Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 20. Dez. 2017 - 1 BvR 2233/17

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20171220.1bvr223317
bei uns veröffentlicht am20.12.2017

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

1

Gegenstand der Rechtssatzverfassungsbeschwerde, die zum Teil mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, sind die im Rubrum aufgeführten, zum 1. Januar 2018 beziehungsweise 1. Januar 2022 in Kraft tretenden Regelungen, welche den anwaltlichen elektronischen Rechtsverkehr betreffen.

I.

2

1. Die im Zentrum der Verfassungsbeschwerde stehende Norm des § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verpflichtet in seinem Absatz 6 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ab dem 1. Januar 2018, die für die Nutzung des von der Bundesrechtsanwaltskammer für jedes Mitglied empfangsbereit eingerichteten besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen (sog. passive Nutzungspflicht des beA). Die Norm konkretisiert damit die nach § 174 Abs. 3 Satz 3 und 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) ab dem 1. Januar 2018 bestehende Pflicht für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen.

3

Die §§ 19 bis 29 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (RAVPV) enthalten darüber hinaus unter anderem detaillierte Regelungen zur Führung, Einrichtung, Erstanmeldung, weiteren Zugangsberechtigungen, Datensicherheit und Löschung des beA.

4

Zudem verpflichten § 130d ZPO, § 14b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), § 65d des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 55d der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 52d der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die jeweilige Verfahrensordnung Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ab dem 1. Januar 2022, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie Anträge und Erklärungen, die bei einem Gericht durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.

5

2. Das beA ähnelt in seinem Aufbau einem üblichen E-Mail-Postfach und dient der elektronischen Kommunikation der in das Gesamtverzeichnis eingetragenen Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer mit den Gerichten und untereinander auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. § 19 Abs. 1 RAVPV). Im Adressverzeichnis des beA sind alle Personen und Stellen auffindbar, die über das Postfach erreichbar sind (vgl. § 19 Abs. 3 RAVPV). Für die authentifizierte Nutzung des beA benötigt man einen Computer mit einer Internetverbindung, ein bei der Bundesnotarkammer zu bestellendes und an diesen Computer anzuschließendes Kartenlesegerät und eine beA-Karte sowie eine persönliche PIN. Vor der Erstregistrierung muss eine so genannte Client-Security heruntergeladen werden. Dabei handelt es sich um ein Programm, das direkt auf dem Rechner des jeweiligen Nutzers installiert wird und mit dem später die Funktionen des beA ausgeführt werden, die aus Sicherheitsgründen nicht im Internet stattfinden. Das beA verwendet zur sicheren Übermittlung eine so genannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (vgl. § 20 Abs. 1 RAVPV).

II.

6

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Mitglied einer Rechtsanwaltskammer. Mit seiner gegen die angegriffenen Normen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt er insbesondere eine Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die gesetzliche Verpflichtung zur Eröffnung eines elektronischen Kommunikationsweges für die Gerichte sowie zur Nutzung des beA stelle eine organisatorische, wirtschaftliche und haftungsrechtliche Belastung dar. Überdies berge sie ein hohes Sicherheitsrisiko. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Es seien keine tragfähigen spezifisch berufsbezogenen Gemeinwohlgründe ersichtlich. Solche lägen nur dann vor, wenn die gesetzliche Maßnahme die Qualität der anwaltlichen Tätigkeit verbessere, was nicht der Fall sei. Die Nutzung speziell des beA sei auch nicht erforderlich. Es bestünden mildere Mittel zur Zweckerreichung. Schließlich sei dem Beschwerdeführer die vorgesehene gesetzliche Pflicht zur Eröffnung eines elektronischen Kommunikationsweges für die Gerichte sowie zur Nutzung des beA auch unzumutbar. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die angegriffenen Regelungen subjektive Berufszugangsregelungen darstellten, aber zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter nicht zwingend erforderlich seien und zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit außer Verhältnis stünden.

III.

8

Gründe für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, weil sie nicht die konkrete Möglichkeit aufzeigt, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen in einem der von ihm bezeichneten Grundrechte verletzt wird (vgl. BVerfGE 105, 252 <264>).

9

1. Der Beschwerdeführer hat insbesondere eine mögliche Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht ausreichend dargelegt.

10

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die angegriffenen Normen regelten subjektiv bereits den Berufszugang, weil besondere persönliche Kenntnisse und technische Fähigkeiten im Umgang mit der digitalen Informationstechnologie verlangt würden, zeigt er im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl bereits keinen möglichen Eingriff auf. Subjektive Berufszugangsregelungen sind solche, die eine Berufsaufnahme an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten oder Leistungsnachweise knüpfen (vgl. BVerfGE 9, 338 <345>; 19, 330 <337>; 34, 71 <77>). Der Beschwerdeführer ist bereits zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die angegriffenen Regelungen enthalten auch keine Vorschriften über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, es handelt sich bei ihnen vielmehr um bloße Berufsausübungsregelungen.

11

b) Regelungen, die lediglich die Berufsausübung betreffen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 7, 377 <404 ff.>; 97, 228 <255>; stRspr). Gemessen an diesem Maßstab zeigt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit nicht auf (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

12

aa) Die Beschwerdeschrift lässt nicht erkennen, dass es an vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls zur Rechtfertigung der angegriffenen Regelungen fehlen könnte. Die angegriffenen Regelungen bezwecken die Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, die Schaffung einer rechtssicheren und schnellen Kommunikation mit den Gerichten sowie eine Kostenreduktion bezüglich Porto- und Druckkosten (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 6. März 2013, BTDrucks 17/12634, S. 1 bis 6). Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit nicht um spezifische berufsbezogene Gemeinwohlgründe handeln könnte, werden nicht aufgezeigt.

13

bb) Auch die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Regelungen stellt der Beschwerdeführer nicht substantiiert in Frage. Die Behauptung, mit der Einführung des beA gehe nicht wie beabsichtigt eine Kostenreduktion, sondern eine Kostensteigerung einher, weshalb die Regelungen insoweit nicht geeignet seien, kann mangels einer vergleichenden Kostenaufstellung schon nicht nachvollzogen werden.

14

Im Hinblick auf die Behauptung, dass über das beA eine sichere Kommunikation nicht möglich, sondern vielmehr zu befürchten sei, dass Unbefugte Daten ausspähen könnten, fehlt es bereits an der Berücksichtigung des Umstands, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht jeder beliebige Dritte ohne Weiteres an dem elektronischen Rechtsverkehr über das beA teilnehmen kann; jedenfalls aber fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den konkret getroffenen Sicherheitsvorkehrungen wie etwa der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Negative Erfahrungen mit gänzlich anderen IT-Systemen, die in der Vergangenheit von Hackern angegriffen wurden, können insoweit nicht pauschal herangezogen werden. Letztlich fehlt auch eine hinreichende Erörterung dahin, ob und inwieweit ein etwaiges - trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten - (stets) verbleibendes Risiko eines Angriffs auf übermittelte Daten im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls nicht hinzunehmen wäre (vgl. insoweit BFH, Urteil vom 18. Januar 2012 - II R 49/10 -, juris, Rn. 102; Urteil vom 14. März 2012 - XI R 33/09 -, juris, Rn. 70).

15

Die Beschwerdeschrift lässt auch eine übermäßige Belastung des Beschwerdeführers durch die angegriffenen Regelungen nicht möglich erscheinen. Ob und inwieweit andere Verfahren der elektronischen Kommunikation mit Gerichten insgesamt weniger eingriffsintensiv sein könnten, zeigt der allgemein gehaltene Vortrag nicht konkret auf.

16

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verlangen die angegriffenen Regelungen auch keine jederzeitige unmittelbare und sofortige persönliche Kenntnisnahme der über das beA eingehenden Mitteilungen. Eine unverhältnismäßige Belastung können sie daher insoweit nicht begründen. Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Beschwerdeführer dargestellten besonderen haftungs- und berufsrechtlichen Konsequenzen. Denn diese werden letztlich nur bezogen auf eine Nichtnutzung des beA, nicht jedoch auf die durch die angegriffenen Regelungen verlangte Nutzung aufgezeigt.

17

2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

18

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

19

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 20. Dez. 2017 - 1 BvR 2233/17

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Tatbestand 1 I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) teilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 2008 nach § 1

Referenzen

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene natürliche Person ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. Nach Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Bundesrechtsanwaltskammer dessen Bezeichnung an die zuständige Rechtsanwaltskammer zur Speicherung in deren Verzeichnis.

(2) Zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Rechtsanwaltskammer den Familiennamen und den oder die Vornamen sowie eine zustellfähige Anschrift der Personen, die einen Antrag auf Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gestellt haben, an die Bundesrechtsanwaltskammer. Bei Syndikusrechtsanwälten ist zusätzlich mitzuteilen, ob die Tätigkeit im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse erfolgt. Die übermittelten Angaben sind zu löschen, wenn der Antrag zurückgenommen oder die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer unanfechtbar versagt wurde.

(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sicherzustellen, dass der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. Sie kann auch Vertretungen, Abwicklern und Zustellungsbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ermöglichen; Absatz 2 gilt sinngemäß. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann unterschiedlich ausgestaltete Zugangsberechtigungen für Kammermitglieder und andere Personen vorsehen. Sie ist berechtigt, die in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gespeicherten Nachrichten nach angemessener Zeit zu löschen. Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll barrierefrei ausgestaltet sein.

(4) Sobald die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer aus anderen Gründen als dem Wechsel der Rechtsanwaltskammer erlischt, hebt die Bundesrechtsanwaltskammer die Zugangsberechtigung zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf. Sie löscht dieses, sobald es nicht mehr benötigt wird.

(5) Die Bundesrechtsanwaltskammer kann auch für sich und für die Rechtsanwaltskammern besondere elektronische Anwaltspostfächer einrichten. Absatz 3 Satz 1 und 5 ist anzuwenden.

(6) Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.

(7) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene weitere Kanzlei eines Mitglieds einer Rechtsanwaltskammer ein weiteres besonderes elektronisches Anwaltspostfach einzurichten. Wird die Eintragung der weiteren Kanzlei im Gesamtverzeichnis gelöscht, hebt die Bundesrechtsanwaltskammer die Zugangsberechtigung zu dem weiteren besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf und löscht dieses, sobald es nicht mehr benötigt wird. Absatz 1 Satz 2 und die Absätze 3, 4 und 6 dieser Vorschrift sowie § 31 Absatz 5 Satz 1 und 2 gelten für das weitere besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechend.

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

(1) Bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sind durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, so bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist mit der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

(2) Andere Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sollen als elektronisches Dokument übermittelt werden. Werden sie nach den allgemeinen Vorschriften übermittelt, so ist auf Anforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

(1) Das besondere elektronische Anwaltspostfach nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung dient der elektronischen Kommunikation der in das Gesamtverzeichnis eingetragenen Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer mit den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Ebenso dient es der elektronischen Kommunikation der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer untereinander.

(2) Das besondere elektronische Anwaltspostfach kann auch der elektronischen Kommunikation mit anderen Personen oder Stellen dienen.

(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern, den Rechtsanwaltskammern und sich selbst zum Zweck des Versendens von Nachrichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach die elektronische Suche nach allen Personen und Stellen zu ermöglichen, die über das Postfach erreichbar sind. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zudem die Daten, die eine Suche im Sinne des Satzes 1 ermöglichen, auch den Gerichten zugänglich zu machen. Sie kann sie auch anderen Personen und Stellen zugänglich machen, mit denen sie nach Absatz 2 eine Kommunikation ermöglicht.

(4) Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern nach den Absätzen 1 bis 3 stehen gleich:

1.
Vertretungen, Abwickler und Zustellungsbevollmächtigte, die nicht bereits von Absatz 1 Satz 1 erfasst sind, und
2.
nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 eingetragene Personen.

(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer auf der Grundlage des Protokollstandards „Online Services Computer Interface – OSCI“ oder einem künftig nach dem Stand der Technik an dessen Stelle tretenden Standard zu betreiben. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat fortlaufend zu gewährleisten, dass die in § 19 Absatz 1 genannten Personen und Stellen miteinander sicher elektronisch kommunizieren können.

(2) Der Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach soll barrierefrei im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung sein.

(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu gewährleisten, dass

1.
bei der Übermittlung eines Dokuments mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg durch einen Rechtsanwalt für den Empfänger feststellbar ist, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde,
2.
bei der Übermittlung eines Dokuments mit einer nicht-qualifizierten elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg durch eine zugelassene Berufsausübungsgesellschaft für den Empfänger feststellbar ist, dass die Nachricht durch einen Rechtsanwalt versandt wurde, der zur Vertretung der Berufsausübungsgesellschaft berechtigt ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) teilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 2008 nach § 139a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine Identifikationsnummer zu und unterrichtete sie hiervon.

2

Die Klage, mit der die Klägerin beantragte, das BZSt zu verpflichten, die Identifikationsnummer nach § 139a Abs. 1 AO sowie die dazu nach § 139b Abs. 3 AO und --soweit vorhanden- nach anderen Vorschriften bei ihm gespeicherten Daten zu löschen, hilfsweise, ihr eine Befreiung von der Identifikationsnummer zu erteilen, soweit dies gesetzlich oder verfassungsrechtlich möglich ist, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1860 veröffentlichten Urteil zur Begründung aus, die Klage sei als allgemeine Leistungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 letzte Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, weil die begehrte Löschung der Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten schlichtes Verwaltungshandeln und nicht die Aufhebung eines Verwaltungsakts darstelle. Die Klage sei aber unbegründet. Es bestünden zwar Zweifel, ob der in der Zuteilung der Identifikationsnummer und in der dazu erfolgten Datenspeicherung liegende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Diese Zweifel führten aber nicht zu der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) erforderlichen Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der maßgebenden Vorschriften. Eine Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Der Klägerin werde ihr "christlicher Name" nicht abgesprochen. Er bleibe ihr vielmehr erhalten und werde auch wie bisher verwendet. So würden Steuerbescheide auch in Zukunft unter dem Namen des Steuerpflichtigen bekannt gegeben und nicht unter der Identifikationsnummer, die wie die bisherige Steuernummer lediglich ein behördeninternes Ordnungsmerkmal darstelle. Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Ein Anspruch auf eine Ausnahme von der Zuteilung der Identifikationsnummer sei nicht vorgesehen und brauche auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht eingeräumt zu werden.

3

Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, einem Rechtsanwalt, am 7. September 2010 zugestellt. Dieser legte mit von ihm unterzeichneten Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 Revision gegen das Urteil des FG ein. Mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums beantragte er namens der Klägerin, ihr für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Sie sei wirtschaftlich bedürftig. Das PKH-Formular mit den Einkommensunterlagen werde nachgereicht. In dem Schreiben heißt es ferner wörtlich: "Die Revision ist unter der Bedingung der PKH." Mit dem vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatz vom 4. November 2010 wurde die Revision begründet.

4

Nachdem der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 25. November 2010 um Klarstellung gebeten hatte, wie der Satz "Die Revision ist unter der Bedingung der PKH." zu verstehen sein soll, führte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 aus, die "Bedingung der PKH" sei nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Vielmehr habe nur mitgeteilt werden sollen, dass zunächst die Bescheidung des PKH-Antrags begehrt werde. Nach der Bewilligung der PKH werde dann Revision eingelegt werden. Dem Schriftsatz waren die Erklärung der Klägerin über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege beigefügt. Mit weiterem Schriftsatz vom 16. Februar 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass die Revision unbedingt eingelegt worden sei. Die Klägerin wolle zwar, dass zuerst über die PKH entschieden werde, um über das Kostenrisiko genaue Kenntnis zu haben; die Revision sei aber unbedingt.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung der Daten nach § 139b Abs. 3 AO stellten unter Berücksichtigung der vorgesehenen Verwendungsmöglichkeiten einen Eingriff in dieses Recht dar, der weder erforderlich noch verhältnismäßig sei. Die mit diesen Maßnahmen angestrebten Ziele hätten durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden der Länder und die Schaffung eines gerechten Steuersystems und somit durch mildere Mittel erreicht werden können. Die Datensicherheit sei technisch nicht gewährleistet. Es bestehe die Gefahr des Datenmissbrauchs durch den Staat und Dritte. Zudem liege ein Eingriff in die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) vor, da die Identifikationsnummer in großem Umfang an die Stelle des auch religiös bedeutsamen Namens trete und die Menschen dadurch zum Objekt gemacht würden. Darüber hinaus werde die Identifikationsnummer zur Übermittlung durch Datenfernübertragung um die Zahl 666 ergänzt. Diese Zahl stehe für ein dem christlichen Glauben entgegengesetztes Werte-, Herrschafts- und Glaubenssystem und für die Verbindung mit diesem System.

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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung von Daten unter dieser Nummer rechtswidrig waren und sind.

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Das BZSt beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

8

Wenn überhaupt davon ausgegangen werden könnte, dass die Klägerin Revision eingelegt habe, wäre diese wegen der Bedingung, dass PKH bewilligt werde, unzulässig. Jedenfalls sei die Revision unbegründet. Das FG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch §§ 139a und 139b AO sei durch das überwiegende Allgemeininteresse an einer gleichmäßigen Besteuerung und an Verwaltungsvereinfachung verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

9

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das dem Revisionsverfahren nach § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO beigetreten ist, hält die in §§ 139a und 139b AO getroffenen Regelungen über die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung von Daten sowie deren Verwendung ebenfalls für verfassungsgemäß. Sie seien zum gleichmäßigen Gesetzesvollzug und zur Verwaltungsvereinfachung in verschiedener Hinsicht erforderlich und stellten keine unzulässigen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Zuteilung der Identifikationsnummer an Minderjährige sei ebenfalls verfassungsgemäß, da sie im Rahmen des Familienleistungsausgleichs (§§ 31, 32, 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sowohl der Verwaltungsvereinfachung als auch der Vermeidung von Missbrauch durch Bezug von Kindergeld für ein Kind von mehreren Kindergeldkassen diene. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei auch die Speicherung der für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten nach § 39e EStG.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist zwar zulässig, aber unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klage ist mit dem im Revisionsverfahren zuletzt gestellten Antrag zulässig, jedoch unbegründet.

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A. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 wirksam Revision gegen das Urteil des FG eingelegt. Die Revision ist trotz der Ausführungen im PKH-Antrag gleichen Datums zulässig. Diese Ausführungen können nicht so verstanden werden, dass die Revision unter einer --unzulässigen-- Bedingung erhoben worden sei.

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1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, kommt, wenn eine Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelbegründung die gesetzlichen Voraussetzungen an eine solche erfüllt, die Annahme, der entsprechende Schriftsatz sei nicht als unbedingte Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung bestimmt, allenfalls dann in Betracht, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist. Da im Allgemeinen keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, dass ein den gesetzlichen Anforderungen genügender, von einem Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz als Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung dienen soll, sofern nicht ein entgegenstehender Wille des Rechtsmittelführers deutlich erkennbar wird. Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche und zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die z.B. darin gesehen werden kann, dass der entsprechende Schriftsatz selbst ausdrücklich als "Entwurf" bezeichnet wird (BGH-Beschluss vom 27. Mai 2009 III ZB 30/09, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2009, 1408, m.w.N.).

13

2. Der Schriftsatz vom 4. Oktober 2010, mit dem ausdrücklich Revision gegen das Urteil des FG eingelegt wurde, ist somit als unbedingte Revisionseinlegung zu verstehen. Der Schriftsatz wurde durch den Prozessbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, unterzeichnet und nicht als bloßer Entwurf gekennzeichnet. Bei einem lediglich der Begründung eines PKH-Gesuchs dienenden Entwurf eines Rechtsmittels ist die Unterzeichnung nicht erforderlich und unterbleibt auch üblicherweise (BGH-Beschluss in FamRZ 2009, 1408). In dem Schriftsatz ist auch keine Rede von einer Abhängigkeit von dem PKH-Antrag.

14

Unter diesen Umständen reichen die Ausführungen im gleichzeitig eingereichten PKH-Antrag nicht für die Annahme aus, die Revision habe nur unter der Bedingung eingelegt werden sollen, dass PKH bewilligt werde. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Revision durch einen ebenfalls vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneten Schriftsatz fristgerecht begründet wurde, ohne dass PKH bewilligt worden war.

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B. Der im Revisionsverfahren erfolgte Übergang von der allgemeinen Leistungsklage zur Feststellungsklage und diese Klage selbst sind zulässig.

16

1. Der Übergang zur Feststellungsklage stellt eine Einschränkung gegenüber der allgemeinen Leistungsklage dar, über die das FG entschieden hat, und ist daher keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B.I.). Ein Erfolg des beim FG erhobenen Leistungsbegehrens setzte nämlich die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer an die Klägerin und der dazu erfolgten Datenspeicherung voraus und ging über ein bloßes Feststellungsbegehren hinaus.

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2. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich aus § 41 Abs. 1 FGO.

18

a) Durch Klage kann nach dieser Vorschrift die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinn geht es auch, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem Betroffenen festgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807, unter II.1.).

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b) Diese Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 FGO sind im Streitfall erfüllt. Durch die Zuteilung der Identifikationsnummer an die Klägerin und die Speicherung von Daten unter dieser Nummer ist ein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem BZSt entstanden. Sowohl die Zuteilung der Nummer als auch die Datenspeicherung stellen keinen Verwaltungsakt dar (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 139a AO Rz 3; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 139a Rz 5; Schmitz in Schwarz, AO, § 139a Rz 3a; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 139a Rz 6; a.A. Wiese in Beermann/Gosch, AO § 139a Rz 14). Es fehlt nämlich an der Regelung eines Einzelfalls und an einer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen. Dem entspricht es, dass der Steuerpflichtige nach § 139a Abs. 1 Satz 4 AO über die Zuteilung der Identifikationsnummer lediglich zu unterrichten ist. Verwaltungsakte sind demgegenüber dem Betroffenen nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO bekannt zu geben.

20

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass sie sich in ihren Grundrechten verletzt sieht.

21

c) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht entgegen dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO, nach dem die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, nicht entgegen, dass die Klägerin die Beseitigung der von ihr gerügten Verstöße gegen ihre Grundrechte durch eine auf Löschung der ihr erteilten Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten gerichtete allgemeine Leistungsklage --so die Ansicht des FG-- oder nach Durchführung eines Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) durch Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO) hätte beantragen können und die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung die geltend gemachten Verstöße gegen ihre Grundrechte nicht beseitigen würde.

22

aa) § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist ebenso wie die vergleichbare Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1997  1 C 2/95, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2534, unter 4., m.w.N., zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch das vom Kläger ausdrücklich begehrte Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, ihn auf eine Gestaltungs-  oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse hat, einerseits nur Vorfrage wäre, andererseits die weiteren Elemente des geltend zu machenden Anspruchs nur untergeordnete Bedeutung hätten.

23

bb) So verhält es sich hier.

24

Zum einen droht auch dann, wenn man entgegen der Auffassung des FG annehmen würde, dass das Begehren, die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten zu löschen, nicht mit der allgemeinen Leistungsklage, sondern nur mit der Verpflichtungsklage verfolgt werden kann, nicht die Umgehung der für eine Verpflichtungsklage geltenden Vorschriften über das Vorverfahren (§§ 44 bis 46 FGO); denn das BZSt hätte aufgrund seiner Bindung an die Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG) einem Löschungsantrag und einem gegen die Ablehnung der Löschung gerichteten Einspruch (§ 347 AO) nicht stattgeben dürfen.

25

Zum anderen würde das von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ausdrücklich und im Revisionsverfahren sinngemäß verfolgte Ziel, dass zur Beseitigung der von ihr gerügten Verstöße gegen ihre Grundrechte die ihr zugeteilte Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten gelöscht werden, durch ein Urteil, das die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung feststellt, in vollem Umfang erreicht. Eine solche Entscheidung könnte nämlich nur ergehen, nachdem das BVerfG auf eine entsprechende Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die zugrunde liegenden Vorschriften für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat. Eine solche Entscheidung des BVerfG hätte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) Gesetzeskraft und würde gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden. Das BZSt wäre in diesem Fall zur Löschung der Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten verpflichtet, ohne dass diese Verpflichtung durch den BFH gesondert ausgesprochen werden müsste.

26

C. Das FG hat die Klage zu Recht als unbegründet angesehen. Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung beruhen auf § 139a Abs. 1 und 2 sowie § 139b Abs. 3 AO. Diese Vorschriften sind verfassungsgemäß. Gleiches gilt für die Vorschriften, die im Hinblick auf den Lohnsteuerabzug und den Abzug von Kirchensteuer von den Kapitalerträgen zusätzliche Datenspeicherungen durch das BZSt vorsehen (§ 39e Abs. 2 Satz 1 EStG in der gemäß Art. 25 Abs. 1 des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes --BeitrRLUmsG-- vom 7. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2592, am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Fassung des Art. 2 Nr. 19 BeitrRLUmsG; § 51a Abs. 2c und 2d EStG in der gemäß Art. 25 Abs. 4 BeitrRLUmsG am Tag nach dessen Verkündung, also am 14. Dezember 2011, in Kraft getretenen Fassung des Art. 2 Nr. 33 Buchst. b und c BeitrRLUmsG).

27

1. Das BZSt teilt im Rahmen der ihm gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 22 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) obliegenden Aufgabe, das Identifikationsmerkmal nach den §§ 139a bis 139d AO zu vergeben und zu verwalten, nach § 139a Abs. 1 AO jedem Steuerpflichtigen zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung im Besteuerungsverfahren ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal (Identifikationsmerkmal) zu, das bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden anzugeben ist. Es besteht aus einer Ziffernfolge, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf; die letzte Stelle ist eine Prüfziffer. Natürliche Personen erhalten eine Identifikationsnummer, wirtschaftlich Tätige eine Wirtschafts-Identifikationsnummer. Der Steuerpflichtige ist über die Zuteilung eines Identifikationsmerkmals unverzüglich zu unterrichten.

28

Steuerpflichtiger in diesem Sinn ist nach § 139a Abs. 2 AO jeder, der nach einem Steuergesetz steuerpflichtig ist. Maßgebend ist dabei nicht der Begriff des Steuerpflichtigen i.S. des § 33 Abs. 1 AO. Entscheidend ist vielmehr, ob nach einem Einzelsteuergesetz eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht. Steuerpflichtige i.S. des § 139a Abs. 2 AO sind danach insbesondere alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 2 oder 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, sowie die natürlichen Personen, die gemäß § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird, ist unerheblich (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, Begründung zu Art. 7, BTDrucks 15/1945, S. 16; Wiese, a.a.O., § 139a Rz 16; Brandis, a.a.O., § 139a Rz 3; Cöster, a.a.O., § 139a Rz 9; Schmitz, a.a.O., § 139a Rz 4; Rätke, a.a.O., § 139a Rz 7).

29

Nach § 139b Abs. 1 AO darf eine natürliche Person nicht mehr als eine Identifikationsnummer erhalten. Jede Identifikationsnummer darf nur einmal vergeben werden.

30

Gemäß § 1 der Steueridentifikationsnummerverordnung (StIdV), die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 139d AO und Art. 97 § 5 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung erlassen wurde, wurde die Identifikationsnummer nach § 139b AO zum 1. Juli 2007 eingeführt; sie besteht aus zehn Ziffern und einer Prüfziffer als elfte Ziffer. Das BZSt unterrichtet den Steuerpflichtigen gemäß § 6 Abs. 1 StIdV unverzüglich über die ihm erteilte Identifikationsnummer und die übrigen beim BZSt zu seiner Person gespeicherten Daten.

31

2. Der Einführung der Identifikationsnummer liegen folgende Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde (BTDrucks 15/1945, S. 15 f.):

32

Nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitssatz (Urteil vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, "Zinsurteil") habe der Gesetzgeber sicherzustellen, dass alle Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Daraus ergebe sich, dass die Finanzbehörden aufgrund ihrer gesetzlichen Befugnisse in der Lage sein müssten, die Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Die gesetzlichen Befugnisse reichten hierfür im Wesentlichen zwar aus, könnten aber derzeit nicht optimal ausgeschöpft werden. Die Finanzbehörden müssten auch organisatorisch und technisch fähig sein, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen. Dazu sei eine enge Zusammenarbeit der Finanzbehörden erforderlich. Wesentliche Voraussetzung hierfür sei die eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen. Die gegenwärtige Zuweisung einer Steuernummer, die nicht dauerhaft vergeben werde und daher auch nicht eindeutig sei, sei für behördenübergreifende Zwecke kaum geeignet. In den heutigen Verfahren könne z.B. eine minimale Abweichung bei der Schreibweise eines Namens ("Ullrich" statt "Ulrich") eine eindeutige Identifikation unmöglich machen. Steuerpflichtige könnten auf diese Weise bewusst eine falsche Identität vortäuschen und so steuerliche Leistungen oder Vergünstigungen zu Unrecht erlangen. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder beanstandeten seit Jahrzehnten die mangelhafte Auswertung steuererheblicher Informationen durch die Finanzämter. Die Auswertung unterbleibe in vielen Fällen, weil die vorhandenen Informationen überhaupt nicht zugeordnet werden könnten. Hier könne --bei föderalem Aufbau der Steuerverwaltung in Deutschland-- nur die Einführung eines einheitlichen Identifikationsmerkmals für das Besteuerungsverfahren Abhilfe schaffen. Ein Steuernummernsystem, das die Identifikation der Steuerpflichtigen ermöglichen solle, setze voraus, dass jeder Steuerpflichtige nur eine Nummer erhalte (Eindeutigkeit), die Nummer sich während der gesamten Dauer der Steuerpflicht nicht ändere und das gesamte System dauerhaft Bestand habe (Beständigkeit, Unveränderlichkeit). Darüber hinaus werde durch Einführung eines derartigen Steuernummernsystems ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens --insbesondere im Hinblick auf die beabsichtigte Modernisierung des Lohnsteuerverfahrens-- geleistet. Die Vergabe weiterer Steuernummern, z.B. für verschiedene Steuerarten oder in Fällen des Wechsels des Wohn- oder Betriebssitzes, werde in Zukunft entbehrlich. Das Identifikationsmerkmal erlaube darüber hinaus die Zuordnung der neuen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung und werde u.a. auch die Funktion der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer umfassen. Dies baue Bürokratie ab und erhöhe die Transparenz des Besteuerungsverfahrens.

33

3. Die auf die Identifikationsnummer bezogenen Vorschriften der §§ 139a und 139b AO verstoßen aufgrund dieser Zielsetzung des Gesetzgebers und ihrer zweckentsprechenden, den Datenschutz wahrenden Ausgestaltung nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

34

a) Das auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beruhende Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben (BVerfG-Entscheidungen vom 15. Dezember 1983  1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 41 ff.; vom 12. April 2005  2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 45 f.; vom 4. April 2006  1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 341 f.; vom 13. Juni 2007  1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, 183 f., BStBl II 2007, 896, und vom 11. März 2008  1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, 397). Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Persönlichkeitsgefährdung beginnen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 118, 168, 184, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 397).

35

Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 115, 320, 342, und in BVerfGE 120, 378, 397 f.). Dadurch können weitere Informationen bis hin zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können, ohne dass der Betroffene die Richtigkeit und Verwendung der gespeicherten Informationen zureichend kontrollieren kann (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 118, 168, 184 f., BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 398). Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 115, 320, 342, und in BVerfGE 120, 378, 398).

36

Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 45; in BVerfGE 118, 168, 185, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 398 f.).

37

Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 399, m.w.N.).

38

b) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über "seine" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (BVerfG-Urteil in BVerfGE 65, 1, 43 f.). Das GG hat die Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 44, m.w.N.; vom 5. Februar 2004  2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 151, und vom 8. November 2006  2 BvR 578/02 u.a., BVerfGE 117, 71, 89). Der Einzelne muss daher grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 65, 1, 44).

39

Solche Einschränkungen müssen auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruhen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage betreffen zum einen die gebotene Normenbestimmtheit und Normenklarheit und zum anderen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie richten sich nach der Art und Intensität des Grundrechtseingriffs. Das Gewicht des Eingriffs wird insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der möglichen Verwertung der Daten beeinflusst (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 401 f.).

40

Von maßgebender Bedeutung für das Gewicht des Grundrechtseingriffs ist zum einen, welche Persönlichkeitsrelevanz die Informationen aufweisen, die von der informationsbezogenen Maßnahme erfasst werden (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 115, 320, 347 f., und in BVerfGE 120, 378, 402). Mit in den Blick zu nehmen ist zum anderen die Persönlichkeitsrelevanz der Informationen, die durch eine weitergehende Verarbeitung und Verknüpfung der erfassten Informationen gewonnen werden sollen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 45 f.; in BVerfGE 115, 320, 347 f., und in BVerfGE 120, 378, 402).

41

Eine informationsbezogene Maßnahme kann sich bereits deshalb als schwerwiegend darstellen, weil die erhobenen Informationen für die Persönlichkeit des Betroffenen hohe Relevanz haben oder weil sie auf eine Weise erlangt werden sollen, die die Persönlichkeit erheblich berührt, oder weil Möglichkeiten für eine weitergehende Verarbeitung und Verknüpfung dieser Informationen und zur Nutzung zu einer Vielzahl von Zwecken bestehen. Demgegenüber wiegt ein Eingriff geringer, wenn eine gesetzliche Ermächtigung lediglich die Nutzung bestimmter, im Gesetz ausdrücklich aufgezählter Informationen, die für sich genommen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz aufweisen, zu einem näher bestimmten Zweck zulässt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, 197, BStBl II 2007, 896).

42

Werden die Informationen heimlich gewonnen, führt dies zu einer Erhöhung des Gewichts der Freiheitsbeeinträchtigung. Dem Betroffenen wird durch die Heimlichkeit des Eingriffs vorheriger Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz kann zumindest erschwert werden. Der Betroffene kann also nicht selbst darauf hinwirken, die Eingriffsintensität durch erfolgreichen Rechtsschutz zu verringern, etwa für die Zukunft zu beseitigen. Die Heimlichkeit staatlicher Informationseingriffe betrifft darüber hinaus die Gesellschaft insgesamt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 402 f.).

43

Die Eingriffsintensität ist ferner hoch, wenn Informationen betroffen sind, bei deren Erlangung Vertraulichkeitserwartungen verletzt werden, vor allem solche, die unter besonderem Grundrechtsschutz stehen, wie etwa bei Eingriffen in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG oder das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 320, 348), oder wie sie im Verhältnis von Mandanten zu Rechtsanwälten oder Steuerberatern bestehen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 113, 29, 44 ff.).

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Ferner ist bedeutsam, ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass, etwa durch eine Rechtsverletzung, für die Erhebung geschaffen hat oder ob sie anlasslos erfolgt und damit praktisch jeden treffen kann. Informationserhebungen gegenüber Personen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind grundsätzlich von höherer Eingriffsintensität als anlassbezogene (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 113, 29, 53; in BVerfGE 115, 320, 354, und in BVerfGE 120, 378, 402). Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 113, 29, 46 f., und in BVerfGE 120, 378, 402). Die Unbefangenheit des Verhaltens wird insbesondere gefährdet, wenn die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 115, 320, 354 f., und in BVerfGE 120, 378, 402).

45

Die Intensität des Eingriffs für den Grundrechtsträger wird auch davon beeinflusst, welche über die Informationserhebung hinausgehenden Nachteile ihm aufgrund der Maßnahme drohen oder von ihm nicht ohne Grund befürchtet werden (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 14. Juli 1999  1 BvR 2226/94 u.a., BVerfGE 100, 313, 376; in BVerfGE 115, 320, 347 f.; in BVerfGE 118, 168, 197, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 403). Die Schwere des Eingriffs nimmt mit der Möglichkeit der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe in Grundrechte der Betroffenen zu sowie mit der Möglichkeit der Verknüpfung mit anderen Daten, die wiederum andere Folgemaßnahmen auslösen können (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 403).

46

c) Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die in der Zuteilung der Identifikationsnummer nach § 139a Abs. 1 AO, der in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Datenspeicherung sowie der in § 139b Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 4 AO zugelassenen Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer und der gespeicherten Daten liegen, sind nach diesen Grundsätzen verfassungsrechtlich zulässig (Wiese, a.a.O., § 139a Rz 6 ff.; Cöster, a.a.O., § 139a Rz 3; Schmitz, a.a.O., Vor §§ 139a bis 139d Rz 19 f.; Rätke, a.a.O., § 139b Rz 4; Seer, Deutsches Steuerrecht 2008, 1553, 1557 f., unter Hinweis darauf, dass in den westlichen Industriestaaten die lebenslange Steuernummer eine pure Selbstverständlichkeit sei und dem Standard innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entspreche).

47

aa) Das Ziel, auf effektive Weise sowohl hinsichtlich der Festsetzung als auch der Erhebung von Steuern für Belastungsgleichheit zu sorgen, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung, das durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) grundrechtlich gewährleistet wird. Der Gesetzgeber muss daher das materielle Steuergesetz in ein verfahrensrechtliches Umfeld einbetten, das grundsätzlich geeignet ist, die tatsächliche Leistungsgleichheit der Steuerpflichtigen zu gewährleisten (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 84, 239, 268 ff., BStBl II 1991, 654; vom 9. März 2004  2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 112 ff., BStBl II 2005, 56, und in BVerfGE 118, 168, 196, BStBl II 2007, 896). Bei der Erleichterung des Steuerverfahrens, der vollständigen Erfassung der Steuerquellen und der Sicherstellung der gesetzmäßigen, d.h. insbesondere gleichmäßigen Besteuerung handelt es sich um öffentliche Interessen, die im Rechtsstaatsprinzip und Gleichbehandlungsgebot verankert sind und deshalb einen Rang haben, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgeht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 281, BStBl II 1991, 654).

48

Diesen Zielen dient die Identifikationsnummer unter Beachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf vielfältige Art und Weise:

49

aaa) Die Identifikationsnummer ist gemäß § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in den Rentenbezugsmitteilungen anzugeben, die die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die Pensionskassen, die Pensionsfonds, die Versicherungsunternehmen und die anderen in § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Mitteilungspflichtigen an die zentrale Stelle (Deutsche Rentenversicherung Bund, § 81 EStG) zu übermitteln haben. Die Finanzämter können nach der Weiterleitung der Rentenbezugsmitteilungen an sie auf deren Grundlage prüfen, ob die Leistungsempfänger insoweit einkommensteuerrechtlich zutreffend erfasst wurden, und auf die vollständige und richtige Erfassung hinwirken. Dies dient dem gleichmäßigen und effektiven Vollzug des EStG in einem Bereich, der aufgrund der Vielzahl der Leistungsempfänger von sehr großer Bedeutung ist und zugleich fehleranfällig wäre, wenn die Finanzverwaltung wie früher Renten im Wesentlichen nur dann einkommensteuerrechtlich erfassen könnte, wenn sie in einer Einkommensteuererklärung angegeben würden. Die Identifikationsnummer ermöglicht nunmehr die in einem Massenverfahren erforderliche sichere und praktikable Zuordnung der von einer großen Zahl von Mitteilungspflichtigen durch Datenfernübertragung (§ 22a Abs. 1 Satz 2 EStG) übersandten Rentenbezugsmitteilungen. Das Mitteilungsverfahren macht es entbehrlich, dass bereits bei der Auszahlung von Renten ein Steuerabzug vorgenommen wird, wie es bei Arbeitslöhnen und Kapitalerträgen geschieht.

50

Dem verfassungsrechtlich gebotenen Datenschutz dienen dabei mehrere sich ergänzende Regelungen:

51

Die Deutsche Rentenversicherung Bund als zentrale Stelle gemäß § 81 EStG wird bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 22a EStG nicht als Träger der Rentenversicherung, sondern gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c und d und Satz 2 FVG im Wege der Organleihe für das BZSt tätig und handelt insoweit als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 des Strafgesetzbuchs --StGB--). § 30 AO schützt als Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten das Steuergeheimnis und wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die angesichts der Gefahren der automatisierten Datenverarbeitung bestehen, gerecht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 280, BStBl II 1991, 654).

52

Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt nach § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG eine ausschließlich automatisierte Prüfung der ihr übermittelten Daten daraufhin durch, ob sie vollständig und schlüssig sind und ob das vorgeschriebene Datenformat verwendet worden ist. Sie speichert die Daten des Leistungsempfängers nur für Zwecke dieser Prüfung bis zur Mitteilung an das BZSt oder an den Mitteilungspflichtigen (§ 22a Abs. 2 Satz 6 EStG). Ein längerfristig nutzbarer Datenpool entsteht demgemäß bei ihr nicht. Die Daten sind zudem gemäß § 22a Abs. 2 Satz 7 EStG für die Übermittlung zwischen ihr und dem BZSt zu verschlüsseln.

53

Der Mitteilungspflichtige seinerseits darf die Identifikationsnummer gemäß § 22a Abs. 2 Satz 9 EStG nur verwenden, soweit dies für die Erfüllung der Mitteilungspflicht nach § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG erforderlich ist. Die Beachtung dieser Vorschrift ist durch die Bußgeldvorschrift in § 50f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG abgesichert.

54

bbb) Die Identifikationsnummer bildet die Grundlage für die Ersetzung der Lohnsteuerkarten durch ein zeitgemäßes elektronisches Verfahren nach §§ 39e und 41b EStG sowie der Übergangsregelung des gemäß Art. 2 Nr. 36 i.V.m. Art. 25 Abs. 5 BeitrRLUmsG am 1. Januar 2013 außer Kraft tretenden § 52b EStG und dient dabei sowohl dem Abbau von Bürokratie bei Behörden und Arbeitgebern als auch einem gleichmäßigen Gesetzesvollzug. Die Gemeinden mussten letztmalig für das Kalenderjahr 2010 Lohnsteuerkarten ausstellen und den Arbeitnehmern übermitteln (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 2 EStG in der vor dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung --EStG a.F.--). Der Wegfall des Aufwands für die Ausstellung und Übermittlung der Lohnsteuerkarten stellt für die Gemeinden eine wesentliche Erleichterung dar. Für die Arbeitgeber entfällt die aufwendige und fehleranfällige manuelle Übertragung der Daten von den Lohnsteuerkarten in die elektronische Lohnbuchhaltung, sobald die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) anwendbar sind. Dies ist von dem durch das BMF bestimmten Anwendungszeitpunkt an der Fall (§ 52b Abs. 5 Satz 1 EStG; für die in § 39 Abs. 4 Nrn. 4 und 5 EStG genannten Lohnsteuerabzugsmerkmale vgl. § 52 Abs. 50g EStG; vgl. dazu auch BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2011, BStBl II 2011, 1254). Die bei den in Papierform vorliegenden Lohnsteuerkarten gegebenen Fälschungsmöglichkeiten entfallen dann ebenfalls. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen unten II.C.5. verwiesen.

55

ccc) Die Identifikationsnummer dient im Rahmen der Übermittlung von Vorsorgeaufwendungen durch Datenfernübertragung nach § 10 Abs. 2a Sätze 4 ff. und § 10a Abs. 5 EStG der eindeutigen und praktikablen Zuordnung zu den jeweils betroffenen Steuerpflichtigen. Da es sich auch insoweit um ein Massenverfahren handelt, kommt dem besondere Bedeutung zu.

56

Um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines besonderen Datenschutzes zu gewähren, dürfen die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3 EStG gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 i.V.m. Abs. 2a Satz 4 EStG nur mit schriftlicher Einwilligung des Steuerpflichtigen übermittelt werden, soweit die Einwilligung nicht nach § 10 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 EStG als erteilt gilt. Die Einwilligung kann nach Maßgabe des § 10 Abs. 2a Sätze 2 f. EStG widerrufen werden.

57

Die Deutsche Rentenversicherung Bund, an die als zentrale Stelle (§ 81 EStG) die Daten gemäß § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG durch Datenfernübertragung zu übermitteln sind, wird auch insoweit im Wege der Organleihe für das BZSt tätig (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a und Satz 2 FVG) und handelt als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 StGB). Dem Datenschutz dient auch die in § 10 Abs. 2a Satz 5 EStG angeordnete entsprechende Anwendung des § 22a Abs. 2 EStG (vgl. dazu oben II.C.3.c aa aaa). Eine über die in § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG vorgesehene ausschließlich automatisierte Prüfung hinausgehende Prüfungsmöglichkeit steht dem BZSt gemäß § 10 Abs. 2a Satz 11 EStG nur hinsichtlich der nach § 10 Abs. 2 Satz 3 EStG zu übermittelnden Daten zu. Eine Kontrollmöglichkeit für den Steuerpflichtigen ergibt sich daraus, dass ihn die übermittelnde Stelle gemäß § 10 Abs. 2a Satz 9 EStG über die Höhe der nach § 10 Abs. 2a Sätze 4, 6 oder 7 EStG übermittelten Beiträge für das Beitragsjahr zu unterrichten hat.

58

Die Datenübermittlung nach § 10a Abs. 5 Satz 1 EStG durch Datenfernübertragung an die Deutsche Rentenversicherung Bund als zentrale Stelle setzt ebenfalls die --widerrufliche-- Einwilligung des Steuerpflichtigen oder der Ehegatten gemäß § 10a Abs. 2a EStG voraus. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird auch insoweit im Wege der Organleihe für das BZSt tätig (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b und Satz 2 FVG) und handelt als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 StGB). Dem Datenschutz dient auch die in § 10a Abs. 5 Satz 2 EStG angeordnete entsprechende Anwendung des § 22a Abs. 2 EStG (vgl. dazu oben II.C.3.c aa aaa). Eine über die in § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG vorgesehene ausschließlich automatisierte Prüfung hinausgehende Prüfungsmöglichkeit steht dem BZSt gemäß § 10a Abs. 5 Satz 4 EStG zu, wobei der Datenabgleich nach § 91 EStG ebenfalls automatisiert vorgenommen wird.

59

ddd) Die Identifikationsnummer wird künftig auch dazu beitragen, dass Steuerausfälle hinsichtlich der Kapitalertragsteuer vermieden werden. Die Meldestelle hat nämlich gemäß § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52a Abs. 16 Satz 9 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 31 Buchst. a und Nr. 39 Buchst. f Doppelbuchst. cc des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) für Kapitalerträge, die ab dem 1. Januar 2013 zufließen, die Identifikationsnummer anzugeben, für Kapitalerträge, die vor dem 1. Januar 2016 zufließen, jedoch nur, wenn sie ihr vorliegt. Die Angabe der Identifikationsnummer wird eine eindeutige Zuordnung der Mitteilungen der Meldestellen an das BZSt zu bestimmten Steuerpflichtigen ermöglichen. Es kann dann mit der erforderlichen Sicherheit und angemessenem Verwaltungsaufwand geprüft werden, ob Freistellungsaufträge nur bis zur gesetzlich vorgesehenen Obergrenze erteilt wurden (§ 20 Abs. 9, § 44a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2a Satz 1, § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG). Dem Datenschutz dient dabei die Regelung des § 44a Abs. 2a Satz 8 EStG, nach der die Meldestelle (§ 45d Abs. 1 Satz 1 EStG) die Identifikationsnummer nur verwenden darf, soweit dies zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten erforderlich ist. Der Steuerpflichtige kann auch auf die Abgabe eines Freistellungsauftrags verzichten und braucht dann gegenüber der Meldestelle die Identifikationsnummer nicht anzugeben. Der Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) kann dann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend gemacht werden (§ 25 Abs. 1, § 32d, § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG).

60

eee) Die Angabe der Identifikationsnummer dient auch bei der Abstandnahme vom Abzug von Kapitalertragsteuer bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen sowie bei betrieblichen Kapitaleinkünften der im Interesse eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs gebotenen Kontrolle (vgl. im Einzelnen § 43 Abs. 1 Sätze 5 f., Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Sätze 7 f. EStG). Die Steuerpflichtigen brauchen von diesen Möglichkeiten der Abstandnahme vom Abzug von Kapitalertragsteuer keinen Gebrauch zu machen, wenn sie beispielsweise die Angabe der Identifikationsnummer vermeiden wollen.

61

fff) Der im Interesse eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs gebotenen Kontrolle dient ebenfalls die Meldung von Versicherungsverträgen mit Versicherungsunternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland (§ 45d Abs. 3 Satz 1 EStG), bei der u.a. die Identifikationsnummer des Versicherungsnehmers zu ermitteln ist (§ 45d Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG).

62

ggg) Das BZSt kann die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten nutzen, um die aufgrund der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen --EU-Zinsrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Union 2003 Nr. L 157 S. 38) eingehenden Meldungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf sichere und praktikable Art und Weise dem jeweils betroffenen Steuerpflichtigen zuordnen und an das zuständige Finanzamt (FA) zur Auswertung weiterleiten zu können. Die Zuständigkeit des BZSt für die Entgegennahme der Daten über Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die im Inland ansässig sind, von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und für die Übermittlung der Daten an die Landesfinanzverwaltungen zum Zwecke der Besteuerung ergibt sich aus § 9 Abs. 3 der Zinsinformationsverordnung. Hat die ausländische Zahlstelle die Identifikationsnummer des inländischen wirtschaftlichen Eigentümers ermittelt, wie dies in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Satz 1 EU-Zinsrichtlinie vorgesehen ist, braucht das BZSt keine weiteren Ermittlungen zum wirtschaftlichen Eigentum mehr anzustellen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von Bürokratie.

63

hhh) Nach den Ausführungen des BMF wird die Identifikationsnummer im Familienleistungsausgleich (§§ 31, 32 und 62 bis 78 EStG) sowohl zu einem erheblichen Bürokratieabbau als auch zur Vermeidung von Missbrauch führen. Sobald einem Kind eine Identifikationsnummer zugeteilt und die zuständige Familienkasse als zuständige Finanzbehörde gespeichert ist (§ 139b Abs. 3 Nr. 11 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 70 Abs. 1, § 72 EStG, § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG), kann ein Doppelbezug von Kindergeld von verschiedenen Familienkassen vermieden werden.

64

iii) Die Verwendung der Identifikationsnummer ist ferner im Rahmen der Neuregelung des Abzugs von Kirchensteuer vom Kapitalertrag in § 51a Abs. 2c und 2e EStG durch Art. 2 Nr. 33 Buchst. b und c BeitrRLUmsG (vgl. oben II.C. vor 1.) vorgesehen, die gemäß § 52a Abs. 18 Satz 2 EStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 35 Buchst. b BeitrRLUmsG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Kapitalerträge anzuwenden ist. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter II.C.6. verwiesen.

65

bb) Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch §§ 139a und 139b AO sind gegenüber den Interessen des Gemeinwohls, denen die gesetzlich vorgesehene Anwendung der Identifikationsnummer dient, nicht von ausschlaggebendem Gewicht. Ihre Bedeutung und Tragweite sind sowohl in ihrem materiellen Gehalt als auch aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen klaren Regelungen über die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer und der gespeicherten Daten relativ gering.

66

aaa) Die Identifikationsnummer stellt als solche lediglich ein behördliches Ordnungsmerkmal dar, das gemäß § 139a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO aus einer Ziffernfolge besteht, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf und daher keinen Rückschluss auf dessen Person zulässt.

67

bbb) Die Zwecke, zu denen die Finanzbehörden sowie andere öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen die Identifikationsnummer erheben und verwenden dürfen, sind in § 139b Abs. 2 AO klar und deutlich sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend restriktiv geregelt.

68

Die Finanzbehörden dürfen die Identifikationsnummer gemäß § 139b Abs. 2 Satz 1 AO nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet.

69

Unter "Erheben" der Identifikationsnummer ist gemäß § 3 Abs. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) deren Beschaffen zu verstehen, also die Kenntnisnahme von der Identifikationsnummer und die darauf abzielenden Maßnahmen (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 7).

70

§ 139b Abs. 2 Satz 1 AO schränkt die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer durch die Finanzbehörden in mehrfacher Hinsicht ein:

71

-       Die 1. Alternative der Vorschrift verlangt das Vorliegen einer "gesetzlichen" Aufgabe. Diese Formulierung ist enger als § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG, die auf die Erforderlichkeit der Datenerhebung sowie der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung zur Erfüllung der Aufgaben der verantwortlichen Stelle bzw. zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben abstellen. Eine "gesetzliche" Aufgabe liegt nur vor, wenn sie durch formelles Gesetz oder durch eine Rechtsverordnung, die auf einem formellen Gesetz beruht, begründet ist. Durch Satzungen zugewiesene Aufgaben genügen nicht (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 9).

72

Nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, aber aus dessen Sinn und Zweck (insbesondere Sicherstellung der steuerlichen Lastengleichheit und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, vgl. oben II.C.2.) sowie aus der in § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG geregelten Zweckbindung ersichtlich ist, dass die gesetzlichen Aufgaben steuerlicher Art sein müssen (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 10). Für andere Zwecke darf die Identifikationsnummer demnach grundsätzlich nicht verwendet werden. Der Familienleistungsausgleich nach Maßgabe der §§ 31, 32 und 62 bis 78 EStG rechnet dabei zu den gesetzlichen Aufgaben steuerlicher Art (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG, § 70 Abs. 1, § 72 EStG sowie oben II.C.3.c aa hhh).

73

Die Finanzbehörden dürfen zudem die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben "erforderlich" ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist ein elementarer Bestandteil des Datenschutzrechts, der verhindert, dass Daten willkürlich zusammengetragen werden. Der Begriff "Erforderlichkeit" ist als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsbedürftig. Die Frage der Erforderlichkeit beurteilt sich danach, ob und inwieweit die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer notwendig ist, um die Aufgabe rechtmäßig, vollständig und in angemessener Zeit erfüllen zu können (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 11).

74

-       Sind die Voraussetzungen des § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO nicht erfüllt, dürfen die Finanzbehörden die Identifikationsnummer nach § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AO erheben und verwenden, soweit eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Diese Regelung folgt dem allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatz, dass Ausnahmen vom Zweckbindungsprinzip aufgrund einer Rechtsvorschrift zulässig sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Unter den Begriff "Rechtsvorschrift" fallen Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, nicht aber Verwaltungsvorschriften, Richtlinien oder Erlasse. Die Verwendung der Identifikationsnummer muss in der Rechtsvorschrift ausdrücklich, also eindeutig und unmissverständlich erlaubt oder angeordnet werden (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 12). Die Rechtsvorschrift muss zudem ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

75

Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen nach § 139b Abs. 2 Satz 2 AO

1. die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet,

2. ihre Dateien nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist.

76

Der Begriff der öffentlichen Stellen ist in § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG definiert, der der nicht öffentlichen Stellen in § 2 Abs. 4 BDSG.

77

Die in § 139b Abs. 2 Satz 2 AO bestimmten Voraussetzungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer einschließlich des Grundsatzes der Erforderlichkeit sind strikt zu beachten und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Rechtsvorschriften i.S. des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO, die die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer erlauben oder anordnen, müssen dies ausdrücklich tun und ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

78

Beispiele für solche Rechtsvorschriften sind § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 3 EStG, wonach die Gemeinden auf den Lohnsteuerkarten für 2009 und 2010 die Identifikationsnummer des Arbeitnehmers einzutragen hatten, § 39e Abs. 4, § 41b Abs. 2 Satz 3 und § 52b Abs. 5 EStG hinsichtlich der Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer durch den Arbeitgeber sowie § 10 Abs. 2a Satz 4, § 10a Abs. 4 Satz 5 und § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wonach die Identifikationsnummer bei der auf Vorsorgeaufwendungen bezogenen Datenübermittlung und in der Rentenbezugsmitteilung anzugeben ist (vgl. im Einzelnen oben II.C.3.c bb). Ob diese Vorschriften in jeder Hinsicht verfassungsgemäß sind, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geprüft zu werden, da sich aus dieser Frage keine Rückwirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit der §§ 139a und 139b AO ergeben.

79

Der Gesetzgeber hat Vorsorge dafür getroffen, dass die öffentlichen und die nicht öffentlichen Stellen die Vorschriften des § 139b Abs. 2 Satz 2 AO beachten. Zum einen sind Vertragsbestimmungen und Einwilligungserklärungen, die darauf gerichtet sind, eine nach diesen Vorschriften nicht zulässige Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer zu ermöglichen, nach § 139b Abs. 2 Satz 3 AO unwirksam. Zum anderen stellen vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße nicht öffentlicher Stellen gegen § 139b Abs. 2 Satz 2 AO nach § 383a AO eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € geahndet werden kann.

80

ccc) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch die in § 139b Abs. 3 AO vorgeschriebene Speicherung von Daten zu natürlichen Personen durch das BZSt.

81

Das BZSt speichert zu natürlichen Personen die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten, nämlich Identifikationsnummer, Wirtschafts-Identifikationsnummern, Familienname, frühere Namen, Vornamen, Doktorgrad, Tag und Ort der Geburt, Geschlecht, gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift, zuständige Finanzbehörden, Übermittlungssperren nach dem Melderechtsrahmengesetz (MRRG) und den Meldegesetzen der Länder, Sterbetag.

82

Diese Daten dienen abgesehen von der Angabe der zuständigen Finanzbehörden (§ 139b Abs. 3 Nr. 11 AO) und der Übermittlungssperren nach dem MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) der eindeutigen Identifizierung der aufgrund der Steuerpflicht erfassten natürlichen Personen und weisen für sich genommen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz auf. Sie stellen kein Persönlichkeitsprofil des Steuerpflichtigen dar, bilden seine Persönlichkeit auch nicht teilweise ab und lassen keine Einblicke in oder Rückschlüsse auf Art und Intensität von Beziehungen, Kommunikationsverhalten und Kommunikationsinhalt, soziales Umfeld, persönliche Angelegenheiten, Interessen, Neigungen und Gewohnheiten sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu. Die Speicherung der Daten beeinträchtigt nicht die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, und ist auch nicht geeignet, ihn einzuschüchtern oder an der Ausübung von Grundrechten zu hindern. Die Speicherung von Übermittlungssperren nach § 18 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 5 und 7 MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) dient dem Interesse der betroffenen Steuerpflichtigen.

83

Die vom BZSt zu speichernden Daten werden zudem nicht heimlich erhoben. Das BZSt hat vielmehr den Steuerpflichtigen nach § 139a Abs. 1 Satz 4 AO und § 6 Abs. 1 StIdV unverzüglich über die ihm zugeteilte Identifikationsnummer und die übrigen beim BZSt zu seiner Person gespeicherten Daten zu unterrichten. Der Steuerpflichtige wird somit in die Lage versetzt, etwaige fehlerhaft erfasste Daten berichtigen zu lassen. Das BZSt hat dem Steuerpflichtigen darüber hinaus gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BDSG auf Antrag Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, und die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden.

84

Vertraulichkeitserwartungen, wie sie etwa hinsichtlich der Wohnung als geschütztem privatem Bereich oder bei der Telekommunikation oder im Verhältnis von Mandanten zu Rechtsanwälten oder Steuerberatern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 113, 29, 44 ff.) bestehen, sind durch die Speicherung der Daten nicht betroffen.

85

Die Steuerpflichtigen sind zudem nicht verpflichtet, selbst die Daten gegenüber dem BZSt offen zu legen. Vielmehr sind die Meldebehörden nach Maßgabe von § 139b Abs. 6 bis 8 AO, §§ 2, 3 StIdV zur Datenübermittlung an das BZSt verpflichtet. Gespeichert werden nur Daten, die den Meldebehörden und/oder den Finanzbehörden bereits bekannt sind.

86

ddd) Das BZSt darf über die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten hinaus weitere Daten zu der Identifikationsnummer nur speichern, soweit dies Bundesrecht zulässt oder anordnet, wie etwa § 39e Abs. 2 EStG hinsichtlich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (vgl. dazu unten II.C.5.). Eine entsprechende Rechtsvorschrift muss ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

87

eee) Die Verwendung der nach § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten ist in § 139b Abs. 4 und 5 AO klar und eindeutig sowie zweckbezogen geregelt.

88

Die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten werden gemäß § 139b Abs. 4 AO gespeichert, um

1. sicherzustellen, dass eine Person nur eine Identifikationsnummer erhält und eine Identifikationsnummer nicht mehrfach vergeben wird,

2. die Identifikationsnummer eines Steuerpflichtigen festzustellen,

3. zu erkennen, welche Finanzbehörden für einen Steuerpflichtigen zuständig sind,

4. Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- und zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen sind, an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können,

5. den Finanzbehörden die Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen.

89

Für weitere Zwecke dürfen die Daten gemäß § 139b Abs. 5 Satz 1 AO nicht verwendet werden, auch nicht im Wege der Amtshilfe (Schmitz, a.a.O., § 139b Rz 8; Wiese, a.a.O., § 139b Rz 21; Brandis, a.a.O., Erläuterung zu § 139b AO). Die allgemeinen Vorschriften der §§ 14 bis 16 BDSG über die Nutzung und Übermittlung von Daten an öffentliche und nicht öffentliche Stellen sind danach nicht anwendbar (BTDrucks 15/1945, S. 16; Wiese, a.a.O., § 139b Rz 21; Schmitz, a.a.O., § 139b Rz 8; Cöster, a.a.O., § 139b Rz 11). Übermittlungssperren nach dem MRRG und den Meldegesetzen der Länder sind nach § 139b Abs. 5 Satz 2 AO zu beachten und im Fall einer zulässigen Datenübermittlung ebenfalls zu übermitteln. Der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, hat die Übermittlungssperren nach § 139b Abs. 5 Satz 3 AO ebenfalls zu beachten.

90

In dem in § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO geregelten Fall dürfen die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten nur verwendet werden, wenn die Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- und zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen sind, nicht weitergeleitet werden können, weil die zuständige Stelle, für die die Daten bestimmt sind, nicht bekannt ist und nur anhand der in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten ermittelt werden kann. Ist die zuständige Stelle bekannt, ist die Weiterleitung der in Empfang genommenen Daten möglich, ohne dass auf die gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten zurückgegriffen zu werden braucht. § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO bietet auch keine Grundlage für eine Anreicherung der in Empfang genommenen und weiterzuleitenden Daten um Daten, die beim BZSt gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeichert sind, und auch nicht für eine Bekanntgabe der Identifikationsnummer an die zuständige Stelle.

91

Über die in § 139b Abs. 4 AO genannten Zwecke hinaus dürfen die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten gemäß § 139b Abs. 5 Satz 1 AO nach den allgemeinen Regeln über das Verhältnis von Gesetzen zueinander nur verwendet werden, wenn ein Bundesgesetz eine solche Verwendung ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Allgemein gehaltene Vorschriften wie etwa §§ 14 bis 16 BDSG oder Landesrecht (vgl. Art. 31 GG) genügen nicht.

92

Die Beachtung des § 139b Abs. 5 AO durch das BZSt wird dadurch abgesichert, dass die Amtsträger dieser Behörde dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen, dessen Verletzung nach Maßgabe des § 355 StGB strafbar ist. Gleiches gilt für die Amtsträger anderer Finanzbehörden, denen die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten übermittelt werden.

93

fff) Verfassungsrechtlich zulässig ist auch, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung nach § 139b Abs. 3 AO bereits dann erfolgen, wenn eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung. Strikt verboten ist lediglich die Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010  1 BvR 256/08 u.a., BVerfGE 125, 260, 317). Ein solcher Fall ist bei §§ 139a und 139b AO nicht gegeben. Diese Vorschriften bestimmen nämlich den Zweck der Datenspeicherung klar und deutlich und schränken die Verwendung und Weitergabe der gespeicherten Daten entsprechend ein.

94

Eine Beschränkung der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung auf Steuerpflichtige, bei denen bereits eine Steuerschuld entstanden ist, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geboten. Zum einen ist eine zeitnahe Auswertung steuererheblicher Informationen wie etwa von Rentenbezugsmitteilungen (§ 22a EStG) nur dann möglich, wenn diese ohne größeren Ermittlungsaufwand auch noch nicht oder seit längerer Zeit nicht mehr steuerlich erfassten Personen sicher zugeordnet werden können (Wiese, a.a.O., § 139a Rz 16; Schmitz, a.a.O., § 139a Rz 5). Zum anderen wäre es mit einem nicht hinnehmbaren Verwaltungsaufwand verbunden, wenn die Identifikationsnummer erst zugeteilt werden könnte, wenn der Steuerpflichtige eine Steuer schulden würde. Dies müsste nämlich für jeden Steuerpflichtigen erst konkret ermittelt werden. Schließlich kann die Minderjährigen zugeteilte Identifikationsnummer Bedeutung für die zutreffende Ausführung der Vorschriften über den Familienleistungsausgleich erlangen (vgl. oben II.C.3.c aa hhh).

95

Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der ohne konkreten Anlass erfolgenden Datenspeicherung spricht auch, dass die gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten anders als über einen längeren Zeitraum gespeicherte Telekommunikationsverkehrsdaten keine Einblicke in das soziale Umfeld, gesellschaftliche oder politische Zugehörigkeiten, individuelle Aktivitäten sowie persönliche Vorlieben, Neigungen und Schwächen zulassen und auch nicht die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile ermöglichen (zu den Verwendungsmöglichkeiten gespeicherter Telekommunikationsverkehrsdaten vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 125, 260, 319).

96

ggg) Die Schwere der Grundrechtseingriffe steht danach bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe. Die Regelungen der §§ 139a und 139b AO sind geeignet und erforderlich, um die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Die Steuerpflichtigen weniger belastende, aber gleich effektive Alternativen stehen nicht zur Verfügung. Die Klägerin hat ebenfalls keine solchen Alternativen aufgezeigt. Der bloße pauschale Hinweis auf die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der Länder zu verbessern und ein "gerechtes Steuersystem" zu schaffen, genügt nicht. Der Gesetzgeber darf die Verwirklichung des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel berücksichtigen (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 7).

97

4. Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt die Steuerpflichtigen entgegen der Ansicht der Klägerin auch im Übrigen nicht in ihren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten.

98

a) Dies gilt zum einen hinsichtlich der durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Würde des Menschen.

99

aa) Die Würde des Menschen ist der oberste Wert im grundrechtlichen Wertsystem und gehört zu den tragenden Konstitutionsprinzipien. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Alle staatliche Gewalt hat sie zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG). Dem Menschen kommt in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Auch insoweit ist indes die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums zu beachten, wobei allerdings die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleiben muss (BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1979  1 BvR 241/77, BVerfGE 50, 166, 175, und in BVerfGE 117, 71, 89, je m.w.N.).

100

bb) Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt nach diesen Grundsätzen nicht die Würde der Steuerpflichtigen. Sie beruht auf der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Steuerpflichtigen, die nicht zum bloßen Objekt des Staates gemacht werden. Die Subjektqualität der Steuerpflichtigen wird nicht in Frage gestellt, die Eigenständigkeit ihrer Person bleibt gewahrt. Die Verwendung des Namens der Steuerpflichtigen sowohl im steuerlichen Bereich als auch auf allen anderen Gebieten bleibt unberührt. Insbesondere werden Steuerbescheide nach wie vor unter dem Namen der Steuerpflichtigen bekannt gegeben.

101

b) Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung, die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet werden (zum Schutzbereich dieser Grundrechte vgl. z.B. BVerfG-Entscheidungen vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148, 177, und vom 1. Dezember 2009  1 BvR 2857/07 u.a., BVerfGE 125, 39, 78, je m.w.N.). Sie berührt weder die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, noch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten und sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen und zu organisieren. Der Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und für die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet wird auch durch die von der Klägerin beanstandete Art und Weise der elektronischen Übermittlung der Identifikationsnummer nicht beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass die technischen Einzelheiten dieser Übermittlung in §§ 139a und 139b AO nicht geregelt sind und vom FG nicht festgestellt wurden (§ 118 Abs. 2 FGO), sind diese jedenfalls wertneutral und deshalb nicht geeignet, in die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einzugreifen.

102

c) Die Verfassungswidrigkeit der §§ 139a und 139b AO kann auch nicht aus Sicherheitsbedenken abgeleitet werden. Das BZSt hat nach § 5 StIdV die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Verfahrens zu gewährleisten und Anforderungen an die Sicherheit der elektronischen Übermittlung im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik festzulegen. Die Sicherung der Datenübermittlungen der Meldebehörden an das BZSt und dieses Amts an die Meldebehörden ist in § 2 StIdV geregelt. Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines erfolgreichen Hacker-Angriffs auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen.

103

5. Die in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene zusätzliche Datenspeicherung durch das BZSt (vgl. oben II.C.3.c aa bbb) ist ebenfalls verfassungsgemäß. Sie verstößt unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele (Bürokratieabbau innerhalb und außerhalb der Verwaltung, Gleichmäßigkeit der Besteuerung) nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder sonstiges Verfassungsrecht.

104

a) Das BZSt speichert nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 30 FVG zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale unter Angabe der Identifikationsnummer sowie für jeden Steuerpflichtigen die in dieser Vorschrift im Einzelnen aufgeführten Daten zu den in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten hinzu. Abweichend von der bisherigen Fassung des § 39e EStG unterscheidet das Gesetz nunmehr zwischen der Speicherung der Lohnsteuerabzugsmerkmale und weiterer Daten.

105

Nähere Regelungen zu den zu speichernden Lohnsteuerabzugsmerkmalen enthält § 39e Abs. 1 EStG. Gemäß Satz 1 Halbsatz 1 der Vorschrift bildet das BZSt für jeden Arbeitnehmer grundsätzlich automatisiert die Steuerklasse und für die bei den Steuerklassen I bis IV zu berücksichtigenden Kinder die Zahl der Kinderfreibeträge nach § 38b Abs. 2 Satz 1 EStG als Lohnsteuerabzugsmerkmale (§ 39 Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG). Soweit das FA Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39 EStG bildet, teilt es sie nach § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG dem BZSt zum Zweck der Bereitstellung für den automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber mit.

106

Im Einzelnen handelt es sich dabei neben der Steuerklasse (§ 38b Abs. 1 EStG) und den Kinderfreibeträgen nach § 39 Abs. 4 EStG um folgende Lohnsteuerabzugsmerkmale:

- Faktor (§ 39f EStG),

- Freibetrag und Hinzurechnungsbetrag (§ 39a EStG),

- Höhe der Beiträge für eine private Krankenversicherung und für eine private Pflege-Pflichtversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. d EStG) für die Dauer von zwölf Monaten, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt,

- Mitteilung, dass der von einem Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Lohnsteuer freizustellen ist, wenn der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber dies beantragt.

107

Für jeden Steuerpflichtigen speichert das BZSt gemäß § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG

- die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie das Datum des Eintritts und Austritts,

- den melderechtlichen Familienstand sowie den Tag der Begründung oder Auflösung des Familienstands und bei Verheirateten die Identifikationsnummer des Ehegatten,

- Kinder mit ihrer Identifikationsnummer.

108

Während die Lohnsteuerabzugsmerkmale für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs nur auf Veranlassung des Arbeitnehmers gebildet werden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 EStG), erfolgt die in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG für jeden Steuerpflichtigen vorgeschriebene Datenspeicherung unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Arbeitnehmer ist. Würden die Daten nur beim Vorhandensein oder bei der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses gespeichert, wäre dies mit einem nicht hinnehmbaren Verwaltungsaufwand verbunden und könnte auch zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen, wenn dann zunächst der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse VI (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG) vorgenommen werden müsste (Begründung des Regierungsentwurfs des JStG 2008, BTDrucks 16/6290, S. 63; Reuss in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39e EStG Rz 11; Debus in Bordewin/Brandt, § 39e EStG Rz 60).

109

b) Die Datenspeicherung nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG ist verfassungsrechtlich zulässig. Sie dient einem ganz entscheidenden Bürokratieabbau innerhalb und außerhalb der Finanzverwaltung durch Ersatz der bisherigen Lohnsteuerkarten (BTDrucks 16/6290, S. 61 f.; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 1, 10) und zudem gemäß § 39e Abs. 10 EStG der Prüfung und Durchführung der Einkommensbesteuerung (§ 2 EStG) des Steuerpflichtigen für Veranlagungszeiträume ab 2005.

110

aa) Die Speicherung ist erforderlich, um den an die Stelle der Lohnsteuerkarten tretenden, in § 39e Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 in § 52b Abs. 5 Satz 2 EStG vorgesehenen automatisierten Abruf der für den Abzug der Lohnsteuer und der Kirchenlohnsteuer erforderlichen Daten durch den Arbeitgeber zu ermöglichen. Die Identifikationsnummer dient dabei der fehlerfreien Zuordnung dieser Daten (BTDrucks 16/6290, S. 62; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 11; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 46).

111

Einen verfassungsrechtlich legitimierten Gemeinschaftszweck verfolgt die Speicherung der in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Daten auch dadurch, dass diese gemäß § 39e Abs. 10 EStG zur Prüfung und Durchführung der Einkommensbesteuerung (§ 2 EStG) des Steuerpflichtigen für Veranlagungszeiträume ab 2005 verwendet werden können. Danach können sowohl die Einkommensteuerpflicht bisher nicht erfasster Personen als auch die Besteuerung bereits erfasster Personen geprüft werden (Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 20; Friesenhahn in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 39e Rz 25; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 124). Durch die verwaltungsinterne Zusammenfassung vorhandener Mitteilungen zu Besteuerungsgrundlagen können für eine große Zahl von Steuerpflichtigen bürokratische Belastungen durch Anfragen zur Klärung der steuerlichen Verhältnisse oder durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung vermieden werden (Friesenhahn, a.a.O., § 39e Rz 25).

112

bb) Die Speicherung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie des Datums des Eintritts und Austritts beruht auf der Verpflichtung der Arbeitgeber, bei Lohnzahlungen an die Mitglieder solcher Religionsgemeinschaften Kirchenlohnsteuer einzubehalten (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. Februar 1977  1 BvR 33/76, BVerfGE 44, 103), und entspricht der Angabe der Religionszugehörigkeit in den gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 2 EStG a.F. letztmalig für das Kalenderjahr 2010 auszustellenden Lohnsteuerkarten (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. August 2000 VI B 23/99, BFH/NV 2001, 37, und vom 31. Juli 2002 VI B 25/02, nicht veröffentlicht --n.v.--). In der verpflichtenden Angabe auf der Lohnsteuerkarte, dass der Steuerpflichtige einer Kirchensteuer erhebenden Religionsgemeinschaft angehört oder nicht, liegt auch keine Verletzung von Art. 9 (Recht auf Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit) und Art. 8 (Recht auf Achtung des Privatlebens und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Februar 2011  12884/03, n.v.). Entsprechendes gilt auch für die Datenspeicherung beim BZSt.

113

cc) Die Datenspeicherung nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG erfolgt von bestimmten Korrekturpflichten abgesehen (vgl. dazu unten II.C.5.b dd), ohne dass die Steuerpflichtigen zur Offenlegung von Daten gegenüber dem BZSt verpflichtet werden. Gespeichert werden vielmehr zum einen die gemäß § 39e Abs. 1 Satz 1 EStG automatisiert gebildeten Lohnsteuerabzugsmerkmale sowie die von den Finanzämtern nach § 39 EStG gebildeten und gemäß § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG dem BZSt mitgeteilten Lohnsteuerabzugsmerkmale und zum anderen die dem BZSt nach § 39e Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG von den Meldebehörden mitgeteilten Daten.

114

dd) Die Datenspeicherung erfolgt auch nicht heimlich, sondern ergibt sich nach Rechtsgrundlage und Umfang konkret aus dem Gesetz. Rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der ELStAM für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs informiert das FA nach § 52b Abs. 9 Satz 1 EStG den Arbeitnehmer über die für ihn zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale zu diesem Zeitpunkt gebildeten ELStAM. Mit der Information wird der Arbeitnehmer gemäß § 52b Abs. 9 Satz 2 Halbsatz 1 EStG aufgefordert, dem zuständigen FA etwaige gewünschte Änderungen oder Berichtigungen mitzuteilen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Korrekturen vornehmen zu lassen, ergibt sich aus § 39e Abs. 6 Satz 5 EStG sowie für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 aus § 52b Abs. 9 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG. Spätere Änderungen der ELStAM werden dem Arbeitnehmer bekannt durch ihre Angabe auf der Lohnabrechnung (§ 39e Abs. 6 Satz 3 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 § 52b Abs. 6 Satz 2 EStG) und durch Mitteilung des FA auf Antrag/Anfrage (§ 39e Abs. 6 Satz 4 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 § 52b Abs. 8 Satz 1 EStG). Korrekturpflichten des Arbeitnehmers ergeben sich insoweit aus § 39e Abs. 6 Satz 5 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 aus § 52b Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 EStG.

115

ee) Der Schutz der nach § 39e Abs. 2 EStG gespeicherten Daten ist durch folgende Vorschriften hinreichend gewährleistet:

116

aaa) Die Daten unterliegen dem Steuergeheimnis (§ 30 AO), das durch § 355 StGB strafrechtlich abgesichert ist.

117

bbb) Der Steuerpflichtige kann nach § 39e Abs. 6 Satz 6 EStG beim zuständigen FA den Arbeitgeber benennen, der zum Abruf von ELStAM berechtigt ist (Positivliste) oder nicht berechtigt ist (Negativliste) oder die Bildung oder die Bereitstellung der ELStAM allgemein sperren oder allgemein freischalten lassen. Eine allgemeine Sperrung wird insbesondere für Steuerpflichtige in Betracht kommen, die weder Arbeitnehmer sind noch voraussichtlich in absehbarer Zeit werden.

118

ccc) Der Datenabruf steht nur Arbeitgebern zu (§ 39e Abs. 3 Satz 1 EStG). Für den Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale hat sich der Arbeitgeber nach § 39e Abs. 4 Satz 3 EStG zu authentifizieren und seine Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) sowie die in § 39e Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Daten mitzuteilen (Identifikationsnummer und Tag der Geburt des Arbeitnehmers, Angabe, ob es sich um das erste oder ein weiteres Dienstverhältnis handelt, Tag des Beginns des Dienstverhältnisses, etwaige Angaben zum Abruf eines nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG festgestellten Freibetrags). Ist die Wirtschafts-Identifikationsnummer noch nicht oder nicht vollständig eingeführt, tritt bei der Authentifizierung des Arbeitgebers gemäß § 39e Abs. 9 EStG an ihre Stelle die Steuernummer der Betriebsstätte oder des Teils des Betriebs des Arbeitgebers, in dem der für den Lohnsteuerabzug maßgebende Arbeitslohn des Arbeitnehmers ermittelt wird (§ 41 Abs. 2 EStG). Ein Dritter, der vom Arbeitgeber mit der Durchführung des Lohnsteuerabzugs beauftragt wird, hat sich nach § 39e Abs. 4 Satz 6 EStG für den Datenabruf ebenfalls zu authentifizieren und zusätzlich seine Wirtschafts-Identifikationsnummer mitzuteilen.

119

ddd) Das BZSt hält gemäß § 39e Abs. 3 Satz 1 EStG nur die für die sichere Identifizierung des Arbeitnehmers und die zutreffende Ermittlung der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer erforderlichen Daten des Arbeitnehmers zum automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber bereit, nämlich die Identifikationsnummer, den Tag der Geburt, Merkmale für den Kirchensteuerabzug und die Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39 Abs. 4 EStG. Dadurch wird einem unzulässigen Datenabruf vorgebeugt. Angaben zu Namen und Anschrift des Arbeitnehmers werden vom BZSt nämlich nicht zum Abruf bereitgestellt (BTDrucks 16/6290, S. 63; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 12; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 68). Ein Arbeitgeber, der nur die Identifikationsnummer und das Geburtsdatum einer Person kennt, kann daher nicht durch einen Abruf beim BZSt ermitteln, um welche Person es sich dabei handelt.

120

eee) Da das BZSt die ELStAM des Arbeitnehmers gemäß § 39e Abs. 3 Satz 4 EStG zum Zweck ihrer Bereitstellung nach § 39e Abs. 3 Satz 1 EStG mit der Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) des Arbeitgebers zusammenführt, sind sie für die Dauer des Dienstverhältnisses gesperrt und können von anderen Arbeitgebern nicht abgerufen werden (BTDrucks 16/6290, S. 64; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 12; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 73). Bezieht ein Arbeitnehmer nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn, so sind vielmehr für jedes weitere Dienstverhältnis gesonderte ELStAM zu bilden (§ 39e Abs. 3 Satz 2 EStG), die auf die in diesem Fall für die weiteren Dienstverhältnisse maßgebende Steuerklasse VI (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG) zugeschnitten sind (Friesenhahn, a.a.O., § 39e Rz 4).

121

fff) Für die Verwendung der ELStAM gelten nach § 39e Abs. 4 Satz 7 EStG die Schutzvorschriften des § 39 Abs. 8 und 9 EStG sinngemäß. Der Arbeitgeber darf demgemäß die ELStAM nur für die Einbehaltung der Lohn- und Kirchensteuer verwenden. Er darf sie ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur offenbaren, soweit dies gesetzlich zugelassen ist (§ 39 Abs. 8 Sätze 1 und 2 EStG). Dies gilt nicht nur gegenüber anderen Privatpersonen oder Unternehmen, sondern auch gegenüber Behörden und den Sozialversicherungsträgern (Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 87). Wer vorsätzlich oder leichtfertig ein Lohnsteuermerkmal entgegen § 39 Abs. 8 EStG verwendet, handelt gemäß § 39 Abs. 9 Satz 1 EStG ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 39 Abs. 9 Satz 2 EStG mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € geahndet werden. Außerdem können Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bestehen (Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 88, m.w.N.).

122

ggg) Die Höhe der Beiträge für eine private Krankenversicherung und für eine private Pflege-Pflichtversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. d EStG) werden vom BZSt nur dann nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG gespeichert, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt. Nur in diesem Fall handelt es sich nämlich gemäß § 39 Abs. 4 Nr. 4 EStG um ein Lohnsteuerabzugsmerkmal, das das FA dem BZSt nach § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG mitzuteilen hat. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass insoweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen bestehen kann.

123

6. Die in § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der am 14. Dezember 2011 in Kraft getretenen Fassung vorgeschriebene zusätzliche Datenspeicherung durch das BZSt (vgl. oben II.C. vor 1. und 3.c aa iii) ist ebenfalls verfassungsgemäß. Sie verstößt weder gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch gegen sonstiges Verfassungsrecht.

124

a) Das BZSt speichert nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG unabhängig von und zusätzlich zu den in § 139b Abs. 3 AO genannten und nach § 39e EStG gespeicherten Daten des Steuerpflichtigen den Kirchensteuersatz der steuererhebenden Religionsgemeinschaft des Kirchensteuerpflichtigen sowie die ortsbezogenen Daten, mit deren Hilfe der Kirchensteuerpflichtige seiner Religionsgemeinschaft zugeordnet werden kann. Die Daten werden als automatisiert abrufbares Merkmal für den Kirchensteuerabzug bereitgestellt (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

125

Der zur Vornahme des Steuerabzugs vom Kapitalertrag Verpflichtete (Kirchensteuerabzugsverpflichteter) hat nach näherer Maßgabe des § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Sätze 1 und 2 EStG beim BZSt durch Regelabfrage oder Anlassabfrage unter Angabe der Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer anzufragen, ob dieser kirchensteuerpflichtig ist. Ist dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer nicht bereits bekannt, kann er sie gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG beim BZSt anfragen. In der Anfrage dürfen nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zur möglichst weitgehenden Wahrung des Datenschutzes nur die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten des Schuldners der Kapitalertragsteuer angegeben werden, soweit sie dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten bekannt sind. Das BZSt teilt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 5 EStG mit, sofern die übermittelten Daten mit den nach § 139b Abs. 3 AO beim BZSt gespeicherten Daten übereinstimmen.

126

Auf die Anfrage nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 1 oder 2 EStG hin teilt das BZSt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 3 EStG die rechtliche Zugehörigkeit des Schuldners der Kapitalertragsteuer zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft und den für die Religionsgemeinschaft geltenden Kirchensteuersatz zum Zeitpunkt der Anfrage als automatisiert abrufbares Merkmal mit. Im Falle einer am Stichtag oder im Zuflusszeitpunkt bestehenden Kirchensteuerpflicht hat der Kirchensteuerabzugsverpflichtete nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG den Kirchensteuerabzug für die steuererhebende Religionsgemeinschaft durchzuführen und den Kirchensteuerbetrag an das für ihn zuständige FA abzuführen. Die Vorschriften des § 45a Abs. 1 EStG über die Anmeldung der Kapitalertragsteuer gelten entsprechend (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). In der Steueranmeldung sind die nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG einbehaltenen Kirchensteuerbeträge für jede steuererhebende Religionsgemeinschaft jeweils als Summe anzumelden (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 EStG).

127

b) Diese Regelungen unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der durch das GG gebotene Datenschutz wird hinreichend gewährleistet.

128

aa) Der Schuldner der Kapitalertragsteuer kann zum einen wie bereits bisher (§ 51a Abs. 2c Satz 1 EStG a.F. und § 51a Abs. 2d EStG) wählen, ob die Kirchensteuer auf Kapitalerträge bereits vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten abgezogen oder erst nach Ablauf des Kalenderjahres aufgrund einer entsprechenden Erklärung veranlagt wird. Die Einbehaltung der Kirchensteuer von den Kapitalerträgen hängt zwar nicht mehr von einem Antrag des Kirchensteuerpflichtigen ab. Der Kirchensteuerpflichtige kann aber nach § 51a Abs. 2e Sätze 1 und 2 EStG unter Angabe seiner Identifikationsnummer beim BZSt schriftlich oder in einem anderen vom BZSt zur Verfügung gestellten sicheren Verfahren beantragen, dass der automatisierte Datenabruf seiner rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft bis auf schriftlichen Widerruf unterbleibt (Sperrvermerk). Der Kirchensteuerpflichtige ist dann zur Abgabe einer Steuererklärung zum Zwecke der Veranlagung der Kirchensteuer nach § 51a Abs. 2d Satz 1 EStG verpflichtet (§ 51a Abs. 2e Satz 3 EStG).

129

Um die der Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) dienende Möglichkeit, den Sperrvermerk zu beantragen, effektiv auszugestalten, verpflichtet § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG den Kirchensteuerabzugsverpflichteten dazu, den Schuldner der Kapitalertragsteuer rechtzeitig vor einer Regel- oder Anlassabfrage auf die bevorstehende Datenabfrage sowie das Antragsrecht nach § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG schriftlich oder in anderer geeigneter Form hinzuweisen. Der Hinweis hat individuell zu erfolgen (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 5 EStG). Ein allgemeiner Hinweis etwa durch einen Aushang von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügt nicht. Der Hinweis auf die Abfrage der Daten beim BZSt und der Hinweis auf das Antragsrecht müssen in einer Mitteilung verbunden werden. Die Hinweise müssen so rechtzeitig gegeben werden, dass das BZSt den beantragten Sperrvermerk noch vor der Datenabfrage in seine Daten einpflegen kann (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des BeitrRLUmsG, BTDrucks 17/7524, S. 18 f.). Gehört der Schuldner der Kapitalertragsteuer keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an oder hat er dem Abruf von Daten zur Religionszugehörigkeit widersprochen (Sperrvermerk), so teilt das BZSt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten zur Religionszugehörigkeit einen neutralen Wert (Nullwert) mit (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 6 EStG). Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete hat die vorhandenen Daten zur Religionszugehörigkeit unverzüglich zu löschen, wenn ein Nullwert übermittelt wurde (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 7 EStG). Auch diese Regelung dient dem Datenschutz.

130

bb) Macht der Schuldner der Kapitalertragsteuer von der Möglichkeit, den Sperrvermerk zu beantragen, keinen Gebrauch, wird durch entsprechende Vorschriften gewährleistet, dass der Grundrechtseingriff auf das erforderliche Maß beschränkt bleibt. Nach § 51a Abs. 2c Satz 2 EStG sind die Daten gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Dies dient der Datensicherheit im Rahmen des technisch Möglichen. Gemäß § 51a Abs. 2c Sätze 8 bis 10 EStG darf der Kirchensteuerabzugsverpflichtete die von ihm für die Durchführung des Kirchensteuerabzugs erhobenen Daten ausschließlich für diesen Zweck verwenden. Er hat organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass ein Zugriff auf diese Daten für andere Zwecke gesperrt ist. Für andere Zwecke dürfen der Kirchensteuerabzugsverpflichtete und die beteiligte Finanzbehörde die Daten nur verwenden, soweit der Kirchensteuerpflichtige zustimmt oder dies gesetzlich zugelassen ist.

131

7. §§ 139a und 139b AO sind auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie es den Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, im Einzelfall auf Antrag von der Zuteilung der Identifikationsnummer und der dazu erfolgenden Speicherung und Weitergabe von Daten befreit zu werden. Eine solche Möglichkeit braucht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht eingeräumt zu werden. Die vom Gesetzgeber mit der Einführung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung verfolgten Ziele können nur dann ohne Einschränkung erreicht werden, wenn ausnahmslos alle Steuerpflichtigen in die Regelungen einbezogen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) berechtigt ist, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2004 gegründete GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin sind die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Einziger Kommanditist der Klägerin ist A.

3

Die Klägerin vermietet Betriebsgrundstücke an verbundene Unternehmen und erwirtschaftete in den Jahren 2005 bis 2008 einen Gewinn in einer Höhe von jeweils mehr als ... €. Sie erstellte ihre Buchführung handschriftlich mit einem sog. "amerikanischen Journal".

4

Mit Schreiben des A, eines ..., beantragte die Klägerin unter dem 12. Dezember 2004 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben und begründete dies wie folgt:

5

"Umsatzsteuervoranmeldung 2005

für Steuernummer: ...

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich a) aus technischer Sicht, b) aus persönlichen Gründen nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen.

Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem PC umzugehen [...]".

6

Den Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 ab.

7

Der Einspruch vom 25. Dezember 2004, in dem A u.a. auf sein Alter von ... Jahren, auf das Fehlen eines Internetzugangs, auf seine mangelnde Fähigkeit zur Nutzung des Internets, auf den Umstand, dass es sich um ein "neues Unternehmen" handele, welches "noch anlaufen" müsse sowie darauf verwiesen hatte, dass voraussichtlich nur ca. 150 Buchungssätze pro Jahr anfallen würden und dass die Buchführung in Form eines "amerikanischen Journals" erstellt werde, so dass ein technischer Anschluss "völlig überdimensioniert" wäre, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 führt das FA zur Begründung aus:

8

"[...] Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer

 -

finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder

-

kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder

-

in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt.

Keines dieser Merkmale trifft jedoch zu. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft zu einem Konzern gehört. Der Konzern --zu welchem die Efin gehört-- unterhält nach den vorliegenden Wirtschaftsprüfungsberichten eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die anfallenden Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst werden. Mehrere der Konzerngesellschaften unterhalten zudem eine Internetpräsenz. Finanzielle Investitionen müssten --wenn überhaupt-- nur in sehr geringem Umfang getätigt werden. Dies ist der Efin finanziell zuzumuten und verstößt gegen keinerlei Übermaßverbot. Die Einwendung, die Übermittlung von Steuerdaten mit der ELSTER-Software sei nicht sicher, ist unberechtigt [...]".

9

Auf die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag, das FA zu verpflichten, ihr zu gestatten, Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abgeben zu dürfen, verpflichtete das Finanzgericht (FG) das FA, den Antrag der Klägerin vom 12. Dezember 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG neu zu bescheiden.

10

Die Klägerin habe nach der ab 1. Januar 2009 geltenden und im Streitfall maßgebenden Rechtslage keinen Anspruch, von der Verpflichtung befreit zu werden, Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form abzugeben. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form nach § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) liege innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Weder das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Hard- und Software noch das geltend gemachte Alter der Geschäftsführer A und B oder die vorgebrachten generellen Sicherheitsbedenken gegen die Abgabe elektronischer Steueranmeldungen führten zu einem Anspruch auf Befreiung nach § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 der Abgabenordnung (AO).

11

Das FA sei aber zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 12. Dezember 2004 zu verpflichten, weil es von dem ihm durch § 18 Abs. 1 UStG eingeräumten Ermessen nicht i.S. des § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Es habe die Ermessensentscheidung nicht aufgrund einer erschöpfenden Ermittlung des Sachverhalts getroffen und die Ermessensentscheidung nicht mit einer hinreichenden Begründung (§ 121 Abs. 1 AO) versehen. Das FA habe in seiner Einspruchsentscheidung pauschal auf eine "Konzernstruktur" verwiesen, in die die Klägerin eingebunden gewesen sei, ohne die "Konzerngesellschaften" zu bezeichnen oder in sonstiger Weise darzulegen, welche Verflechtungen seiner Ermessenserwägung zugrunde lagen. Außerdem fehlten jegliche Erwägungen zu Umsätzen und Gewinnen der Klägerin oder anderer mit der Klägerin verbundener Unternehmen. Zwar habe der Beklagte im Klageverfahren Konkretisierungen vorgenommen, allerdings überschreite dieses Nachholen den Rahmen des § 102 Satz 2 FGO, so dass der Ermessensfehler nicht geheilt werden könne.

12

Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 277.

13

Mit ihrer durch das FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG gehe unzutreffend von der Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 1 UStG, § 150 Abs. 8 AO aus. Der Gesetzgeber könne dem Unternehmer nicht vorschreiben, wie er den notwendigen Schriftwechsel mit den Finanzbehörden zu führen habe. Dies stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Grundrechte aus Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) dar.

14

Jedenfalls verneine das FG unzutreffend eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen einer ggf. durchzuführenden Härtefallprüfung. Im Jahr 2008 habe das von ihr verwendete amerikanische Journal lediglich 30 Buchungen ausgewiesen. Lediglich in vier Fällen habe sich eine Umsatzsteuer ergeben. Aus drei Geschäftsvorfällen habe sich zusammen ein Betrag von ... € Vorsteuer ergeben. Im Jahr 2009 seien fünf Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht worden, aus denen sich eine Zahllast ergeben habe. Die übrigen sieben Umsatzsteuer-Voranmeldungen hätten "Null-Meldungen" enthalten. Sie verfüge nicht über die technischen Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung und sei auch nicht verpflichtet, diese zu schaffen. Außerdem bestehe die Gefahr von Virenverseuchung und unberechtigten Zugriffen auf ihre Buchhaltung über das Internet.

15

Im Übrigen sei der Zwang zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auch dann unverhältnismäßig und unzumutbar, wenn der Steuerpflichtige nicht mit dem elektronischen Datenverkehr vertraut sei und nicht über hinreichende Medienkompetenz verfüge. Dies sei bei den Geschäftsführern A und B der Fall. Auf die weiteren Geschäftsführer C und D könne nicht abgestellt werden. Diese seien "lediglich formal als solche bestellt" und nur wegen des Alters von A und B zu Geschäftsführern berufen worden. Tatsächlich nähmen die Kinder C und D --aus unterschiedlichen Gründen-- keine Geschäftsführertätigkeit wahr.

16

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 21. Dezember 2004 sowie der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 unbefristet zu verpflichten, ihrem Antrag, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform abgeben zu dürfen, zu entsprechen.

17

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

18

Es ist der Auffassung, § 18 Abs. 1 UStG und § 150 Abs. 8 AO verstießen nicht gegen das Grundgesetz.

19

Ein Anspruch nach § 150 Abs. 8 AO auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform scheide aus. Der finanzielle Aufwand für den Erwerb eines Computers sei für die Klägerin unerheblich. Darüber hinaus könne die Klägerin auf die Nutzung des Internets durch den Unternehmensverbund der X-KG zurückgreifen. Die X-KG, an deren Vermögen A zu 50 % beteiligt sei, unterhalte eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die angefallenen Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst würden. Mehrere Gesellschaften des von der X-KG beherrschten Unternehmensverbunds hätten eine Internetpräsenz in Form einer Homepage.

20

Alter und Hinweis auf mangelnde Computererfahrung einzelner von mehreren Geschäftsführern der Komplementärin der Klägerin führten ebenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vielmehr seien dies lediglich Aspekte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen seien, wobei auch in Betracht gezogen werden könne, dass gemäß § 34 Abs. 1 AO grundsätzlich jeder Geschäftsführer einer GmbH deren steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen habe.

Entscheidungsgründe

21

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin vom FA neu zu bescheiden ist.

22

1. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu Recht unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ab dem 1. Januar 2009) geltenden Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG und des § 150 Abs. 8 AO beurteilt.

23

a) Die Verpflichtung, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln, war zum 1. Januar 2005 durch § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. eingeführt worden. Nach dieser Vorschrift hatte der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (StDÜV) zu übermitteln ...; auf Antrag konnte das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.

24

b) § 18 Abs. 1 UStG wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz) vom 20. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2850) neu gefasst (Art. 8 Nr. 2 Buchst. a, Art. 17 des Steuerbürokratieabbaugesetzes). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung (DFÜ) nach Maßgabe der StDÜV zu übermitteln ... Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf Antrag auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben.

25

Hierzu bestimmt der zeitgleich eingeführte § 150 Abs. 8 AO (Art. 10 Nr. 4, Art. 17 des Steuerbürokratieabbaugesetzes): "Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen."

26

c) Bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juli 1992 VII R 28/91, BFH/NV 1993, 440, unter 2.b; vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184, unter II.2.b aa; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 24. Juni 2004  2 C 45/03, BVerwGE 121, 140, unter 1.a, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 101 FGO Rz 25 f., m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 101 FGO Rz 8; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rz 102).

27

Dies gilt auch bei Ermessensentscheidungen, wenn --wie hier-- eine Ermessensreduzierung auf Null geltend gemacht wird (vgl. BVerwG-Urteil vom 21. Januar 1992  1 C 49/88, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1992, 1211; Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 235 ff., 242; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 101 FGO Rz 8, m.w.N.; Wagner, EFG 2010, 280, 281; Wolff in Sodan/ Ziekow, a.a.O., § 113 Rz 113). Eine solche Verpflichtung kann nur ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung des FA besteht (vgl. Lange in HHSp, § 101 FGO Rz 25, m.w.N.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 5 AO Rz 77, m.w.N.; Wagner, EFG 2010, 280, 281).

28

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung in § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO verfassungsgemäß (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. März 2009  5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.; FG Hamburg, Urteil vom 9. November 2009  2 K 65/08, nicht veröffentlicht --n.v.--, rkr.; Drüen/ Hechtner, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 821, 822; Heß in Weimann/Lang, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; Maunz in Hartmann/ Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 50; Wagner, EFG 2010, 280, 282; wohl auch Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 18 Rz 224; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz 11; Leonard in Bunjes, UStG, 10. Aufl., § 18 Rz 4; Schmid in Offerhaus/Söhn/Lange, § 18 UStG Rz 24). Die Regelung liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und wahrt insbesondere die Verhältnismäßigkeit.

29

a) Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG dient verfassungsrechtlich legitimen Zielen.

30

aa) Die online übermittelte elektronische Steuererklärung bietet der Finanzverwaltung den großen Vorteil, die vom Steuerpflichtigen bzw. von dessen Berater bereits erfassten elektronischen Daten unmittelbar weiterverarbeiten zu können. Neben der Verwaltungsvereinfachung und der administrativen Kostenersparnis verbessert die elektronische Übermittlung offenkundig die Überprüfungsmöglichkeiten von Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Finanzverwaltung und beschleunigt die Auswertung (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822; Seer in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 150 AO Rz 36 i.V.m. § 85 AO Rz 33 ff.).

31

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Sicherstellung der von Art. 3 Abs. 1 GG verlangten Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654; vom 9. März 2004  2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 115, BStBl II 2005, 56) und auch bei der Gewährleistung einer effektiven, möglichst wirtschaftlichen und einfachen Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) um gewichtige öffentliche Belange handelt (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2011 X R 18/09, BStBl II 2012, 129, unter B.II.1.c cc (3) - Rz 67 -; vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, unter II.C.3.c aa - Rz 47 - und II.C.3.c bb ggg - Rz 96 -).

32

Die Automatisierung und maschinelle Bearbeitungsfähigkeit der Steueranmeldungen sind in besonderem Maße geeignet, die Verwirklichung der genannten Belange zu fördern.

33

(1) Hängt die Festsetzung einer Steuer --wie vorliegend-- von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.I.2.; in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.).

34

(2) Dabei kommt insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer der Bekämpfung des Steuerbetrugs besondere Bedeutung zu (vgl. z.B. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822; Mattes, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 689; Ammann, UR 2009, 372; Kemper, UR 2009, 751; Pahne, UR 2011, 247). So wird beispielsweise in dem Bericht des Bundesrechnungshofs vom 3. September 2003 über Steuerausfälle bei der Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermeidung davon ausgegangen, dass dem Fiskus zum damaligen Zeitpunkt durch nationale und internationale Betrugsdelikte im Bereich der Umsatzsteuer jährlich zweistellige Milliardenbeträge entgehen (BTDrucks 15/1495, 3). Ebenso ergibt sich aus dem Gemeinsamen Bericht des Bundesrechnungshofs und der Rechnungshöfe von Belgien und den Niederlanden zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug vom 12. März 2009 die Notwendigkeit eines schnelleren Datenaustauschs der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten (www.bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/sonderberichte).

35

cc) Auch das Unionsrecht sieht die Befugnis der Mitgliedstaaten vor, die Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg vorzuschreiben (vgl. Art. 22 Abs. 4 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern; Art. 250 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1--).

36

b) § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BStBl II 2012, 129, unter B.II.1.c cc - Rz 62 ff.-).

37

aa) Der Gesetzgeber hat die Frage der Zumutbarkeit gesehen und ihr durch die sog. Härtefallregelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG Rechnung getragen.

38

bb) Zudem haben die Finanzbehörden in den Fällen des § 150 Abs. 8 AO abweichend von § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG keinen Ermessensspielraum. Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien wurde durch § 150 Abs. 8 AO "in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen" (vgl. BTDrucks 16/10940, 10) der nach den Einzelsteuergesetzen bestehende Ermessensspielraum bei der Entscheidung über einen Härtefallantrag in den in § 150 Abs. 8 AO aufgeführten Fällen (wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit) --zu Gunsten der Steuerpflichtigen-- beseitigt und ein Anspruch auf Befreiung begründet (vgl. BTDrucks 16/10910, 1; BTDrucks 16/10940, 10; Heuermann in HHSp, § 150 Rz 53). § 150 Abs. 8 AO konkretisiert bestimmte Härtefälle und verdichtet in Fällen der wirtschaftlichen oder persönlichen Unzumutbarkeit den nach den Einzelsteuergesetzen bestehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Befreiungsantrag zu einem Anspruch auf Befreiung.

39

(1) § 150 Abs. 8 AO, der in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Steuerbürokratieabbaugesetz vom 2. September 2008 (BTDrucks 16/10188) noch nicht enthalten war, ist aufgrund der Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 12. November 2008 in den Gesetzentwurf aufgenommen worden (BTDrucks 16/10910).

40

Der Finanzausschuss empfahl darin "insbesondere, den Gesetzentwurf dahingehend zu ändern, dass in bestimmten Härtefällen ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung in Papierform besteht" (vgl. BTDrucks 16/10910, 1).

41

(2) Im Bericht des Finanzausschusses vom 13. November 2008 wird das Anliegen des Antrags allgemein vorgestellt (BTDrucks 16/10940, 3):

42

Danach ermögliche es § 150 Abs. 8 AO "denjenigen, die nicht über die technischen Voraussetzungen verfügen, weiterhin Daten auf Papierbasis zu übermitteln." Die Regelung sei so weit gefasst, dass eine ungerechtfertigte Versagung einer Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen sei. Gegen die Möglichkeit der tatsächlichen Freiwilligkeit der elektronischen Datenübermittlung habe man sich entschieden, da man zu der Auffassung gekommen sei, dass die Nutzung der von der Steuerbehörde aufgebauten Infrastruktur im wirtschaftlich notwendigen Ausmaß nur durch die verpflichtende Einführung der elektronischen Datenübermittlung sichergestellt sei. Um dennoch jede Form von Unbilligkeit zu vermeiden, habe man sich auf eine großzügige Ausnahmeregelung ohne Notwendigkeit eines förmlichen Antrags geeinigt. Auch Schwierigkeiten mit der Kapazität der Datenleitungen insbesondere im ländlichen Raum führten zur Erzielung einer Ausnahmegenehmigung.

43

(3) Weiter wird § 150 Abs. 8 AO wie folgt im Einzelnen dargestellt (BTDrucks 16/10940, 10):

44

"Die Finanzbehörden können nach den einschlägigen Regelungen der Steuergesetze (z.B. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG, § 14a Satz 2 GewStG oder § 181 Abs. 2a AO) zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten. § 150 Abs. 8 AO bestimmt in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen, dass dem Antrag zu entsprechen ist, wenn die Härte darin besteht, dass dem Steuerpflichtigen die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung wirtschaftlich oder persönlich nicht zuzumuten ist. In diesen Fällen haben die Finanzbehörden abweichend von den einzelgesetzlichen Regelungen keinen Ermessensspielraum.

45

Einem Steuerpflichtigen ist die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung insbesondere nicht zuzumuten, wenn er nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand möglich wäre, die für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mittels Datenfernübertragung erforderlichen technischen Möglichkeiten zu schaffen. Eine unbillige Härte ist darüber hinaus anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten einer Datenfernübertragung zu nutzen. In der Praxis dürften diese Voraussetzungen insbesondere bei Kleinstbetrieben gegeben sein."

46

c) Die in § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Anordnung begegnet unter Berücksichtigung der Regelungen in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und in § 150 Abs. 8 AO keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

47

aa) Der Einwand der Klägerin, die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verpflichte den Unternehmer, Umsatzsteuer-Voranmeldungen "nur" noch auf elektronischem Weg zu übermitteln, greift zu kurz.

48

Denn die Vorschriften des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und des § 150 Abs. 8 AO bieten bei sachgerechter, die Vorstellungen des Gesetzgebers berücksichtigender Anwendung hinreichend Gewähr, dass etwaige Härten im Einzelfall vermieden werden.

49

bb) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien kann, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € beträgt. Wird diese Befreiung erteilt (vgl. dazu Abschn. 18.2. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--) entfällt somit auch die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung.

50

Unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das Finanzamt den Unternehmer von der Abgabe von Voranmeldungen befreien, z.B. wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht (Abschn. 18.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

51

3. Im Ergebnis zu Recht hat das FG entschieden, dass sich ein Anspruch der Klägerin darauf, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Papierform) abgeben zu dürfen, nicht aus § 150 Abs. 8 AO ergibt.

52

Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass der Klägerin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch DFÜ wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO), liegt nicht vor.

53

a) Wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO ist gegeben, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine DFÜ nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 1 AO).

54

Davon kann im Streitfall schon angesichts der von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne (in den Jahren 2005 bis 2008 jeweils mehr als ... €) nicht ausgegangen werden. Sie trägt selbst vor, dass für den Zugang zum Internet in der heutigen Zeit nur ein unerheblicher finanzieller Aufwand erforderlich sei. Soweit sie darauf hinweist, bei der Frage des finanziellen Aufwands dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass für einen internetfähigen Computer GEZ-Gebühren erhoben würden, wäre dies im Streitfall jedenfalls angesichts der Höhe der Gewinne der Klägerin unbeachtlich.

55

aa) Zwar wurde zu § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. die Ansicht vertreten, die Vorschrift umfasse nicht die Pflicht des Unternehmers, sich zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Wege Hard- und Software (erst) anschaffen zu müssen (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 10. März 2005 II 51/05, EFG 2005, 992; Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2009, 1069, rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824; Seer, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft 31 [2008], 7, 23; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG Rz 53).

56

Diese Ansicht konnte sich auf die Gesetzesbegründung zu § 18 Abs. 1 UStG a.F. stützen, wonach dem Härtefallantrag insbesondere dann stattzugeben sei, wenn der Unternehmer nicht über die technischen Voraussetzungen verfüge, die für die Übermittlung nach der StDÜV eingehalten werden müssten (BTDrucks 15/1798, 13; BTDrucks 15/1945, 14).

57

bb) § 150 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Alternative 1 AO stellt jedoch für einen Anspruch auf Befreiung nicht auf das Vorhandensein technischer Ausstattung ab, sondern darauf, ob die "Schaffung" der technischen Möglichkeiten für eine DFÜ für den Unternehmer nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

58

Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass im Rahmen des § 150 Abs. 8 AO bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit der Anschaffung allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung der Voranmeldungen erforderlichen Technik keinen Anspruch i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO auf Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen in elektronischer Form begründet (ebenso Wagner, EFG 2010, 280, 282; a.A. Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 150 Rz 21; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO Rz 43, jedoch ohne auf den Wortlaut des § 150 Abs. 8 Satz 2 AO näher einzugehen).

59

Dies bedeutet aber nicht, dass die Frage der vorhandenen technischen Ausstattung nicht im Rahmen der Ermessensausübung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berücksichtigen wäre (s. unter II.4.b dd).

60

b) Der Klägerin ist die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg auch nicht i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO aus persönlichen Gründen unzumutbar.

61

aa) Persönliche Unzumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der DFÜ zu nutzen (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 2 AO).

62

bb) Diese Voraussetzung ist zwar gegeben, wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann (vgl. Heuermann in HHSp, § 150 FGO Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO Rz 43; Klein/Rätke, a.a.O., § 150 Rz 21; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 150 Rz 40). Darauf beruft sich die Klägerin aber ohne Erfolg.

63

(1) Die Klägerin ist eine KG (§ 161 des Handelsgesetzbuchs --HGB--). Sie wird durch die Komplementär-GmbH und diese durch ihre vier Geschäftsführer A, B, C und D vertreten. Zu Recht weist das FG darauf hin, dass Alter und mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner von mehreren Geschäftsführern grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Anspruch auf Befreiung i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO zu begründen.

64

Denn bei einer KG haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 34 Abs. 1 AO). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH, haben deren Geschäftsführer (§ 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 34 Abs. 1 AO) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen. Zu diesen Pflichten gehört es auch, Steuererklärungen abzugeben (vgl. Boeker in HHSp, § 34 AO Rz 45; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 AO Rz 19).

65

(2) Sind --wie hier-- mehrere gesetzliche Vertreter einer GmbH bestellt, so trifft jeden von ihnen gemäß § 34 Abs. 1 AO, § 35 GmbHG die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, d.h. grundsätzlich jeder von ihnen hat auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH auferlegt sind (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776; vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, BStBl II 1998, 761).

66

Als Geschäftsführer der GmbH trifft deshalb auch C und D die Verpflichtung, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch DFÜ nach Maßgabe der StDÜV zu übermitteln (§ 34 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Unerheblich sind die Einwände der Klägerin, C und D seien lediglich formal bestellt (vgl. Boeker in HHSp, § 34 AO Rz 54, m.w.N.) und private Gründe hinderten C und D an der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht über die für eine DFÜ notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, sind weder vorgetragen noch anderweitig zu erkennen.

67

c) Sonstige Gründe, aus denen sich im Streitfall aus § 150 Abs. 8 Satz 1 AO außerhalb der in § 150 Abs. 8 Satz 2 AO formulierten Regelbeispiele ("insbesondere") ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck ergeben könnte, sind durch das FG nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich.

68

Sie können insbesondere nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenübertragung nach Maßgabe der --aufgrund der Ermächtigung in § 150 Abs. 6 AO erlassenen-- StDÜV i.d.F. der Änderungsverordnung vom 20. Dezember 2006, BGBl I 2006, 3380 (abgedruckt u.a. bei Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz 51) hergeleitet werden (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2009, 1069, rkr.; FG Hamburg, Urteil vom 9. November 2009  2 K 65/08, n.v., rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 827 f.; Wagner, EFG 2010, 280, 282; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG Rz 50; Heß in Weimann/Lang, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; wohl auch Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 18 Rz 12a; Leonard in Bunjes, a.a.O., § 18 Rz 4; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 51 a.E.).

69

Hierzu hat das FG zu Recht im Einzelnen --und insoweit von der Revision nicht angegriffen-- dargelegt, dass die Übermittlung der Daten im --auf der Basis der StDÜV von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten-- ELSTER-Verfahren (vgl. dazu Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824 ff.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO Rz 35 ff.) nicht manipulationsanfälliger als die papiergebundene Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist.

70

Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines "Hacker-Angriffs" auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 151, unter II.C.4.c - Rz 102 -).

71

4. Im Ergebnis zu Recht hat das FG das FA zur Neubescheidung der Klägerin verpflichtet (§ 101 Satz 2 FGO).

72

a) Da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 AO für einen Anspruch der Klägerin, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, nicht gegeben sind, verbleibt es bei ihrem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG, auf die elektronische Übermittlung zur Vermeidung unbilliger Härten zu verzichten (vgl. Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz 53 f.; Schmid in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 18 UStG Rz 24). Davon ist das FG zutreffend ausgegangen.

73

b) Dem ist das FA bislang --wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat-- nicht nachgekommen, weil es von dem durch § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG eingeräumten Ermessen nicht --wie nach § 102 Satz 1 FGO erforderlich-- in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

74

aa) Im Rahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG sind einerseits die vom Unternehmer für das Vorliegen eines Härtefalls vorgetragenen Gründe in die pflichtgemäße Ermessensausübung und Einzelfallabwägung umfassend einzubeziehen. Andererseits sind diesen Erwägungen die dargelegten Interessen des Fiskus an einer elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen gegenüberzustellen.

75

bb) Das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 im Kern dargelegt, dass ein Härtefall i.S. des § 18 Abs. 1 UStG dann vorliegen könne, wenn ein Unternehmer finanziell nicht zu den für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Investitionen in der Lage sei oder kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit oder eine Umstellung der Soft- bzw. Hardware beabsichtige. Es hat das Vorliegen dieser Tatbestände verneint und dabei die Zugehörigkeit der Klägerin zu einem "Konzern" berücksichtigt.

76

cc) Dies ist bereits deshalb unzureichend, weil das FA die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 12. Dezember 2004 und mit ihrem Einspruch vom 25. Dezember 2004 vorgetragenen Gründe für eine Befreiung nicht --bzw. nicht vollständig-- gewürdigt hat.

77

Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt aber voraus, dass die Behörde ihre Entscheidung anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 22. Mai 2001 VII R 79/00, BFH/NV 2001, 1369, unter II.1.; BFH-Beschluss vom 25. August 2010 X B 149/09, BFH/NV 2011, 266, unter II.2.b, m.w.N.; Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 122; Kruse in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 102 FGO Rz 1a, m.w.N.; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 87, 97 ff., m.w.N.).

78

dd) Bei der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu treffenden Ermessensentscheidung muss das Finanzamt insbesondere den Einwand eines Unternehmers berücksichtigen, er verfüge nicht über die für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderliche Hard- und Software (vgl. Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz 54; Leonard in Bunjes, a.a.O., § 18 Rz 4). Das ergibt sich aus der (unter II.1.a und b) dargelegten Entstehungsgeschichte des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und insbesondere aus den (unter II.2.b bb) wiedergegebenen Vorstellungen des Gesetzgebers.

79

Soweit das FA in seiner Einspruchsentscheidung die Klägerin hinsichtlich der für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderlichen technischen Ausstattung auf den Internetzugang anderer "Konzerngesellschaften" verwiesen hat, ist diese --vom FA vor dem FG und in der Revisionserwiderung vertiefte und vom FG grundsätzlich für zutreffend gehaltene-- Erwägung nicht statthaft. Denn bei der Klägerin und den vom FG angesprochenen "Konzerngesellschaften" handelt es sich um selbständige Rechtssubjekte. Folglich kann die technische Ausstattung anderer "Konzerngesellschaften" grundsätzlich nicht der Klägerin zugerechnet werden. Zudem hat das FA bei seiner Argumentation die sich aus dem Steuergeheimnis gemäß § 30 AO ergebenden Grenzen nicht beachtet.

80

Ob im Fall einer Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) etwas anderes gilt, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt liegen die Voraussetzungen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (s. dazu z.B. BFH-Urteile vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600; vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BFH/NV 2011, 2195) im Streitfall nicht vor. Davon geht offenbar auch das FA aus.

81

c) Das FA hat den Antrag der Klägerin, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, bislang in der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 erst auf der Grundlage der mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. und des im Dezember 2004 von der Klägerin dargestellten --mittlerweile jedenfalls teilweise überholten-- Sachverhalts beurteilen können.

82

Da die Sache mangels einer Ermessensreduzierung auf Null nicht i.S. von § 101 Satz 1 FGO spruchreif ist (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 101 FGO Rz 2; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 FGO Rz 10, m.w.N.; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 118) und der Senat nicht befugt ist, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161, unter II.3.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 FGO Rz 9, m.w.N.; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 114, m.w.N.) verbleibt es bei der vom FG bereits ausgesprochenen Verpflichtung des FA, die Klägerin --nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats-- erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO).

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.