der Grundflächenvergrößerung um 37% in Art und Größe wesentlich vom früheren Gebäude abweiche und deshalb nicht von gleicher Art und Zweckbestimmung im Sinne von § 28 (7) VGB 2010 sei.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das vom Kläger angerufene Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

I. Dieses hat angenommen, die Anforderung an eine Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung eines Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall bereits dadurch erfüllt, dass der Kläger den geforderten Neuwertanteil auf der Grundlage des Obmanngutachtens abrechne, welches für die Entschädigungsberechnung nicht auf den Neubau, sondern das vom Brand zerstörte Haus abstelle, so dass sich die Flächenvergrößerung auf den Entschädigungsbetrag von vornherein nicht auswirken könne. Auch eine sonstige Bereicherung des Klägers durch Auszahlung des Neuwertanteils sei wegen dessen Anpassung nach Maßgabe des § 28 (2) VGB 2010 nicht zu befürchten. Im Übrigen begründe die Gesamtheit der Umstände die hinreichend sichere Annahme einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Entschädigung; ernsthafte Anhaltspunkte für eine nur vorgetäuschte Wiederherstellungsabsicht bestünden nicht.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht der Klage nicht stattgeben.

11

1. § 28 (7) VGB 2010 enthält eine so genannte strenge Wiederherstellungsklausel. Sie orientiert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats an dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck der Neuwertversicherung, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des Ersatzanspruchs allerdings beschränkt. Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers aus Anlass des Schadenfalles ist zu vermeiden, auch um das Interesse am Abbrennen des versicherten Gebäudes nicht zu fördern. Zweck der Wiederherstellungsklausel ist es deshalb zum einen, die Bereicherung durch die Neuwertentschädigung auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die ungeplanten, dem Versicherungsnehmer erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 - IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 16; vom 21. Februar 1990 - IV ZR 298/88, VersR 1990, 488 unter 2 m.w.N. zu § 7 Abs. 3a VGB 62; vom 8. Juni 1988 - IVa ZR 100/87, VersR 1988, 925 unter II 1; jeweils m.w.N.).

12

Für den Versicherungsnehmer ersichtlich zielt die Bestimmung zum anderen aber auch auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer - wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung - in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (Senatsurteile vom 20. Juli 2011 - IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 16; vom 18. Februar 2004 - IV ZR 94/03, r+s 2004, 238 unter II 1 c [juris Rn. 15] m.w.N.). Solche unerwünschten Vermögensvorteile können auch darin bestehen, dass der Versicherungsnehmer zwar bereit ist, die durch eine Erweiterung oder wesentliche Veränderung des Neubaus gegenüber dem Vorgängergebäude entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen, im Übrigen aber auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Gebäude bei der Finanzierung des neuen Bauvorhabens zurückgreifen kann. Wollte man dem Versicherungsnehmer diesen Zugriff auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Haus ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes zur freien Verwendung gestatten, wäre auch dadurch das subjektive Risiko erhöht, weil Versicherungsnehmer dann ebenfalls versucht sein könnten, zur Teilfinanzierung eines Neubauvorhabens den Versicherungsfall vorsätzlich herbeizuführen.

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2. Mit seiner Erwägung, dem Erfordernis der Wiederherstellung des Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall schon dadurch genügt, dass der Kläger nur die Neuwertspitze für das durch den Brand zerstörte Haus auf der Grundlage der Berechnungen des Obmanngutachtens und unter Berücksichtigung der festgestellten Unterversicherung verlange, konnte das Berufungsgericht allenfalls eine objektive Bereicherung des Klägers ausschließen. Darin erschöpft sich der Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel aber nicht, weshalb sich die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion des Erfordernisses der Wiederherstellung einer versicherten Sache gleicher Art und Zweckbestimmung verbietet. Stünde einem Versicherungsnehmer ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes die Neuwertentschädigung bis zur Höhe des Neuwerts des zerstörten Gebäudes in jedem Falle zu, würde dies das subjektive Risiko erhöhen, dem die Wiederherstellungsklausel entgegenwirken soll.

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3. Die Sicherstellung im Sinne von § 28 (7) VGB 2010 nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist Sache des Tatrichters (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 148/10, r+s 2011, 433 Rn. 13). Insofern hat sich das Berufungsgericht bisher den Blick dafür verstellt, dass es anhand der gesamten baulichen Gegebenheiten auch feststellen muss, ob das im Bau befindliche neue Gebäude des Klägers von gleicher Art und Zweckbestimmung ist wie das durch den Brand zerstörte Haus. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.

Felsch                                 Dr. Karczewski                                Lehmann

              Dr. Brockmöller                                 Dr. Bußmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 94/03 Verkündet am:
18. Februar 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VVG § 97; VGB 88 § 15 Nr. 4 Satz 1
Der Anspruch auf den Neuwertanteil entsteht bis zum Eigentumsübergang
in der Person des Grundstücksveräußerers,
wenn bis dahin die Wiederherstellung sichergestellt ist.
BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 - IV ZR 94/03 - Kammergericht
LG Berlin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. Januar 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt aus einer Wohngebäudeversicherung den den Zeitwertschaden übersteigenden Teil der Entschädigung, den sogenannten Neuwertanteil.
Vom 1. Januar 1994 bis zum 1. Juli 1997 unterhielt die Klägerin bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert unter Einbeziehung der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88). In bezug auf die Neuwertspanne ist in § 15 Nr. 4 Satz 1 VGB 88 folgendes bestimmt: "Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt , nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, daß er

die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen." Am 4. Oktober 1996 wurde das versicherte Gebäude durch einen Brand erheblich beschädigt. Die Beklagte ersetzte der Klägerin den in einem Gutachten ermittelten Zeitwertschaden in Höhe von 267.542,24 DM, nicht aber die darin festgestellte Neuwertspanne in Höhe von 214.103,33 DM.
Am 23. November 1998 verkaufte die Klägerin das Grundstück. In dem Kaufvertrag verpflichteten sich die Erwerber, das beschädigte Gebäude mit einem nachgewiesenen Kostenaufwand von mindestens 270.000 DM unverzüglich wieder aufzubauen. Wegen der deswegen von der Klägerin beanspruchten Neuwertspanne vereinbarten die Kaufvertragsparteien einen in dieser Höhe verminderten Kaufpreis. Am 26. August 1999 wurden die Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der nach Abschluß des Kaufvertrages begonnene Wiederaufbau wurde erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Brand fertiggestellt.
Die Parteien streiten darüber, ob die Verwendung der Entschädigung gemäß § 15 Nr. 4 Satz 1 VGB 88 rechtzeitig sichergestellt war. Das Landgericht hat dies verneint und die Klage auf Auszahlung des gutachterlich festgestellten Neuwertanteils abgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält die Klägerin für aktivlegitimiert. Die Erwerber hätten ihr den Anspruch auf die Neuwertspanne jedenfalls im Juli 1999 wirksam abgetreten. Auf die Frage, wem er im Falle einer Grundstücksveräußerung nach dem Versicherungsfall zusteht, komme es daher nicht an.
Das Berufungsgericht sieht die Verwendung der Mittel zur Wiederherstellung bereits aufgrund der im Kaufvertrag vom 23. November 1998 übernommenen Verpflichtung der Erwerber, das beschädigte Gebäude wieder aufzubauen, als hinreichend sichergestellt an. Es ist darüber hinaus der Ansicht, daß auch der Abschluß eines Bauvertrages, dessen Rückgängigmachung ausgeschlossen sei oder zumindest fernliege, eine hinreichende Sicherstellung darstelle. Das sei hier der Fall. Aus einem Architektenschreiben vom 21. September 1999 ergebe sich, daß damals seitens der Erwerber bereits Bauarbeiten mit einem Gesamtvolumen von 255.002,16 DM in Auftrag gegeben gewesen seien. So existierten u.a. ein Vertrag mit einem Bauunternehmer über 122.817,56 DM vom 10. August 1999 und ein Vertrag mit einer Zimmerei über Dachstuhlarbeiten in Höhe von 75.632 DM vom 16. August 1999. Soweit das Begleitschreiben des Bauunternehmers vom 10. August 1999 Vorbehalte enthalte , könnten diese als hinfällig betrachtet werden, da die Erwerber das neu errichtete Gebäude am 1. September 2000 bezogen hätten. Bis zum

Ablauf der Dreijahresfrist am 4. Oktober 1999 seien zwar nicht alle zum Wiederaufbau notwendigen Bauverträge abgeschlossen gewesen, eine Abstandnahme von den bereits begonnenen, nicht unerheblichen Bauarbeiten habe jedoch erkennbar ferngelegen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. a) Bei der hier genommenen Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert unter Einbeziehung der VGB 88 wird der durch § 15 Nr. 1 b VGB 88 gewährte Anspruch auf Ersatz der notwendigen Reparaturkosten durch die in § 15 Nr. 4 VGB 88 getroffene Regelung eingeschränkt (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 - IV ZR 280/99 - VersR 2001, 326 unter I 2 a zu § 15 VGB 94 m.w.N.). Nach § 15 Nr. 4 Satz 1 VGB 88 erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden (§ 14 Nr. 1 b VGB 88) übersteigt, nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, daß er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Es handelt sich hierbei um eine sog. strenge Wiederherstellungsklausel , nach der die Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens ist, der über den Zeitwertschaden hinausgeht. Ohne diese Verwendungssicherstellung (im folgenden: Sicherstellung) oder die Wiederherstellung

selbst ist der Anspruch auf den Ersatz des Zeitwertschadens beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 aaO unter a) und b)).

b) Die Sicherstellung im Streitfall nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist weitgehend Sache des Tatrichters. Sie erfordert eine Prognose in dem Sinne, daß bei vorausschauend-wertender Betrachtungsweise eine bestimmungsgemäße Verwendung hinreichend sicher angenommen werden kann. Das ist im Bereich von Kaskoversicherungen etwa bei einem verbindlich geschlossenen Reparatur- oder Kaufvertrag anerkannt (vgl. BGHZ 103, 228, 235; BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - IVa ZR 197/84 - VersR 1986, 756 unter 2).
Diese Grundsätze lassen sich auf Wohngebäudeversicherungen, bei denen eine ähnliche Problematik besteht (BGH aaO), übertragen. Dementsprechend bedarf es diesbezüglich Vorkehrungen, die - auch wenn sie keine restlose Sicherheit garantieren - jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung aufkommen lassen, um Manipulationen möglichst auszuschließen. Das wird beispielsweise anzunehmen sein nach verbindlichem Abschluß eines Bauvertrages oder eines Fertighauskaufvertrages mit einem leistungsfähigen Unternehmer, wenn die Möglichkeit der Rückgängigmachung des Vertrages nur eine fernliegende ist (vgl. OLG Hamm VersR 1984, 175 f.; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 26. Aufl. § 97 Rdn. 14), oder wenn von der Durchführung des Vertrages nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Einbußen Abstand genommen werden kann (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. R IV 35).


c) Bis zur Eintragung der Grundstückserwerber im Grundbuch am 26. August 1999 - mithin innerhalb der Dreijahresfrist - war hier die Sicherstellung erfolgt. Sie wurde nach dem im Kaufvertrag festgeschriebenen Wiederaufbau durch die verbindliche Vergabe von Bauleistungen erreicht. Die im Begleitschreiben des Bauunternehmers erklärten Vorbehalte und Ergänzungen stehen dem nicht entgegen. Jedenfalls die Vergabe der Dachstuhlarbeiten mit einer Summe von 75.632 DM am 16. August 1999 war uneingeschränkt bindend. Bei einer Abstandnahme von dem Vertrag drohten den Bestellern erhebliche Ersatzforderungen des Bauunternehmers (§§ 649 BGB, 8 Nr. 1 VOB/B). Sie waren mit diesem Vertragsschluß auch unter Berücksichtigung des erhaltenen Kaufpreisnachlasses einem hinreichend hohen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt , den Wiederaufbau nach den Planungen des beauftragten Architekten auch wirklich umzusetzen. Darauf bezogen begegnet die tatrichterlich festgestellte bedingungsgemäße Sicherstellung keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
Damit ist dem erkennbaren Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel genügt. Diese Klausel zielt auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, daß der Versicherungsnehmer - wie bei freier Verwendbarkeit einer Versicherungssumme - in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (vgl. Prölss/Martin/Kollhosser, aaO § 97 Rdn. 8; BK/Dörner/Staudinger, § 97 VVG Rdn. 7).

2. Der mit der Sicherstellung entstandene Anspruch auf Auszahlung der Neuwertspanne steht dem in diesem Zeitpunkt im Grundbuch als Eigentümer ausgewiesenen Versicherungsnehmer zu.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsteht in den Fällen der Veräußerung des Grundstücks nach Eintritt des Versicherungsfalls der Anspruch auf den Neuwertanteil der Entschädigung in der Person des Grundstückserwerbers, wenn bei Versicherung des Grundstücks zum gleitenden Neuwert im Versicherungsvertrag eine Wiederherstellungsklausel vereinbart ist, der Erwerber nach dem Eigentumsübergang das versicherte Gebäude fristgerecht wiederherstellt oder die Verwendung der Entschädigung zu diesem Zweck, die vor dem Eigentumsübergang noch nicht sichergestellt war, fristgerecht sicherstellt (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juni 1988 - IVa ZR 100/87 - VersR 1988, 925 f. und vom 8. Juli 1992 - IV ZR 229/91 - VersR 1992, 1221 f.; jeweils zu § 7 Nr. 3a VGB 62). Folgerichtig muß daher der Anspruch auf die Neuwertspanne in der Person des Veräußerers entstehen, wenn die Sicherstellung noch vor dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs erfolgt (vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 98 Rdn. 3). Die Sicherstellung hängt nicht davon ab, was Veräußerer und/oder Erwerber allein oder zusammen für die Wiederherstellung beigetragen haben. Der Veräußerer , der - vom Fall der vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages abgesehen - bis zur Grundbucheintragung des Erwerbers Versicherungsnehmer bleibt (Römer, ZNotP 1998, 213, 217), muß insbesondere nicht identisch mit demjenigen sein, der letztlich die Sicherstellung bewirkt.

§ 15 Nr. 4 Satz 1 VGB geht zwar seinem Wortlaut nach davon aus, daß der Versicherungsnehmer die Wiederherstellung sicherzustellen hat. Diese Formulierung hat aber nicht den Fall der Veräußerung im Blick. Entscheidend ist nach dem für den durchschnittlichen, versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck der Wiederherstellungsklausel, daß in gleicher Art und Zweckbestimmung wieder aufgebaut wird und als Vorstufe eine entsprechende Sicherstellung erfolgt. Dieser Versicherungsnehmer wird verstehen, daß dies für den Erhalt der Bausubstanz, die im Interesse des Versicherers, eventuell vorhandener Grundpfandgläubiger und der öffentlichen Hand zu schützen ist, ausreichend aber auch erforderlich ist. Wie diese Mittelverwendung im Einzelfall abgewikkelt wird, ist insoweit ohne Belang.

b) In der Person des Versicherungsnehmers einmal entstandene Ansprüche gehen nicht gemäß § 69 Abs. 1 VVG mit dem Eigentumsübergang auf den Erwerber über. Sie verbleiben vielmehr bei ihm als Veräußerer (RGZ 162, 269, 272; OLG Hamm VersR 1987, 661; Prölss/Martin/Kollhosser, aaO § 69 Rdn. 23 f., 26; Martin, aaO R IV 43; wohl auch Langheid, aaO § 69 Rdn. 15). Infolgedessen ist die Klägerin trotz des Eigentumsübergangs auf die Erwerber am 26. August 1999 Forderungsinhaberin geblieben.

c) Der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, also regelmäßig der der Grundbucheintragung, bildet bezogen auf die Verwendungssicherstellung im Sinne der strengen Wiederherstellungsklausel die entscheidende Zäsur. Dies schafft die - insbesondere auch im Interesse des Ver-

sicherers - notwendige Klarheit, wem er die Neuwertspanne auszuzahlen hat, so denn im beschriebenen Sinne feststeht, daß die beschädigten Baulichkeiten über die Neuwertspanne wiederhergestellt werden und die Bausubstanz auf diese Weise in ihrem Wert erhalten wird.
3. Entgegen der Ansicht der Revision stehen dem weder § 55 VVG noch ein ungeschriebenes allgemeines Bereicherungsverbot entgegen. Diese Auffassung läßt außer acht, daß nach der Rechtsprechung des Senats § 55 VVG eine Regelung über Zulässigkeit und Grenzen der Neuwertversicherung nicht enthält und daß es auch ansonsten ein ungeschriebenes allgemeines Bereicherungsverbot im Sinne eines zwingenden , die Neuwertversicherung einschränkenden Rechtssatzes nicht gibt (BGHZ 137, 318, 323, 326; 147, 212, 215 f.). Der Versicherer muß viel

mehr halten, was er vertraglich versprochen hat, es sei denn, daß sich aus dem Gesetz ausdrücklich dem vorgehende Leistungseinschränkungen ergeben. Letzteres ist hier nicht der Fall.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.