Landesarbeitsgericht München Urteil, 13. Apr. 2016 - 5 Sa 990/15

bei uns veröffentlicht am13.04.2016

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 24. September 2015 - 8 Ca 997/15 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Änderungskündigung des Beklagten vom 21.04.2015 rechtsunwirksam ist.

II. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

Die am 0.0.1957 geborene und gegenüber einem Sohn unterhaltspflichtige Klägerin war auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.06.2010 (Anlage A 1, Bl. 26/27 d. A.) seit dem 01.09.2010 beim Beklagten beschäftigt. Zunächst war sie als Heimleiterin im Altenheim M. in Sc. tätig und verdiente dabei monatlich 0,- € brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß § 2 des Dienstvertrages die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C.-Verbandes (AVR) Anwendung. Nach § 14 Abs. 2 lit. a AVR beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit bis zu fünf Jahren sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahres.

Mit Schreiben des Beklagten vom 06.12.2013 wurde die Klägerin als Pflegedienstleiterin in das He. nach R. abgeordnet. In dem Klageverfahren gegen diese Abordnung vor dem Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - (3 Ca 2097/13) wurde mit Beschluss vom 13.06.2014 das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs zwischen den Parteienfestgestellt. Danach erklärte sich die Klägerin mit der Abordnung einverstanden. Weiter bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass die Besitzstandszulage in Höhe von 207,- € brutto für den Wechsel der Tätigkeit eine unwiderrufliche, nicht anrechenbare Besitzstandszulage ist. Auf Anlage A 2 (Bl. 28/29 d. A.) wird im Übrigen Bezug genommen. Im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als verantwortliche Pflegekraft (Pflegedienstleitung) im He. mit einer wöchentlichen 39-Stunden-Woche schlössen die Parteien am 16.05.2014 einen Nachtrag zum Dienstvertrag (Anlage A 3, Bl. 30 d. A.).

Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Am 23.03.2015 kam es im He. zu folgendem Vorfall: Gegen 10:30 Uhr wurde Feueralarm ausgelöst. Eine im 2. Obergeschoss im Aufenthaltsbereich der Bewohner auf einer Kommode befindliche LED-Kerze war in Brand geraten. Auf diesem Stockwerk befinden sich Zimmer von Heimbewohnern, die teilweise dement und/oder häufig gebrechlich sind. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin zusammen mit der Mitarbeiterin Frau Wi. und der Auszubildenden Frau G. im Wohnbereichsbüro im 2. Obergeschoss. Die Klägerin begab sich nach dem Feueralarm mit den beiden Mitarbeiterinnen auf den Flur. Auf dem Weg Richtung Treppenhaus sah die Klägerin im Bereich einer Sitzecke auf einer Kommode, die mit einer Steindeckplatte versehen war, die brennende LED-Kerze. In unmittelbarer Nähe der Kommode saß Herr E., ein schwer demenzkranker Heimbewohner. Die Klägerin nahm Herrn E. auf den Rücken und begab sich zusammen mit den zwei anderen Mitarbeiterinnen über das große Treppenhaus in die Halle im Erdgeschoss. Nachdem die Klägerin Herrn E. in die Halle verbracht hatte, lief sie über das große Treppenhaus erneut in das 2. Obergeschoss. Zwischenzeitlich waren dort bereits über das kleine Treppenhaus der Haustechniker und die (damalige) Heimleiterin Frau Hö. angekommen.

Der Notfallplan für das E. mit Stand 11/2014 lautete wie folgt

Bewohner nicht auffindbar

1.

Bei Bewohner/innen mit Weglauftendenz: Foto in der Dokumentationsmappe mit Personenbeschreibung

2.

Vorgesetzte informieren

3.

Haus und Garten komplett durchsuchen

4.

Angehörige / Betreuer verständigen

5.

Polizei anrufen nach Absprache mit Vorgesetztem

6.

Erinnerungsprotokoll fertigen (Kleidung etc.)

Feuer

Ruhe bewahren

Brand melden (Feuermelder oder Tel. 112)

Vorgesetzte informieren

Personen in Sicherheit bringen

Keinen Aufzug benutzen

Löschversuch evtl. unternehmen

Anweisung der Feuerwehr beachten

Mit Schreiben vom 14.04.2015 (Anlage A 4, Bl. 31 d. A.) stellte der Beklagte die Klägerin mit sofortiger Wirkung von ihrer Aufgabe als Pflegedienstleiterin im He. frei und ordnete sie zur Dienstleistung als Pflegefachkraft an das F. in T. ab. Die Abordnung galt zunächst befristet bis zum 30.06.2015. Mit der Klage hat sich die Klägerin zunächst auch gegen diese Abordnung vom 14.04.2015 gewandt.

Die Mitarbeitervertretung bei dem Beklagten wurde mit Schreiben vom 26.03.2015 (Anlage B 2, Bl. 67 f. d. A.) über die beabsichtigte Änderungskündigung der Klägerin unterrichtet und um Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung gebeten.

Mit Schreiben vom 10.04.2015 (Anlage A 7, Bl. 37 d. A.) stimmte die Mitarbeitervertretung durch einstimmigen Beschluss mit 5:0 Stimmen der beabsichtigten Änderungskündigung nicht zu. Sie beantragte, die beabsichtigte Änderungskündigung in eine Abmahnung umzuwandeln.

Mit Schreiben vom 21.04.2015 (Anlage A 6, Bl. 35 f. d. A.), der Klägerin zugegangen am gleichen Tage, erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Vorfalls vom 23.03.2015 fristgemäß zum 30.06.2015 und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Pflegefachkraft in einem anderen Heim des C. in T. ab 01.07.2015 an.

Mit Schreiben vom 24.04.2015 an den Beklagten (Bl. 38 d. A.) nahm die Klägerin das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt, dass die Änderungen nicht sozial ungerechtfertigt sind, an.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2015, eingegangen beim Arbeitsgericht Regensburg am selben Tag, erhob die Klägerin gegen die Änderungskündigung vom 21.04.2015 Änderungsschutzklage, die dem Beklagten, ausweislich Zustellungsurkunde, am 28.04.2015 zugestellt wurde.

Mit Datum vom 09.04.2015 fertigte die Klägerin ein Erinnerungsprotokoll zum Brand am 23.03.2015 an (Anlage B 5, Bl. 73 d. A.). Auch wurden Gesprächsprotokolle gefertigt zu Gesprächen der damaligen Heimleiterin Frau Hö. mit der Auszubildenden Frau G. (Anlage B 3, Bl. 69 d. A.) und der Mitarbeiterin Frau P. (Anlage B 4, Bl. 71 - 72 d. A.).

Der Beklagte setzte die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.2015 (Bl. 66 d. A.) ab 01.07.2015 als Pflegefachkraft im F. in T. ein. Weiter wird in dem Schreiben mitgeteilt, dass die Klägerin entsprechend der Tätigkeit als Pflegefachkraft in die Entgeltgruppe 7a Stufe 6 der Anlage 32 AVR eingruppiert ist.

Die Klägerin hat vorgetragen, es habe kein Brandschutzkonzept existiert, sondern lediglich ein sog. Notfallplan, der in jedem Wohnbereichsbüro ausgehangen habe. Sie habe sich am 23.03.2015 seit ca. 10:15 Uhr zusammen mit der Mitarbeiterin Frau Wi. und der Auszubildenden Frau G. im Wohnbereichsbüro im 2. Obergeschoss aufgehalten, als gegen 10:30 Uhr der Feueralarm losgegangen sei. Die langjährige Mitarbeiterin, Frau Wi., -die Klägerin war unstreitig erst ab 01.07.2014 als Pflegedienstleitung dort beschäftigt -habe ihr dann schnell erklärt, alle Mitarbeiter hätten sich im Falle eines Brandes in der Halle im Erdgeschoss einzufinden, um dort weitere Anweisungen der Feuerwehr entgegenzunehmen. Da sie erst seit wenigen Monaten in dem Alten- und Pflegeheim beschäftigt gewesen sei, ein Brandschutzkonzept nicht bestanden habe, sondern lediglich der Notfallplan, habe sie entsprechend der hausinternen Regel das Büro zusammen mit den beiden Mitarbeiterinnen verlassen und sich Richtung Treppenhaus begeben. Auf dem Flur habe sie keine weiteren Personen gesehen. Zum Zeitpunkt des Feueralarms seien die nicht bettlägerigen Bewohner von der Gymnastikgruppe betreut worden. Auf dem Weg in Richtung großes Treppenhaus habe sie im Vorbeigehen auf der mit einer Steindeckplatte abgedeckten Kommode in der Sitzecke in einer Schale eine kleine Flamme von ca. 8 cm Flammenhöhe gesehen. In unmittelbarer Nähe habe der schwer an Demenz erkrankte Heimbewohner Herr E. gesessen. In einem Bruchteil von Sekunden habe sie sich entschlossen, Herrn E. auf dem Rücken über das Treppenhaus in die Halle im Erdgeschoss zu verbringen, damit er sich nicht verletzen könne und um ihren Verpflichtungen aus dem Notfallplan nachzukommen. Sie habe sich daraufhin zusammen mit den beiden Mitarbeiterinnen und Herrn E. in die Halle begeben. Nachdem sie Herrn E. in die Halle verbracht gehabt hatte, sei sie sofort wieder über das sog. große Treppenhaus in das 2. Obergeschoss zurückgekehrt, um den Brand mit geeigneten Mitteln zu löschen. Als sie dort angekommen sei, seien bereits der Haustechniker und die Heimleiterin, die über das sog. kleine Treppenhaus gekommen seien, vor Ort gewesen.

Sie sei mit den beiden Mitarbeiterinnen und mit dem Heimbewohner E. in die Halle gegangen, da ein Feuerlöscher oder andere zum Brandlöschen geeignete Gegenstände sich nicht in unmittelbarer Nähe befunden hätten.

Der Haustechniker und die Heimleiterin seien ohne Feuerlöscher am Brandherd eingetroffen, obwohl beim Eingang im Flur jeweils ein Feuerlöscher hänge.

Sie sei zum seinerzeitigen Zeitpunkt von einer Brandschutzübung ausgegangen. Man könne ihr daher vorwerfen, die Situation fälschlich als Brandschutzübung eingeschätzt zu haben.

Zudem sei sie am 23.03.2015 nicht vollständig gesund gewesen. Im Zeitraum vom 18.03. bis zum 22.03.2015 sei sie wegen einer eitrigen Bronchitis arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Obwohl diese Erkrankung fortbestanden habe, sei sie am 23.03.2015 zum Dienst erschienen, da u. a. in der Karwoche zahlreiche Personen in Kurzzeitpflege aufgenommen werden sollten. In der Zeit vom 24.03. bis zum 29.03.2015 sei sie wiederum arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Sie habe sich entsprechend dem Notfallplan verhalten. Sie habe Ruhe bewahrt und mit dem Bewohner E. zunächst eine Person in Sicherheit gebracht. Erst weiter unten sehe der Notfallplan vor, evtl. Löschversuche zu unternehmen. Sie habe die Situation zunächst richtig erkannt, da sie davon ausgegangen sei, dass das Feuer keine Nahrung haben könne. Der Brandherd habe sich auf einer Steinplatte befunden, sämtliche Türen und Fenster seien geschlossen gewesen, sodass auch keine Zugluft ein Ausbreiten des Brandes hätte verursachen können. Entsprechend dem Notfallplan habe sie zuerst den Bewohner E. in Sicherheit gebracht und sei dann anschließend an den Brandort zurückgekehrt, um diesen eventuell zu löschen. Die Sicherheit des Heimbewohners habe für sie an wichtigster Stelle gestanden.

Personalgespräche mit dem Personalleiter des Beklagten, Herrn B., und dem Leiter des Referats Altenpflege, Dr. Se., hätten am 09.04.2015 und nochmals mit Herrn B. am 13.04.2015 (vgl. S. 13 des Schriftsatzes vom 18.08.2015, Bl. 104 d. A.) stattgefunden.

Sie sei zu keinem Zeitpunkt abgemahnt worden.

Die Klägerin hat nach teilweiser Klagerücknahme ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 10.09.2015 (Bl. 124/125 d. A.) zuletzt beantragt,

Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 21.04.2015 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin sei bei Auslösen des Feueralarms am 23.03.2015 die einzig anwesende Leitungskraft im 2. Obergeschoss des He. gewesen. Zum Zeitpunkt des Brandes hätte sich in dem Stockwerk eine unbekannte Anzahl von Bewohnern - von einer Größenordnung von 10 bis 15 Heimbewohnern sei auszugehen -aufgehalten. Sie habe weder etwas bezüglich des Brandes, etwa einen Löschversuch, noch hinsichtlich der Bewohner in ihren Zimmern veranlasst. Zu dritt habe man den Heimbewohner E. in die Halle im Erdgeschoss verbracht, ohne dass die Klägerin Anweisungen an eine der beiden anderen Mitarbeiterinnen gegeben hätte, sich um den Brandherd oder die anderen Bewohner auf dem Stockwerk zu kümmern. Vor allem sei ihr vorzuwerfen, dass sie den Brandherd und das Stockwerk völlig unbeaufsichtigt gelassen und damit eine mögliche unkontrollierte Entwicklung heraufbeschworen habe.

Es bleibe unklar, wieso die Klägerin, nach deren eigenem Vortrag die Flamme unter 10 cm hoch gewesen sei, nicht sofort einen Löschversuch unternommen habe. Damit wäre auch dem Schutz des anwesenden Heimbewohners effektiv gedient gewesen. Sollte die Situation aber bedrohlicher gewesen sein, wäre es absolut unverantwortlich von der Klägerin als Leitungskraft gewesen, den Brandherd unbeaufsichtigt zu lassen.

Die Klägerin sei bei dem Brand am 23.03.2015 die einzig anwesende Leitungskraft gewesen und hätte daher arbeitsvertraglich die Pflicht gehabt, für eine geordnete Beherrschung der Situation zu sorgen. Von der Klägerin in ihrer Position müsse verlangt werden, sich schnell ein Bild von der Situation zu verschaffen und geeignete Sofortmaßnahmen zu treffen. Ihr sei mindestens vorzuwerfen, dass sie bei dem Brand die Prioritäten zumindest teilweise falsch gesetzt, den Überblick verloren und dadurch weitere Gefahren, etwa Löschversuche der Heimbewohner oder Panik bei den Bewohnern, heraufbeschworen habe. Das Unbeaufsichtigtlassen eines Feuers in einem Stockwerk, das von alten und teilweise dementen Personen bewohnt werde, stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung einer Pflegekraft mit Leitungsaufgaben dar. Die Klägerin habe sich mit ihrem Verhalten als ungeeignet für eine Leitungskraft gezeigt.

Eine Abmahnung sei vorliegend ungeeignet gewesen, da sich eine solche Situation in gleicher Weise nicht wiederholen werde, aber aufgrund des Verhaltens der Klägerin während des Brandes und der nachfolgenden Äußerungen davon ausgegangen werden müsse, dass sie auch in vergleichbaren Situationen ihren Aufgaben als Leitungskraft nicht gerecht werden würde. Im Unterschied zu täglich wiederkehrenden Aufgaben ist das, was von einer Leitungskraft als beanstandungsfreie Pflichterfüllung in Notsituationen im Einzelfall zu verlangen sei, situationsabhängig.

Von einer Leitungskraft müsse gerade auch in Notsituationen verlangt werden, dass sie die Situation souverän beherrsche, insbesondere die Gefahrenlage sicher einschätze und die nötigen Anordnungen zur Sicherheit aller potenziell bedrohten Personen unter Berücksichtigung des Alters und des Gesundheitszustandes treffe. Auch müsse sich der Beklagte darauf verlassen können, dass gegenüber anwesenden unterstellten Mitarbeitern die jeweils notwendigen und richtigen Anordnungen zur Beherrschung der Situation getroffen würden. Im Interesse der Heimbewohner und anderen Mitarbeiter sei es daher geboten, die Klägerin von Leitungsaufgaben dauerhaft zu entbinden. Man habe sich für eine Änderungskündigung als milderes Mittel zu einer Beendigungskündigung entschieden, da sich ihr Fehlverhalten auf den Pflichtenkreis als Leitungskraft bezogen habe und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Weiterbeschäftigung als Pflegekraft ohne Leitungsverantwortung möglich sei. Die Eingruppierung und die Vergütung der Klägerin hätten in der Änderungskündigung nicht genannt werden müssen, da sich diese aufgrund der geänderten Arbeitsbedingungen aus den geltenden AVR „tarifautomatisch“ ergäben.

Soweit die Klägerin später behauptet habe, sie habe den Vorfall für eine Brandschutzübung gehalten, sei völlig unerfindlich, wie sie darauf kommen könne, dass der Beklagte Übungen mit echten Brandherden durchführe. Dessen ungeachtet wäre aber auch im Falle einer Übung von einer Leitungskraft zu verlangen gewesen, dass sie sich wie bei einem echten Brand verhalte.

Mit dem Schreiben vom 26.03.2015 sei die Mitarbeitervertretung unterrichtet, um Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung gebeten und deren Rechte nach § 30 MAVO (Mitarbeitervertreterordnung) somit eingehalten worden. Nach Erhebungen der Einwendungen der Mitarbeitervertretung sei eine weitere Sitzung am 10.04.2015 abgehalten worden. Danach sei der Beklagte berechtigt gewesen, die Kündigung ohne Weiteres auszusprechen (§ 30 Abs. 2 Satz 3 und 4 MAVO).

Der Hinweis der Klägerin auf ihre angegriffene Gesundheit zum Zeitpunkt des Vorfalls sei unerheblich. Sie sei an diesem Tag im Dienst gewesen und daher als arbeitsfähig zu betrachten. Des Weiteren sei sie offensichtlich auch in der Lage gewesen, den Heimbewohner E. auf den Rücken zu nehmen und zwei Stockwerke nach unten in die Halle zu tragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es - zusammengefasst - ausgeführt, es sei ein verhaltensbedingter Grund für eine Änderung gegeben. Eine Abmahnung als milderes Mittel sei hier entbehrlich gewesen. Die Änderungskündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsprotokolle sowie auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 24.09.2015 ist der Klägerin am 21.10.2015 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 13.11.2015 eingelegte und am 24.11.2015 begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin trägt nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 192 - 201 d. A.) vor, beim Beklagten bestehe kein verbindliches Brandschutzkonzept, sondern lediglich ein sog. Notfallplan. Die einzelnen Vorgehensweisen in diesem Notfallplan entsprächen einer logischen zeitlichen Abfolge. Er enthalte daher eine abzuarbeitende Checkliste. Die Klägerin habe sich entsprechend dieser Vorgaben verhalten. Sie Klägerin den Heimbewohner E. aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich weggebracht, da die Mitarbeiterin Wi. körperlich dazu nicht imstande und die weitere anwesende Auszubildende Frau G. völlig unerfahren gewesen sei. Eine derartige Verantwortung könne ihr nicht übertragen werden. Die Klägerin habe nicht veranlasst, dass noch andere sich auf dem Stockwerk befindliche Heimbewohner ebenfalls nach unten verbracht würden, da sie zum Zeitpunkt des Feueralarms keine Personen auf dem Flur gesehen habe. Außerdem habe sie gewusst, dass sich zu diesem Zeitpunkt keine weiteren, nicht bettlägerigen Personen auf dem Flur aufhielten, da zu diesem Zeitpunkt die Betreuung in einer Gymnastikgruppe erfolgt sei. Diese habe nicht im zweiten Stockwerk stattgefunden. Ihr sei nicht erkennbar gewesen, dass sie den Brandherd nicht ohne Beobachtung und die teilweisen dementen und/oder gebrechlichen Heimbewohner nicht sich selbst hätte überlassen dürfen. Nach dem Verbringen des Heimbewohners E. habe sie sich sofort wieder in das zweite Stockwerk begeben, um sich auch um die anderen Heimbewohner zu kümmern. Sie habe die Situation in dem Bruchteil von Sekunden so eingeschätzt, dass das Feuer keine Nahrung habe. Zudem habe sie sich mehrfach, zuletzt am 16.07.2015, bei dem Personalleiter Herrn B. entschuldigt.

Im Hinblick auf die Interessenabwägung trägt die Klägerin vor, sie sei alleinerziehend und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig. Die Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren sei nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem sei sie am 23.03.2015 gesundheitlich sehr beeinträchtigt gewesen, wie sich aus der Dokumentation der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergebe. Zudem sei die Änderung der Arbeitsbedingungen mit einer Gehaltseinbuße von 30% verbunden.

In rechtlicher Hinsicht trägt die Klägerin vor, dass weder eine Pflichtverletzung ihrerseits vorliege noch eine einschlägige Abmahnung als milderes Mittel entbehrlich gewesen sei und zudem die Interessenabwägung fehlerhaft sei.

Die Klägerin beantragt,

  • 1.Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg, Az. 8 Ca 997/15, verkündet am 24.09.2015 und zugestellt am 21.10.2015, wird abgeändert.

  • 2.Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 21.04.2015 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 16.12.2015, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 210 -216 d. A.), als rechtlich zutreffend. Es sei durchaus davon auszugehen, dass auf dem Stockwerk, auf dem die LED-Kerze in Brand geriet, noch eine Reihe von Bewohnern gelegen hätten. Auch sei zumindest von einer Flammenhöhe von 30 - 40 cm auszugehen. Wäre die Flamme relativ klein gewesen, dann wäre aufgrund der Steinplatte, auf der sich die Kerze befand, schnell erkennbar gewesen, dass praktisch keine Gefahr bestehe. Dann hätte die Klägerin in Vollziehung des Notfallplans als anwesende Vorgesetzte nicht an die vorrangige Erforderlichkeit denken dürfen, Personen in Sicherheit zu bringen. Sie hätte den Löschversuch mit dem Feuerlöscher selbst unternehmen können. Hätte sie die Flamme für bedrohlicher eingeschätzt, dann hätte sie dafür Sorge tragen müssen, alle betroffenen Personen in Sicherheit zu bringen. Sie habe eine hinsichtlich der Brandentwicklung und auch der Betroffenheit anderer Bewohner völlig unklare Situation unbeaufsichtigt gelassen und nicht einmal den Versuch unternommen, eine der beiden Mitarbeiterinnen aufzufordern, sich auf dem Stockwerk nach anderen gefährdeten Bewohnern auch nur umzusehen.

In rechtlicher Hinsicht verteidigt der Beklagte die Auffassung des Arbeitsgerichts, es liege eine schwerwiegende Pflichtverletzung der Klägerin vor. Eine Abmahnung sei angesichts ihrer Vorgesetztenfunktion entbehrlich gewesen. Im Übrigen sei fraglich, ob eine Abmahnung überhaupt als ein geeignetes Mittel angesehen werden könne, um für die Zukunft wenigstens mit gewisser Sicherheit ein vergleichbares Verhalten zu verhindern. Auch ihr Verhalten nach dem Vorfall lasse keine positive Prognose zu.

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13.04.2016 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

A.

Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist statthaft gem. § 64 Abs. 1 und 2 lit. c) ArbGG. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

B.

Die Berufung ist begründet.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Änderungskündigung des Beklagten vom 21.04.2015 ist rechtsunwirksam.

I. Die Klage ist zulässig.

Das Feststellungsinteresse für den punktuellen Änderungsschutzantrag ergibt sich aus der Regelung des § 4 Satz 2 KSchG (vgl. BAG 14.01.2015 - 7 AZR 2/14 - NZA 2016, 39, 41 Rn. 18 zur Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG).

II. Die Klage ist begründet.

Die Änderungsschutzklage (§ 4 Satz 2 KSchG) ist begründet. Das mit der Kündigung des Beklagten vom 21.04.2015 verbundene Änderungsangebot war hinreichend bestimmt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung ist jedoch sozial ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksam, § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 KSchG.

1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zu der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungserklärung tritt als zweites Element das Angebot zu seiner Fortsetzung unter geänderten vertraglichen Bedingungen hinzu. Es muss sich um ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen handeln (BAG 17.02.2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 18 zitiert nach Juris). Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch - wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung - um eine „echte“ Kündigung. Diese unterliegt allen formalen Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen sind. Die jeweiligen Vorgaben muss der Arbeitgeber vor Zugang der Kündigungserklärung und unabhängig von einer Ablehnung oder (Vorbehalts-)Annahme des Änderungsangebots beachten. Werden die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung missachtet, ist dies auch bei Annahme des Änderungsangebots rechtlich von Bedeutung, wenn die Annahme unter Vorbehalt erfolgt. Auch der Arbeitnehmer, der das Angebot auf Änderung seiner Arbeitsbedingungen gem. § 2 Satz 1 KSchG unter Vorbehalt angenommen hat, kann sich im Änderungsschutzprozess darauf berufen, die Änderung der Vertragsbedingungen sei schon aus einem anderen Grund als dem ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam (BAG 20.02.2014 - 2 AZR 346/12 - BAGE 147, 237, 246 f. Rn. 38).

Wenn bei Ablehnung des Änderungsangebots die Kündigung aus „anderen Gründen“ unwirksam wäre und das Arbeitsverhältnis schon deshalb unverändert fortbestünde, soll diese Rechtsfolge vielmehr auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer die ihm mit Hilfe einer Kündigung „aufgezwungenen“ Änderungen der Arbeitsbedingungen vorläufig akzeptiert. In diesem Sinn muss ein Arbeitgeber, gedacht als sorgfältiger Erklärungsempfänger, den Vorbehalt in der Regel verstehen (§§ 133, 157 BGB). Ein Verzicht darauf, „andere Gründe“ i. S.v. § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG geltend zu machen, müsste ausdrücklich oder doch nach den Umständen eindeutig erklärt sein (vgl. BAG 28.05.1998 - 2 AZR 615/97 -BAGE 89, 48, 52 f. zu II 3 b) der Gründe). Nur wenn sich aus einer entsprechenden Beschränkung des Vorbehalts oder dem Vorbringen des Arbeitnehmers im Prozess ergibt, dass die Wirksamkeit der Kündigungserklärung als solche nicht in Frage gestellt werden soll, ist Streitgegenstand gem. § 4 Satz 2 Alt. 1 KSchG allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen (BAG 22.05.2015 - 2 AZR 124/14 - NZA 2016, 225, 228 Rn. 30).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Änderungskündigung nicht unwirksam gem. § 30 Abs. 5 MAVO. Insofern folgt die Kammer den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Übrigen hat die Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls auf Nachfrage des Gerichts diesen Unwirksamkeitsgrund zuletzt nicht mehr gerügt. Die Regelung des § 6 KSchG besagt, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vornherein begrenzen kann (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 - NZA 2013, 137, 142 Rn. 50). Den Parteien bleibt es somit auch unbenommen, einen Unwirksamkeitsgrund nicht mehr weiterzuverfolgen und fallen zu lassen.

3. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial nicht gerechtfertigt (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

a) Das Schreiben des Beklagten vom 21.04.2015 enthält eine Änderungskündigung. Das im Zusammenhang mit der Kündigungserklärung unterbreitete Angebot i. S. d. § 145 BGB ist insbesondere hinreichend bestimmt (vgl. hierzu BAG 17.02.2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 18 aaO).

b) Die Klägerin hat das Angebot fristgerecht unter Vorbehalt angenommen. Der Vorbehalt ist nicht erloschen.

aa) Gemäß § 2 Satz 2 KSchG muss der Arbeitnehmer den Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären. Im Falle einer nicht fristgerechten Änderungsschutzklage erlischt dieser gem. § 7 Hs. 2 KSchG.

bb) Die Klägerin hat den Vorbehalt rechtzeitig erklärt; er ist nicht erloschen.

(1) Mit Schreiben an den Beklagten vom 24.04.2015 nahm die Klägerin das Änderungsangebot und damit innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung am 21.04.2015 fristgerecht an.

(2) Der erklärte Vorbehalt der Annahmeerklärung ist nicht nach § 7 Hs. 2 KSchG erloschen, da die Klägerin rechtzeitig innerhalb der drei Wochen Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben hat. Die Kündigung ist zugegangen am 21.04.2015. Der Fristlauf begann als Ereignisfrist gem. § 187 Abs. 1 BGB am 22.04.2015 und endete am 12.05.2015 (Dienstag) gem. § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Die Klage ging per Telefax am 24.04.2015 beim Arbeitsgericht ein, wurde dem Beklagten am 28.04.2015 zugestellt und ist somit rechtzeitig erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO).

c) Das Kündigungsschutzgesetz findet im vorliegenden Fall unstreitig Anwendung gem. § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG.

d) Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt gem. § 2 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

aa) Eine Änderungskündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen personenbedingte, verhaltensbedingte oder dringende betriebliche Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen und die angebotenen geänderten Bedingungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen (vgl. KR-Kreft 11. Aufl. § 2 KSchG Rn. 171 m. w. N.).

Auch bei einer ordentlichen Änderungskündigung bedarf es regelmäßig einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die angebotenen Vertragsänderungen dürfen sich dabei nicht weiter von deren Inhalt entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist {KR-Kreft 11. Aufl. § 2 KSchG Rn. 171; LAG Nürnberg 06.08.2012 - 2 Sa 643/11 - NZA-RR 2012, 631, 633). Ebenso wie bei einer Beendigungskündigung bedarf es auch bei einer verhaltensbedingten Änderungskündigung grundsätzlich einer Abmahnung (KR-Kreft § 2 KSchG Rn. 171a m. w. N.; ErfK/Oefker 16. Aufl. § 2 KSchG Rn. 46; NK-GA/Nübold § 2 KSchG Rn. 85; APSIKünzl 4. Aufl. § 2 KSchG Rn. 244; BAG 21.11.1985 - 2 AZR 21/85 - NZA 1986, 713; 18.11.1986 - 7 AZR 674/84 - NZA 1987, 418; LAG Nürnberg 06.08.2012 - 2 Sa 643/11 - NZA-RR 2012, 631, 633 Rn. 58; LAG Hessen 15.11.1999 - 11 Sa 2570/98 -Rn. 57zitiert nach Juris; LAG Hamm 10.05.1983- 11 Sa 1462/82-ZIP 1983, 985). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - NZA 2015, 294, 296 Rn. 22). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - aaO; 25.10.2012-2 AZR 495/11 - NZA 2013, 319, 320 Rn. 16).

Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 19.04.2012 -2 AZR 186/11 - NZA 2013, 27, 29 Rn. 22; grundlegend 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 -BAGE 86, 95, 102 zu II 1 d) der Gründe unterteilweise Aufgabe der bisherigen Rspr. u. a. 04.04.1974 - 2 AZR 452/73 - BAGE 26, 116, 129: grundsätzliche Entbehrlichkeit der Abmahnung). Auch bei einem solchen Fehlverhalten bedarf es dann einer vorherigen erfolglosen Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (BAG 18.11.1986-7 AZR 674/84 - NZA 1987, 418zu II 5 der Gründe).

bb) Ein verhaltensbedingter Grund für die Änderung der Arbeitsbedingungen (§ 2 Satz 1 KSchG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG) liegt zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung (APSIKünzl § 2 KSchG Rn. 125) nicht vor. Die Änderungskündigung erweist sich im vorliegenden Fall bei der gebotenen umfassenden einzelfallbezogenen Interessenabwägung als unverhältnismäßig.

Das Arbeitsgericht hat in seiner Entscheidung zwar sehr sorgfältig und richtig die Grundsätze dargestellt. Die Kammer ist jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts im Rahmen der konkreten einzelfallbezogenen Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls i. S. v. § 286 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis gekommen, dass - den Vortrag des Beklagten zur behaupteten Pflichtverletzung unterstellt - eine Abmahnung als Reaktion ausgereicht hätte (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - NZA 2015, 295, 296 Rn. 30). Sie wäre als milderes Mittel nicht nur erforderlich, sondern auch geeignet gewesen (vgl. AR/Fischer-meierl. Aufl. § 626 BGB Rn. 170/171).

Die Klägerin ist bisher nicht abgemahnt worden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Eine negative Prognose ohne einschlägige Abmahnung lässt sich nicht bejahen. Dem Beklagten ist es daher zuzumuten, die Klägerin auf ihrer bisherigen fachlichen Position als Pflegedienstleiterin weiterzubeschäftigen.

(1) Eine Abmahnung war nicht deshalb verzichtbar, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach der Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten war. Die negative Prognose ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer bereits ausdrücklich erklärt oder unmissverständlich konkludent zum Ausdruck gebracht hat, sein Fehlverhalten nicht ändern zu wollen oder wenn er die Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig begangen hat (AR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 170).

Es handelt sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung. Die Klägerin hat nicht ex ante zum Ausdruck gebracht, zukünftig nicht willens zu sein, eine genaue Reihenfolge bei der Beachtung der Abläufe in zeitlicher Hinsicht zu beachten. Sie gab keinen Anhaltspunkt für ein hartnäckiges, unbelehrbares Verhalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Abmahnung Erfolg gehabt hätte. Zwingende Anhaltspunkte für das Gegenteil sind jedenfalls nicht ersichtlich (BAG 21.11.1985 - 2 AZR 21/85 - Rn. 25 zitiert nach Juris).

Auch das Verhalten nach dem Vorfall und vor Ausspruch der Kündigung lässt keine andere Bewertung zu. Die Klägerin fertigte am 09.04.2015 ein Erinnerungsprotokoll an. In diesem schilderte sie nüchtern ihre, d. h. subjektive Sicht der Dinge und verstieg sich nicht in Vorwürfen gegenüber dem Beklagten. Sie versuchte ihr Verhalten zu erklären. In dem Schreiben bringt sie zudem zum Ausdruck, dass sie den Brand irrig für eine Brandschutzübung hielt. Die Klägerin trug unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) vor, sich mehrfach beim Personalleiter Herrn B. für die Fehleinschätzung entschuldigt zu haben. Dies wertet die Kammer indes nicht als entlastend. Die Klägerin trug nicht substanziiert vor, wann die Entschuldigungen außer am 16.07.2015 (Zeitpunkt nach Ausspruch der Kündigung) konkret stattgefunden haben. Zudem wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung nur schwach entlastend aus (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - NZA 2015, 294, 297 Rn. 31; 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - NZA 2011, 1342, 1345 Rn. 39).

Eine Abmahnung wäre auch nicht ungeeignet gewesen. Das vorhandene Notfallkonzept verdeutlicht nicht, ob darin eine strikt abzuarbeitende zeitliche Reihenfolge zu sehen ist. So ist beim Punkt 1.13 unter „Feuer“ erst in der sechsten Zeile von eventuellen Löschversuchen die Rede, in der vierten Zeile steht jedoch bereits die Vorgabe, Personen in Sicherheit zu bringen. Vor dem Hintergrund der Abmahnung hätte der Klägerin der nach Ansicht des Beklagten richtige Weg für die Zukunft aufgezeigt werden können. Ihr wäre damit auch die Möglichkeit eingeräumt worden, diese Fragen mit ihren Vorgesetzten konkret durchzusprechen, diese ggf. schriftlich abzufassen und damit für die Zukunft gewappnet zu sein. Eine Abmahnung wäre für eine Sensibilisierung und Schärfung des Gefahrbewusstseins im Zusammenhang mit diesem Thema geeignet gewesen. Optimierungspotential im Sinne einer klaren und verbindlichen Regelung unter Fixierung der zeitlichen Abläufe bestand auch auf Seiten des Beklagten. So ist bspw. beim Punkt „Bewohner nicht auffindbar“ im Notfallplan anders als beim Punkt „Feuer“ eine klare Nummerierung mit den Ziffern 1.-6. vorgegeben.

(2) Eine Abmahnung war auch nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass dem Beklagten nach objektiven Maßstäben selbst deren erstmalige Hinnahme unzumutbar war.

Die Kammer teilt bei der gebotenen Abwägung nicht die Auffassung des Erstgerichts, dass es sich angesichts des konkreten Sachverhalts bei den im Raum stehenden Vorwürfen, nämlich insbesondere das Feuer unbeaufsichtigt und andere bettlägerige Mitbewohner im Stockwerk zurückgelassen zu haben, um eine schwere, eine Abmahnung entbehrlich machende Pflichtverletzung handelte.

Die Klägerin nimmt unstreitig eine Vorgesetztenstellung ein. Der Beklagte muss ihr daher unbedingtes Vertrauen entgegenbringen können. Er muss sich auf sie verlassen können und kann ein souveränes und umsichtiges Verhalten in dieser Funktion berechtigterweise voraussetzen. Die Klägerin zeigte bei dem Vorfall jedoch keinerlei Schädigungsabsicht und handelte ohne Vorsatz. Sie entfernte sich nicht alleine von der Gefahrenstelle. Sie packte vielmehr sofort an, indem sie den Bewohner E. auf dem Rücken in das Erdgeschoss trug. Selbst zu Gunsten des Beklagten unterstellt, die Flammenhöhe wäre zeitweise 30 - 40 cm hoch gewesen - wie seitens des Beklagten vorgetragen -, dann wäre das Vorgehen der Klägerin noch verständlicher gewesen, um den Mitbewohner aus der Gefahrenzone zu transportieren. Dieser war aufgrund seiner Demenzkrankheit besonders auf ihre Hilfe angewiesen. Die Tatsache der Flammenhöhe (Beweisangebot Frau Hö.) ist daher nicht beweisbedürftig. Dasselbe gilt für die Frage, ob sich noch andere Bewohner zum Zeitpunkt des Brandes im 2. Obergeschoss aufgehalten hatten (Beweisangebot Frau Hö.). Die Klägerin musste rasch Entscheidungen treffen und sich für eine erste Maßnahme entscheiden. Zu Gunsten des Beklagten unterstellt, es hätten sich noch andere, auch bettlägerige Mitbewohner auf ihren Zimmern befunden, so hätte selbst eine falsche Prioritätensetzung der Klägerin nach Ansicht der Berufungskammer nicht den Schweregrad, um eine Abmahnung entbehrlich zu machen. Es war für sie nicht erkennbar ausgeschlossen, dass er es nicht zumindest gebilligt hätte, dass sie den Bewohner E. zunächst in Sicherheit bringt. Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung der Positionen der Parteien auch, dass die Klägerin, nachdem sie Herrn E. in Sicherheit gebracht hatte, in den zweiten Stock zurückkehrte, an dem sich der Brandherd befand. Sie verhielt sich somit nicht egoistisch, sondern durchaus verantwortungsvoll, mag sie auch nach Auffassung des Beklagten die Prioritäten falsch gesetzt und die Situation falsch eingeschätzt haben.

Der Notfallplan des Beklagten stellt keinen verbindlichen Rahmen dar. Im Übrigen ist dort auch nur von eventuellen Löschversuchen die Rede. Nach seinem unwidersprochenen Vortrag (§ 138 Abs. 3 ZPO) gibt es bei ihm kein festes Brandkonzept. Auch wurde in letzter Zeit nach seinem unwidersprochenen Vortrag keine Brandschutzübung durchgeführt. Ein - unterstelltes - vertragswidriges Verhalten der Klägerin erscheint unter diesen Umständen in einem deutlich milderen Licht (vgl. BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - NZA 2013, 319, 321 Rn. 33 betr. Handynutzung eines Arztes im Operationssaal zu privaten Zwecken).

Auch die Erklärungsversuche der Klägerin, wonach es sich ihrer Ansicht nach nur um eine Brandschutzübung gehandelt habe, führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Selbst wenn man darin - so die Auffassung des Beklagten - ein taktisches Verhalten sähe, handelte die Klägerin im Brandfall umgehend und übernahm Verantwortung gegenüber einem Mitbewohner. Die Kammer sieht daher im konkreten Fall keine irreparable Zerstörung des Vertrauens (vgl. BAG 19.04.2012 - 2 AZR 156/11 - NZA 2012, 1274, 1276 Rn. 19) in ihre geschuldete Funktion als Pflegedienstleiterin. In der Anhörung der Mitarbeitervertretung spricht der Beklagte auch nur davon, dass das Vertrauensverhältnis „nachhaltig gestört“ sei. Die behauptete Nachhaltigkeit kann die Kammer nicht nachvollziehen, da bis zum Ausspruch der Änderungskündigung aufgrund dieses Vorfalls Störungen im Vertrauensbereich (vgl. zum eingeschränkten Wert der Abgrenzung nach Störbereichen BAG 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - BAGE 86, 95) nicht aufgezeigt worden sind (vgl. auch zum Aspekt der Nachhaltigkeit im Falle einer beharrlichen Arbeitsverweigerung BAG 05.04.2001 - 2 AZR 580/99 - Rn. 23 zitiert nach Juris). Unter den gegebenen Umständen musste die Klägerin nicht davon ausgehen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen gefährdet wäre, wenn sie zunächst einen demenzkranken Mitbewohner in das Erdgeschoss transportiert.

(3) Auch die abschließende Interessenabwägung (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - NZA 2015, 294, 297 Rn. 32) führt zu einem überwiegenden Interesse der Klägerin am Fortbestand ihres bisherigen Arbeitsplatzes.

Für das Interesse des Beklagten an der Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen spricht, dass es sich bei der Funktion einer Pflegedienstleitung um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt. Für ihn ist ein ungestörtes Vertrauensverhältnis besonders wichtig (vgl. BAG 05.04.2001 - 2 AZR 159/00 - NZA 2001, 954, 957 B I 2 c) der Gründe zu einem leitenden Angestellten). Bei fehlerhaftem Handeln in einer Leitungsfunktion gerade in einem Brandfall können große Schäden für Leib und Leben der Bewohner eintreten (vgl. Schwarze/Eylert/Schrader/Scftwarze KSchG § 2 Rn. 30: insbesondere schuldhafte Fehlleistung mit Schadensfolge). Einer Arbeitnehmerin mit Vorgesetztenfunktion kommt stets eine gewisse Vorbildrolle zu. Mit fünf Jahren ist die Klägerin zudem nicht übermäßig lange beschäftigt.

Für die Klägerin spricht hingegen, dass sie alleinerziehend und Mutter eines nunmehr 18% Jahre alten Sohnes ist, der noch die Fachoberschule besucht. Durch die künftige Stelle würde sie eine erhebliche finanzielle Verschlechterung erfahren, die nicht allein durch die veränderte Position im Sinne einer „Vergütungsautomatik“ bedingt wäre. Nach dem Vortrag des Beklagten würde auch in die Besitzstandszulage in Höhe von 207,- € der Klägerin eingegriffen. Sie ist zudem im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung 57 Jahre alt gewesen und daher auch diesbezüglich schutzwürdig im Bestand ihres bisherigen Arbeitsplatzes. Ihr Verhalten war zudem allenfalls fahrlässig, sie wollte nicht bewusst gegen ihre Pflichten - einen Pflichtverstoß unterstellt - verstoßen. Zudem ist kein Schaden eingetreten.

Aus den genannten Gründen ist die ausgesprochene Änderungskündigung unverhältnismäßig und lässt das Interesse der Klägerin an dem Bestand ihrer bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen gegenüber dem Änderungsinteresse des Beklagten überwiegen.

cc) Ein personenbedingter Änderungsgrund (§ 2 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KSchG) scheidet ebenfalls aus.

(1) Im Arbeitsverhältnis stehen dem Arbeitgeber zur Reaktion auf Störungen des Austauschverhältnisses, soweit sie aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, im Wesentlichen die Vorschriften über die personenbedingte Beendigungskündigung oder Änderungskündigung zu Gebote (vgl. Stahlhacke/Pre/'s 11. Aufl. 2015 Rn. 1218). Die Abgrenzung zwischen personen- und verhaltensbedingtem Kündigungsgrund kann bisweilen schwierig sein. Sie schließen sich im Prüfprogramm nicht von vornherein aus (vgl. BAG 20.06.2013 - 2 AZR 583/12 - NZA 2013, 1345 ff.; 20.12.2012 - 2 AZR 32/11 - NZA-RR 2013, 627; BAG 24.02.2011 - 2 AZR 636/09 - NZA 2011, 1087 ff.; Stahlhacke/Pre/s aaO Rn. 1218: bei Vertragspflichtverletzung verhaltensbedingter Grund als spezieller Kündigungsgrund). Eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistungen setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht verstößt. Es kommt darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird. Auch im Falle einer personenbedingten Kündigung scheidet aber das Abmahnungserfordernis nicht a priori aus (vgl. zum Abmahnungserfordernis BAG 15.08.1984 - 7 AZR 228/82 - BAGE 46, 163, 166 zu II 1 der Gründe; 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - BAGE 86, 95, 102 zu III 1 d) der Gründe; zur Krankheit vgl. auch LAG Hessen 18.03.2014 - 13 Sa 1207/13 - BB 2014, 2942; aA Stahlhacke/Pre/s aaO Rn. 1219).

(2) Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Beklagte hat seine Änderungskündigung auf das in seinen Augen pflichtwidrige Verhalten der Klägerin gestützt. Tatsachen zum Kündigungsgrund „an sich“, der ein nicht steuerbares Verhalten beinhaltet, sind nicht vorgetragen. Er hat nicht - jedenfalls nicht substanziiert -dargestellt, dass der Klägerin aufgrund ihres nach ihrer Ansicht inakzeptablen Vorgehens anlässlich des Brandes künftig die Eignung fehlen würde, ihre Aufgabe als Pflegedienstleitung auszuüben. Im Übrigen wird bezüglich der einzelfallbezogenen Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die obigen Ausführungen verwiesen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Die Kosten der Berufung hat der unterlegene Beklagte zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Im Streit stand nur die Änderungsschutzklage. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind gegeneinander aufzuheben, §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Die Klägerin hat gem. § 54 Abs. 2 Satz 1 ArbGG die Klage teilweise wirksam zurückgenommen. Der allgemeine Feststellungsantrag wurde dabei nicht streitwerterhöhend berücksichtigt (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 04.02.2013 - 1 Ta 125/12 - Arbeitsrecht Aktuell 2013, 188; LAG Thüringen 03.06.1999 - 8 Ta 76/96 - zitiert nach Juris), die anderen drei Streitgegenstände wurden jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt, insgesamt also mit drei Bruttomonatsgehältern angesetzt (§ 3 Hs. 1, § 5 Hs. 1 ZPO). Der Änderungsschutzantrag wurde mit drei Bruttomonatsgehältern angesetzt (§ 3 Hs. 1 ZPO, § 42 Abs. 2 Hs. 1 GKG entspr.). Somit tragen der Beklagte und die Klägerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jeweils zur Hälfte (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

D.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG.

E.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen, § 72a Abs. 1 ArbGG.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht München Urteil, 13. Apr. 2016 - 5 Sa 990/15

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Tenor Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 17.08.2012 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.09.2012 - 11 Ca 185/12 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers..

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 AZR 32/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - 2 AZR 495/11

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Apr. 2012 - 2 AZR 186/11

bei uns veröffentlicht am 19.04.2012

Tenor 1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) bis 3) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. November 2010 - 4 Sa 795/07 - werd

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Apr. 2012 - 2 AZR 156/11

bei uns veröffentlicht am 19.04.2012

Tenor Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. November 2010 - 3 Sa 40/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Feb. 2011 - 2 AZR 636/09

bei uns veröffentlicht am 24.02.2011

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigun

Referenzen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 13.635,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über die Rechtsmäßigkeit der Änderungskündigung der Beklagten vom 21.04.2015.

Die am ... 1957 geborene und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.06.2010 (Bl. 26 f. d. A.) seit dem 01.09.2010 bei der Beklagten zunächst als Heimleiterin im Altenheim M… in S… zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.545,- € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß § 2 des Dienstvertrages die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen...(AVR) Anwendung.

Mit Schreiben der Beklagten vom 06.12.2013 wurde die Klägerin als Pflegedienstleiterin in das Alten- und Pflegeheim N.N. nach R… abgeordnet. In dem Klageverfahren gegen diese Abordnung vor dem Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - (Az. 3 Ca 2097/13) wurde mit Beschluss vom 13.06.2014 das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs zwischen den Parteien festgestellt (Bl. 28 f. d. A.), wonach sich die Klägerin mit der Abordnung einverstanden erklärt und ab dem 01.07.2014 als Pflegedienstleiterin im Alten- und Pflegeheim der Beklagten N.N. in R. zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.545,- € weiterbeschäftigt wird, wobei Teil der Vergütung der Klägerin eine unwiderrufliche und nicht anrechenbare Besitzstandszulage in Höhe von 207,- € brutto für den Wechsel der Tätigkeit ist.

Gemäß Nachtrag zum Dienstvertrag vom 17.05.2014 (Bl. 30 d. A.) arbeitet die Klägerin seit dem 01.07.2014 mit 39 Stunden in der Woche als Pflegedienstleiterin im … Alten-und Pflegeheim N. N.

Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Am 23.03.2015 kam es im … Alten- und Pflegeheim N.N. zu folgendem Vorfall:

Gegen 10.30 Uhr wurde Feueralarm ausgelöst. Eine im 2. Obergeschoss im Aufenthaltsbereich der Bewohner auf einer Kommode befindliche LED-Kerze war in Brand geraten. Auf diesem Stockwerk befinden sich Zimmer von Heimbewohnern, die teilweise dement und/oder häufig gebrechlich sind. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin zusammen mit der Mitarbeiterin Frau D.D. und der Auszubildenden Frau E.E. im Wohnbereichsbüro im 2. Obergeschoss. Die Klägerin begab sich nach dem Feueralarm mit den beiden Mitarbeiterinnen auf den Flur. Auf dem Weg Richtung Treppenhaus sah die Klägerin im Bereich einer Sitzecke auf einer Kommode, die mit einer Steindeckplatte versehen war, die brennende LED-Kerze. In unmittelbarer Nähe der Kommode saß Herr G.G., ein schwer demenzkranker Heimbewohner. Die Klägerin nahm Herrn G.G. auf den Rücken und begab sich zusammen mit den zwei anderen Mitarbeiterinnen über das große Treppenhaus in die Halle im Erdgeschoss. Nachdem die Klägerin Herrn G.G. in die Halle verbracht hatte, lief sie über das große Treppenhaus erneut in das 2. Obergeschoss. Zwischenzeitlich waren dort bereits über das kleine Treppenhaus der Haustechniker und die Heimleiterin angekommen.

Der Notfallplan für das … Alten- und Pflegeheim N.N. in R. mit Stand 11/2014 lautete wie folgt:

„– Notfallplan komplett entfernt, in dem anoymisierten Exemplar Mit Schreiben vom 14.04.2015 (Bl. 31 d. A.) stellte der Beklagte die Klägerin mit sofortiger Wirkung von ihrer Aufgabe als Pflegedienstleiterin im Alten- und Pflegeheim N.N., in R. frei und ordnete sie zur Dienstleistung als Pflegefachkraft an das Alten- und Pflegeheim H.H. in C-Stadt ab. Die Abordnung galt zunächst befristet bis zum 30.06.2015. Mit der Klage hat sich die Klägerin zunächst auch gegen diese Abordnung vom 14.04.2015 gewandt.“

Die Mitarbeitervertretung bei dem Beklagten wurde mit Schreiben vom 26.03.2015 (Bl. 67 f. d. A.) über die beabsichtigte Änderungskündigung der Klägerin unterrichtet und um Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung gebeten.

Mit Schreiben vom 10.04.2015 (Bl. 37 d. A.) stimmte die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten Änderungskündigung nicht zu.

Mit Schreiben vom 21.04.2015 (Bl. 35 f. d. A.), der Klägerin zugegangen am gleichen Tage, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen des Vorfalls vom 23.03.2015 fristgemäß zum 30.06.2015 und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Pflegefachkraft in einem anderen Heim des C. für die Diözese C-Stadt in der Stadt C-Stadt ab 01.07.2015 an.

Mit Schreiben vom 24.04.2015 an den Beklagten (Bl. 38 d. A.) nahm die Klägerin das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt, dass die Änderungen nicht sozial ungerechtfertigt sind, an.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2015, eingegangen beim Arbeitsgericht Regensburg am 27.04.2015, erhob die Klägerin gegen die Änderungskündigung vom 21.04.2015 Kündigungsschutzklage, die dem Beklagten, ausweislich Zustellungsurkunde, am 28.04.2015 zugestellt wurde.

Der Beklagte setzte die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.2015 (Bl. 66 d. A.) ab 01.07.2015 als Pflegefachkraft im Alten- und Pflegeheim H.H. in C-Stadt ein. Weiter wird in dem Schreiben mitgeteilt, dass die Klägerin entsprechend der Tätigkeit als Pflegefachkraft in die Entgeltgruppe 7 a Stufe 6 der Anlage 32 AVR eingruppiert ist.

Die Klägerin trägt vor:

Sie sei erst seit dem 01.07.2014 in dem Alten- und Pflegeheim der Beklagten in R. als Pflegedienstleiterin beschäftigt gewesen. Es habe kein Brandschutzkonzept existiert, sondern lediglich ein sog. Notfallplan, der in jedem Wohnbereichsbüro ausgehangen habe.

Sie habe sich am 23.03.2015 seit ca. 10.15 Uhr zusammen mit der Mitarbeiterin Frau D.D. und der Auszubildenden Frau E.E. im Wohnbereichsbüro im 2. Obergeschoss aufgehalten, als gegen 10.30 Uhr der Feueralarm losgegangen sei. Die langjährige Mitarbeiterin, Frau D.D., habe ihr dann schnell erklärt, dass sich alle Mitarbeiter im Falle eines Brandes in der Halle im Erdgeschoss einzufinden hätten, um dort weitere Anweisungen der Feuerwehr entgegenzunehmen. Da sie erst seit wenigen Monaten in dem Alten- und Pflegeheim beschäftigt gewesen sei, ein Brandschutzkonzept nicht bestanden habe, sondern lediglich der Notfallplan, habe sie entsprechend der hausinternen Regel das Büro zusammen mit den beiden Mitarbeiterinnen verlassen und sich Richtung Treppenhaus begeben. Auf dem Flur habe sie keine weiteren Personen gesehen. Zum Zeitpunkt des Feueralarms seien die nicht bettlägerigen Bewohner von der Gymnastikgruppe betreut worden. Auf dem Weg in Richtung großes Treppenhaus habe sie im Vorbeigehen auf der mit einer Steindeckplatte abgedeckten Kommode in der Sitzecke in einer Schale eine kleine Flamme von ca. 8 cm Flammenhöhe gesehen. In unmittelbarer Nähe habe der schwer an Demenz erkrankte Heimbewohner Herr G.G. gesessen. In einem Bruchteil von Sekunden habe sie sich entschlossen, Herrn G.G. auf dem Rücken über das Treppenhaus in die Halle im Erdgeschoß zu verbringen, damit er sich nicht verletzen könne und um ihren Verpflichtungen aus dem Notfallplan nachzukommen. Sie habe sich daraufhin zusammen mit den beiden Mitarbeiterinnen und Herrn G.G. in die Halle begeben. Nachdem sie Herrn G.G. in die Halle verbracht gehabt hatte, sei sie sofort wieder über das sog. große Treppenhaus in das 2. Obergeschoss zurückgekehrt, um diesen mit geeigneten Mitteln zu löschen. Als sie im 2. Stock angekommen sei, seien bereits der Haustechniker und die Heimleiterin, die über das sog. kleine Treppenhaus gekommen seien, vor Ort gewesen.

Sie sei mit den beiden Mitarbeiterinnen und mit dem Heimbewohner G.G. in die Halle gegangen, da ein Feuerlöscher oder andere zum Brandlöschen geeignete Gegenstände sich nicht in unmittelbarer Nähe befunden hätten.

Der Haustechniker und die Heimleiterin wären ohne Feuerlöscher am Brandherd eingetroffen, obwohl beim Eingang in den Flur jeweils ein Feuerlöscher hänge.

Sie sei zum seinerzeitigen Zeitpunkt von einer Brandschutzübung ausgegangen. Man könne ihr daher vorwerfen, die Situation fälschlich als Brandschutzübung eingeschätzt zu haben.

Zudem sei sie am 23.03.2015 nicht vollständig gesund gewesen. Im Zeitraum vom 18.03. bis zum 22.03.2015 sei sie wegen einer eitrigen Bronchitis arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Obwohl diese Erkrankung fortbestanden habe, sei sie am 23.03.2015 zum Dienst erschienen, da u. a. in der Karwoche zahlreiche Personen in Kurzzeitpflege aufgenommen werden sollten. In der Zeit vom 24.03. bis zum 29.03.2015 sei sie wiederum arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Sie habe sich entsprechend dem Notfallplan verhalten. Sie habe Ruhe bewahrt und Personen in Sicherheit gebracht. Erst weiter unten habe es im Notfallplan geheißen, evtl. Löschversuche zu unternehmen. Sie habe die Situation zunächst richtig erkannt, da sie davon ausgegangen sei, dass das Feuer keine Nahrung haben könne. Der Brandherd habe sich auf einer Steinplatte befunden, sämtliche Türen und Fenster seien geschlossen gewesen, so dass auch keine Zugluft ein Ausbreiten des Brandes hätte verursachen können. Sie habe entsprechend dem Notfallplan zuerst den Bewohner G.G. in Sicherheit gebracht und sei dann anschließend an den Brandort zurückgekehrt, um diesen eventuell zu löschen. Die Sicherheit des Heimbewohners habe für sie an wichtigster Stelle gestanden, zumal das Feuer keine Nahrung gehabt habe.

Personalgespräche mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn J.J., hätten am 09.04.2015 und am 13.05.2015 stattgefunden.

Sie sei zu keinem Zeitpunkt abgemahnt worden. Die ordentliche verhaltensbedingte Änderungskündigung sei daher sozial ungerechtfertigt, da als milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht gekommen wäre.

Sie habe sich erkennbar nach dem existierenden Notfallplan verhalten und zunächst Personen in Sicherheit gebracht, bevor sie einen Löschversuch unternehmen wollte. Sie verkenne zwar nicht, dass sie die Situation insofern falsch eingeschätzt habe, als sie vielleicht zuerst den Brand hätte löschen und sich dann um die Sicherheit der Bewohner hätte kümmern sollen. Gleichwohl müsse aber berücksichtigt werden, dass sie die Entscheidungen in einem Bruchteil von Sekunden habe treffen müssen und davon ausgegangen sei, der Brand hätte keine Nahrung. Andere Personen hätten sich zu dem Zeitpunkt nicht im Flur oder in unmittelbarer Nähe des Brandherdes aufgehalten. Das Wohl des schwer an Demenz erkrankten Heimbewohners habe für sie im Vordergrund gestanden. Sie hätte auch nicht Frau D.D. anweisen können, Herrn G.G. in Sicherheit zu bringen, da diese körperlich hierzu nicht imstande gewesen wäre, da es sich um eine 60jährige übergewichtige Mitarbeiterin mit schweren Knieproblemen handele. Auch der jungen und unerfahrenen Auszubildenden, Frau G., hätte sie diese Verantwortung nicht zumuten können.

Zu berücksichtigen sei außerdem, dass sie als Pflegedienstleiterin bisher in die Entgeltgruppe KR 9 d (Anlage 32 AVR) Regelvergütung Stufe 5 eingruppiert sei und nach einer entsprechenden Rückgruppierung als Folge der Änderungskündigung eine finanzielle Einbuße in Höhe von 1.100,- € brutto monatlich hätte, da auch die Besitzstandszulage in Höhe von 207,00 € wegfiele.

Die Kündigung sei auch unwirksam, da die zuständige Mitarbeitervertretung ausweislich des Schreibens vom 10.04.2015 ihre Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung nicht erklärt habe, obwohl gem. § 33 Abs. 1 MAVO der Diözese C-Stadt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung erforderlich gewesen sei, da es sich bei der Änderung der Arbeitsbedingungen um eine nicht nur vorübergehende Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 MAVO handele, da sie Pflegedienstleiterin gewesen sei und nunmehr lediglich als Pflegefachkraft eingesetzt werden solle.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 21.04.2015 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam sind.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte trägt vor:

Die Klägerin sei bei Auslösung des Feueralarms am 23.03.2015 die einzig anwesende Leitungskraft im 2. Obergeschoss des Alten- und Pflegeheims in R. gewesen. Zum Zeitpunkt des Brandes hätte sich in dem Stockwerk eine unbekannte Anzahl von Bewohnern -von einer Größenordnung von 10 - 15 Heimbewohnern ist auszugehen -aufgehalten. Sie habe weder etwas bezüglich des Brandes, etwa einen Löschversuch, noch hinsichtlich der Bewohner in ihren Zimmern veranlasst. Zu dritt habe man den Heimbewohner G.G. in die Halle im Erdgeschoss verbracht, ohne dass die Klägerin Anweisungen an eine der beiden anderen Mitarbeiterinnen gegeben hätte, sich um den Brandherd oder die anderen Bewohner auf dem Stockwerk zu kümmern. Vor allem sei ihr vorzuwerfen, dass sie den Brandherd und das Stockwerk völlig unbeaufsichtigt gelassen und damit eine mögliche unkontrollierte Entwicklung heraufbeschworen habe.

Es bleibt unklar, wieso die Klägerin, nach deren eigenem Vortrag die Flamme nur ca. 10 cm hoch gewesen sei, nicht sofort einen Löschversuch unternommen habe. Damit wäre auch dem Schutz des anwesenden Heimbewohners effektiv gedient gewesen. Sollte die Situation aber bedrohlicher gewesen sein, wäre es absolut unverantwortlich von der Klägerin als Leitungskraft gewesen, den Brandherd unbeaufsichtigt zu lassen.

Die Klägerin sei bei dem Brand am 23.03.2015 die einzig anwesende Leitungskraft gewesen und hätte daher arbeitsvertraglich die Pflicht gehabt, für eine geordnete Beherrschung der Situation zu sorgen. Von der Klägerin als Pflegedienstleiterin müsse verlangt werden, sich schnell ein Bild von der Situation zu verschaffen und geeignete Sofortmaßnahmen zu treffen. Der Klägerin sei mindestens vorzuwerfen, dass sie bei dem Brand die Prioritäten zumindest teilweise falsch gesetzt, den Überblick verloren und dadurch weitere Gefahren, etwa Löschversuche der Heimbewohner oder Panik bei den Bewohnern, heraufbeschworen habe. Das Unbeaufsichtigtlassen eines Feuers in einem Stockwerk, das von alten und teilweise dementen Personen bewohnt werde, stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung einer Pflegekraft mit Leitungsaufgaben dar. Die Klägerin habe sich mit ihrem Verhalten als ungeeignet für eine Leitungskraft gezeigt.

Eine Abmahnung sei vorliegend ungeeignet gewesen, da sich eine solche Situation in gleicher Weise nicht wiederholen werde, aber aufgrund des Verhaltens der Klägerin während des Brandes und der nachfolgenden Äußerungen davon ausgegangen werden müsse, dass sie auch in vergleichbaren Situationen ihren Aufgaben als Leitungskraft nicht gerecht werden würde. Im Unterschied zu täglich wiederkehrenden Aufgaben ist das, was von einer Leitungskraft als beanstandungsfreie Pflichterfüllung in Notsituationen im Einzelfall zu verlangen sei, situationsabhängig. Eine Abmahnung sei damit ungeeignet, in vergleichbaren Notsituationen ein erneutes Fehlverhalten der Klägerin als Leitungskraft auszuschließen.

Von einer Leitungskraft müsse gerade auch in Notsituationen verlangt werden, dass sie die Situation souverän beherrsche, insbesondere die Gefahrenlage sicher einschätze und die nötigen Anordnungen zur Sicherheit aller potentiell bedrohten Personen unter Berücksichtigung des Alters und des Gesundheitszustandes treffe. Auch müsse sich der Beklagte darauf verlassen können, dass gegenüber anwesenden unterstellten Mitarbeitern die jeweils notwendigen und richtigen Anordnungen zur Beherrschung der Situation getroffen würden. Im Interesse der Heimbewohner und anderen Mitarbeiter sei es daher geboten, die Klägerin von Leitungsaufgaben dauerhaft zu entbinden. Man habe sich für eine Änderungskündigung als milderes Mittel zu einer Beendigungskündigung entschieden, da sich das Fehlverhalten der Klägerin auf den Pflichtenkreis als Leitungskraft bezogen habe und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Weiterbeschäftigung als Pflegekraft ohne Leitungsverantwortung möglich sei. Die Eingruppierung und die Vergütung der Klägerin hätten in der Änderungskündigung nicht genannt werden müssen, da sie sich aufgrund der geänderten Arbeitsbedingungen aus den geltenden AVR „tarifautomatisch“ ergäben.

Soweit die Klägerin später behauptet habe, sie habe den Vorfall für eine Brandschutzübung gehalten, sei völlig unerfindlich, wie die Klägerin darauf kommen könne, dass der Beklagte Übungen mit echten Brandherden durchführe. Dessen ungeachtet wäre aber auch im Falle einer Übung von einer Leitungskraft zu verlangen gewesen, dass sie sich bei einer Übung wie bei einem echten Brand verhält.

Mit Schreiben vom 26.03.2015 sei die Mitarbeitervertretung über die beabsichtigte Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin unterrichtet und um Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung gebeten worden. Die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung nach § 30 MAVO seien eingehalten worden. Nach Erhebungen der Einwendungen der Mitarbeitervertretung sei eine weitere Sitzung am 10.04.2015 abgehalten worden. Danach sei der Beklagte berechtigt gewesen, die Kündigung ohne Weiteres auszusprechen (§ 30 Abs. 2 S. 3 u. 4 MAVO).

Soweit die Klägerin nunmehr erstmalig im Rahmen des Prozesses auf ihre angegriffene Gesundheit zum Zeitpunkt des Vorfalls verweist, sei dies unerheblich. Sie sei an diesem Tag im Dienst gewesen und sei daher als arbeitsfähig zu betrachten. Desweiteren sei sie offensichtlich auch in der Lage gewesen, den Heimbewohner G.G. auf den Rücken zu nehmen und zwei Stockwerke nach unten in die Halle zu tragen.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.06.2015 (Bl. 44 f. d. A.) und vom 17.09.2015 (Bl. 124 f. d. A.).

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b ArbGG gegeben. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Regensburg ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO.

Die Klage ist im Übrigen zulässig. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO folgt aus den Regelungen der §§ 4, 7 KSchG.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin in der Änderungskündigung vom 21.04.2015 ist sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin besteht daher ab dem 01.07.2015 als Pflegekraft fort.

1. Die Klägerin hat die Änderung der Arbeitsbedingungen rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen.

Bei der ordentlichen Änderungskündigung ist der Vorbehalt gemäß § 2 S. 2 KSchG innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erklären. Mit der Vorbehaltsannahme vom 24.04.2015 ist diese Frist eingehalten.

2. Der Vorbehalt ist nicht gemäß §§ 4 S. 1 und 2, 7 2. HS KSchG erloschen.

2. Mit der am 27.04.2015 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und dem Beklagten am 28.04.2015 zugestellten Änderungsschutzklage gem. § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO ist die dreiwöchige Klagefrist eingehalten. Die Klägerin kann die Unwirksamkeit der Änderungskündigung daher unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt geltend machen.

3. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial gerechtfertigt und damit wirksam gemäß §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

Eine Änderungskündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen personenbedingte, verhaltensbedingte oder dringende betriebliche Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen und die angebotenen geänderten Bedingungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen (vgl. KR-Rost/Kreft, 10. Aufl. 2013, § 2 KSchG Rdnr. 98a m. w. N.).

a) Die Klägerin kann sich auf die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung berufen, da das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Beklagte regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte.

b) Die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin mit der Änderungskündigung vom 21.04.2015 ist nicht aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

Eine personenbedingte Änderungskündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer von seinen persönlichen Voraussetzungen her zumindest teilweise die Fähigkeit und Eignung verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu erbringen und dass dieser Verlust nicht oder nicht mehr steuerbar ist (KR-Rost/Kreft, 10. Aufl. 2013, § 2 KSchG Rdnr. 100; Hessisches LAG, Urt. v. 29.10.2010, Az. 19 Sa 275/10).

Der Beklagte trägt zwar vor, dass von einer „Nichteignung“ der Klägerin als Leistungskraft auszugehen sei, stützt sich zur Begründung aber ausschließlich auf das Verhalten der Klägerin. Der Beklagte behauptet somit selber nicht, dass die Klägerin ihre Fähigkeit, in Notsituationen situationsangemessen zu handeln, aufgrund nicht steuerbarer Umstände -etwa einer Krankheit - verloren habe. Solche Umstände trägt auch die Klägerin nicht vor.

c) Die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin mit der Änderungskündigung vom 21.04.2015 ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

aa) Eine verhaltensbedingte Änderungskündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch sein Verhalten vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verletzt hat, dass aufgrund einer negativen Zukunftsprognose mit weiteren Vertragsverletzungen zu rechnen ist, dass aufgrund einer Interessenabwägung dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nicht mehr zugemutet werden kann sowie dass durch die Änderung der Arbeitsbedingungen die Gefahr weiterer Pflichtverletzungen beseitigt wird und im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mildere Mittel hierzu nicht ausreichend sind. Die angebotenen Vertragsänderungen dürfen dabei nicht weiter gehen, als es zur Vermeidung künftiger Vertragsverletzungen notwendig ist.

Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Änderungskündigung ist als Grundlage einer negativen Zukunftsprognose grundsätzlich eine einschlägige Abmahnung erforderlich, da davon auszugehen ist, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (KR-Rost/Kreft, 10. Aufl. 2013, § 2 KSchG Rdnr. 100 a; Erfurter Kommentar/Oetker, 15. Aufl. 2015, § 2 KSchG Rdnr. 46; LAG Nürnberg, Urt. v. 096.08.2012, Az. 2 Sa 643/11; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 29.09.2010 Az. 8 Sa 229/10). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urt. v. 20.11.2014, Az. 2 AZR 651/13).

bb) Der der streitgegenständlichen Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt ist zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitig. Bei dem Brand am 23.03.2015 im Alten und Pflegeheim N.N. nahm die Klägerin nach Auslösung des Feueralarms und nach Erkennen des Brandherdes den sich in unmittelbarer Nähe des Brandherdes aufhaltenden an Demenz erkrankten Heimbewohner G.G. auf den Rücken und begab sich zusammen mit den zu diesem Zeitpunkt beiden einzigen anderen Mitarbeiterinnen im 2. Obergeschoss - Frau D.D. und Frau E.E,. - in die Eingangshalle im Erdgeschoss.

Die Klägerin hat damit die ihr obliegenden Pflichten als Pflegedienstleiterin in schwerwiegender Weise verletzt. In einem Alten- und Pflegeheim, in dem sich u. a. demente und/oder häufig gebrechliche Heimbewohner und damit besonders schutzbedürftige Personen befinden, obliegt allen Mitarbeitern, insbesondere aber den Leitungskräften, eine besondere Obhutspflicht für die ihnen anvertrauten Heimbewohner. Von einer Leitungskraft ist daher in einem Notfall, wie vorliegend am 23.03.2015, zu verlangen, nach Erkennen des Notfalls die situationsangemessenen Maßnahmen zum Schutz von Leib und Leben der Heimbewohner, aber auch der anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu treffen. Die Klägerin veranlasste als Pflegedienstleiterin und einzig anwesende Leitungskraft weder, dass der Brandherd unter Beobachtung bleibt, noch dass die aktuelle Zahl der Heimbewohner auf dem Stockwerk festgestellt und die teilweise dementen und/oder gebrechlichen Heimbewohner nicht sich selber überlassen werden.

Eine Pflichtverletzung der Klägerin ist nicht etwa - wie die Klägerin zumindest anfangs vorgetragen hat - unter Berufung auf den Notfallplan für das Alten- und Pflegeheim N.N.in R. mit Stand 11/2014 ausgeschlossen. Zum einen enthält der Notfallplan nur stichwortartig einige allgemeine Verhaltensvorschriften. Keinesfalls enthält der Notfallplan aber eine strikt der Reihenfolge nach abzuarbeitende Checkliste, wie sich, wenn es eines solchen Hinweises überhaupt bedarf, jedenfalls daraus ergibt, dass es u. a. heißt „Löschversuch evtl. unternehmen“. Im Übrigen sieht auch der Notfallplan gerade nicht vor, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Sich-selber-Überlassen der Heimbewohner in die Halle im Erdgeschoss zu begeben hätten, um Anweisungen der Feuerwehr nach deren Eintreffen entgegenzunehmen.

Für die Kammer ist es schlechterdings nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin den demenzkranken Heimbewohner G.G., der sich zugegebenermaßen in unmittelbarer Nähe des Brandherdes befand, auf dem Rücken zwei Stockwerke hinunter in die Halle ins Erd geschoss verbrachte, wenn nach Einschätzung der Klägerin eine Ausweitung des Brandes ausgeschlossen war, da es sich lediglich um eine ca. 8 cm große Flamme handelte, wobei sich der Brandherd auf einer Steinplatte befand und mangels Zugluft ohne Weiteres von selber erloschen wäre. Die Kammer verkennt nicht, dass insoweit eine Gefahr für Leib und Leben des Heimbewohners G.G. bestand, da aufgrund dessen Erkrankung durchaus mit einem unkontrollierten Verhalten gerechnet werden musste, etwa Herangehen an den Brandherd, unkontrollierter Löschversuch oder Spielen mit dem Feuer, bei dem sich der Heimbewohner etwa Brandverletzungen hätte zuziehen können oder ggf. sogar möglicherweise zu einer Ausweitung des Brandes hätte beitragen können. Es erschließt sich der Kammer aber auch nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 19.09.2015 nicht, wieso die Klägerin nicht lediglich veranlasste, dass der Heimbewohner G.G. aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich weggebracht wird. Ein Verbringen in die Halle war gerade auch nach der eigenen Einschätzung der Klägerin nicht veranlasst, da das Feuer doch von selber erlöschen würde. Für den Fall, dass die Klägerin etwa diesbezüglich doch Zweifel gehabt hätte, bleibt es der Kammer aber wiederum völlig unverständlich, wieso die Klägerin als Leitungskraft dann nicht veranlasste, dass die anderen noch auf dem Stockwerk befindlichen Heimbewohner - zumindest soweit sie selbständig laufen konnten - ebenfalls nach unten verbracht wurden, oder aber -soweit sie hierzu nicht in der Lage waren - jedenfalls nicht sich selber überlassen wurden. Insbesondere gebrechliche Patienten sind aufgrund ihrer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit bei Ertönen eines Feueralarms besonders beunruhigt und bedürfen der Betreuung.

Des Weiteren ist die Argumentation der Klägerin widersprüchlich. Zum einen wird im Schriftsatz vom 18.08.2015 auf S. 8 unten vorgetragen, dass sie sich entschlossen habe, den anwesenden Heimbewohner G.G. über das Treppenhaus in die Halle zu verbringen, nachdem sich ein Feuerlöscher oder ein anderer zum Löschen geeigneter Gegenstand nicht in unmittelbarer Nähe befunden habe. Zum anderen wird nur zwei Seiten weiter dem später am Brandherd eingetroffenen Haustechniker und der Heimleiterin angelastet, dass diese am Brandherd ohne Feuerlöscher eingetroffen seien, obwohl ein solcher am Eingang des Flurs hängt. Damit räumt die Klägerin selber ein, dass zum einen Feuerlöscher vorhanden waren und sich zum anderen diese auch in hinreichender Nähe zum Brandherd befanden. Es wäre daher völlig ausreichend gewesen, zum einen zu veranlassen, dass der Heimbewohner G.G. aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich entfernt wird und zum anderen den Feuerlöscher zu holen, um das Feuer entweder zu löschen oder kontrolliert niederbrennen zu lassen.

Unklar bleibt der Kammer, was die Klägerin mit dem Hinweis, sie sei zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass es sich um eine Übung handle, zum Ausdruck bringen will. Soweit die Klägerin damit etwa sagen will, dass sie sich im Ernstfall anders verhalten hätte, verkennt die Klägerin damit Sinn und Zweck einer Brandschutzübung und disqualifiziert sich damit ebenfalls als Leitungskraft. Sinn und Zweck einer Brandschutzübung ist es ja gerade, dass sich alle Beteiligten so verhalten, wie sie sich auch im Ernstfall verhalten würden.

Die Klägerin hat offensichtlich ihr Fehlverhalten zumindest zuletzt eingesehen, da sie im Schriftsatz vom 18.08.2015 auf S. 14 folgendes vorträgt: „Dass die Klägerin die Situation insofern falsch einschätzte, dass sie vielleicht zuerst den Brand hätte löschen (Ergänzung des offensichtlich unvollständigen Satzes) und sich dann um die Sicherheit der Bewohner kümmern hätte sollen, wird diesseits nicht verkannt“.

cc) Nach Auffassung der Kammer war eine vorherige einschlägige Abmahnung der Klägerin entbehrlich, da es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war (vgl. BAG, Urt. v. 20.11.2014, Az. 2 AZR 651/13).

Die Klägerin hätte seinerzeit erkennen können und müssen, dass sie jedenfalls nicht den Brandherd ohne Beobachtung hätte lassen und die teilweise dementen und/oder gebrechlichen Heimbewohner nicht sich selber hätte überlassen dürfen. Auch hätte sie sich im Falle einer tatsächlich bestehenden ernstlichen Gefahr für Leib und Leben weiterer Heimbewohner nicht darauf beschränken dürfen, lediglich den Bewohner G.G. in Sicherheit zu bringen. Demgegenüber ist das Verbringen des Heimbewohners G.G. durch Tragen auf dem Rücken vom 2. Obergeschoss in die Halle im Erdgeschoss völlig unverhältnismäßig soweit die Klägerin nach eigenem Bekunden erkannt hatte, dass das Feuer von selber erlöschen würde.

Der Klägerin war als Pflegedienstleiterin bekannt, dass sich in dem Alten- und Pflegeheim der Beklagten sowohl gebrechliche Patienten als auch aufgrund einer schweren Demenzerkrankung besonders hilflose Personen aufhalten, sodass der Beklagte als Arbeitgeber der Klägerin es nicht hinnehmen kann, dass die Klägerin als Pflegedienstleiterin und damit verantwortliche Leitungskraft, in einer Notsituation völlig ungeeignete Maßnahmen zum Schutz von Leib und Leben sowohl der ihr anvertrauten hilflosen Patienten als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trifft. Dem Beklagten obliegt es zudem nach Auffassung der Kammer auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht der Klägerin gegenüber, diese nicht in einer Position zu belassen, in der sie jederzeit wieder in eine Notsituation geraten kann, bei der ein ungeeignetes Verhalten oder ungeeignete Anweisungen zu einer Gefahr für Leib und Leben anderer Personen führen können, mit ggf. entsprechenden rechtlichen Konsequenzen für die Klägerin, wenn Personen an Leib und Leben geschädigt werden. Aus diesen Gründen war nach Auffassung der Kammer vor Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung eine einschlägige Abmahnung nicht erforderlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre aber eine Abmahnung nicht von vornherein als ungeeignet ausgeschieden. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass im Unterschied zu einem sonstigen Fehlverhalten im Leistungsbereich das richtige Verhalten in einer Notsituation, wie etwa bei einem Brand, nicht ein für alle mal vorgeschrieben werden kann. Insoweit ist das zu verlangende situationsangemessene Verhalten von der Art des Notfalls und von den Einzelfallumständen abhängig. Auch können nicht sämtliche denkbaren Notfälle in einem Notfallplan festgelegt werden. Dessen ungeachtet könnte aber in einer Abmahnung der Klägerin aufgezeigt werden, inwieweit sie sich bei dem Brand am 23.03.2015 fehlerhaft verhielt und es könnte ihr aufgezeigt werden, wie sie sich in diesem Fall richtig verhalten hätte.

dd) Auch die bei einer verhaltensbedingten Kündigung durchzuführende Interessenabwägung führt nicht dazu, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin mit Änderungskündigung vom 21.04.2015 sozial ungerechtfertigt ist.

Die Kammer hat im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass diese zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung annähernd fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt war und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist. Demgegenüber ist aber nach Auffassung der Kammer entscheidend zu berücksichtigen, dass der Beklagte aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht sowohl für die ihr anvertrauten Heimbewohner als auch die bei ihr beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür Sorge tragen muss, dass die eingesetzten Leitungskräfte - soweit dies möglich ist - die Gewähr bieten, in Notsituationen angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht etwa eine Beendigungskündigung ausgesprochen hat, sondern die Klägerin im Wege einer Änderungskündigung lediglich von ihren Leitungsfunktionen entbunden und der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Pflegefachkraft angeboten hat. Soweit sich die Arbeitsbedingungen damit verändern, folgt dies aus den entsprechenden tarifrechtlichen Regelungen. Weitergehende Änderungen der Arbeitsbedingungen erfolgten nicht.

4. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die MAVO unwirksam.

Gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 MAVO ist der zuständigen Mitarbeitervertretung vor jeder ordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. Dies erfolgte mit Anhörungsschreiben des Beklagten vom 26.03.2015. Die Mitarbeitervertretung erhob mit Schreiben vom 10.04.2015 Einwendungen gemäß § 30 Abs. 2 S. 3 MAVO, die in einer Sitzung mit der zuständigen Mitarbeitervertretung am 10.04.2015 erörtert wurden. Nach Durchführung dieses Verfahrens ist der Arbeitgeber berechtigt, auch im Falle des Fortbestehens der Einwendungen der Mitarbeitervertretung, eine Kündigung auszusprechen, wie sich aus § 30 Abs. 4 MAVO ergibt.

Entgegen der Auffassung der Klägerinvertreterin war vorliegend nicht die Zustimmung der Mitarbeitervertreter gemäß §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 1 Ziff. 3 MAVO wegen der niedrigeren Eingruppierung einer Tätigkeit der Klägerin als Pflegekraft erforderlich. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung, die eine Rückgruppierung nach sich zieht, kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Umgruppierung vorliegt, da sich die Rückgruppierung nur als mittelbare Folge der geänderten Arbeitsbedingungen ergibt (LAG Köln, Urt. v. 25.02.1999, Az. 10 Sa 1652/97).

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und die Streitwertfestsetzung gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 2 S. 1 GKG. Die Kammer hat einen Streitwert in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten der Klägerin festgesetzt, da der sich bei einer Änderungskündigung mit Gehaltsreduzierung ergebende Streitwert aus dem dreijährigen Unterschiedsbetrag nicht höher sein kann als der Streitwert einer Beendigungskündigung.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. November 2013 - 1 Sa 489/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung am 31. Dezember 2012 geendet hat.

2

Die Klägerin war bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit aufgrund von insgesamt 16 befristeten Arbeitsverträgen mit zum Teil längeren Unterbrechungen in der Zeit vom 9. August 1993 bis zum 31. Dezember 2012 in der Agentur für Arbeit H und im Jobcenter der Region H beschäftigt. Sie war zunächst vom 9. August 1993 bis zum 31. Dezember 1993, vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1994 und vom 1. November 1994 bis zum 31. Dezember 1994 als Aktenverwalterin in der Agentur für Arbeit H tätig. Anschließend wurde sie bis zum 31. Dezember 1995 als Bearbeiterin in der Anmelde- und Bearbeitungsstelle in der Agentur für Arbeit H beschäftigt. Vom 6. Mai 1996 bis zum 31. Dezember 1996 sowie vom 11. August 1997 bis zum 30. September 1998 war die Klägerin als Bearbeiterin für AlG/Alhi/FuU in der Agentur für Arbeit H eingesetzt. Danach war sie erneut aufgrund von drei befristeten Verträgen als Aktenverwalterin in der Agentur für Arbeit H tätig, und zwar vom 5. Oktober 1998 bis zum 31. März 1999, vom 1. August 1999 bis zum 30. September 2000 sowie vom 1. Oktober 2000 bis zum 30. Juni 2001. Nach einer Unterbrechung von zwei Jahren und elf Monaten war die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis zum 31. Dezember 2004 als Aktenverwalterin beschäftigt. Vom 1. Mai 2005 bis zum 30. September 2005 und vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2007 wurde sie als Teamassistentin im Bearbeitungsservice im Jobcenter der Region H eingesetzt. Vom 7. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2008 wurde sie als Teamassistentin in der Agentur für Arbeit H beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich bis zum 30. April 2009 verlängert. Am 1. April 2009 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Dezember 2010 als Teamassistentin in der Agentur für Arbeit H eingesetzt wird.

3

Gegen die mit Vertrag vom 1. April 2009 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses erhob die Klägerin Befristungskontrollklage. Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2010 teilte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Arbeitsgericht Folgendes mit:

        

„… teile ich mit, dass die Parteien sich außergerichtlich geeinigt haben. Ich bitte Folgendes gemäß § 278 VI ZPO durch Beschluss festzustellen:

        

1.    

Der befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.04.2009 endet mit Ablauf des 31.12.2010.

        

2.    

Die Beklagte wird die Klägerin erneut befristet beschäftigen in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012. Die Befristung beruht auf § 14 I Nr. 8 TzBfG.

        

3.    

Die Beklagte verpflichtet sich, die Klägerin bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen, sofern sie die sachlichen persönlichen Voraussetzungen für den zu besetzenden Arbeitsplatz erfüllt.

        

4.    

Die Beklagte verpflichtet sich, auch nach dem 31.12.2012 zu prüfen, ob sich - unter Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen - für die Kläger Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dadurch für die Klägerin kein Rechtsanspruch auf ein weiteres befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis erwächst.

        

5.    

Der Rechtsstreit ist damit erledigt.“

4

Daraufhin fasste der Vorsitzende am 10. Juni 2010 folgenden Beschluss:

        

„… schlägt das Gericht den Parteien folgenden Vergleich vor:

        

1.    

Der befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.04.2009 endet mit Ablauf des 31.12.2010.

        

2.    

Die Beklagte wird die Klägerin erneut befristet beschäftigen in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012. Die Befristung beruht auf § 14 I Nr. 8 TzBfG.

        

3.    

Die Beklagte verpflichtet sich, die Klägerin bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen, sofern sie die sachlichen persönlichen Voraussetzungen für den zu besetzenden Arbeitsplatz erfüllt.

        

4.    

Die Beklagte verpflichtet sich, auch nach dem 31.12.2012 zu prüfen, ob sich - unter Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen - für die Klägerin Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dadurch für die Klägerin kein Rechtsanspruch auf ein weiteres befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis erwächst.

        

5.    

Der Rechtsstreit ist damit erledigt.

        

Die Beklagte wird gebeten, zu diesem Vergleichsvorschlag binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen (Annahme?).

        

Im Falle der Annahme wird das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss feststellen.

        

…“    

5

Dieser Beschluss wurde beiden Parteien übersandt. Die Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 15. Juni 2010 wie folgt Stellung:

        

„… wird der mit Beschluss vom 10.06.2010 unterbreitete Vergleichsvorschlag des Gerichts, hier eingegangen am 15.06.2010, inhaltlich angenommen.

        

Es wird jedoch um folgende redaktionelle Änderung gebeten:

        

Entsprechend der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen mit der Gegenseite ist unter Punkt 3 des gerichtlichen Vergleichsvorschlags vom 10.06.2010 zwischen ‚sachlichen persönlichen‘ das Wort ‚und‘ einzufügen. Diese Formulierung entspricht zudem der Wortwahl unter Punkt 4.

        

Eine erneute Vorlage nach Vornahme dieser redaktionellen Ergänzung ist nicht nötig.“

6

Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 übermittelte das Gericht den Schriftsatz der Beklagten vom 15. Juni 2010 an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Bitte um Stellungnahme, ob Einverständnis mit den Änderungen bestehe. Nachdem dieser sein Einverständnis erklärt hatte, fasste das Arbeitsgericht am 24. Juni 2010 folgenden Beschluss:

        

„… wird gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass die Parteien einen Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen haben:

        

1.    

Der befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.04.2009 endet mit Ablauf des 31.12.2010.

        

2.    

Die Beklagte wird die Klägerin erneut befristet beschäftigen in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2012. Die Befristung beruht auf § 14 I Nr. 8 TzBfG.

        

3.    

Die Beklagte verpflichtet sich, die Klägerin bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen, sofern sie die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für den zu besetzenden Arbeitsplatz erfüllt.

        

4.    

Die Beklagte verpflichtet sich, auch nach dem 31.12.2012 zu prüfen, ob sich - unter Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen - für die Klägerin Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dadurch für die Klägerin kein Rechtsanspruch auf ein weiteres befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis erwächst.

        

5.    

Der Rechtsstreit ist damit erledigt.

        

Das Verfahren ist damit beendet.“

7

Am 30. November 2010 unterzeichneten die Parteien einen zum 31. Dezember 2012 befristeten Arbeitsvertrag. Nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis - wie auch schon zuvor - nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

8

Mit ihrer am 18. Januar 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 28. Januar 2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Befristung sei nicht sachlich gerechtfertigt. Sie beruhe nicht auf einem gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, da der Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zustande gekommen sei.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 24. Juni 2010 noch durch Arbeitsvertrag vom 30. November 2010 vereinbarte Befristung zum 31. Dezember 2012 endete.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Vergleich sei nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommen und rechtfertige daher die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

14

I. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Revision zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 ZPO).

15

1. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dabei in einer Weise aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Revisionsführer das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch die Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 11. November 2014 - 3 AZR 404/13 - Rn. 13).

16

2. Ausgehend davon wird die Revisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zustande gekommener Vergleich ein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sei. Dagegen richtet sich die Revision. Die Klägerin macht geltend, dass ein Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG eine Mitwirkung des Gerichts am Vergleich voraussetze. Das sei bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 TzBfG nicht der Fall. Diese Ausführungen lassen sowohl die Richtung des Revisionsangriffs als auch den von der Revision geltend gemachten Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts hinreichend deutlich erkennen. Dieser Revisionsangriff ist im Fall seiner Berechtigung geeignet, eine abweichende Entscheidung möglich erscheinen zu lassen.

17

II. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die zulässige Befristungskontrollklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Dezember 2012 geendet.

18

1. Mit dem Befristungskontrollantrag greift die Klägerin die Befristung zum 31. Dezember 2012 an, die im Vergleich vom 24. Juni 2010 vereinbart und im Arbeitsvertrag vom 30. November 2010 nochmals festgehalten wurde. Hierbei handelt es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand. Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Befristungskontrollantrag ergibt sich schon aus der Regelung in § 17 Satz 1 TzBfG(BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 451/11 - Rn. 10).

19

2. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Die streitbefangene Befristung, deren Unwirksamkeit die Klägerin rechtzeitig geltend gemacht hat, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt, da sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Sie erweist sich nicht als rechtsmissbräuchlich.

20

a) Die Befristung zum 31. Dezember 2012 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat deren Unwirksamkeit rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht. Die Klageschrift vom 18. Januar 2013 ist beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen und der Beklagten am 28. Januar 2013 und damit demnächst iSv. § 167 ZPO zugestellt worden.

21

b) Die Befristung des letzten Arbeitsvertrags zum 31. Dezember 2012, die aufgrund der vorherigen Beschäftigung der Klägerin bei der Beklagten eines sachlichen Grundes bedurfte, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

22

aa) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

23

(1) Voraussetzung für den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich, soweit die Parteien darin zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines sonstigen Feststellungsrechtsstreits über den Fortbestand oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine Einigung erzielen(vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn.13, BAGE 140, 368; 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 13).

24

(a) Der gerichtliche Vergleich, mit dem die Parteien zur Beilegung einer Rechtsstreitigkeit ein befristetes oder auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbaren, unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs. Dem Gericht als Grundrechtsverpflichteten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG obliegt im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Aufgabe, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Diese aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Schutzpflicht erfüllt das Gericht nicht nur durch ein Urteil, sondern auch im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits. Schlägt das Arbeitsgericht zur Beendigung des Verfahrens über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vor, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, ist das im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden ist, um dem Arbeitnehmer grundlos den gesetzlichen Bestandsschutz zu nehmen (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 13, BAGE 140, 368; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 55, BAGE 120, 251).

25

(b) Der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs setzt neben der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus (vgl. BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 13). Dafür ist erforderlich, dass die Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere muss der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber muss es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen (BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 13, BAGE 140, 368).

26

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG erfüllt. Dies ist - anders als bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich - nicht der Fall, da es an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts fehlt (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 25, BAGE 140, 368).

27

(a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG unterscheidet zwar nicht zwischen den beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO. Der Wortlaut der Vorschrift erweist sich jedoch insoweit unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte als unergiebig, da es die in § 278 Abs. 6 ZPO getroffene Regelung im Zeitpunkt der Verkündung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 21. Dezember 2000 noch nicht gab. Bis Ende 2001 musste ein den Prozess beendender Vergleich vor Gericht abgeschlossen und nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 ZPO protokolliert werden. Aus der Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG(BT-Drs. 14/4374 S. 19) ergibt sich allerdings, dass der Gesetzgeber den gerichtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für eine Befristung anerkannt hat, weil das Gericht die Möglichkeit und die Obliegenheit hat, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt - auch unter Berücksichtigung der Prozessaussichten in dem beigelegten Rechtsstreit - die Schutzinteressen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden (BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 24, BAGE 140, 368). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich von dem Erfordernis der gerichtlichen Mitwirkung an dem Vergleich Abstand genommen hat. Aus dem Zweck der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen und zum 1. September 2004 erweiterten Regelung in § 278 Abs. 6 ZPO, den Abschluss eines Prozessvergleichs zu vereinfachen, folgt nicht der Wille des Gesetzgebers, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu erleichtern.

28

(b) Die erforderliche Mitwirkung des Gerichts ist bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich gewährleistet. Durch einen Vergleichsvorschlag nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO wirkt das Gericht am Inhalt des Vergleichs verantwortlich mit. Das gilt auch, wenn das Gericht sich einen von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den Parteien unterbreitet (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 17, BAGE 140, 368; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 55 f., BAGE 120, 251). Demgegenüber fehlt es bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO an der verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleich. Bei einem solchen Vergleich ist der gerichtliche Beitrag - abgesehen von der Prüfung von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen §§ 134, 138 BGB - von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt(vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 25, aaO).

29

(c) Die Differenzierung ist auch unionsrechtlich geboten (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 17, BAGE 140, 368). Nach § 5 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, eine oder mehrere der in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer oder mehreren dieser Maßnahmen, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu gewährleisten (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [Angelidaki ua.] Rn. 94, 95 mwN, Slg. 2009, I-3071). Es ist Aufgabe der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [Angelidaki ua.] Rn. 106, aaO; 7. September 2006 - C-53/04 - [Marrosu und Sardino] Rn. 56, Slg. 2006, I-7213; 7. September 2006 - C-180/04 - [Vassallo] Rn. 41, Slg. 2006, I-7251). Dies geschieht bei dem in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG geregelten Sachgrund durch das Erfordernis der verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleichsschluss(vgl. BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 17, aaO).

30

bb) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus, da die an einen gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG zu stellenden Anforderungen vorliegend erfüllt sind. Die Parteien haben die Befristung zum 31. Dezember 2012 zur Beilegung der zwischen ihnen anhängigen Befristungskontrollklage über die Wirksamkeit der (vorletzten) Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010 in dem Vergleich vom 24. Juni 2010 vereinbart. Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht geprüft, nach welcher der beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO der Vergleich zustande gekommen ist. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht ist jedoch nicht erforderlich, da der Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen diese Beurteilung selbst vornehmen kann. Danach ist der Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommen.

31

(1) Das Arbeitsgericht hat den Parteien am 10. Juni 2010 einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet und nicht nur einen Vergleichsvorschlag der Klägerin der Beklagten zur Stellungnahme weitergeleitet. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Beschlusses vom 10. Juni 2010, in dem es heißt: „…schlägt das Gericht den Parteien folgenden Vergleich vor…“. Damit hat das Gericht sich den Einigungsentwurf der Parteien ausdrücklich zu eigen gemacht und diesen den Parteien als gerichtlichen Vorschlag unterbreitet. Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht nur die Beklagte um Stellungnahme gebeten hat, nicht jedoch die Klägerin. Eine Aufforderung zur Stellungnahme zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag mag zweckmäßig sein, erforderlich ist sie nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO jedoch nicht. Es genügt, dass das Arbeitsgericht den Vergleichsvorschlag beiden Parteien zugesandt hat. Hätte es keinen eigenen Vergleichsvorschlag unterbreiten, sondern nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO vorgehen wollen, so wäre es ausreichend gewesen, der Beklagten den Vorschlag der Klägerin zu übersenden.

32

(2) Die Beklagte hat diesen Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 15. Juni 2010 angenommen. Dem steht nicht entgegen, dass sie um eine „redaktionelle Änderung“ gebeten hat.

33

(a) Ein Vergleichsvorschlag kann - wie ein Vertragsangebot - nur unverändert angenommen werden. Eine Annahme unter Änderungen stellt eine Ablehnung dar (GMP/Germelmann 8. Aufl. § 46 Rn. 17). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Änderungen handelt (BGH 18. Oktober 2000 - XII ZR 179/98 -). Die Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten wie Rechtschreib- oder Grammatikfehler, die nicht zu einer inhaltlichen Änderung führt, stellt dagegen keine Änderung iSv. § 150 Abs. 2 BGB dar.

34

(b) Danach hat die Beklagte den Vergleichsvorschlag angenommen. Sie hat mitgeteilt, dass der Vergleichsvorschlag des Gerichts inhaltlich angenommen werde. In der Bitte um eine „redaktionelle Änderung“ ist keine Annahme unter Änderungen iSv. § 150 Abs. 2 BGB zu sehen. Die erbetene Einfügung des Wortes „und“ in Ziffer 3 des Vergleichs stellt keine Änderung iSv. § 150 Abs. 2 BGB dar. Es handelt sich vielmehr um die Berichtigung einer offensichtlichen Unrichtigkeit, die nicht zu einer inhaltlichen Änderung führt. Es ist aus der Regelung in Ziffer 3 des vorgeschlagenen Vergleichs eindeutig erkennbar, dass das Wort „und“ fehlte. Das ergibt sich auch aus der Parallelregelung in Ziffer 4 und wird durch einen Vergleich mit der Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 2 TV-BA bestätigt. Diese Regelung, die schon aufgrund individualvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, sollte durch Ziffer 3 lediglich wiedergegeben werden.

35

(3) Die Klägerin hat dem Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010 zugestimmt.

36

(4) Daraufhin hat das Gericht den Vergleich mit Beschluss vom 24. Juni 2010 gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 ZPO festgestellt.

37

c) Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb im Ergebnis als unzutreffend dar, weil das Landesarbeitsgericht nicht geprüft hat, ob die Beklagte unter Berücksichtigung aller im vorliegenden Fall maßgeblichen Umstände einschließlich der Zahl und Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit der Klägerin geschlossenen befristeten Arbeitsverträge in rechtsmissbräuchlicher Weise (§ 242 BGB) von der Möglichkeit der Sachgrundbefristung Gebrauch gemacht hat. Im vorliegenden Fall bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Möglichkeit zur wiederholten Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hat. Dies kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst abschließend entscheiden.

38

aa) Die Gerichte dürfen sich auch bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken(BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 27). Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40). Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (grundlegend BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 40, BAGE 142, 308 und - 7 AZR 783/10 - Rn. 33).

39

(1) Eine unionsrechtlich gebotene Prüfung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ist nicht dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die zuletzt vereinbarte Befristung als Element einer Kette aus befristeten Arbeitsverträgen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigt ist(BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 30).

40

(a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Prüfung des institutionellen Rechtmissbrauchs nicht nur erforderlich, wenn die streitgegenständliche Befristung auf den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gestützt wird, sondern auch dann, wenn diese aus anderen Sachgründen gerechtfertigt ist. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung hängt nicht ausschließlich davon ab, welcher Sachgrund für die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Befristungsabrede vorliegt (BAG 13. Februar 2013 - 7 AZR 225/11 - Rn. 36). Zwar dürfte eine auf dem Wunsch des Arbeitnehmers beruhende Befristungsabrede nicht rechtsmissbräuchlich sein. Der Vergleich über die befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG beruht jedoch nicht allein - und in der Regel nicht in erster Linie - auf dem Wunsch des Arbeitnehmers. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an einer Dauerbeschäftigung interessiert ist, sich aber im Hinblick auf sein Prozessrisiko durch Vergleich auf eine befristete Beschäftigung einlässt (BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 31).

41

(b) Die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs ist keine abschließende Sicherheit dafür, dass sich die für sich betrachtet nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigte Vergleichsbefristung bei einer umfassenden Gesamtabwägung nicht (doch) als rechtsmissbräuchlich erweist. Liegen nach der Einschätzung des Gerichts die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Befristungskette vor, wird es von sich aus den Parteien keine Vergleichsbefristung vorschlagen. Geht in einem solchen Fall der Vergleich über die zeitlich beschränkte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf eine Anregung der Parteien zurück, kann ein gerichtlicher Hinweis erfolgen, dass sich die Befristung trotz des Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG möglicherweise als rechtsmissbräuchlich darstellen könnte. Letztlich liegt es allerdings auch bei einem gerichtlichen Vergleich in der Verantwortung der Parteien, ob und in welcher Weise sie sich verständigen und damit ggf. das Folgerisiko einer unzulässigen Befristungskette in Kauf nehmen. Eine rechtsmissbräuchliche Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen wird nicht ohne weiteres dadurch legitimiert, dass die letzte Befristung in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart wird (BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 32 ff.).

42

(2) Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.

43

(a) Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wird oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl und Dauer der jeweils befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 36 mwN). Zu berücksichtigen ist außerdem die Laufzeit der Verträge. Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Das gilt insbesondere für die Zahl und die Dauer der Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen (BAG 10. Juli 2013 - 7 AZR 761/11 - Rn. 27).

44

(b) Der Senat hat sich aufgrund der stets gebotenen Gesamtabwägung quantitativer Angaben dazu enthalten, wo die zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen für einen Missbrauch genau liegen. Er hat bisher nur grobe Orientierungshilfen gegeben. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrundes kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Der Senat hat bei einer Dauer von insgesamt sieben Jahren und neun Monaten bei vier befristeten Arbeitsverträgen sowie keinen weiteren - vom Arbeitnehmer vorzutragenden - Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 783/10 -), während er bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs davon ausgegangen ist, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Befristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - BAGE 142, 308).

45

bb) Im vorliegenden Fall bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Möglichkeit zur wiederholten Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hat.

46

Die Klägerin war zuletzt durchgehend in der Zeit vom 7. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 aufgrund von vier befristeten Verträgen bei der Beklagten beschäftigt. Damit sind die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht mehrfach überschritten.

47

Eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Möglichkeit zur Befristung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich auch nicht bei einer Berücksichtigung der vorangegangenen Beschäftigungszeiten. Die Klägerin war zwar in der Zeit vom 9. August 1993 bis zum 31. Dezember 2012 insgesamt ca. 13,5 Jahre aufgrund von 16 befristeten Verträgen bei der Beklagten beschäftigt. Es ist aber zu berücksichtigen, dass zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen mehrfach nicht unerhebliche Unterbrechungen lagen. Das gilt insbesondere für die Unterbrechung vom 1. Juli 2001 bis zum 31. Mai 2004. Eine Unterbrechung von zwei Jahren und elf Monaten verbunden mit einem Aufgabenwechsel schließt die Annahme von „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ bzw. „Befristungsketten“ aus. Die Beschäftigungszeiten vor dem 1. Juni 2004 sind daher nicht zu berücksichtigen. Seit dem 1. Juni 2004 war die Klägerin insgesamt sieben Jahre und drei Monate aufgrund von sieben befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Damit sind die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG noch nicht in einem gravierenden Ausmaß überschritten. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigt war und in unterschiedlichen Einheiten eingesetzt wurde und dass zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen auch nach dem 1. Juni 2004 zum Teil längere Unterbrechungen lagen. Das spricht gegen die Annahme der rechtmissbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    R. Steude    

        

    Strippelmann    

                 

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2014 - 7 Sa 662/14 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2014 - 3 Ca 1440/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 unwirksam ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten unter Anrechnung von Beschäftigungszeiten seit August 1987 zuletzt im Betrieb „T“ (nachfolgend DTDB) beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für den Betrieb oder Betriebsteil betrieblich bzw. fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

3

Unter dem 21. Juni 2011 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „Tarifvertrag Bereichsausnahme DTDB“. Er sah für Beschäftigte im Betrieb DTDB vor, dass auf diese - mit Ausnahme von drei hier nicht interessierenden Regelwerken - nicht die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung fänden, sondern diejenigen der T D GmbH (TDG) in der jeweils aktuellen Fassung. Die Regelungen des TV Ratio sollten dabei mit der Maßgabe Anwendung finden, dass die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) im Sinne des TV Ratio diejenige im Sinne des TV Ratio der Beklagten (V) sei.

4

Ein TV Ratio der TDG war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags Bereichsausnahme DTDB noch nicht geschlossen. Die Unterzeichnung des „Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung“ zwischen der TDG und der Gewerkschaft ver.di erfolgte erst im Juli 2013. Die Unterschriftszeile trägt das Datum „01.04.2010“. Nach den Regelungen des TV Ratio TDG sind alle Arbeitnehmer, die vom Wegfall gleicher Arbeitsplätze in ihrer Gesamtheit betroffen werden, in die BQE der TDG zu versetzen. Sie erhalten ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrags. Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags können sie einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Lehne ein Arbeitnehmer diese Angebote ab, erfolge eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen in der BQE. Abweichend von den Bestimmungen des Manteltarifvertrags gelte dafür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Es werde auf die am 1. April 2010 geltenden gesetzlichen, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen abgestellt. Sollten sich diese ändern, so seien die Tarifvertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über eine entsprechende Anpassung des Tarifvertrags zu führen. In § 17 des Tarifvertrags heißt es, er trete am 1. April 2010 in Kraft.

5

Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still. Zuvor hatte sie am 2. Mai 2013 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen. Sie bot der Klägerin sowohl einen Änderungsvertrag als auch einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an. Die Klägerin nahm keines der Angebote an.

6

Nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juli 2013 „unter Beachtung der Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin“. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V … zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“ an. Die Kündigung ging der Klägerin am 10. Juli 2013 zu. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 11. Juli 2013 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an.

7

Die Klägerin hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen gewandt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Änderungskündigung sei mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe kein wirksamer Tarifvertrag vorgelegen, aus dem sich die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen hätten ergeben können. Rückwirkung komme dem TV Ratio TDG trotz der Bestimmung zu seinem Inkrafttreten am 1. April 2010 nicht zu. Dementsprechend sei die Kündigung überdies mit einer zu kurzen Kündigungsfrist erklärt worden und daher unverhältnismäßig. Eine Auslegung bzw. Umdeutung dahingehend, dass die Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt wirken solle, komme nicht in Betracht. Im Übrigen kürze der TV Ratio TDG die gesetzlichen Kündigungsfristen in unzulässiger Weise ab. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Änderungskündigung für wirksam, insbesondere für hinreichend bestimmt gehalten. Der TV Ratio TDG habe rückwirkend seit dem 1. April 2010 Wirkung entfaltet. Die Beklagte hat behauptet, eine „finalisierte Fassung“ des Tarifvertrags sei für die Beschäftigten seit dem 19. Juni 2013 in ihrem Intranet abrufbar gewesen. Der TV Ratio TDG sei zunächst von der Gewerkschaft und sodann am 4. Juli 2013 von der TDG unterzeichnet worden. In der von beiden Parteien unterschriebenen Fassung sei er an die Gewerkschaft zurückgesandt worden. Dort sei er laut Auskunft von ver.di am 10. Juli 2013, nach Auskunft des Kurierunternehmens am 11. Juli 2013 zugegangen.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte der Änderungsschutzklage auf die Berufung der Klägerin hin stattgeben müssen.

12

I. Die Revision ist entgegen der von der Beklagten geäußerten Zweifel nicht deshalb unbegründet, weil die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig gewesen wäre.

13

1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13 - Rn. 18).

14

2. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen. Sie zeigt ausreichend deutlich auf, in welchen Punkten die Klägerin das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft hält.

15

a) Die Klägerin hat gerügt, der TV Ratio TDG sei erst nach Zugang der Kündigung wirksam geworden und entfalte keine Rückwirkung. Vor Eintritt der Wirksamkeit des TV Ratio TDG sei es rechtlich nicht möglich gewesen, ihr ein Angebot gemäß dessen § 5 Abs. 1 zu unterbreiten. Ohne ein solches Angebot wiederum sei die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei. Die Kündigung verstoße daher gegen § 102 BetrVG. Mangels eines wirksamen Tarifvertrags sei auch das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt gewesen.

16

b) Damit hat sich die Klägerin in ausreichendem Maße gegen das arbeitsgerichtliche Urteil gewandt. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen die Kündigung ihrer Ansicht nach unwirksam sei. Zwar beruhten ihre Ausführungen ausschließlich auf der erst mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Tatsache, dass der TV Ratio TDG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht wirksam zustande gekommen sei. Ob dieser Vortrag nach § 67 ArbGG vom Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen war, ist aber keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit(vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 76). Es kann offenbleiben, ob es für die Zulässigkeit der Berufung zumindest der Darlegung bedurfte, weshalb das neue Vorbringen nach Auffassung der Klägerin gemäß § 67 ArbGG zuzulassen sei. Die Klägerin hat sich für die fragliche Tatsache auf Ausführungen in dem Urteil eines Arbeitsgerichts berufen, welches erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Rechtsstreit verkündet worden war.

17

II. Die Änderungsschutzklage (§ 4 Satz 2 KSchG) ist begründet. Das mit der Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 verbundene Änderungsangebot war nicht hinreichend bestimmt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung ist damit unwirksam. Ob sie dies auch aus anderen Gründen ist, bedarf keiner Entscheidung.

18

1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen(BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 38, BAGE 147, 237; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 21). Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Er muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - Rn. 18; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29).

19

2. Diesen Anforderungen genügte das der Klägerin mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot nicht.

20

a) Das Änderungsangebot lautete auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V der D AG zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“. Es nahm damit Bezug auf die sich aus dem näher bezeichneten Tarifvertrag ergebenden Bedingungen.

21

b) Diese Bedingungen waren zu dem für die Beurteilung der Wirksamkeit der Änderungskündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs nicht hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar. Ein „TV Ratio TDG“ existierte noch nicht. Da er bei Kündigungszugang nicht unter Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 TVG zustande gekommen war, lag allenfalls ein abgestimmter Entwurf vor, aber kein Tarifvertrag.

22

aa) Das Zustandekommen eines Tarifvertrags als eines privatrechtlichen Vertrags richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14). Es bedarf übereinstimmender Willenserklärungen - Antrag und Annahme -, gerichtet auf Abschluss eines Tarifvertrags. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge ein Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB auf. Tarifverträge müssen schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die nötige Schriftform dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und damit dem Gebot der Normenklarheit (BAG 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327; 9. Juli 1980 - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42).Wird der Antrag auf Abschluss eines Tarifvertrags gegenüber einem Abwesenden erklärt, ist dessen Annahmeerklärung erforderlich. Diese ist wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist für einen Vertrag gesetzlich die Schriftform vorgesehen, wird die Annahmeerklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB), in dem sie dem anderen Teil in der vorgeschriebenen Form zugeht (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO). Es reicht nicht aus, dass der Empfänger des Antrags die Vertragsurkunde unterzeichnet und den anderen Teil hierüber in einer Form, die die Voraussetzungen des § 126 BGB nicht wahrt, in Kenntnis setzt(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO; BGH 30. Mai 1962 - VIII ZR 173/61 - zu II 2 der Gründe; 30. Juli 1997 - VIII ZR 244/96 - zu II 2 b bb der Gründe mwN; vgl. auch BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 156/91 - zu II 4 d der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach § 151 Satz 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich ist(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO).

23

bb) Solange der „TV Ratio TDG“ nicht formwirksam zustande gekommen war, stand nicht zweifelsfrei fest, ob und mit welchem Inhalt er wirksam würde. Solange wiederum war das auf ihn verweisende Änderungsangebot zu unbestimmt.

24

(1) Gegen die Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt seines Zugangs bei der Klägerin am 10. Juli 2013 lässt sich nicht mit Erfolg anführen, in einem Arbeitsvertrag könne ggf. auch auf nichtige oder nicht mehr wirksame Tarifverträge Bezug genommen werden, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen auch als arbeitsvertragliche Regelungen nichtig seien (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 26/10 - Rn. 43). Dies besagt nicht, dass die in Bezug genommenen Regelungen nicht jedenfalls hinreichend bestimmt sein müssten. Das wiederum sind sie nicht, solange ihr Inhalt mangels wirksamen Abschlusses noch geändert werden kann.

25

(2) Keiner Entscheidung bedarf, ob das Änderungsangebot hinreichend bestimmt gewesen wäre, wenn darin auf eine genau bezeichnete Entwurfsfassung eines noch nicht formwirksam zustande gekommenen Tarifvertrags verwiesen worden wäre. Ein solches Änderungsangebot hat die Beklagte nicht unterbreitet. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob eine von der Beklagten so bezeichnete „finalisierte“ Fassung des Tarifvertrags in ihrem Intranet einsehbar war.

26

(3) Es wäre auch nicht ausreichend, wenn der Tarifvertrag zwar nach Zugang der Änderungskündigung, aber noch innerhalb der Frist zur Annahme des Änderungsangebots durch die Klägerin zustande gekommen wäre. Das Änderungsangebot muss bereits im Kündigungszeitpunkt hinreichend bestimmt sein. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird (allgM, vgl. nur APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 10). Nur dann, wenn alle Voraussetzungen für die Ausübung des Gestaltungsrechts im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsgegner vorliegen, kann die - dann wirksame - Kündigung ihr Gestaltungsziel erreichen (APS/Preis aaO Rn. 11). Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist daher der ihres Zugangs, ihre Wirksamkeit bestimmt sich nach den in diesem Zeitpunkt gegebenen objektiven Verhältnissen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194; APS/Preis aaO Rn. 11; für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 KSchG KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 235 mwN).

27

cc) Der TV Ratio TDG war in dem Zeitpunkt, als die Änderungskündigung der Klägerin zuging, noch nicht formwirksam zustande gekommen.

28

(1) Unstreitig ist, dass die Originalurkunde des TV Ratio TDG „im Juli 2013“ von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichnet wurde.

29

(2) Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Vertragsurkunde schon am 4. Juli 2013 von beiden Seiten unterschrieben. Die schriftliche Annahme durch die TDG war aber nicht in Anwesenheit des anderen Teils erfolgt und musste daher, um formwahrend zu sein, der Gewerkschaft noch zugehen. Die Beklagte hat vorgetragen, laut Auskunft von ver.di sei dies am 10. Juli 2013 der Fall gewesen, nach Auskunft des beauftragten Kurierunternehmens am 11. Juli 2013. Damit hat die Beklagte als sicher feststehend nur behauptet, die von beiden Seiten unterschriebene Urkunde sei jedenfalls nicht nach dem 11. Juli 2013 bei ver.di eingegangen. Das schließt einen Eingang bei ver.di erst nach Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin nicht aus. Diese hat die Änderungskündigung bereits am 10. Juli 2013 erhalten.

30

(3) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, ggf. zu einem früheren Zugang vorzutragen, bedurfte es nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagtenvertreter auf Nachfrage erklärt, der Zeitpunkt des Zugangs der Vertragsurkunde bei ver.di sei nicht weiter aufklärbar.

31

c) Der Umstand, dass der TV Ratio TDG nach seinem § 17 bereits zum 1. April 2010 in Kraft treten sollte, ändert nichts an der Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt der Kündigung. Es liegt zwar grundsätzlich - soweit Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegenstehen - in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, eine rückwirkende Begründung oder Einschränkung tariflicher Ansprüche vorzusehen (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 878/06 - Rn. 18; 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 176). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung als Ausübung eines Gestaltungsrechts durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist aber nicht tarifdispositiv.

32

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. Juni 2011 - 4 Sa 970/09 - insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 10. September 2009 - 3 Ca 5129/09 - dahingehend abgeändert hat, dass der Feststellungsantrag und die Klage auf Zahlung von 4.950,00 Euro samt Zinsen abgewiesen wurden.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 27 vH und die Beklagte zu 73 vH zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und einen davon abhängigen Vergütungsanspruch.

2

Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen. Sie hat sich auf Kommunikationssoftware und Diagnoselösungen für die Automobilindustrie spezialisiert. Sie beschäftigt regelmäßig nicht mehr als 170 Arbeitnehmer. Der 1965 geborene Kläger ist Diplominformatiker. Im Januar 2001 trat er als Software-Entwicklungsingenieur in die Dienste der Beklagten. Zuletzt war er in deren Geschäftsbereich Automotive Electronics (AE) als Gruppen-/Projektleiter gegen ein monatliches Bruttogehalt von 4.950,00 Euro nebst variabler Vergütung tätig.

3

Mit Schreiben vom 30. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009. Sie berief sich auf Umsatzeinbußen und damit zusammenhängende Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich AE. Daneben erklärte sie 17 weitere Kündigungen, darunter zwei Änderungskündigungen.

4

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Bereits im dritten Quartal 2009 habe die Beklagte wieder ein positives Ergebnis erwirtschaftet, insbesondere im Segment AE. Seine bisherigen Arbeitsaufgaben seien nicht weggefallen. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Er sei sozial schutzwürdiger als der Gruppenleiter D. Überdies sei die Kündigung gem. § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Der maßgebende Schwellenwert sei erreicht. Gleichwohl habe die Beklagte die Entlassungen der Agentur für Arbeit - unstreitig - nicht angezeigt. Der Kläger hat ferner die Zahlung seines Grundgehalts für den Monat Juli 2009 verlangt.

5

Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.950,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2009 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, mit dem Rückgang von Aufträgen für Projekte im Bereich „Werkstatttester“ seien die entsprechenden Koordinationsaufgaben des Klägers entfallen. Für künftig nötige Projektkoordinierungen habe sie entschieden, diese von der jeweils verantwortlichen Gruppe und deren Leiter erledigen zu lassen. Die betroffenen Mitarbeiter seien in der Lage, die zusätzlichen Aufgaben innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit auszuführen. Die soziale Auswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger sei selbst nach einer Einarbeitungszeit von sechs Monaten nicht in der Lage, die besonderen Aufgaben des Leiters einer der verbliebenen Fachgruppen wahrzunehmen. Einer Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG habe es nicht bedurft. Änderungskündigungen seien jedenfalls dann keine Entlassungen im Sinne dieser Bestimmung, wenn die betroffenen Arbeitnehmer, wie im Streitfall, die ihnen angetragene Vertragsänderung - und sei es unter Vorbehalt - akzeptiert hätten.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie - nach Beweisaufnahme - abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 30. März 2009 nicht aufgelöst worden. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung seines Grundgehalts für den Juli 2009. Das Berufungsurteil war deshalb im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Der Rechtsstreit war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

9

A. Der Kläger hat die Revision auf den Feststellungsantrag und seinen Gehaltsanspruch beschränkt. Soweit das Landesarbeitsgericht weitergehende Klageforderungen beschieden hat, ist seine Entscheidung rechtskräftig.

10

B. Die Revision hat Erfolg. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG (I.). Sie ist außerdem nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Die Beklagte hat eine Massenentlassungsanzeige nicht erstattet, obwohl eine solche erforderlich war (II.). Der Zahlungsanspruch steht dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu (III.).

11

I. Die Kündigung ist unwirksam. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Ob die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß erfolgt ist, kann dahinstehen.

12

1. Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Dazu müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der zukünftig anfallenden Arbeiten benötigt werden. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund einer - häufig durch diese Entwicklungen veranlassten - unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung des Arbeitgebers (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 482/11 - Rn. 15).

13

a) Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall - dauerhaft - so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Beschäftigung mehr besteht. Behauptet der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, und bestreitet der Arbeitnehmer dies, hat das Gericht in vollem Umfang nachzuprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung tatsächlich vorlagen und zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens geführt haben.

14

b) Dabei reicht ein Verweis des Arbeitgebers auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen nachhaltigen Rückgang zu begründen. Der Arbeitgeber, den im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG trifft, muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Die Möglichkeit einer „normalen“, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung muss prognostisch ausgeschlossen sein (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 482/11 - Rn. 16; 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 18). Dem müssen der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags des Arbeitgebers gerecht werden. Dieser hat den nachhaltigen Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 482/11 - Rn. 20).

15

c) Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 13; 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 33; jeweils mwN). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung faktisch umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21).

16

aa) Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führen würde oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 34; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22).

17

bb) Der Arbeitgeber muss deshalb, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder einer einzelnen Stelle hinausläuft und dies mit dem Entschluss verbunden ist, verbleibende Arbeiten umzuverteilen, konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 35; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23).

18

d) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit hinreichender Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen. Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann ein Wegfall des Arbeitsplatzes nicht sicher prognostiziert werden (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 482/11 - Rn. 19; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18 mwN, BAGE 133, 240).

19

2. Diesen Vorgaben wird das Berufungsurteil nicht gerecht.

20

a) Das Landesarbeitsgericht hat - nach Beweisaufnahme - angenommen, die Kündigung sei durch „außerbetriebliche Gründe“ bedingt. Der Auftragseingang im Bereich AE sei ab dem zweiten Halbjahr 2008 rückläufig gewesen, ohne dass dies durch entsprechende Auftragsschwankungen in der Vergangenheit erklärbar gewesen sei. Im ersten Quartal 2009 habe er etwa ein Drittel unter dem Planumsatz gelegen. Davon sei auch der Arbeitsbereich des Klägers betroffen gewesen. Die darauf beruhende Entscheidung der Beklagten, eine eigene - wie auch immer inhaltlich figurierte - übergreifende Projektleiterstelle im Bereich AE wegfallen zu lassen und etwa verbleibende Restaufgaben umzuverteilen, sei nicht zu beanstanden. Es gebe keinen Anlass für die Annahme, dass die Team-/Gruppenleiter zur Wahrnehmung solcher restlichen Aufgaben nur bei überobligatorischer Anstrengung in der Lage seien. Die Behauptungen der Beklagten, wie sie die Aufgaben des Klägers verteilt habe, seien schlüssig und substantiiert, ihre Richtigkeit stehe aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest.

21

b) Diese Erwägungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG wirksam. Die Kündigung ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht gerechtfertigt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der bei der Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände und der Annahme, dass die Beklagte sich die Angaben der Zeugen, soweit sie ihre Rechtsposition stützen, zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat. Darüber hinausgehende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

22

aa) Es liegen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem von der Beklagten behaupteten Umsatz- und Auftragsrückgang um einen dauerhaften Zustand handelte. Die aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Daten beziehen sich, was den Umsatz betrifft, auf den Zeitraum vom ersten Quartal 2008 bis zum ersten Quartal 2009. Was den Auftragsbestand anbelangt, beschränkt sich das Zahlenmaterial auf das zweite Halbjahr 2008 und das erste Quartal 2009. Wie sich ihr Geschäft in vergleichbaren Referenzperioden davor liegender Jahre konkret - in Zahlen ausgedrückt - darstellte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es handele sich im Vergleich zu den Vorjahren um „unübliche“ Auftragsschwankungen, stützt es sich zwar ersichtlich auf die Aussage eines Zeugen. Diese ist jedoch mangels ausreichender Konkretisierung ihrerseits unzulänglich. Abgesehen davon belegen „unübliche“ Schwankungen des Auftragseingangs in einer bestimmten, verhältnismäßig kurzen Periode keinen nachhaltigen Einbruch. Sie können im Streitfall ebenso gut darauf beruhen, dass die Beklagte im ersten Halbjahr 2008 einen besonders hohen Umsatz erzielt und deutlich mehr Aufträge akquiriert hatte als in früheren Referenzzeiträumen. Es kann deshalb weder ausgeschlossen werden, dass nur ein kurzzeitiger Auftragseinbruch zu erwarten war, noch ist ausgeschlossen, dass die behaupteten Einbußen Umsatz- und Auftragsspitzen betrafen, die für die „normale“ Auftrags- und Beschäftigungslage bei der Beklagten nicht charakteristisch waren.

23

bb) Der Mangel in der Darlegung der Beklagten steht nicht nur der Annahme entgegen, die Kündigung sei durch außerbetriebliche Umstände bedingt. Er schließt auch die Annahme aus, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt von der Durchführbarkeit ihrer Organisationsentscheidung ausgehen dürfen. Diese setzte einen dauerhaften Auftragseinbruch und einen dadurch nachhaltig verminderten Arbeitsanfall im Arbeitsbereich AE voraus. Davon kann nicht hinreichend gewiss ausgegangen werden.

24

cc) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann im Übrigen selbst dann keinen Bestand haben, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, es liege ein dauerhafter Auftragsrückgang vor. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, wie sich der Rückgang auf den Arbeitsanfall im Tätigkeitsbereich des Klägers konkret ausgewirkt hat. Es fehlt an der Darlegung der tatsächlichen Arbeitsabläufe, des für sie benötigten Zeitaufwands und ihrer Beeinflussung durch den Auftragsrückgang. Ebenso wenig sind die Tatsachen vorgetragen und festgestellt, aufgrund derer die Beklagte annehmen durfte, die betroffenen Mitarbeiter seien in der Lage, Aufgaben des Klägers im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zusätzlich zu ihren bisherigen Verpflichtungen zu übernehmen.

25

(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich dahinstehen lassen, wie die Stelle des Klägers „inhaltlich figuriert“ war. Es ist nicht erkennbar, dass es sich ein genaues Bild vom Gegenstand der Tätigkeit des Klägers gemacht hätte. Es hat keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, welche bisher vom Kläger erledigten Aufgaben weggefallen sind und welche über den Kündigungszeitpunkt hinaus in welchem zeitlichen Umfang weiterhin anfielen. Die entsprechenden Ausführungen der Beklagten beschränken sich auf die Behauptung, der Kläger sei im „Umfeld“ sog. „Werkstatttester“ für die Automobilindustrie tätig gewesen und habe seinen „Schwerpunkt“ bei Projekten zweier Großabnehmer gehabt, die ihre Aufträge ab Jahresbeginn 2009 „dramatisch zurückgefahren hätten“. Soweit Zeugen darüber hinausgehende Angaben gemacht haben, beziehen diese sich auf bestimmte Einzeltätigkeiten, mit denen der Kläger im ersten Quartal 2009 befasst war. Das schließt es nicht aus, dass ihm noch weitere Aufgaben zukamen. Dafür spricht die - vom Landesarbeitsgericht als glaubhaft angesehene - Aussage eines Zeugen, die ursprünglich dem Kläger übertragene Aufgabe, Mitarbeiter einer rumänischen Tochterfirma zu betreuen, habe ein Teamleiter übernommen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen die Projektleitungsaufgaben des Klägers, die laut Aussage eines Zeugen 80 vH seiner - des Klägers - Arbeitszeit ausgemacht haben, seien „weitgehend weggefallen“. Dies lässt nicht erkennen, welche „Resttätigkeiten“ verblieben sind und in welchem Umfang sie die Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nahmen.

26

(2) Es fehlt überdies an Feststellungen und substanziellem Vortrag dazu, aufgrund welcher Umstände die Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung davon ausgehen durfte, die übrigen Team- und Gruppenleiter seien nach Ablauf der Kündigungsfrist in der Lage, Aufgaben des Klägers ohne überobligatorische Beanspruchung mit zu erledigen. Der Kläger hat eine solche Möglichkeit stets bestritten. Er hat dabei auf Überstunden verwiesen, die er im ersten Quartal 2009 - unstreitig - geleistet habe. Die Beklagte hätte deshalb aufzeigen müssen, wie sich der Arbeitsanfall für die betreffenden Mitarbeiter konkret gestaltete. Sie hätte die Umstände darstellen müssen, aufgrund derer sie bereits Ende März 2009 davon ausgehen konnte, die fraglichen Arbeitnehmer seien innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit in der Lage, zusätzliche, bisher vom Kläger verrichtete Arbeiten zu erledigen. Sie hat sich stattdessen auf die Behauptung beschränkt, ihre Entscheidung nach dem Ausscheiden des Klägers umgesetzt zu haben, ohne dass sie zusätzliche Stellen habe schaffen müssen. Dies besagt nichts über die Berechtigung einer entsprechenden Prognose im Kündigungszeitpunkt. Im Übrigen ist das Ausbleiben neuer Stellen kein Beleg dafür, dass die Beschäftigten die ihnen übertragenen zusätzlichen Aufgaben innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ausführen konnten. Dies lässt sich vielmehr nur auf der Grundlage substantiierter Ausführungen zu ihren Arbeitszeiten beurteilen.

27

II. Die Kündigung vom 30. März 2009 ist auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte die erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht erstattet hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine Änderungskündigung sei dann keine „Entlassung“ iSv. § 17 Abs. 1 KSchG, wenn der betroffene Arbeitnehmer das ihm unterbreitete Änderungsangebot - sei es auch unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG - angenommen habe, ist rechtsfehlerhaft.

28

1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vH der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt; gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist die Anzeige schriftlich zu erstatten.

29

2. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt regelmäßig 168, höchstens 170 Arbeitnehmer iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Den Kläger eingerechnet hat sie gegenüber 18 Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, davon 16 Beendigungs- und zwei Änderungskündigungen. Beide von den Änderungskündigungen betroffenen Arbeitnehmer haben das ihnen unterbreitete Änderungsangebot - zumindest unter Vorbehalt - angenommen. Dass es sich um ordentliche Kündigungen handelte, die innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgten, ist im Vortrag des Klägers und den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vorausgesetzt und wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

30

3. Damit war im Kündigungszeitpunkt der maßgebende Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG erreicht. Bei maximal 170 regelmäßig Beschäftigten bestand eine Anzeigepflicht ab 17 beabsichtigten Entlassungen. Die Zahl der im Referenzzeitraum tatsächlich erfolgten Entlassungen liegt bei 18. Die Änderungskündigungen zählen mit.

31

a) Unter „Entlassung“ in § 17 KSchG ist die Erklärung der Kündigung zu verstehen(EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 39, Slg. 2005, I-885; seitdem st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 153; 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 13). § 17 KSchG differenziert dabei nicht - ebenso wenig wie die Regelungen der Massenentlassungsrichtlinie (MERL) - zwischen den unterschiedlichen Formen der Entlassung. Die Vorschrift erfasst Änderungskündigungen iSv. § 2 KSchG deshalb unzweifelhaft dann, wenn sie mangels Annahme des Änderungsangebots die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben(so zur alten Rechtslage BAG 10. März 1982 - 4 AZR 158/79 - BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 - 2 AZR 160/63 -; so für das geltende Recht weiterhin APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26a; ErfK/Kiel 14. Aufl. § 17 KSchG Rn. 13; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 41).

32

b) Ob eine Änderungskündigung auch dann als „Entlassung“ iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen ist, wenn sich der Arbeitnehmer mit der Änderung seiner Arbeitsbedingungen - und sei es unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG - einverstanden erklärt, hat das Bundesarbeitsgericht zum geltenden Recht noch nicht entschieden(offengelassen in BAG 1. März 2007 - 2 AZR 580/05 - Rn. 13, BAGE 121, 347; zur alten Rechtslage dagegen ablehnend BAG 10. März 1982 - 4 AZR 158/79 - BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 - 2 AZR 160/63 -).

33

c) Die Meinungen im Schrifttum sind geteilt.

34

aa) Einige Stimmen gehen von einer uneingeschränkten Anzeigepflicht aus, an der sich durch das spätere Verhalten des Arbeitnehmers nichts mehr ändern könne (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26a; Gerstner ArbR 2010, 355; Hützen ZInsO 2012, 1801, 1802; U. Fischer FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV S. 257, 263 f.; wohl auch Niklas/Koehler NZA 2010, 913).

35

bb) Andere Stimmen nehmen - mit unterschiedlicher Begründung - an, bei einer Annahme des Änderungsangebots liege keine Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG vor, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Vorbehalt nach § 2 Satz 1 KSchG erklärt worden sei. Dem Arbeitgeber sei allerdings eine vorsorgliche Anzeige zu empfehlen, um den sich aus § 2 KSchG ergebenden Unsicherheiten hinsichtlich des Arbeitnehmerverhaltens zu begegnen(Bader/Bram/Dörner/Suckow Stand Juni 2012 § 17 KSchG Rn. 37; HaKo-KSchR/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 28; vHH/L/v. Hoyningen-Huene KSchG 15. Aufl. § 17 Rn. 30; KDZ/Deinert KSchR 8. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 42; LSW/Wertheimer 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 39; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 142 Rn. 13; SES/Schrader § 17 KSchG Rn. 17; Clemenz NJW 2006, 3166, 3167; Dzida/Hohenstatt DB 2006, 1897, 1900; in der Tendenz wohl auch ErfK/Kiel 14. Aufl. § 17 KSchG Rn. 13; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1642).

36

d) Zutreffend ist die erstgenannte Auffassung. Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG erfasst auch ordentliche Änderungskündigungen. Diese sind unabhängig davon „Entlassungen“, ob der Arbeitnehmer das ihm im Zusammenhang mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot bei oder nach Zugang der Kündigung mit oder ohne Vorbehalt angenommen hat. Durch die Annahmeerklärung fällt weder die Anzeigepflicht - rückwirkend - weg, noch wird eine erfolgte Anzeige gegenstandslos.

37

aa) Eine Änderungskündigung iSv. § 2 Satz 1 KSchG liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und dem Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

38

bb) Die Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zu der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungserklärung tritt als zweites Element das Angebot zu seiner Fortsetzung unter geänderten vertraglichen Bedingungen hinzu (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 21; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78). Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch - wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung - um eine „echte“ Kündigung (BAG 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 - zu II 2 der Gründe). Diese unterliegt allen formalen Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen sind (zur Schriftform gemäß § 623 BGB: BAG 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58; zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG: BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 16; für die Zustimmung des Integrationsamts: BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - BAGE 74, 291). Die jeweiligen Vorgaben muss der Arbeitgeber vor Zugang der Kündigungserklärung und unabhängig von einer Ablehnung oder (Vorbehalts-)Annahme des Änderungsangebots beachten. Werden die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung missachtet, ist dies auch bei Annahme des Änderungsangebots rechtlich von Bedeutung, wenn die Annahme unter Vorbehalt erfolgt. Auch der Arbeitnehmer, der das Angebot auf Änderung seiner Arbeitsbedingungen gem. § 2 Satz 1 KSchG unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hat, kann sich im Änderungsschutzprozess darauf berufen, die Änderung der Vertragsbedingungen sei schon aus einem anderen Grund als dem ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam(BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/97 - zu II der Gründe, BAGE 89, 48).

39

cc) Da es sich bei der Änderungskündigung um eine „echte“ Kündigung handelt, spricht schon dies dafür, sie uneingeschränkt als „Entlassung“ iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen. Es kommt hinzu, dass die Gründe, aus denen unter „Entlassung“ im Sinne dieser Bestimmung schon die Kündigungserklärung zu verstehen ist, für die Änderungskündigung auch dann gelten, wenn sie (unter Vorbehalt) angenommen wurde.

40

(1) Weder dem Wortlaut des § 17 KSchG noch dem der Bestimmungen der MERL ist zu entnehmen, dass die Erklärung einer Kündigung nur dann als „Entlassung“ iSd. jeweiligen Vorschriften zu verstehen sei, wenn sie tatsächlich zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb führe. Die MERL knüpft für das Entstehen der Konsultations- und Anzeigepflichten nicht an das Ausscheiden aus dem Betrieb, sondern an die Absicht des Arbeitgebers an, eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen. Die Änderungskündigung schließt eine solche Absicht ein. Der Arbeitgeber muss bei ihrer Abgabe damit rechnen, dass seine Kündigungserklärung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führt, und er strebt eine solche Auflösung sehr wohl an, falls sein Änderungsangebot nicht angenommen wird. Ob es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, hängt nicht mehr von seinem Zutun, sondern allein vom Verhalten des Arbeitnehmers ab.

41

(2) Auch Sinn und Zweck des Konsultations- und des Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 KSchG, Art. 2, Art. 3 MERL sprechen dafür, eine Änderungskündigung bei der Anzahl der beabsichtigten „Entlassungen“ zu berücksichtigen. Die einzuhaltenden Verfahren sollen präventiv die Rechte des Arbeitnehmers, der zu beteiligenden Arbeitnehmervertretung und der Arbeitsverwaltung sichern. Dieser Schutz verträgt - wie die Kündigung selbst - keinen Schwebezustand.

42

(a) Beabsichtigt der Arbeitgeber, Änderungskündigungen zu erklären, können Konsultationen mit dem Betriebsrat der möglichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ebenso vorbeugen wie bei einer „reinen“ Beendigungskündigung (vgl. dazu EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - [Junk] Rn. 44, Slg. 2005, I-885).

43

(b) Auch bei Änderungskündigungen muss es der Arbeitsagentur ermöglicht werden, nach Lösungen für die durch eine nicht auszuschließende tatsächliche Entlassung entstehenden Probleme zu suchen. Weder der Arbeitgeber noch die Arbeitsverwaltung wissen, wie sich die betroffenen Arbeitnehmer zum Änderungsangebot verhalten werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sämtlich auf den Arbeitsmarkt gelangen. Dieser Umstand ist ausreichend. Es genügt - wie bei der Beendigungskündigung - die potentielle Belastung des Arbeitsmarkts, auf die sich die Agentur für Arbeit einstellen muss.

44

(c) Selbst bei vorbehaltloser Annahme des Änderungsangebots kann im Übrigen die Situation entstehen, dass der Arbeitnehmer zumindest hinsichtlich eines Teils seiner Arbeitskraft auf den Arbeitsmarkt drängt, wenn etwa das Änderungsangebot auf eine Reduzierung der Arbeitszeit zielte. Es wäre nicht einzusehen, dass Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitsverhältnis beendet werden soll, bei der Berechnung des Schwellenwerts mitzählen, nicht aber vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die von einer fühlbaren Arbeitszeitverkürzung betroffen sind.

45

(d) Bei der Änderungskündigung sind deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung weder das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers noch das Unterrichtungsinteresse der Arbeitsverwaltung geringer als bei einer „reinen“ Beendigungskündigung. Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG davon abhängig zu machen, dass das Änderungsangebot vorbehaltlos ausgeschlagen wird, hieße zum einen, die Gleichsetzung von „Entlassung“ und „Kündigungserklärung“ zu missachten. Zum anderen können sich auch nach der Erklärung einer Beendigungskündigung die betrieblichen Verhältnisse in der Weise ändern, dass der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt wird, ohne dass dies die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG (rückwirkend) entfallen ließe(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 48; Lembke/Oberwinter NJW 2007, 721, 729; Reinhard RdA 2007, 207, 215).

46

4. Hat der Arbeitgeber eine nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzeige nicht erstattet, führt dies gem. § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Beendigungskündigungen - auch derjenigen, die im Rahmen von Änderungskündigungen erklärt worden sind.

47

a) Gemäß Art. 6 MERL müssen die Mitgliedstaaten Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von den Richtlinien vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Umsetzung dieser Maßgabe darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Deren Vorschriften verlangen eine umfassende Unterrichtung der Agentur für Arbeit - auch über die Durchführung des Konsultationsverfahrens - vor Ausspruch der Kündigung, um ihr die Chance zu eröffnen, auf der Basis der betreffenden Informationen Maßnahmen zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ergreifen. Um dies zu gewährleisten, muss schon die Erklärung der Kündigung als solche vor Erstattung einer wirksamen Massenentlassungsanzeige ausgeschlossen sein (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 26; 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 43 ff.).

48

b) Dementsprechend stellen die Regelungen in § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG Verbotsgesetze iSv. § 134 BGB dar. Sie verwehren es dem Arbeitgeber, Kündigungen auszusprechen, bevor er seine Anzeigepflicht erfüllt hat. Handelt er diesen Vorgaben zuwider, führt das zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 21; 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 31, 37).

49

c) Welche Rechtsfolgen das Fehlen einer Anzeige im Verhältnis zu klagenden Arbeitnehmern zeitigt, die das Angebot zur Änderung ihrer Vertragsbedingungen unter Vorbehalt angenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger greift eine Beendigungskündigung an.

50

5. Die Beklagte kann sich für ihre Beurteilung der Rechtslage im März 2009 nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) und des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2007 (- 2 AZR 580/05 - Rn. 13, BAGE 121, 347) haben eine neuerliche Diskussion über die Anzeigepflicht bei Änderungskündigungen ausgelöst. Spätestens seit dieser Zeit besteht für die Gewährung von Vertrauensschutz in den Fortbestand der früheren Rechtsprechung, derzufolge Änderungskündigungen auch bei einer unter Vorbehalt erklärten Annahme des Änderungsangebots nicht als Entlassungen iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen waren(BAG 10. März 1982 - 4 AZR 158/79 - BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 - 2 AZR 160/63 -), keine Grundlage mehr.

51

6. Einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Es stellen sich keine Fragen der Auslegung des Unionsrechts, die noch nicht geklärt wären.

52

III. Der Zahlungsantrag ist begründet. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien im Juli 2009 fort. Der Kläger hat für diesen Monat Anspruch auf Zahlung seines Grundgehalts aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte war mit der Annahme seiner Dienste iSv. § 615 Satz 1, § 296 BGB im Verzug. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig. Es ist weder geltend gemacht noch objektiv ersichtlich, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum Lohnersatzleistungen bezogen hätte. Der Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt für das Revisionsverfahren aus § 97 Abs. 1 ZPO, für das Berufungsverfahren aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und für das erstinstanzliche Verfahren - bei einem Streitwert von 29.696,66 Euro - aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war geboten, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Bestand hat, soweit der Berufung der Beklagten hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Gewinnbeteiligung stattgegeben und das Urteil des Arbeitsgerichts dementsprechend abgeändert wurde.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Nielebock    

        

    Sieg    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2013 - 15 Sa 207/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 19. Dezember 2012 - 2 Ca 1970/12 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach abgeändert und die Klage auf Weiterbeschäftigung insgesamt abgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 3/4 die Beklagte, zu 1/4 der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung und einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen.

2

Die Beklagte ist Mitglied der Diakonie. Sie betreibt das evangelische Krankenhaus B. Für dieses besteht nach dem Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR) eine Mitarbeitervertretung. Der Kläger war seit Mai 2004 als Chefarzt der Klinik für Innere Medizin im „B“ beschäftigt. Nach seinem Anstellungsvertrag sollte er „im Sinne des Arbeitsrechts leitender Angestellter“ sein.

3

Mit Schreiben vom 26. Juni 2012 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung an. Die Mitarbeitervertretung dankte mit Schreiben vom 27. Juni 2012 für die „umfassende Information“ und teilte mit, dass sie „für einen weiteren Austausch zur Verfügung“ stehe.

4

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 2012 und bot ihm gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Oktober 2012 als Chefarzt der medizinischen Klinik I - Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie, Hämato-/Onkologie - des „B“ an.

5

Der Kläger hat das Angebot unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht Klage erhoben. Er hat gemeint, die Änderungskündigung sei unwirksam, weil die Mitarbeitervertretung ihr nicht zugestimmt habe und die Zustimmung auch nicht fingiert worden sei.

6

Der Kläger hat sinngemäß beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ordentliche Änderungskündigung der Beklagten vom 28. Juni 2012 zum 30. September 2012 unwirksam ist;

        

2.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen auch über den 30. September 2012 hinaus als Chefarzt der Medizinischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses B in M weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Mitarbeitervertretung habe nicht beteiligt werden müssen, weil der Kläger leitender Mitarbeiter sei. Im Übrigen habe diese mit dem Schreiben vom 27. Juni 2012 eine das Beteiligungsverfahren abschließende Stellungnahme abgegeben.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision bleibt überwiegend erfolglos.

10

A. Hinsichtlich des Änderungsschutzantrags ist sie unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Änderungskündigung zu Recht für unwirksam befunden.

11

I. Die Unwirksamkeit folgt aus § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR. Die Mitarbeitervertretung wurde nicht ordnungsgemäß beteiligt. Die Beklagte hat die Kündigung erklärt, bevor das durchzuführende Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war.

12

1. Nach § 42 Buchst. b MVG-EKiR unterliegt die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der kein leitender Mitarbeiter iSv. § 44 MVG-EKiR ist, nach Ablauf der Probezeit der eingeschränkten Mitbestimmung gemäß § 41 MVG-EKiR. Der Senat hat davon auszugehen, dass der Kläger kein leitender Mitarbeiter war.

13

a) Nach § 44 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR sind solche Personen - als zur Dienststellenleitung gehörend - von der Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Personalangelegenheiten ausgenommen, die allein oder gemeinsam mit anderen ständig und nicht nur in Einzelfällen zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt sind, die nach dem MVG-EKiR der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Gemäß § 44 Abs. 2 MVG-EKiR findet eine Beteiligung in Personalangelegenheiten nicht statt bei leitenden Mitarbeitern, die nach Dienststellung und Dienstvertrag im Wesentlichen eigenverantwortliche Aufgaben wahrnehmen, die ihnen regelmäßig wegen deren Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung der Einrichtung im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden.

14

b) Allein die formale Stellung als Chefarzt und die Bezeichnung als „leitender Angestellter“ genügen nicht, um einen Beschäftigten als Mitarbeiter iSv. § 44 MVG-EKiR ansehen zu können(vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 97/08 - Rn. 15, 21 zu § 5 Abs. 3 BetrVG). Dafür muss ua. hinzukommen, dass die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten (§ 44 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR) bzw. die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben, die für den Bestand oder die Entwicklung der Einrichtung bedeutsam sind (§ 44 Abs. 2 MVG-EKiR), die Tätigkeit des Chefarztes prägt, dh. sie schwerpunktmäßig bestimmt (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 4 Rn. 5; Fey/Rehren MVG-EKD Stand April 2013 § 4 Rn. 3; siehe auch BAG 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - Rn. 15 zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG; 5. Mai 2010 - 7 ABR 97/08 - Rn. 13 zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG). Aus § 44 Abs. 2 Satz 2 und § 4 Abs. 2 Satz 3 MVG-EKiR, nach denen die betreffenden Stellen bzw. Personen der Mitarbeitervertretung zu benennen sind, folgt nicht, dass es allein auf die Vertragsgestaltung ankäme. Die Benennung dient lediglich der Klarstellung. Sie soll es beiden Seiten ermöglichen, bereits im Vorfeld eine Klärung der Sach- und Rechtslage herbeizuführen (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 4 Rn. 6).

15

c) Um den Status des Klägers als leitender Mitarbeiter iSd. MVG-EKiR zu begründen, hat die Beklagte lediglich auf die Regelungen im Anstellungsvertrag und darauf verwiesen, dass es der „gängigen Praxis“ aller Einrichtungen im Geltungsbereich des Gesetzes entspreche, Chefärzte als leitende Mitarbeiter anzusehen. Zur konkreten Durchführung des Vertragsverhältnisses der Parteien hat sie nichts vorgetragen. Indes lässt sich dem Anstellungsvertrag - vor allem dessen § 4 („Personalangelegenheiten“) - nicht ohne weiteres entnehmen, dass die Tätigkeit des Klägers iSv. § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKiR von der Ausübung von Entscheidungsbefugnissen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten geprägt würde. Aus den vertraglichen Regelungen folgt auch nicht, dass seine Tätigkeit iSv. § 44 Abs. 2 MVG-EKiR schwerpunktmäßig durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung von für den Bestand oder die Entwicklung des Krankenhauses bedeutsamen Aufgaben bestimmt sein müsse. Dagegen spricht die lediglich seine Anhörung vorsehende sog. Entwicklungsklausel in § 13 des Anstellungsvertrags.

16

d) Mit ihrem erstmals im Revisionsverfahren erfolgten Sachvortrag kann die Beklagte gemäß § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr gehört werden. Die von ihr erhobene Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat nicht gegen seine Pflichten aus § 139 ZPO verstoßen. Es war nicht verpflichtet, auf die Erforderlichkeit weiteren Sachvortrags hinzuweisen. Der Kläger hatte bereits in der Berufungserwiderung geltend gemacht, dass der Vortrag der Beklagten zu seiner Eigenschaft als leitender Mitarbeiter nicht hinreichend substantiiert sei. Eines weiteren Hinweises durch das Landesarbeitsgericht bedurfte es nicht. Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf aufmerksam gemacht hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (vgl. BAG 30. September 2014 - 3 AZR 998/12 - Rn. 18; 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 47 mwN). Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 7. Oktober 2013 - wenn auch bloß „in Klammern“ - selbst noch einmal mitgeteilt, dass es an „konkretem Tatsachenvortrag“ der Beklagten zu den Voraussetzungen des § 44 MVG-EKiR fehle.

17

2. Das damit erforderliche Verfahren der eingeschränkten Mitbestimmung ist nicht ordnungsgemäß iSv. § 41 Abs. 3 iVm. § 38 MVG-EKiR durchgeführt worden.

18

a) Es spricht vieles dafür, dass die Beklagte das Beteiligungsverfahren schon nicht ordnungsgemäß eingeleitet hat. Dazu hätte sie bei der Mitarbeitervertretung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKiR die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung beantragen müssen. Das an diese gerichtete Schreiben ist indes als bloße Anhörung bezeichnet. Am Ende bittet die Beklagte um Stellungnahme. Zwar kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Dienststellenleitung mit der Unterrichtung zugleich einen Antrag auf Zustimmung stellen wollte (vgl. Baumann-Czichon/Gathmann/Germer MVG-EKD 4. Aufl. § 38 Rn. 3; siehe auch BAG 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - Rn. 17 zu § 99 BetrVG). Jedoch erscheint hier zweifelhaft, ob die Mitarbeitervertretung, die nach dem Vortrag der Beklagten davon ausging, der Kläger unterliege als leitender Mitarbeiter nicht ihrer Mitbestimmung, annehmen konnte, es werde gleichwohl ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme erbeten.

19

b) In jedem Fall hat die Beklagte die Änderungskündigung erklärt, bevor das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war. Es lag weder eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung vor, noch ist die Zustimmung ersetzt oder fingiert worden.

20

aa) Die Mitarbeitervertretung hat der beabsichtigten Kündigung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Sie hat sich mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2012 lediglich für die „umfassende Information“ bedankt und mitgeteilt, „für einen weiteren Austausch zur Verfügung“ zu stehen. Darin liegt keine Zustimmung. Diese ist auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKiR kirchengerichtlich ersetzt worden.

21

bb) Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung wurde nicht nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR fingiert.

22

(1) Nach dieser Vorschrift gilt eine der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegende Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung die erbetene Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich aus einem der in § 41 Abs. 2 MVG-EKiR aufgeführten Gründe verweigert(vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 299/12 - Rn. 20 ff.) oder eine mündliche Erörterung beantragt. Diese Frist begann hier frühestens am 26. Juni 2012. Bei Erklärung der Kündigung am 28. Juni 2012 war sie, selbst wenn sie auf ein Mindestmaß von drei Arbeitstagen abgekürzt worden wäre, noch nicht abgelaufen.

23

(2) Die Erklärung der Mitarbeitervertretung vom 27. Juni 2012 hat keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion bewirkt.

24

(a) Nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR gilt die Maßnahme erst nach Ablauf von zwei Wochen und nicht schon mit Zugang einer abschließenden, keine Zustimmung darstellenden Erklärung der Mitarbeitervertretung als gebilligt(vgl. Fey/Rehren MVG-EKD Stand August 2014 § 38 Rn. 55; siehe auch BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - Rn. 19 mwN zum insoweit inhaltsgleichen § 68 Abs. 2 NPersVG). Die Beklagte hätte die Kündigung deshalb selbst dann nicht wirksam vor Ablauf der Zweiwochenfrist aussprechen können, wenn die Erklärung der Mitarbeitervertretung als abschließende Äußerung anzusehen gewesen sein sollte.

25

(b) Eine Abkürzung der Äußerungsfrist und einen darauf beruhenden vorzeitigen Eintritt der Zustimmungsfiktion lässt das Gesetz nicht zu. Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, derzufolge der Arbeitgeber bereits vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kündigen kann, wenn der Betriebsrat abschließend zur Kündigungsabsicht Stellung genommen hat, kann wegen der Unterschiedlichkeit der Beteiligungsrechte auf das Mitbestimmungsverfahren nach § 38 MVG-EKiR nicht übertragen werden. Sie verstieße gegen das im MVG-EKiR normierte positive Konsensprinzip. Die Mitarbeitervertretung besitzt bei der ordentlichen Kündigung außerhalb der Probezeit nicht nur ein Anhörungsrecht. Eine solche Kündigung bedarf ihrer vorherigen Zustimmung. Diese muss in jedem Fall vor der Erklärung der Kündigung vorliegen. Entweder sie wurde von der Mitarbeitervertretung innerhalb zweier Wochen erteilt oder sie wurde nach Ablauf von zwei Wochen gesetzlich fingiert oder sie wurde kirchengerichtlich ersetzt. Einen „vierten Weg“ in Gestalt einer Zustimmungsfiktion vor Fristablauf gibt es nicht (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - Rn. 20 zum insoweit inhaltsgleichen § 68 Abs. 2 NPersVG).

26

II. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die ohne eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung erklärte Änderungskündigung „überflüssig“ war.

27

1. Ob die mit der Kündigung erstrebte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger als Chefarzt nurmehr der medizinischen Klinik I eine Änderung der Vertragsbedingungen iSd. § 2 Satz 1 KSchG erforderte, steht nicht fest. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Landesarbeitsgerichts sind Veränderungen des Klinikzuschnitts im Arbeitsvertrag der Parteien nicht ausgeschlossen. Deshalb käme es darauf an, ob mit der Zuweisung eines kleineren Zuständigkeitsbereichs die Grenzen des Direktionsrechts etwa dadurch überschritten würden, dass wegen erheblicher Einbußen bei den Liquidationserlösen der Kernbereich des Austauschverhältnisses betroffen wäre oder die neue Tätigkeit des Klägers sich gegenüber der Leitung der Klinik für - die gesamte - Innere Medizin nicht als gleichwertig darstellte (vgl. dazu BAG 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - zu II 2 b der Gründe).

28

2. Wenn aber bereits die Kündigungserklärung als solche an einem rechtlichen Mangel leidet, kann einer Änderungsschutzklage trotz der Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt auch dann stattgegeben werden, wenn die Änderungskündigung „überflüssig“ war. Das Gericht kann diese Frage - wie es das Arbeitsgericht getan hat - in einem solchen Fall unbeantwortet lassen. Die Parteien haben keinen Anspruch auf die Erstattung eines entsprechenden Rechtsgutachtens.

29

a) Die Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zu der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungserklärung tritt als zweites Element das Angebot zu seiner Fortsetzung unter geänderten vertraglichen Bedingungen hinzu. Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch - wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung - um eine „echte“ Kündigung. Diese unterliegt allen formalen Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen sind. Die jeweiligen Vorgaben muss der Arbeitgeber vor Zugang der Kündigungserklärung und unabhängig von einer Ablehnung oder (Vorbehalts-)Annahme des Änderungsangebots beachten. Werden die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung missachtet, ist dies auch bei Annahme des Änderungsangebots rechtlich von Bedeutung, wenn die Annahme unter Vorbehalt erfolgt. Auch der Arbeitnehmer, der das Angebot auf Änderung seiner Arbeitsbedingungen gemäß § 2 Satz 1 KSchG unter Vorbehalt angenommen hat, kann sich im Änderungsschutzprozess darauf berufen, die Änderung der Vertragsbedingungen sei schon aus einem anderen Grund als dem ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam(BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 38, BAGE 147, 237).

30

b) Die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt lässt zwar die Beendigungswirkung der Kündigung entfallen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien soll in jedem Fall - und sei es zu geänderten Arbeitsbedingungen - fortgesetzt werden. Damit wird jedoch der Umstand, dass der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen mit Hilfe einer Kündigung durchzusetzen versucht hat, nicht bedeutungslos. Ein Arbeitnehmer, der die ihm „unter dem Druck“ einer Kündigung angesonnene Vertragsänderung unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG annimmt, bringt damit in der Regel gerade nicht zum Ausdruck, er wolle „andere Gründe“ iSv. § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG, die zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führen könnten, nicht geltend machen. Er gibt regelmäßig nicht zu erkennen, auf sonstige Rechtsmängel wie eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG), das Fehlen einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamts (§ 85 SGB IX) oder das Fehlen einer Zulässigerklärung durch die zuständige Stelle (§ 9 Abs. 3 MuSchG) solle es nicht ankommen. Wenn bei Ablehnung des Änderungsangebots die Kündigung aus „anderen Gründen“ unwirksam wäre und das Arbeitsverhältnis schon deshalb unverändert fortbestünde, soll diese Rechtsfolge vielmehr auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer die ihm mit Hilfe einer Kündigung „aufgezwungenen“ Änderungen der Arbeitsbedingungen vorläufig akzeptiert. In diesem Sinn muss ein Arbeitgeber, gedacht als sorgfältiger Erklärungsempfänger, den Vorbehalt in der Regel verstehen (§§ 133, 157 BGB). Ein Verzicht darauf, „andere Gründe“ iSv. § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG geltend zu machen, müsste ausdrücklich oder doch nach den Umständen eindeutig erklärt sein (vgl. BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 89, 48). Nur wenn sich aus einer entsprechenden Beschränkung des Vorbehalts oder dem Vorbringen des Arbeitnehmers im Prozess ergibt, dass die Wirksamkeit der Kündigungserklärung als solcher nicht in Frage gestellt werden soll, ist Streitgegenstand gemäß § 4 Satz 2 Alt. 1 KSchG allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen (vgl. BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17).

31

c) Das Verständnis des Vorbehalts dahin, der Inhalt des Arbeitsverhältnisses solle sich nur dann entsprechend dem Angebot des Arbeitgebers ändern, wenn dieses sozial gerechtfertigt ist und die Kündigung mit der Rechtsordnung und ihren Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Einklang steht, bedeutet keine Ablehnung des Änderungsangebots gemäß § 150 Abs. 2 BGB. Das Angebot des Arbeitgebers wird nicht unter Einschränkungen oder Änderungen iSd. Vorschrift, sondern so akzeptiert, wie es gemacht wurde (vgl. BAG 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 89, 48). Jedenfalls ist - wie auch die Formulierung des § 4 Satz 2 Alt. 2 KSchG zu erkennen gibt - der so verstandene Vorbehalt von der lex specialis des § 2 Satz 1 KSchG gedeckt.

32

d) Einer Klage gegen die Wirksamkeit einer Änderungskündigung ist bei einem „Fehler“ in der Kündigungserklärung, wie er hier mangels Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt, regelmäßig auch dann stattzugeben, wenn der Arbeitnehmer das „Änderungsangebot“ unter Vorbehalt angenommen hat und die Kündigung - möglicherweise - „überflüssig“ war. In einem solchen Fall sollte die im Gesetz angelegte Urteilsformel mit Blick auf die Entscheidungsgründe und um der Klarstellung willen lauten: „Es wird festgestellt, dass die Änderungskündigung (des Arbeitgebers) vom (…) rechtsunwirksam ist.“ Diese Feststellung entsprechend der zweiten Alternative des § 4 Satz 2 KSchG verhilft der Änderungsschutzklage zum - vollen - Erfolg, ohne dass - wie in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung noch zwingend vorgesehen (vgl. BAG 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, BAGE 111, 361) - eine Aussage dazu getroffen würde, ob für eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen iSd. ersten Alternative des § 4 Satz 2 KSchG Raum gewesen wäre.

33

B. Bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags ist die Revision begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte ihm nicht stattgeben dürfen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen scheidet grundsätzlich aus, wenn er das Angebot auf Vertragsänderung unter Vorbehalt angenommen hat (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 844/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 131, 78).

34

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Beckerle    

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2014 - 7 Sa 662/14 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2014 - 3 Ca 1440/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 unwirksam ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten unter Anrechnung von Beschäftigungszeiten seit August 1987 zuletzt im Betrieb „T“ (nachfolgend DTDB) beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für den Betrieb oder Betriebsteil betrieblich bzw. fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

3

Unter dem 21. Juni 2011 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „Tarifvertrag Bereichsausnahme DTDB“. Er sah für Beschäftigte im Betrieb DTDB vor, dass auf diese - mit Ausnahme von drei hier nicht interessierenden Regelwerken - nicht die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung fänden, sondern diejenigen der T D GmbH (TDG) in der jeweils aktuellen Fassung. Die Regelungen des TV Ratio sollten dabei mit der Maßgabe Anwendung finden, dass die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) im Sinne des TV Ratio diejenige im Sinne des TV Ratio der Beklagten (V) sei.

4

Ein TV Ratio der TDG war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags Bereichsausnahme DTDB noch nicht geschlossen. Die Unterzeichnung des „Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung“ zwischen der TDG und der Gewerkschaft ver.di erfolgte erst im Juli 2013. Die Unterschriftszeile trägt das Datum „01.04.2010“. Nach den Regelungen des TV Ratio TDG sind alle Arbeitnehmer, die vom Wegfall gleicher Arbeitsplätze in ihrer Gesamtheit betroffen werden, in die BQE der TDG zu versetzen. Sie erhalten ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrags. Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags können sie einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Lehne ein Arbeitnehmer diese Angebote ab, erfolge eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen in der BQE. Abweichend von den Bestimmungen des Manteltarifvertrags gelte dafür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Es werde auf die am 1. April 2010 geltenden gesetzlichen, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen abgestellt. Sollten sich diese ändern, so seien die Tarifvertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über eine entsprechende Anpassung des Tarifvertrags zu führen. In § 17 des Tarifvertrags heißt es, er trete am 1. April 2010 in Kraft.

5

Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still. Zuvor hatte sie am 2. Mai 2013 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen. Sie bot der Klägerin sowohl einen Änderungsvertrag als auch einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an. Die Klägerin nahm keines der Angebote an.

6

Nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juli 2013 „unter Beachtung der Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin“. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V … zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“ an. Die Kündigung ging der Klägerin am 10. Juli 2013 zu. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 11. Juli 2013 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an.

7

Die Klägerin hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen gewandt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Änderungskündigung sei mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe kein wirksamer Tarifvertrag vorgelegen, aus dem sich die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen hätten ergeben können. Rückwirkung komme dem TV Ratio TDG trotz der Bestimmung zu seinem Inkrafttreten am 1. April 2010 nicht zu. Dementsprechend sei die Kündigung überdies mit einer zu kurzen Kündigungsfrist erklärt worden und daher unverhältnismäßig. Eine Auslegung bzw. Umdeutung dahingehend, dass die Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt wirken solle, komme nicht in Betracht. Im Übrigen kürze der TV Ratio TDG die gesetzlichen Kündigungsfristen in unzulässiger Weise ab. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Änderungskündigung für wirksam, insbesondere für hinreichend bestimmt gehalten. Der TV Ratio TDG habe rückwirkend seit dem 1. April 2010 Wirkung entfaltet. Die Beklagte hat behauptet, eine „finalisierte Fassung“ des Tarifvertrags sei für die Beschäftigten seit dem 19. Juni 2013 in ihrem Intranet abrufbar gewesen. Der TV Ratio TDG sei zunächst von der Gewerkschaft und sodann am 4. Juli 2013 von der TDG unterzeichnet worden. In der von beiden Parteien unterschriebenen Fassung sei er an die Gewerkschaft zurückgesandt worden. Dort sei er laut Auskunft von ver.di am 10. Juli 2013, nach Auskunft des Kurierunternehmens am 11. Juli 2013 zugegangen.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte der Änderungsschutzklage auf die Berufung der Klägerin hin stattgeben müssen.

12

I. Die Revision ist entgegen der von der Beklagten geäußerten Zweifel nicht deshalb unbegründet, weil die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig gewesen wäre.

13

1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13 - Rn. 18).

14

2. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen. Sie zeigt ausreichend deutlich auf, in welchen Punkten die Klägerin das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft hält.

15

a) Die Klägerin hat gerügt, der TV Ratio TDG sei erst nach Zugang der Kündigung wirksam geworden und entfalte keine Rückwirkung. Vor Eintritt der Wirksamkeit des TV Ratio TDG sei es rechtlich nicht möglich gewesen, ihr ein Angebot gemäß dessen § 5 Abs. 1 zu unterbreiten. Ohne ein solches Angebot wiederum sei die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei. Die Kündigung verstoße daher gegen § 102 BetrVG. Mangels eines wirksamen Tarifvertrags sei auch das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt gewesen.

16

b) Damit hat sich die Klägerin in ausreichendem Maße gegen das arbeitsgerichtliche Urteil gewandt. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen die Kündigung ihrer Ansicht nach unwirksam sei. Zwar beruhten ihre Ausführungen ausschließlich auf der erst mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Tatsache, dass der TV Ratio TDG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht wirksam zustande gekommen sei. Ob dieser Vortrag nach § 67 ArbGG vom Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen war, ist aber keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit(vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 76). Es kann offenbleiben, ob es für die Zulässigkeit der Berufung zumindest der Darlegung bedurfte, weshalb das neue Vorbringen nach Auffassung der Klägerin gemäß § 67 ArbGG zuzulassen sei. Die Klägerin hat sich für die fragliche Tatsache auf Ausführungen in dem Urteil eines Arbeitsgerichts berufen, welches erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Rechtsstreit verkündet worden war.

17

II. Die Änderungsschutzklage (§ 4 Satz 2 KSchG) ist begründet. Das mit der Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 verbundene Änderungsangebot war nicht hinreichend bestimmt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung ist damit unwirksam. Ob sie dies auch aus anderen Gründen ist, bedarf keiner Entscheidung.

18

1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen(BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 38, BAGE 147, 237; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 21). Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Er muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - Rn. 18; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29).

19

2. Diesen Anforderungen genügte das der Klägerin mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot nicht.

20

a) Das Änderungsangebot lautete auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V der D AG zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“. Es nahm damit Bezug auf die sich aus dem näher bezeichneten Tarifvertrag ergebenden Bedingungen.

21

b) Diese Bedingungen waren zu dem für die Beurteilung der Wirksamkeit der Änderungskündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs nicht hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar. Ein „TV Ratio TDG“ existierte noch nicht. Da er bei Kündigungszugang nicht unter Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 TVG zustande gekommen war, lag allenfalls ein abgestimmter Entwurf vor, aber kein Tarifvertrag.

22

aa) Das Zustandekommen eines Tarifvertrags als eines privatrechtlichen Vertrags richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14). Es bedarf übereinstimmender Willenserklärungen - Antrag und Annahme -, gerichtet auf Abschluss eines Tarifvertrags. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge ein Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB auf. Tarifverträge müssen schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die nötige Schriftform dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und damit dem Gebot der Normenklarheit (BAG 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327; 9. Juli 1980 - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42).Wird der Antrag auf Abschluss eines Tarifvertrags gegenüber einem Abwesenden erklärt, ist dessen Annahmeerklärung erforderlich. Diese ist wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist für einen Vertrag gesetzlich die Schriftform vorgesehen, wird die Annahmeerklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB), in dem sie dem anderen Teil in der vorgeschriebenen Form zugeht (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO). Es reicht nicht aus, dass der Empfänger des Antrags die Vertragsurkunde unterzeichnet und den anderen Teil hierüber in einer Form, die die Voraussetzungen des § 126 BGB nicht wahrt, in Kenntnis setzt(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO; BGH 30. Mai 1962 - VIII ZR 173/61 - zu II 2 der Gründe; 30. Juli 1997 - VIII ZR 244/96 - zu II 2 b bb der Gründe mwN; vgl. auch BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 156/91 - zu II 4 d der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach § 151 Satz 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich ist(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO).

23

bb) Solange der „TV Ratio TDG“ nicht formwirksam zustande gekommen war, stand nicht zweifelsfrei fest, ob und mit welchem Inhalt er wirksam würde. Solange wiederum war das auf ihn verweisende Änderungsangebot zu unbestimmt.

24

(1) Gegen die Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt seines Zugangs bei der Klägerin am 10. Juli 2013 lässt sich nicht mit Erfolg anführen, in einem Arbeitsvertrag könne ggf. auch auf nichtige oder nicht mehr wirksame Tarifverträge Bezug genommen werden, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen auch als arbeitsvertragliche Regelungen nichtig seien (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 26/10 - Rn. 43). Dies besagt nicht, dass die in Bezug genommenen Regelungen nicht jedenfalls hinreichend bestimmt sein müssten. Das wiederum sind sie nicht, solange ihr Inhalt mangels wirksamen Abschlusses noch geändert werden kann.

25

(2) Keiner Entscheidung bedarf, ob das Änderungsangebot hinreichend bestimmt gewesen wäre, wenn darin auf eine genau bezeichnete Entwurfsfassung eines noch nicht formwirksam zustande gekommenen Tarifvertrags verwiesen worden wäre. Ein solches Änderungsangebot hat die Beklagte nicht unterbreitet. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob eine von der Beklagten so bezeichnete „finalisierte“ Fassung des Tarifvertrags in ihrem Intranet einsehbar war.

26

(3) Es wäre auch nicht ausreichend, wenn der Tarifvertrag zwar nach Zugang der Änderungskündigung, aber noch innerhalb der Frist zur Annahme des Änderungsangebots durch die Klägerin zustande gekommen wäre. Das Änderungsangebot muss bereits im Kündigungszeitpunkt hinreichend bestimmt sein. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird (allgM, vgl. nur APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 10). Nur dann, wenn alle Voraussetzungen für die Ausübung des Gestaltungsrechts im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsgegner vorliegen, kann die - dann wirksame - Kündigung ihr Gestaltungsziel erreichen (APS/Preis aaO Rn. 11). Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist daher der ihres Zugangs, ihre Wirksamkeit bestimmt sich nach den in diesem Zeitpunkt gegebenen objektiven Verhältnissen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194; APS/Preis aaO Rn. 11; für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 KSchG KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 235 mwN).

27

cc) Der TV Ratio TDG war in dem Zeitpunkt, als die Änderungskündigung der Klägerin zuging, noch nicht formwirksam zustande gekommen.

28

(1) Unstreitig ist, dass die Originalurkunde des TV Ratio TDG „im Juli 2013“ von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichnet wurde.

29

(2) Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Vertragsurkunde schon am 4. Juli 2013 von beiden Seiten unterschrieben. Die schriftliche Annahme durch die TDG war aber nicht in Anwesenheit des anderen Teils erfolgt und musste daher, um formwahrend zu sein, der Gewerkschaft noch zugehen. Die Beklagte hat vorgetragen, laut Auskunft von ver.di sei dies am 10. Juli 2013 der Fall gewesen, nach Auskunft des beauftragten Kurierunternehmens am 11. Juli 2013. Damit hat die Beklagte als sicher feststehend nur behauptet, die von beiden Seiten unterschriebene Urkunde sei jedenfalls nicht nach dem 11. Juli 2013 bei ver.di eingegangen. Das schließt einen Eingang bei ver.di erst nach Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin nicht aus. Diese hat die Änderungskündigung bereits am 10. Juli 2013 erhalten.

30

(3) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, ggf. zu einem früheren Zugang vorzutragen, bedurfte es nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagtenvertreter auf Nachfrage erklärt, der Zeitpunkt des Zugangs der Vertragsurkunde bei ver.di sei nicht weiter aufklärbar.

31

c) Der Umstand, dass der TV Ratio TDG nach seinem § 17 bereits zum 1. April 2010 in Kraft treten sollte, ändert nichts an der Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt der Kündigung. Es liegt zwar grundsätzlich - soweit Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegenstehen - in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, eine rückwirkende Begründung oder Einschränkung tariflicher Ansprüche vorzusehen (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 878/06 - Rn. 18; 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 176). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung als Ausübung eines Gestaltungsrechts durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist aber nicht tarifdispositiv.

32

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

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1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

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2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

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a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) bis 3) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. November 2010 - 4 Sa 795/07 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu ¼, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu ¾ zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und einen Auflösungsantrag der Beklagten. Der Kläger macht zudem Vergütungsansprüche geltend.

2

Der 1963 geborene Kläger war seit 1992 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt, seit Januar 1997 als Leiter der Abteilung Baufinanzierung. Die Beklagte zu 1), eine Bausparkasse, erteilte ihm zum 1. Januar 2001 Prokura. Der Kläger bezog ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 8.155,19 Euro.

3

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 und 5. April 2006 traten die Beklagten zu 2) und 3) dem Arbeitsverhältnis im Einverständnis mit dem Kläger als weitere Arbeitgeberinnen bei.

4

Durch Rundschreiben vom 8. August 2002 wurden die Mitarbeiter, die Abteilungsleiter am 9. August 2002 außerdem im Rahmen einer Konzern-Abteilungsleiterbesprechung, darauf hingewiesen, dass jegliche private Nutzung von Internet, Intranet und E-Mail untersagt sei und sie auch bei einem einmaligen Verstoß mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung)“ rechnen müssten.

5

Bei einer Überprüfung des Internetzugangs des Klägers wurde festgestellt, dass über diesen in der Zeit vom 13. Oktober 2006 bis 2. November 2006 in erheblichem Umfang auf Internetseiten mit pornografischen Inhalten zugegriffen worden war.

6

Die Beklagten hörten mit Schreiben vom 17. November 2006 den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten, mit Schreiben vom 20. November 2006 vorsorglich auch den Betriebsrat der Zentrale zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an.

7

Der Sprecherausschuss stimmte den beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 20. November 2006 zu. Der Betriebsrat teilte am gleichen Tag mit, gegen die beabsichtigten Kündigungen keine Bedenken zu haben.

8

Mit drei Schreiben jeweils vom 21. November 2006 kündigten die Beklagten jede für sich das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 2007.

9

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich Zahlung der Vergütung für den vollen Monat November und für Dezember 2006 begehrt. Er hat die außerordentliche ebenso wie die ordentliche Kündigung für unwirksam gehalten. Die - von ihm eingestandene - private Internetnutzung rechtfertige allenfalls eine Abmahnung. Für ihn hätten keine festen Arbeitszeiten gegolten. Er habe durch die private Nutzung des Internets seine Arbeit nicht vernachlässigt, die privat verwandte Zeit vielmehr wieder „eingearbeitet“. Er habe zwar auch auf Seiten zugegriffen, die sich mit Erotik im weitesten Sinne befassten, aber keine pornografischen Seiten oder solche mit strafbarem Inhalt geöffnet.

10

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung vom 21. November 2006 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.494,16 Euro brutto sowie den Arbeitgeberzuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von 9,37 Euro und den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 161,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.791,26 Euro vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2006 und aus 9.665,43 Euro seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen.

11

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, „die Arbeitsverhältnisse“ gegen Zahlung einer Abfindung zum Ablauf des 30. Juni 2007 aufzulösen. Sie haben die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung geendet. Dieser habe den Zugriff auf bestimmte Internetseiten eingeräumt. Ein zusätzlicher Missbrauch des Internetzugangs durch Dritte sei ausgeschlossen. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis gerichtlich zum 30. Juni 2007 aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht mehr möglich. Im Übrigen bedürfe der Auflösungsantrag keiner Begründung. Der Kläger sei leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG gewesen. Er habe die Befugnis gehabt, eigenverantwortlich die Mitarbeiter seines Teams einzustellen und zu entlassen. Bei der Stellenbesetzung habe er nur die Anzahl der bewilligten Stellen berücksichtigen müssen.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf den zweitinstanzlich gestellten Auflösungsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 111.800,00 Euro zum 30. Juni 2007 aufgelöst. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Abweisung des Auflösungsantrags. Mit ihrer Anschlussrevision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Klageabweisung weiter und beantragen hilfsweise, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Revision und Anschlussrevision sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. November 2006 ohne Rechtsfehler als unwirksam erachtet (I.). Auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand (II.). Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der noch offenen Vergütung für November und Dezember 2006 (III.).

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung vom 21. November 2006 sei unwirksam, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Gegenstand des Kündigungsschutzantrags sei die Beendigung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die angegriffene Kündigung. Bei den drei im Wesentlichen gleichlautenden Kündigungsschreiben vom 21. November 2006 handelt es sich materiell um eine einheitliche Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses durch die daran auf Arbeitgeberseite beteiligten drei Beklagten.

16

a) Ebenso wie auf Arbeitnehmerseite (BAG 21. Oktober 1971 - 2 AZR 17/71 - AP BGB § 611 Gruppenarbeitsverhältnis Nr. 1 mit Anm. Hanau = EzA KSchG § 1 Nr. 23) können auf Arbeitgeberseite mehrere rechtlich selbständige Personen an demselben Arbeitsverhältnis beteiligt sein (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30, DB 2012, 1690; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 37, 1 = AP BGB § 611 Arbeitgebergruppe Nr. 1 mit Anm. Wiedemann = SAE 1983, 288 mit Anm. Schulin; Schwerdtner ZIP 1982, 900; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 75; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 191). Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, liegen nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse vor. Vielmehr kann auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - aaO; 5. März 1987 - 2 AZR 623/85 - zu B III 5 der Gründe, BAGE 55, 117; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - aaO; Linck Rn. 76 aaO; ErfK/Preis aaO). Der rechtliche Zusammenhang kann sich insbesondere aus einer Auslegung des Vertragswerks der Parteien ergeben (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - aaO; 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu I 2 b der Gründe, aaO). Nach Maßgabe von §§ 133, 157 BGB ist zu prüfen, ob nach den Vorstellungen der Vertragschließenden die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam gelten und zusammen durchgeführt werden sollen, dh. Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollen (Linck aaO; vgl. auch ErfK/Preis aaO). Ist dies zu bejahen, kann ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis im Regelfall nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 1 der Gründe, aaO; ErfK/Preis aaO).

17

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, zwischen den Parteien habe ein einheitliches Arbeitsverhältnis bestanden. Die Beklagten zu 2) und 3) sind gemäß Schreiben vom 4. Dezember 1997 und 5. April 2006 dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) begründeten Arbeitsverhältnis als weitere Arbeitgeberinnen „beigetreten“. Schon diese Formulierung spricht für die Absicht, keine gesonderten Arbeitsverhältnisse mit dem Kläger zu begründen. Zudem wäre eine nach Arbeitgebern getrennte Durchführung der Vertragsabreden nicht möglich gewesen. In den Beitrittsschreiben ist nur abstrakt bestimmt, der Kläger erbringe nunmehr Tätigkeiten auch für die Beklagte zu 2) bzw. zu 3). Konkrete Tätigkeitsanteile wurden jedoch nicht festgelegt. Diese sollten vielmehr jeweils nachträglich quartalsweise ermittelt werden. Auch der Entgeltanspruch des Klägers wurde nicht auf die nun mehreren Arbeitgeberinnen aufgeschlüsselt. Außerdem war vorgesehen, dass eine Kündigung nur insgesamt für und gegen alle Arbeitgeberinnen ausgesprochen werden konnte. Dies ist die typische Rechtsfolge aus dem Bestehen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses. Eine Ausnahme von der gemeinsamen Fortführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses war nur für den Fall vorgesehen, dass die Tätigkeit des Klägers für eine der beigetretenen Arbeitgeberinnen zukünftig entfiele. In diesem Fall sollte der Anstellungsvertrag nur mit den übrigen Beklagten fortgeführt werden.

18

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, weder die außerordentliche, noch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Bestimmungen des § 626 Abs. 1 BGB und § 1 KSchG ohne Rechtsfehler auf den Streitfall angewandt.

19

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

20

aa) Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

21

bb) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO ). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08  - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33).

22

cc) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36, BAGE 134, 349). Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO;  9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - aaO ; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08  - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).

23

b) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

24

c) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, eine Abmahnung sei im Verhältnis zu einer Kündigung ein den Beklagten zumutbares milderes Mittel der Reaktion auf die Pflichtverletzungen des Klägers gewesen.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu den Kündigungsgründen als wahr unterstellt, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die vorzunehmende Interessenabwägung eine vorherige Abmahnung jedoch für nicht entbehrlich gehalten. Das Fehlverhalten des Klägers lasse keine eindeutige negative Prognose zu, selbst wenn man den zeitlichen Umfang der privaten Internetnutzung und den Inhalt der aufgerufenen Seiten zugrunde lege, wie ihn die Beklagten im einzelnen dargelegt hätten. Eine Privatnutzung während der Arbeitszeit sei nicht feststellbar. Der Kläger habe sich darauf berufen, als leitender Angestellter keine festen Arbeitszeiten gehabt zu haben und daher in seiner Pausengestaltung frei gewesen zu sein. Ausgefallene Arbeitszeit habe er in den Abendstunden oder am Wochenende ausgeglichen, er habe seine Arbeitspflichten nicht vernachlässigt und nur während erforderlicher Entspannungs- und Erholungspausen privat im Internet gesurft. Dem seien die Beklagten nicht mit konkreten Tatsachen entgegengetreten. Sie hätten auch nicht näher dargelegt, dass ihnen durch die Privatnutzung des Klägers zusätzliche Kosten entstanden seien. Als kündigungsrelevanter Sachverhalt verblieben damit ein Verstoß gegen das ausdrückliche Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses, das Aufrufen von Internetseiten und Herunterladen von Bildmaterial, das zu einer Vireninfizierung des Betriebssystems hätte führen können und eine mögliche Rufschädigung der Beklagten infolge des Aufrufens und Herunterladens der fraglichen Seiten. Zugunsten der Beklagten könne unterstellt werden, dass nur der Kläger der betreffende Nutzer gewesen sei. Auch dann hätten die Beklagten sich angesichts der langen beanstandungsfreien Dauer seines Arbeitsverhältnisses auf den Ausspruch einer Abmahnung beschränken und dem Kläger die Möglichkeit geben müssen, sein Verhalten zu korrigieren. Dies sei auch deshalb geboten, weil der Kläger aufgrund seiner hervorgehobenen Position offenbar davon ausgegangen sei, bei ihm werde eine private Nutzung des Internets in gewissem Umfang hingenommen. Er habe nicht damit rechnen müssen, es würden schon bei einem ersten Verstoß kündigungsrechtliche Konsequenzen gezogen.

26

bb) Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zwar musste dem Kläger angesichts des ausdrücklichen Verbots jeglicher privater Internetnutzung klar sein, dass die Beklagten sein Verhalten als vertragswidrig erachten würden. Es ist aber revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe davon ausgehen dürfen, die Beklagten würden auf einen Verstoß nicht sofort mit einer Kündigung reagieren. Dieser Würdigung steht die ausdrückliche Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bereits bei einem erstmaligen Verstoß in dem Rundschreiben vom 8. August 2002 schon deshalb nicht entgegen, weil als arbeitsrechtliche Konsequenzen unterschiedliche Reaktionen (Abmahnung; Kündigung) in Betracht kommen.

27

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die nahezu 15-jährige, bislang unbelastete Betriebszugehörigkeit des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt. Ferner fehlt nach seiner Auffassung bei Ausspruch einer Abmahnung die Wiederholungsgefahr. Dies zusammen mit dem Umstand, dass das pflichtwidrige Verhalten des Klägers zu keinem konkreten Schaden bei den Beklagten geführt hat, lässt es im Streitfall vertretbar erscheinen, eine Abmahnung für nicht entbehrlich zu halten. Demgegenüber musste es das Landesarbeitsgericht nicht entscheidungserheblich zulasten des Klägers gewichten, dass dieser als Abteilungsleiter eine Vorbildfunktion hatte.

28

dd) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger das Internet an mehreren Tagen und insgesamt über mehrere Stunden privat genutzt und dabei ua. pornografisches Bildmaterial heruntergeladen hat. Auch ein solches Verhalten schafft keinen absoluten Kündigungsgrund. Zwar hat der Senat dies als einen denkbaren Fall erachtet, in dem es vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung nicht bedarf (BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 115, 195). Dies ändert aber nichts daran, dass die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung auch bei einem solchen Sachverhalt anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen ist. Diese Prüfung hat das Landesarbeitsgericht in vertretbarer Weise vorgenommen. Nicht zu entscheiden ist, wie es zu beurteilen wäre, wenn der Kläger mithilfe des ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Internets Straftaten begangen hätte. Hierfür fehlt es an Vortrag der Beklagten.

29

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. Juni 2007 aufzulösen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Auflösungsantrag der Beklagten habe gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG keiner Begründung bedurft. Der Kläger war leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Mit Blick auf die Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses hat das Landesarbeitsgericht dabei den Antrag der Beklagten zu Recht als einen einheitlichen verstanden, gerichtet darauf, das Arbeitsverhältnis - und nicht, wie nach der Antragsformulierung, „die Arbeitsverhältnisse“ - der Parteien aufzulösen.

30

1. Nach § 14 Abs. 2 KSchG findet auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

31

a) Die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für das Gewicht der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat. Es kann auch dann ausreichend sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine geschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

32

b) Zur selbständigen Einstellung oder Entlassung iSd. § 14 Abs. 2 KSchG sind nur solche Arbeitnehmer berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im Außen-, sondern auch im Innenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf die Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 18. November 1999 - 2 AZR 903/98 - zu II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 5 = EzA KSchG § 14 Nr. 4).

33

c) Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht „nur auf dem Papier stehen“. Sie muss tatsächlich ausgeübt werden (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

34

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe als Abteilungsleiter die Befugnis gehabt, die ihm unterstellten Mitarbeiter selbständig einzustellen und zu entlassen. Diese Kompetenz habe sich zwar nur auf eine geschlossene Gruppe innerhalb der Belegschaft der Beklagten zu 1) - die insgesamt etwa 110 Mitarbeiter beschäftigt - bezogen, nämlich auf die 45 Mitarbeiter in der von ihm geleiteten Abteilung Baufinanzierung. Diese seien aber für den unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1) von besonderem Gewicht. Für eine Bausparkasse, die die Finanzmittel für die Durchführung von Bau- oder Modernisierungsvorhaben zur Verfügung stelle, sei entscheidend, wie die rechtliche und technische Abwicklung der Baufinanzierung gehandhabt werde. Die Personalkompetenz bestehe im Innen- und im Außenverhältnis. Der Kläger sei insofern nicht an Weisungen oder Genehmigungen von Vorstandsmitgliedern gebunden gewesen. Die Personalverantwortung des Klägers habe auch tatsächlich zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt.

36

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht eine Stellung des Klägers als leitender Angestellter im Verhältnis zur Beklagten zu 1) als ausreichend erachtet. Die Auflösung durch Urteil (§ 9 KSchG) kann im einheitlichen Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern grundsätzlich nur insgesamt erfolgen (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 der Gründe, BAGE 37, 1). Ausreichend ist im Regelfall ein Auflösungsgrund, der für oder gegen einen der Arbeitgeber vorliegt (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 a der Gründe, aaO). Ist der Arbeitnehmer leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG nur im Verhältnis zu einem der Arbeitgeber und stellt dieser einen Auflösungsantrag, schlägt dies wegen der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses auf die Beziehung zu den anderen Arbeitgebern durch. Eine Fortsetzung des einheitlichen Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeberseite dann in der Regel insgesamt unzumutbar. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch für den vorliegenden Fall angenommen. Besteht deshalb eine Auflösungsmöglichkeit der Beklagten zu 1), weil der Kläger im Verhältnis zu ihr leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, wirkt sich dies wegen der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses zu allen drei Beklagten auf das Arbeitsverhältnis insgesamt aus. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit Tätigkeiten des Klägers ggf. nur noch für die Beklagten zu 2) und 3) ist nach den Vereinbarungen der Parteien nicht vorgesehen. Zwar sollte das Arbeitsverhältnis bei einem Wegfall der Tätigkeiten für die später beigetretenen Beklagten zu 2) und 3) auch ohne diese fortgesetzt werden können, nicht aber umgekehrt nur für sie.

37

c) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 KSchG auch im Übrigen nicht verkannt.

38

aa) Eine Beschränkung der selbständigen Entscheidungskompetenz des Klägers auf die in seiner Abteilung vorzunehmenden Einstellungen ergibt sich nicht daraus, dass er an den festgelegten Stellenplan gebunden war. So wenig es einer selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis entgegensteht, wenn der Angestellte unternehmensinterne Vorgaben beachten muss (BAG 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA KSchG § 14 Nr. 6), so wenig verlangt eine Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG eine unternehmerische Entscheidungshoheit über den Stellenplan und die Befugnis, selbst über Stellenausweitungen oder -kürzungen zu entscheiden. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Angestellte vielmehr bereits dann als „im Lager“ des Arbeitgebers stehend anzusehen, wenn er selbständig darüber entscheiden kann, wer in einem wesentlichen Bereich des Unternehmens eingestellt oder entlassen wird.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Personalverantwortung des Klägers habe zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt. Es hat dies aus der Bedeutung der von dem Kläger geleiteten Abteilung für den unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1) abgeleitet. Mit seinem hiergegen gerichteten neuen Sachvortrag zur Art des von seiner Abteilung verantworteten Geschäfts und der tariflichen Eingruppierung seiner Mitarbeiter kann der Kläger in der Revision gem. § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr gehört werden. Das Landesarbeitsgericht musste auch nicht aufklären, ob es entsprechend dem Vorbringen des Klägers nur eine Entlassung und maximal zehn Einstellungen in seiner Abteilung während der Zeit seiner Leitung gegeben hat. Die Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG muss zwar einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen. Hierfür kommt es aber nicht allein darauf an, welchen zeitlichen Anteil sie an der Tätigkeit des Angestellten hat. Maßgeblich ist, ob sie von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen und damit als Teil der Tätigkeit des Angestellten qualitativ nicht unwesentlich ist. Dies war nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts beim Kläger der Fall. Der Kläger hat seine Befugnisse nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts auch tatsächlich ausgeübt.

40

Der Kläger rügt in der Revision ohne Erfolg, er habe in diesem Zusammenhang vorgetragen, über die eine Entlassung und die fünf bis zehn Einstellungen nicht selbst entschieden zu haben. Sein Vorbringen war nach dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung streitig. Die Richtigstellung des Tatbestands kann nicht im Wege der Verfahrensrüge, sondern nur durch einen Antrag nach § 320 ZPO erreicht werden(BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68; 26. Februar 1987 - 2 AZR 177/86 - zu B II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; BGH 22. September 2008 - II ZR 235/07 - zu II 1 a der Gründe, DStR 2008, 2228; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - zu B III 1 der Gründe, ZIP 2007, 1942; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 106; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 57 ). Einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.

41

d) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gem. § 355 ZPO verletzt, weil es die Zeugen nicht selbst vernommen, sondern darum das Arbeitsgericht ersucht habe, ist unbegründet. Selbst wenn man darin einen Verfahrensverstoß sehen wollte, wäre dieser gem. § 295 Abs. 1 ZPO geheilt. Der Kläger hätte diese Rüge bereits in der auf die Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung erheben müssen (vgl. BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - zu I der Gründe, NJW 1979, 2518; 16. Oktober 1963 - IV ZR 17/63 - BGHZ 40, 179; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 355 Rn. 8). Dies hat er nicht getan.

42

aa) Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des ersuchten Richters, welche die Aufhebung des Berufungsurteils erfordern könnte (vgl. dazu BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - NJW 1979, 2518), sind nicht ersichtlich.

43

bb) Der gerügte Verfahrensverstoß ist nicht erst durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts erkennbar geworden, so dass der Kläger die Rüge im Berufungsverfahren noch nicht hätte erheben können (zu den Konsequenzen vgl. BGH 4. November 2010 - I ZR 190/08 - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 2011, 569; 9. Januar 1997 - III ZR 162/95 - zu I 2 der Gründe, AP ZPO § 355 Nr. 2). Der Kläger beruft sich zum einen darauf, es habe schon im Beweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts eine Begründung dafür gefehlt, warum mit der Beweisaufnahme ein anderes Gericht ersucht worden sei. Dies war bereits mit Erlass des Beweisbeschlusses erkennbar. Zum anderen macht er geltend, es sei von vornherein mit widersprechenden Zeugenaussagen zu rechnen gewesen. Auch dies wurde nicht erst durch das Berufungsurteil erkennbar - zumal das Landesarbeitsgericht eine Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen nicht angenommen hat.

44

e) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch in der Sache einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

aa) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Dafür ist nur von Bedeutung, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

46

bb) Danach ist ein Fehler des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich. Dieses hat widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat es aufgrund der Aussagen der vernommenen anderen Abteilungsleiter als erwiesen angesehen, dass die Personalverantwortung des Klägers für die ihm unterstellten Mitarbeiter zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt hat. Die Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass sie zwar auf die vorherige Genehmigung einer Stelle durch die sog. Clearingkommission des Konzerns angewiesen seien. Nach Genehmigung einer Stelle hätten sie aber eigenständig darüber zu entscheiden, wie diese ausgeschrieben werde und welcher Kandidat zum Zuge komme. Eine Genehmigung durch den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder sei nicht erforderlich. Soweit der Kläger gerügt hat, die vernommenen Abteilungsleiter hätten nur ihre jeweils eigene Kompetenz darstellen können, hat er übersehen, dass das Landesarbeitsgericht der Aussage eines der Zeugen gerade entnommen hat, das Einstellungsprozedere sei in jeder Abteilung gleich gewesen, ebenso die Zuständigkeit für die Sachentscheidungen bei Entlassungen.

47

3. Der gerichtlichen Auflösung steht nicht entgegen, dass die - hilfsweise erklärte ordentliche - Kündigung der Beklagten vom 21. November 2006 schon aus anderen Gründen als dem Fehlen einer sozialen Rechtfertigung rechtsunwirksam wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit nicht zu beanstandender Würdigung ausgeschlossen. Insbesondere ist der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach § 31 Abs. 2 SprAuG ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung gehört worden.

48

4. Die Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG kann in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis in der Regel nur einheitlich festgesetzt werden. Bemessungsgrundlage („Monatsverdienst“ iSd. § 10 Abs. 3 KSchG) sind die Bezüge, die dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis insgesamt zustehen (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 37, 1). Das Landesarbeitsgericht hat einen Betrag in Höhe von zwölf durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen unter Einbezug von Sonderzahlungen festgesetzt. Dies hält sich im Rahmen von § 10 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG.

49

III. Die Anschlussrevision der Beklagten ist auch insoweit unbegründet, wie sie sich gegen die Entscheidung über den Zahlungsantrag richtet. Der Kläger hat Anspruch auf die noch offene Vergütung für November und auf Vergütung für Dezember 2006 gem. §§ 615, 611 BGB. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat im Anspruchszeitraum fortbestanden. Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung befanden sich die Beklagten im Annahmeverzug iSv. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch auf die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für Dezember 2006 ergibt sich aus § 257 SGB V und § 61 SGB II. Der Senat hatte gem. §§ 65, 73 Abs. 2 ArbGG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg insoweit zulässig ist(vgl. zur Unzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für die Arbeitgeberzuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung BAG 19. August 2008 - 5 AZB 75/08 - Rn. 6, AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 72). Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

50

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Beklagten zu 1) bis 3) haften gem. § 100 Abs. 4 ZPO gesamtschuldnerisch.

        

    Kreft     

        

    Eylert    

        

    Rachor     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

        

        

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

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I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

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2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

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a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

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b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

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aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

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Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

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bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

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(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

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(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

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(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

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(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

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3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

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a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

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aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

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b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

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c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

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bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

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(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

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d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

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cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. November 2010 - 3 Sa 40/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 1991 beim beklagten Land als Lehrerin angestellt und war zuletzt in der Grundschule K in D tätig. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der Runderlass des Kultusministeriums vom 26. Mai 1994 „Erziehungsmittel in der Schule“. Darin sind im Einzelnen die zulässigen Erziehungsmittel aufgeführt und wird die körperliche Züchtigung von Schülern für unzulässig erklärt.

3

Im Februar 2009 beschwerten sich Eltern von Schülern der ersten Klasse der Grundschule über die Klägerin. Sie teilten mit, die Klägerin habe den Schülern P und E den Mund mit einem durchsichtigen Tesafilm zugeklebt, nachdem diese den Unterricht gestört haben sollen. Ein ähnlicher Vorfall solle sich schon zwei Jahre vorher mit der Schülerin H ereignet haben.

4

Das beklagte Land hörte die Klägerin am 10. und 11. Februar 2009 zu den Vorwürfen an. In den Gesprächen räumte sie ein, dass ein Aufbringen von Tesafilm kein geeignetes Erziehungsmittel gegenüber den Schülern sei. Das beklagte Land stellte die Klägerin daraufhin mit sofortiger Wirkung von ihrer Tätigkeit als Lehrerin frei.

5

Am 13. Februar 2009 befragte die Schulpsychologin in Anwesenheit der schulfachlichen Referentin die Schüler E, P und H. Diese bestätigten die Vorfälle im Wesentlichen und erklärten, die Klägerin habe ihnen den Mund mit Tesafilm verklebt.

6

Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos. Durch rechtskräftiges Urteil vom 7. August 2009 stellte das Arbeitsgericht D die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung fest.

7

Nachdem die zuständigen Personalräte ihre Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin verweigert und die daraufhin angerufene Einigungsstelle beim Kultusministerium des beklagten Landes eine ordentliche Kündigung empfohlen hatte, kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 3. Juni 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2009.

8

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt und geltend gemacht, in ihrem Unterricht habe es keine körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen oder entwürdigenden Maßnahmen gegeben. Anlass für ihr Verhalten im Unterricht der ersten Klasse im Jahr 2009 sei gewesen, dass sie ein eingerissenes Blatt ihrer Arbeitsunterlagen wieder habe zusammenkleben wollen. Zu diesem Zweck habe sie ein Stück Tesafilm abgeschnitten. Der neben dem Lehrertisch sitzende Schüler E sei unruhig gewesen. Sie habe deshalb zu ihm gesagt, der Streifen gehöre ja wohl eher auf seinen Mund als auf das Papier. E habe lachend mit „Ja“ geantwortet. Daraufhin habe sie ihm den Streifen Tesafilm in Höhe des Mundes lose auf die Wange geklebt. Der Schüler P habe dies gesehen und für sich ebenfalls einen Streifen gewollt. Sie habe deshalb auch ihm lose ein Stück Tesafilm auf die Wange geklebt. Die Streifen hätten nicht fest geklebt. Sie seien sogar abgefallen und beide Jungen hätten sie jeweils wieder aufgedrückt. Die Sache sei von allen Kindern als „Spaß“ empfunden worden, beide Schüler hätten mitgelacht und sich vom weiteren Erzählen und Mitarbeiten während des Unterrichts nicht abhalten lassen. Die Äußerungen der Kinder vor der Schulpsychologin entsprächen nicht der Wahrheit. Eine solche spontane, aus einer scherzhaften Situation heraus entstandene Handlung stelle keine Verfehlung dar. Sie räume ein, zunächst nicht ausreichend sensibel gewesen zu sein und bedauere, dass der Fall öffentlichkeitswirksam geworden sei. Die Klägerin hat bestritten, schon einmal ähnlich gehandelt zu haben. Der Schülerin H habe sie keinen Tesafilm ins Gesicht geklebt.

9

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 3. Juni 2009 nicht zum 31. Dezember 2009 beendet worden ist.

10

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Klägerin habe mehrfach Tesafilmstreifen auf die Münder von Grundschülern geklebt. Sie habe damit ihre pädagogische Pflicht zum respektvollen und gewaltfreien Umgang mit Kindern verletzt. Sie habe eine schulrechtlich unzulässige, inakzeptable und herabwürdigende Erziehungsmethode zum Zweck der Disziplinierung angewandt. Lehrkräfte hätten gerade gegenüber Grundschülern eine besondere Obhutspflicht. Stattdessen habe sie den Kindern Schaden zugefügt. Es sei nicht entscheidend, welche Stärke der Tesafilmstreifen tatsächlich gehabt und wie fest er auf den Mündern geklebt habe. Einer Abmahnung habe es angesichts der Schwere des Vorfalls nicht bedurft. Überdies hätten zahlreiche Eltern nach Bekanntwerden der Vorwürfe unmissverständlich zu verstehen gegeben, ihre Kinder nicht mehr in die betreffende Schule schicken zu wollen, solange die Klägerin dort weiter unterrichte. Die in der Sache berechtigten Elternbeschwerden ließen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte mit der von ihm gegebenen Begründung der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen hält diese Begründung einer Überprüfung an § 1 Abs. 2 KSchG nicht stand. Sie beruht auf widersprüchlichen Annahmen und Feststellungen und berücksichtigt nicht alle wesentlichen Umstände. Da noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Kündigung rechtsunwirksam ist, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

13

I. Aufgrund der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht einen Kündigungsgrund im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht verneinen.

14

1. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht.

15

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36, BAGE 134, 349; Schlachter NZA 2005, 433, 436). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37 mwN, aaO).

16

2. Danach steht noch nicht fest, ob die Kündigung vom 3. Juni 2009 sozial gerechtfertigt ist. Eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten läge jedenfalls dann vor, wenn die Klägerin - wie das beklagte Land behauptet - den Schülern tatsächlich zu Disziplinierungszwecken mit einem Tesafilmstreifen den Mund verklebt hätte. Das dies nicht der Fall war, hat das Gericht bislang nicht festgestellt.

17

a) Nach dem Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt gehört es zum Erziehungsauftrag einer Grundschullehrerin, die Schüler zur Achtung der Würde des Menschen, zur Selbstbestimmung, zur Anerkennung und Bindung an ethische Werte, zum verantwortlichen Gebrauch der Freiheit und zu friedlicher Gesinnung zu erziehen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchulG LSA). Weiter sieht § 44 SchulG LSA ausdrücklich vor, dass „Ordnungsmaßnahmen getroffen werden (können), wenn dies zur Sicherung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder zum Schutz von Personen oder Sachen erforderlich ist. Die Würde der Schülerin oder des Schülers darf durch Ordnungsmaßnahmen nicht verletzt werden“. Dementsprechend hat eine Lehrerin ihr Verhalten in der Schule so einzurichten, dass die Verwirklichung des ihr nach dem Arbeitsverhältnis zukommenden Erziehungsauftrags nicht gefährdet wird (BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Sie darf deshalb gegen ausdrückliche, berechtigte Vorgaben und konkrete Weisungen des Arbeitgebers nicht verstoßen. Nach Ziff. 4 des Runderlasses vom 26. Mai 1994 ist eine „körperliche Züchtigung von Schülern unzulässig“. Nach seiner Ziff. 1 sind „kränkende, ehrverletzende Äußerungen, Drohungen und Einschüchterungsversuche“ untersagt. Danach ist das Zukleben eines Schülermundes mit Tesafilm zweifellos kein zulässiges Erziehungsmittel.

18

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Handhabung den Tatbestand der körperlichen Bestrafung oder seelischen Verletzung erfüllt. Regelmäßig wird darin jedenfalls eine entwürdigende Maßnahme liegen, weil Kinder hierdurch zum Gespött anderer Personen, insbesondere von Freunden oder Klassenkameraden werden und deren Verachtung ausgesetzt sind, so dass Selbstachtung und Ehrgefühl des betroffenen Kindes erheblich beeinträchtigt werden (vgl. § 1631 Abs. 2 BGB, der einem Kind auch im Verhältnis zu seinen Eltern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung einräumt; dazu Palandt/Diederichsen BGB 71. Aufl. § 1631 Rn. 7; MüKoBGB/Huber § 1631 Rn. 28; NK-BGB/Rakete-Dombek § 1631 Rn. 14). Es kommt nicht darauf an, ob die entwürdigende Maßnahme vom betroffenen Kind tatsächlich als Verletzung aufgefasst und gefühlt oder ob sie als „spaßig“ empfunden wird. Entscheidend ist ihre objektive Eignung als entwürdigend (Huber/Scherer FamRZ 2001, 797, 799).

19

b) Ein den erhobenen Vorwürfen entsprechendes Verhalten einer Grundschullehrerin wäre geeignet, eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG zu bedingen. Hätte die Klägerin den Schülern E und P zum Zwecke der Disziplinierung die Münder mit einem Streifen Tesafilm verklebt, hätte sie damit massiv gegen ihre Pflichten als Erzieherin verstoßen. Einer Abmahnung hätte es dann vor Ausspruch einer Kündigung nicht bedurft. Selbst wenn durch eine Abmahnung die Gefahr einer künftigen Wiederholung hätte ausgeschlossen werden können, wäre der Pflichtenverstoß als so schwerwiegend einzustufen, dass dem beklagten Land schon die erstmalige Hinnahme nicht zuzumuten wäre. Auch angesichts der langen Dienstzugehörigkeit der Klägerin zerstörte ein solcher Missgriff in ihren Erziehungsmethoden das Vertrauen des beklagten Landes in ihre von dem nötigen Respekt vor der Verletzlichkeit und Würde der ihr anvertrauten jungen Personen getragene Grundhaltung in irreparabler Weise. Aus diesem Grund wäre auch eine Versetzung kein vorrangiges Reaktionsmittel.

20

c) Die Klägerin hat bestritten, dass sie den Schülern Tesafilm über den Mund geklebt und dies gar zu Disziplinierungszwecken getan hat. Sie hat behauptet, sie habe dem einen Jungen wegen seiner Unruhe scherzhaft einen Streifen Tesafilm in Höhe des Mundes auf die Wange geklebt und dies bei dem anderen Jungen auf dessen Wunsch hin wiederholt. Beide hätten sich die Streifen, nachdem sie abgefallen seien, von sich aus sogar wieder aufgeklebt. Alle Kinder hätten die Angelegenheit als Spaß aufgefasst. Einen früheren Vorfall dieser Art habe es nicht gegeben.

21

Auf der Grundlage dieses Vortrags liegt ein Verhalten der Klägerin, das eine Kündigung bedingen könnte, nicht vor. Mag sie sich wegen der äußerlichen Nähe zu Disziplinierungsmaßnahmen und möglicher Missverständlichkeiten pädagogisch unkorrekt verhalten haben, so liegt doch ein Übergriff in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts der Kinder, der eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen würde, nicht vor.

22

d) Es ist nicht mit einer für die Beurteilung nach § 559 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ausreichenden Deutlichkeit erkennbar, welchen tatsächlichen Geschehensablauf das Landesarbeitsgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat.

23

aa) Unter II. 2.1 der Entscheidungsgründe heißt es, „die Handlung der Klägerin, den Schülern E und P der damaligen ersten Klasse ... zum Zwecke der Disziplinierung einen Tesafilmstreifen, nach Angabe der Klägerin von etwa 2 cm Breite und 5 cm Länge, über den Mund zu kleben“, stelle einen Verstoß gegen ihre Pflichten dar, „ein derartiges ‚Überkleben’ des Mundes eines Schülers“ sei kein zulässiges Erziehungsmittel. Anschließend führt das Landesarbeitsgericht an gleicher Stelle aus, „eine negative Prognose (liege) nicht vor, weil die Klägerin die von ihr gegenüber den Schülern E und P begangene Handlung nie bestritten“ habe. Sie habe schon im Verlauf der ersten Anhörung eingesehen, dass die Maßnahme pädagogisch nicht zulässig gewesen sei.

24

Die Klägerin hat indessen die Behauptungen des beklagten Landes durchaus substantiiert bestritten. Sie hat gerade kein Überkleben der Münder zu Disziplinierungszwecken eingeräumt. Es bleibt deshalb offen, von welchem Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist: Lag ein Zukleben der Münder zu Disziplinierungszwecken vor? Lag zwar ein Überkleben der Münder vor, aber ohne Disziplinierungsabsicht und „zum Spaß“? Oder wurden die Tesafilmstreifen zum Spaß ohnehin nur auf die Wange geklebt?

25

Für die kündigungsrechtliche Bewertung kann dies nicht dahingestellt bleiben.

26

3. Da die Begründung des Berufungsurteils, sollte die erste der aufgezählten Sachverhaltsvarianten zutreffen, eine Rechtsverletzung ergäbe und sich mangels Feststellungen zu möglichen Fehlern bei der Personalratsanhörung auch nicht beurteilen lässt, ob die Entscheidung selbst aus anderen Gründen sich als richtig darstellt, war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Da ein Fall des § 563 Abs. 3 ZPO nicht gegeben ist, war die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

27

II. Vor einer neuen Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht den Parteien erneut Gelegenheit zu substantiiertem und im Hinblick auf eine der drei Sachverhaltsalternativen hinreichend konkretem Tatsachenvortrag und zum Beweisantritt geben müssen. Je nach Einlassung der Klägerin auf den zu erwartenden Vortrag des beklagten Landes wird es ggf. Beweis erheben müssen.

28

Falls es ihm für seine abschließende Beurteilung darauf ankommen sollte, ob der gegen die Klägerin hinsichtlich eines zeitlich vorausliegenden ähnlichen Vorfalls mit der Schülerin H erhobene Vorwurf zutrifft, wird das Landesarbeitsgericht auch dessen Berechtigung ggf. durch Beweisaufnahme aufzuklären haben. Das entsprechende Vorbringen des beklagten Landes ist ausreichend substantiiert. Es wurde von der Klägerin ebenso substantiiert bestritten.

29

Im Rahmen einer Beweisaufnahme kann auch ein Sachverständigengutachten zur Glaubhaftigkeit der außergerichtlich abgegebenen Erklärungen der Schüler erforderlich werden.

        

    Kreft     

        

    Rachor     

        

    Eylert     

        

        

        

    Grimberg     

        

    Frey     

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2011 - 19 Sa 1075/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war beim beklagten Land seit Oktober 2001 als Wachpolizist im Objektschutz beschäftigt. Er versah seinen Dienst mit Dienstwaffe und in Polizeiuniform. Den Angehörigen der Wachpolizei sind die nach § 3 der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch die Dienstkräfte der Polizei vom 17. Februar 1993 des beklagten Landes (PDieVO) vorgesehenen polizeilichen Befugnisse übertragen.

3

Nach dem Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2001 waren für das Arbeitsverhältnis der Parteien der „Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen“ sowie „die mit dem … (beklagten Land) bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das … (beklagte Land) angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten, insbesondere Vergütungstarifverträge“ maßgebend.

4

Im Januar 2010 wurde auf Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg die Wohnung des Klägers polizeilich durchsucht. Dabei wurden verschiedene Behälter mit Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) und Gamma-Butyrolacton (GBL), Natriumhydroxid, sowie eine Anleitung und Utensilien zur Herstellung von GHB gefunden. GHB ist ein als „K.o.-Tropfen“ bezeichnetes, verbotenes Betäubungsmittel. GBL und Natriumhydroxid sind die Grundstoffe zur Herstellung von GHB.

5

Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe wurde der Kläger in den Innendienst versetzt. Nach einem Drogenscreening ohne Befund beschäftigte ihn das beklagte Land seit dem 24. Mai 2010 wieder mit Dienstwaffe im Objektschutz.

6

Am 30. Juni 2010 erfuhr die Disziplinarstelle, dass die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage gegen den Kläger erhoben hatte. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 hörte das beklagte Land den Kläger zu den Vorwürfen an. Darauf antwortete dieser mit Schreiben vom 19. Juli 2010. Mit Zustimmung der Frauenvertreterin und des Personalrats kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. August 2010 ordentlich zum 31. Dezember 2010. Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben.

7

Ende März 2011 wurde in der Presse über das Kündigungsschutzverfahren berichtet. Am 30. Mai 2011 verurteilte das Landgericht den Kläger rechtskräftig wegen des unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minderschweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Das Landgericht stellte fest, der Kläger habe in nicht geringer Menge unerlaubt Betäubungsmittel hergestellt. Er habe eingeräumt, die Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch hergestellt zu haben.

8

Der Kläger hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Straftat habe er außerdienstlich begangen. Diese habe keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Er unterliege nicht mehr den besonderen Pflichten des § 8 BAT, sondern nur noch denen des § 41 TVöD. Seit dem 19. Juli 2010 sei er wieder in der Aktensammelstelle eingesetzt worden.

9

Der Kläger hat beantragt

        

        

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 13. August 2010 nicht aufgelöst worden ist;

                 

2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Angestellter des Zentralen Objektschutzes weiter zu beschäftigen.

10

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, der Kläger habe das Ansehen seines Dienstherrn in der Öffentlichkeit beschädigt. Bei einem Polizisten sei jedes Delikt von Bedeutung, er stelle für die Öffentlichkeit das „Auge des Gesetzes“ dar. Zudem sei der Fall in der Tagespresse wiedergegeben worden. Der negative Befund des Drogenscreenings sei unbeachtlich, da GHB schon nach kurzer Zeit vom Körper abgebaut werde.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen. Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Kündigung des beklagten Landes vom 13. August 2010 sei aus personen- und verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

14

1. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen ( BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 19; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08  - Rn. 2 4, BAGE 132, 72 ). Auch strafbares außerdienstliches Verhalten kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen. Sie können dazu führen, dass es ihm - abhängig von seiner Funktion - an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben mangelt. Ob daraus ein personenbedingter Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts, den konkreten Arbeitspflichten des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Generelle Wertungen lassen sich nicht treffen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).

15

a) Danach war die außerdienstliche Straftat des Klägers grundsätzlich geeignet, eine Kündigung aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen. Die Herstellung eines verbotenen Betäubungsmittels in nicht unerheblichem Umfang ist geeignet, berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit und damit an der Eignung des Klägers für die künftige Erledigung seiner Aufgaben als Wachpolizist im Objektschutz zu begründen.

16

aa) Zwar ist nicht festgestellt, dass der Kläger wegen des privaten Konsums des von ihm hergestellten GHB und daraus resultierender körperlicher Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seinen Aufgaben nachzugehen. Die bislang festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch nicht die Annahme, es liege nahe, dass er seinen Dienst unter Drogeneinfluss versehe. Aufgabenstellung und Funktion eines Wachpolizisten stellen aber weitergehende Anforderungen auch an die charakterliche Eignung des Beschäftigten. Dieser muss die Gewähr dafür bieten, jederzeit zuverlässig und vertrauenswürdig seinen Dienst zu versehen. Je näher die Aufgaben eines Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes dem Bereich der klassischen Eingriffsverwaltung kommen, desto höhere Anforderungen sind an seine Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu stellen. Bei einem Mitarbeiter, dem hoheitliche Befugnisse übertragen sind, können sich berechtigte Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit schon daraus ergeben, dass er außerdienstlich in erheblicher Weise straffällig geworden ist.

17

bb) Aufgabe des Klägers war es, gegenüber der Öffentlichkeit als mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Ordnungshüter - ggf. durch Ausübung unmittelbaren Zwangs - aufzutreten. Aufgrund der ihm als Wachpolizist im Objektschutz eingeräumten Befugnisse war er auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Eingriffsnormen und damit hoheitlich tätig (vgl. zu diesem Merkmal Kutzki in Dörring/Kutzki TVöD § 41 BT-V Rn. 1, 7; KomTVöD/Dahlem 2011 § 41 TVöD, Rn. 4). Nach § 3 PDieVO idF vom 11. Dezember 2001 sind den Angehörigen der Wachpolizei des beklagten Landes weitgehend dieselben Befugnisse wie verbeamteten Polizisten auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts übertragen. Das hoheitliche Handeln des Klägers zeigte sich äußerlich darin, dass er Polizeiuniform und Dienstwaffe trug.

18

cc) Die Herstellung eines verbotenen Betäubungsmittels in nicht unerheblichem Umfang ist mit dieser hoheitlichen Funktion unvereinbar. Auch wenn es nicht unmittelbar zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte, Betäubungsmittelstraftaten zu verfolgen, hatte er im Rahmen des ihm übertragenen Objektschutzes bei einer polizeirechtlichen Gefahr, zu der auch Verstöße gegen das BtMG gehören, doch einzuschreiten. Nachdem er planmäßig ein mit Strafe bewehrtes Verbot übertreten und sich damit in Widerspruch zu seinen und zu den Aufgaben seiner Anstellungsbehörde gesetzt hatte, bestanden berechtigte Zweifel daran, dass er die Gewähr dafür biete, jederzeit korrekt und integer seinen Dienst als Wachpolizist zu versehen. Es handelte sich um ein schwer wiegendes, über einen längeren Zeitraum begangenes Delikt. Der Kläger hat sich nicht nur aufgrund eines „Augenblicksversagens“ strafbar gemacht, sondern hat zielgerichtet eine nicht geringe Menge eines verbotenen Betäubungsmittels hergestellt. Die bei ihm aufgefundenen Grundstoffe hätten es zudem ermöglicht, das Mittel in noch weitaus größerem Umfang zu produzieren.

19

b) Eine Kündigung ist trotz Vorliegens von Gründen in der Person des Arbeitnehmers durch diese nicht „bedingt“, deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer zu anderen (ggf. auch schlechteren) Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen, unter denen sich die eingetretene Vertragsstörung nicht mehr, zumindest nicht mehr in erheblicher Weise auswirkt (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 14). Grundsätzlich ist daher auch beim Fehlen der Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen in Betracht kommt (BAG 31. Januar 1996 - 2 AZR 68/95 - zu II 2 der Gründe, BAGE 82, 139). Das gilt auch bei Eignungsmängeln aufgrund außerdienstlicher Straftaten, es sei denn, dem Arbeitnehmer fehlte aufgrund ihrer zwangsläufig die Eignung für sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten.

20

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG sind in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Dienstes solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs bestehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 17).

21

bb) Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein freier Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind ( BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10  - Rn. 24 , BAGE 140, 169). Dem steht es gleich, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird ( BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - aaO; 1. März 2007 -  2 AZR 650/05  - Rn. 24).

22

cc) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich, nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz beschäftigt werden zu können, genügt der Vortrag des Arbeitgebers zu den Gründen, aus denen eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen nicht möglich sein soll. Will der Arbeitnehmer (außerdem) vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Dabei genügt es, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist. Einen konkreten freien Arbeitsplatz muss er in der Regel nicht benennen ( BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05  - Rn. 21 ; 6. November 1997 - 2 AZR 253/97  - zu II 4 b der Gründe). Erst daraufhin hat der Arbeitgeber eingehend zu erläutern, aus welchen Gründen (auch) eine Umsetzung nicht möglich gewesen sei (vgl. BAG 25. Oktober 2012  - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05  - aaO).

23

dd) Ob eine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht geprüft. Dazu hätte Veranlassung bestanden. Das beklagte Land hatte den Kläger nach Bekanntwerden der Vorwürfe zunächst im Innendienst eingesetzt. Der Kläger hat sich außerdem darauf berufen, er sei ab dem 19. Juli 2010 erneut in der Aktensammelstelle eingesetzt worden. Dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, ihn dort dauerhaft weiter zu beschäftigen, steht bislang nicht fest. Der Kläger war wegen der außerdienstlich begangenen Straftat nicht zwangsläufig für sämtliche Tätigkeiten auch im Innendienst ungeeignet. Ihm fehlte zwar die Eignung für eine weitere Tätigkeit als Wachpolizist im Objektschutz. Dies muss aber nicht gleichermaßen für eine nicht hoheitliche Aufgabe im Innendienst gelten.

24

2. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ und damit sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34 mwN). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, BAGE 132, 72). Eine Nebenpflicht kann auch durch die Begehung einer außerdienstlichen Straftat verletzt werden.

25

a) § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT begründete in seinem Anwendungsbereich die Pflicht, sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Danach hatten sich Arbeitnehmer auch außerdienstlich so zu verhalten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt würde. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht vermochte auf dieser tariflichen Grundlage die verhaltensbedingte Kündigung eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu rechtfertigen (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 16, BAGE 132, 72; 21. Juni 2001 -  2 AZR 325/00  - zu B I 2 a der Gründe). Die Regelung wurde in die den BAT ablösenden Tarifwerke des öffentlichen Dienstes nicht übernommen. So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 1 TVöD-BT-V und § 3 Abs. 1 Satz 1 TV-L nur noch „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 TVöD-BT-V müssen sich Beschäftigte von Arbeitgebern, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, zwar überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“. Damit ist aber lediglich bei den politischen Loyalitätspflichten auch außerdienstliches Verhalten erfasst (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 17). Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO). Dies gilt ebenso für die Regelungen des TV-L.

26

b) Nach der allgemeinen Regel des § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72; 26. März 2009 -  2 AZR 953/07  - Rn. 24). Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Durch - rechtswidriges - außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21). Diese Grundsätze gelten auch für eine außerdienstlich begangene Straftat. Der Arbeitnehmer verstößt mit einer solchen Tat gegen die schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden(BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO).

27

c) Ob der Kläger dadurch, dass er außerdienstlich in nicht unerheblichem Umfang ein verbotenes Betäubungsmittel hergestellt hat, zugleich eine vertragliche (Neben-)Pflicht aus der Bestimmung des für ihn seinerzeit möglicherweise noch geltenden § 8 Abs. 1 BAT oder aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat, bedarf keiner Entscheidung. Es kann daher auch dahinstehen, ob - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - ein relevanter Bezug zum konkreten Arbeitsverhältnis tatsächlich dadurch gegeben war, dass das beklagte Land nach Ausspruch der Kündigung durch Presseberichte über den Kündigungsschutzprozess mit der Straftat des Klägers in Verbindung gebracht wurde.

28

aa) Selbst wenn der Kläger mit seiner Straftat zugleich eine vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt haben sollte, hätte dies das beklagte Land nicht - ebenso wenig wie mit Blick auf Kündigungsgründe in seiner Person - von der Pflicht entbunden, ihn auf einem anderen, für beide Seiten zumutbaren Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, wenn dadurch künftige Störungen des Arbeitsverhältnisses hätten vermieden werden können. Auch eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist nur dann sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine andere zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Die Weiterbeschäftigung des Klägers mit einer - nicht-hoheitlichen - Tätigkeit, die nicht in gleichem Maße Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers stellt, kann ein zumutbares milderes Mittel gegenüber der (Beendigungs-)Kündigung darstellen. Ob dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Innendienst zumutbar war, ist bislang nicht festgestellt.

29

bb) Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen kommt selbst dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der vom Kläger begangenen Straftat die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT für das Arbeitsverhältnis der Parteien noch gegolten haben sollte. Danach hatte zwar jeder Angestellte des öffentlichen Dienstes auch sein außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt würde. Das Maß der Beeinträchtigung ist aber abhängig von der konkret übertragenen Tätigkeit. Könnte der Kläger künftig mit nicht-hoheitlichen Aufgaben betraut werden, könnte sich seine Weiterbeschäftigung als zumutbar erweisen. Hinzu kommt, dass im Zeitpunkt der Kündigung der Anwendungs-Tarifvertrag vom 31. Juli/1. August 2003, der zunächst zur statischen Fortgeltung des BAT im beklagten Land geführt hatte, bereits außer Kraft getreten und nach dem veröffentlichten Eckpunktepapier der Tarifvertragsparteien vom 12. März 2010 die Übernahme des Tarifrechts der Tarifgemeinschaft der Länder auch für das beklagte Land absehbar war (vgl. Bochmann ZTR 2011, 459, 462 Fn. 33, 464 Fn. 52; Conze öAT 2011, 247, 248).

30

cc) Ob der Kläger durch seine außerdienstliche Straftat schuldhaft eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, kann auch dann dahinstehen, wenn eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestanden haben sollte. Die Kündigung wäre in diesem Fall - vorbehaltlich des Ergebnisses der vorzunehmenden Interessenabwägung - bereits aus Gründen in seiner Person bedingt und sozial gerechtfertigt. Soweit das Landesarbeitsgericht die spätere Presseveröffentlichung in die Interessenabwägung hat einfließen lassen, ist zu berücksichtigen, dass nachträglich eingetretene Umstände allenfalls insoweit von Bedeutung sein können, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53 mwN, BAGE 134, 349). Das dürfte für die vom Kläger nicht beeinflusste Berichterstattung über den Kündigungsschutzprozess nicht der Fall sein. Andererseits hat bei einer Kündigung aus Gründen mangelnder Eignung zu Lasten des Arbeitnehmers Berücksichtigung zu finden, dass der Eignungsmangel aus einem von dem Arbeitnehmer selbst verschuldeten Verhalten resultiert (vgl. zur selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung wegen Verurteilung zu einer Freiheitstrafe BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 29; 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 29, BAGE 136, 213).

31

II. Der nur hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 8. März 2010 - 1 Ca 2434/09 v - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 3.281,68 Euro seit dem 1. Juli 2009 und dem 1. August 2009, aus 2.971,92 Euro seit dem 1. September 2009 und aus je 2.436,88 Euro seit dem 1. Oktober 2009, dem 1. November 2009, dem 1. Dezember 2009 und dem 29. Januar 2010 zu zahlen.

4. Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens haben zu 1/6 der Kläger, zu 5/6 der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Beklagten und Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1948 geborene Kläger war seit Juli 1997 bei dem beklagten Verein als Ergotherapeut beschäftigt. Der Beklagte betreibt eine Fachklinik für Suchterkrankungen. In ihr werden insbesondere alkohol-, medikamenten- und drogenabhängige Patienten behandelt. Der Kläger war im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. In deren Rahmen sollen die Patienten von Suchtmitteln entwöhnt werden. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“. Dies war dem Beklagten bei der Einstellung bekannt. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass der Kläger „trocken“ sei.

3

Im Herbst 2006 kam es beim Kläger zu einem Rückfall. Am 20. Dezember 2006 wurde während des Dienstes bei ihm Alkoholgeruch festgestellt. Der Kläger gab an, alkoholhaltige Hustentropfen eingenommen zu haben. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,76 Promille. Aufgrund dieses Umstands erteilte ihm der Beklagte am 10. Januar 2007 eine Abmahnung. Am 5. Februar 2007 wurde beim Kläger während der Arbeitszeit erneut Alkoholgeruch festgestellt. Am 13. Februar 2007 erteilte ihm der Beklagte eine weitere Abmahnung. Vom 14. März bis 24. April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Anschließend nahm er seinen Dienst wieder auf.

4

Am 16. August 2007 wurde beim Kläger bei einer Teamsitzung abermals Alkoholgeruch festgestellt. Ein Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,3 Promille. Mit Schreiben vom 17. August 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Im Gütetermin am 22. Februar 2008 verständigten sich die Parteien auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung der Abmahnungen von Januar und Februar 2007 aus der Personalakte. Der Kläger erklärte sich bereit, sich bei Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Alkoholkontrolle zu unterziehen. Entsprechende Tests im März und im September 2008 blieben ohne Befund.

5

Am Vormittag des 22. Mai 2009 - zwischen 10:00 und 12:00 Uhr - stellte eine Mitarbeiterin des Beklagten wiederum Alkoholgeruch beim Kläger fest. Tests ergaben eine Atemalkoholkonzentration von 0,39 Promille und einen Blutalkoholwert von 0,42 Promille. Der Kläger gab an, morgens ab 6:00 Uhr wegen starker Halsschmerzen mehrfach 10 bis 12 Tropfen „Meditonsin“ eingenommen zu haben.

6

Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 hörte der Beklagte die im Betrieb gebildete Mitarbeitervertretung zu seiner Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009 zu kündigen. Die Mitarbeitervertretung stimmte der fristgerechten Kündigung zu. Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Vorfall vom 22. Mai 2009 vermöge die Kündigungen nicht zu rechtfertigen. Es liege weder ein auf Krankheit beruhender Grund in seiner Person noch ein Grund in seinem Verhalten vor, der die Kündigung bedinge. Er habe nicht Alkohol, sondern Medizin zu sich genommen. Im Übrigen sei er selbst dann, wenn er in privatem Umfeld Alkohol konsumiert habe, als Therapeut von Suchtkranken nicht ungeeignet. Die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie sei über die näheren Umstände des gerichtlichen Verfahrens aus dem Jahr 2007 und über seine Bemühungen zur Verlängerung der Entwöhnungstherapie nicht ausreichend unterrichtet worden. Außerdem habe der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Eingliederungsmaßnahme versuchen müssen. Überdies sei die zum Umgang mit suchtkranken Beschäftigten abgeschlossene Dienstvereinbarung nicht beachtet worden. Der Kläger hat ferner Vergütung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und darüber hinaus bis einschließlich Oktober 2010 geltend gemacht. Erhaltenes Arbeitslosengeld lässt er sich anrechnen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 unwirksam ist;

        

2.    

für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2009 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus gestaffelten Beträgen ab unterschiedlichen Zeitpunkten sowie weitere 31.567,60 Euro brutto abzüglich 8.448,00 Euro netto zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, schon die fristlose Kündigung sei wegen schwerwiegender Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen gerechtfertigt. Aufgrund des Rückfalls sei es ihm unmöglich, den Kläger weiter als Therapeuten von Suchtpatienten einzusetzen. Diese könnten auf untrügliche Art feststellen, dass er rückfällig geworden sei. Dieser Umstand gefährde die Therapie. Einer Maßnahme nach § 84 Abs. 2 SGB IX habe es nicht bedurft. Der Kläger weise keine dort vorausgesetzten längeren Fehlzeiten auf. Die Vorgaben der - zwischenzeitlich gekündigten - Dienstvereinbarung seien eingehalten worden. Die Mitarbeitervertretung habe er ordnungsgemäß unterrichtet. Ihr seien die Umstände des früheren Verfahrens bekannt gewesen.

10

Das Arbeitsgericht hat auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erkannt und den Beklagten zur Gehaltszahlung bis zum 31. Dezember 2009 verurteilt. Soweit sie sich gegen die ordentliche Kündigung richtet, hat es die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat es die Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung festgestellt und dem weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Im Übrigen ist sie weitgehend unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung als unwirksam erachtet (I.). Die ordentliche Kündigung ist dagegen wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 aufgelöst (II.). Bis dahin kann der Kläger Vergütungszahlung verlangen; allerdings hat schon das Arbeitsgericht ihm zuviel Zinsen zugesprochen. Weitergehende Vergütungsansprüche stehen dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu (III.).

12

I. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten hat. Die fristlose Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ( BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, NZA-RR 2012, 567; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ).

14

2. An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 18). Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 159 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 2; 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 - zu II 1 c der Gründe, EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 1).

15

3. Danach ist die fristlose Kündigung hier weder aus Gründen im Verhalten noch aus Gründen in der Person des Klägers gerechtfertigt.

16

a) Ein vorwerfbarer Pflichtverstoß liegt nicht vor. Zwar verletzt der Kläger, wenn er unter Alkoholeinfluss seine Tätigkeit ausübt, seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Die therapeutische Arbeit in der Entwöhnungsbehandlung von Suchterkrankten erlaubt es nicht, dass der Therapeut selbst unter Alkoholeinfluss steht. Die Vermittlung eines Bewusstseins dafür, die Sucht beherrschen zu können, würde erheblich erschwert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zustand einer - merklichen - Alkoholisierung durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke oder die Einnahme alkoholhaltiger Medikamente herbeigeführt wurde. Dem Vorliegen einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger in Kenntnis von dessen Alkoholabhängigkeit eingestellt hat. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass er „trocken“, also in der Lage sei, stabil abstinent zu leben. Aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit kann dem Kläger aber kein Schuldvorwurf gemacht werden.

17

b) Die fristlose Kündigung ist auch als krankheitsbedingte Kündigung nicht wirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Es sind keine Tatsachen festgestellt, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 fortzusetzen.

18

aa) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für den Beklagten nicht ausgeschlossen, eine fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses also grundsätzlich möglich.

19

bb) Die Kündigungsfrist betrug gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien iVm. § 33 Abs. 1 BAT-KF sieben Monate zum Monatsende. Sie war damit zwar nicht unbeträchtlich. Angesichts der Umstände des Streitfalls war dem Beklagten aber die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zu ihrem Ablauf zumutbar. Zum einen war dem Beklagten von Beginn an bekannt, dass der Kläger Alkoholiker ist und damit das Risiko eines Rückfalls bestand. Zum anderen war der Kläger bereits Ende des Jahres 2006 rückfällig geworden, ohne dass dies seiner Weiterbeschäftigung ab sofort entgegengestanden hätte. Der Beklagte beließ es vielmehr zunächst bei Abmahnungen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Alkoholauffälligkeiten des Klägers auch nach seinem Rückfall vereinzelt geblieben sind. Der Kläger war überdies nach der Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 zunächst für etwa vier Monate, zuletzt für anderthalb Jahre unauffällig. Damit war es dem Beklagten zuzumuten, den Kläger für die begrenzte Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen und solange ggf. etwas häufigere Kontrollen durchzuführen.

20

II. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht auch die fristgerechte Kündigung für unwirksam gehalten hat.

21

1. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

22

a) Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (vgl. zu den Anforderungen an krankheitsbedingte Kündigungen BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55).

23

b) Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Ergotherapeut in der Suchtklinik des Beklagten auf Dauer ordnungsgemäß erbringen zu können.

24

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Therapeut von Suchtkranken nicht einsetzbar. Als Ergotherapeut arbeitet er eng mit den Patienten zusammen. Es besteht die Gefahr, dass diese in ihrem eigenen Kampf gegen die Sucht erheblich beeinträchtigt werden, wenn sie bemerken, dass ihr Therapeut unter Alkoholeinfluss steht.

25

bb) Aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit war im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, beim Kläger sei auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit zu rechnen.

26

(1) Eine Alkoholisierung war beim Kläger erstmals am 20. Dezember 2006 und am 5. Februar 2007 festgestellt geworden. Obwohl er sich im Zeitraum vom 14. März bis 24. April 2007 einer stationären Entwöhnungsbehandlung unterzogen hatte, wurde er am 16. August 2007 erneut alkoholauffällig. Zwar hat der Beklagte die wegen der ersten beiden Auffälligkeiten erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der auf den Vorfall vom August 2007 gestützten Kündigung nicht festgehalten. Die zugrunde liegenden Tatsachen bleiben aber berücksichtigungsfähig. Am 22. Mai 2009 versah der Kläger abermals unter Alkoholeinfluss seinen Dienst.

27

(2) Dies rechtfertigte die Prognose, der Kläger habe seine Alkoholkrankheit auch nach der Entwöhnungsbehandlung nicht verlässlich unter Kontrolle. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zwischen den beiden nach der Behandlung festgestellten Alkoholisierungen ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren lag. Er zeigt gerade, dass trotz der längeren „trockenen“ Periode eine günstige Prognose nicht gestellt werden konnte.

28

(3) Nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, warum für die Zukunft gleichwohl mit weiteren Beeinträchtigungen durch seine Alkoholabhängigkeit nicht zu rechnen gewesen sei. Er hat nicht etwa behauptet, dass er vor Ausspruch der Kündigung eine neuerliche, nunmehr möglicherweise erfolgreichere Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe. Unerheblich ist, ob die festgestellten Alkoholisierungen Folge der Einnahme alkoholhaltiger Medikamente oder alkoholhaltiger Getränke waren. Die Tätigkeit eines Therapeuten von Suchtkranken wird durch Alkoholauffälligkeiten während des Dienstes unabhängig davon beeinträchtigt, in welcher Form er den Alkohol zu sich genommen hat.

29

c) Aus dem Umstand, dass eine auf Dauer ordnungsgemäße Leistung des Klägers nicht zu erwarten war, folgt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

30

aa) Der Beklagte musste befürchten, dass bei auch zukünftig zu erwartenden Alkoholauffälligkeiten des Klägers die sachgerechte Behandlung der Patienten beeinträchtigt und ein Therapieerfolg gefährdet würde. Schon eine solche Gefährdung ist für den Beklagten nicht hinnehmbar. Er hat gegenüber Patienten und Leistungsträgern die Pflicht, schädliche Einflüsse auf den Behandlungserfolg möglichst auszuschließen.

31

bb) Eine andere Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen, bestand nach dem Vorbringen des Beklagten nicht. Auch der Kläger hat sich auf eine solche Möglichkeit - etwa eines Einsatzes bei anderen als suchtkranken Patienten oder mit anderen als therapeutischen Tätigkeiten - nicht berufen. Den Beklagten trifft insoweit nicht deshalb eine erhöhte Darlegungslast, weil er vor der Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hat. Diese Verpflichtung, deren Missachtung zu einer Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des Fehlens anderer Einsatzmöglichkeiten führen kann (vgl. dazu BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234), betrifft nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nur Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor.

32

d) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Belange des Beklagten überwiegen. Die mit der nicht beherrschten Alkoholabhängigkeit des Klägers einhergehenden Belastungen muss der Beklagte auf Dauer nicht hinnehmen.

33

aa) Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidend darauf an, dass mit erheblichen Ausfallzeiten des Klägers nicht zu rechnen war. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt nicht aus der Dauer der zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Sie folgt daraus, dass wegen der beim Kläger auch künftig nicht auszuschließenden Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht gewährleistet war. Selbst wenn der Kläger in einem anderen Umfeld auch unter Alkoholeinfluss ergotherapeutische Maßnahmen fachgerecht mag anleiten können, steht seiner weiteren Beschäftigung als Therapeut suchtkranker Patienten die von ihm nicht beherrschte Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit entgegen.

34

bb) Das betriebliche Interesse des Beklagten, die ihm anvertrauten Suchtkranken nicht in die Behandlung eines Therapeuten zu geben, bei dem die Gefahr besteht, dass er während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht, wiegt schwer. Die Beschäftigung persönlich geeigneter Therapeuten liegt nicht nur im unmittelbaren unternehmerischen Interesse des Beklagten. Vielmehr verlangt auch die Verantwortung für die sachgerechte Behandlung der Patienten danach, mit dieser keine persönlich ungeeigneten Therapeuten zu betrauen.

35

cc) Es war dem Beklagten nicht zumutbar, der Gefahr einer Alkoholisierung des Klägers dauerhaft durch verstärkte Kontrollen zu begegnen. Eine effektive Kontrolle hätte stattzufinden, bevor es zu einem Kontakt mit den Patienten kommt. Sie vorzunehmen ist auf Dauer kaum möglich, dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar. Der Kläger war rückfälliger Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

36

dd) Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren und das Alter des Klägers von über 60 Jahren nicht aufgewogen. Der Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten im Dienst mehrfach die Chance einer Bewährung gegeben. Er hat die stationäre Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 abgewartet (vgl. zu diesem für die Interessenabwägung relevanten Gesichtspunkt BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96) und auch nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2007 an einer Kündigung nicht festgehalten. Er hat damit alles ihm Zumutbare für einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Jedenfalls nach dem erneuten Vorfall im Mai 2009 überwogen seine Interessen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

37

ee) Ein anderes Ergebnis wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn - wie der Kläger geltend gemacht hat - die Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 medizinisch nicht ausreichend gewesen wäre, der Versicherungsträger aber eine Verlängerung abgelehnt hätte. Das Scheitern der Behandlung wäre jedenfalls nicht dem Beklagten zuzurechnen. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, dieser habe ihn zu einer unzureichenden oder zu kurzen Therapie gedrängt oder ihm eine längere Therapie verweigert.

38

2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte gegen die „Dienstvereinbarung gemäß § 36 MVG zum Umgang mit Sucht“ vom 1. Januar 2004 verstoßen hätte.

39

a) Die Dienstvereinbarung sieht unter den Ziff. 3.1 bis 3.5 ein näher bestimmtes Verfahren für den Umgang mit Beschäftigten mit Suchtproblemen vor. § 36 Abs. 3 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland(MVG-EKD) bestimmt, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können.

40

b) Feststellungen zur Anwendbarkeit kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Einer Aufklärung bedarf es nicht. Selbst wenn unterstellt wird, dass § 36 Abs. 3 MVG-EKD Anwendung findet und danach die Einhaltung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit eines Mitarbeiters ist, ist die Kündigung nicht unwirksam. Das Verfahren nach der Dienstvereinbarung wurde eingehalten.

41

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es genüge nicht, dass die in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen - Gespräche und Abmahnungen - vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 ergriffen worden seien, wenn es danach - wie im Streitfall - zu einer längeren beanstandungsfreien Tätigkeit gekommen sei.

42

bb) Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Auslegung der Dienstvereinbarung führt - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht dazu, dass der Beklagte nach der zwischenzeitlich beanstandungsfreien Ausübung der Tätigkeit des Klägers die einzelnen Reaktionsschritte erneut hätte durchführen müssen.

43

(1) Hat die Dienstvereinbarung, wie der Kläger meint, normativen Charakter, ist sie - ebenso wie Betriebsvereinbarungen - wie ein Gesetz auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07 - Rn. 27, BAGE 129, 302; 26. August 2008 - 1 AZR 346/07 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 28).

44

(2) Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelungen der Dienstvereinbarung ergeben, dass das dem Ausspruch einer Kündigung vorgeschaltete gestufte Interventionsverfahren jedenfalls nicht schon nach weniger als zwei Jahren Abstinenz erneut Anwendung finden muss. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Das unter Ziff. 3 der Dienstvereinbarung geregelte Verfahren abgestufter Reaktionen auf jede weitere Suchtauffälligkeit eines Arbeitnehmers ist ersichtlich auf einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Es nimmt dafür einen längeren Interventionszeitraum in Kauf, sieht jedoch als letzte Maßnahme auch eine Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht vorgesehen ist, dass das Verfahren bei einem längeren Abstand zwischen zwei suchtbedingten Auffälligkeiten erneut und von vorne zu beginnen hätte. Unter Ziff. 5 der Dienstvereinbarung ist zwar bestimmt, dass abstinent lebende Suchtkranke nach zwei Jahren Anspruch darauf haben, Hinweise auf die Abhängigkeit aus der Personalakte zu entfernen. Dies lässt aber erkennen, dass eine Zeit der Abstinenz von weniger als zwei Jahren nach dem Willen der Regelungsgeber noch keine erhebliche Zäsur darstellt.

45

(3) Danach bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung im Mai 2009 keiner neuerlichen Durchführung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens bei suchtauffälligen Arbeitnehmern. Seine Einhaltung vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 war ausreichend. Bei der Alkoholabhängigkeit des Klägers, die sowohl zur Kündigung im Jahr 2007 als auch zur hier streitgegenständlichen Kündigung führte, handelte es sich um eine im Sinne der Dienstvereinbarung einheitliche Suchtproblematik. Zwischen der Arbeitstätigkeit des Klägers unter Alkoholeinfluss am 16. August 2007 und der Alkoholauffälligkeit am 22. Mai 2009 lag ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren. Beanstandungsfrei tätig war der Kläger von der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 2008 bis zum Vorfall am 22. Mai 2009 sogar nur knapp 15 Monate.

46

(4) Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die zuvor erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der ersten Kündigung nicht festgehalten hat, folgt nicht, dass das Verfahren nach der Dienstvereinbarung in den Stand vor Ausspruch der Abmahnungen zurückversetzt worden wäre. Der Beklagte war nicht gehalten, wegen der erneuten Alkoholauffälligkeit des Klägers wiederum zunächst nur eine Abmahnung auszusprechen. Die freiwillige Entfernung der schon erteilten Abmahnungen aus der Personalakte änderte nichts daran, dass diese im Sinne der Dienstvereinbarung wegen Suchtauffälligkeiten ausgesprochen worden waren. Dass auch die Parteien trotz ihrer Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgingen, Belastungen durch die Suchtauffälligkeiten des Klägers seien überwunden, zeigt sich daran, dass sich der Kläger bereit erklärte, sich bei einem Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Kontrolle zu unterziehen.

47

3. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist - unterstellt, auch das „Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR)“ komme zur Anwendung - nicht wegen fehlerhafter Anhörung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

48

a) Gemäß § 42 Buchst. b MVG-EKiR hat die Mitarbeitervertretung bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach §§ 41, 38 MVG-EKiR. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Vertretung zuvor von der Dienststellenleitung über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte informiert worden ist. Auch wenn sich die Unwirksamkeitssanktion nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR ausdrücklich nur auf Kündigungen ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung bezieht, ist sie im Interesse der Möglichkeit einer effektiven Ausübung des Mitbestimmungsrechts - vergleichbar der Situation nach § 102 Abs. 1 BetrVG - auf den Fall der unzureichenden Unterrichtung zu erstrecken(so auch Andelewski in Berliner Kommentar zum Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland § 38 Rn. 74; vgl. ferner Fey/Rehren Kirchengesetz der Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Stand August 2012 § 38 Rn. 42 f.).

49

b) Der Beklagte hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ausreichend über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. In dem Schreiben wurde auch auf die bereits 2007 ausgesprochene Kündigung und das im Zusammenhang mit ihr durchgeführte arbeitsgerichtliche Verfahren verwiesen. Damit hat der Beklagte die eine Kündigung aus seiner Sicht bedingenden Umstände hinreichend mitgeteilt. Ergänzender Hinweise auf die Umstände, unter denen das damalige Kündigungsschutzverfahren beendet wurde, bedurfte es nicht. Hierauf kam es aus Sicht des Beklagten für seinen Kündigungsentschluss nicht an. Die Anhörung ist auch nicht deshalb unvollständig, weil der Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht den Schriftwechsel über den Versuch des Klägers vorgelegt hat, bei der Deutschen Rentenversicherung eine Verlängerung seiner sechswöchigen Entwöhnungsbehandlung zu erlangen. Für den Kündigungsentschluss des Beklagten war dieser vergeblich gebliebene Versuch ohne Belang. Es handelte sich auch nicht um einen der Mitarbeitervertretung mitzuteilenden entlastenden Umstand. Bei einer personenbedingten Kündigung kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Maße die Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vorwerfbar sind. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob und ggf. welche „entlastenden“ Umstände es gibt. Maßgeblich ist, ob und in welchem Ausmaß auch künftig mit Störungen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, welche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber daraus folgen und ob diese ggf. so erheblich sind, dass sie die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

50

III. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von Vergütung für Zeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 und von Zinsen auf die vollen Bruttobeträge der Vergütungen bis zu diesem Zeitpunkt verurteilt hat. Der Kläger hat dagegen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung - abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes - für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2009 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG.

51

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Dezember 2009 fort. Soweit der Kläger arbeitsunfähig krank war - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai bis zum 4. Juni 2009 - folgt der Vergütungsanspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Im Übrigen ergibt er sich aus § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG. Der Beklagte befand sich nach Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22. Mai 2009 im Annahmeverzug iSd. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er über die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit hinaus leistungsunfähig gewesen wäre (§ 297 BGB). Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten selbst teilweise nicht mehr verrichten kann(BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 13, BAGE 130, 29).Dies war auch nach dem Vorbringen des Beklagten beim Kläger nicht der Fall. Die bloße Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit ließ sein Leistungsvermögen nicht generell entfallen. Der Beklagte hat nicht behauptet, es habe insoweit etwa ein - eindeutiges (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, aaO) - Beschäftigungsverbot bestanden.

52

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Er besteht allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten und ihm von den Vorinstanzen zugesprochenen, auf die vollen Bruttobeträge abstellenden Höhe. Der Kläger kann im Umfang des von ihm ab August 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes keine Zinsen verlangen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 101, 328).

53

IV. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei einem Streitwert von 30.768,60 Euro in der Berufungs- und 29.127,77 Euro in der Revisionsinstanz - wegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG war der mit einem uneigentlichen Hilfsantrag verfolgte Zahlungsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 nicht anzusetzen - ist der Kläger mit seinem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Antrag, dh. im Umfang eines Streitwerts von 4.922,52 Euro unterlegen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im November 1995 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt.

3

Der Kläger war zunächst als Helfer in der „Waschstraße“ tätig. Nach deren Stilllegung wurde er ab Oktober 2003 in dem zugehörigen Warenhaus als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt. Dort setzt die Beklagte regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ein.

4

Zu den Arbeitsaufgaben einer „Ladenhilfe“ gehört es, sämtliche im Einkaufsmarkt anfallenden Auffüll- und Verräumarbeiten auszuführen. Die Beklagte, die eine Spezialisierung ihrer Mitarbeiter anstrebt und diese möglichst bestimmten Bereichen zuordnet, setzte den Kläger zunächst im Getränkebereich der Abteilung „Allgemeine Lebensmittel“ ein. Nachdem der Kläger den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geäußert hatte, wies sie ihm ab März 2007 Arbeiten in der Frischwarenabteilung zu. Während seiner dortigen Tätigkeit war der Kläger mehrmals wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2008 stellte sie ihm eine „Rückumsetzung“ in den Getränkebereich in Aussicht. Nach einer weiteren Erkrankung wies sie ihn am 25. Februar 2008 mündlich an, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen - muslimischen - Glauben, der ihm den Umgang mit Alkohol und damit auch das Ein- und Ausräumen alkoholischer Produkte verbiete. Diesen Standpunkt behielt er auch nach schriftlicher Aufforderung zur Arbeitsaufnahme im Getränkebereich bei. Die Beklagte stellte ihn daraufhin für den 25. Februar 2008 von der Arbeitsleistung frei. Kurz darauf legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung über eine voraussichtlich bis 4. März 2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit vor.

5

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich fristgemäß zum 30. August 2008.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung vom 25. Februar 2008 Folge zu leisten. Die Beklagte habe ihm die Arbeiten schon nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zuweisen dürfen. Die Umsetzung stelle zudem eine Sanktion für seine wiederholt aufgetretenen Erkrankungen dar. Unabhängig davon sei die Arbeit im Getränkebereich mit seinen Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Darauf habe die Beklagte Rücksicht nehmen müssen. Ihm als gläubigem Moslem seien jegliche Handlungen verboten, die der gewerblichen Verbreitung von Alkoholika dienten. Das Alkoholverbot beziehe sich auch auf das Ein- und Ausräumen von Alkoholika und sei für jeden Moslem verbindlich. Zumindest erkenne er die religiösen Vorgaben für sich als verbindlich an. Er habe bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht damit rechnen müssen, beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke mitwirken zu sollen. Mit solchen Produkten sei er erstmals im Jahr 2006 nach einer Reduzierung des Personalbestands in der Getränkeabteilung in Berührung gekommen. Von da an habe er bei seiner Arbeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Der Konflikt sei für ihn schließlich unerträglich geworden. Er habe sich entschieden, künftig strikt seinen Glaubensüberzeugungen zu folgen. Die Beklagte könne ihm andere Arbeiten etwa in den Bereichen Drogerie, Obst und Gemüse, Haushaltswaren oder Backwaren zuweisen. Er sei auch bereit, Einkaufswagen zu schieben. Ihm sei der Kontakt mit Produkten, die in irgendeiner Weise Alkohol enthielten, nicht gänzlich verboten, sondern nur insoweit, als dem Alkohol Rauschmittelqualität zukomme.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 1. März 2008 und 5. März 2008 nicht beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise beharrlich verweigert. Die an ihn ergangene Weisung, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, sei rechtmäßig. Auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers habe sie insoweit Rücksicht genommen, als sie ihn weder mit dem Ausschank noch mit der Verköstigung alkoholischer Getränke betraut habe. Da der Kläger bislang die nunmehr verweigerten Tätigkeiten verrichtet habe, könne er sich nicht auf eine Änderung seiner Gewissenslage berufen. Angesichts seiner in der Frischwarenabteilung angefallenen hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten habe ihre Weisung auch dem Schutz seiner Gesundheit gedient. Alkoholhaltige Produkte fänden sich im Übrigen im gesamten Warensortiment. Sie verkaufe beispielsweise mit Alkohol gefüllte Pralinen und führe im Bereich der Molkereiprodukte oftmals eine Käseverkostung mit Weinprobe durch. Ihr könne nicht zugemutet werden, den Kläger ständig in einer neuen Abteilung einzuarbeiten. Ein Einsatz in der Drogerieabteilung und im „Nonfood“-Bereich scheide aus. Dort kämen nur Fachkräfte mit Spezialwissen zum Einsatz.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 1. März 2008 nicht beendet worden ist. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 5. März 2008 sozial gerechtfertigt ist.

11

I. Die von Amts wegen zu beachtenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen liegen vor. Anders als die Beklagte gemeint hat, sind die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung iSv. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Berufungsbegründung des Klägers hat sich mit sämtlichen dafür tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils hinreichend auseinandergesetzt. Eines näheren Eingehens auf die ordentliche Kündigung bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).

12

II. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite, auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

13

1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.

14

a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).

15

Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich dieser Anordnung „beharrlich“ widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.

16

b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.

17

aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO)kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).

18

bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben im Getränkebereich kein anderer „Arbeitsbereich“ im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen „Arbeitsregime“ unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).

19

cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.

20

dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt und war dementsprechend grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr 2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen, nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.

21

ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.

22

(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).

23

(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB(BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111; AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).

24

(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist damit eine Frage des Einzelfalls.

25

(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat, für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut Gebrauch zu machen(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).

26

(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge (BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen. Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe - Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.

27

(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.

28

Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.

29

Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.

30

(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.

31

Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht(ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104 f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.

32

(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.

33

(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht(BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).

34

(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist. Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).

35

(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).

36

(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner Nachprüfung anhand von Kriterien wie „irrig“, „beachtlich“ oder „unbeachtlich“ unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die Arbeitsverweigerung gewissermaßen „decken“. Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht noch machen kann.

37

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in „chemisch veränderter Form“ enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise - möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben. Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.

38

(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als „Ladenhilfe“ übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen, dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.

39

Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.

40

2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

41

a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).

42

b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).

43

c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der „Nonfood“-Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich „Backwaren“ oder „Obst und Gemüse“ hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.

44

d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.

45

e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann, ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.

46

3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.

47

a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss. Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.

48

b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.

49

c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

    Kreft    

        

        

    Hans Frey    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zweck das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann er alle Handlungen vornehmen, die sofort erfolgen können. Eidliche Vernehmungen sind jedoch ausgeschlossen. Der Vorsitzende kann die Güteverhandlung mit Zustimmung der Parteien in einem weiteren Termin, der alsbald stattzufinden hat, fortsetzen.

(2) Die Klage kann bis zum Stellen der Anträge ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden. In der Güteverhandlung erklärte gerichtliche Geständnisse nach § 288 der Zivilprozeßordnung haben nur dann bindende Wirkung, wenn sie zu Protokoll erklärt worden sind. § 39 Satz 1 und § 282 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.

(3) Das Ergebnis der Güteverhandlung, insbesondere der Abschluß eines Vergleichs, ist in das Protokoll aufzunehmen.

(4) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, schließt sich die weitere Verhandlung unmittelbar an oder es ist, falls der weiteren Verhandlung Hinderungsgründe entgegenstehen, Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen; diese hat alsbald stattzufinden.

(5) Erscheinen oder verhandeln beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Auf Antrag einer Partei ist Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden. Nach Ablauf der Frist ist § 269 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(6) Der Vorsitzende kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 17.08.2012 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.09.2012 - 11 Ca 185/12 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes.

2

Die bei der Beklagten seit dem 01.06.2006 beschäftigte Klägerin hat eine Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.05.2012 erhoben. Dem Kündigungsschutzantrag ist der Kommasatz angefügt worden „…, sondern ungekündigt fortbesteht“.

3

Das Verfahren ist durch in der Güteverhandlung vom 27.06.2012 protokollierten Vergleich (Bl. 22 d. A.) erledigt worden. Ziff. 1. des Vergleiches lautet:

4

„Die Parteien sind sich einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 24.05.2012 innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.07.2012 sein Ende findet wird.“

5

Ziff. 3. des Vergleichs lautet:

6

„Die Beklagte wird die Vergütung auf der Basis eines Bruttoverdienstes von 570,00 € abrechnen und die ergehenden Nettobeträge an die Klägerin auszahlen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der der Klägerin noch zustehende Jahresurlaub als in der Kündigungsfrist genommen gilt.“

7

Mit Schriftsatz vom 29.07.2012 hat der Beschwerdeführer beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich auf 2.550,00 € festzusetzen. Die Bruttoarbeitsvergütung der Klägerin habe im Gesamtdurchschnitt 850,00 € monatlich betragen.

8

Mit Beschluss vom 17.08.2012 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und den Vergleich auf 1.710,00 € festgesetzt. Bei der Berechnung des Vierteljahresverdienstes nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG sei von einem Monatseinkommen der Klägerin von 570,00 € brutto auszugehen. Dieses Monatseinkommen entspreche dem Durchschnitt der Monate Januar bis April 2012, der in der Güteverhandlung durch Einsichtnahme in die Abrechnungen ermittelt wurde.

9

Gegen den dem Beschwerdeführer am 29.08.2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit am 30.08.2012 beim Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Schriftsatz Beschwerde erhoben. Bei der Wertberechnung sei von einem monatlichen Bruttodurchschnittsverdienst der Klägerin in Höhe von 850,00 € auszugehen, denn dies entspreche dem Gehaltsdurchschnitt über die gesamte Zeit des Arbeitsverhältnisses. Zudem sei der zusätzlich gestellte Feststellungsantrag mit einem Bruttomonatsverdienst, also mit weiteren 850,00 €, zu bewerten. Der Beschwerdeführer begehrt daher, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und den Vergleich auf 3.400,00 € festzusetzen.

10

Mit Beschluss vom 10.09.2012 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

11

1. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

12

Der Rechtsstreit ist durch Vergleich erledigt worden. Es fielen keine Gerichtsgebühren an. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit war nach Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach § 33 RVG festzusetzen.

13

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Wert von 200,00 €.

14

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und für den Vergleich auf 1.710,00 € festgesetzt.

a)

15

Für die Höhe des Arbeitsentgelts bei Ermittlung des Vierteljahresverdienstes nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG kommt es auf das Arbeitsentgelt an, das der Arbeitnehmer bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in den ersten drei Monaten nach dem streitigen Beendigungszeitpunkt, also ab dem 25.05.2012, hätte beanspruchen können; „fiktiver Verzugslohnzeitraum“, vergleiche Germelmann, 7. Aufl., § 12 ArbGG, Randnr. 105 m. w. N.).

16

Das Arbeitsgericht ist bei der Ermittlung des Vierteljahresverdienstes zutreffend von einem Monatseinkommen in Höhe von 570,00 € ausgegangen. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt des gerichtlichen Vergleiches, wonach das Arbeitsverhältnis bis zum 31.07.2012 mit einem Monatsbruttoverdienst in Höhe von 570,00 € von der Beklagten abzurechnen ist, und außerdem aus der Klageschrift vom 31.05.2012. Anhaltspunkte, dass der Klägerin für Juni, Juli und August ein höheres Bruttomonatsentgelt zugestanden hätte, sind nicht ersichtlich.

b)

17

Erstmals mit der Beschwerde meint der Beschwerdeführer, ein „allgemeiner Feststellungsantrag“ sei mit einem weiteren Bruttomonatsverdienst zu bewerten.

18

Dies trifft nicht zu.

19

Der in der Klageschrift formulierte Kündigungsschutzantrag ist nicht mit einer gesonderten allgemeinen Feststellungsklage verbunden worden. Der Kommasatz „…, sondern ungekündigt fortbesteht“ stellt lediglich ein unselbständiges Anhängsel dar. In der Klageschrift wird nicht behauptet, dass mit anderweitigen Beendigungstatbeständen zu rechnen wäre.

20

Aber selbst wenn mit den Wörtern „…, sondern ungekündigt fortbesteht“ ein allgemeiner Feststellungsantrag i. S. d. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 256 Abs. 1 ZPO gestellt worden wäre, führt dies nicht zu einer Streitwerterhöhung. Der allgemeine Feststellungsantrag wird neben dem Kündigungsschutzantrag nicht gesondert bewertet (ganz überwiegende Meinung, u. a. LAG Düsseldorf vom 08.05.2007 - 6 Ta 99/07; Juris, Rz. 111), sofern kein weiterer Beendigungstatbestand streitig ist.

21

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Sie berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.