Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08

bei uns veröffentlicht am23.06.2010
vorgehend
Landgericht München I, 5 HKO 18480/06, 16.08.2007
Oberlandesgericht München, 23 U 4589/07, 17.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 135/08 Verkündet am:
23. Juni 2010
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (zu I, II)
BGHR: ja
Rom I-VO Art. 1, Art. 3, Art. 5 Nr. 1, Art. 6, Art. 23, Art. 27, Art. 60; CISG Art. 4,
Art. 31, Art. 57; EGBGB Art. 28, Art. 32

a) Bei einem grenzüberschreitenden Versendungskauf ist für die Bestimmung des
Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO
an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung
der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen
Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche
Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (Anschluss
an EuGH, NJW 2010, 1059).

b) Ein nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO bestehender besonderer
Gerichtsstand des Erfüllungsortes erfasst sämtliche Klagen aus ein und
demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige
aus der Lieferverpflichtung an sich. Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten Klageart
oder Rechtsschutzform.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08 - OLG München
LG München I
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der in Deutschland ansässige Kläger war für die in Italien ansässige Beklagte , die Holzwaren nach Deutschland importiert, in langjähriger Geschäftsbeziehung als Handelsvertreter tätig. Dieses Handelsvertreterverhältnis kündigte er aus Altersgründen zum 31. August 2006. Daneben bezog er auf eigene Rechnung von der Beklagten Holzwaren. Aus diesen Lieferungen sind noch zwei Kaufpreisforderungen in Höhe von unstreitig insgesamt 43.141,42 € für Waren offen, welche die Beklagte auf der Grundlage der dabei verwendeten Klausel "Resa: Franco Partenza" aus Italien an den Geschäftssitz des Klägers in Deutschland versandt hatte. Insoweit hat die Beklagte nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage ihrerseits gegen den Kläger bei dem für ihren Sitz zuständigen italienischen Gericht Klage auf Zahlung erhoben.
2
Der Kläger hält die Kaufpreisforderungen aufgrund einer von ihm erklärten Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 49.007,11 € für erloschen. Diese Gegenforderungen leitet er aus offenen Handelsvertreterprovisionen , einem von ihm beanspruchten Handelsvertreterausgleich sowie einer von ihm ferner beanspruchten Vergütung für weitere in Deutschland erbrachte Dienstleistungen her. Der von ihm hierauf gestützten negativen Feststellungsklage , dass er der Beklagten aus den beiden Warenlieferungen nichts mehr schulde, ist die Beklagte in beiden Rechtszügen in erster Linie mit der Rüge der fehlenden örtlichen und internationalen Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Landgerichts München I entgegengetreten; hilfsweise hat sie sich gegen den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie die Zulässigkeit einer Aufrechnung gewandt.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage (als unzulässig) abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht (OLG München, IPRax 2009, 69) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
6
Zur Entscheidung über die erhobene Klage sei entgegen der Auffassung des Landgerichts eine internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts nicht gegeben. Eine vertragliche Regelung zum Erfüllungsort hätten die Parteien nicht getroffen. Die Klausel "Resa: Franco Partenza", was mit "Lieferung frei Absendung" zu übersetzen sei, betreffe nur die Frage der Frachtkosten , enthalte jedoch keine Regelung zum Erfüllungsort. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsrechtszug die Vereinbarung einer Bringschuld beziehungsweise die Bestellung auf der Grundlage einer Ankunftsklausel behauptet habe, sei dieser Vortrag wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen und widerspreche im Übrigen auch den vorgelegten Transportdokumenten, welche die Vereinbarung eines Erfüllungsortes widerlegten. Keinen Einfluss auf den Erfüllungsort des den Gegenstand der Feststellungsklage bildenden Kaufpreisanspruchs habe weiter der Umstand, dass es dem Kläger im Ergebnis um eine Durchsetzung seiner zur Aufrechnung gestellten eigenen Gegenforderungen gehe. Ebenso wenig ergebe sich ein inländischer Erfüllungsort aus Art. 6 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 S. 1 - EuGVVO), da diese Vorschrift keine Anwendung finde, wenn eine Forderung als bloßes Verteidigungsmittel in das Verfahren eingeführt werde.
7
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus der Erfüllungsortzuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Im Sinne dieser Bestimmung sei als Ort, an dem nach dem Vertrag geliefert worden ist, der Ort der Übergabe an das (selbständige) Transportunternehmen und damit der Absendeort zu verstehen. Zwar ließen die Textfassungen einzelner Amtssprachen auch eine Auslegung zu, nach der eine Zuständigkeitsanknüpfung an den Ort der Ankunft der Ware bei dem Käufer möglich sei. Insgesamt spreche ein Fassungsvergleich aber deutlich für eine Anknüpfung an den Ort der Absendung. Dieses Auslegungsergebnis sei deshalb aus Gründen der Rechtsklarheit vorzugswürdig, zumal dem für eine Anknüpfung an den Ankunftsort angeführten Argument der Sach- und Beweisnähe längst nicht in allen Fällen eine hinreichende Bedeutung zukomme.

II.

8
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Zulässigkeit der Klage nicht verneint werden.
9
1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht von einem Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 153, 82, 84 ff.; Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 119/08, NZM 2010, 251, Tz. 8 m.w.N.), ausgegangen.
10
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte beurteilt sich, da die Parteien ihren Sitz jeweils im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben und die in Italien ansässige Beklagte abweichend von Art. 2 EuGVVO vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates, nämlich in Deutschland, verklagt wird, gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nach Maßgabe der Art. 5 bis 24 EuGVVO. Die Beklagte hat das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in beiden Rechtszügen von Anfang an gerügt und in zulässiger Weise lediglich vorsorglich für den Fall, dass das angerufene deutsche Gericht den Gerichtsstaat nach dem maßgeblichen Zuständigkeitsrecht für international zuständig halten sollte, auch Ausführungen zur Hauptsache gemacht, so dass es an einer zuständigkeitsbegründenden Einlassung auf das Verfahren im Sinne von Art. 23 EuGVVO fehlt (vgl. Gei- mer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., A. 1 Art. 24 Rdnr. 46 m.w.N.). Jedoch ist eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Maßgabe von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und b EuGVVO gegeben, weil der Erfüllungsort für die den Streitgegenstand bildende Verpflichtung des Klägers zur Kaufpreiszahlung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts am Sitz des Klägers in Deutschland anzusiedeln ist.
11
a) Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO kann eine Person, die ihren (Wohn-)Sitz (Art. 59 f. EuGVVO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Für den Verkauf beweglicher Sachen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift und sofern nichts anderes vereinbart worden ist, der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort in einem Mitgliedsstaat ist, an dem die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.
12
aa) In der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist für den Verkauf beweglicher Sachen umstritten, an welchen Ort bei Fehlen einer bestimmten Vereinbarung der Vertragsparteien im Falle einer Versendung der Sachen für die Zuständigkeitsbestimmung anzuknüpfen ist. Teilweise wird angenommen, dies bestimme sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht, hier vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen nach Art. 31 Buchst. a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 5. Juli 1989 (BGBl. II S. 588 - CISG), der gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG auf die Vertragsbeziehungen Anwendung findet und wonach die Lieferpflicht des Verkäufers darin besteht, die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben. Nach anderer Auffassung hat die Bestimmung nach rein tatsächlichen Kriterien ohne Rückgriff auf die jeweils zur Anwendung kommenden materiell-rechtlichen Regelungen autonom zu erfolgen, hier nach dem Ort, an dem der Käufer die Ware als vertragsgemäße Lieferung tatsächlich abnimmt (zum Meinungsstand Senatsbeschluss vom 9. Juli 2008 - VIII ZR 184/07, IHR 2008, 189, Tz. 18 ff.).
13
bb) Auf Vorlagebeschluss des Senats vom 9. Juli 2008 (aaO) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 25. Februar 2010 (Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059 - Car Trim GmbH / KeySafety Systems Srl) die Frage wie folgt beantwortet: "Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen sind. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen."
14
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausführt, dass sich bei einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen der in der Verordnung autonom definierte Lieferort der Waren in erster Linie nach dem Willen der Vertragsparteien bestimme, so dass zunächst zu prüfen sei, ob der Lieferort aus den Vertragsbestimmungen hervorgehe. Könne so der Lieferort ermittelt werden , ohne auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht Bezug zu nehmen, sei dieser Ort als der Ort anzusehen, an dem im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO geliefert worden sei oder hätte geliefert werden müssen (Rdnr. 55 f). Enthalte der Vertrag dagegen keine Bestimmungen , die den Willen der Parteien hinsichtlich des Lieferortes der Waren ohne Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht erkennen ließen, sei nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Verordnung der Lieferort nicht dort anzusiedeln, wo die Waren an den ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben werden, sondern am endgültigen Bestimmungsort, an dem die Ware dem Käufer körperlich übergeben worden sei oder hätte übergeben werden müssen (Rdnr. 59 f.).
15
b) Hiernach hätte das Berufungsgericht eine internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts zur Entscheidung über die vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage nicht verneinen dürfen.
16
aa) Allerdings hat das Berufungsgericht in der zwischen den Parteien verwendeten Lieferklausel "Resa: Franco Partenza" ohne Rechtsfehler keine Vereinbarung eines Erfüllungsortes, sondern nur eine Regelung zur Kostentragung gesehen. Diese Auslegung ist möglich (vgl. BGHZ 134, 201, 206 ff.). Sie wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Ebenso wenig beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht eine abweichende Liefervereinbarung insbesondere aufgrund der vorgelegten Transportdokumente für widerlegt erachtet hat.
17
bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner davon abgesehen, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen aus dem Handelsvertreterverhältnis der Parteien unter Anwendung des Art. 6 Nr. 3 EuGVVO zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sind allein die Kaufpreisforderungen der Beklagten, deren Fortbestand der Kläger verneint (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 - VIII ZR 32/91, WM 1992, 627, unter II 2 a). Demgegenüber stellt die Aufrechnung mit den erhobenen Gegenforderungen lediglich ein Verteidigungsmittel dar, auf das Art. 6 Nr. 3 EuGVVO keine Anwendung findet (EuGH, Urteil vom 13. Juli 1995 - Rs. C-341/93, WM 1995, 2161, Rdnr. 12 ff. - Danværn Production A/S / Schuhfabriken Otterbeck GmbH & Co.) und das auch sonst nicht geeignet ist, eine Erfül- lungsortzuständigkeit für die den Streitgegenstand bildenden Kaufpreisforderungen zu begründen.
18
cc) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen, soweit es für eine Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO auf den Absendeort als den Übergabeort an den Beförderer abgestellt hat.
19
(1) Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass eine dem Erfüllungsort folgende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO auch die Verpflichtung des Klägers zur Kaufpreiszahlung (Art. 53 CISG) selbst dann erfasst, wenn diese nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. b CISG am Ort der italienischen Niederlassung der Beklagten zu leisten ist. Denn der nach dieser Vorschrift bestehende besondere Gerichtsstand erfasst sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2010, aaO, Rdnr. 50 m.w.N.). Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten Klageart oder Rechtsschutzform, also nicht nur für Leistungsklagen, sondern auch für Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses im Ganzen oder einer bestimmten Vertragspflicht, hier eines Fortbestandes der Pflicht zur Kaufpreiszahlung (OLG München, RIW 1996, 1035; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 5 EuGVO Rdnr. 9; Dauses/Kreuzer/Wagner, Handbuch des EUWirtschaftsrechts (2010), Rdnr. Q 433; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. Anh. I Art. 5 EuGVVO Rdnr. 15; Geimer/Schütze/Geimer, aaO, A. 1 Art. 5 Rdnr. 55 ff. m.w.N.).
20
(2) Für die Bestimmung des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem die verkauften beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, ist ohne Rückgriff auf das hier nach Art. 31 Buchst. b CISG zum italienischen Sitz der Beklagten weisende materielle Recht für den autonom zu bestimmenden Begriff des Lieferortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO nach der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik der Verordnung aus Gründen seiner Vorhersehbarkeit und der räumlichen Sachnähe zu dem zur Entscheidung berufenen Gericht an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2010, aaO, Rdnr. 60 ff.). Das war nach den insoweit unter Bezugnahme auf die jeweiligen Transportdokumente getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Sitz des Klägers in Deutschland.
21
2. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar. Zwar entfällt das Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage im Regelfall, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig - durch den Anspruchsteller - nicht mehr zurückgenommen werden kann (BGHZ 134, 201, 208 f.; 165, 301, 309; jeweils m.w.N.). Es kann dahin stehen, ob diese Voraussetzungen nach dem insoweit maßgeblichen italienischen Prozessrecht für die Zahlungsklage gegeben sind, welche die Beklagte wegen der im Streit stehenden Kaufpreisforderungen nach Rechtshängigkeit in dieser Sache ihrerseits vor dem für ihren Sitz zuständigen italienischen Gericht gegen den Kläger erhoben hat. Denn ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung besteht trotz dieser Zahlungsklage schon deshalb fort, weil er nicht davon aus- gehen kann, dass über das Bestehen der Kaufpreisansprüche der Beklagten im Rahmen des in Italien anhängigen Verfahrens entschieden wird.
22
Nach Art. 27 EuGVVO hat das später angerufene Gericht, vorliegend das Gericht in Italien, das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen auszusetzen , bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen deutschen Gerichts feststeht, und sich für unzuständig zu erklären, sobald diese Zuständigkeit feststeht. Da der hier normierte Grundsatz der zeitlichen Priorität auch dann eingreift, wenn einerseits eine negative Feststellungsklage und andererseits eine Leistungsklage erhoben worden sind, würde das Rechtsschutzinteresse des Klägers für seine negative Feststellungsklage deshalb selbst dann nicht entfallen, wenn die Beklagte ihre Zahlungsklage nicht mehr einseitig zurücknehmen könnte. Denn das mit der Zahlungsklage befasste italienische Gericht ist bei der von ihm zu erwartenden Befolgung des Art. 27 EuGVVO nicht in der Lage, eine für einen Vorrang der Leistungsklage erforderliche Sachentscheidung zu treffen (so schon zum gleichlautenden Art. 21 EuGVÜ BGHZ 134, 201, 209 ff.; Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 106/01, WM 2002, 1725, unter II 1; jeweils m.w.N.).

III.

23
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Bestand der vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
24
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht , dessen internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sich vorliegend jedenfalls aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO ergeben dürfte (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2010 - Rs. C-19/09, NJW 2010, 1189, Rdnr. 33 ff. - Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH / Silva Trade SA; Geimer/Schütze/Geimer , aaO, A. 1 Art. 5 Rdnr. 90 m.w.N.), auch zu prüfen haben wird, ob die Voraussetzungen , das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung im Gegensatz zu der von ihm in der Berufungsverhandlung gebilligten Sichtweise des Landgerichts, das die Aufrechnung ersichtlich nach deutschem Recht als der lex fori beurteilt hatte, nicht stattdessen nach unvereinheitlichtem italienischem Recht zu beurteilen sein werden. Denn die Aufrechnung unterliegt nach dem hier noch anwendbaren Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB (vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung [EG] Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 [BGBl. I S. 1574]) der für die Hauptforderung maßgeblichen Rechtsordnung; das Vertragsstatut der Hauptforderung entscheidet deshalb auch über die Voraussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung (BGHZ 38, 254, 256; BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, WM 1994, 394 unter B V 2, insoweit in BGHZ 124, 237 nicht abgedruckt; MünchKommBGB/Spellenberg, 4. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr. 65; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr. 13; jeweils m.w.N.). Da jedoch das auf die Hauptforderungen anwendbare Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf jedenfalls nicht die Aufrechenbarkeit solcher Ansprüche regelt, die sich - wie hier - nicht lediglich aus einem dem Übereinkommen unterliegenden Vertragsverhältnis ergeben, bestimmt sich das zur Beurteilung der Aufrechnung berufene Recht vorliegend gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4, Art. 28 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB nach dem gemäß Art. 4 Satz 1 CISG sonst zur Anwendung kommenden unvereinheitlichten italienischen Recht (vgl.
Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl., Art. 4 Rdnr. 39; Staudinger/Magnus, BGB (2005), Art. 4 CISG Rdnr. 46; jeweils m.w.N.). Ball Dr. Milger Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen
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Tatbestand:

1
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein nach österreichischem Recht, der seinen Mitgliedern Ferienwohnrechte in einer Hotelanlage verschafft. Mit "Zeichnungsschein" vom 29. Mai 1995 trat der in Deutschland wohnhafte Beklagte dem Kläger bei und erwarb ein Ferienwohnrecht an dem Appartement Nr. 141 für die jeweilige Jahreswoche 50 zu einem Preis von 15.600 DM. Die zum Zeitpunkt der Aufnahme des Beklagten geltenden Vereinsstatuten des Klägers von Oktober 1991 lauten unter anderem: "§ 2 Zweck des Vereins Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, verfolgt die nachstehenden Zielsetzungen: 1. Seinen Mitgliedern auf Dauer gesicherte Ferienwohnrechte in den Anlagen des M. Club (A. Sporthotel Gesellschaft m.b.H.) in H. zu verschaffen und hierbei seine Mitglieder zu betreuen. 2. Zu diesem Zweck hat
a) der Verein M. Club ein grundbücherliches Fruchtgenußrecht an 113 Hotelzimmern (Studios) und Hotelappartements und Gemeinschaftsflächen der Anlage des M. Club in H. , mit Ausnahme der gastgewerblichen Räumlichkeiten, erworben, im Rahmen dieses Fruchtgenußrechtes Ferienwohnrechte begründet und hat bzw. wird diese den Mitgliedern im Rahmen von Ferienwohnrechten (bestimmte alljährlich wiederkehrende Nutzungsrechte) zur weiteren Ausübung überlassen (abtreten).
b) der Verein M. Club wird alle vom Fruchtgenußrecht umfassten Räumlichkeiten und Flächen nach Maßgabe der ihm aus Kostenumlagen zufließenden Mittel erhalten und verwalten. § 3 Ferienwohnrechte 1. Ein Ferienwohnrecht ist das Recht, ein bestimmtes Hotelzimmer (Studio ) oder Hotelappartement in einer bestimmten Woche eines jeden Jahres unter Einhaltung der Hausordnung und Vereinsstatuten zu bewohnen oder bewohnen zu lassen und zwar auf immerwährende Zeit, mindestens aber auf die Dauer von 99 Jahren. (…) 3. In der Anlage des M. Club werden 113 Hotelzimmer (Studios) und Hotelappartements zur Verfügung gestellt, wobei von den 52 Jahreswochen zunächst 42 Wochen (demnach insgesamt 4746 Wochen ) als Ferienwohnrechte vergeben werden (…). 7. Ordentliches Vereinsmitglied und damit Inhaber der Ferienwohnrechte wird auch die A. Sporthotel Gesellschaft m.b.H. mit den unverkauften und damit ihr verbliebenen Ferienwohnrechten. Die A. Sporthotel Gesellschaft m.b.H ist jederzeit berechtigt, ordentliches Vereinsmitglied und damit Inhaber der Ferienwohnrechte mit den unverkauften Ferienwohnrechten zu werden. Für diese Ferienwohnrechte hat die A. Sporthotel Gesellschaft m.b.H. keine gesonderte Vergütung, abgesehen von den laufenden Jahresbeiträgen zu leisten.
§ 5 Aufbringung der Mittel 1. Die zur Erreichung der Vereinszwecke erforderlichen Mittel werden aufgebracht durch: (...)
b) durch Jahresbeiträge (Clubbeiträge); (…) 2. (…)
b) Die Jahresbeiträge dienen zur Deckung der für die Erhaltung der gesamten Anlage erforderlichen Aufwendungen, insbesondere der laufenden Betriebs-, Heizungs-, und Stromkosten, öffentlichen Abgaben, Wasserzins , Reparaturkosten, Verwaltungs- und Hausbetreuungskosten, Versicherungsprämien und der Kosten der Dotierung des Instandhaltungsfonds und sind von den Mitgliedern aufzubringen. § 7 Die Rechte und Pflichten der ordentlichen Mitglieder (…) 3. Die Pflichten der ordentlichen Mitglieder sind vor allem die vom Vorstand bestimmten und zur Deckung der Kosten vorgeschriebenen Jahresbeiträge (Clubbeiträge) innerhalb von 14 Tagen nach Aufforderung durch den Vorstand zu leisten, wobei jedes Clubmitglied zunächst pro Ferienwohnrecht mit 1/4746 Anteilen an diesen Beiträgen beteiligt ist. (…) § 9 Die Vereinsversammlung (…) 3. Die Vereinsversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. (…) 10. Beschlüsse über die Änderungen der Statuten und die Auflösung des Vereines bedürfen darüber hinaus einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen. (…) § 11 Aufgaben des Vorstandes (…) 3. Der Vorstand ist zuständig (…)
b) für die Festsetzung der Höhe der jeweiligen Kostenbeiträge zur Deckung der laufenden Ausgaben (Instandhaltung und Aufwendung für den
Betrieb, Verwaltung, öffentliche Abgaben, Versicherungen, Personal u.a.);
c) für die Anlage eines Instandhaltungsfonds. Zu diesem Zweck sind aus den dem Verein verbleibenden Entgelten (ohne Umsatzsteuer) aus der Abtretung der Ferienwohnrechte 50 % diesem Instandhaltungsfonds zuzuführen. Weiters sind maximal 5 % der eingehenden Clubbeiträge für diesen Fonds zu verwenden. Über die Verwendung dieses Instandhaltungsfonds entscheiden gemeinsam der Vorstand des Vereines und die Geschäftsführung der A. Sporthotel Gesellschaft m.b.H."
2
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2002, 3. Oktober 2003 und 1. Oktober 2004 stellte der Kläger dem Beklagten die Jahresbeiträge für die Jahre 2003, 2004 und 2005 in Höhe von 415,98 €, 400,39 € und 390 €, insgesamt 1.206,37 € in Rechnung. Der Beklagte zahlte nicht; er trägt vor, er habe den Vertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten, jedenfalls aber gekündigt.
3
Mit seiner Klage macht der Kläger die Jahresbeiträge für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von 1.206,37 € nebst Verzugszinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Gemäß Art. 22 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO; im Folgenden auch: Verordnung) seien die österreichischen Gerichte ausschließlich international zuständig. Aufgrund der besonderen Ausgestaltung des von dem Beklagten erworbenen Teilzeitwohnrechts handele es sich um eine Klage, die im Rechtssinne die Miete einer in der Republik Österreich belegenen unbeweglichen Sache zum Gegenstand habe. Art. 22 Nr. 1 EuGVVO sei autonom auszulegen. Ob Time-Sharing-Verträge im europarechtlichen Sinne als Mietverträge anzusehen seien, sei von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall abhängig. Im Streitfall sei eine klare mietrechtliche Prägung des Rechtsgeschäfts zu bejahen.
7
Es liege auf der Hand, dass für die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger beizutreten, in erster Linie die Erlangung des an die Mitgliedschaft gekoppelten Nutzungsrechts maßgeblich gewesen sei. Das vereinsrechtliche Element des Geschäfts ergebe sich hier im Kern aus der von den Initiatoren des Ferienclubs für das Angebot der Teilzeitnutzungsrechte am Markt gewählten Rechtsform. Es könne aber für die Beantwortung der Frage, ob Miete im Sinne des Art. 22 Abs. 1 EuGVVO vorliege, keine eigenständige Bedeutung haben. Ebenso wie bei einem Mietvertrag beinhalte das schuldrechtliche Nutzungsrecht im Streitfall die Gebrauchsbefugnis für ein individualisiertes Objekt. Es sei nicht festzustellen, dass dem Dienstleistungsaspekt im Streitfall erhebliche Bedeutung zukomme und das Rechtsgeschäft deshalb als ein gemischter Vertrag im Sinne der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Oktober 2005 (Rs. C-73/04, Slg. 2005, I S. 8667 - Klein/Rhodos Management Ltd., zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ) angesehen werden müsse.

II.

8
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZR 15/05, NJW 2007, 3501, Tz. 14; BGHZ 153, 82, 84 ff.), verneint. Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO steht der Wohnsitzzuständigkeit (Art. 2 EuGVVO) hier nicht entgegen.
9
Für Klagen, welche die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sind zwar nach Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Die internationale Zuständigkeit kann in diesem Fall auch nicht durch Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 23 Abs. 5 EuGVVO) oder rügelose Einlassung (Art. 24 Satz 2 EuGVVO) begründet werden. Der Beitritt des Beklagten zu dem klägerischen Verein ist aber nach der Gestaltung der hier in Rede stehenden Vereinsstatuten nicht als Miete einer unbeweglichen Sache im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO einzustufen.
10
1. Der Begriff der "Miete von unbeweglichen Sachen" in Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO ist autonom und eng auszulegen (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - VIII ZR 103/07, NJW-RR 2008, 1381, Tz. 14 m.w.N.). Als Ausnahme von den allgemeinen Zuständigkeitsregeln darf die Vorschrift nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Ziel erfordert, da sie bewirkt, dass den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in bestimmten Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht ihres Wohnsitzes ist (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 15 m.w.N.).
11
a) Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO gilt für Klagen, die die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im eigentlichen Sinn zum Gegenstand haben, bei denen also zwischen den Parteien über das Bestehen oder die Auslegung des Vertrags, den Ersatz für vom Mieter oder Pächter verursachte Schäden oder die Räumung der Sache gestritten wird (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1977 - Rs. 73/77, Slg. 1977, S. 2383 Rdnr. 15 - Sanders/van der Putte, zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ). Der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats besteht darin, dass sie wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage sind, sich durch Nachprüfungen, Untersuchungen und Einholung von Sachverständigengutachten genaue Kenntnis des Sachverhalts zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaats sind (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 16 m.w.N.).
12
Diese Erwägungen gelten jedoch nicht, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags anderer Natur ist, beispielsweise wenn er die Verpachtung eines La- dengeschäfts zum Gegenstand hat (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1977, aaO, Rdnr. 16), oder wenn es sich um einen gemischten Vertrag handelt, kraft dessen gegen einen vom Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen ist. Ein solcher Vertrag ist kein eigentlicher Mietoder Pachtvertrag im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - Rs. C-280/90, Slg. 1992, I S. 1111 Rdnr. 11, 15 - Hacker/Euro-Relais GmbH, zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ). Allein die Sachnähe des Gerichts am Belegenheitsort rechtfertigt nicht die Anwendung dieser Vorschrift auf eine Situation, in der es nicht um Miete geht (EuGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - Rs. C-292/93, Slg. 1994, I S. 2535 Rdnr. 19 ff. - Lieber/Göbel, zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ).
13
Ist dagegen ein im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs eigentlicher Mietvertrag gegeben, bezieht der Vertrag sich mithin ausschließlich auf die Vermietung einer unbeweglichen Sache, lassen im Vertrag enthaltene Nebenleistungen , wie beispielsweise eine Reiserücktrittskostenversicherung, die Natur des Vertrags als eines solchen über die Miete einer unbeweglichen Sache unberührt (EuGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - Rs. C-8/98, Slg. 2000, I S. 393 Rdnr. 33, 38 - Dansommer A/S / Götz, zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ).
14
b) Bei einem Vertrag über eine Clubmitgliedschaft, der es den Mitgliedern ermöglicht, ein Teilzeitnutzungsrecht zu erwerben, ist maßgeblich, ob der Zusammenhang zwischen dem Vertrag und der Immobilie, die tatsächlich genutzt werden kann, hinreichend eng ist, um die Einordnung des Vertrags als Miete einer unbeweglichen Sache zu rechtfertigen (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 26; Senatsurteil vom 25. Juni 2008, aaO, Tz. 15). Dabei kann von Bedeutung sein, ob die zu nutzende Immobilie im Einzelnen bestimmt ist und ob und in welchem Umfang der Vertrag die Erbringung zusätzlicher Leistungen vorsieht. Ein gemischter Vertrag, kraft dessen gegen einen von dem Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen ist, liegt außerhalb des Bereichs, in dem der in Art. 22 Nr. 1 EuGVVO aufgestellte Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit seine Daseinsberechtigung hat, und ist kein eigentlicher Mietvertrag im Sinne dieser Vorschrift (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 27).
15
2. Nach diesen Grundsätzen ist ein enger Zusammenhang zwischen der Vereinsmitgliedschaft und dem Ferienwohnrecht - mit Rücksicht auf die enge Auslegung von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO - hier nicht gegeben. Zwar ist die Immobilie , die aufgrund der Vereinsmitgliedschaft tatsächlich genutzt werden kann, durch die Bezeichnung eines Appartements und der Nutzungszeit im Einzelnen bestimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 24). Hauptgegenstand des vorliegenden Vertrags ist aber nicht die Miete einer unbeweglichen Sache, sondern eine Vereinsmitgliedschaft. Sie umfasst neben dem Ferienwohnrecht weitere Rechte und Pflichten, die über die Übertragung des Nutzungsrechts hinausgehen und den Vertrag auch wirtschaftlich entscheidend prägen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO, Rdnr. 20 ff.; Senatsurteil vom 25. Juni 2008, aaO, Tz.18 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22. April 1999 - Rs. C-423/97, Slg. 1999, I S. 2195 Rdnr. 25 - Travel Vac SL/Sanchis, zur Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen).
16
a) Es mag zwar zutreffen, dass - wie das Berufungsgericht annimmt - für die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger beizutreten, in erster Linie die Erlangung des an die Vereinsmitgliedschaft gebundenen Ferienwohnrechts maßgeblich war und es ihm auf die sonstigen Mitgliederrechte, wie etwa die Möglichkeit , an den Vereinsversammlungen teilzunehmen und sich dort an der Beschlussfassung zu beteiligen, nicht maßgeblich ankam. Für die Frage, ob der streitgegenständliche Vertrag als Mietvertrag im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO anzusehen ist, kommt es aber nicht auf die von dem Beklagten mit dem Beitritt verfolgten Motive, sondern auf den Vertragsinhalt an.
17
b) Der Vertrag bezieht sich nicht nur auf die Verschaffung eines Ferienwohnrechts an einer bestimmten Unterkunft und etwaige auf diese bezogene Nebenkosten, wie etwa die Kosten für Strom- und Wasserverbrauch (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Januar 1985 - Rs. 241/83, Slg. 1985, S. 99 Rdnr. 27 - Rösler/Rottwinkel, zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ), sondern darüber hinaus auf die Erhaltung und Verwaltung der gesamten Hotelanlage. Die von den Mitgliedern aufzubringenden Kosten umfassen, wie sich aus den Vereinsstatuten ergibt, die Instandhaltungskosten und die Deckung der laufenden Ausgaben des gesamten Hotelbetriebs der Hotelanlage M. Club , mithin auch die dabei üblicherweise anfallenden Dienstleistungen wie beispielsweise Reinigungsarbeiten, Rezeptions- und Verwaltungsleistungen.
18
Vereinszweck ist gemäß § 2 Nr. 1 und 2 der Vereinsstatuten, den Mitgliedern des Vereins Ferienwohnrechte zu verschaffen und alle vom Fruchtgenuss umfassten Räumlichkeiten und Flächen - mithin 113 Hotelzimmer und Hotelappartements und die Gemeinschaftsflächen der Hotelanlage M. Club , mit Ausnahme der gastgewerblichen Räumlichkeiten - zu erhalten und zu verwalten. Gemäß § 5 Nr. 1 b und Nr. 2 b in Verbindung mit § 11 Nr. 3 der Vereinsstatuten sind die Vereinsmitglieder verpflichtet, dafür jährliche Beiträge zu leisten.
19
Diese Beiträge, die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bilden , treten zu dem ursprünglichen Erwerbspreis hinzu. Sie haben im Verhältnis zu diesem ein erhebliches Gewicht. Der wirtschaftliche Wert der für die Erhaltung und Verwaltung der Hotelanlage zu zahlenden jährlichen Beiträge über- steigt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wegen der Einräumung des Ferienwohnrechts für eine Zeit von 99 Jahren von einer Vertragslaufzeit von dieser Dauer auszugehen ist, erheblich den Wert des gezahlten Erwerbspreises in Höhe von 15.600 DM (7.976,15 €), der im Übrigen auch noch die Gebühr für eine dreijährige Mitgliedschaft in einer Tauschorganisation umfasst (vgl. EuGH, Urteil vom 22. April 1999, aaO, Rdnr. 10). Bereits die für den klagegegenständlichen Dreijahreszeitraum geltend gemachten Jahresbeiträge belaufen sich auf etwa ein Siebtel des Erwerbspreises für das Ferienwohnrecht.
20
Im Übrigen sind die zu leistenden Beiträge nicht auf die Verpflichtung zur - anteiligen - Zahlung von Nebenkosten für die von den Vereinsmitgliedern aufgrund ihres Ferienwohnrechts genutzte Unterkunft beschränkt. Denn da gemäß § 3 Nr. 3 und § 7 Nr. 3 der Vereinsstatuten lediglich Ferienwohnrechte für 42 Jahreswochen - mithin für 113 Hotelzimmer insgesamt 4746 Ferienwohnrechte - vergeben wurden und jedes Ferienwohnrecht mit 1/4746 Anteilen an den Jahresbeiträgen beteiligt ist, die vom Fruchtgenuss umfassten Hotelzimmer und Gemeinschaftsflächen aber das ganze Jahr über zu verwalten und erhalten sind, tragen die Vereinsmitglieder nach den Vereinsstatuten auch die Aufwendungen für die über ihren tatsächlichen Nutzungsanteil hinausgehenden weiteren 10 Jahreswochen; dies im Übrigen, ohne dass insoweit ein Anspruch auf den in diesem Zeitraum durch die Vermietung oder sonstige Nutzung der Hotelzimmer erzielten Gewinn bestünde.
21
c) Der streitgegenständliche Vertrag weist zudem weitere Bestandteile auf, die ihn von einem Mietvertrag im eigentlichen Sinne (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15. Januar 1985, aaO, Rdnr. 27) wesentlich unterscheiden. Die Mitglieder des Klägers haben sich zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke - unter anderem zur Erhaltung und Verwaltung einer Hotelanlage - zusammengeschlossen. Da für die Beschlüsse des Klägers gemäß § 9 Nr. 3 und Nr. 10 der Vereinsstatuten das Mehrheitsprinzip gilt, können ihnen zur Verfolgung dieser Vereinszwecke auch Pflichten auferlegt werden, die eine Minderheit nicht billigt. Dieses - jeder Vereinsmitgliedschaft immanente (vgl. BGHZ 48, 207, 210) - Risiko, dem im deutschen Recht durch die zwingende Vorschrift des § 39 BGB Rechnung getragen wird, wird hier dadurch erhöht, dass - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - die Mitgliedschaft in dem nach österreichischem Recht gegründeten Verein ursprünglich mindestens 99 Jahre dauern sollte und nunmehr nach einer Satzungsänderung frühestens nach 15 Jahren durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Die Vereinsmitglieder können sich deshalb der Vereinsmacht nicht ohne weiteres entziehen. Dieser Umstand, der ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die einzelnen Vereinsmitglieder begründet, prägt wesentlich den Hauptgegenstand des vorliegenden Vertrages und unterscheidet ihn von dem eines Mietvertrags im eigentlichen Sinne.
22
d) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Vereinsmitgliedschaft, mit der ein Ferienwohnrecht an einer bestimmten Unterkunft verbunden ist, wegen solcher vereinsrechtlicher Besonderheiten auch dann nicht dem Anwendungsbereich von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 Var. 2 EuGVVO unterfällt, wenn dem Nutzungsrecht - anders als hier - nach der jeweiligen Vertragsgestaltung eine übergeordnete wirtschaftliche Bedeutung zukommt (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rdnr. 112; MünchKommZPO /Gottwald, 3. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rdnr. 16; Mankowski, ZZPInt 10 (2005), 309, 318; Leible/Müller, NZM 2009, 18, 21). Wie oben ausgeführt, ist dies hier nicht der Fall, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG wegen dieser Frage entbehrlich ist.

III.

23
Nach dem Ausgeführten kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Ball Dr. Frellesen Dr. Milger
Dr. Fetzer Dr. Bünger

Vorinstanzen:
AG Oranienburg, Entscheidung vom 19.03.2007 - 22 C 83/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 02.04.2008 - 3 U 84/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 184/07
vom
9. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel-I-VO 5 Nr. 1 Buchst. b
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung
des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 68, 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender
oder zu erzeugender Ware trotz bestimmter Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung
, Verarbeitung und Lieferung der herzustellenden Gegenstände einschließlich einer
Sicherung der Herstellungsqualität, der Lieferzuverlässigkeit und der reibungslosen
administrativen Auftragsabwicklung als Verkauf beweglicher Sachen (erster Spiegelstrich
) und nicht als Erbringung von Dienstleistungen (zweiter Spiegelstrich) zu qualifizieren
sind? Welche Kriterien sind für die Abgrenzung maßgeblich?

b) Wenn ein Verkauf beweglicher Sachen anzunehmen ist: Bestimmt sich der Ort, an dem
die verkauften Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert
werden müssen, bei Versendungskäufen nach dem Ort der körperlichen Übergabe an
den Käufer oder nach dem Ort, an dem die Sachen dem ersten Beförderer zur Übermittlung
an den Käufer übergeben werden?
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - VIII ZR 184/07 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Wolst und
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 68, 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware trotz bestimmter Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der herzustellenden Gegenstände einschließlich einer Sicherung der Herstellungsqualität, der Lieferzuverlässigkeit und der reibungslosen administrativen Auftragsabwicklung als Verkauf beweglicher Sachen (erster Spiegelstrich) und nicht als Erbringung von Dienstleistungen (zweiter Spiegelstrich ) zu qualifizieren sind? Welche Kriterien sind für die Abgrenzung maßgeblich? 2. Wenn ein Verkauf beweglicher Sachen anzunehmen ist: Bestimmt sich der Ort, an dem die verkauften Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, bei Versendungskäufen nach dem Ort der körperlichen Übergabe an den Käufer oder nach dem Ort, an dem die Sachen dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben werden?

Gründe:

I.

1
1. Die in Italien ansässige Beklagte, welche die i. Autohersteller F. und L. mit Airbag-Systemen beliefert, bezog von Juli 2001 bis Dezember 2003 von der in Deutschland ansässigen Rechtsvorgängerin der Klägerin zu fertigende Zulieferkomponenten für diese Systeme, wobei die hierfür benötigten Teile und Materialien überwiegend von Vorlieferanten beschafft wurden. Über die Fertigung und Lieferung dieser Komponenten, welche die Klägerin vereinbarungsgemäß auf Abruf frei Werk C. der Beklagten in Italien zu liefern hatte, schlossen die Parteien insgesamt fünf, jeweils auf bestimmte Fahrzeugtypen bezogene Rahmenlieferverträge, deren Laufzeit zwischen ihnen streitig ist. Ebenso besteht zwischen ihnen Streit über den Erfüllungsort der von der Klägerin übernommenen Herstellungs- und Lieferverpflichtungen sowie das Zustandekommen einer auf Turin lautenden Gerichtsstandsvereinbarung.
2
Die Beklagte kündigte die einzelnen Verträge zum Jahresende 2003. Die Klägerin, die von Vertragslaufzeiten bis teilweise Sommer 2007 ausgeht, wertet die Kündigungen als Vertragsverletzung und verlangt Schadensersatz, den sie bei dem für den seinerzeitigen Produktionsort zuständigen Landgericht Chemnitz gerichtlich geltend gemacht hat. Dieses hat die Klage – einer Rüge der Beklagten entsprechend – wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
3
2. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
4
Die italienischen Gerichte seien zur Entscheidung des Rechtsstreits nach Art. 2 Abs. 1 der hier maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zuständig. Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich, nachdem die Beklagte auch die Rüge einer fehlenden internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in zulässiger Weise erhoben habe, weder aus Art. 22 ff. EuGVVO noch aus den besonderen Gerichtsständen nach Art. 5 ff. EuGVVO. Eine Vereinbarung über den Ort, an dem alle vertraglichen Pflichten oder jedenfalls die Abnahme- und Zahlungspflichten der Beklagten hätten erfüllt werden müssen, sei nicht getroffen; sie lasse sich auch nicht den einzelnen Lieferklauseln entnehmen. Der Erfüllungsort und damit der Vertragsgerichtsstand sei mithin nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO zu bestimmen. In der zu Beginn der Vertragsbeziehung vereinbarten Klausel "Lieferung frei B. (= Beklagte) C. ..." habe nach dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen genauso wenig wie in vergleichbaren späteren Klauseln eine Vereinbarung zum Leistungsort gelegen. Es sei darin nur eine Aussage zur Kostentragung getroffen worden. Deshalb sei der Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO der Ort, an dem nach dem Vertrag geliefert worden sei oder hätte geliefert werden müssen. Dies sei nicht der Ort, an dem die zu liefernden Gegenstände dem Spediteur zwecks Transport nach Italien übergeben worden wären, sondern der Ort, an dem sie der Beklagten in Italien auszuhändigen gewesen seien. Dass es sich materiell-rechtlich um einen Versendungskauf gehandelt habe, sei für die autonom vorzunehmende Bestimmung des zuständigkeitsbegründenden Lieferortes nicht entscheidend. Ebenso wenig könne die Bestimmung des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO erfolgen, da die Dienstleistungselemente, insbesondere das Erfordernis, die von den Vorlieferanten bezogenen Materialien in einer auf die Bedürfnisse der Beklagten zugeschnittenen Weise zu verarbeiten, den Verträgen nicht das Gepräge gegeben hätten. Die vertragscharakteristischen Leistungen der Klägerin hätten nach dem Willen der Vertragsparteien vielmehr erfolgsbezogen in der kaufvertragstypischen Ablieferung und Übereignung der fertigen Ware an die Beklagte bestanden. Insofern zeigten auch Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (CISG) und Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie), dass die in Rede stehenden Rechtsgeschäfte als Kauf einzuordnen seien. Nicht entscheidend sei demgegenüber eine Abgrenzung in Anlehnung an Art. 3 Abs. 2 CISG nach dem jeweiligen Leistungsschwergewicht, weil ein solches Abgrenzungserfordernis dem Zweck der in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO vorgenommenen Erfüllungsortsanknüpfung zuwiderlaufen würde, die gerichtliche Zuständigkeit anhand einfacher und klarer Kriterien ohne Weiteres vorhersehbar zu gestalten.
5
Eine auf Turin lautende Gerichtsstandsvereinbarung sei von den Parteien nicht getroffen worden. Die in der Vertragssprache Englisch verfassten und mit Unterschriften beider Parteien versehenen purchase orders, welche im Anschluss an die zuvor bereits mündlich zustande gekommenen Kaufverträge gewechselt worden seien und in denen auf italienischsprachige Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten verwiesen sei, seien einschließlich der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung kein Vertragsbestandteil geworden, weil sie insoweit dem zuvor bereits mündlich vereinbarten Vertragsinhalt widersprochen hätten. Ein Wille der Vertragsparteien, das mündlich Vereinbarte wie- der abzuändern, sei nicht erkennbar, ganz abgesehen davon, dass die Unterschrift in der ersten purchase order wegen eines dort vermerkten Widerspruchs der Klägerin gegen eine andere Vertragsmodalität noch nicht einmal Zustimmung zum Ausdruck gebracht habe.

II.

6
Der Erfolg der Revision der Klägerin ist davon abhängig, ob das von ihr angerufene Landgericht Chemnitz seine gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO nach Maßgabe dieser Verordnung zu beurteilende internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits zu Unrecht verneint hat. Ob dies der Fall ist, hängt von einer Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ab. Insoweit hat das Berufungsgericht die von der Klägerin gegengezeichneten purchase orders rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass angesichts der zuvor bereits im Wesentlichen vereinbarten Vertragsmodalitäten kein Wille der Vertragsschließenden vorgelegen habe, zusätzlich Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten, die bislang nicht Gegenstand der zwischen ihnen geführten Verhandlungen waren , in die Lieferverträge einzubeziehen und über die darin enthaltene Gerichtsstandklausel Turin nach Art. 23 EuGVVO als ausschließlichen Gerichtsstand zu vereinbaren. Da die Beklagte ihren gemäß Art. 2 EuGVVO zuständigkeitsbegründenden Geschäftssitz in Italien hat und nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in Deutschland weder eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht noch eine Zuständigkeit nach Maßgabe der Art. 23 f. EuGVVO vereinbart ist oder als vereinbart gilt, sind deutsche Gerichte für den beanspruchten Schadensersatz international nur dann zuständig , wenn Ch. als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anzusehen ist.
7
1. Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Für den Verkauf beweglicher Sachen und der Erbringung von Dienstleistungen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – der Erfüllungsort der Verpflichtung - für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, - für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.
8
In Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO ist geregelt, dass in Fällen, in denen Buchstabe b nicht anwendbar ist, Buchstabe a gilt.
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Unter der Geltung des Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu einer Zahlungsklage aus einem Werklieferungsvertrag entschieden, dass der Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Zahlung auch dann nach dem materiellen Recht zu bestimmen sei, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige vertragliche Verpflichtung maßgebend ist, wenn nach diesen Normen Vorschriften wie diejenigen des dem Haager Übereinkommen vom 1. Juli 1964 beigefügten Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen anwendbar seien (Urteil vom 29. Juni 1994 – C-288/92, Slg. 1994, I-2913, Rdnr. 29 – Custom Made Commercial Ltd./Stawa Metallbau GmbH). Eine autonome Auslegung des Begriffs des Erfüllungsorts hat der Gerichtshof im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in ständiger Rechtsprechung nicht für angezeigt erachtet (z.B. Urteil vom 19. Februar 2002 – C-256/00, Slg. 2002, I-1699, Rdnr. 36 – Besix SA/WABAG). Für den Gerichtsstand des im entschiedenen Fall bereits anwendbaren Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO, dem Schadensersatzansprüche eines Käufers wegen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen aus einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen zu Grunde gelegen haben, hat der Gerichtshof dagegen ausgeführt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Abkehr von der früher praktizierten Lösung mit der in dieser Bestimmung aufgestellten Regel eines besonderen Gerichtsstandes für vertragliche Streitigkeiten den Lieferort als verordnungsautonomes Anknüpfungskriterium festgelegt habe. Dieses Kriterium habe er auf sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur auf diejenigen aus der Lieferverpflichtung an sich angewendet wissen wollen (Urteil vom 3. Mai 2007 – C-386/05, Slg. 2007, I-3699, Rdnr. 26, 39 – Color Drack GmbH/Lexx International Vertriebs GmbH). Zugleich hat der Gerichtshof entschieden, dass die genannte Regel auch im Falle mehrerer Lieferorte in einem Mitgliedstaat anwendbar sei und dass bei mehreren Lieferorten unter dem Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO grundsätzlich derjenige Ort zu verstehen sei, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe (Urteil vom 3. Mai 2007, aaO, Rdnr. 40).
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Noch nicht entschieden hat der Gerichtshof, welche Anknüpfungskriterien für eine Bestimmung und Abgrenzung der Erfüllungsorte innerhalb des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO maßgeblich sind, wenn der zu beurteilende Vertrag sowohl Elemente eines Verkaufs beweglicher Sachen als auch Elemente einer Erbringung von Dienstleistungen enthält. Ebenso wenig hat er eine Aussage getroffen, wie abzugrenzen ist, wenn sich für keinen der Vertragstypen ein eindeutiges Übergewicht ergibt, insbesondere ob der Kläger dann ein Wahlrecht zwischen den Alternativen des ersten und des zweiten Spiegelstrichs hat oder ob es stattdessen über Art. 5 Nr. 1 Buchst. c EuGVVO zu einer Anwendbarkeit von Buchstabe a kommen soll. Für die im ersten Spiegelstrich von Buchst. b behandelte Alternative des Verkaufs beweglicher Sachen hat der Gerichtshof ferner noch nicht entschieden, ob bei einem Versendungskauf der Ort, "an dem die verkauften Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen”, der Ort der Lieferhandlung des Verkäufers oder der Ort der Abnahmehandlung des Käufers ist. Er hat nur den mit Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO verfolgten Zweck hervorgehoben, die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen, die in hohem Maße vorhersehbar sind und es ermöglichen, den Gerichtsstand unmittelbar und ohne Verweis auf die innerstaatlichen Regeln der Mitgliedstaaten zu bestimmen (Urteil vom 3. Mai 2007, aaO, Rdnr. 19 f., 30).
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2. Nach dem genannten Zweck der Verordnung 44/2001, die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen, und unter Berücksichtigung des Ziels, bei einer Mehrzahl von Erfüllungsorten eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit für alle Klagen möglichst bei dem Gericht zu begründen, zu dem über den nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden Ort der Hauptlieferung die engste Verbindung besteht (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2007, aaO, Rdnr. 39 f.; so auch schon zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ Urteil vom 19. Februar 2002, aaO, Rdnr. 32), erscheint es geboten, die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über Vertragspflichten aus den zwischen den Parteien streitigen Lieferverträgen grundsätzlich an einem einzigen Erfüllungsort zu konzentrieren. Dabei gehen die Parteien ungeachtet ihres Streits über die Schwerpunkte der vertraglichen Leistungspflichten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zur materiell-rechtlichen Seite ihrer Lieferbeziehungen übereinstimmend davon aus, dass auf die zwischen ihnen begründeten Vertragsbeziehungen das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) Anwendung findet. Hinsichtlich des Ortes, an dem danach die Ware von der Klägerin zu liefern war oder zu liefern gewesen wäre (Art. 31 CISG), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass die Klausel "Lieferung frei B. (= Beklagte) C. ..." nicht als Vereinbarung eines in Italien liegenden Erfüllungsortes, sondern als reine Kostentragungsklausel zu werten ist, so dass angesichts der von der Klägerin zu veranlassenden Beförderung materiell-rechtlich von einem Versendungskauf im Sinne des Art. 31 Buchst. a CISG auszugehen ist.
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a) Es ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Lieferverträge mit bestimmten Dienstleistungsverpflichtungen für die Bestimmung einer gerichtlichen Zuständigkeit nach dem Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO) als Verkauf beweglicher Sachen oder als Erbringung von Dienstleistungen anzusehen sind.
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aa) Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Urteil vom 26. Oktober 1993 (XI ZR 42/93, NJW 1994, 262, unter II 2 a cc (1)) den in Art. 29 Abs. 1 des deutschen Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zur Bestimmung des auf Verbraucherverträge anwendbaren Rechts verwendeten Begriff "Erbringung von Dienstleistungen" unter Rückgriff auf Art. 5 des Römischen EWG-Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (EVÜ) autonom dahin ausgelegt, dass es bei diesem weit zu verstehenden Begriff um Dienstverträge gehe, die keine Arbeitsverträge seien, um Werk- und Werklieferungsverträge (Herstellung neuer Sachen und Reparaturen) und um Geschäftsbesorgungsverhältnisse. Gemeinsames Merkmal sei, dass eine tätigkeitsbezogene Leistung an den Verbraucher erbracht werde. Diese Formulierung ist in der deutschen Instanzrechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO und der Kommentarliteratur bisweilen aufgegriffen worden, um auszuführen, dass zu den Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO im Kern Werk-, Werklieferungs- und Geschäftsbesorgungsverträge sowie alle Dienstverträge zählten, die keine Arbeitsverträge seien (OLG Köln, OLGR 2007, 224; IHR 2007, 164, 166; OLG Düsseldorf, NJWRR 2008, 223, 224; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 9; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 50).
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Soweit auch der erkennende Senat diese Formulierung in seinem Urteil vom 19. März 1997 (BGHZ 135, 124, 130 f.) aufgegriffen hat, war dies mit dem Hinweis verbunden, dass es bei der Erbringung von Dienstleistungen um tätigkeitsbezogene Leistungen aufgrund derartiger Verträge gehe. Gleichzeitig hat der Senat abgegrenzt zu einem Vertrag, bei dem der Zweck, einen bestimmten Gegenstand zu erwerben, im Vordergrund steht und es sich bei den daneben geschuldeten Dienstleistungen nur um untergeordnete Nebenleistungen handelt. Vergleichbar ist in Teilen der deutschen Instanzrechtsprechung (OLG Köln, OLGR 2005, 380 f.; IHR 2007, 164, 166; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juni 2008 - 19 U 5/08, Tz. 19, zitiert nach juris) wie auch in der Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs (Beschluss vom 20. Februar 2006 – 2 Ob 211/04z, EuLF 2006, II-10, 11) bei Verträgen mit Kauf- und Dienstlei- stungselementen darauf abgestellt worden, welche Leistung im Vordergrund steht und deshalb als vertragscharakteristisch einzustufen ist. Namentlich für den Fall eines Zulieferers für die Automobilherstellung ist darauf abgestellt worden , ob nur vorgegebene Serienteile mit der dann im Vordergrund stehenden Pflicht zur Eigentumsverschaffung zuzuliefern waren oder ob es dem Zulieferer zunächst einmal obliegen sollte, die zuzuliefernden Teile zu entwickeln und serienreif zu machen, so dass jedenfalls für diese Leistungsphase das Schwergewicht im Dienstleistungsanteil gesehen worden ist (OLG Köln, OLGR 2005, 380, 381). Ebenso stellt ein Teil der deutschen Kommentarliteratur für Verträge mit Kauf- und Dienstleistungsanteilen unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sowie Art. 3 CISG darauf ab, welche Leistungsteile im Einzelfall überwiegen oder ob es Sache des Bestellers ist, einen wesentlichen Teil der notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen (HkZPO /Dörner, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 15; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht , 8. Aufl., Art. 5 Rdnr. 44; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 17; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 8 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 8).
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bb) Das Berufungsgericht hat an Dienstleistungselementen in den von der Klägerin übernommenen vertraglichen Pflichten das Zuschneiden und Verarbeiten der von Vorlieferanten bezogenen Materialien auf die Bedürfnisse der Beklagten gesehen und insoweit Bezug genommen auf das Berufungsvorbringen der Klägerin, wonach diese in einer für einen Zulieferer in der Automobilindustrie typischen Weise aus den von vorgegebenen Lieferanten bezogenen Vorprodukten in Handarbeit Airbagtaschen in vorgegebener Gestalt habe herstellen müssen, um sie dann in Anpassung an den Produktionsprozess der Beklagten auf Abruf liefern zu können. Hierbei hätten weitgehende Vorgaben hin- sichtlich Arbeitsorganisation und Qualitätssicherung bis hin zu bestimmten Anforderungen bezüglich Verpackung und Etikettierung der zu liefernden Ware sowie des Inhalts und der Gestaltung von Lieferscheinen und Rechnungen bestanden. Diese zur Herstellung des zu liefernden Produkts zu erbringenden Dienstleistungen hat das Berufungsgericht angesichts des nicht auf die Leistungshandlung , sondern entscheidend auf den in der Lieferung als Leistungserfolg abstellenden Parteiwillens nicht als vertragscharakteristisch angesehen; vertragscharakteristisch seien ungeachtet etwaiger, möglicherweise in Anlehnung an Art. 3 Abs. 2 CISG zu bestimmender Gewichtungen nach dem wirtschaftlichen Schwergewicht der einzelnen Leistungsanteile, die in den zu liefernden Produkten steckten, die kaufvertragstypischen Leistungselemente gewesen , nämlich Übergabe und Übereignung der hergestellten Ware gegen Abnahme und Zahlung.
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cc) Soweit es um Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware geht, neigt der Senat der Auffassung zu, dass das Gemeinschaftsrecht für die gebotene autonome Auslegung des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO namentlich in Art. 1 Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie einen Hinweis dahin bereithält, dass derartige Verträge durch bestimmte Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der herzustellenden Gegenstände einschließlich einer Sicherung der Herstellungsqualität, der Lieferzuverlässigkeit und der reibungslosen administrativen Auftragsabwicklung noch nicht notwendig schon als eine Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen zu qualifizieren sind.
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Weiter gehende Zuordnungskriterien für eine Behandlung von Vertragsgestaltungen mit Elementen kaufvertraglicher und dienstvertraglicher Verpflichtungen kann der Senat dem geschriebenen Gemeinschaftsrecht nicht entneh- men. Angesichts des mit Art. 5 Nr. 1 EuGVVO verfolgten Ziels, aus Gründen der Sachnähe dasjenige Gericht als zur Entscheidung berufen anzusehen, zu dem über den Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung die engste räumliche Verbindung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2007, aaO, Rdnr. 22 f., 40), liegt es nahe, eine Anknüpfung nach dem jeweiligen Schwerpunkt der nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden vertraglichen Leistungspflichten zu wählen, wie dies angesichts des Fehlens anderer tauglicher Anknüpfungskriterien ähnlich etwa in Art. 3 Abs. 2 CISG oder Art. 6 Abs. 2 des UN-Übereinkommens über die Verjährung beim internationalen Warenkauf vom 14. Juni 1974 geschehen ist.
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b) Würde sich hiernach ein die gerichtliche Zuständigkeit vermittelnder Erfüllungsort aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO ergeben, wäre anhand dieser Vorschrift der Ort zu bestimmen, an dem die verkauften Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Insoweit ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt, dass der Lieferort den Gerichtsstand für sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur für diejenige aus der Lieferverpflichtung festlegt (EuGH, aaO, Rdnr. 26, 39; vgl. ferner BGH, Urteil vom 2. März 2006 – IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806, Rdnr. 14 f.). Ebenso ist geklärt, dass die genannte Vorschrift das Anknüpfungskriterium für die internationale und die örtliche Zuständigkeit autonom sowie unmittelbar und ohne Verweis auf die innerstaatlichen Regeln der Mitgliedstaaten bestimmt (EuGH, aaO, Rdnr. 24, 30).
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aa) Die Frage, von welchem Lieferort bei Anwendung des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO auszugehen ist, wenn es sich bei dem zu Grunde liegenden Kauf um einen Versendungskauf handelt, war vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs vom 3. Mai 2007 (aaO) umstritten und ist umstritten geblieben (vgl. Piltz, NJW 2007, 1801, 1802). Die italienische Corte Suprema di Cassazione hat in einem Urteil vom 27. September 2006 (ZEuP 2008, 165, 167 ff.) die Auffassung vertreten, dass für die Bestimmung des Ortes der Ablieferung Art. 31 Buchst. a CISG anwendbar sei mit dem Ergebnis, dass der zuständigkeitsbegründende Erfüllungsort dort liege, wo die Waren dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben worden seien. Dem gegenüber hat der österreichische Oberste Gerichtshof den Standpunkt eingenommen , dass der Lieferort nach rein tatsächlichen Kriterien ohne Rückgriff auf materiell-rechtliche innerstaatliche Regelungen autonom zu bestimmen sei (Beschlüsse vom 20. Februar 2006 – 2 Ob 211/04z, EuLF 2006, II-10, 11; vom 14. Dezember 2004 – 1 Ob 94/04m, EuLF 2005, II-80, 81), und diesen bei einem Versendungskauf an dem Ort gesehen, an dem der Käufer die Ware als vertragsgemäße Lieferung tatsächlich abnimmt (Beschluss vom 14. Dezember 2004, aaO). Die deutsche Instanzrechtsprechung ist uneinheitlich. Während die Oberlandesgerichte Hamm und Köln die Auffassung vertreten, dass zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort bei einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen derjenige Ort sei, an dem der Käufer die Sache körperlich entgegennehme und damit die Verfügungsgewalt über sie erlange (OLG Hamm, OLGR 2006, 327, 330; OLG Köln, IHR 2007, 164, 166), ist das Oberlandesgericht Stuttgart der Ansicht, dass bei Versendungskäufen der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO an dem Ort liege, an dem der Verkäufer die Ware dem mit dem Transport zum Käufer beauftragten Spediteur übergeben habe (OLGR 2008, 350; ebenso OLG Oldenburg IHR 2008, 112, 118).
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In der deutschen Kommentarliteratur bietet sich ein ähnliches Bild. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass bei Fehlen einer Parteivereinbarung derjenige Ort als Lieferort anzusehen sei, an dem der Käufer die Ware körperlich entgegennehme (Kropholler, aaO, Art. 5 Rdnr. 49; Hk-ZPO/Dörner, aaO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 16 f., jew. m.w.N). Nur wenn der Versendungskauf nicht zur Ausführung gelange und der Vertrag über den Lieferort schweige, bleibe allein der Rückgriff auf Art. 31 CISG (Kropholler, aaO). Andere sind namentlich mit Blick auf den Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO der Ansicht, dass sich die Antwort auf die Frage, wo "nach dem Vertrag" geliefert worden sei oder hätte geliefert werden müssen, an sich aus dem Vertragsstatut ergebe, so dass bei einem Versendungskauf davon auszugehen sei, dass der Absendeort Erfüllungsort sei und sich daraus wie bisher ein Klägergerichtsstand für den exportierenden Verkäufer ergebe (MünchKommZPO /Gottwald, aaO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 19; Nagel/Gottwald, aaO, § 3 Rdnr. 50, jew. m.w.N.).
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bb) Der Senat neigt der Auffassung zu, den Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO auch bei Versendungskäufen nach dem Ort zu bestimmen, an dem der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die gelieferte Sache erlangt oder sie nach dem Vertrag hätte erlangen müssen. Die Verordnung 44/2001 zielt auf eine Vereinheitlichung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften ab, welche in hohem Maße vorhersehbar sind und es einer Partei ermöglichen, ohne Schwierigkeiten festzustellen, vor welchem Gericht sie klagen oder verklagt werden kann (EuGH, aaO, Rdnr. 19 f.). Zu diesem Zweck ist nach der Begründung des bis auf eine Übersetzungsvariante (Austausch von "vertragsgemäß" durch "nach dem Vertrag") in Bezug auf Art. 5 unverändert gebliebenen Kommissionsentwurfs (KOM (1999) 348 endg., ABl. EG Nr. C 376 E/01 vom 28. Dezember 1999, Seite 15) eine pragmatische Bestimmung des Erfüllungsorts erfolgt, die auf einem rein faktischen Kriterium beruht.
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Danach ist nach Auffassung des Senats Lieferort derjenige Ort, an dem der Käufer die Ware nach dem Vertrag körperlich entgegennimmt oder hätte entgegennehmen müssen (vgl. auch Hager/Benteler, IPrax 2004, 72), vorliegend also C. in Italien. Aus dem bisweilen herangezogenen Wortlaut der deutschen Textfassung dieser Bestimmung ("... der Ort ..., an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind ...") lässt sich nicht zwingend das gegenteilige Ergebnis ableiten, dass bei einem Versendungskauf der Lieferort dort anzusiedeln sei, wo die Ware dem ersten Beförderer zur Weiterleitung an den Käufer übergeben werde (so etwa MünchKommZPO/Gottwald, aaO, m.w.N.; Piltz, NJW 2007, 1801, 1802). Der Wortlaut der Wendung "der Ort ..., an dem" ist vielmehr für unterschiedliche Auslegungsergebnisse offen und erbringt weder in der Gesamtschau der einzelnen Sprachfassungen noch für sich allein in ein eindeutiges Auslegungsergebnis zu Gunsten des Absende- oder des Bestimmungsortes der Ware (dazu Hager/Benteler, IPrax 2004, 72, 74 f.). Dagegen verbietet die bewusst gewählte Anknüpfung nach faktischen Kriterien, ohne dass dies mit der im Kommissionsentwurfs noch mit "vertragsgemäß" wiedergegebenen Wendung "nach dem Vertrag" kollidiert (vgl. Hager/Benteler, IPrax 2004, 72, 74), den Rückgriff auf eine Lieferortbestimmung nach dem materiellen Vertragsrecht, wenn und soweit eine solche Anknüpfung nach faktischen Kriterien möglich ist (Kropholler, aaO, m.w.N.). Denn bei einer auf der Grundlage des materiellen Rechts vorgenommenen Bestimmung des jeweiligen Lieferortes wäre die für die Gruppe der Kauf- und Dienstleistungsverträge gerade durch die Anknüpfung an faktische Kriterien erstrebte Vereinheitlichung mit der davon ausgehenden Vorhersehbarkeit und einfachen Feststellbarkeit des Erfüllungsgerichtsstandes wieder entscheidend in Frage gestellt (vgl. EuGH, aaO, Rdnr. 19 f.). Das gilt um so mehr, als nach dem Kommissionsentwurf in dieser Anknüpfung zugleich eine Abkehr von der bislang in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ vorgesehenen Lösung eines Rückgriffs auf die Regeln des internationalen Privatrechts des Forumstaates liegen sollte, um für Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen die mit einem solchen Rückgriff verbundenen Nachteile zu vermeiden (KOM (1999) 348 endg., aaO).
23
Eine allein aus den äußeren Leistungsabläufen ablesbare Eindeutigkeit der Kriterien zur Bestimmung eines zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsorts, wie sie von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO erstrebt wird, lässt sich bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen deshalb nur darüber erreichen, dass ohne Rücksicht auf vertragliche Lieferklauseln oder Erfüllungsmodalitäten , über deren Inhalt unter Umständen erst durch daran anknüpfende rechtliche Wertungen Klarheit gewonnen werden kann, an den Ort angeknüpft wird, an dem der Käufer die zu liefernden Sachen körperlich entgegengenommen hat oder hätte entgegennehmen müssen. Das gilt umso mehr, als diesem Bestimmungsort zugleich eine gewisse räumliche Nähe zum Erfüllungsgeschehen innewohnt, so dass er dem zur Entscheidung berufenen Gericht in aller Regel auch die erforderliche Sachnähe vermittelt, welche die gewählte Anknüpfung ebenfalls sichergestellt wissen will (vgl. EuGH, aaO, Rdnr. 22).

III.

24
Die Entscheidung darüber, ob Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO im Sinne der vorstehend gestellten Fragen auszulegen ist, ist gemäß Art. 68, 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehalten. Der Rechts- streit ist daher auszusetzen, und die vorbezeichneten Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts sind dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Ball Dr. Wolst Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 26.01.2007 - 2 HKO 3024/05 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 11.06.2007 - 3 U 336/07 -

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.