Bundessozialgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - B 9 SB 3/12 R

bei uns veröffentlicht am17.04.2013

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

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Mit Bescheid vom 4.12.1998 stellte das beklagte Land bei dem 1972 geborenen Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigung Diabetes mellitus einen GdB von 40 fest. Auf den Änderungsantrag vom 19.11.2004 lehnte der Beklagte nach Beiziehung von Befundberichten und versorgungsärztlichen Stellungnahmen mit Bescheid vom 24.5.2005 die Feststellung eines höheren GdB ab, weil die Nephropathie sowie die Blutdruckbeschwerden des Klägers keinen Einzel-GdB und die Diabetes mellitus-Erkrankung keinen höheren GdB als 40 bedingten. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005).

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Die auf Feststellung eines GdB von 50 gerichtete Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle vom 24.3.2006 abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei dem Kläger seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) nicht erfüllt, weil es an den dort geforderten ausgeprägten Hypoglykämien bei Diabetes mellitus fehle. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung Folgewirkungen von ausgeprägten Hypoglykämien nicht benennen können und sich bei Arbeitsfähigkeit in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand befunden. Das Blutdruckleiden sei unter Therapie ohne Befund, Folgeerkrankungen seien nicht bekannt. Bei der im Bericht des A. Kreiskrankenhauses W. vom 7.1.2005 diagnostizierten beginnenden diabetischen Nephropathie handele es sich lediglich um eine Auswertung von Laborbefunden. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nierenfunktion im Sinne der AHP könne daraus nicht gefolgert werden. Die beim Kläger bestehende Spritzenphobie könne nicht anerkannt werden, weil bei diesem die Insulingabe durch eine Insulinpumpe erfolge. Zwar seien einige Blutzuckerwerte grenzwertig, eine ständige Entgleisung der Werte lasse sich jedoch aus den Unterlagen nicht entnehmen.

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In dem danach vom Kläger veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) Befundberichte von Dr. S., Krankenhaus am R. GmbH in S., vom 19.12.2006 und von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 14.5.2007 eingeholt. Mit Beschluss vom 7.8.2007 hat das LSG das Ruhen des Verfahrens angeordnet und auf Antrag des Klägers am 8.12.2010 wieder aufgenommen. Sodann hat das LSG weitere Befundberichte des Dipl.-Med. M. vom 20.2.2011 und der Fachärztin für Innere Medizin/Diabetologie W. vom 6.4.2011 beigezogen. Ferner hat das LSG eine vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. W. vom 2.5.2011 zu den Akten genommen, die eine vom Kläger vorgelegte CD-ROM mit den darauf abgespeicherten Blutzuckertagebüchern (120 Seiten) ausgewertet hat. Nach einer persönlichen Befragung des Klägers im Erörterungstermin vom 13.7.2011 hat das LSG mit Urteil vom 26.4.2012 die Berufung zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

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Der Kläger sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 48 Abs 1 SGB X rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden des Klägers betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten zu berücksichtigenden Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei dem Kläger ein GdB von 40. Demgegenüber setzte ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus. Insoweit sei neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung erforderlich, ob aufgrund eingetretener weiterer Begleitfolgen der Erkrankung gravierende Einschnitte in der Lebensführung vorlägen. Der Therapieaufwand von vier Insulininjektionen pro Tag und eine notwendige Insulinanpassung mittels einer Insulinpumpe seien für sich genommen mit einer erheblichen Teilhabeeinschränkung nicht ohne Weiteres gleichzusetzen. Vergleiche man die Teilhabebeeinträchtigungen für einen GdB von 50 bei einer Colitis ulcerosa, einer Lungenerkrankung, einer psychischen Erkrankung oder einer Herzerkrankung, die häufig auch eine teilweise oder vollständige Erwerbsunfähigkeit nach sich zögen, könne das Merkmal "gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung" nicht ausschließlich therapiebezogen verstanden werden. Daher seien die Stoffwechsellage und die konkreten krankheitsbedingten Auswirkungen bei der Teilhabeeinschränkung zu berücksichtigen.

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Dieses Maß der Beeinträchtigung erreiche der Kläger nicht. Es fehlten erhebliche Einschnitte, die so gravierend auf seine Lebensführung einwirkten, dass die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Der Kläger werde trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Es komme zwar zu hypoglykämischen Zuständen, nicht jedoch zu einem hypoglykämischen Schock. Fremdhilfe sei bisher nicht erforderlich gewesen. Es sei eine gute, wenn auch nicht optimale Einstellung gelungen. Der Kläger sei seit Februar 2005 mit einer Insulinpumpe versorgt, mit der er die häufiger auftretenden Hypoglykämien sehr gut ausgleiche, ohne dass Bewusstseinseinschränkungen einträten. Die laut CD-ROM aus der Insulinpumpe ausgelesenen Werte lägen entsprechend den Berichten der behandelnden Ärzte weder in einem besonders niedrigen noch in einem überhöhten Bereich. Dies bestätigten auch die eigenen Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG vom 13.7.2011. Danach sei es seit 2003 nicht zu schweren Hypoglykämien gekommen, der Kläger benötige vier bis fünf Insulindosen am Tag, die über die Insulinpumpe abgegeben würden. Er müsse alle drei Tage das Reservoir für die Insulinpumpe wechseln.

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Soweit der Kläger angegeben habe, es werde ihm bei der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde oder Treppen schnell hoch und runter laufe, folge hieraus keine andere Bewertung. Solche Zustände seien zum einen nicht ungewöhnlich, zum anderen folge hieraus keine behandlungsbedürftige schwere Auswirkung des Diabetes mellitus. Dass der Kläger die Insulinpumpe ablegen und anschließend wieder neu aktivieren müsse, wenn er zB mit Freunden baden gehe, erschwere zwar die Teilhabe an dieser Freizeitmöglichkeit. Es bleibe ihm jedoch mit einem gewissen zusätzlichen zeitlichen Aufwand möglich, diese Freizeitaktivitäten ebenfalls wahrzunehmen. Die Insulinpumpe als solche habe bei dem Kläger nach der Bewertung seiner Ärzte zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation beigetragen. Dass bei deren Handhabung während des alltäglichen Lebens gegenüber einem Zuckerkranken, der über Insulinspritzen ausgleiche, andere Schwierigkeiten aufträten, begründe keine Einschränkungen, die einen GdB von 50 bedingten. Dies gelte auch für das besondere Zeiterfordernis bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Der Kläger sei nach eigenen Angaben während eines Drittels seiner vollschichtigen Arbeitszeit im gesamten Betriebsgelände unterwegs, ua auf Rohrbrücken und vielen Treppen. Die von ihm angegebenen Nachteile durch seine Stoffwechselerkrankung, die er auch in seinem letzten Schriftsatz vom 25.4.2012 in Form einer stichwortartigen Übersicht dargelegt habe, seien zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der VersMedV. Wesentliche Folgeschäden und beachtliche Mobilitätseinschränkungen seien noch nicht eingetreten.

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Aus den weiteren Erkrankungen folgten keine Funktionsbeeinträchtigungen, die einen GdB von mehr als 10 bedingten, sodass eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht in Betracht komme. Die beginnende Nephropathie begründe derzeit keine Einschränkungen, bei der Hypertonie handele es sich um eine leichte Form mit keiner oder geringer Leistungsbeeinträchtigung, die medikamentös kontrolliert werden könne.

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Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

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Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Das LSG habe die vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - aufgestellten Grundsätze missachtet, was zu einer Fehlerhaftigkeit der gesamten Entscheidung führe. Denn das LSG habe seiner Entscheidung allein die VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl auch die Höhe des GdB in dem Zeitraum vom 19.11.2004 bis zum 21.7.2010 streitig sei. Für diesen Zeitraum sei die vorläufige Neufassung der Nr 26.15 AHP unter Beachtung der im Urteil des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - dargelegten Grundsätze rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden, die vor deren Einführung durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 22.9.2008 lägen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R -). Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

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Auf der Grundlage der durchgeführten Ermittlungen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde liegenden Funktionseinschränkungen aufgrund des Diabetes mellitus Typ I hätten sich wesentlich geändert, weil bereits der unmittelbare Therapieaufwand erheblich sei. Die instabile Blutzuckerstoffwechsellage mit häufigen stärkeren Hyper- und Hypoglykämien habe den Einsatz einer Insulinpumpentherapie erforderlich gemacht. Dies bedinge einen hohen Therapieaufwand, um eine akzeptable Stoffwechsellage zu erreichen. Gleiches gelte insbesondere für die zeitweise durchgeführte intensivierte Insulintherapie mit einem erforderlichen hohen Maß an Selbstmanagement bei der Berücksichtigung der Kohlenhydrataufnahme aufgrund der Zusammensetzung der jeweiligen Mahlzeiten unter Berücksichtigung von Fetten und Proteinen. Gerade seine hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie seine bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes mellitus ohne schwere Hypoglykämien geblieben seien. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen.

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Völlig unberücksichtigt gelassen habe das LSG den Umstand, dass seine Bauchspeicheldrüse auf Dauer durch den Diabetes mellitus irreparabel geschädigt werde und mittlerweile ein Dawn-Phänomen vorliege, welches zwischen drei Uhr und acht Uhr morgens auftrete und eine strengere Überwachung der Insulinpumpentherapie erforderlich mache. Bei der Berücksichtigung von Mobilitätseinschränkungen stelle das LSG unrichtigerweise nur auf die Gehfähigkeit und nicht auch auf die Schwindelanfälle ab, die durch Insulinmangel, wie er bei einer Insulinpumpentherapie entstehen könne, einträten. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes mellitus auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen, wie zB einer chronischen Darmerkrankung Colitis ulcerosa, gemessen, die mit seiner Erkrankung nicht vergleichbar seien.

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Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtigerweise Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Nr 15.1, nach der der GdB 50 betrage. Diese Variante beinhalte den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Hier habe der Verordnungsgeber aufgrund des Therapieaufwandes von vornherein vorausgesetzt, dass gerade diese Fallgruppe mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt und der GdB mit 50 festzusetzen sei. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung.

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Die Intensität der Einschnitte in die Lebensführung und der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei davon abhängig, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, mit einem Vernachlässigen der Maßnahmen gravierende gesundheitliche Folgen einhergingen oder die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt werde. Hierzu fehlten ausreichende Feststellungen insbesondere zu den therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung bzw bei der Gestaltung des Tagesablaufs. Hier habe das LSG nicht berücksichtigt, dass Unterzuckerungen erhebliche Beeinträchtigungen des Kräfte- und Geisteszustandes bedingten. Gerade bei der Insulinpumpentherapie, die keine Insulindepots schaffe, leide er teilweise tagelang an diesen Beeinträchtigungen. Die somit erforderliche sorgfältige Planung des Tagesablaufs schränke ihn in seiner Mobilität im Straßenverkehr sowie bei der Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen und bei der Berufsausübung ein. Schließlich habe sich das LSG auch insoweit nicht mit der VersMedV nF ausreichend auseinandergesetzt, als außergewöhnlich schwer zu regulierende Stoffwechsellagen höhere GdB-Werte bedingen könnten. Eine solche liege aber bei ihm vor, da die Therapie eine Hypoglykämie auslösen könne.

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Schließlich habe das LSG die psychologischen Auswirkungen seiner Erkrankung gar nicht und die Nephropathie nicht ausreichend berücksichtigt. Die insoweit erforderliche Diät mit eingeschränkter Eiweißaufnahme führe zu einer weiteren Einschränkung der Teilhabe an der Gesellschaft aufgrund einer mangelhaften Regenerationsfähigkeit der Muskulatur. Daher könne Sport nicht intensiv betrieben werden, Erholungsphasen dauerten länger und es träten schneller Erschöpfungszustände ein, was neben der Freizeitgestaltung auch die Berufsausübung beeinträchtige. Bei entsprechender Aufklärung des Therapieaufwandes und richtiger Einschätzung der Erheblichkeit der aus der Erkrankung resultierenden Einschnitte, wäre das LSG ohne Weiteres zu dem Ergebnis gelangt, dass der GdB mit mindestens 50 festzusetzen sei.

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Das LSG habe zudem sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) dadurch verletzt, dass es seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe. Das LSG habe ohne richterlichen Hinweis auf eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachvortrags die vorliegenden Tatsachen- und Beweisergebnisse im Zusammenhang mit dem Therapieaufwand bei der Gesamt-GdB-Bewertung gewürdigt. Die Bewertung des Therapieaufwands im Urteil des LSG stelle folglich eine Überraschungsentscheidung dar. Hätte man ihn vorab auf eine Ergänzungsbedürftigkeit im Zusammenhang mit dem erforderlichen Therapieaufwand hingewiesen, so hätte er hierzu weiteren Vortrag gebracht.

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Auch habe das LSG seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht hätte von Amts wegen ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm, dem Kläger, vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben, tatsächlich eingetreten seien. Dies hätte ua ergeben, dass inzwischen eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung durch Angst vor einer Hypoglykämie vorliege, die unruhige Nächte und Schlafstörungen verursache. Ferner sei eine sorgfältigere Planung des Tagesablaufs erforderlich, die auch die Mobilität im Straßenverkehr sowie die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen betreffe. Es beständen Konzentrationsstörungen mit Auswirkungen auf die Berufsausübung. Trotz Insulinpumpentherapie sei daher eine ständige Kontrolle erforderlich.

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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.4.2012 und des SG Halle vom 24.3.2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab dem 19.11.2004 einen GdB von 50 festzustellen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er trägt im Wesentlichen vor: Das LSG habe hinsichtlich des zentralen Leidens des Klägers - Diabetes mellitus - zu Recht auch für die Zeit vor dem 22.7.2010 die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010, welche am 22.7.2010 in Kraft getreten sei, angewandt. Eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 69 Abs 1 und 3 SGB IX liege nicht vor. Die Bemessung des GdB bei Diabetes mellitus mit 40 sei vorliegend korrekt. Die Lebensführung im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei bei dem Kläger nicht erheblich beeinträchtigt. Dieser gehe einer Tätigkeit in einem großen Industriebetrieb nach und es sei ihm möglich, an Freizeitaktivitäten wie Baden teilzunehmen. Trotz eines erhöhten Maßes an Planung könne die Therapie den unterschiedlichsten Ansprüchen in Beruf und Alltag angepasst werden. Schwere hypoglykämische Entgleisungen seien bisher nicht aufgetreten. Auch sei der Auslegung der VersMedV durch das LSG zu folgen, wonach für die Feststellung eines GdB von 50 zusätzlich zum eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und Dosisanpassungen die Feststellung einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung erforderlich sei, welche beim Kläger derzeit nicht vorliege.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, jedenfalls soweit der Kläger eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts geltend macht.

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Die Revision ist unbegründet.

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Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt, unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 24.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 (§ 95 SGG) bei ihm ab dem 19.11.2004 den GdB mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11). Die Revision ist jedoch nicht erfolgreich.

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Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 50 für die Zeit ab 19.11.2004 ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; alter Fassung ) und für die Zeit ab dem 21.12.2007 idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF).

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Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist(eingehend hierzu für das Schwerbehindertenrecht Senatsurteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Von einer solchen ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Änderung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - Juris RdNr 12), während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt (BSG Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - Juris). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist mangels wesentlicher Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 nicht festzustellen.

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Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX (in den genannten Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX (in beiden Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX aF gelten die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Durch diesen Verweis auf die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesem leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX nF wird zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) Bezug genommen, sodass ab 1.1.2009 die VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die durch die Verordnungen vom 14.7.2010 (BGBl I 928) und zuletzt 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist, anstelle der AHP Grundlage für die Feststellung des GdB ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (AnlVersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung der GdB maßgebend (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV).

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Die AHP und die zum 1.1.2009 in Kraft getretene AnlVersMedV stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f), die nicht nur die Regelung des § 69 SGB IX konkretisieren, sondern auch den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems berücksichtigen, auch wenn dieses Klassifikationsmodell in den AHP und der AnlVersMedV bislang nicht überall konsequent umgesetzt worden ist(vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

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Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 S 1 SGB IX (beider genannten Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den AHP/der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 1 AHP und Teil A Nr 3 Buchst a AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der AHP/AnlVersMedV feste Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 18).

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Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10. 1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(vgl BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

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Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus - der zentralen Gesundheitsstörung des Klägers - hat der Senat bereits in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 AHP (Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - Juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - Juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 AnlVersMedV vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbesondere 38). Diese Rechtsprechung hat der Senat nochmals mit Urteil vom 25.10.2012 (- B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 29 f) bestätigt.

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Im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X der Zeitraum ab der letztmaligen Feststellung des Gesamt-GdB mit Bescheid vom 4.12.1998 zu beurteilen. Formal betrachtet sind ab Stellung des Verschlimmerungsantrages durch den Kläger im November 2004 für die Zeit vom 1.11.2004 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP (Ausgaben 1996, 2004, 2005 und 2008) und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009, 2.12.2010 und 25.10.2012 (jeweils aaO) sind diese Vorschriften jedoch nicht zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus Erkrankungen geeignet. Insoweit kann entgegen der Auffassung des Klägers auf die Neufassung der Vorschrift Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden. Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die Regelung in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus unmittelbar anzuwenden.

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Die Vorschrift in Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV):

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15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

35

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26 und Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 33).

36

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).

37

Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR-Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR-Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 35).

38

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation in der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 36).

39

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus, um den GdB mit 50 festzustellen. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 AnlVersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 37).

40

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es in Satz 1 im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissen Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 38).

41

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV nF hat der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung gewonnen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO, RdNr 39). Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund ist vorliegend eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS nicht erforderlich.

42

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien, ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50, weder allein wegen des bei ihm bestehenden Diabetes mellitus noch unter Berücksichtigung weiterer Gesundheitsstörungen.

43

Nach den Feststellungen des LSG führt der Kläger eine Insulinpumpentherapie durch mit bis zu fünf Insulininjektionen am Tag und einer ständigen Dosisanpassung. Der Kläger wird trotz des seine Lebensführung einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Betrachtet man die therapiebedingten und auch erkrankungsbedingten Einschränkungen in der konkreten Lebensführung des Klägers, so lässt sich nach den Feststellungen des LSG eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Beruf, Freizeitgestaltung) noch nicht erkennen. Trotz des Entstehens von hypoglykämischen Zuständen ist es bisher noch nie zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Der Kläger gleicht die unterschiedlichen Stoffwechsellagen mit der Insulinpumpe sehr gut aus.

44

Soweit der Kläger die Feststellungen des LSG zum Therapieaufwand und zu den der Gesamt-GdB-Bewertung zugrundeliegenden gesundheitlichen Einschränkungen mit der Begründung angreift, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es insoweit seinen zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 25.4.2012 nicht berücksichtigt und erörtert habe, dringt er damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen; denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190).

45

Die Bewertung des Therapieaufwands sowie des Gesamt-GdB ist grundsätzlich eine tatrichterliche Aufgabe, die eine Auswertung der im Verfahren insgesamt vorliegenden Tatsachen und Beweise einschließt. Hierbei handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand; der dem Kläger insgesamt bekannte Sachverhalt ist ohne juristische oder anderweitige besondere Kenntnisse zu erfassen gewesen. Insofern waren dazu Hinweise des LSG an den rechtskundig vertretenen Kläger nicht erforderlich. Auch sonst war entgegen der Darstellung des Klägers eine Sachlage, bei der er nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG den Therapieaufwand im Rahmen der Feststellung des Gesamt-GdB anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Zudem musste dem Kläger schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides, des Urteils des SG sowie seiner persönlichen Befragungen klar sein, dass es neben dem Therapieaufwand maßgeblich auch darauf ankommt, dass er durch Auswirkungen des Diabetes mellitus insgesamt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt ist. Dieses Verständnis hat der Kläger durch sein Vorbringen selbst erkennen lassen, mit dem er sich bemüht hat, dem LSG eine erhebliche, gravierende Beeinträchtigung seiner Lebensführung darzulegen. Im Übrigen kommt im Berufungsurteil (s S 16 des Abdrucks) hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das LSG den Schriftsatz des Klägers vom 25.4.2012 in Erwägung gezogen hat.

46

Entgegen der Ansicht des Klägers sind weitere detaillierte Tatsachenfeststellungen, insbesondere durch Einholung eines Gutachtens, nicht erforderlich gewesen. Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte von Amts wegen gemäß § 103 SGG ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob sich die von ihm vorgetragenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 4.12.1998 zugrunde gelegen haben, wesentlich geändert hätten, greift diese Rüge nicht durch. Denn das LSG hat den Therapieaufwand im Rahmen der beim Kläger erfolgenden Insulinpumpentherapie auf der Grundlage der vorliegenden Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte dahin gewürdigt, dass er für sich genommen die betreffenden Voraussetzungen in Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV erfüllt. Für die Beurteilung, ob beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung durch den Diabetes mellitus vorliegt, bedarf es auf der Grundlage der getroffenen medizinischen Feststellungen und der eigenen Angaben des Klägers keiner besonderen Sachkunde. Diese kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 46). Das LSG hat sich ersichtlich neben den eigenen Angaben des Klägers auch auf die Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. M., Dr. S. und W. in deren beigezogenen Befundberichten gestützt. Dabei sind auch die von dem Kläger diesen gegenüber geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei der Insulinpumpentherapie im Falle hypoglykämischer Zustände) berücksichtigt worden. Zudem hat das LSG insbesondere die Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 24.3.2006 sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des LSG am 13.7.2011 gewürdigt, wonach es bei ihm nicht zu schweren Hypoglykämien gekommen ist und er entsprechende Folgewirkungen nicht benennen konnte.

47

Die benötigten vier bis fünf Insulindosen pro Tag werden über die Insulinpumpe abgegeben, deren Reservoir der Kläger alle drei Tage wechseln muss. Die von dem Beklagten ausgewertete CD-ROM mit den aufgezeichneten Insulingaben hat weder besonders niedrige noch besonders überhöhte Werte ergeben. Auch die im Nachhinein erweiterten Angaben des Klägers, es werde ihm bei der Arbeit teilweise schwindelig, wenn er sich auf Rohrbrücken befinde oder Treppen schnell hoch und runter laufe, hat das LSG in seine Feststellung miteinbezogen und keine behandlungsbedürftigen schweren Auswirkungen des Diabetes mellitus festgestellt. Dabei hat es insbesondere das erforderliche Ablegen der Insulinpumpe beim Badengehen des Klägers mit Freunden und deren anschließend erforderliche Aktivierung gewürdigt. Dadurch wird nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des LSG die Teilhabe an diesen Freizeitmöglichkeiten zwar erschwert; diese können aber dennoch wahrgenommen werden. Insgesamt hat die Insulinpumpe als solche nach der Bewertung der Ärzte des Klägers bei diesem zu einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation beigetragen.

48

In diese Überlegungen hat das LSG auch die vom Kläger im Schriftsatz vom 25.4.2012 angegebenen Nachteile seiner Stoffwechselerkrankung (Dawn-Phänomen) miteinbezogen und weiter festgestellt, dass diese zwar einschränkend und belastend seien, nicht jedoch gravierend im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze. Hierzu hat der Kläger selbst mit seiner Revision dargelegt, dass aus diesen Umständen lediglich die Notwendigkeit einer strengeren Überwachung der Insulinpumpentherapie folge. Soweit der Kläger vorträgt, eine erhebliche Teilhabebeeinträchtigung ergebe sich auch dadurch, dass bei ihm Angst vor Hypoglykämien unruhige Nächte und Schlafstörungen auslöse, handelt es sich um erst mit der Revision vorgebrachte Umstände, die nicht vom LSG festgestellt und daher für die Revision unbeachtlich sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5). Entsprechendes gilt für die erstmals mit der Revision erfolgte Angabe weiterer diabetesbedingter Beeinträchtigungen.

49

Im Übrigen setzt sich der Kläger kritisch mit der Beweiswürdigung des LSG auseinander, ohne damit eine durchgreifende Verfahrensrüge anzubringen. Er hat nicht beachtet, dass eine Verletzung des insoweit einschlägigen § 128 Abs 1 SGG grundsätzlich erst dann vorliegt, wenn das LSG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt oder andere spezifische Beweisfehler gemacht hat.

50

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB des Klägers in Anwendung von Teil B Nr 15.1 Abs 5 AnlVersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei dem Kläger vom LSG nicht festgestellt worden sind. Die bloße Möglichkeit, dass zukünftig derartige schwerwiegende Stoffwechsellagen eintreten können, genügt den Anforderungen nicht.

51

Schließlich geht die von dem Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, er dürfe wegen seines konsequenten Therapieverhaltens und seiner vernünftigen Lebensführung in Bezug auf seine Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht gegenüber einem behinderten Menschen benachteiligt werden, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen einer höherer GdB als ihm zuerkannt werde. Dabei übersieht der Kläger, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei dem Kläger haben würde (vgl BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 48).

52

Hinsichtlich der anderen beim Kläger vorliegenden Erkrankungen hat das LSG gemessen an den maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen den jeweiligen Einzel-GdB des Klägers rechtsfehlerfrei festgestellt. Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG liegt bei dem Kläger eine beginnende Nephropathie ohne derzeitige Einschränkungen sowie eine leichte Form der Hypertonie ohne oder mit nur geringer Leistungsbeeinträchtigung vor, die medikamentös kontrolliert werden kann. Grundlage für die Bemessung des Einzel-GdB sind insoweit für die Zeit ab Antragstellung im November 2004 zunächst die AHP 2004, anschließend bis zum Ende des Jahres 2007 die AHP 2005, danach bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 2008 und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV (s jeweils die Einleitung). Bei Anwendung der für die GdB-Bewertung bei einer beginnenden Nephropathie ohne Einschränkungen sowie bei einer leichten Form der Hypertonie maßgeblichen Tabellen in den jeweiligen Fassungen der Nr 26.12 bzw 26.9 AHP, die zum 1.1.2009 unverändert in Teil B Nr 12.1.1 bzw Nr 9.3 AnlVersMedV übernommen worden sind, ergibt sich für Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion ebenso wie für eine leichte Form der Hypertonie ohne oder mit geringen Leistungsbeeinträchtigungen ein Einzel-GdB von 0 bis 10. Weitere mit einem Einzel-GdB festzustellende Gesundheitsstörungen, insbesondere hinsichtlich der Bauspeicheldrüse oder des Dawn-Phänomens, hat das LSG nicht festgestellt, weil hierzu weder vom Kläger noch von den behandelnden Ärzten Befunde oder funktionale Einschränkungen mitgeteilt worden sind.

53

Den Gesamt-GdB hat das LSG rechtsfehlerfrei mit 40 festgestellt. Dabei ist es nach Nr 18 und 19 der jeweiligen Fassungen der AHP, die in Teil A Nr 2. und 3. AnlVersMedV unverändert übernommen worden sind, von der Funktionsbeeinträchtigung ausgegangen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und hat dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen geprüft, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LSG bei dem Kläger der Fall, weil danach die neben dem mit 40 zu bewertenden Diabetes mellitus bestehenden Erkrankungen der beginnenden Nephropathie und der leichten Form der Hypertonie jeweils nur mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 zu bewerten sind.

54

Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern. Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der AHP/AnlVersMedV feste Grade angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP und Teil A Nr 3 Buchst b AnlVersMedV; auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 18). Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen nach den Feststellungen des LSG insgesamt noch nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen eine Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 begründen.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - B 9 SB 3/12 R

Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - B 9 SB 3/12 R

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig
Bundessozialgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - B 9 SB 3/12 R zitiert 23 §§.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 95


Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 164


(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das an

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 1


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Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 35


(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtun

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.