Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0416.5SA638.14.0A
bei uns veröffentlicht am16.04.2015

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. September 2014, Az. 10 Ca 1025/14, werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 75% und der Kläger 25 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer ordentlicher Kündigungen, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über die Entfernung einer Abmahnung und eines Gesprächsprotokolls.

2

Der Kläger ist seit 10.10.2011 bei der Beklagten als Call-Dispatcher zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von € 2.370,- beschäftigt. Er ist 1966 geboren und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte betreibt ein Call-Center. Sie beschäftigte im Mai 2014 noch 52 Arbeitnehmer, nachdem zum 31.03.2014 ein langjähriger Großkunde die Zusammenarbeit beendet hat. Wegen des Verlusts dieses Großkunden hatte die Beklagte von ursprünglich ca. 160 Arbeitnehmern bereits 100 entlassen.

3

Ausweislich des Protokolls fassten die beiden Gesellschafter der Beklagten in der Gesellschafterversammlung vom 04.12.2013 aufgrund der Beendigung des Vertrages mit dem Großkunden den Entschluss, ab dem 01.04.2014 nur noch Mitarbeiter mit den Sprachkombinationen Deutsch/Englisch, Deutsch/Französisch oder Englisch/Französisch zu beschäftigen. Darüber hinaus verlangt die Beklagte von ihren Arbeitnehmern ab diesem Zeitpunkt Sprachkenntnisse mindestens der Niveaustufe B2 des GER [Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen]. Die englischen Sprachkenntnisse des Klägers, der ausweislich des Zwischenzeugnisses vom April 2013 seine Aufgaben in Deutsch und Englisch verrichtete, genügen ihr nicht mehr.

4

Ab 01.04.2014 wurde der Kläger für den Kunden f. eingesetzt. Am 11.04.2014 führte die Teamleiterin mit dem Kläger ein Gespräch und hielt ihm Fehler bei der Bearbeitung von Service Requests dieses Kunden vor. Das hierüber erstellte Gesprächsprotokoll "Qualität", das die Beklagte als Abmahnung verstanden wissen will, hat ua. folgenden Wortlaut:

5

"Die o.g. Fehler wurde nicht aufgrund von Wissenslücken oder fehlendem Verständnis der SOP [Standard Operating Procedure] gemacht. Es ist offensichtlich, dass sie durch fehlende Konzentration oder mangelnde Präzision verursacht wurden. A. wurde nahegelegt, dass eine sofortige Verbesserung der Arbeitsqualität notwendig ist.

6

Dieses Protokoll wird in die Mitarbeiterakte abgelegt. A. wurde darüber informiert, dass bei weiteren Fehlern sowie bei fehlender Steigerung der Arbeitsqualität, weitere disziplinarische Maßnahmen folgen werden. Diese beinhalten ebenfalls eine offizielle schriftliche Abmahnung."

7

Mit Schreiben vom 30.04.2014 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm weitere Fehler bei der Bearbeitung von Service Requests des Kunden f. vor und forderte ihn unter Kündigungsandrohung auf, seine Arbeit sorgfältiger und konzentrierter auszuführen, sowie die Serviceprozedur zu befolgen.

8

Am 12.05.2014 fand eine erneute Gesellschafterversammlung statt. Im Protokoll wurde festgehalten, dass aufgrund der Unternehmensentwicklung nach Beendigung des Vertrags mit dem Großkunden zur Kostenreduktion ein weiterer Personalabbau beschlossen worden sei. Die Beklagte will künftig nur noch 15 Dispatcher, nach Auslaufen eines befristeten Vertrags nur noch 14, beschäftigen. Am 28.05.2014 zeigte sie der Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts schriftlich die beabsichtigte Entlassung von 15 von insgesamt 52 Arbeitnehmern, ua. des Klägers, an.

9

Mit Schreiben vom 30.05.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus verhaltensbedingten Gründen zum 30.06.2014. Am 16.06.2014 kündigte sie vorsorglich erneut zum 30.06.2014, weil sie sich unsicher war, ob die erste Kündigung der Schriftform genügte. Mit Schreiben vom 23.06.2014 kündigte sie aus betriebsbedingten Gründen zum 31.07.2014. Gegen die drei Kündigungen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage. Außerdem verlangt er seine Weiterbeschäftigung sowie die Entfernung der Abmahnung vom 30.04.2014 und des Gesprächsprotokolls "Qualität" vom 11.04.2014 aus seiner Personalakte und deren Löschung aus elektronischen Speichermedien.

10

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 24.09.2014 Bezug genommen.

11

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 30.05. nicht zum 30.06.2014 aufgelöst worden ist,

13

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis seitdem unverändert fortbesteht,

14

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien (§ 35 Abs. 2 BDSG) zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten (§ 35 Abs. 7 BDSG),

15

4. die Beklagte zu verurteilen, das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien (§ 35 Abs. 2 BDSG) zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten (§ 35 Abs. 7 BDSG),

16

5. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen,

17

6. die Beklagte zu verurteilen, das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen,

18

7. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens als Dispatcher weiter zu beschäftigen,

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8. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.06. nicht zum 30.06.2014 aufgelöst worden ist,

20

9. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 23.06. nicht zum 31.07.2014 aufgelöst worden ist.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.09.2014 den Klageanträgen gegen die drei ordentlichen Kündigungen und auf vorläufige Weiterbeschäftigung stattgegeben. Es hat die Beklagte außerdem verurteilt, das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014 sowohl aus der Personalakte des Klägers als auch von elektronischen Datenträgern zu entfernen. Die Klageanträge auf Entfernung und Löschung der Abmahnung vom 30.04.2014 hat das Arbeitsgericht ebenso wie den Klageantrag zu 2) abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 17 bis 32 des Urteils Bezug genommen.

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Die Beklagte hat gegen das am 30.10.2014 zugestellte Urteil mit am 26.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.01.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26.01.2015 begründet. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 03.12.2014 Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

25

Die Beklagte ist der Ansicht, die verhaltensbedingte Kündigung vom 30.05.2014, hilfsweise vom 16.06.2014, sei sozial gerechtfertigt. Sie habe das Verschulden des Klägers an seinen (unstreitigen) Fehlern substantiiert dargelegt. Diese Fehler wären bei einer umfangreichen Schulung des Klägers nicht unterblieben. Dies belege bereits der Umstand, dass der Kläger nicht alle Arbeiten fehlerhaft verrichtet habe.

26

Mit der als Gesprächsprotokoll bezeichneten Abmahnung vom 11.04.2014 habe sie abgemahnt, dass der Kläger fünf Anrufer falschen Gruppen zugeordnet bzw. die Anrufer falsch weitergeleitet habe. Diese Anrufer seien verärgert gewesen, weil sie nicht die zuständigen Sachbearbeiter des Kunden erreicht haben. Diese Fehler seien nicht auf mangelnde Schulung oder Produktkenntnis zurückzuführen, denn es bedürfe keiner großen Anstrengung oder gar Schulung, um verschiedene Produkte eines Kunden voneinander zu unterscheiden und den Anrufer zum zuständigen Sachbearbeiter durchzustellen. In allen anderen Fällen habe es der Kläger geschafft, die Anrufer an den zuständigen Sachbearbeiter durchzustellen. Er habe also gewusst, an wen er Anrufer durchzustellen hatte als auch welche Arbeitsschritte hierfür erforderlich sind. Dennoch habe er es in den abgemahnten Fällen nicht getan. Selbst wenn man dem Kläger Unkenntnis der Produkte ihrer Kunden unterstellen wolle, läge zumindest Fahrlässigkeit vor. Sein Verhalten bedeute deshalb mindestens Arbeitsunwilligkeit, womöglich aber auch schlichte Geschäftsschädigungsabsicht. Sie habe den Kläger außerdem abgemahnt, weil er in vier Fällen die Zeitpunkte der Anrufe, ihre Dauer und die von ihm durchgeführten Maßnahmen nicht bzw. falsch dokumentiert habe. Sie habe die Bearbeitung dieser Anrufe deshalb nicht bzw. nur mit Mehraufwand gegenüber ihren Kunden abrechnen können. Bei diesem Fehlverhalten sei noch viel weniger ersichtlich, warum eine noch umfangreichere Schulung oder eine bessere Kundenkenntnis hier Abhilfe geschaffen hätte. Da der Kläger diese Dokumentation auch sonst geleistet habe, habe er auch gewusst, dass und wie sie zu erfolgen habe. Da die Dokumentation trotzdem nicht erfolgt sei, habe er nicht bloß fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt. Auch dies spreche mindestens für Arbeitsunwilligkeit, womöglich aber auch für Geschäftsschädigungsabsicht. Sie habe weiterhin abgemahnt, dass der Kläger in drei Fällen Beschwerden der Anrufer nicht den diesen Beschwerden entsprechenden, auf seinem Computerbildschirm vorgegebenen, Problemfeldern zugeordnet habe. Hierdurch seien falsche bzw. keine Problembehebungen ausgelöst worden. Sie habe den Kläger in drei Fällen abgemahnt, weil er das ihm gesetzte Zeitlimit nicht eingehalten habe. Auch diese Fehler seien nicht auf mangelnde Schulung oder Produktkenntnis zurückzuführen. Der Kläger hätte schlicht auf die Uhr sehen müssen und das Gespräch entweder beenden oder an einen Mitarbeiter des Kunden weiterleiten müssen. Sie habe zudem vorgetragen, dass die mit dem Kläger vergleichbare Kollegin, die auch für den Kunden f. eingearbeitet worden sei, keine der vom Kläger begangenen Fehler gemacht habe. Dies sei ein weiterer Beleg dafür, dass der Kläger die ihm abverlangten Arbeitsschritte beherrsche, sie aber nicht ordnungsgemäß ausführen wolle. Sie habe auch vorgetragen, dass sich der Kunde f. mehrfach wegen der Fehler des Klägers beschwert habe. Es sei nicht erforderlich, weitere Details zu den Kundenbeschwerden vorzutragen, weil eine Geschäftsbeziehung von jeder Beschwerde belastet werde.

27

Auch hinsichtlich der mit der Abmahnung vom 30.04.2014 gerügten Vorfälle gelte, dass diese nicht auf eine unzureichende Schulung des Klägers zurückzuführen seien. Der Kläger habe es bei zwei Anrufen unterlassen, Übersetzungen anzufertigen. In einem Fall sei erschwerend hinzugekommen, dass er nicht alle, ihm vom Anrufer gegebenen Informationen erfasst habe. In allen anderen Fällen habe er Übersetzungen angefertigt und sämtliche Informationen aufgenommen. Da er dies in den abgemahnten Fällen trotz Befähigung nicht getan habe, habe er vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. In zwei Fällen habe er jeweils die falsche Komponente ausgewählt. In allen anderen Fällen sei ihm dieser Fehler nicht unterlaufen. Auch diese Fehler hätten nichts mit mangelnder Schulung oder Befähigung zu tun, sondern mit Unwillen. Der Kläger habe also auch in diesen Fällen vorsätzlich gehandelt.

28

Selbst nach den beiden Abmahnungen habe der Kläger seine Arbeitseinstellung nicht geändert. Es sei zu mindestens neun weiteren Pflichtverletzungen gekommen, die weder auf eine mangelnde Schulung noch auf Kundenspezifika zurückzuführen seien, sondern allesamt schuldhaft erfolgt seien. Der Kläger habe in zwei Fällen die Meldetexte nicht vollständig dokumentiert, in zwei anderen Fällen Anrufe unter der falschen Bezeichnung dokumentiert und den Ort nicht erfasst. In einem anderen Fall habe er nicht notiert, dass der Techniker telefonisch abgemeldet worden sei. Er habe auch übersehen, dass eine Wartung bereits eine Woche vor dem Anruf durchgeführt worden sei. In einem weiteren Fall habe er den Zeitaufwand für die Bearbeitung nicht dokumentiert. Schließlich habe er einen Abmeldetext falsch übersetzt. Der Kläger habe in der Zeit vom 01.04. bis 30.05.2014 insgesamt 31 Pflichtverletzungen begangen. In diesem Zeitraum habe er aber unstreitig "mehr als ein Vielfaches" an Anrufen bearbeitet. Wäre der Kläger nicht ausreichend geschult gewesen, hätte er pausenlos Fehler begangen. Weitergehende Schulungen als sie ihm bereits zuteil geworden seien, hätten rein gar nichts bewirkt.

29

Der Kläger habe ihren Vortrag, dass es durch seine schuldhaften Pflichtverletzungen zu Beschwerden ihrer Kunden gekommen sei, pauschal mit Nichtwissen bestritten. Unmut und Beschwerden, selbst auf Sachbearbeiterebene, seien für sie existenzbedrohend. Sie könne sich keinerlei Unmutsbekundungen einer ihrer verbliebenen Kunden leisten, weil sie wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehe. Der Kläger habe mit seiner destruktiven Art vorsätzlich Geschäftsschädigungen herbeigeführt. Die Konsequenzen seines Handelns seien ihm gleichgültig gewesen, selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass spätestens die Insolvenz ihn seine Stelle kosten werde. Wegen des vorsätzlichen, uneinsichtigen und wiederholten Handelns des Klägers sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass er seine Arbeitseinstellung ändern und seine Geschäftsschädigungsabsicht einstellen werde. Ihr sei deshalb keine andere Möglichkeit verblieben, als die Kündigung auszusprechen.

30

Ihre betriebsbedingte Kündigung vom 23.06.2014 sei ebenfalls sozial gerechtfertigt. Der Arbeitsplatz des Klägers sei wegen ihrer unternehmerischen Entscheidung, nur noch Arbeitnehmer mit Sprachkenntnissen ab Niveaustufe B2 des GER zu beschäftigen, weggefallen. Das Arbeitsgericht sei ihrem Beweisangebot ohne Not nicht nachgegangen. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, die Sprachkenntnisse des Klägers von einem Sachverständigen mittels eines standardisierten Tests zu überprüfen. Dass die Arbeitsleistung des Klägers in dem Zwischenzeugnis im April 2013 noch mit "gut" bewertet worden sei, habe in Bezug auf seine englischen Sprachkenntnisse wenig Aussagekraft. Einerseits könnten sich Sprachkenntnisse im Laufe eines Jahres verschlechtern. Andererseits komme es darauf an, wer die Leistungen eines Arbeitnehmers beurteile.

31

Umschulungen oder Fortbildungen seien nicht geeignet, die sprachlichen Defizite des Klägers zu beheben. Der Kläger sei bei Ausspruch der Kündigung 47 Jahre alt gewesen. Die Sprachlernfähigkeit nehme aber - genauso wie die Fähigkeit zum Erlernen eines Musikinstruments - aus hirnorganischen Gründen ab Ende der Pubertät kontinuierlich ab. Dies sei allgemein bekannt (Beweis: Sachverständigengutachten). Es sei damit schon wegen seines Lebensalters aussichtslos, die englische Sprachkompetenz des Klägers zu verbessern. Daneben habe der Kläger eine Vielzahl von Pflichtverletzungen begangen, die auf mangelnder Konzentration oder gar Unwilligkeit beruhten. Auch vor diesem Hintergrund sei eine Umschulung oder Fortbildung von vornherein aussichtslos gewesen. Ihr sei nicht zumutbar, in eine ohnehin zum Scheitern verurteilte kostenintensive Umschulung oder Fortbildung des Klägers zu investieren.

32

Sie habe sich nicht widersprüchlich verhalten, sondern die Kündigung vom 23.06.2014 in Umsetzung ihrer im Gesellschafterbeschluss vom 16.12.2013 dokumentierten unternehmerischen Entscheidung ausgesprochen. Das in diesem Beschluss das vorausgesetzte Sprachniveau B2 des GER nicht ausdrücklich genannt sei, sei unbeachtlich. Ihre unternehmerische Entscheidung vom 16.12.2013 sei durch die unternehmerische Entscheidung vom 12.05.2014 nicht abgelöst worden. Die Entscheidung vom 12.05.2014 enthalte lediglich die zweite Stufe der Restrukturierung des Betriebs.

33

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung und Löschung des Gesprächsprotokolls vom 11.04.2014, denn das Protokoll enthalte keine fehlerhafte Tatsachendarstellung. Die Fehler des Klägers seien nicht wegen Wissenslücken oder aus Unverständnis erfolgt, sondern aufgrund mangelnder Konzentration und Präzision.

34

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.01.2015 und vom 07.04.2015 Bezug genommen.

35

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

36

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.09.2014, Az. 10 Ca 1025/14, teilweise abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen,

37

2. die Anschlussberufung zurückzuweisen.

38

Der Kläger beantragt,

39

1. die Berufung zurückzuweisen,

40

2. auf die Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.09.2014, Az. 10 Ca 1025/14, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

41

a) die Abmahnung vom 30.04.2014 von jeglichen elektronischen Speichermedien zu entfernen und die regelmäßigen Datenempfänger von der Löschung zu unterrichten,

42

b) die Abmahnung vom 30.04.2014 aus der Personalakte zu entfernen.

43

Zur Begründung der Anschlussberufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er könne die Entfernung der Abmahnung vom 30.04.2014 beanspruchen, weil sie sachlich unrichtig sei. Er sei erst zum 01.04.2014 zum Kunden f. versetzt worden. Für diesen Kunden habe er nicht die erforderliche Schulung erhalten. Die in der Abmahnung gerügten Fehler seien mithin auf Wissenslücken oder fehlendes Verständnis der SOP zurückzuführen. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.12.2014 Bezug genommen.

44

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

45

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig. Auch die Anschlussberufung des Klägers ist nach § 524 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG zulässig.

46

Beide Berufungen haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

B.

47

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die drei Kündigungen vom 30.05., 16.06. und 23.06.2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06. bzw. 31.07.2014 aufgelöst haben. Die Beklagte ist deshalb zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Sie ist außerdem verpflichtet, das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014 sowohl von elektronischen Speichermedien als auch aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

48

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

I.

49

Die zwei ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.05. zum 30.06.2014, hilfsweise vom 16.06. zum 30.06.2014, sind nicht aus verhaltensbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

50

1. Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche, im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- oder (vertrags-)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann.

51

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, sind auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen (BAG 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 - NZA 2004, 784; BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - NZA 2008, 693; jeweils mwN).

52

Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen. Der gegenteiligen Auffassung, wonach der Arbeitnehmer eine "objektive Normalleistung" schulde, ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt, weil der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag keine “Erfolgshaftung” des Arbeitnehmers kennt (BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15 mwN, aaO).

53

Nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist es zunächst ausreichend, wenn der Arbeitgeber die für ihn zugänglichen und objektiv messbaren Arbeitsergebnisse in Gegenüberstellung zu vergleichbaren anderen Arbeitnehmern schlüssig als Indiz für eine Minderleistung darlegt. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 - Rn. 18-19, aaO). Davon kann bei quantitativen Minderleistungen dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Das ist bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als ein Drittel der Fall (BAG 11.12.2003 - AZR 667/02 - Rn. 92, aaO). Für den Fall qualitativer Minderleistung sind solche auf die bloße Fehlerhäufigkeit abstellende Grenzen für sich nicht geeignet, die Kündigungsrelevanz der dem Arbeitnehmer konkret vorgeworfenen Pflichtverletzungen hinreichend sicher einzugrenzen. Der Arbeitgeber muss neben den Fehlerquoten noch weitere Umstände darlegen. Er hat anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt (BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 22, mwN).

54

2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die verhaltensbedingten Kündigungen der Beklagten vom 30.05., hilfsweise vom 16.06. zum 30.06.2014 sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat auch zweitinstanzlich eine kündigungsrelevante Minderleistung des Klägers nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

55

Die Beklagte verkennt, dass es für eine Kündigung wegen Schlechtleistungen nicht genügt, eine Reihe objektiver Fehlleistungen des Arbeitnehmers aufzuzeigen. Ihr ist es auch zweitinstanzlich nicht gelungen, eine längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote darzulegen. Es fehlt sowohl die Darlegung der Fehlerquote des Klägers als auch die Vergleichsmöglichkeit mit der „Vergleichsgruppe“. Dazu wäre es Sache der Beklagten gewesen, nicht nur zu den Leistungsmängeln des Klägers vorzutragen, sondern darüber hinaus Tatsachen darzulegen, aus denen ersichtlich wäre, dass die Leistungen des Klägers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben sind, also die Durchschnittsleistung erheblich - und vor allem auch längerfristig - unterschritten haben. Erst dann wäre ein Indiz dafür gegeben, dass der Kläger vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Die pauschalen Vorwürfe der Beklagten, der Kläger sei arbeitsunwillig und handle in Geschäftsschädigungsabsicht, sind nicht geeignet, Sachargumente zu ersetzen.

56

Die Beklagte beschränkt ihren Vortrag auch zweitinstanzlich darauf, dass dem Kläger seit seinem Einsatz für den Kunden f. ab 01.04.2014 bis zum Ausspruch der ersten Kündigung am 30.05.2014 insgesamt 31 Fehler unterlaufen seien. In dieser Zeit habe er "mehr als ein Vielfaches" an Anrufen (fehlerfrei) bearbeitet. Die Gesamtzahl der vom Kläger in diesen 40 Arbeitstagen bearbeiteten Anrufe nennt die Beklagte nicht. Ihr Vortrag lässt bereits keine Berechnung der durchschnittlichen Fehlerquote des Klägers zu. Einen Vergleich mit der durchschnittlichen Fehlerquote anderer Dispatcher ihres Call-Centers hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgenommen. Sie beschränkt sich auf die Behauptung, dass eine mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmerin, die auch für den Kunden f. eingearbeitet worden sei, in dieser Zeit keine Fehler gemacht habe. Eine durchschnittliche Leistung bzw. durchschnittliche Fehlerquote aller vergleichbaren Dispatcher im Call-Center der Beklagten in einem definierten Zeitraum ist nicht dargelegt. Damit kann auch nicht festgestellt werden, inwiefern der Kläger die durchschnittliche Fehlerquote längerfristig deutlich überschritten hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte seit dem Neueinsatz des Klägers für den Kunden f. gerade einmal 40 Arbeitstage abgewartet hat, um ihm wegen Schlechtleistungen zu kündigen. Der Durchschnitt aus 40 Arbeitstagen nach Übertragung einer neuen Aufgabe ist kaum geeignet, um bereits eine "längerfristige" unterdurchschnittliche Minderleistung anzunehmen.

II.

57

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06. zum 31.07.2014 ist, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Es liegen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

58

1. Ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG kann sich aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen des Arbeitgebers ergeben. Die dem zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist.

59

Zu den Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen können, zählt auch die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die neuen Qualifikationsanforderungen in einer nachvollziehbaren Weise auf der Neuorganisation der auszuführenden Arbeiten beruhen. Für diesen Bezug trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast. An sie sind erhöhte Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die mit bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 16-18 mwN, NZA 2014, 208). Er muss deshalb dartun, dass es sich insoweit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Stellenmerkmal handelt (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 25 mwN, NZA 2012, 1223; 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26 mwN, NZA 2009, 312).

60

Außerdem hat der Arbeitgeber bei einer betrieblich erforderlichen Anhebung des Anforderungsprofils konkret darzulegen, dass die Kündigung nicht durch mildere Mittel, insbesondere Umschulung und Fortbildung des Arbeitnehmers zu vermeiden war. Welche zeitliche Dauer für eine Fortbildung des bisherigen Arbeitsplatzinhabers im Hinblick auf nunmehr gesteigerte Arbeitsplatzanforderungen dem Arbeitgeber zumutbar ist, hängt vom Einzelfall ab (BAG 07.07.2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32, 33 mwN, NZA 2006, 266).

61

2. Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keine die Gerichte bindende Unternehmerentscheidung der Beklagten vor, aufgrund deren Umsetzung das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist.

62

Die Beklagte hat dem Kläger im Zwischenzeugnis vom April 2013 bescheinigt, dass er seine Arbeitsaufgaben in deutscher und englischer Sprache verrichtet. Die Beklagte hat nicht ansatzweise dargelegt, weshalb der Kläger für die Ausführung seiner Tätigkeit ab 01.04.2014 zwingend englische Sprachkenntnisse der Niveaustufe B2 des GER [Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen] benötigt. Nachvollziehbare arbeitplatzbezogene Kriterien für die Verschärfung der Anforderungen an die Fremdsprachenkenntnisse des Klägers sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

63

Danach kommt es nicht einmal darauf an, ob der Beklagten zumutbar ist, den Kläger in Englischkursen fortzubilden. Die von der Beklagten bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten vertretene Auffassung, eine Fortbildung des Klägers sei nicht zumutbar, weil er aufgrund seines Lebensalters von 47 Jahren aus "hirnorganischen Gründen" das geforderte Sprachniveau nicht mehr erreichen könne, ist diskriminierend und rechtlich unhaltbar. Wenn der Gesetzgeber (zB. in § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG) und die höchstrichterliche Rechtsprechung vom Arbeitgeber zur Vermeidung von Kündigungen Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen verlangt, bezieht sich diese Pflicht grundsätzlich (auch) auf erwachsene Arbeitnehmer aller Altersgruppen.

III.

64

Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG GS 27.02.1985 - GS 1/84 - NJW 1985, 2968) hat der mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegende Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens. Entgegenstehende überwiegende schutzwerte Interessen hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht.

IV.

65

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014 sowohl aus der Personalakte des Klägers als auch von elektronischen Speichermedien zu entfernen.

66

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Daraus folgt auch ein Löschungsanspruch nach § 35 Abs. 2 BDSG (ErfK/Franzen 15. Aufl. BDSG § 35 Rn. 5).

67

Eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842).

68

2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme des Arbeitsgerichts, dass das Gesprächsprotokoll "Qualität" vom 11.04.2014, das die Beklagte als Abmahnung verstanden wissen will, aus der Personalakte und von elektronischen Speichermedien zu entfernen ist, nicht zu beanstanden.

69

Die Teamleiterin hat im Gesprächsprotokoll stichwortartig Pflichtverletzungen aufgeführt und unter Angabe von 15 Service-Request-Nummern folgende vier Fehlerpunkte genannt: "falsche Gruppe/TK gedispatched", "Zeiten/Aktivitäten nicht oder falsch eingetragen", "falsche Komponenten", "Zeitüberschreitungen bei der Bearbeitung". Für den Kläger ist somit erkennbar, dass und weshalb die Teamleiterin seine Arbeitsleistung als unzureichend betrachtet.

70

Die Beklagte wirft dem Kläger "fehlende Konzentration" oder "mangelnde Präzision" vor und fordert ihn auf, seine Arbeitsqualität sofort zu verbessern. Bei weiteren Fehlern droht sie ihm disziplinarische Maßnahmen an. Die Beklagte verlangt vom Kläger - was sich gleichsam wie ein roter Faden durch ihre Schriftsätze zieht - fehlerloses Arbeiten. Dazu ist ein Arbeitnehmer - wie oben ausgeführt - nicht verpflichtet. Bei einer repetitiven Tätigkeit entspricht es der menschlichen Natur, dass über einen längeren Zeitraum hinweg eine nahezu fehlerlose Arbeitsweise kaum möglich und deshalb vom Arbeitnehmer nicht zu verlangen und auch nicht zu erwarten ist (BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 24, NZA 2008, 693). Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Der Kläger verstößt gegen seine Arbeitspflicht als Dispatcher nicht allein dadurch, dass ihm gelegentlich Fehler unterlaufen.

C.

71

Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die gegen die Abmahnung vom 30.04.2014 gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte und deren Löschung von elektronischen Speichermedien.

72

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, NZA 2013, 91).

73

Die Abmahnung enthält keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Es ist unstreitig, dass der Kläger die konkret mit Datum, Uhrzeit und Ticketnummer aufgeführten Fehler (Auftragstext nicht übersetzt, falsche Komponente gewählt) gemacht hat. Soweit die Abmahnung die Formulierung enthält: "Sie sind schon in einem Protokoll am 11.04.2014 auf die gleichen Fehler hingewiesen und an die Qualität Ihrer Arbeit erinnert worden", führt dieser Verweis - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht zur sachlichen Unrichtigkeit der Abmahnung. Dass der Kläger ausweislich des Gesprächsprotokolls "Qualität" vom 11.04.2014 auf die gleichen Fehler hingewiesen und an die Qualität seiner Arbeit erinnert worden ist, trifft zu.

74

Die Abmahnung vom 30.04.2014 erfüllt auch im Übrigen die Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht für Abmahnungen wegen Minderleistungen aufgestellt hat (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842).

D.

75

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

76

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14 zitiert 13 §§.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 524 Anschlussberufung


(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung

Bundesdatenschutzgesetz - BDSG 2018 | § 35 Recht auf Löschung


(1) Ist eine Löschung im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehe

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 638/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12

bei uns veröffentlicht am 20.06.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2011 - 20 Sa 85/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11

bei uns veröffentlicht am 19.07.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. November 2010 - 7 Sa 427/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es

Referenzen

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Ist eine Löschung im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung personenbezogener Daten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(3) Ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, wenn einer Löschung satzungsgemäße oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2011 - 20 Sa 85/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist sowie einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Aluminium verarbeitendes Unternehmen. Der 1956 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit April 1975 bei ihr als Schlosser in der Instandhaltung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beidseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Beschäftigte zum ERA-Tarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (MTV) Anwendung. Nach § 4.4 MTV kann einem Beschäftigten, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und der dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden; dies gilt auch für eine Änderungskündigung.

3

Der Kläger arbeitete anfänglich im Mehrschichtsystem. Nach einem Schlaganfall bat er im September 2007 um eine Versetzung in die Tagschicht. Er legte der Beklagten ein ärztliches Attest vor. Danach sollte er keinen Schichtdienst mehr leisten; eine geregelte Tagesarbeitszeit sei für die weitere Genesung notwendig. Anfang 2008 teilte die Beklagte mit, dass sie ihn künftig im sog. Tagesbetrieb von 7:00 bis 15:40 Uhr mit einstündiger Pause einsetzen werde.

4

Mit Schreiben vom 29. August 2009 kündigte die Beklagte - nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige - das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. März 2010, hilfsweise ordentlich zum selben Termin, weiter hilfsweise zum „nächst zulässigen“ Termin.

5

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass es an jeglicher Möglichkeit gefehlt habe, ihn sinnvoll weiterzubeschäftigen. Soweit sie sich auf eine Änderung des Anforderungsprofils berufe, fehle es an der Darlegung eines die Änderung rechtfertigenden Grundes. Die ordentliche Kündigung sei nach § 4.4 Satz 1 MTV tarifvertraglich ausgeschlossen und schon aus diesem Grund unwirksam.

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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 29. August 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Schlosser - Abteilung Instandhaltung - oder als Betriebsschlosser bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, aufgrund mehrerer ineinander greifender unternehmerischer Entscheidungen sei der bisherige Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Zum einen habe sie die sog. 20 MN-Presse zum 31. Oktober 2009 stillgelegt. Dadurch habe sich der Reparatur- und Wartungsaufwand im gesamten Instandhaltungsbereich um 330 Arbeitsstunden reduziert. Zum anderen habe sie den Entschluss gefasst und umgesetzt, Schlosser ausschließlich im Schichtdienst und dabei nur noch solche Mitarbeiter einzusetzen, die in der Lage seien, an sämtlichen Anlagen im Werk zu arbeiten. Das sei erforderlich, um eine durchgängige Betreuung der Produktionsanlagen durch Mitarbeiter der Instandhaltung zu gewährleisten. Damit sei der Beschäftigungsbedarf für die beiden in der Tagesarbeit eingesetzten Arbeitnehmer entfallen. Angesichts der im Instandhaltungsbereich bestehenden Überkapazitäten seien die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser ohne überobligationsmäßige Anstrengungen in der Lage, die einfachen, bislang im Tagesdienst verrichteten Arbeiten - soweit noch vorhanden - mit zu erledigen. Einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei mit den weiterbeschäftigten Schlossern nicht vergleichbar. Er könne wegen seines Gesundheitszustands nicht im rollierenden Schichtbetrieb eingesetzt werden und sei zudem nicht in der Lage, Instandhaltungsarbeiten an allen Anlagen auszuführen. Er sei deshalb kein geeigneter „Teampartner“ für die im Schichtbetrieb tätigen Kollegen. Das Arbeitsverhältnis mit dem zweiten im Tagesdienst eingesetzten Schlosser habe sie gleichfalls gekündigt. Die Beklagte hat gemeint, aufgrund dessen sei die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist wirksam. Zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Ein tarifvertraglicher Sonderkündigungsschutz stehe dem Kläger nicht zu. Die betreffende tarifliche Regelung sei unwirksam oder doch unanwendbar. Sie messe dem Lebensalter im Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit eine zu große Bedeutung bei. Dies führe in Fällen der Sozialauswahl zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer.

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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungen vom 29. August 2009 zu Recht für unwirksam erachtet. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor(I.). Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 4.4 Satz 1 MTV iVm. § 134 BGB nichtig. Die tarifliche Unkündbarkeitsregelung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie ist auch verfassungskonform (II.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (III.).

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I. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 29. August 2009 aufgelöst worden. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht gegeben.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

12

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Solche Gründe machen dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig nicht unzumutbar. Ihm ist es selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16).

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b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer - dann notwendig einzuhaltenden - Auslauffrist kommt in Betracht, wenn etwa tarifvertraglich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung dauerhaft ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO).

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2. Hier ist ein wichtiger Grund nicht gegeben. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger auf der Grundlage von § 4.4 Satz 1 MTV wirksamen besonderen Kündigungsschutz genießt. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass dauerhaft keine Einsatzmöglichkeit für den Kläger mehr bestanden hätte. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass sie ihn - selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen - überhaupt nicht mehr sinnvoll weiterbeschäftigen konnte.

15

a) Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - auch aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen des Arbeitgebers ergeben. Die dem zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 16 ff.; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16, 17; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31). Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 16 ff.; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17).

16

b) Zu den Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen können, zählt auch die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle.

17

aa) Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die neuen Qualifikationsanforderungen in einer nachvollziehbaren Weise auf der Neuorganisation der auszuführenden Arbeiten beruhen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 24; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19).

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bb) Für diesen Bezug trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast. An sie sind schon im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erhöhte Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die mit bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 25; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26). Er muss deshalb dartun, dass es sich insoweit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Stellenmerkmal handelt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 26; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31).

19

c) Im Fall einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen sind an die Darlegungen des Arbeitgebers noch weitergehende Anforderungen zu stellen. Dieser hat nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge seiner Organisationsentscheidung am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit mehr besteht, das Arbeitsverhältnis - und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19 - 21). Anders als bei der ordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 674/11 - Rn. 41; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe). Sein Vorbringen muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Das führt zwar nicht dazu, dass die unternehmerische Entscheidung als solche deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle unterläge, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist aber, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine Kündigung tatsächlich erzwingt (siehe auch BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 26).

20

d) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie die behaupteten - ineinandergreifenden - Organisationsentscheidungen getroffen und tatsächlich umgesetzt hat. Es ist ferner von einer nur eingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers ausgegangen und hat unterstellt, dass er weder mit Schichtarbeit, noch mit schwerer körperlicher Arbeit, Arbeiten über Kopf und an Pressen, noch mit Arbeiten an bestimmten anderen Anlagen betraut werden kann. Seine Würdigung, auch unter diesen Umständen sei noch ein sinnvoller Einsatz des Klägers möglich, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

aa) Der Kläger war unstreitig in der Lage, einfache Schlossertätigkeiten zu erbringen. Bis auf die Arbeiten an der „20 MN-Presse“, mit denen er aber nur zu 15 vH seiner Arbeitszeit betraut war, sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers nicht etwa entfallen; sie wurden lediglich auf die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser umverteilt.

22

bb) Die Beklagte mag angesichts des Rückgangs des Arbeitsvolumens im Instandhaltungsbereich zur besseren Auslastung ihrer Mitarbeiter ein berechtigtes Interesse daran gehabt haben, die einfachen Schlosserarbeiten nur noch im Schichtbetrieb und nicht mehr im Rahmen der sog. Tagesarbeit ausführen zu lassen. Auch dann hat sie nicht substantiiert dargelegt, weshalb die bisher dem Kläger zugewiesenen Aufgaben nicht auf die Frühschicht konzentriert und dann - ggf. neben anderen Tätigkeiten - weiterhin von ihm verrichtet werden konnten.

23

(1) Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger gesundheitlich in der Lage war, seinem Leistungsvermögen entsprechende Arbeiten während der auf die Zeit von 6:00 Uhr bis 13:00 Uhr festgelegten Frühschicht kontinuierlich zu erbringen.

24

(2) Umstände, die ihr eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen dieser Schicht unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten, sind nicht erkennbar.

25

(a) Die Beklagte hat geltend gemacht, im Schichtbetrieb anfallende Reparatur- und Wartungsarbeiten müssten „im Team“ durchgeführt werden; oftmals seien sie wegen der mit ihnen einhergehenden körperlichen Belastungen nicht durch einen einzelnen Arbeitnehmer zu erfüllen; auch benötigten Schlosser öfters die Unterstützung von Elektrikern, die ihrerseits im Team eingesetzt würden. Das Vorbringen entbehrt der erforderlichen Substanz. Es rechtfertigt nicht die Annahme, bei einem Einsatz des Klägers in der Frühschicht könnten die situativ anfallenden Aufgaben nicht sachgerecht ausgeführt werden. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, wie viele Schlosser auf der Grundlage ihres neuen Konzepts im Instandhaltungsbereich insgesamt noch beschäftigt werden. Sie hat auch nicht aufgezeigt, welchen Anteil Arbeiten ausmachen, die der Kläger aufgrund seines eingeschränkten Leistungsvermögens nicht würde verrichten können. Nur dann aber ließe sich nachvollziehen, weshalb dem Kläger im Rahmen der Teamarbeit schwere Arbeiten nicht sollten abgenommen werden können und seine Integration in das Schichtmodell nicht praktikabel sei. Das gilt jedenfalls dann, wenn pro Schicht - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen und von der Beklagten nicht beanstandet - mindestens zwei Schlosser und ein Elektriker zum Einsatz kommen. Aus den gleichen Gründen ist nicht ersichtlich, weshalb das neue Anforderungsprofil, dem zufolge die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser an allen Anlagen im Werk einsetzbar sein müssen, keine Ausnahme zugunsten eines Einsatzes des Klägers in der Frühschicht zulassen sollte.

26

(b) Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn die Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, eine „Herausnahme“ des Klägers aus dem rollierenden Schichtsystem führe zu Unruhe und Diskussionen in der Belegschaft. Zum einen fehlt es an Ausführungen zur Intensität der befürchteten Störungen. Zum anderen zeigen schon die Regelungen in § 6 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 ArbZG, dass der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, im Rahmen von Schichtarbeit auf gesundheitliche Belange einzelner Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen; das Interesse der Gesamtbelegschaft an einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der sich aus dem Schichtbetrieb ergebenden Belastungen muss demgegenüber in der Regel zurücktreten (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 12; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 22).

27

(c) Durch eine Integration des Klägers in die Frühschicht mögen eingespielte Teams von Mitarbeitern der Instandhaltung auseinandergebracht werden. Dies schließt einen sinnvollen Einsatz des Klägers bei entsprechender Umorganisation der Arbeitsabläufe nicht aus. Das Vorbringen der Beklagten, häufige Schichtpartnerwechsel führten zu einer ineffizienten Arbeitsauslastung und/oder Verschlechterung der Arbeitsqualität, ist substanzlos. Ihm ist - zumal angesichts des „neuen“ Anforderungsprofils, nach dem Schlosser grundsätzlich in der Lage sein müssen, an allen Anlagen zu arbeiten - nicht zu entnehmen, worin genau die vermeintlichen Nachteile bestehen. Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte ihnen nicht dadurch sollte begegnen können, dass sie dem Kläger feste „Teampartner“ zuordnet.

28

(d) Die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten widersprechen - anders als diese meint - nicht den im Senatsurteil vom 6. November 1997 (- 2 AZR 94/97 -) angelegten Maßstäben. Zum einen lag dieser Entscheidung eine ordentliche Kündigung zugrunde. Zum anderen stand dort - anders als hier - fest, dass die gekündigte Arbeitnehmerin im neu zugeschnittenen Arbeitsbereich aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten konnte.

29

cc) Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn die im Schichtbetrieb gebildeten Instandhaltungsteams „von der Mitarbeiterzahl vollzählig“ waren, wie die Beklagte geltend gemacht hat.

30

(1) Bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zumindest die Schranken beachten, die den Arbeitnehmer im Fall einer ordentlichen Kündigung schützen. In einer Konkurrenzsituation ist der Arbeitgeber deshalb zu einer Sozialauswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet(BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 e der Gründe, BAGE 88, 10).

31

(2) Die Beklagte hat auch insoweit keine Umstände dargetan, die einer Beschäftigung des Klägers in der Frühschicht entgegenstünden. Ihrem eigenen Vortrag zufolge beschäftigte sie im Instandhaltungsbereich eine Reihe von Arbeitnehmern weiter, die sozial weniger schutzbedürftig waren als der Kläger, der im Kündigungszeitpunkt 53 Jahre alt, 34 Jahre bei ihr tätig und gegenüber zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet war. Die anderen Arbeitnehmer sind nicht deshalb nicht zu vergleichen, weil sie flexibler einsetzbar sind. Dies steht einer Vergleichbarkeit im Hinblick auf Tätigkeiten in der Frühschicht nicht entgegen. Die Beklagte hat auch keine berechtigten betrieblichen Belange iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dargelegt, die eine Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer bedingt hätten. Soweit sie sich darauf berufen hat, ein Arbeitnehmer, der unstreitig weniger schutzbedürftig ist als der Kläger, sei als Schlosser im Dreischichtbetrieb tätig und universell an allen Anlagen im Werk einsetzbar, beschreibt sie keine besonderen Kenntnisse, die iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG für die Erledigung bestimmter Spezialaufgaben nötig gewesen wären, sondern nur das von ihr aufgestellte - neue - Anforderungsprofil. Ein Grund, der es rechtfertigen könnte, vom Ergebnis einer Sozialauswahl abzuweichen, ergibt sich daraus nicht. Das gilt umso mehr, als die betrieblichen Interessen, die zur Weiterbeschäftigung eines sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmers berechtigen sollen, im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB noch höheren Anforderungen genügen müssen als schon im Rahmen von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG(BAG 17. Mai 1984 - 2 AZR 161/83 - zu III 1 der Gründe).

32

dd) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe den Kläger nicht nur in der Frühschicht, sondern auch anderweit noch sinnvoll beschäftigen können, hat es hierauf nur ergänzend abgestellt. Sollten ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sein, wären diese nicht entscheidungserheblich.

33

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2009 aufgelöst worden.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat weder geprüft, ob für eine ordentliche Kündigung Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vorlagen, noch ob in diesem Fall die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt wäre.

35

2. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an. Die ordentliche Kündigung ist wegen § 4.4 Satz 1 MTV iVm. § 134 BGB unwirksam. Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Tarifnorm für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die tarifliche Kündigungsbeschränkung nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. § 4.4 Satz 1 MTV verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und ist verfassungskonform.

36

a) Die Regelung des § 4.4 MTV ist an den Vorschriften des AGG zu messen. Zwar gelten nach § 2 Abs. 4 AGG für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Die Benachteiligungsverbote des AGG sind damit auf diskriminierende Kündigungen nicht als eigenständige Unwirksamkeitsnomen anzuwenden. Stattdessen sind sie einschließlich möglicher Rechtfertigungsgründe in die kündigungsschutzrechtliche Prüfung zu integrieren und insbesondere im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG zu beachten(BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, BAGE 128, 238). § 2 Abs. 4 AGG steht aber einer Überprüfung von tarif- oder individualvertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen und Kündigungserschwernisse unmittelbar anhand von § 7 Abs. 2 AGG nicht entgegen(ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 2 AGG Rn. 17; HaKo-KSchR/Nägele 4. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Löwisch/Spinner 10. Aufl. vor § 1 KSchG Rn. 33; v. Medem Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz S. 628).

37

b) Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Zu den Vereinbarungen iSd. § 7 Abs. 2 AGG zählen neben Arbeitsverträgen auch Tarifverträge. Sie sind auch dann an dieser Bestimmung zu messen, wenn sie vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen wurden. Maßgebend ist, ob die geltend gemachte Benachteiligung nach Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 eingetreten ist (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73; 15. Februar 2012 - 7 AZR 946/07 - Rn. 13). Davon ist hier auszugehen. Die Beklagte beruft sich auf eine benachteiligende Wirkung des tariflichen Kündigungsschutzes im Zusammenhang mit Kündigungen vom August 2009.

38

c) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dabei kann eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung nach § 10 AGG gerechtfertigt sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestattet die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels ihrerseits angemessen und erforderlich sind(vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 17; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 62, BAGE 136, 237). Um dies festzustellen ist zunächst eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung muss durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Sodann ist nach § 10 Satz 2 AGG zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind(BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 62 mwN, aaO).

39

d) Mit den Regelungen in § 10 AGG hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung ist daher unter Beachtung der Richtlinie und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu prüfen.

40

e) Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner verfügen sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete legitime Ziel sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zur Erreichung des Ziels über einen weiten Ermessensspielraum. Sozialpartnern ist dieser Spielraum im Bereich des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich so weit zuzubilligen, wie er nach nationalem Recht reicht(EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 45; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391). Dabei ist sicherzustellen, dass die Kollektivnormen dem Gleichbehandlungsgrundsatz in seiner Ausprägung durch das Verbot der Altersdiskriminierung genügend Rechnung tragen und die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie normierten Voraussetzungen eingehalten sind (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 52, aaO).

41

f) Daran gemessen ist § 4.4 Satz 1 MTV wirksam. Zwar führt die Regelung zu einer unmittelbaren Benachteiligung der von ihr nicht erfassten Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1, § 1 AGG wegen des Merkmals Alter. Sie ist aber bei einer gesetzes- und verfassungskonformen sowie an ihrem Sinn und Zweck orientierten Auslegung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

42

aa) § 4.4 Satz 1 MTV schließt das Recht des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und mindestens drei Jahre im Betrieb beschäftigt war. Die Bestimmung ist nicht nur auf personen- und verhaltensbedingte, sondern auch auf betriebsbedingte Kündigungen anwendbar. Sie kann in diesem Fall eine unmittelbare Benachteiligung von Arbeitnehmern mit mindestens dreijähriger Beschäftigungsdauer bewirken, deren Lebensalter außerhalb der festgelegten Bandbreite liegt. In Fällen betriebsbedingter Kündigungen, bei denen sich wegen der Verringerung von Arbeitsplätzen ein Verteilungsproblem stellt, kann die Bestimmung dazu führen, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren, obwohl sie ohne die tarifliche Regelung wegen ihrer iSv. § 1 Abs. 3 KSchG höheren Schutzbedürftigkeit nicht zur Entlassung angestanden hätten(vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 31). Diese Folge kann jedenfalls dann eintreten, wenn die ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl von vorneherein aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer herauszunehmen sind.

43

bb) Allerdings hat die Beklagte für den Streitfall eine auch nur potentiell benachteiligende Situation nicht aufgezeigt. Sie hat das Arbeitsverhältnis des Klägers und des weiteren in der Tagesarbeit eingesetzten Arbeitnehmers wegen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeiten gekündigt und vorgebracht, ein Auswahlproblem habe sich nicht gestellt. Damit erscheint fraglich, ob sich die Beklagte auf eine Unwirksamkeit der Tarifregelung nach § 7 Abs. 2 AGG überhaupt berufen kann. Die Bestimmungen des AGG zielen auf den Schutz des Benachteiligten. Dies unterstreicht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie. Art. 16 Buchst. b) der Richtlinie verlangt zwar Maßnahmen, die zur Beseitigung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarender Kollektivvereinbarungen führen. Er verlangt aber nicht, eine fehlerhafte Regelung in einer Situation unangewendet zu lassen, in der sie nicht zu einer Ungleichbehandlung führen kann (ähnlich Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 70). § 7 Abs. 2 AGG schließt es deshalb nicht aus, Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, nur in Bezug auf den hypothetisch benachteiligten Personenkreis für unwirksam anzusehen(vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 37).

44

cc) Ob sich die Beklagte auf einen möglichen Verstoß von § 4.4 Satz 1 MTV gegen das Verbot der Altersdiskriminierung überhaupt zu berufen vermag, bedarf keiner Entscheidung. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen dieses Verbot. Der Umstand, dass sie die Arbeitsverhältnisse älterer Arbeitnehmer von der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausnimmt, ist solange durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, wie dies bei betriebsbedingten Kündigungen nicht zu einer im Ergebnis grob fehlerhaften Sozialauswahl führt. In Konstellationen wiederum, in denen dies der Fall wäre, schließt sie die von ihr erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer im Ergebnis nicht aus.

45

(1) Außerhalb einer Sozialauswahl geht mit § 4.4 Satz 1 MTV in der Regel schon tatbestandlich eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer nicht einher. Aufgrund des Umstands, dass die Arbeitsverhältnisse des erfassten Personenkreises aus Gründen im Verhalten oder in der Person iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ordentlich nicht gekündigt werden können, erfahren jüngere Arbeitnehmer regelmäßig keine Nachteile iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG. Zumindest wäre eine solche Benachteiligung in aller Regel durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 26 f., BAGE 138, 312).

46

(2) Auch innerhalb der Sozialauswahl verstößt die Berücksichtigung eines höheren Lebensalters zugunsten der Betroffenen nicht schon per se gegen das Verbot der Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters. Vielmehr verfolgt eine solche Begünstigung älterer Arbeitnehmer ein iSv. § 10 Satz 1 AGG iVm. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie legitimes Ziel. Legitime Ziele im Sinne dieser Bestimmungen sind insbesondere allgemeine „sozialpolitische Ziele“ (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003). Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl verfolgt ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 53, BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25 f.). § 4.4 Satz 1 MTV dient dem Zweck, ältere Arbeitnehmer vor einer Entlassung möglichst effizient zu schützen (zur Vorläuferregelung in § 9 Nr. 2 des MTV vom 20. Oktober 1973 und allgemein zum Schutzzweck tariflicher Unkündbarkeitsklauseln in der Privatwirtschaft vgl. Pape Die tarifvertragliche Unkündbarkeit S. 93 ff.). Soweit die Regelung mit der Anknüpfung an eine Mindestbeschäftigungsdauer - wenn überhaupt - zusätzlich eine gewisse Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen will, fällt dieser Gesichtspunkt angesichts der nur kurzen erforderlichen Beschäftigungszeit nicht ins Gewicht. Die Regelung ist objektiv und angemessen, die Mittel zur Erreichung des Ziels sind angemessen und erforderlich.

47

(a) Der Bestimmung liegt die Erfahrung zugrunde, dass die Chancen älterer Arbeitnehmer, nach einem Arbeitsplatzverlust eine neue und gleichwertige Anstellung zu finden, signifikant geringer sind als diejenigen jüngerer Arbeitnehmer (vgl. dazu BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56 mwN, BAGE 140, 169). Daran dürfen die Tarifvertragsparteien anknüpfen. Sie haben nach § 1 Abs. 1 TVG die Kompetenz, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu ordnen. Diese umfasst im Rahmen des rechtlich Zulässigen auch die Vereinbarung von Kündigungserschwernissen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Typisierung zu (Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 955). Das gilt auch für die Beurteilung, ab welchem Lebensalter sich die Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer - branchentypisch - verschlechtern und bis zu welchem Alter ein Bedürfnis besteht, sie vor entsprechenden Nachteilen zu schützen. Die Anknüpfung an das Lebensalter ist, will man einen solchen zusätzlichen Schutz erreichen, erforderlich. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise nur typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist im Rahmen genereller Bestimmungen unvermeidbar; auch bei individueller Anknüpfung müsste sich die Bewertung an Wahrscheinlichkeiten orientieren (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 53, BAGE 140, 169; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 45 f., BAGE 128, 238).

48

(b) Die Regelung ist nicht deshalb unangemessen, weil sie für ältere Arbeitnehmer - wie die Beklagte gemeint hat - durch die Anknüpfung an eine relativ kurze Beschäftigungsdauer als Einstellungshemmnis und Erschwernis des Zugangs zu unbefristeter Beschäftigung wirken könnte. Derartige Nachteile sind empirisch nicht belegt. Sollten sie sich im Einzelfall ergeben, hätten sie ihre Ursache im Einstellungsverhalten des Arbeitgebers und stellten einen eigenständigen Akt der Benachteiligung dar, der isoliert mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen werden könnte.

49

(3) Dagegen wäre die Regelung des § 4.4 Satz 1 MTV nicht mehr durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG, Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie gedeckt, wenn sie zur Konsequenz hätte, dass Arbeitnehmer, die älter als 53 Jahre und länger als drei Jahre im Betrieb beschäftigt sind, bei der Sozialauswahl selbst dann aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ausscheiden, wenn dadurch das Ergebnis der Sozialauswahl grob fehlerhaft würde. Die Regelung würde dann zu einer den gesetzlichen Vorgaben der Sozialauswahl widersprechenden Verdrängung insbesondere jüngerer Arbeitnehmer aus dem Betrieb führen. So könnte sie etwa bewirken, dass ein 50 Jahre alter, seit 25 Jahren im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer, der zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist, seinen Arbeitsplatz zugunsten eines seit drei Jahren beschäftigten, 53 Jahre alten, nicht unterhaltsverpflichteten Arbeitnehmers verliert. Derartige Wirkungen, auch wenn es sich bei ihnen lediglich um einen Reflex der Unkündbarkeitsregelung handeln mag, sind mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben zur Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 KSchG sachlich nicht zu rechtfertigen. Sie führen zu einer unverhältnismäßigen Verkürzung des Kündigungsschutzes der von der Tarifregelung nicht erfassten Arbeitnehmer. Soweit in Fällen betrieblich bedingter Kündigungen unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet überdies Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. So darf der Arbeitgeber bei seinem Kündigungsentschluss ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 b cc der Gründe, BVerfGE 97, 169; BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 38; 6. Februar 2003 - 2 AZR 672/01 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 104, 308). Darauf müssen die Tarifvertragsparteien Bedacht nehmen.

50

(a) Tarifliche Unkündbarkeitsregelungen müssen deshalb, um sich in Auswahlsituationen als angemessen iSd. § 10 Satz 1 AGG sowie gesetzes- und verfassungskonform iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, Art. 12 Abs. 1 GG zu erweisen, gewährleisten, dass sie zumindest grobe Auswahlfehler vermeiden(erwogen bereits in BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 31; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 49; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 67; SES/Eylert KSchG § 1 Rn. 379; Hako-KSchR/Gallner/ Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 851; MünchKommBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 42; Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399). Mit dieser Anforderung ist einerseits sichergestellt, dass die sozialen Belange ordentlich kündbarer Arbeitnehmer nicht vernachlässigt werden. Dem Lebensalter kann dann in einer Auswahlsituation keine „absolute“ Bedeutung mehr zukommen; andere Kriterien behalten ihre Relevanz. Dadurch wird andererseits der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, die festlegen, wann Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters eines erhöhten Schutzes bedürfen (Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist S. 213 f.). Der Maßstab orientiert sich an dem Spielraum, den der Gesetzgeber den Sozialpartnern in § 1 Abs. 4 KSchG einräumt. Danach können kollektivrechtliche Auswahlrichtlinien nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Zwar regeln Unkündbarkeitsbestimmungen unmittelbar nur das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und einzelnem Arbeitnehmer. Sie kommen in ihrer Wirkung aber zumindest faktisch Auswahlrichtlinien gleich. Dementsprechend hatte § 10 Satz 3 Nr. 7 AGG aF individual- und kollektivrechtliche Unkündbarkeitsregelungen zwar ausdrücklich für zulässig erklärt, aber nur „soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz anderer Beschäftigter im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird“. Die Vorschrift wurde im Dezember 2006 nur deshalb aufgehoben (BGBl. I S. 2742), weil der Gesetzgeber sie wegen § 2 Abs. 4 AGG für unnötig hielt. Die ihr zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung kommt in § 1 Abs. 4 KSchG weiterhin zum Ausdruck.

51

(b) Eine solche Anwendungsgrenze sieht § 4.4 Satz 1 MTV nicht ausdrücklich vor. Sie ist der Bestimmung dennoch inhärent. Tarifnormen sind, wenn möglich, so auszulegen und anzuwenden, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigem Recht in Einklang stehen und deshalb rechtlichen Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm, die bei einem bestimmten Verständnis (teilweise) unwirksam wäre, eine Auslegung zu, die zu einem gesetzeskonformen Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (BAG 21. Februar 2012 - 6 AZR 524/11 - Rn. 19; 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a bb der Gründe, BAGE 73, 364). Eine solche Auslegung ist hier möglich. § 4.4 Satz 1 MTV kann unter Berücksichtigung seines Zwecks dahin verstanden werden, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dann nicht gilt, wenn die damit verbundene Begünstigung des geschützten Personenkreises im Einzelfall zu einem iSv. § 1 Abs. 4 KSchG grob fehlerhaften Auswahlergebnis führen würde.

52

(aa) Mit der Regelung in § 4.4 Satz 1 MTV wollten die Tarifvertragsparteien den Schutz älterer Arbeitnehmer bei Rationalisierungsmaßnahmen verbessern. Derartige Maßnahmen sollten nicht ausgeschlossen, doch sollte der Schutz vor ihren Folgen erhöht werden. Dass aber dieser Schutz auf Kosten von Arbeitnehmern erfolgen sollte, die zwar - in der Regel - jünger sind, aber nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG des Schutzes noch stärker bedürfen, kann nicht angenommen werden. Es ging den Tarifvertragsparteien um einen besonderen, aber nicht um einen bedingungslosen Schutz der Älteren. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, dass sie den besonderen Kündigungsschutz auch in solchen Fällen zur Geltung gebracht wissen wollten, in denen die höhere Schutzbedürftigkeit anderer, von § 4.4 Satz 1 MTV nicht erfasster Arbeitnehmer offenkundig ist (vgl. Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist S. 218, 219; Oetker ZfA 2001, 287, 328).

53

(bb) Unschädlich ist, dass der Wortlaut der Bestimmung dies nicht zum Ausdruck bringt. Die den Inhalt der Tarifnorm beeinflussenden Regelungen des AGG und die Regelungen in § 1 Abs. 3, Abs. 4 KSchG sind auch für die Normunterworfenen erkennbar. Diese konnten nicht davon ausgehen, dass die Tarifvertragsparteien sich über die daraus ergebenden Grenzen hinwegsetzen wollten (Oetker ZfA 2001, 287, 329). Das gilt umso mehr, als § 4.4 Satz 1 MTV bereits vor Inkrafttreten des AGG vereinbart wurde. Im Übrigen kann auch die unionsrechtskonforme Auslegung von Gesetzen dazu führen, dass eine nationale Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle nicht anzuwenden, die Reichweite der innerstaatlichen Norm also einzuschränken ist (vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 29, BAGE 132, 247). Für die Auslegung tariflicher Bestimmungen, die am unionsrechtlich geprägten Verbot der Altersdiskriminierung zu messen sind, gilt insoweit nichts anderes.

54

(4) Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Reichweite und der Inhalt des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist durch Entscheidungen des Gerichtshofs, zuletzt etwa in den Rechtssachen „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365), „Prigge“ (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - Slg. 2011, I-8003) und „Hörnfeldt“ (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 -) hinreichend geklärt.

55

dd) Die Tarifregelung hält auch im Übrigen einer Rechtskontrolle stand. Die Wirksamkeit des § 4.4 Satz 1 MTV scheitert nicht an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder ob sie an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind(vgl. dazu BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 111, 8; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 146/03 - zu I 3 b der Gründe mwN, BAGE 108, 94). Jedenfalls enthält Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.

56

g) Umstände, die unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger eröffnen könnten, sind nicht erkennbar.

57

h) Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob nicht bei Geltung tariflicher Unkündbarkeitsregelungen wie der des § 4.4 Satz 1 MTV - um nicht nur diskriminierende, grob fehlerhafte Ergebnisse einer Sozialauswahl zu vermeiden, sondern auch den tariflich vereinbarten Ausschluss ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen ohne Einschränkungen zu gewährleisten - die Herausnahme der davon erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ohnehin zu unterbleiben hat. Die vor ordentlichen Kündigungen geschützten Arbeitnehmer wären dann bei der Sozialauswahl zunächst ohne Beachtung des Kündigungsausschlusses mit den übrigen Arbeitnehmern zu vergleichen. Stünden sie nach einem solchen Vergleich gemäß den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG ohnehin nicht zur Kündigung an, ist mit dem Unterbleiben einer ordentlichen Kündigung eine Diskriminierung und Benachteiligung anderer Arbeitnehmer nicht verbunden. Stünden sie dagegen - da nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG weniger schutzbedürftig als andere - „eigentlich“ zur Kündigung an, könnten sie sich auf den tariflichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses berufen. Der Arbeitgeber könnte statt ihres Arbeitsverhältnisses dasjenige eines sozial stärker geschützten Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht kündigen, wenn damit ein grob fehlerhaftes Auswahlergebnis verbunden wäre. Der Arbeitgeber vermöchte also womöglich weder den tariflich geschützten noch den von § 1 Abs. 3 KSchG geschützten Arbeitnehmer im Wege der ordentlichen Kündigung zu entlassen. Lägen die Voraussetzungen des § 626 BGB vor, käme dagegen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des tariflich(nur) vor der ordentlichen Kündigung geschützten Arbeitnehmers in Betracht. Auf diese Weise könnten sowohl grobe Fehler bei der Sozialauswahl als auch die (Teil-)Aufhebung des tariflichen Schutzes vor ordentlichen Kündigungen vermieden werden (ähnlich Rolfs NZA-Beilage 1/2008 S. 8, 15).

58

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Antrag ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die Kündigungen vom August 2009 gerichtet. Dieses ist rechtskräftig abgeschlossen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 23).

59

IV. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte zur Zahlung von 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24. März 2010 - 1 Ca 2392/09 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/6, die Beklagte zu 5/6 und die Kosten der Revision haben der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns. Sie hat in Deutschland drei Produktionsstätten. In ihrem Werk O beschäftigte sie regelmäßig etwa 85 Arbeitnehmer.

3

Der im August 1954 geborene Kläger ist promovierter Chemiker und seit April 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Dezember 2006 ist er als „Betriebsleiter GUR“ Leiter der Kunststoffgranulat-Produktion in O. Anfang Februar 2007 wurde ihm zusätzlich die Leitung des gesamten Standorts übertragen. Laut § 1 des im Juni/Juli 2004 geschlossenen Anstellungsvertrags sieht ihn die Beklagte als leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG an. Seine Vergütung richtete sich nach einem unternehmensweit angewandten „Vertragsstufensystem für leitende Angestellte“. Danach bezog er ein Bruttomonatsgehalt von etwa 9.860,00 Euro, das sich aus einem Fixum und Bonuszahlungen zusammensetzte.

4

Im August 2009 stellte die Beklagte den Kläger unter Berufung auf anstehende seinen Arbeitsplatz betreffende Veränderungen von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. April 2010, „vorsorglich ... zum zulässigen Termin“. Der „vorsorglich“ zur Kündigung angehörte Betriebsrat des Werks O hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung liege nicht vor. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich gebliebenen Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere in O beschäftigte Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen. Auch habe die Möglichkeit bestanden, ihn auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz des „Forschungsleiters“ weiter zu beschäftigen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

        

4.    

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein „endgültiges“ wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, im September 2009 sei auf Konzernebene die - anschließend durch ihren Geschäftsführer umgesetzte - unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. In diesem Zusammenhang sei die globale Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement in O angesiedelt worden. An diese Funktion habe sie die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“; die Stelle habe sie mit Frau K besetzt, die zuvor Geschäftsführerin eines anderen Konzernunternehmens gewesen sei. Die andere Hälfte der Tätigkeiten habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger sei fachlich nicht in der Lage, die neu zugeschnittene Leitungsstelle auszufüllen. Er verfüge, anders als Frau K, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe, nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements. Außerdem sei die Stelle mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden, der sich in veränderten Berichtspflichten unmittelbar gegenüber dem Management der Beklagten und der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einem höheren „Gehaltslevel“ ausdrücke. Zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer solchen „Beförderungsstelle“ sei sie nicht verpflichtet.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich beantragt, an ihn 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten aus jeweils 8.427,00 Euro brutto seit dem 1. November 2010 und seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, das damit geforderte Gehalt für die Monate Oktober und November 2010 stehe ihm unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Beklagte hat gerügt, die Klageerweiterung sei unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zur Gehaltszahlung in beantragter Höhe verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - ausgenommen den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für die Monate Oktober und November 2010 angreift (I.). Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Kündigung vom 24. September 2009 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (II.). Die (Hilfs-)Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Endzeugnisses sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).

10

I. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gehaltszahlung, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Die Revision ist insoweit aus prozessualen Gründen erfolgreich. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verspätete und deshalb unzulässige Anschlussberufung. Das hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 7, MDR 2008, 159).

11

1. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung. Als solche ist sein Zahlungsbegehren deshalb zu behandeln; einer ausdrücklichen Bezeichnung als Anschlussberufung bedarf es dazu nicht (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 20, EzA BetrAVG § 16 Nr. 59; 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 42, BAGE 118, 211). Es genügt, dass schriftsätzlich klar und deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht wird, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils auch als Rechtsmittelbeklagter zu erreichen. Dazu reicht es, dass der Rechtsmittelbeklagte die Klage - wie im Streitfall mit Schriftsatz vom 19. November 2010 geschehen - erweitert. Einer Beschwer bedarf es für die Anschlussberufung grundsätzlich nicht (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11, AE 2009, 331).

12

2. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist(vgl. GK-ArbGG/Vossen Stand April 2012 § 64 Rn. 105; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106) - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen(BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

13

3. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.

14

a) Der betreffende Schriftsatz ist am 22. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am 26. Juli 2010 bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung weit mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden. Ein Fall des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegt nicht vor.

15

b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt. Dies konnte der Senat selbst im Wege des Freibeweises klären (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 17, NZA 2012, 691).

16

aa) Die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis setzt voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt (BA G 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

17

bb) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom 26. Juli 2010 den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Dies bezieht sich auf ein zugleich übermitteltes, vom Kläger in Kopie zur Senatsakte gereichtes gerichtliches Begleitschreiben vom 16. Juli 2010, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

        

„Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetzmuss die Berufung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung anliegender Berufungsbegründung b e a n t w o r t e t werden.

                 
        

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsbeantwortung nicht rechtzeitig vorgebracht, so lässt sie das Gericht nur zu, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Verspätung genügend entschuldigt wird.“

18

cc) Dieser Hinweis war mit Blick auf die Anschlussberufung ausreichend. Insoweit geht es vor allem um die Klarstellung, zu welchem Zeitpunkt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Gang gesetzt worden ist. Über die Möglichkeit der Anschließung als solche braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Ob das gerichtliche Schreiben eine hinreichende Belehrung über die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG und mögliche Folgen aus einer Versäumung der Beantwortungsfrist enthält, kann offenbleiben. Auf die Präklusionsregelung kommt es für die Frage, ob die Anschlussberufung frist- und formgerecht erhoben worden ist, nicht an. Überdies handelt es sich bei der Klageerweiterung als solche nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSv. § 67 ArbGG, sondern um den Angriff selbst(BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 12, BAGE 117, 370).

19

dd) Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob das gerichtliche Schreiben vom 16. Juli 2010 oder auch nur die Verfügung, mit der die Zustellung der Berufungsbegründung „mit Belehrung über die Frist gem. § 66 I 3 ArbGG“ veranlasst worden ist, vom Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet war. Das ist unschädlich. Der Hinweis hat von Gesetzes wegen „mit der Zustellung der Berufungsbegründung“ zu erfolgen (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Ein Tätigwerden des Gerichts bzw. seines Vorsitzenden in jedem Einzelfall ist damit nicht verlangt. Es reicht, dass der Hinweis auf allgemeine Anordnung hin durch die Geschäftsstelle erfolgt. Dieser obliegt ohnehin die Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem besteht hinsichtlich der Erteilung des Hinweises kein Ermessensspielraum; die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ist zwingend. Die Anschlussberufung war damit als unzulässig zu verwerfen.

20

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

21

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).

22

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92, 61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).

23

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

24

3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

25

a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

26

b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).

27

4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.

28

5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

29

a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen“, die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie“ Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.

30

b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.

31

c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.

32

d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.

33

aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70). Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch“ unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich konkreter vorzutragen.

34

bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“, auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“ folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer Stunde täglich verlangen konnte.

35

e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst. Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit“ hätte unterbleiben können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt“.

36

III. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag ist dem Senat nicht angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig entschieden. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

37

IV. Die Kosten der Berufungsinstanz und der Revision waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Ist eine Löschung im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung personenbezogener Daten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(3) Ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, wenn einer Löschung satzungsgemäße oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. November 2010 - 7 Sa 427/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

2

Der beklagte Landkreis ist Träger einer Volkshochschule, die organisatorisch dem Schulverwaltungsamt zugeordnet ist. Zu der Volkshochschule gehört ein Planetarium, für das eine Zahlstelle der Kreiskasse eingerichtet ist.

3

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem Jahre 2000 als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Ihr wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2006 die Tätigkeit einer Haushaltssachbearbeiterin der Volkshochschule übertragen. Sie war verantwortlich für die Zahlstelle des Planetariums.

4

Die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen für das Planetarium wurden anlässlich einer Dienstberatung Anfang März 2007 zur Entlastung der Klägerin ihrer Vertreterin - Frau H - übertragen. Mit einem Schreiben an die Dezernentin vom 25. Mai 2007 beantragte der Leiter der Volkshochschule, die Verantwortlichkeit für die Zahlstellenverwaltung dahin zu ändern, dass Frau H als Hauptverantwortliche eingesetzt werde, die Klägerin nurmehr im Vertretungsfall.

5

Mitte Juli 2007 übergab die Klägerin die Zahlstelle anlässlich ihres bevorstehenden Urlaubs an den Leiter der Volkshochschule. Anstelle des Originalkassenbuchs händigte sie ihm eine von ihr gefertigte Zweitfassung mit nur ein oder zwei Eintragungen aus, in die Quittungen eingelegt waren. Der Leiter bemerkte das Fehlen des Originalbuchs, ohne Schritte zur Aufklärung seines Verbleibs zu unternehmen. Bei einer im August 2007 durchgeführten Kontrolle durch die Leiterin der Kreiskasse wurde es nicht mehr aufgefunden. Die Klägerin gab bei einer Anhörung an, sie habe das Kassenbuch am 26. April 2007 an Frau H übergeben. Sie sei nur noch deren Vertreterin gewesen. Sie habe das Kassenbuch im Vertretungsfall nicht zurückerhalten. Sie habe deshalb ein zweites angelegt.

6

Mit Schreiben vom 16. April 2008 mahnte der Beklagte die Klägerin ab. Er beanstandete, dass das Kassenbuch in der Zeit abhanden gekommen sei, zu der sie für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen sei. Sie habe dadurch gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Zudem habe sie durch ihre Erklärungen den Eindruck erweckt, die Verantwortung für die nicht ordnungsgemäße Führung der Zahlstelle und das Abhandenkommen des Kassenbuchs treffe die Vertreterin.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rücknahme der Abmahnung verlangt. Sie hat behauptet, Frau H sei am 5. März 2007 mit der Arbeitsaufgabe „Planetarium“ beauftragt worden.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

den Beklagten zu verurteilen, die ihr mit Schreiben vom 16. April 2008 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, die Klägerin sei weiterhin für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen. Am 5. März 2007 seien zu ihrer Entlastung lediglich die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen auf Frau H übertragen worden. Bis zur Kassenprüfung im August 2007 sei die Planung, diese zur Kassenverantwortlichen zu bestellen, nicht umgesetzt worden. Die Angabe der Klägerin, sie habe Ende April 2007 das Originalkassenbuch übergeben und nicht mehr zurückerhalten, treffe nicht zu.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben (I.). Ob der Beklagte verpflichtet ist, die Abmahnung vom 16. April 2008 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, steht noch nicht fest (II.).

12

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte.

13

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 593/09 - Rn. 10, AP GG Art. 4 Nr. 8; 27. November 2008 - 2 AZR 675/07 - Rn. 13 - 17 mwN, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 314 Nr. 4).

14

2. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht zwischen einem Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung und einem solchen auf ihre Entfernung aus der Personalakte differenziert hat.

15

a) Das Begehren auf Rücknahme einer Abmahnung wird neben dem auf ihre Entfernung aus der Personalakte zumeist nicht eigenständig verfolgt. Eine mit dem Klageantrag verlangte „Rücknahme und Entfernung“ der Abmahnung ist dann als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen (vgl. BAG 27. Januar 1988 - 5 AZR 604/86 - RzK I 1 Nr. 26; Hessisches LAG 22. Juni 2010 - 12 Sa 829/09 - Rn. 17; LAG Köln 15. Juni 2007 - 11 Sa 243/07 - Rn. 26 f.). Kann der Klagebegründung dagegen entnommen werden, der Kläger begehre neben einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte beispielsweise den Widerruf darin enthaltener Äußerungen, kann ein Antrag auf Rücknahme der Abmahnung in diesem Sinne auszulegen sein (vgl. LAG Nürnberg 14. Juni 2005 - 6 Sa 582/04 - zu 3 der Gründe, AR-Blattei ES 20 Nr. 41; Hessisches LAG 22. Juni 2010 - 12 Sa 829/09 - aaO).

16

b) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin neben der Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte einen weiteren Anspruch verfolgt. Sie hat sich nicht dagegen gewandt, dass die Vorinstanzen den Klageanspruch als ein einheitliches Begehren auf Rücknahme der Abmahnung eben durch ihre Entfernung aus der Personalakte verstanden haben.

17

3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte sei zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin verpflichtet, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Abhandenkommen des Originalkassenbuchs falle zwar in die Zeit der Verantwortlichkeit der Klägerin, der Beklagte habe aber kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass die Abmahnung in deren Personalakte verbleibe.

18

a) Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben ( BAG 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - RzK I 1 Nr. 47; 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 83 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 21). Ein Arbeitnehmer kann deshalb nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen ( BAG 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - zu II 2 der Gründe, aaO; 7. September 1988 - 5 AZR 625/87  - zu III der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 17; 13. April 1988 - 5 AZR 537/86  - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 100 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 47). Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist (BAG 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34; 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - aaO; 7. September 1988 - 5 AZR 625/87 - aaO).

19

b) Diesen Maßstab hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

20

aa) Es hat angenommen, eine Abmahnung könne nach längerem einwandfreien Verhalten des Arbeitnehmers ihre Wirkung verlieren, wofür die Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Dies trifft zwar zu. So kann es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - aaO). Berücksichtigt worden ist damit aber nur die Warnfunktion einer Abmahnung. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber dagegen seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 464/00 - zu I der Gründe, BAGE 100, 70; 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34; 26. Januar 1995 - 2 AZR 649/94 - zu B III 4 a der Gründe, BAGE 79, 176).

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bb) Ein Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setzt demnach nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Der Arbeitgeber darf auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten muss für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein. Das ist nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus kann es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge im Sinne einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können. Demgegenüber verlangen die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht, einen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung schon dann zu bejahen, wenn diese zwar ihre Warnfunktion verloren hat, ein Dokumentationsinteresse des Arbeitgebers aber fortbesteht. Auch wenn sich eine Abmahnung noch in der Personalakte befindet, ist im Rahmen eines möglichen Kündigungsrechtsstreits stets zu prüfen, ob ihr noch eine hinreichende Warnfunktion zukam (vgl. etwa BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4).

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cc) Diese Voraussetzungen eines Entfernungsanspruchs hat das Landesarbeitsgericht nicht sämtlich geprüft.

23

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Abmahnung sei wegen Zeitablaufs nicht mehr wirksam und deshalb aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Mit der Verwaltung der Zahlstelle sei die Klägerin offensichtlich überfordert gewesen. Ihr seit der Abmahnung beanstandungsfreies Verhalten lasse den Schluss zu, sie werde künftig ihre Arbeitspflichten ordnungsgemäß erfüllen.

24

(2) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts lässt nicht erkennen, an welchem Maßstab es sich orientiert und diese Einzelfallumstände gewürdigt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass es geprüft hätte, ob die Abmahnung für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden ist. Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte erwogen und ausgeschlossen, unter denen der Beklagte ein berechtigtes Interesse an dem weiteren Verbleib der Abmahnung in der Personalakte der Klägerin haben könnte. Es hat insbesondere nicht gewürdigt, ob das gerügte Fehlverhalten der Klägerin weiterhin von Bedeutung für eine Beurteilung ihrer Fähigkeiten und Leistungen als Haushaltssachbearbeiterin sein konnte. Dagegen spricht nicht schon der Umstand, dass nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Gefahr einer erneuten Pflichtverletzung nicht mehr bestand. Sollte mit dem Landesarbeitsgericht anzunehmen sein, die Klägerin sei mit der Verwaltung der Zahlstelle überfordert gewesen, spricht dies mit Blick auf künftige Einsatzmöglichkeiten eher für ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Beibehaltung der Dokumentation.

25

II. Ob der Beklagte verpflichtet ist, die Abmahnung vom 16. April 2008 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, steht danach noch nicht fest.

26

1. Eine solche Verpflichtung besteht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb, weil die Abmahnung eine falsche Tatsachenbehauptung oder unzutreffende rechtliche Wertung insoweit enthielte, wie der Beklagte rügt, die Klägerin habe Frau H bezichtigt, für das Verschwinden des Kassenbuchs die Verantwortung zu tragen.

27

a) Der Beklagte hat sowohl im Text der Abmahnung als auch im Rechtsstreit angegeben, worauf er diesen Vorwurf stützt. Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung angegeben, der Kollegin am 26. April 2007 das Originalkassenbuch übergeben und es von ihr nicht wieder zurückerhalten zu haben. Dies treffe nicht zu.

28

b) Entspräche die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe das Originalkassenbuch Ende April 2007 nicht ihrer Kollegin übergeben, der Wahrheit, enthielte seine Rüge, die Klägerin habe dadurch die Kollegin bezichtigt, für das Verschwinden des Kassenbuchs verantwortlich zu sein, weder eine falsche Tatsachenbehauptung, noch beruhte sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung. Es ginge dann nicht nur um eine möglicherweise von der Klägerin missverstandene Beschlusslage von Anfang März 2007, wie das Arbeitsgericht gemeint hat. Die Klägerin hätte vielmehr selbst unzutreffende Angaben zu einer tatsächlichen Übergabe des Kassenbuchs mit der Folge gemacht, dass ihre Kollegin als verantwortlich für das Verschwinden des Kassenbuchs erscheinen musste.

29

2. Sonstige Gründe für einen Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung sind auf Basis der bisherigen Feststellungen nicht gegeben. Die Abmahnung ist weder inhaltlich zu unbestimmt noch verstößt sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

30

3. Umgekehrt ist ein Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung vom 16. April 2008 nicht deshalb generell ausgeschlossen, weil die Abmahnung für die bei einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses ihre Bedeutung behielte. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

31

a) Im Schrifttum wird teilweise angenommen, der Arbeitgeber habe ein dauerhaftes Interesse an dem Verbleib einer zu Recht erteilten Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers (vgl. Kleinebrink BB 2011, 2617, 2622; Ritter DB 2011, 175, 176 f.; Schrader NZA 2011, 180, 181). Die Abmahnung möge zwar nach einem gewissen Zeitablauf ihre Warnfunktion verlieren, im Rahmen der Interessenabwägung müsse sich der Arbeitgeber aber weiterhin auf sie berufen dürfen (Schrader aaO). Durch bloßen Zeitablauf könne die Abmahnung nicht bedeutungslos werden, weil für die Abwägung der beiderseitigen Interessen erheblich sein könne, ob das Arbeitsverhältnis während seines - gesamten - Bestands störungsfrei gewesen sei (Ritter DB 2011, 175, 176). Der Arbeitgeber müsse die Möglichkeit haben, Unterlagen, die einen Vertrauenszuwachs verhindern könnten, dauerhaft in der Personalakte zu belassen (Kleinebrink aaO).

32

b) Zutreffend ist, dass eine Abmahnung für eine spätere Interessenabwägung auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn sie ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion verloren hat. So kann in die Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ein zuvor störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses einzubeziehen sein (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 237 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09  - Rn. 34, BAGE 134, 349). An einem solchen kann es fehlen, wenn der Arbeitnehmer schon einmal abgemahnt wurde. Gleichwohl besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. So kann ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.

33

III. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.

34

1. Bislang ist nicht aufgeklärt, ob die Abmahnung vom 16. April 2008 eine unrichtige Tatsachenbehauptung oder falsche rechtliche Bewertung enthält. Die Klägerin hat zwar nicht bestritten, bei ihrer Anhörung angegeben zu haben, sie habe ihrer Kollegin schon Ende April 2007 die Zahlstelle übergeben. Eine Pflichtverletzung läge darin aber nur, wenn dies nicht der Wahrheit entspräche. Hierzu haben die Parteien widerstreitend vorgetragen.

35

2. Ebenso wenig wie für das Fortbestehen der Warnfunktion einer Abmahnung (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4)gibt es eine fest bemessene Frist für die Dauer, für welche ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an ihrem Verbleib in der Personalakte des Arbeitnehmers anzuerkennen ist. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Je schwerer eine Pflichtverletzung wiegt, desto länger kann sie für die Beurteilung der Führung, der Leistungen und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers und ggf. für seine Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Ordnungsverstoß kann seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren (vgl. dazu BAG 27. Januar 1988 - 5 AZR 604/86 - zu III der Gründe, RzK I 1 Nr. 26) als ein Fehlverhalten, welches geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Auch eine schwere Pflichtverletzung im Leistungsbereich wird ein Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte angesichts der Möglichkeit, die Qualität der Arbeitsleistung und die Befähigung des Arbeitnehmers für höherwertige oder andere Tätigkeiten beurteilen zu müssen, für längere Zeit begründen können.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.