Oberlandesgericht Hamm Urteil, 14. Jan. 2016 - 22 U 136/11
Eingereicht durch
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.5.2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von I Bl. ##### in Abt. III unter lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld über 75.000 € nebst Zinsen seit dem 29.08.2014 zu bewilligen.
Sie wird weiter verurteilt, an die Klägerin die vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrags vom XX.X.2009 (UR-Nr. 39/2009 des Notars T4 in I) herauszugeben.
Die Zwangsvollstreckung aus § 8 des notariellen Kaufvertrags vom XX.X.2009 wird für unzulässig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 37/100 und die Beklagte zu 63/100.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
3I.
4Mit notariellem Kaufvertrag vom XX.XX.2009 (UR-Nr. 39/2009 des Notars T4 in I) verkaufte die Beklagte ein insgesamt 19.826 m² großes Grundstück (seinerzeit G1, Flur X, Flurstück X - inzwischen Flurstücke X und X-X-, sowie Flur X, Flurstück X – inzwischen Flurstücke X und X) an die H2 GmbH. Es handelte sich um ein ehemaliges Schlachthofgelände mit mehreren aufstehenden Gebäuden. Das Grundstück grenzt an ein im Eigentum der E C1 stehendes Grundstück, auf welchem sich ein Eisenbahnviadukt mit 16 Torbögen befindet, welche an verschiedene gewerbliche Mieter vermietet sind.
5Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 205.000 € vereinbart. § 2 des Kaufvertrags sah einen Gewährleistungsausschluss für Sach-, nicht aber für Rechtsmängel vor. In § 8 Abs. 1 des Vertrags heißt es unter der Überschrift „Arbeitsplatzgarantie“ wie folgt:
6„Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer ab dem 1.1.2010 für die Dauer von mindestens fünf Jahren mindestens 30 Arbeitsplätze auf dem Kaufobjekt nachzuweisen. Es muss sich entweder um Vollzeitarbeitsplätze oder um eine gleichwertige Anzahl von Teilzeitarbeitsplätzen handeln. Diese müssen jeweils einen Bestand von insgesamt fünf Jahren aufweisen, wobei geringfügige Unterbrechungen – höchstens vier Wochen – statthaft sind.
7Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer bei Unterschreitung der garantierten Anzahl von Arbeitsplätzen pro nicht eingehaltenen B-Platz eine einmalige Vertragsstrafe von 5.000 € pro Arbeitsplatz (…) zu zahlen. (…)
8Wegen der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe unterwirft sich der Käufer dem Verkäufer gegenüber in Höhe von 150.000 € der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen (…).“
9Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf den notariellen Kaufvertrag vom XX.X.2009 Bezug genommen (Bl. 11 ff. GA).
10Teil des verkauften Geländes ist eine als „T-Straße“ bezeichnete Wegfläche, eine Sackgasse. Diese ist nach etwa 20-30 m über die gesamte Breite der Fahrbahn mit einem Tor versehen. Wegen der Örtlichkeiten wird auf die als Anlage zum Protokoll vom 29.3.2011 im Parallelverfahren (4 O 327/11 LG Hagen) zur Akte genommenen Fotos (Bl. 64a f. BA) sowie den Katasterplan (Bl. 51 BA) Bezug genommen. Die Beklagte hatte im Jahr 1976 verwaltungsintern festgestellt, dass die T-Straße nach altem Recht als gewidmet anzusehen sei, da sie bereits seit 1878 vorhanden sei. Diese Feststellung wurde seinerzeit von der Beklagten auf einer Karteikarte ihrer im damaligen Fachbereich 66/55 (Planen und Bauen) geführten Widmungskartei vermerkt und die T-Straße als gewidmete Straße in den Stadtplan aufgenommen. Die mit dem Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks an die H2 GmbH befassten Mitarbeiter des seinerzeit hierfür zuständigen Fachbereichs 23 (ehemaliges Liegenschaftsamt) hatten von der Existenz der Eintragung der T-Straße in die Widmungskartei keine Kenntnis. Es entsprach (und entspricht) auch nicht der üblichen Handhabung bei der Beklagten, dass die mit dem Verkauf eines städtischen Grundstücks befassten Mitarbeiter routinemäßig die Widmungskartei abfragen.
11Die Übergabe des Kaufobjektes erfolgte zum X.X.2009.
12Am 18.5.2009 wurde die H2 GmbH ins Grundbuch eingetragen.
13Zur Absicherung des Vertragsstrafversprechens erfolgte die Eintragung zweier Grundschulden über jeweils 75.000 € nebst Zinsen zugunsten der Beklagten in das Grundbuch.
14Mit notariellem Vertrag vom 20.2.2009 verkaufte die H2 GmbH eine 2.503 m² große Teilfläche des von der Beklagten erworbenen Grundstücks (Flur X, neues Flurstück X) zum Preis von 200.000 € an die D & C GbR. Wegen der Einzelheiten wird auf Notarvertrag vom XX.X.2009 (Bl. 180 ff. GA) Bezug genommen. Die Eintragung der D & C GbR ins Grundbuch erfolgte am 17.9.2009.
15In der Folgezeit firmierte die H2 GmbH um in „Haus und H GmbH“.
16Mit Schreiben vom 08.07.2010 teilte die Beklagte der Haus- und H GmbH mit, dass ihr eine vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrags vorliege. Zugleich forderte sie die Klägerin wegen der behaupteten Nichteinhaltung der Zusage zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem verkauften Grundstück zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 € bis zum 06.08.2010 auf (Bl. 40 GA).
17Die Haus- und H GmbH hat daraufhin mit einem am 20.9.2010 eingegangenen Schriftsatz die vorliegende Klage – zunächst als bloße Vollstreckungsgegenklage – erhoben.
18Zeitgleich nahm die Haus- und H GmbH im Parallelverfahren (4 O 327/10 LG Hagen) die Fa. Fleischwaren & Q GbR, welche einen der Torbögen des Viaduktes angemietet hatte, auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Anspruch, und zwar mit dem Argument, die Fa. X nutze die im Eigentum der Haus- und H GmbH stehende – näher bezeichnete - Teilfläche vor dem angemieteten Torbogen unberechtigt als Zuwegung und Abstellfläche für Verkaufswagen und Lieferfahrzeuge. Darüber hinaus verklagte die Haus- und H GmbH die Fa. Fleischwaren & Q GbR im Verfahren 9 O 309/10 LG Hagen auf Räumung und Unterlassung der Nutzung der genannten Flächen. Im erstgenannten Verfahren bekundete der Zeuge S, Kommunalbeamter bei der Beklagten, tätig im seinerzeitigen Fachbereich 66, im Beweisaufnahmetermin vom 29.3.2011 (Bl. 52 R ff. Beiakte 4 O 327/10 LG Hagen), dass die T-Straße (zumindest deren auf dem Katasterplan - Bl. 51 BA 4 O 327/10 - schraffierter Bereich) seiner Meinung nach als öffentliche Straße anzusehen sei.
19Unter Bezugnahme auf diese Zeugenaussage wandte sich die Haus- und H GmbH unter dem 3.5.2011 an die Beklagte und verwies darauf, bei einem Großteil des verkauften Grundstücks handele es sich offensichtlich um öffentliches Straßenland, was eine Rückabwicklung des Kaufvertrages rechtfertige (Bl. 238 ff. GA). Mit weiterem Schreiben vom 18.5.2011 (Bl. 250 GA) wurde seitens der Haus- und H GmbH daraufhin der Rücktritt vom Kaufvertrag, hilfsweise dessen Anfechtung gemäß § 123 BGB erklärt. Der Beklagten wurde eine Frist zur Entwidmung der betroffenen Flächen als öffentliches Straßenland gesetzt bis zum 3.6.2011, welche fruchtlos verstrich.
20Die seinerzeitige Klägerin, die Haus- und H GmbH, hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde sei unzulässig. Die Vertragsstrafe sei nicht verwirkt, zudem bestünden rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertragsstrafversprechens. Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ergebe sich ferner aus dem von ihr erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag bzw. dessen Anfechtung. Im Übrigen werde hilfsweise die Aufrechnung mit Minderungsansprüchen erklärt; das in großem Umfang verkaufte öffentliche Straßenland sei wirtschaftlich wertlos. Der Kaufpreis sei um mindestens 150.000 € zu mindern.
21Die – seinerzeitige - Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
22die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus § 8 des Kaufvertrags vom XX.X.2009 (UR-Nr. 39/2009 des Notars T4 in Hagen) für unzulässig zu erklären.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie hat die Auffassung vertreten, die Vertragsstrafe sei wirksam vereinbart worden und – verschuldensunabhängig – verwirkt.
26Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 25.5.2011, auf welches wegen des vollständigen Sachverhaltes, der Anträge und der Einzelheiten der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Zwangsvollstreckung „derzeit“ für unzulässig erklärt, „soweit sie einen Betrag von 130.000 € übersteigt“, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
27Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin sei zulässig, aber überwiegend unbegründet. Die Klägerin habe verschuldensunabhängig eine Vertragsstrafe in Höhe von 130.000 € (= 26 x 5.000 €) verwirkt. Die Beklagte habe über vier unstreitige Arbeitsplätze hinaus keine Arbeitsplätze nachgewiesen. Eine weitere Beweiserhebung sei insoweit nicht geboten. Die Klägerin sei nämlich nach dem Kaufvertrag verpflichtet gewesen, die Arbeitsplätze der Beklagten gegenüber nachzuweisen, wofür eine etwaige Beweisführung im Prozess nicht genüge. Die Klägerin habe den Kaufvertrag auch nicht wirksam angefochten, da die Beklagte sie nicht arglistig über die (behauptete) Widmung von 50 % der verkauften Grundstücksfläche als öffentliche Straße getäuscht habe. Ob die Klägerin zum Rücktritt berechtigt sei, könne dahinstehen, da ein wirksamer Rücktritt die bereits zuvor verwirkte Vertragsstrafe ohnehin nicht berühre. Schließlich könne die Klägerin auch nicht mit einem Minderungsanspruch gegen die Vertragsstrafe aufrechnen. Dies folge jedenfalls daraus, dass die von der Klägerin bis zum 03.06.2011 gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung bei Erlass des Urteils noch nicht verstrichen gewesen sei.
28Gegen die ihr am 16.6.2011 zugestellte Entscheidung hat die Haus- und H GmbH mit einem am 15.7.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Fristverlängerung bis 16.9.2011 (Bl. 331 GA) mit einem an diesem Tag eingegangenen weiteren Schriftsatz begründet (Bl. 347 GA). Hierbei hat sie zunächst – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – den Antrag angekündigt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuweisen. Für den Fall einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts hat sie den Antrag angekündigt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufvertrag insgesamt für unzulässig zu erklären.
29Unter dem 9.6.2011 wurde die formwechselnde Umwandlung der Haus- und H GmbH in die J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG (persönlich haftende Gesellschafterin: J T5 J a.r.l., Kommanditistin: Haus- und H GmbH & Co. KG) ins Handelsregister eingetragen (Bl. 590 GA), woraufhin die Abänderung des Aktivrubrums beantragt wurde (Bl. 437, 439 GA).
30Mit einem am 28.11.2011 eingegangenen Schriftsatz erhob die Fa. Fleischwaren & Q GbR beim Verwaltungsgericht Arnsberg gegen die hiesige Beklagte Klage auf Feststellung, dass es sich bei der T-Straße um eine öffentliche Straße handele (Beiakte 7 K 3091/11 = 11 A 2227/12 OVG NRW).
31Mit Vertrag vom 8.12.2011 verkaufte die J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG eine weitere Teilfläche des streitgegenständlichen T-geländes (Flur X, neues Flurstück X) an einen Herrn Y (Bl. 537 ff. GA). Dessen Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 2.5.2013.
32Mit Beschluss vom 16.01.2012 (Bl. 413 ff. GA) hat der Senat das Berufungsverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.
33Mit Urteil vom 6.9.2012 wies das Verwaltungsgericht Arnsberg die Klage der Fa. Fleischwaren & Q GbR auf Feststellung, dass es sich bei der T-Straße um eine öffentliche Straße handele, als unbegründet ab (Bl. 124 ff. Beiakte 7 K 3091/11). Hiergegen legte die Fleischwaren & Q GbR Berufung ein.
34Nach dem Ausscheiden ihrer Kommanditistin Haus- und H GmbH & Co. KG und Übertragung ihrer Kommanditeinlage auf die Komplementärin wurde aus der J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG die nunmehrige Klägerin, wobei die entsprechende Eintragung am 25.1.2013 erfolgte.
35Unter dem 13.2.2013 erteilte eine „Kommanditgesellschaft H-Platz “ der P M. T AG den Auftrag zur Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft zugunsten der Beklagten in Höhe von bis zu 75.000 € zur Besicherung der Vertragsstrafverpflichtung gemäß dem Kaufvertrag vom XX.X.2009 (Bl. 582 GA). Hiermit sollte die Löschung der auf dem an den Käufer Y veräußerten Grundstück lastenden Grundschuld in gleicher Höhe ermöglicht werden. Die Bürgschaftsurkunde, welche sich ausdrücklich auf Forderungen der Beklagten gegen die Fa. J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG bezog, datiert vom 4.3.2013 (Bl. 564 f. GA).
36Unter dem 17.4.2013 wurde die P M. T AG von der Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Die Zahlung in Höhe von 75.000 € an die Beklagte erfolgte am 2.5.2013 (Bl. 589 GA). Bereits zuvor, am 12.4.2013 war der Bürgin ein Betrag von 80.000 € überwiesen worden (Bl. 588 GA).
37Unter dem 28.5.2013 verkaufte die Klägerin eine weitere Teilfläche des T-geländes (Flur X, neues Flurstück X) an eine T6 B.V. (Bl. 519 ff. GA) sowie am 26.9.2013 die Flurstücke X, X, X und X an eine Fa. S2 Grundstücks- und Immobiliengesellschaft mbH (Bl. 544 ff. GA). Beide Verträge wurden dinglich vollzogen.
38In seinem Berufungsurteil vom 16.6.2014 stellte das Oberverwaltungsgericht NRW in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Arnsberg fest, dass es sich bei der T-Straße in Hagen um eine öffentliche Straße handele, wobei es im Tatbestand die betroffenen Flächen - nämlich Flur X, Flurstücke X und X sowie Flur X, Flurstück X – näher bezeichnete. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 16.6.2014 (Bl. 217 ff. Beiakte 7 K 3091/11 = 11 A 2227/12 OVG NRW) Bezug genommen.
39Mit Schriftsatz vom 03.11.2014 hat die Klägerin ihren bisherigen Antrag um weitere Anträge ergänzt (Bl. 478 ff. sowie Bl. 599 GA). Darüber hinaus hat sie vorsorglich erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt (Bl. 481 GA).
40Die Klägerin trägt vor, die Beklagte schulde ihr die Zahlung eines Betrages in Höhe von 75.000 €, welchen sie aufgrund der abredewidrigen Inanspruchnahme der Bürgin durch die Beklagte ersterer erstattet habe. Die im Grundbuch von I Bl. ##### in Abt. III unter lfd. Nr. 4 eingetragene Grundschuld über 75.000 € habe der Sicherung des Vertragsstrafversprechens gemäß § 8 des Kaufvertrags vom XX.XX.2009 gedient. Wegen ihres Rücktritts vom Kaufvertrag sei diese Sicherheit freizugeben. Aufgrund der fehlenden Nutz- und Bebaubarkeit derjenigen Grundstücksteile, die öffentliches Straßenland darstellten, sei ihr, der Klägerin ein – allerdings derzeit noch nicht im Einzelnen bezifferbarer – Schaden entstanden.
41Die Klägerin beantragt nunmehr,
42unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
431. die Beklagte zu verurteilen, an sie 75.000 € nebst Zinsen seit dem 29.08.2014 zu zahlen;
442. die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der im Grundbuch von I Bl. ##### in Abt. III unter lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschuld über 75.000 € nebst Zinsen seit dem 29.08.2014 zu bewilligen;
453. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist oder noch entsteht, dass Teilbereiche des mit Kaufvertrag vom XX.X.2009 von den Beklagten erworbenen Grundbesitzes als öffentliches Straßenland gewidmet sind;
464. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die vollstreckbare Ausfertigung des Kaufvertrags vom XX.X.2009 herauszugeben;
475. die Zwangsvollstreckung aus § 8 des notariellen Kaufvertrags vom XX.X.2009 für unzulässig zu erklären.
48Die Beklagte beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Sie rügt die Zulässigkeit der Klageänderung. Diese sei nicht sachdienlich. Im Übrigen beruft sich die Beklagte im Hinblick auf sämtliche geltend gemachten und denkbaren Ansprüche der Klägerin auf die Einrede der Verjährung. Ein etwaiges Rücktrittsrecht der Klägerin sei überdies verwirkt; die Klägerin habe den erworbenen Grundbesitz mit großem Gewinn weiterverkauft. Die Klägerin sei der Beklagten bei Annahme eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses zum Schadens- bzw. Wertersatz verpflichtet; insofern werde hilfsweise die Aufrechnung in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 75.000 € erklärt, weiter hilfsweise werde im Hinblick auf die noch nicht weiterveräußerten und damit zurück zu übereignenden Flurstücke X und X ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Im Übrigen habe nicht die Klägerin, sondern die Fa. Kommanditgesellschaft H-Platz der Bürgin, der P M. T, die Bürgschaftssumme in Höhe von 75.000 € erstattet.
51Zwischenzeitlich wurde die Klägerin durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst und befindet sich in Liquidation (Handelsregisterauszug vom 10.7.2015, Anlage K 42).
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
53Die Beiakten 3 O 309/10 Landgericht Hagen, 4 O 327/10 Landgericht Hagen und 7 K 3091/11 Verwaltungsgericht Arnsberg (= 11 A 2227/12 Oberverwaltungsgericht NRW) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
54II.
55A.
56Die nunmehrige Klägerin ist wirksam Partei des Prozesses geworden.
57Die ursprüngliche Klägerin, die Haus- und H GmbH, ist im Wege der formwechselnden Umwandlung mit Wirkung vom 9.6.2011 zur „J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG“ geworden (vgl. Handelregisterauszug vom 10.8.2011, AG München, HRB 185902, überreicht als Anlage zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 8.10.2015). Der Umwandlung war prozessual – wie geschehen – durch Rubrumsberichtigung Rechnung zu tragen (vgl. allgemein etwa Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 239 Rdn. 17).
58In der Folgezeit ist dann – ausweislich des weiterhin vorgelegten Handelsregistersauzugs vom 25.1.2013 (AG München HRA 97298) – die einzige Kommanditistin der J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG, die Haus- und H GmbH & Co. KG, aus der KG ausgeschieden (Eintragung am 25.1.2013), mit der Folge, dass ihr Anteil der Komplementärin, der J T5 a.r.l., angewachsen ist. Diese ist materiell-rechtlich Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden; letztere wurde zugleich liquidationslos vollbeendet (vgl. allgemein etwa BVerwG, Urteil vom 13. 7. 2011 − 8 C 10/10 - NJW 2011, 3671 m.w.N.). In prozessualer Hinsicht hat die KG durch die Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit eingebüßt (vgl. allgemein Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 50 Rdn. 4); es sind die §§ 239, 246 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 15. März 2004 – II ZR 247/01 – WM 2004, 1138). Da die KG zur Zeit des Rechtsübergangs durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war und ein Aussetzungsantrag gemäß § 246 ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit zunächst unter der bisherigen Parteibezeichnung mit Wirkung für die Komplementärin als Rechtsnachfolgerin der Klägerin fortgesetzt werden (vgl. allgemein BGH a.a.O.). Indem mit Schriftsatz vom 03.11.2014 (Bl. 478 ff. GA) mitgeteilt worden ist, dass die Klägerin als „J T5 J arl.“ firmiere, hat sie entsprechend §§ 239 Abs. 1, 246 Abs. 2 ZPO konkludent die Aufnahme des Verfahrens als Rechtsnachfolgerin der J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG erklärt. Da der Schriftsatz förmlich zugestellt worden ist (vgl. Bl. 490a GA), ist die Aufnahme auch wirksam vollzogen (vgl. § 250 ZPO).
59Dass die Klägerin inzwischen durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst worden ist und sich in Liquidation befindet, ändert an ihrer Parteistellung nichts. Insbesondere entfällt hierdurch nicht ihre Parteifähigkeit im Sinne von § 50 ZPO, da diese – wie erwähnt - bei rechtsfähigen Gesellschaften weder mit deren Auflösung, noch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder mit der Löschung der Gesellschaft in dem jeweiligen Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister, sondern erst mit der Vollbeendigung nach Abwicklung endet (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. April 1979 - II ZR 73/78 - NJW 1979, 1592; BGH, Urteil vom 17. Oktober 1994 - V ZR 58/93 - NJW 1995, 196; BGH, Urteil vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95 - NJW 1996, 2035). Mit der Auflösung etwa durch Beschluss der Gesellschaft tritt die Gesellschaft nur in ein Liquidationsstadium ein und besteht mit Liquidationszweck fort. Unabhängig davon gilt aber auch eine vermeintlich beendete Gesellschaft als aktiv parteifähig, wenn sie ein Vermögensrecht in Anspruch nimmt, weil sich hieraus ergibt, dass die Liquidation tatsächlich noch nicht beendet ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1979 - II ZR 257/78 - NJW 1980, 233). Für die Parteifähigkeit der Klägerin ist es vorliegend mithin ausreichend, dass sie sich in dieser Parteirolle eines Vermögensrechtes berühmt (vgl. allgemein auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Februar 2013 – 12 U 136/12 – IBR 2015, 670).
60B.
61Die Berufung ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Die Beschwer beträgt über 600 €. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
62C.
63Die Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
641. Antrag: Zahlung von 75.000 € nebst Zinsen
65I.
66Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die mit Schriftsatz vom 3.11.2014 (Bl. 478 ff. GA) erfolgte nachträgliche Klagehäufung – für welche die Vorschriften zur Klageänderung entsprechend gilt (vgl. allgemein etwa Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 263 Rdn. 2) – zulässig, so dass der erst in der Berufung gestellte Zahlungsantrag nicht bereits auf der Grundlage von § 533 ZPO als unzulässig abzuweisen ist.
67Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach in dem Übergang von einer Vollstreckungsabwehrklage auf eine Rückgewährklage nach Inanspruchnahme einer Prozessbürgschaft keine Klageänderung gemäß § 263 ZPO, sondern eine privilegierte Antragsumstellung gemäß § 264 Nr. 3 ZPO zu sehen sei (vgl. Urteil vom 12.07.2002 - V ZR 195/01 - BeckRS 2002, 30272315), die vorliegende Erweiterung des Antrags auf Zahlung von 75.000 € den Beschränkungen des § 533 ZPO ohnehin nicht unterfällt (vgl. allgemein etwa BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03 – BGHZ 158, 295). Denn sie ist jedenfalls auch nach § 533 ZPO zulässig:
68Zwar liegt eine Einwilligung der Beklagten gemäß § 533 Nr. 1 ZPO nicht vor. Eine solche ist allerdings entbehrlich, denn die Klagehäufung bzw. Klageänderung ist jedenfalls sachdienlich i.S.v. § 533 Nr. 1 ZPO: Würde der neue Zahlungsantrag nicht zugelassen, müsste die Klägerin womöglich einen weiteren Rechtsstreit führen. Es wird auch kein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt, vielmehr geht es wie bei der ursprünglich allein erhobenen Vollstreckungsabwehrklage letztlich darum, ob die Klägerin zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet ist bzw. war.
69Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Hierbei kommt es allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann vielmehr bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04 – NJW 2007, 2414)
70Die weitere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO ist ebenfalls erfüllt. Der neue, weitere Klageantrag kann auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen hat: Für die Begründetheit des neuen Antrags kommt es letztlich darauf an, ob die Beklagte zu Recht die Bürgin aus der Bürgschaft in Anspruch genommen hat, was voraussetzt, dass seitens der Klägerin die Vertragsstrafe weiterhin geschuldet ist. Insoweit sind also dieselben Tatsachen maßgeblich wie für die Vollstreckungsabwehrklage. Hinzu kommt, dass der neue Vortrag der Klägerin zur Stellung der Bürgschaft und deren Inanspruchnahme schon deshalb gemäß den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen ist, weil sich die entsprechenden Ereignisse ersichtlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zugetragen haben (vgl. allgemein etwa Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 533 Rdn. 3).
71II.
72Die Klage auf Zahlung von 75.000 € ist jedoch unbegründet.
731.
74Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe zu Unrecht die Bürgin – die P M. T AG – aus der Bürgschaft auf Zahlung von 75.000 € in Anspruch genommen, so dass sie, nachdem die Bank bei ihr, der Klägerin, Rückgriff genommen habe, der Klägerin den aus der Bürgschaft erlangten Betrag zu erstatten habe.
75Den entsprechenden Anspruch hat die Klägerin allerdings im Ergebnis nicht hinreichend schlüssig dargetan.
76a)
77Es ist grundsätzlich anerkannt, dass im Fall unberechtigter Inanspruchnahme einer Bürgschaft und Rückgriff des Bürgen - aufgrund Forderungsübergangs (§ 774 BGB) - beim Dritten, letzterem aus der Sicherungsabrede ein Erstattungsanspruch gegen den Gläubiger zusteht (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 24. September 1998 – IX ZR 371/97 – BGHZ 139, 325): Aus Inhalt und Zweck der Sicherungsabrede folgt die Verpflichtung des Gläubigers, die Sicherung zurückzugewähren, sobald feststeht, dass der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. November 1997 – GSZ 1/97, GSZ 2/97 – BGHZ 137, 212). Hat der Gläubiger die ihm als Sicherheit geleistete Bürgschaft zu Unrecht verwertet, hat er folglich dem Schuldner, der seinerseits den Bürgen befriedigt hat, die erhaltene Zahlung zu erstatten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. September 1998 – IX ZR 371/97 – BGHZ 139, 325).
78b)
79Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Beklagte die Bürgin zu Unrecht aus der Bürgschaft in Anspruch genommen hat, denn die Klägerin hat bereits nicht hinreichend schlüssig dargetan, dass sie der Bürgin den streitgegenständlichen Betrag erstattet hat.
80Zu berücksichtigen ist zunächst, dass ausweislich Bl. 582 GA nicht etwa die – seinerzeit bereits existente – Klägerin der Bank den Auftrag zur Übernahme der Bürgschaft erteilt hat, sondern eine Fa. Kommanditgesellschaft H-Platz. Auch die Bürgschaftsurkunde vom 4.3.2013 (Bl. 584 GA) bezieht sich nicht auf Forderungen im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin, sondern als solche zwischen der Beklagten und der nach obigen Darlegungen seinerzeit – seit 25.1.2013 – allerdings bereits vollbeendeten J Haus- und Grundmanagement s.r.l. & Co. KG. Dass es die Klägerin war, die von der Bürgin auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist bzw. der Bank den Betrag erstattet hat, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend: Die als Bl. 588 GA vorgelegte Gutschrift erwähnt eine – nicht näher bezeichnete – Kommanditgesellschaft. Auch die Bestätigung der bürgenden Bank vom 27.1.2015 (Bl. 589 GA) richtet sich nicht etwa an die Klägerin, sondern an die J Haus- und Grundstücksmanagement s.r.l. & Co KG, aus deren Guthaben die Erstattung des Bürgschaftsbetrages erfolgt sein soll.
812.
82Einem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 75.000 € aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m §§ 437 Nr. 2, 323 BGB steht entgegen, dass der von der Klägerin erklärte Rücktritt nach § 218 BGB i.V.m. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB wegen Verjährung des ihm zugrunde liegenden Gewährleistungsanspruchs unwirksam ist.
83Im Einzelnen:
84a)
85Die Klägerin hat die – wirksam vereinbarte - Vertragsstrafe zumindest in Höhe des hier in Rede stehenden Betrages von 75.000 € zunächst verwirkt.
86aa)
87Wie das Landgericht, auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug genommen wird, zu Recht angenommen hat, hat die Klägerin über die vier zwischen den Parteien unstreitigen Arbeitsplätzen im Betrieb der Fa. T & I hinaus keinen Nachweis weiterer Arbeitsplätze mit einem Bestand von 5 Jahren ab 1.1.2010 erbracht. Hierzu wäre sie allerdings nach § 8 des Kaufvertrages verpflichtet gewesen.
88bb)
89Die Ansicht der Klägerin, dass sich § 8 des Kaufvertrags nicht auf den festen Zeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2014 beziehe, sondern auf einen „flexiblen“ Fünfjahreszeitraum „irgendwann“ nach dem 01.01.2010 (Bl. 95 f., 366 f. GA) teilt der Senat ebenso wenig wie das Landgericht. Der Vertragswortlaut ist insoweit weder auslegungsfähig noch -bedürftig. Die Klägerin hat sich eindeutig dazu verpflichtet, den Bestand von 30 Arbeitsplätzen ab dem 01.01.2010 nachzuweisen, und zwar durchgehend für die Dauer von fünf Jahren, mithin bis 31.12.2014.
90cc)
91Die Beklagte hat die Klägerin hinsichtlich des von ihr geschuldeten Nachweises der genannten Arbeitsplätze auch in Verzug (§§ 339 Abs. 1 S. 1, 286 Abs. 1 BGB) gesetzt, nämlich mit Schreiben vom 7.4.2010 (vgl. Bl. 39 f. GA).
92Dass sie den Verzug nicht zu vertreten gehabt hätte (§ 286 Abs. 4 BGB), hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht hinreichend dargetan. Soweit sie geltend macht, sie sei für den Nachweis auf die Mithilfe der Mieter angewiesen und habe die D & C GbR schon seit dem 08.10.2009 wiederholt aufgefordert, Auskunft über die dort vorhandenen Arbeitsplätze zu erteilen (Bl. 174 f.GA), hat sie ihr Auskunftsverlangen gegenüber der D & C GbR nach ihrem eigenen Vortrag allerdings erst im Jahr 2011 mit dem gebotenen Nachdruck verfolgt, nämlich mit Anwaltsschreiben vom 17.01.2011 (Bl. 193 GA), mithin zu einem Zeitpunkt, in welchem die Vertragsstrafe bereits verwirkt war. Weitere konkrete Nachweishindernisse trägt die Klägerin nicht dar.
93dd)
94Die Klägerin vermag sich auch nicht mit Erfolg darauf zu berufen, das Landgericht habe zu Unrecht eine weitere Beweisaufnahme über die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze abgelehnt. Abgesehen davon, dass das Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin (vgl. § 345 BGB) die erforderliche Substantiierung vermissen lässt – es hätte aus obigen Gründen auch dargetan werden müssen, dass die von der Garantie umfassten Arbeitsplätze tatsächlich über den gesamten in Rede stehenden Zeitraum Bestand hatten - , ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 des Kaufvertrags eindeutig, dass sich die Klägerin nicht nur zur Schaffung, sondern auch zum Nachweis entsprechender Arbeitsplätze verpflichtet hat. Ein Nachweis im Prozess kann damit allerdings vernünftigerweise nicht gemeint gewesen sein, denn dann wäre die ausdrückliche vertragliche Nachweisverpflichtung überflüssig.
95Soweit die Klägerin beantragt hat, die Zeugen I und C zu vernehmen, damit diese den klägerischen Vortrag konkretisieren (vgl. Bl. 368, 369 GA), würde eine solche Vernehmung überdies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.
96ee)
97Der Senat sieht auch keinen Anlass für eine nachträgliche Anpassung der Vertragsstrafenklausel in § 8 des Kaufvertrags, etwa gemäß § 313 BGB: Die Klägerin hat nicht einmal ansatzweise substantiiert dargelegt, inwiefern etwa Probleme der Energieversorgung oder das nachträgliche Verbot des Einzelhandels konkret die Schaffung von Arbeitsplätzen behindert hätte. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin hinsichtlich der Schaffung der Arbeitsplätze ausdrücklich eine „Garantie“ übernommen hat, so dass sie für deren Einhaltung sogar verschuldensunabhängig haftet.
98b)
99Die verwirkte Vertragsstrafe ist durch den Rücktritt der Klägerin nicht in Wegfall geraten, denn dieser ist durch die Berufung der Beklagten auf Verjährung unwirksam geworden (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB).
100aa)
101Grundsätzlich war die Klägerin allerdings zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.
102(1)
103Zwischen den Parteien – bzw. zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten – ist ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Schlachthofgelände zustande gekommen.
104(2)
105Das verkaufte Grundstück war insoweit mit einem Mangel behaftet, als ein großer Teil der verkauften Fläche, nämlich Flur X, Flurstücke X und X sowie Flur X, Flurstück X, der Widmung als öffentliches Straßenland unterliegt. Dies ergibt sich aus dem - gemäß den §§ 121 Nr. 1, 63 VwGO die Parteien und damit auch den Senat bindenden – rechtkräftigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 16.6.2014. Die Widmung als öffentliche Straße hat zur Folge, dass die Klägerin mit dem erworbenen Eigentum – jedenfalls zum Teil - nicht im Sinne von § 903 S.1 BGB nach eigenem Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen kann, sondern den Gemeingebrauch (§ 14 Abs. 1 StrWG NW) zu dulden hat.
106Hierbei handelt es sich um einen Rechtsmangel (§ 435 BGB), nicht um einen Sachmangel der Kaufsache, so dass der vereinbarte Gewährleistungsausschluss (§ 2 des Kaufvertrag), welcher sich ausdrücklich nur auf Sachmängel bezieht, von vornherein keine Anwendung findet.
107Der Einordnung als Rechtsmangel steht nicht entgegen, dass nach ganz überwiegender, auch vom Senat geteilter Auffassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Baulasten als Sachmangel eines Grundstücks bewertet werden. Eine solche öffentlich- rechtliche Baubeschränkung (vgl. § 83 BauO NW) stelle – so die Begründung - kein Recht eines Dritten im Sinne des Rechtsmangelbegriffs dar: Nach § 435 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Hierunter fallen aber grundsätzlich nur diejenigen Baubeschränkungen, die ihre Grundlage in Privatrechten Dritter haben, nicht aber auch die, welche auf öffentlichem Recht beruhen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 – V ZR 171/10 – BGHZ 190, 272; Urteil vom 08. Juli 1983 – V ZR 204/82 – BGHZ 88, 97; BGH, Urteil vom 10. März 1978 – V ZR 69/76 –, juris; Urteil vom 15. Juni 1965 – V ZR 20/63 –, juris, unter Hinweis auf RGZ 131, 348, 161, 193, 194; Senat, Urteil vom 29. März 2012 – 22 U 40/10 - juris; B. Grunewald in: Erman BGB, Kommentar, § 435, Rdn. 13; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB (2013), § 435, Rn. 27).
108Auch wenn es sich bei der Widmung als öffentliche Straße ebenfalls um eine auf dem öffentlichen Recht beruhende Beschränkung handelt, unterliegt sie einer anderen rechtlichen Bewertung als eine Baulast: Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Eigentümer in der ersten Fallkonstellation kraft der bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindung in deren Umfang das Grundstückseigentum selbst entzogen werden kann: § 11 Abs. 1 StrWG NW sieht vor, dass der Träger der Straßenbaulast „das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben soll“. Für den Fall, dass kein freihändiger Erwerb eines bereits für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks möglich ist, sehen §§ 11 Abs. 3 S. 1 StrWG NW, 2 Abs. 1 Nr. 1 EEG NW bzw. § 42 StrWG NW die Möglichkeit der Enteignung vor. Diese „Belastung“ eines Grundstücks mit einer Enteignungsmöglichkeit stellt insofern einen Rechtmangel dar, als der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 4.6.1982 - V ZR 81/81 – NJW 1983, 275; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB (2013), § 435, Rdn. 29; Faust, in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Hrsg: Bamberger/Roth, Stand: 01.08.2014, § 435 Rdn. 18; B. Grunewald in: Erman BGB, Kommentar, § 435 BGB, Rdn. 13). Im Übrigen können auch Rechte des Verkäufers oder des Käufers selbst (hier der Beklagten als Verkäuferin und Trägerin der Straßenbaulast) grundsätzlich unter § 435 BGB fallen (vgl. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB (2013), § 435, Rdn. 8, ebenso Grunewald, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 435 BGB Rdn. 10).
109(3)
110Dafür, dass die Klägerin positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Qualifikation eines Teiles der vor ihr erworbenen Fläche als Straßenland gehabt hätte (§ 442 BGB), ergeben sich aus dem beiderseitigen Vortrag keinerlei Anhaltspunkte. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die verkehrserforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 277 Rdn. 5). Schon der Umstand, dass das Verwaltungsgericht Arnsberg der „T-Straße“ die Qualität einer öffentlichen Straße erstinstanzlich abgesprochen hat, spricht dafür, dass der Mangel für die Klägerin nicht auf der Hand lag.
111(4)
112Dem Rücktritt der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie der Beklagten keine – zureichende – Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung (§ 323 Abs. 1 BGB) gesetzt hätte.
113Die Klägerin hat den Rücktritt mit Schreiben vom 18.05.2011 erklärt, ohne vorher eine entsprechende Frist gesetzt zu haben. Allerdings kann der Rücktritt auch vorsorglich für den Fall des erfolglosen Fristablaufs erklärt werden, also mit der Fristsetzung verbunden werden (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 323 Rdn. 33), was vorliegend der Fall ist. Die gesetzte Frist zur Entwidmung (bis zum 03.06.2011) war allerdings deutlich zu kurz, schon weil § 7 Abs. 4 StrWG NW vorsieht, dass die Absicht der Entwidmung („Einziehung“) mindestens drei Monate vorher ortsüblich bekanntzumachen ist. Andererseits setzt eine unangemessen kurze Fristsetzung grundsätzlich die objektiv angemessene Frist in Gang (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rdn. 14). Auch diese Frist, die der Senat vorliegend mit sechs Monaten bemisst, ist inzwischen verstrichen; die Rücktrittserklärung vom 18.05.2011 ist wirksam geworden. Jedenfalls aber war die Frist verstrichen, als die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.11.2014 vorsorglich erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat (Bl. 481 GA).
114(5)
115Das Rücktrittsrecht der Klägerin ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung der Beklagten ausgeschlossen.
116(6)
117Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18.5.2011 (Bl. 243 GA) – sowie nochmals unter dem 3.11.2014 (Bl. 481 GA) – den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
118(7)
119Die Klägerin hat auch nicht, wie die Beklagte meint, dadurch – konkludent - auf ihr Rücktrittsrecht verzichtet, dass sie noch nach ihrer (ersten) Rücktrittserklärung mehrere Teilflächen des erworbenen Grundstücks an Dritte weiterveräußert hat.
120Da das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht ist, das durch einseitige Erklärung ausgeübt wird, kann der Rücktrittsberechtigte auf dieses Recht auch einseitig verzichten
121(vgl. Kaiser, in: Staudinger, BGB (2012) § 349 Rdn. 56 f.) Dabei kommt es nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht auf einen Verzichtswillen des Rücktrittsberechtigten, sondern darauf an, wie sein Verhalten objektiv zu würdigen ist. So kann beispielsweise die eigene Leistung oder die Annahme der Gegenleistung in Kenntnis der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts als Verzicht anzusehen sein. Allein langes Zuwarten mit der Rücktrittserklärung trotz Kenntnis der Voraussetzungen kann dagegen noch nicht als Verzicht ausgelegt werden. Selbst nach Ausübung des Rücktrittsrechts stellt im Übrigen der bloße Weitergebrauch der empfangenen Leistung im Rahmen des Üblichen regelmäßig keinen Verzicht dar. Kommen zum Weitergebrauch zusätzliche Umstände hinzu, kann sich auf Grund einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Umständen ein Verzicht ergeben (vgl. etwa Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 349 Rdn. 7 m.w.N.). Ein Verzicht ist aber nur dann anzunehmen, wenn dem Verhalten oder der Erklärung des Berechtigten nach dem objektiven Empfängerhorizont tatsächlich der Wille entnommen werden kann, er wolle trotz Bestehens der Rücktrittsvoraussetzungen am Vertrag festhalten (vgl. Kaiser, a.a.O., Rdn. 57).
122Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass seinerzeit das Vorliegen der Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts – die teilweise Qualifikation des verkauften Grund und Bodens als öffentliche Straße – keineswegs feststand; erst durch die Entscheidung des OVG vom 16.6.2014 durfte die Klägerin sicher davon ausgehen, dass die von der Beklagten erworben Immobilie mit einem
123(Rechts-)Mangel behaftet war. Insofern kann allein in dem Umstand, dass in der Zwischenzeit mehrere Teilflächen weiterverkauft worden sind, aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht der zwingende Schluss darauf gezogen werden, die Klägerin habe trotz ihrer Rücktrittserklärung den Willen gehabt, am Vertrag festzuhalten.
124(8)
125Die Klägerin hat durch den Weiterverkauf der Grundstücke auch nicht – wie die Beklagte weiter meint - ihr Rücktrittsrecht verwirkt.
126Auch wenn das Verhalten eines Rücktrittsberechtigten nach den Umständen nicht als Verzicht gedeutet werden kann, kann das Rücktrittsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) – etwa wegen widersprüchlichen Verhaltens – ausgeschlossen, also „verwirkt“ sein (vgl. näher Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 349 Rdn. 8 m.w.N.). Allerdings regelt das Gesetz (inzwischen – anders als noch § 351 a.F. BGB) in § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass auch im Fall der zwischenzeitlichen Weiterveräußerung – ebenso wie bei vorsätzlicher Zerstörung, Belastung, Verarbeitung etc. - der Rücktritt erfolgen kann, wobei es statt der Rückgewähr oder Herausgabe des Gegenstandes eine Pflicht des Käufers zum Wertersatz vorsieht. Hierdurch wird in derartigen Fällen der Einwand des Rechtsmissbrauchs gesperrt (vgl. Kaiser, in: Staudinger, BGB (2012), § 349 Rdn. 61).
127bb)
128Grundsätzliche Folge eines Rücktritts vom Vertrag ist, dass die vertraglichen Beziehungen der Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt werden. Noch nicht erfüllte primäre Leistungspflichten aus dem ursprünglichen Vertrag sind erloschen (vgl. Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 346 Rdn. 15 m.w.N.).
129Das gilt auch für die in § 8 des Vertrags übernommene „Arbeitsplatzgarantie“ der Klägerin, sodass eine diesbezügliche Vertragsstrafe nach erfolgtem Rücktritt nicht mehr verwirkt werden konnte. Allerdings führte vorliegend, wie der Senat bereits in seinem Aussetzungsbeschluss vom 16.1.2012 (Bl. 413 ff. GA), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, näher ausgeführt hat, der Rücktritt (zunächst) auch dazu, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits verwirkte Vertragsstrafe nicht mehr verlangt werden konnte: Die Vertragsstrafe ist den primären vertraglichen Leistungspflichten der Vertragsparteien zuzuordnen, denn sie wurde – im Gegenzug zu einer Reduzierung des Kaufpreises für die Immobilie - vereinbart, um die Erfüllung der primären Pflicht der Klägerin zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu sichern (vgl. § 340 Abs. 1 S. 1 BGB). Mit dem Strafverlangen der Beklagten ist ihr Anspruch auf Nachweis der entsprechenden Arbeitsplätze gemäß § 340 Abs. 1 S. 2 BGB untergegangen und demgemäß die Vertragsstrafe an die Stelle der ursprünglichen Leistungspflicht getreten, deren rechtliches Schicksal sie fortan teilt.
130cc)
131Der hiernach zunächst wirksam erklärte Rücktritt der Klägerin vom Vertrag ist allerdings durch die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung nachträglich unwirksam geworden (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB).
132(1)
133Die Einrede der Verjährung konnte die Beklagte zulässigerweise auch noch in zweiter Instanz erheben: Erst aufgrund der Klageänderung bzw. –erweiterung in zweiter Instanz ergab sich für die Beklagte den Anlass bzw. die Notwendigkeit, sich auf Verjährung zu berufen (vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
134(2)
135Der sich aus der Leistung einer mangelhaften Kaufsache ergebende Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Nacherfüllung war zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 18.5.2011 – erst recht bei deren Wiederholung mit Schreiben vom 3.11.2014 – bereits verjährt:
136(a)
137Der Senat geht von einer zweijährigen Verjährungsfrist gemäߠ § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB aus:
138(aa)
139Die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB greift vorliegend nicht ein. Die Regelung betrifft die Verjährung der Ansprüche des Käufers wegen Sach- und Rechtsmängeln des Bauwerks; wird ein unbebautes Grundstück verkauft, richtet sich die Verjährung demgegenüber nach Nr. 3, desgleichen, wenn bei Verkauf eines bebauten Grundstücks der Mangel (etwa eine Kontamination) am Grundstück und nicht am Bauwerk auftritt (vgl. etwa Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012 § 438 Rdn. 16). Da es vorliegend um einen
140(Rechts-)Mangel am Grundstück geht, scheidet § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB aus.
141(bb)
142Auch die 30jährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 a) BGB hält der Senat vorliegend nicht für einschlägig,
143Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheitert bereits daran, dass der Mangel der Kaufsache hier nicht in einem dinglichen Recht (vgl. dazu Pammler in: Herber-ger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 438 BGB, Rdn. 23) eines Dritten, aufgrund dessen die Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, zu sehen ist. § 438 Abs. 1 Nr. 1 a) BGB betrifft die sog. Eviktionsfälle, mithin die Konstellationen, in denen es um die Durchsetzung eines Herausgabe- oder Abtretungsanspruchs durch eine Person geht, die ein besseres Recht auf einen Gegenstand als der Besitzer beziehungsweise Inhaber hat (vgl. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB (2013), § 438, Rdn. 47), etwa aufgrund eines Pfandrechtes oder Nießbrauchs (vgl. etwa Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 438 Rdn. 6).
144Die Vorschrift ist auch nicht analog auf die vorliegende Konstellation anzuwenden.
145Da der Rechtsverkehr klare Verhältnisse erfordert, ist es zwar grundsätzlich geboten, sich bei der Auslegung der Verjährungsvorschriften eng an deren Wortlaut zu halten (BGH, Urt. v. 6. November 1969 - VII ZR 159/67 - BGHZ 53, 43, 47). Das schließt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Berücksichtigung des Gesetzeszweckes und die analoge Anwendung von Vorschriften des Verjährungsrechts nicht grundsätzlich aus (vgl. BGH, Urteil vom 08. Dezember 1992 – X ZR 123/90 - NJW-RR 1993, 1059; Urteil vom 17. Januar 1985 - IX ZR 59/85 - BGHZ 93, 278; Urteil vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84 - BGHZ 95, 238; Urteil vom 14. Mai 1986 - VIII ZR 99/85 - BGHZ 98, 59).
146Zwar besteht insoweit eine Parallele zwischen der vorliegenden Konstellation und den vom Wortlaut der Vorschrift umfassten Fällen, als die Klägerin sich nach obigen Darlegungen hinsichtlich derjenigen Flächen, bei denen es sich um öffentliches Straßenland handelt, gegebenenfalls einer Enteignung ausgesetzt sieht, also auch insoweit die Sache herauszugeben hat. Die Interessenlage ist jedoch insofern eine andere, als die Bestimmung des § 438 Abs. 1 Nr. 1a) BGB ihrem Gesetzeszweck nach verhindern soll, dass der Käufer, der seinerseits 30 Jahre dem Recht des Dritten ausgesetzt ist (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB), beim Verkäufer nicht mehr Rückgriff nehmen kann, was bei einer Enteignung insofern nicht zum Tragen kommt, als diese ohnehin nur gegen Entschädigung erfolgen kann (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG). Überdies hätte die Herausgabe vorliegend nicht an einen Dritten zu erfolgen, sondern an die Beklagte als Verkäuferin selbst.
147(cc)
148Auch § 438 Abs. 1 Nr. 1 b) BGB findet vorliegend keine – auch nur entsprechende – Anwendung, denn es handelt sich weder um einen Mangel in der Form eines im Grundbuch eingetragenen sonstigen Rechtes noch um die Fallkonstellation, dass der Mangel in einem außerhalb des Grundbuchs entstandenen, nicht eingetragenen und gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützten dinglichen Recht besteht (vgl. allgemein etwa BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 – V ZR 133/14 – NJW 2015, 2029). Vielmehr ist die gegenständliche Konstellation eher mit einer öffentlich-recht-
149lichen Bindung als Rechtsmangel vergleichbar (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.10.1983 – V ZR 235/82 – juris), bei der § 438 Abs. 1 Nr. 1 b) BGH keine entsprechende Anwendung findet.
150(dd)
151Es greift vorliegend auch nicht die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 3 S. 1 BGB in Verbindung mit §§ 195, 199 BGB – Verjährungsbeginn wäre dann der 1.1.2010 - ein.
152Die Beklagte hat nämlich den Mangel der Kaufsache – die (teilweise) bestehende Widmung als öffentliche Straße – nicht arglistig verschwiegen.
153Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 – V ZR 14/00 – NJW 2001, 2326).
154Die Annahme von Arglist auf Seiten der Beklagten lässt sich vorliegend im Ergebnis insbesondere nicht damit begründen, dass die Beklagte bereits 1976 die Widmung der „T-Straße“ als öffentliche Straße festgestellt und auf einer Karteikarte ihrer im damaligen Fachbereich 66/55 (Planen und Bauen) geführten Widmungskartei vermerkt sowie die T-Straße als gewidmete Straße in den Stadtplan aufgenommen hat. Das Wissen der mit der Führung der Widmungskartei befassten Mitarbeiter der Beklagten in deren (ehemaligen) Fachbereich 66/55 – etwa des im Parallelverfahren 4 O 327/10 LG Hagen vernommenen Zeugen S (Bl. 52R ff. BA) – sind der Beklagten nämlich nicht zuzurechnen:
155Nach den vom Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, kommt bei juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts allerdings grundsätzlich entsprechend § 166 BGB eine Wissenszurechnung in Betracht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2010 – V ZR 203/09 – juris; BGH, Urteil vom 01. Oktober 1999 – V ZR 218/98 – NJW 1999, 3777; Urteil vom 02. Februar 1996 – V ZR 239/94 – BGHZ 132, 30). Deren Umfang lasse sich – so der Bundesgerichtshof (vgl. etwa Urteil vom 02. Februar 1996 – V ZR 239/94 –, BGHZ 132, 30) - nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden. Jedenfalls für die Frage der Risikoverteilung bei Grundstücksgeschäften sei es geboten, der Gemeinde das ihr durch Organvertreter einmal vermittelte, "typischerweise aktenmäßig festgehaltene", Wissen auch weiterhin – mithin bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrages - zuzurechnen; nur so lasse sich die strukturelle Besonderheit der organisatorischen Aufspaltung gemeindlicher Funktionen in personeller und zeitlicher Hinsicht (etwa auch durch Wechsel der Amtsträger) ausgleichen. Der Bürger, der mit der Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag schließe und ihr dabei im Zweifel sogar erhöhtes Vertrauen entgegenbringe, dürfe im Prinzip nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. In diesem Sinne sei als "Wissensvertreter" zunächst jeder anzusehen, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen sei, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten; er brauche weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum "Wissensvertreter" ausdrücklich bestellt zu sein. Der Geschäftsherr müsse sich seiner aber im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient haben; habe der Wissensträger den Geschäftsherrn nur intern beraten, scheidet eine sinngemäße Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB aus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.1.1992 – V ZR 262/90 – BGHZ 117, 104).
156Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze zur Wissenszurechnung bei juristischen Personen in der Folgezeit erweitert. Es komme nicht notwendig auf die eigenverantwortliche Erledigung bestimmter Aufgaben, sondern auf die Verfügbarkeit derjenigen Informationen an, die "typischerweise aktenmäßig festgehalten“ würden. Hiernach gründet die Wissenszurechnung weniger auf der Organstellung oder vergleichbaren Position des Wissensvermittlers, sondern auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Andererseits bestehe auch keine Pflicht einer Gemeinde, zwischen den verschiedenen Ämtern allgemein einen Informationsaustausch zu organisieren – mithin das theoretisch verfügbare Wissen des einen Amtes dem anderen zurechnen -, denn dann stünde der Vertragspartner in derartigen Fällen organisationsbedingter "Wissensaufspaltung" sogar besser da als wenn er den Vertrag mit einer natürlichen Person geschlossen hätte, denn diese besäße nicht jene Informationen, welche die Gemeinde aufgrund ihrer öffentlichen Aufgaben erlange. Der Wissenszurechnung seien dementsprechend persönliche und zeitliche Grenzen zu ziehen. So dürfe das als Wissen Zuzurechnende nicht zu einer Fiktion entarten, die juristische Personen oder andere am Rechtsverkehr teilnehmende Organisationen weit über jede menschliche Fähigkeit hinaus belasteten. Vielmehr müsse für denjenigen Menschen, für den die Zurechnung gelten soll, wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestanden haben, sich das Wissen aus dem eigenen Gedächtnis, aus Speichern oder von anderen Menschen zu beschaffen.
157(grundlegend BGH, Urteil vom 2. Februar 1996 – V ZR 239/94 – BGHZ 132, 30).
158Die gebotene Pflicht zur Organisation eines Informationsausgleichs zwischen den einzelnen Stellen einer juristischen Person kann unter Zugrundelegung dessen inhaltlich in drei Pflichten aufgeteilt werden: in die grundsätzliche Pflicht, wichtige Informationen zu speichern, in die Pflicht, Informationen weiterzuleiten an die Stellen, die es angeht, und in die Pflicht derjenigen Stellen, die es angeht, Informationen abzufragen (vgl. etwa Krüger, in: Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 10. Aufl., S. 13).
159In diesem Sinne hat der Bundesgerichthof etwa in einer späteren Entscheidung BGH, Urteil vom 01. Oktober 1999 – V ZR 218/98 – NJW 1999, 3777) etwa angenommen, das Liegenschaftsamt einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft sei als Verkäufer eines Grundstücks selbst auf die gezielte Frage nach Altlasten ohne dahingehende Anhaltspunkte nicht verpflichtet, sämtliche die Nachbargrundstücke betreffenden Akten auf Zufallsinformationen zu einer möglichen Kontamination des Vertragsobjekts durchzusehen. Die Auferlegung einer derart weitreichenden Nachforschungspflicht ginge über die vom Senat herausgearbeiteten Kriterien hinaus, die bezweckten, den Vertragspartner einer fiskalisch handelnden politischen Gemeinde nicht schlechter aber auch nicht besser zu stellen, als wenn er den Vertrag mit einer Privatperson geschlossen hätte. Die Gemeinde würde jedoch schlechter gestellt, wenn man jedes theoretisch verfügbare Wissen des einen Amtes mit der Begründung, es habe eine Nachforschungspflicht bestanden, dem anderen Amt zurechnen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1999, a.a.O.).
160Gemessen hieran geht der Senat davon aus, dass die Beklagten sich das Wissen der mit der Führung der Widmungskartei befassten Mitarbeiter – etwa des Zeugen S – nicht zurechnen lassen muss:
161Im Verhältnis zu der Klägerin sind die Mitarbeiter des mit der Führung der Widmungskartei (seinerzeit) befassten Fachbereichs 66/55 (Planen und Bauen) nicht als Repräsentanten der Beklagten im Rechtsverkehr aufgetreten. Eine Wissenszurechnung analog § 166 BGB ergibt sich vorliegend aber auch nicht aus einer Verletzung der Pflicht zum Informationsausgleich – hier zwischen dem Fachbereich 66/55 und dem (seinerzeit) mit dem Verkauf an die Klägerin befassten Liegenschaftsamt der Beklagten. Letzteres hatte nämlich im vorliegenden Fall keinen Anlass, vor dem Verkauf des streitgegenständlichen T-geländes die Widmungskartei einzusehen:
162In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach dem im Senatstermin vom 30.11.2015 vorgelegten „Ablaufplan“ (Bl. 712 f. GA) – einer Art verwaltungsinternen Handlungsanweisung – beim Verkauf städtischer Grundstücke eine routinemäßige Beteiligung des Fachbereiches „Planen und Bauen“ nur im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Situation (Bestand eines Bebauungs- oder Flächennutzungsplanes) bzw. im Hinblick auf etwa noch offene Erschließungs- oder Anschlussbeiträge vorgesehen ist, nicht aber eine Einsicht in die Widmungskartei. Auch der Bundesgerichtshof hat im Übrigen einer Pflicht einer Gemeinde, im Zusammenhang mit dem Verkauf eines eigenen Grundstücks zwischen dem Liegenschafts- und dem Baurechtsamt einen allgemeinen Informationsaustausch zu organisieren, eine eindeutige Absage erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1992 – V ZR 262/90 –, BGHZ 117, 104).
163Es gab vorliegend aber keinen konkreten Anlass für das Liegenschaftsamt, die Widmungskartei abzufragen. Ein solcher hätte dann bestanden, wenn sich aus den Umständen zureichende Anhaltspunkte für die Qualifikation der streitgegenständlichen Flächen als öffentliches Straßenland ergeben hätten. Dies war jedoch nicht der Fall:
164Zwar war unstreitig ein Teil der verkauften Fläche auch im Katasterplan (vgl. Bl. 51 Beiakte 4 O 327/10 LG Hagen) als „T-Straße“ bezeichnet; wie sich aus dem im Parallelverfahren überreichten Foto (Bl. 137 BA 4 O 327/10 LG Hagen) ergibt, befindet sich an der Kreuzung der Straße mit der N-Straße auch ein entsprechendes T3. Allerdings war allen Beteiligten klar, dass es sich bei dem verkauften Grundstück um das ehemalige Schlachthofgelände handelte, so dass die Bezeichnung „T-Straße“ sich auch auf deren Funktion – die innerbetriebliche Erschließung des T-geländes - bezogen haben könnte.
165Vor allem aber vermitteln die – sämtlichen Beteiligen vor dem Vertragsschluss bekannten - örtlichen Gegebenheiten den Eindruck, es handele sich um ein Privatgelände, nicht aber um öffentliches Straßenland: Die als T-Straße bezeichnete Wegfläche ist keine durchgehende Straße, sondern eine Sackgasse. Sie beginnt an der (T-)Kreuzung mit der N-Straße und ist auf der einen Seite begrenzt durch ein Eisenbahnviadukt. Vor allem aber ist der Bereich „T-Straße“, wie sich aus dem im Senatstermin vom 30.11.2015 erörterten Foto (Anlage zum Protokoll vom 29.3.2011, Bl. 63a Beiakte 4 O 327/10 LG Hagen) ergibt, etwa 20 – 30 m hinter der Einmündung der N-Straße mit einem Tor versehen - wobei der Senat davon ausgeht, dass der Abstand zwischen der Einmündung der N-Straße und dem Tor lediglich der besseren Rangmöglichkeit von Lieferwagen dienen bzw. verhindern soll, dass vor dem Tor wartende LKW die Kreuzung mit der N-Straße versperren. Gerade die Abgrenzung mit einem Tor stellt jedoch ein starkes Indiz dafür dar, dass es sich bei dem dahinter liegenden Bereich gerade nicht um öffentliches, der Allgemeinheit zur Verfügung stehendes Straßenland handelt. Dies gilt umso mehr, als auf dem besagten Foto (Bl. 63a Beiakte) zu erkennen ist, dass das Tor ein Schild trägt mit der Aufschrift
166„Unbefugten ist das Betreten des Betriebsgeländes streng. Widerrechtliches Betreten wird strafrechtlich verfolgt“.
167Gegen die Annahme, die mit dem Verkauf befassten Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes der Beklagten seien ihrer Informationsabfragepflicht nicht hinreichend nachgekommen, hätten also pflichtwidrig die Widmungskartei nicht eingesehen, spricht schließlich auch, dass die Frage der Einordnung der T-Straße als öffentliche Straße selbst von den hiermit befassten Fachgerichten, dem Verwaltungsgericht Arnsberg und dem Oberverwaltungsgericht NRW, keineswegs einheitlich beantwortet worden ist; es bedurfte erst zweier Instanzen, um die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Wenn aber bereits das Verwaltungsgericht Arnsberg in einer ausführlich begründeten, allerdings in der Berufung abgeänderten Entscheidung (Bl. 124 ff. Beiakte 7 K 3091/11), zu dem Ergebnis gekommen ist, es handele sich bei der „T-Straße“ nicht um eine öffentliche Straße, kann nicht erwartet werden, dass die mit dem Verkauf befassten Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes dies bereits im Vorfeld des Vertrages hätten hinterfragen müssen.
168(ee)
169Kommt mithin mangels Wissenszurechnung und damit mangels Arglist nur die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in Betracht, so hat diese mit der Übergabe des Grundstücks – hier am 1.2.2009 (Bl. 15 GA) – zu laufen begonnen (vgl. § 438 Abs. 2 BGB). Demgemäß ist am 1.2.2011 Verjährung eingetreten (vgl. § 188 BGB).
170(ff)
171Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin ist auch nicht nach § 203 S. 1 BGB gehemmt gewesen. Die Klägerin hat sich erstmals mit Schreiben vom 3.5.2011 auf Gewährleistungsansprüche im Hinblick auf den Verkauf von öffentlichem Straßenland berufen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings insoweit bereits Verjährung eingetreten.
172Ebenso wenig kommt eine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Betracht, denn die Klägerin hat sich im Verfahren erstmals mit Schriftsatz vom 3.11.2014 – zugestellt am 13.11.2014 (Bl. 490a GA) - auf etwaige Gewährleistungsansprüche berufen.
173(3)
174Die – erfolgreiche - Berufung der Beklagten auf Verjährung hat zur Folge, dass der von der Klägerin erklärte Rücktritt unwirksam geworden ist und der Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 75.000 € aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m §§ 437 Nr. 2, 323 BGB in Wegfall geraten ist: Beruft sich der Schuldner auf die Verjährung des Hauptanspruchs, wird der zunächst wirksame Rücktritt bzw. die Minderung unwirksam und das ursprüngliche Vertragsverhältnis lebt wieder auf. Ansprüche aus dem Rücktritt gemäß §§ 346 f. fallen ersatzlos weg (vgl. Grothe, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 218 Rdn. 7).
1753.
176Die Klägerin kann den geltend gemachten Betrag in Höhe von 75.000 € auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ersetzt verlangen.
177Zwar hat die Klägerin – hilfsweise – die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung über die Qualifikation eines Teiles verkauften Grundstücks als öffentliche Straße (§ 123 Abs. 1 BGB) erklärt. Wie oben dargelegt, hat die Beklagte die Klägerin insoweit allerdings nicht arglistig getäuscht, so dass es bereits an dem geltend gemachten Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB fehlt.
1784.
179Auf die von Beklagtenseite hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch aus § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Höhe eines erstrangigen Teilbetrag von 75.000 € sowie das weiterhin „äußerst hilfsweise“ geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die nach ihrem Vortrag von der Klägerin im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Rücktritt geschuldete Rückgewähr der noch nicht weiterveräußerten Flurstücke X und X (Bl. 640 GA) kommt es nicht mehr an.
1802. Antrag: Bewilligung der Löschung der Grundschuld (Grundbuch Hagen, Blatt #####, Abt. III, lf. Nr. 4) über 75.000 €
181A.
182In der – zusätzlichen - Erhebung des neuen Klageantrags zu 2. liegt eine – wie oben dargelegt - als Klageänderung (§§ 263, 533 BGB) zu behandelnde nachträgliche Klagehäufung. Diese ist nach § 533 ZPO zulässig:
183Die Klageänderung bzw. –erweiterung ist sachdienlich i.S.v. § 533 Nr. 1 ZPO, da sie geeignet ist, einen Folgeprozess über die Löschungsbewilligung zu vermeiden, und auch kein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird. Es wird insoweit auf die Ausführungen oben verwiesen.
184Der neue Antrag kann auch i.S.v. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen bzw. – was den Bestand der Grundschuld deren Sicherungszweck (Bl. 482 f. GA) angeht – unstreitig sind.
185B.
186Der Antrag ist auch begründet.
187Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Löschung der noch bestehenden Grundschuld in Höhe von 75.000 € (Grundbuch von Hagen, Bl. #####, Abt. III, lf. Nr. 4) aus der Sicherungsabrede der Parteien zu.
188Wenn sich der Sicherungszweck erledigt hat, ist der Sicherungsnehmer verpflichtet, die Grundschuld an den Sicherungsgeber zurück zu übertragen. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Sicherungsabrede (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. April 2013 – V ZR 47/12 – BGHZ 197, 155; Wenzel in: Erman BGB, Kommentar, § 1191 BGB, Rdn. 61).
189So liegt es hier:
190Die Klägerin kann die (weitere) Zahlung der Vertragsstrafe, deren Sicherung die streitgegenständliche Grundschuld dient, nach § 438 Abs. 4 S. 2 BGB verweigern; ihr steht insoweit eine Einrede gegen den entsprechenden Anspruch der Beklagten zu:
191Zwar regelt die Vorschrift des § 438 Abs. 4 S. 2 BGB ihrem Wortlaut nach nur das Recht des Käufers, trotz der Unwirksamkeit des Rücktritts gemäß § 218 Abs. 1 BGB, den noch nicht gezahltenKaufpreis zu verweigern – wobei das Erfordernis einer Mängelanzeige wie nach § 478 BGB a.F. nicht mehr besteht (vgl. etwa Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB (2013), § 438 Rdn. 125).
192Der Senat geht allerdings davon aus, dass die Vorschrift des § 438 Abs. 4 S. 2 BGB analog auf das vorliegende Vertragsstrafversprechen Anwendung findet, soweit hierauf eine Zahlung der Klägerin noch nicht erfolgt ist:
193Wie oben dargelegt, sind die in § 8 des Vertrags übernommene „Arbeitsplatzgarantie“ der Klägerin und als ihr Surrogat die versprochene Vertragsstrafe den primären vertraglichen Leistungspflichten der Vertragsparteien zuzuordnen. Die Verpflichtung zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem verkauften Grundstück wurde nämlich im Gegenzug zu einer Reduzierung des Kaufpreises für die Immobilie vereinbart, ist also letztlich Teil der vertraglich geschuldeten
194(Gegen-)Leistung der Klägerin. Entsprechendes gilt für deren Surrogat, die versprochene Vertragsstrafe: Diese ist mit dem Strafverlangen der Beklagten aus ihrem Anspruch auf Nachweis der entsprechenden Arbeitsplätze hervorgegangen (vgl. § 340 Abs. 1 S. 2 BGB) und an die Stelle der ursprünglichen Leistungspflicht getreten. Das bedeutet aber, dass die Klägerin die Einrede des § 438 Abs. 4 S. 2 BGB auch gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf die noch nicht erbrachte (weitere) Vertragsstrafe in Höhe von 75.000 €, deren Sicherung die streitgegenständliche Grundschuld dient, erheben kann. Die Situation ist insoweit wertungsmäßig keine andere, als wenn die Parteien bei Vertragsschluss statt der Vertragsstrafe für den Fall der unzureichenden Schaffung von Arbeitsplätzen einen aufschiebend bedingten (§ 158 Abs. 1 BGB) weiteren Kaufpreisanspruch vereinbart hätten.
195Steht aber dem mit der Grundschuld gesicherten Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 75.000 € eine (dauerhafte) Einrede entgegen, so bedeutet das, dass deren Sicherungszweck entfallen ist und sich aus der Sicherungsabrede ein Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der Sicherheit, m.a.W. auf Löschung der Grundschuld zusteht.
196In der Geltendmachung des Löschungsanspruchs liegt zugleich auch die Geltendmachung der Einrede aus § 438 Abs. 4 S. 2 BGB durch die Klägerin.
1973. Antrag: Feststellung einer Schadenersatzverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf die teilweise Widmung des verkauften Grundstücks als Straßenland
198A.
199Der Feststellungsantrag ist zulässig.
200I.
201Die Klägerin beruft sich darauf, ihr Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ergebe sich daraus, dass sie etwaige Schadensersatzansprüche, die sich etwa aus der mangelnden Nutz- oder Bebaubarkeit der als Straßenland verkauften Flächen ergeben könnten, noch nicht beziffern könne (Bl. 483 f.). Das genügt zur Begründung eines Feststellungsinteresses aus (vgl. allgemein Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. § 256 Rn. 7a, 9).
202II.
203Der Feststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO ist, und zwar auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, wonach ein Feststellungsantrag, mit dem eine Gewährleistungspflicht festgestellt werden solle, die Mängel im Einzelnen so genau zu bezeichnen habe, dass kein Zweifel darüber entstehen könne, für welche Mängel die Gewährleistungspflicht bestehe, wobei sich eine Konkretisierung auch unter Heranziehung des Sachvortrages ergeben könne (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06. Dezember 2001 – VII ZR 440/00 – NJW 2002, 681).
204Die Klägerin begehrt die Feststellung, „dass die Beklagte verpflichtet ist, jeden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist oder noch entsteht, dass Teilbereiche des mit Kaufvertrag vom XX.X.2009 von den Beklagten erworbenen Grundbesitzes als öffentliches Straßenland gewidmet sind“ (Bl. 479 GA). Ob das bereits genügt, den fraglichen Mangel hinreichend bestimmt zu bezeichnen, kann dahinstehen, da die im Antrag genannten „Teilbereiche“ jedenfalls im Sachvortrag der Klägerin hinreichend konkretisiert worden sind. Dort findet sich nämlich die Behauptung, dass „sämtliche asphaltierten und nicht überbauten Flächen“ des Kaufobjekts öffentliches Straßenland seien (Bl. 248 GA). Ob dies zutreffend ist, ist an dieser Stelle irrelevant.
205III.
206Der (neue) Klageantrag ist auch unter Berücksichtigung des § 533 ZPO zulässig.
207Auch hier gilt, dass die Klageerweiterung sachdienlich ist und der zugrundeliegende Vortrag nach § 529 ZPO zu berücksichtigen ist. Es wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
208B.
209Der Feststellungsantrag ist allerdings unbegründet.
210Der Schadensersatzanspruch, dessen Feststellung dem Grunde nach die Klägerin begehrt (§§ 435, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) ist nämlich nach § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB verjährt. Es wird auf obige Darlegungen Bezug genommen.
2114. Antrag: Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages
212A.
213Die Klage ist zulässig.
214Eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat – ebenso wie die überwiegende Literatur - folgt, in analoger Anwendung von § BGB § 371 BGB jedenfalls dann statthaft, wenn sie – wie hier - gemäß § 260 ZPO gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhoben wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 32/13 –, NJW-RR 2015, 521; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 82/13 – NJW 2015, 1181; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 – 10 WF 79/08 – FamRZ 2008, 2225; Preuß, in: Beck`scher Onlinekommentar zur ZPO, Hrsg. Vorwerk/Wolf, 18. Edition, Stand: 01.09.2015, § 767 Rdn. 73; Olzen, in: Staudinger, BGB (2011), § 371 Rdn. 7; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 371 Rdn. 4).
215Auch § 533 ZPO steht der Zulässigkeit des – neuen – Herausgabeantrags nicht entgegenstehen. Die Zulassung des Antrags ist sachdienlich gemäß § 533 Nr. 1 ZPO, neuer Sachvortrag ist zur Begründung des Antrags ersichtlich nicht erforderlich. Es insoweit auf obige Ausführungen verwiesen.
216B.
217Die Klage ist auch begründet.
218Ein Schuldner kann in entsprechenden Anwendung des § 371 BGB die Herausgabe eines Vollstreckungstitels verlangen, wenn die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund einer auf materiell-rechtlich Einwänden gegen den titulierten Anspruch gestützten Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt wird. Der Anspruch besteht in diesem Fall aber nicht schon, wenn und weil die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt worden ist, sondern erst, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat. Denn das Urteil beseitigt nur die Vollstreckbarkeit der Urkunde, besagt aber nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen des zu vollstreckenden Anspruchs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 82/13 – NJW 2015, 1181; Urteile vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07 - NJW-RR 2008, 1512).
219Vorliegend steht – wie oben dargelegt - der titulierten Forderung in Höhe von 75.000 € die – dauerhafte - Einrede des § 438 Abs. 4 S. 2 BGB entgegen; in Höhe von weiteren 75.000 € ist der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf die Vertragsstrafe durch die Leistung der Bürgin (§ 267 Abs. 1 BGB) durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen.
2205. Antrag: Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus § 8 des Notarvertrages (Vertragsstrafe)
221A.
222Die Vollstreckungsabwehrklage gemäß den §§ 767 Abs. 1, 774 Abs. 1 Nr. 5, 775 S. 1 ZPO ist statthaft, denn es werden materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht.
223B.
224Das Landgericht hat der Vollstreckungsgegenklage teilweise stattgegeben, nämlich soweit „derzeit“ hinsichtlich eines über 130.000 € hinausgehenden Betrages die Vollstreckung betrieben wird.
225Indem die Klägerin nunmehr in der Berufung die Feststellung der uneingeschränkten Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung begehrt, wendet sie sich nicht nur gegen die Vollstreckung in Höhe von 130.000 €, sondern auch dagegen, dass das Landgericht hinsichtlich des weiteren Betrages von 20.000 € die Zwangsvollstreckung (lediglich) „derzeit“ für unzulässig erklärt hat. Die Beschwer der Klägerin insoweit ergibt sich aus der eingeschränkten Rechtskraftwirkung der landgerichtlichen Entscheidung.
226C.
227Die Vollstreckungsgegenklage ist – insgesamt – begründet.
228Hinsichtlich eines Teilbetrages von 75.000 € ist durch die Zahlung der entsprechenden Summe durch die O M. T Erfüllung eingetreten (§§ 267 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB); im Hinblick auf den Teilbetrag von weiteren 75.000 € steht dem Anspruch der Beklagten – wie dargelegt – die Einrede des § 438 Abs. 4 S. 2 BGB entgegen.
229III.
230Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
231Bezüglich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz ist maßgeblich, dass hier allein die Vollstreckungsgegenklage rechtshängig gewesen ist, die im vollen Umfang Erfolg hat. § 97 Abs. 2 ZPO in analoger Anwendung findet zugunsten der Beklagten nicht Anwendung, weil das neue Vorbringen der Klägerin auf einer dynamischen Entwicklung der Tatsachengrundlage im zweiten Rechtszug beruht. Es hätte also nicht schon in der ersten Instanz geltend gemacht werden können.
232IV.
233Die Revision lässt der Senat nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind: Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Angelegenheit von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung (vgl. allgemein etwa Kessal-Wulf, in: Beck´scher Onlinekommentar zur ZPO, § 543 Rdn. 19)
234V.
235Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird in Abänderung des Beschlusses des Senates vom 2.2.2015 (Bl. 606 GA) wie folgt festgesetzt:
236Klageantrag zu 1) 75.000 €
237Klageantrag zu 2) 15.000 €
238Klageantrag zu 3) 20.000 €
239Klageantrag zu 4) 500 €
240Klageantrag zu 5) 150.000 €
241Gesamt 260.500 €
242Die Notwendigkeit der Abänderung des Streitwertbeschlusses des Senates vom 2.2.2015 ergibt sich daraus, dass der Senat den Wert der Vollstreckungsgegenklage, für den die Höhe der titulierten Forderung maßgeblich ist (vgl. Musieloh-Heinrich, ZPO, 12. A., § 3 ZPO „Zwangsvollstreckung“) versehentlich zu niedrig bemessen hat.
243Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 14. Jan. 2016 - 22 U 136/11
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(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass es sich bei der T.----------straße in I. um eine öffentliche Straße handelt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Öffentlichkeit einer Straße in der Stadt I. .
3I. gehörte einst zur Grafschaft Mark, später zu Brandenburg-Preußen, dann zum Großherzogtum Berg und war nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 bis zur Auflösung des Staates Preußen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs preußisch.
4Die Klägerin ist Mieterin von 16 Torbögen auf den Grundstücken T.----------straße 2 bis 6 (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 2, 133 und 307) und betreibt in einem Teil dieser Torbögen eine Fleischerei mit Partyservice. Die Grundstücke stehen im Eigentum der Deutschen Bahn AG.
5Die T.----------straße (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533) ist nach den Angaben der Beklagten seit 1878 vorhanden. Sie ist eine Sackgasse. Auf ihr befinden sich die Gebäude des am 6. Juni 1888 eröffneten und bis zum Jahr 1983 von der Beklagten betriebenen Schlacht- und Viehhofs I. . Neben dem Schlachthof befanden sich von 1888 bis ins 20. Jahrhundert auf dem Gelände u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und Markthallen für Klein- und Großvieh. Die T.----------straße war in dem von 1910 bis 1962 gültigen Kataster (Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 83, 89, 84) eingetragen. Im Fluchtlinienplan XI. vom 23. Januar 1915 sind die N.------straße und ein Teil der in diese Straße einmündenden T.----------straße eingezeichnet.
6Die Beklagte stellte im Jahr 1976 verwaltungsintern fest, dass die T.----------straße nach altem Recht als gewidmet anzusehen sei, da sie bereits seit 1878 vorhanden sei. Diese Feststellung vermerkte sie auf einer Karteikarte ihrer Widmungskartei und nahm die T.----------straße im Stadtplan als gewidmete Straße auf.
7Die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße standen bis zum Jahr 2009 im Eigentum der Beklagten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Januar 2009 veräußerte die Beklagte die Grundstücke des ehemaligen Schlachthofgeländes und die Grundstücksflächen der T.----------straße an die Beigeladene. Nach dem Erwerb der Grundstücke verlangte die Beigeladene von der Klägerin für die Nutzung der Wegeflächen eine Nutzungsentschädigung. Beim Landgericht I. ist wegen dieser Nutzungsentschädigung ein Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen - 4 O 327/10 - anhängig, welchen das Landgericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem hier anhängigen Verfahren ausgesetzt hat. Die Beigeladene erklärte gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das deswegen beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen - I-22 U 136/11 - geführte Verfahren hat dieses ebenfalls ausgesetzt.
8Am 28. November 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
9Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
10festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
11Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. September 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die T.----------straße sei nicht öffentlich. Sie sei nicht stillschweigend durch die maßgeblichen Rechtsbeteiligten gewidmet worden. Zur Überzeugung des Gerichts habe auf den streitigen Wegeflächen kein uneingeschränkter öffentlicher Verkehr stattgefunden, diese Flächen seien vielmehr nur für einen bestimmten Interessenkreis angelegt gewesen, nämlich für die Personen, die den städtischen Schlachthof und die damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen, Gebäude und Geschäfte (z. B. Viehställe, Schlachthallen, Restauration, Börse, Markthalle, Trichinenschau, Fortbildungsschule, Kühlhäuser, Stangeneisproduktion, Fleisch- und Wurstwarengroß- sowie -einzelhandel, Fleischerei-Einkauf mit Zubehör und Konserven, Räuchereien, Gewürzhandel, Verpackungsmaterial, Schleiferei, Salzerei, Freibank-Fleischverkauf, Wohnhaus) hätten aufsuchen wollen. Nach Angaben der vor dem Landgericht in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑ vernommenen Zeugen sei die T.----------straße nur von denjenigen genutzt worden, die auf dem Schlachthof etwas zu tun gehabt hätten. Dass zum Mittagessen in die Gaststätte auch andere, fremde Leute gekommen seien, stehe der Nichtöffentlichkeit der Straße nicht entgegen. Außerdem habe sich auch ein Tor bzw. richtiger wohl eine Schranke auf der T.----------straße befunden. Das Vorhandensein dieser Schranke, die jederzeit - aus welchen Gründen auch immer - habe geschlossen werden können, spreche dagegen, dass die T.----------straße dem uneingeschränkten öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestanden habe. Die streitigen Wegeflächen hätten allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs und der damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen auf dem Areal gedient. Diese innerbetriebliche Erschließungsfunktion verdeutliche auch der Umstand, dass es sich um eine Sackgasse handele. Ein weiterer Anhalt dafür, dass die streitigen Wegeflächen nicht öffentlich seien, sei auch den Ausführungen in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ zum Jahr 1891 zu entnehmen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der die Schranke und Weichen an der N.------straße zu bedienen gehabt habe.
15Die vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Bei der T.----------straße handele es sich um eine öffentliche Straße. Sie habe ihre öffentliche Wegeeigenschaft, wenn nicht durch ausdrückliche Widmung, aber zumindest durch konkludente Willensübereinstimmung der drei Rechtsbeteiligten erhalten. Die Stadt I. habe den Ausbau der T.----------straße im Jahr 1878 und deren anschließende Nutzung zu Verkehrszwecken nicht wie Privateigentum schlicht geduldet. Vielmehr sei der Straßenbau von der Stadt I. seinerzeit aktiv initiiert und realisiert worden. Ihre Eigentümerschaft sei zwar kein zwingendes Indiz für die Öffentlichkeit der Straße, sie untermauere aber die Vermutung der Öffentlichkeit. Die Stadt I. sei auch unterhaltspflichtig gewesen. Dies sei ein weiteres Indiz für die Öffentlichkeit. Schließlich habe die Stadt I. die Straße im Jahr 1976 selbst als nach preußischem Recht gewidmete Straße angesehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die T.----------straße auch keine „Betriebsstraße“ gewesen, vielmehr seien durch die Straße noch zahlreiche andere Einrichtungen erschlossen gewesen, nämlich eine Börse, eine Markthalle und eine Gastwirtschaft sowie zahlreiche andere Einrichtungen.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass es sich bei den Grundstücken Gemarkung I. , Flur 25, Flurstücke 251 und 252 sowie Flur 23, Flurstück 533 um öffentliche Wegeflächen handelt, soweit diese nicht mit Gebäuden bebaut sind.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie bezieht sich zur Begründung ihrer Berufungserwiderung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
21Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte des Landgerichts I. betreffend das Verfahren - 4 O 327/10 - sowie die von der Klägerin vorgelegte Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die T.----------straße in I. ist eine öffentliche Straße.
25Die nach Angaben der Beklagten seit 1878 existierende T.----------straße ist eine öffentliche Straße im Sinne des § 60 Satz 1, 1. Halbsatz StrWG NRW. Danach sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft als öffentliche Straßen besitzen. Das ist hinsichtlich der T.----------straße der Fall.
26Die T.----------straße ist vor Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts am 1. Januar 1962 entstanden. Für ihre rechtliche Beurteilung ist deshalb auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung sie entstanden ist.
27Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 ‑ 11 A 3657/06 -, juris, Rn. 24.
28Zum Zeitpunkt der Entstehung der T.----------straße galt in der Grafschaft Mark das „Edikt wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Marck vom 7. Januar 1769“,
29abgedruckt in: Germershausen/Seydel/Marschall, Wegerecht und Wegeverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland und deren Ländern, II. Band, 5. Auflage 1961, S. 1605 ff.; dieses Edikt galt bis zum Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes fort (vgl. § 69 Nr. 6 LStrG 1961),
30und das preußische Wegerecht. Da weder die Vorschriften des Edikts wegen der Wegebesserung in der Grafschaft Mark noch das preußische Wegerecht Regelungen über die Entstehung einer öffentlicher Straßen enthielten, ist die Öffentlichkeit einer unter Geltung dieser Vorschriften entstandenen Straße nach der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten sogenannten Widmungstheorie zu beurteilen.
31Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 62.
32Nach dieser Theorie setzte das Entstehen einer öffentlichen Straße voraus, dass diese „unter ‑ wenn auch stillschweigender - Zustimmung der rechtlich Betheiligten (d. h. des Eigenthümers, des Unterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehre gewidmet ist“.
33Vgl. PrOVG, Urteil vom 27. Februar 1895 ‑ IV C 52/94 -, PrOVGE 27, 399 (401).
34Hiervon ausgehend steht es nach einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die T.----------straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Eine Zustimmung der maßgeblichen Rechtsbeteiligten zur Widmung ist gegeben.
35Die drei Rechtsbeteiligten wurden damals von der Stadt I. bzw. ihrem jeweiligen Oberbürgermeister verkörpert. Die Stadt I. war zum Zeitpunkt der Entstehung der Straße (bis 2009) Eigentümerin der Wegegrundstücke der T.----------straße . Sie war auch als Wegebaulastträger für diese unterhaltspflichtig. Bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßen- und Wegegesetzes am 1. Januar 1962 hatten in der Grafschaft Mark in der Regel die Städte die Wegebaulast zu tragen.
36Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 20 Wegebaulast in Westfalen, S. 207 f.
37Die Stadt I. bzw. deren Oberbürgermeister war unter Geltung des preußischen Rechts auch Wegepolizeibehörde. Wegepolizeibehörde war die Ortspolizeibehörde, in Westfalen waren das die Bürgermeister.
38Vgl. hierzu Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 41 Zuständigkeiten der Behörden in Wegesachen, S. 398 f.
39Es liegen hinreichende Beweise für eine Zustimmung der Stadt I. bzw. ihres Oberbürgermeisters zur Öffentlichkeit der T.----------straße aus der Zeit ihrer Entstehung bzw. vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor.
40Diese ergeben sich zwar nicht schon aus der Eintragung der T.----------straße in das von 1910 bis 1962 gültige Kataster. Das Kataster belegt vielmehr allein die Eigentumsverhältnisse an den katastermäßig erfassten Grundstücken, besagt jedoch nichts über die rechtliche Einordnung der Straße.
41Anders verhält es mit Blick auf den durch die Stadt I. erstellten Fluchtlinienplan XI vom 23. Januar 1915, in dem Straßenfluchtlinien eines Teils der T.----------straße enthalten sind.
42Nach § 1 des Gesetzes betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875, Pr. GS S. 561, sind für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften die Straßen- und Baufluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnis mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde festzusetzen.
43Bei entsprechend den Festsetzungen solcher Fluchtlinienpläne entstandenen Straßen handelte es sich um öffentliche Straßen. Denn das Gesetz vom 2. Juli 1875 kannte „die Festsetzung von Straßenfluchtlinien nur für die Anlegung öffentlicher Straßen“.
44Vgl. PrOVG, Urteil vom 30. Dezember 1890 ‑ IV B 11/89 -, PrOVGE 20, 223 (225).
45Die Bedeutung der Fluchtlinie bestand nicht darin, festzusetzen, wo gebaut werden durfte, sondern darin, zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und Plätzen vorbehalten werden sollten, und deshalb nicht bebaubar waren.
46Vgl. Dieckmann, Das Fluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 und das Wohnsiedlungsgesetz vom 22. September 1933, 1. und 2. Auflage 1936, S. 2.
47Mit Blick auf die Eintragung der Straßenfluchtlinien des Beginns der T.----------straße ab der Einmündung in die N.------straße in den Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1915 spricht Überwiegendes dafür, dass die T.----------straße (möglicherweise auf der Grundlage eines Fluchtlinienplans aus der Zeit ihrer Entstehung) von vornherein für den Gebrauch für die Öffentlichkeit gebaut worden ist. Jedenfalls ist aber anzunehmen, dass die Stadt I. bzw. ihr Oberbürgermeister als maßgebliche Rechtsbeteiligte die T.----------straße durch die Festsetzung von deren Straßenfluchtlinien im Fluchtlinienplan von 1915 insgesamt gewidmet haben.
48Insoweit ist unschädlich, dass in diesem Fluchtlinienplan nur der in die N.------straße einmündende etwa 40 m lange Teil der insgesamt ca. 150 m langen T.----------straße wiedergegeben ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte Vermutung, die T.----------straße sei deshalb nicht vollständig auf dem Fluchtlinienplan wiedergegeben, weil ihre Öffentlichkeit im weiteren nicht dargestellten Verlauf geendet hätte. Denn dann wäre diese Straße wohl wie der nördlich parallel zur T.----------straße verlaufende, kurze (öffentliche) Stichweg der N.------straße eingezeichnet worden; dessen Ende bzw. das Ende seiner Öffentlichkeit ist nämlich kenntlich gemacht. Abgesehen davon handelt es sich nur um einen Auszug aus dem Fluchtlinienplan, der auch die südlich gelegene (öffentliche) B. -Straße wie die T.----------straße nur auszugsweise wiedergibt, ohne dass daraus etwa der Schluss gezogen werden könnte, die B. -Straße sei in ihrem weiteren Verlauf nichtöffentlich gewesen.
49Selbst wenn die Eintragung der Straßenfluchtlinien nicht als Widmung zu qualifizieren sein sollte, lässt sich aber aus den Umständen der Benutzung der Straße auf eine - schon vor 1915 erfolgte - stillschweigende Widmung schließen. Eine stillschweigende Widmung setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Ein mögliches, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers lässt nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
50Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 65, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts.
51Der Umstand, dass das Wegegrundstück im Eigentum der Gemeinde steht, „ist insofern bedeutungslos, als aus diesem Eigenthumsverhältniß durchaus nicht nothwendig die Oeffentlichkeit des Weges folgt. Es giebt zahlreiche Wege, die im Eigenthum von Gemeinden stehen, gleichwohl aber, da ihre Benutzung nur einem bestimmten Kreise von Interessenten zu einem bestimmt begrenzten Zwecke zusteht, nicht öffentliche sind“.
52Vgl. PrOVG, Urteil vom 19. Dezember 1883 PrOVGE 10, 347 (355).
53Solche Interessentenwege sind die für den Gebrauch eines bestimmten, mehr oder weniger eng begrenzten Personenkreis bestimmten Wege.
54Vgl. Germershausen/Seydel, Wegerecht- und Wegeverwaltung in Preussen, I. Band, 4. Auflage 1932, § 1 Begriff des öffentlichen Weges, S. 22 f.
55Interessentenwege sind Privatwege und werden durch den größeren Umfang der Interessentenschaft, zu denen beispielsweise auch sämtliche Bewohner größerer Gemeinden gehören können, nicht zu öffentlichen.
56Vgl. PrOVG, Urteil vom 28. Januar 1926 ‑ IV C 30/24 -, PrOVGE 80, 253 (255).
57Gemessen hieran hat durch Zurverfügungstellung der T.----------straße durch die Stadt I. an die Öffentlichkeit eine stillschweigende Widmung stattgefunden. Der Gebrauch der T.----------straße war auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.
58Da die T.----------straße nicht im Privateigentum eines Dritten stand, ist nur auf den konkludenten Widmungswillen der Stadt I. abzustellen. Allein aus ihrem Eigentum an dem Straßengrundstück kann zwar noch nicht geschlossen werden, sie habe den Gebrauch der T.----------straße der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sie hat aber den Gebrauch des Wegs nicht nur auf den Personenkreis der Nutzer des Schlachthofs und dessen Einrichtungen beschränkt, sondern diesen vielmehr der Allgemeinheit zur Benutzung uneingeschränkt freigegeben.
59Der Umstand, dass die T.----------straße der Erschließung des Schlachthofgeländes diente, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die Stadt I. hatte auf der T.----------straße einen allgemeinen Verkehr zugelassen, der nicht - wie etwa bei einem internen Werksverkehr - besonders reglementiert war. In aller Regel wird der Verkehr zwar dem Zweck, den Schlachthof zu erreichen, gedient haben. In diesem Rahmen war der nutzungsberechtigte Personenkreis aber nicht eingeschränkt. Denn die Beschränkung auf einen bestimmten Nutzungszweck steht der Öffentlichkeit einer Straße nicht entgegen.
60Vgl. PrOVG, Urteil vom 25. März 1885 ‑ I C 196/94 -, PrOVGE 12, 282 (286 f.).
61Es gibt keine Anhaltspunkte etwa für eine wegepolizeiliche Anordnung, mit der die Benutzung der T.----------straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und dessen Einrichtungen beschränkt worden wäre. Dem von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat angeführten, in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (53. Seite der Festschrift) zum Jahr 1899 vermerkten Eintrag des Polizeiinspektors, wonach „die Metzger Kinder mit zum Schlachthof brächten, ohne daß dagegen eingeschritten werde“, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, Kinder seien von der Benutzung der T.----------straße auszuschließen, vielmehr sollten diese nicht zum bzw. in den Schlachthof mitgebracht werden. Hinzu kommt, dass sich dieser Vorgang erst nach einem hier maßgeblichen Widmungsmoment ereignete.
62Auch die tatsächlichen Vorgänge auf und an der T.----------straße sprechen gegen eine nur für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis erfolgte Freigabe dieser Straße.
63Aus der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ vom 11. März 1965 (15. Seite der Festschrift) ergibt sich, dass sich zum Zeitpunkt der Einweihung des Schlachthofs am 6. Juni 1888 an der T.----------straße neben den verschiedenen Schlachthallen u. a. ein Restaurationsgebäude, ein Börsenhaus und eine Markthalle für Kleinvieh sowie eine weitere für Großvieh befanden. Das Restaurationsgebäude, aber auch die Markthallen und wohl auch das Börsenhaus waren für jedermann zugänglich. Vom Restaurationsgebäude bzw. dem „Gasthof“ existieren zudem (allerdings) undatierte, aber wohl aus der vorletzten Jahrhundertwende stammende Lichtbilder (eines in der Festschrift auf der 5. Seite und zwei in Form von Kopien auf Blatt 134 und 135 der Gerichtsakte des Landgerichts I. in dem Verfahren - 4 O 327/10 ‑, letzteres Lichtbild ist auch in der von der Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat eingereichten Schrift über „X.--ringhausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, enthalten), die die Annahme bestätigen, dass das über die T.----------straße zugängliche Restaurationsgebäude und damit auch die T.----------straße jedermann zur Nutzung offen standen. Auf dem in der Festschrift abgebildeten Lichtbild sind neben einem Mann, der einen an einem Strick angebundenen Ochsen festhält, und einem ein Schürzenkleid tragenden Mann weitere Personen in Straßenkleidung, darunter auch Kinder, abgebildet. Auf den beiden nur in Kopie vorhandenen Lichtbildern sind ebenfalls Personen in Straßenkleidung und auch Kinder zu erkennen.
64Auch eine Notiz aus dem Jahr 1908 und ein Ausschnitt aus der Hagener Zeitung aus dem Jahr 1912, jeweils vermerkt auf der 57. Seite der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “, sprechen nicht dafür, die Stadt I. habe den Gebrauch der Straße auf den Personenkreis der Schlachthofnutzer und seiner Einrichtungen begrenzen wollen. Denn andernfalls wäre die Vermietung eines „Eierlager(s)“ im Jahr 1908 an eine I1. Firma auf dem Schlachthofgelände, damit also durch die Stadt I. selbst, nicht nachvollziehbar. Aus dem Ausschnitt aus der I2. Zeitung von 1912 ergibt sich, dass die Errichtung von Verkaufslokalen für Metzgereibedarfsartikel und einer Schleiferei für Metzgerwerkzeuge sowie die Verlegung des Schlachthofrestaurants in einige der „Bogennischen“, in denen sich der Betrieb der Klägerin heute befindet, vorgesehen waren. Auch diese ausdrücklich geäußerten Absichten unterstreichen den Willen der Stadt, die T.----------straße solle nicht allein der „innerbetrieblichen Erschließung“ des Schlachthofs - so die Annahme des Verwaltungsgerichts -, sondern auch anderen Erschließungszwecken dienen. Gegen eine „innerbetriebliche Erschließung“ spricht im Übrigen auch allein das Vorhandensein der in dem Ausschnitt der I2. Zeitung erwähnten „Bogennischen“ der „Eisenbahn“, die offenbar zu diesem Zeitpunkt schon baulich genutzt worden und von der T.----------straße aus zugänglich gewesen sind. Diese „Bogennischen“ sind zwar „pachtweise“ der Stadt I. überlassen worden; die Eisenbahn dürfte die Bogennischen aber ursprünglich für ihre Zwecke errichtet (und möglicherweise auch genutzt) haben und nicht zum Zwecke der Nutzung für den Schlachthofbetrieb, eine Nutzung, die davon abgesehen auch von der Stadt I. selbst für diese Bogennischen nicht vorgesehen war.
65Auch die in der Festschrift „75 Jahre Schlacht- und Viehhof I. “ auf der 52. Seite betreffend das Jahr 1891 zu entnehmenden Ausführungen, wonach der Schlachthof einen Pförtner gehabt habe, der „die Schranken und Weiche an der N.------straße zu bedienen“ hatte, sind kein gegen die Öffentlichkeit und für die rein innerbetriebliche Funktion der T.----------straße sprechenden Indizien. Denn dass der Pförtner des Schlachthofs die Benutzung der T.----------straße zu kontrollieren hatte, lässt sich daraus nicht entnehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen, die sich ausdrücklich auf den „Bahnanschluß“ beziehen, ergibt sich vielmehr, dass es sich bei der „Schranke und Weiche“, die der Pförtner zu bedienen hatte, um die Eisenbahnschranke und -weiche an der N1.-------straße handelte, nicht aber um eine Schranke, die den Zugang zur T.----------straße regulieren sollte.
66Auch soweit das Verwaltungsgericht auf die Aussagen der vom Landgericht in dem Verfahren 4 O 327/10 vernommenen Zeugen abstellt, wonach sich auf der T.----------straße (hinter der Einmündung) ein Tor oder eine Schranke (ein Tor ist auch auf dem in der Gerichtsakte des Landgerichts befindlichen Lichtbild, angeheftet an Blatt 64, erkennbar) befinde, und das Vorhandensein dieser „Schranke“, die jederzeit habe geschlossen werden können, als Indiz gegen die Öffentlichkeit der T.----------straße anführt, überzeugt dieses Argument nicht. Es ist damit schon nicht belegt, dass dieses Tor sich dort bereits in der für die Frage der Widmung entscheidungserheblichen Zeit, also von 1878 an, befand. Abgesehen davon bestätigt allein das Vorhandensein eines solchen Tores, jedenfalls dann, wenn es - wie hier ‑ erhebliche Anhaltspunkte für einen Widmungswillen gibt, nicht die Nichtöffentlichkeit eines Wegs oder einer Straße. Denn es kann auch nur zeitweiligen Absperrungen ‑ etwa im Fall einer Seuche ‑ gedient haben.
67Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei der Beklagten im Jahr 1976 und die damit verbundene Einordnung der Straße durch die Beklagte sei für das Gericht nicht bindend. Denn allein entscheidend ist, ob die Vorgänge im für die Widmung entscheidungserheblichen Zeitraum - also in der Zeit von 1878 an - auf einen Widmungsakt schließen lassen, nicht wie die Beklagte diese Vorgänge im Jahr 1976 bewertet hat. Allerdings ist die Eintragung der T.----------straße in die Widmungskartei zumindest ein Indiz dafür, dass diese seit jeher öffentlich gewesen ist, weil die Beklagte selbst diese Straße als schon vor langer Zeit gewidmet angesehen hat.
68Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weiteres Fotomaterial betreffend die T.----------straße und den nördlich von der T.----------straße gelegenen Stichweg der N.------straße sowie eine Schrift über „X.--hausen Landschaft - Geschichte - Menschen“, aus Band V der Schriftenreihe „I. einst und jetzt“, zu den Akten gereicht hat, vermögen auch diese Unterlagen nicht die Feststellungen des Senats, es handele sich bei der T.----------straße um eine öffentliche Straße, in Frage zu stellen. Die Lichtbilder spiegeln den aktuellen Zustand wider und sind deshalb nicht hinreichend aussagekräftig für die Beantwortung der Frage, ob die T.----------straße im 19. Jahrhundert gewidmet worden ist. Auch aus der Schriftreihe über X.--hausen ergeben sich aus Sicht des Senats keine gegen eine Widmung sprechenden Indizien. Der auf dem Schlachthofgelände damals betriebene Gasthof wird zwar nicht in der Aufzählung der in X.--hausen seinerzeit bekannten Gaststätten benannt. Über ihn findet sich in der Schrift aber in einem über den Schlachthof verfassten Artikel ein Lichtbild, welches mit „Altes Schlachthofgebäude mit Gaststätte“ überschrieben ist. Auch das Argument der Beklagten, die T.----------straße sei in der Schrift im Zusammenhang mit der im Jahr 1887 errichteten Gasanstalt als „verlängerte N.------straße “ bezeichnet worden, vermag die Auffassung der Beklagten, die T.----------straße sei damals nichtöffentlich gewesen, nicht zu stützen. Die N.------straße war im Fluchtlinienplan vom 23. Januar 1915 eingezeichnet und deshalb nach den obigen Darlegungen eine öffentliche Straße. War die N.------straße aber öffentlich, so gilt dies auch für ihre Verlängerung.
69Einer Anwendung des Grundsatzes der Widmung kraft unvordenklicher Verjährung bedarf es mit Blick auf die Feststellungen einer Widmung der T.----------straße entsprechend den Grundsätzen der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts nicht. Zudem dürfte es für die Anwendung dieses Grundsatzes an der Voraussetzung fehlen, dass es sich um einen so genannten alten Weg handelt, dessen Entstehung nicht geklärt ist.
70Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2000 ‑ 11 A 1045/97 -, juris, Rn. 87.
71Denn die T.----------straße ist nach den Angaben des Beklagten seit dem Jahr 1878 vorhanden, sodass ihre Entstehung nicht im Dunkeln liegt.
72Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
73Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen ein Verbot von Finanzkommissionsgeschäften.
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Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 untersagte ihr die Beklagte gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG das Finanzkommissionsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, dadurch zu betreiben, dass sie auf der Grundlage von Verträgen über sogenannte treuhänderische Beteiligungen Gelder von Anlegern entgegennimmt, um hiermit Finanzinstrumente im eigenen Namen für fremde Rechnung anzuschaffen und zu veräußern (Ziff. I). Gleichzeitig wurden der Klägerin die Werbung für Finanzkommissionsgeschäfte untersagt (Ziff. II), die unverzügliche Abwicklung der unerlaubt betriebenen Finanzkommissionsgeschäfte angeordnet (Ziff. III) und ein Abwickler der ohne die erforderliche Erlaubnis betriebenen Finanzkommissionsgeschäfte bestellt (Ziff. IV). Des Weiteren wies die Beklagte die Klägerin an, die Maßnahmen des Abwicklers zu dulden und ihm und seinen Mitarbeitern Zutritt zu den Geschäftsräumen und den Geschäftsunterlagen zu gewähren (Ziff. V). Darüber hinaus drohte die Beklagte der Klägerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die getroffenen Anordnungen jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 50 000 € (Ziff. VI) an und setzte eine Gebühr in Höhe von 5 000 € fest (Ziff. VII). Ferner ersuchte die Beklagte die Klägerin um die Vorlage von Unterlagen und die Erteilung von Auskünften über die Anleger, die Zeichnungssummen, die gezahlten Einlagen und um Angabe der für die Wertpapiertransaktionen erforderlichen Depots- und Girokonten (Ziff. VIII). Für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung dieser Verpflichtung drohte die Beklagte der Klägerin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 50 000 € an (Ziff. IX).
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Nachdem die Klägerin Widerspruch eingelegt hatte, wurde mit Beschlüssen des Amtsgerichts Hamburg vom 12. September 2005 und vom 10. November 2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und sodann auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G., ihrer einzigen Kommanditistin, eröffnet. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer alleinigen Komplementärin, der D., wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Januar 2006 mangels Masse abgewiesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2006 - gerichtet an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin - stellte die Beklagte das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 15. Juni 2005 ein, soweit dessen Ziff. VIII und IX betroffen waren, und wies den Widerspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück.
- 5
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Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 3. März 2010 zurückgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Die Klägerin habe ihre Beteiligungsfähigkeit dadurch verloren, dass ihre einzige Kommanditistin, die G., noch vor Klageerhebung infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden sei. Dies habe zur liquidationslosen Vollbeendigung der Klägerin geführt, weil das geltende Recht eine Personengesellschaft mit nur einer Gesellschafterin nicht zulasse. Ihre Komplementärin, die D., sei dadurch alleinige Inhaberin des Unternehmens geworden. Aus den Regelungen des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV) der Klägerin ergebe sich nichts anderes. Zwar sehe § 29 Abs. 4 GV für den Fall des Ausscheidens der Treuhandkommanditistin vor, dass die Komplementärin dann verpflichtet sei, unverzüglich eine Gesellschafterversammlung zur Wahl einer neuen Treuhandkommanditistin einzuberufen. Dem sei die Komplementärin der Klägerin, die D., aber nicht nachgekommen. Eine sofortige Nachfolgeregelung sei nicht erfolgt. Der Anwendbarkeit des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB stehe auch nicht entgegen, dass nicht nur über das Vermögen der Treuhandkommanditistin, sondern zuvor auch bereits über das Vermögen der Klägerin selbst das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Klage auch nicht aus anderen Gründen zulässig. Selbst wenn die Klägerin aufgrund des Widerspruchsbescheides davon ausgegangen sein sollte, dass es nicht zu ihrer Vollbeendigung gekommen und sie selbst jedenfalls nach der Freigabeentscheidung des Insolvenzverwalters wieder klagebefugt sei, erwachse daraus nicht ihre Beteiligungsfähigkeit. Auch unter Berücksichtigung des prozessrechtlichen Grundsatzes, wonach der Betroffene im Streit um seine Beteiligungsfähigkeit als beteiligungsfähig zu behandeln sei, sei die Klage nicht zulässig. Die Anwendung dieses Grundsatzes führe nur dazu, dass der Klägerin das Recht auf Einlegung des Rechtsmittels nicht unter Hinweis auf ihre fehlende Beteiligungsfähigkeit abgesprochen werden könne. Schließlich sei im Klage- und im Berufungsverfahren auch nicht über eine Klage der Komplementärin zu entscheiden gewesen. Ein Fall der zulässigen Änderung des Aktivrubrums, die einen vom Gesetz angeordneten Parteiwechsel voraussetze, liege nicht vor. Ein Antrag auf subjektive Klageerweiterung oder auf Klagewechsel sei nicht gestellt worden.
- 6
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ihre Beteiligungsfähigkeit verneint. Er habe verkannt, dass eine Simultan- oder Doppelinsolvenz der Klägerin und der Kommanditistin vorliege. Für diesen Fall sei eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB zum Schutz der Gläubiger geboten. Auch der vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Numerus clausus der Gesellschaftsformen müsse dann in den Hintergrund treten, damit die Kommanditgesellschaft und ihre Gesellschafter jeweils in geordneten Insolvenz- oder Liquidationsverfahren beendet werden könnten. Unabhängig davon habe der Verwaltungsgerichtshof die Fortsetzungsregelung im Gesellschaftsvertrag fehlgedeutet. Schließlich habe die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid zumindest den Eindruck erweckt, dass sie ungeachtet der Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse an einer Klärung der materiell-rechtlichen Fragen in einem Verwaltungsprozess interessiert sei. Da die Beklagte den streitbefangenen Verwaltungsakt im Widerspruchsbescheid nicht aufgehoben habe, müsse die Klägerin die Möglichkeit haben, diesen Bescheid im Verwaltungsprozess anzufechten. Notfalls sei eine Rubrumsberichtigung vorzunehmen. Selbst wenn die Klägerin nicht beteiligungsfähig sein sollte, hätte der Verwaltungsgerichtshof die Klage zumindest insoweit für zulässig halten müssen, als die Klage im weiteren Verlauf des Verfahrens jedenfalls auch im Namen der Komplementärin erhoben worden sei. Ihre Klage sei zudem begründet.
- 7
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2007 und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. März 2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. August 2006 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
- 9
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt hilfsweise vor, die Klage sei auch in der Sache unbegründet.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage mit Recht als unzulässig angesehen.
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1. Die Klägerin ist nicht beteiligungsfähig im Sinne von § 61 VwGO. Dabei mag dahinstehen, ob sich die Beteiligungsfähigkeit einer Kommanditgesellschaft aus einer entsprechenden Anwendung von § 61 Nr. 1 VwGO oder aus § 61 Nr. 2 VwGO ergibt. In beiden Fällen ist erforderlich, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung besteht. Daran fehlt es hier.
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Die Klägerin hat ihre Beteiligungsfähigkeit bereits vor Klageerhebung verloren. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Kommanditistin, der G., durch den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 10. November 2005 schied diese nach § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Bestimmung aus der Kommanditgesellschaft aus (a). Dies bewirkte zugleich die sofortige liquidationslose Vollbeendigung der Klägerin selbst, da eine Personenhandelsgesellschaft zumindest zwei Gesellschafter haben muss; anderenfalls kann sie rechtlich weder als werbende noch als in Liquidation befindliche Gesellschaft (fort-)bestehen (b). Die Einwände der Revision greifen nicht durch (c).
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a) Die Treuhandkommanditistin der Klägerin ist infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aus der Klägerin ausgeschieden. Gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters zu dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft, wenn nicht abweichende vertragliche Bestimmungen bestehen. Das gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Komplementärs oder das eines Kommanditisten eröffnet wird (Hopt/Merkt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 131 Rn. 22 m.w.N.).
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Eine abweichende Regelung besteht im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen revisibles Recht für den Senat bindend festgestellt. Die dabei vorgenommene Auslegung des Gesellschaftsvertrages verletzt weder §§ 133, 157 BGB (analog) noch ist sie willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). § 29 Abs. 2 GV sieht zwar vor, dass die Kommanditgesellschaft durch das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht aufgelöst, sondern unter den verbleibenden Gesellschaftern mit der bisherigen Firma fortgeführt wird. Im Falle der Klägerin greift diese Regelung für den vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn es fehlt an der - auch im Gesellschaftsvertrag der Klägerin vorausgesetzten - Mindestzahl von wenigstens zwei "verbleibenden Gesellschaftern". Die Regelung in § 29 Abs. 3 GV befasst sich lediglich mit dem Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin (Komplementärin), nicht aber - wie im vorliegenden Fall - dem der Kommanditistin. Auch § 29 Abs. 4 GV greift nicht ein. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat die Komplementärin der Klägerin von der dort vorgesehenen Möglichkeit, im Falle des Ausscheidens der (einzigen) Kommanditistin unverzüglich eine neue Kommanditistin zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht. Das hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
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b) Weil die Treuhandkommanditistin die vorletzte Gesellschafterin war, wurde die Klägerin durch deren Ausscheiden sogleich (voll-)beendet. Es ist anerkannt, dass es eine Personenhandelsgesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht gibt. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Personenhandelsgesellschaft aus, so führt dies deshalb zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft; das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über (BGH, Urteile vom 10. Mai 1978 - VIII ZR 32/77 - BGHZ 71, 296 <300> und vom 16. Dezember 1999 - VII ZR 53/97 - NJW 2000, 1119; OLG Hamm, Urteil vom 30. März 2007 - 30 U 13/06 - ZIP 2007, 1233 = EWiR 2007, 527 = juris Rn. 103 ff.; Bork/ Jacoby, ZGR 2005, 611 <624>; Hopt/Merkt, a.a.O., § 131 HGB Rn. 35 m.w.N.).
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Diese Konsequenz steht der Anwendung des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB nicht entgegen. Die Klägerin will die liquidationslose Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft vermeiden und deshalb § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB in dem Falle der Insolvenz des vorletzten Gesellschafters einer zweigliedrigen Personenhandelsgesellschaft nicht anwenden. Hierzu besteht kein Anlass. Nach der Änderung des § 131 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22. Juni 1998 (BGBl I 1998, 1474) führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters nicht mehr - wie nach der Vorgängerregelung - zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des Gesellschafters. Damit wollte der Gesetzgeber den Bestand des Unternehmens schützen; die Fortsetzung der Gesellschaft sollte nicht länger von einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss abhängen, sondern die Regel sein (BTDrucks 13/8444 S. 41, 65). Das sollte ausdrücklich auch für die Zwei-Personen-Personenhandelsgesellschaft gelten. Obwohl dem Gesetzgeber deren Problematik bewusst war, vermerkt die Begründung des Gesetzesentwurfs: "Soweit ein Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Gesellschaft ausscheidet, erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation und geht das Gesellschaftsvermögen auf den Verbliebenen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über. Der ausscheidende Gesellschafter wird nach § 738 BGB abgefunden. An diesem auch nach bisherigem Recht anerkannten Mechanismus ändert sich durch die Neuregelung nichts." (BTDrucks 13/8444 S. 66; vgl. Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 <624, 647 ff.>).
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c) Anderes gilt auch nicht deshalb, weil gleichzeitig mit der Insolvenz der Treuhandkommanditistin auch über das Vermögen der Klägerin selbst das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin, die sich hierfür auf Stimmen der Fachliteratur beruft (Karsten Schmidt, GmbHR 2003, 1404 ff.; derselbe, ZIP 2010, 1621), besteht kein Anlass, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB für den Fall der gleichzeitigen Insolvenz der Kommanditgesellschaft und ihres einzigen Kommanditisten im Wege einer teleologischen Reduktion außer Anwendung zu lassen. Die Vorschrift soll die Personenhandelsgesellschaft und die anderen Gesellschafter davor schützen, sich in Angelegenheiten der Gesellschaft statt mit dem insolventen Mitgesellschafter mit dessen Privatinsolvenzverwalter auseinandersetzen zu müssen (so auch Karsten Schmidt, in: MünchKommHGB, 2. Aufl. 2006, § 131 Rn. 69; derselbe, ZIP 2010, 1621 <1626>). Dieses Schutzes bedürfen die Gesellschaft und die anderen Gesellschafter auch dann, wenn zugleich über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Insolvenzverwalter hat auch dann andere Aufgaben und Pflichten als die anderen Gesellschafter, woraus sich Interessenkonflikte ergeben können.
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Aus den Vorschriften der Insolvenzordnung folgt nichts Anderes. § 11 Abs. 3 InsO setzt den Fortbestand der Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation voraus, trifft aber für den Fall der liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft keine Aussage. Auch der Zweck des § 91 InsO, zum Schutze der Gläubiger eine Schmälerung der Masse zu verhindern, steht der liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft nicht entgegen. Die Massezugehörigkeit des Gesellschaftsvermögens bleibt infolge der Gesamtrechtsnachfolge gewahrt. Es wechselt lediglich die Person des Insolvenzschuldners (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30. März 2007 a.a.O. Rn. 105 ff.).
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Ob bei der gleichzeitigen Insolvenz der Gesellschaft und ihres Komplementärs Haftungsprobleme für den einzigen verbleibenden Kommanditisten entstehen (so Karsten Schmidt, in: MünchKommHGB, a.a.O., § 131 Rn. 76), bedarf keiner Erörterung; denn im vorliegenden Fall ist nicht die (einzige) Kommanditistin, sondern die Komplementärin Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden, die ohnehin für die Gesellschaftsschulden unbeschränkt haftet. Im Übrigen sind die angesprochenen Haftungsprobleme durch die Rechtsprechung gelöst. Hiernach fällt dem verbleibenden letzten Gesellschafter zwar das Gesellschaftsvermögen mit allen Aktiva und Passiva zu (BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 247/01 - BB 2004, 1244). Seine Haftung beschränkt sich aber auf das übergegangene Gesellschaftsvermögen; jedenfalls könnte er seine Haftung nach § 27 HGB beschränken und dies entsprechend den Regeln über die Nachlassinsolvenz (§§ 315 ff. InsO) geltend machen (OLG Hamm, Urteil vom 30. März 2007 a.a.O.; Bork/Jacoby, a.a.O. S. 647 ff.; Karsten Schmidt, in: MünchKommHGB, a.a.O., § 131 Rn. 55). Damit bleibt die grundsätzliche Beschränkung der Eigenhaftung des Kommanditisten gewahrt.
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Offen bleiben kann, wie zu entscheiden ist, wenn gleichzeitig über das Vermögen sämtlicher Gesellschafter das Insolvenzverfahren eröffnet wird, so dass bei einschränkungsloser Anwendung des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB kein Gesellschafter mehr vorhanden wäre, der als Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft neuer Unternehmensträger werden könnte (vgl. dazu Bork/Jacoby, a.a.O. S. 639). Über das Vermögen der Komplementärin der Klägerin ist das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden. Die Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse steht dem nicht gleich (OLG Hamm, Urteil vom 30. März 2007 a.a.O. Rn. 101; Hopt/Merkt, a.a.O. § 131 Rn. 22; Klöhn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 131 HGB Rn. 50 m.w.N.). Die Komplementärin der Klägerin besteht demzufolge - als Liquidationsgesellschaft - fort. Solange das auf sie übergegangene Gesellschaftsvermögen noch vorhanden ist, ist sie nicht vermögenslos, kann also nicht ihrerseits als vollbeendet angesehen und im Handelsregister gelöscht werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Juni 1979 - IX ZR 69/75 - LM Nr. 1 zu § 157 HGB = NJW 1979, 1987; BAG, Urteil vom 9. Juli 1981 - 2 AZR 329/79 - NJW 1982, 1831; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 V 6 S. 316 m.w.N.).
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2. Entgegen ihrer Auffassung kann die Beteiligungsfähigkeit der Klägerin nicht fingiert werden.
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Der Widerspruchsbescheid bietet hierzu keinen Anlass. Dabei mag unterstellt werden, dass die Beklagte selbst davon ausgegangen ist, die Klägerin bestehe trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer einzigen Kommanditistin fort. Das ist für die Beteiligungsfähigkeit der Klägerin in einem gerichtlichen Verfahren ohne Bedeutung. Deren Voraussetzungen ergeben sich allein aus dem Gesetz; sie kann nicht durch Verwaltungsakt begründet werden.
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Es gibt auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Betroffene im Streit um seine Beteiligungsfähigkeit in jeder Hinsicht als beteiligungsfähig zu behandeln sei. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass es unzulässig wäre, der Klägerin im Streit um ihre Beteiligungsfähigkeit das Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln abzusprechen. Die Beteiligungsfähigkeit wird aber nicht schon dadurch begründet, dass über ihr Vorliegen gestritten wird.
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Unzutreffend ist schließlich die Auffassung der Revision, der Klägerin müsse als dem "Rechtssubjekt des Partikular-Insolvenzverfahrens" die Möglichkeit gegeben werden, die Verfügungen anzufechten, die nach ihrer Ansicht den wesentlichen Insolvenzgrund darstellen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gebietet das nicht. Effektiver Rechtsschutz gegen die angegriffene Untersagungsverfügung der Beklagten kann von der Gesamtrechtsnachfolgerin begehrt und erlangt werden.
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3. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat der Verwaltungsgerichtshof auch das Vorliegen einer Klage der Komplementärin verneint.
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a) Die Klage ist von der Klägerin, der Kommanditgesellschaft, und nicht von ihrer gesetzlichen Vertreterin, ihrer (früheren) Komplementärin, erhoben worden. Zwar hat die Komplementärin, ihrerseits wiederum vertreten durch ihren Vorstand, die Klageschrift eingereicht. Sie hat dies aber zweifelsfrei nicht im eigenen Namen, sondern namens und in Vertretung der Kommanditgesellschaft getan. Das geht aus der ausdrücklichen Bezeichnung der Kommanditgesellschaft als Klägerin und aus der beigefügten Prozessvollmacht unzweideutig hervor. Spielraum für eine abweichende Auslegung dieser Prozesserklärung besteht nicht. Die Klägerin war anwaltlich vertreten; die Umdeutung eindeutiger Prozesserklärungen von Rechtsanwälten ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen (Beschlüsse vom 12. März 1998 - BVerwG 2 B 20.98 - und vom 25. März 1998 - BVerwG 4 B 30.98 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 2 und 3, sowie vom 23. August 1999 - BVerwG 8 B 152.99 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 23 m.w.N.).
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Die Klägerin selbst hat an ihrer Klage auch festgehalten. Obwohl sie vom Verwaltungsgericht schon unmittelbar nach Klageerhebung und erneut im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Zweifel an ihrer Beteiligungsfähigkeit hingewiesen worden war, hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht allein "den Antrag aus dem Schriftsatz vom 2. August 2007" gestellt, also den Antrag, die Untersagungsverfügung der Beklagten aufzuheben, der in diesem Schriftsatz zweifelsfrei allein namens der Klägerin selbst angekündigt war. Und obwohl das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 11. Oktober 2007 daraufhin allein über eine Klage der Klägerin entschieden und diese mangels Beteiligungsfähigkeit als unzulässig abgewiesen hatte, hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren ihre eigene Klage fortgeführt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben ihre Prozessbevollmächtigten - in Gegenwart des Vorstandes ihrer Komplementärin - auf Befragen ausdrücklich erklärt, allein im Namen der Klägerin, nicht jedoch namens der Komplementärin Klage erhoben zu haben.
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b) Anlass für eine Rubrumsberichtigung hat nicht bestanden. Das hätte vorausgesetzt, dass nach Klageerhebung ein gesetzlicher Parteiwechsel eingetreten wäre (vgl. §§ 239, 240 ZPO). Daran fehlt es. Die Kommanditgesellschaft war bereits während des Widerspruchsverfahrens liquidationslos vollbeendet und erloschen. Die Gesamtrechtsnachfolge auf ihre Komplementärin war damit schon vor Erhebung der Klage eingetreten. Das Widerspruchsverfahren bildet mit dem Klageverfahren keine prozessuale Einheit, sondern ist Teil des Verwaltungsverfahrens.
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c) Die Komplementärin der Klägerin hat schließlich auch nicht während des gerichtlichen Verfahrens selbst Klage erhoben. Eine subjektive Klageänderung - sei es im Wege des Parteiwechsels, sei es im Wege des Parteibeitritts - ist nicht erfolgt. Zwar haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 9. Oktober 2007 einen "Antrag auf Erweiterung (der Klage) und Aufnahme der D. (der Komplementärin) als weitere Klägerin in das Verfahren" angekündigt. Es ist aber bei der Ankündigung geblieben; eine eigene Klageerhebung der Komplementärin neben oder anstelle der Klägerin wurde nicht erklärt. Hinzu kommt, dass eine solche subjektive Klageänderung nur für den Fall angekündigt wurde, dass das Verwaltungsgericht die Klage der Kommanditgesellschaft mangels Beteiligungsfähigkeit für unzulässig halten sollte. Eine Klage kann jedoch nicht unter einer Bedingung erhoben werden. Die Formenstrenge des Prozessrechts verlangt, dass unverzüglich klar ist, wer Beteiligter eines Gerichtsverfahrens ist. Subjektive Klageänderungen können deshalb nicht hilfsweise erklärt werden (Beschlüsse vom 28. Februar 1980 - BVerwG 3 B 1.80 - Buchholz 451.73 BPflVO Nr. 8 und vom 13. März 1996 - BVerwG 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15; stRspr).
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4. Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen hat die D. zu tragen. Mangels Rechts- und Beteiligungsfähigkeit war die Klägerin nicht in der Lage, Klage zu erheben oder in ihrem Namen erheben zu lassen. Ihre frühere Komplementärin hat damit sowohl bei der im Namen der Klägerin erfolgten Klageerhebung als auch im weiteren gerichtlichen Verfahren als vollmachtslose Vertreterin gehandelt. Die Vertretungsbefugnis für die Klägerin war seit deren liquidationslosen Vollbeendigung erloschen, so dass ihr gemäß § 154 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung der § 173 VwGO, § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 179 BGB (analog) die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen aufzuerlegen sind (vgl. Beschluss vom 25. September 2006 - BVerwG 8 KSt 1.06, 8 KSt 1.06 (8 B 74.05) - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 108 m.w.N.). Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind insoweit zu ändern.
(1) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein.
(2) Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden.
(3) Die Ladung ist mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt.
(4) Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln.
(5) Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet.
(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.
(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bank mit Sitz in O. eröffnete am 12. Januar 1999 im Auftrag der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen S. Ltd. ein unwiderrufliches Akkreditiv über 229.600,00 US-$ zugunsten der im Vereinigten Königreich domizilierten Si. Ltd., die ebenso wie die S. Ltd. zur Firmengruppe des inzwischen untergetauchten, unter Betrugsverdacht stehenden indischen Geschäftsmanns P. gehörte. Hintergrund des Akkreditivauftrags
war ein Kaufvertrag zwischen der S. Ltd. und der Si. Ltd. über eine Metallieferung von 8.000 kg "Indium Tin Alloy", die von G. nach D. verschifft werden sollten. Nach den Akkreditivbedingungen war Voraussetzung für die Auszahlung des Akkreditivbetrages durch die L.er Korrespondenzbank der Klägerin u.a. die Vorlage eines Konnossements mit Angabe des Schiffsnamens und datierter Verladebestätigung ("shipped on board"-Vermerk) des Verfrachters. Ein entsprechendes Dokument über die Verfrachtung von 8.000 kg "Indium Tin Alloy" in einem Container mit der Kennung M. hatte die in H. ansässige Beklagte als Verfrachterin auf Drängen P. bereits am 11. Januar 1999 ausgestellt, obwohl der Container an diesem Tag noch auf dem Landweg unterwegs war und erst am 14. Januar 1999 auf das Frachtschiff "MS Sa. Ma." verladen wurde. Spätestens an diesem Tag übergab die Beklagte das Konnossement an P., der hiermit am selben Tag die Auszahlung der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. bei der L.er Korrespondenzbank der Klägerin erwirkte. Von ihr erhielt daraufhin die Klägerin das Konnossement in dreifacher Ausfertigung und indossierte es an die S. Ltd. weiter. Diese erteilte daraufhin am 25. Januar 1999 der Reederei Ma. die Weisung, das inzwischen in R. eingetroffene Frachtgut nach Sin. zu verschiffen. Am 14. Juli 1999 erstattete die Klägerin ihrer L.er Korrespondenzbank die ausgezahlte Akkreditivsumme von 229.500 US-$. Ihr Rückgriff gegenüber der S. Ltd. scheiterte an deren Insolvenz.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der 229.500 US-$ aus § 826 BGB, weil die Beklagte durch ihr in mehrfacher Hinsicht vorsätzlich falsch ausgestelltes Konnossement die Auszahlung der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. ermöglicht habe. Das Landgericht hat der Klage mit Rücksicht auf den unstreitig falschen "shipped on board"-Vermerk
stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Vor Erlaß des zweitin- stanzlichen Urteils war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementär -GmbH der Beklagten eröffnet und dessen Eröffnung über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgelehnt worden. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I. Das Berufungsgericht geht in prozessualer Hinsicht allerdings zutreffend davon aus, daß der Rechtsstreit weder durch die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten (Beschluß des Insolvenzgerichts vom 12. Juni 2001) noch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Komplementär-GmbH am 31. Mai 2001 unterbrochen worden ist. § 240 ZPO greift mangels Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht ein. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Beklagten führte zwar - entgegen der Ansicht der Parteien in der Revisionsinstanz - nicht nur zur Auflösung der Beklagten, sondern gem. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Beklagten mit der Folge ihrer liquidationslosen Vollbeendigung unter Gesamtrechtsnachfolge ihres - nach übereinstimmendem Parteivortrag in der Revisionsinstanz - einzig verbliebenen Kommanditisten (vgl. Senat, BGHZ 45, 206; 113, 132, 133 f.; Baumbach/Hopt, HGB 31. Aufl. § 131 Rdn. 35; Anh. § 177 a Rdn. 45 zu b; a.A. bei "Simultaninsolvenz" von KG und Komplementär-GmbH K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209, 1213 f.; derselbe in Scholz, GmbHG 9. Aufl. § 60 Rdn. 114; vor
§ 64 Nr. 120 ff.). Prozessual sind auf diesen Rechtsübergang während des Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden (vgl. Sen.Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, ZIP 2002, 614 f.). Da die Beklagte zur Zeit des Rechtsübergangs durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (vgl. BGHZ 2, 227, 229 mit RGZ 71, 155) und ein Aussetzungsantrag gem. § 246 ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit unter der bisherigen Parteibezeichnung (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2002 - VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430 f.) mit Wirkung für den verbliebenen Kommanditisten als Rechtsnachfolger der Beklagten fortgesetzt werden (vgl. Senat, BGHZ 121, 263, 265; Urt. v. 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, Umdr. S. 5 f.). Das gilt auch für die Revisionsinstanz mit Rücksicht auf den Fortbestand der Prozeßvollmacht der vorinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten (§ 86 ZPO) und deren Befugnis zur Bestellung eines Revisionsanwalts (§ 81 ZPO).
Klarzustellen ist, daß der verbliebene Kommanditist nach den in BGHZ 113, 132, 134 ff. vorgezeichneten Grundsätzen für die Verbindlichkeiten der KG nur mit dem ihm zugefallenen Gesellschaftsvermögen haftet (vgl. BGHZ 113, 138), also - nach Wegfall des § 419 a.F. BGB - nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in jenes Vermögen zu verurteilen ist (vgl. Senat aaO, S. 138 f.). Eine weitergehende Haftung gem. § 171 f. HGB oder aus § 25 HGB, wenn der Kommanditist das Handelsgeschäft der KG fortführt, bleibt davon ebenso unberührt wie die Nachhaftung der ausgeschiedenen Komplementär-GmbH (§ 128 HGB).
II. In der Sache meint das Berufungsgericht, ein Schaden sei der Klägerin nicht schon durch die Auszahlung der Akkreditivsumme seitens ihrer Korrespondenzbank entstanden, weil sie dafür als Gegenleistung den dreifachen Satz des Konnossements erhalten habe, das trotz des falsch datierten Verladever-
merks "werthaltig" gewesen sei; denn die zugrundeliegende Ware sei tatsächlich verladen worden. Ein Schaden der Klägerin sei erst dadurch eingetreten, daß sie den dreifachen Satz des Konnossements ohne Absicherung an die S. Ltd. übergeben und ihr damit eine anderweitige Verfügung über die zugrundeliegende Ware ermöglicht habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen dem verfehlten Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist der Klägerin ein Schaden, dessen rechts- oder sittenwidrige Verursachung durch die Beklagte hier in Frage steht, bereits aufgrund der die Klägerin zur Erstattung verpflichtenden Auszahlung der Akkreditivsumme durch ihre L.er Korrespondenzbank entstanden. Ohne das - von der Beklagten ausgestellte - Konnossement hätte die Auszahlung nach den Akkreditivbedingungen nicht erfolgen können. Daß die Auszahlung Zug um Zug gegen Übergabe des Konnossements zu erfolgen hatte (vgl. Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. vor § 556 Nr. 80), betrifft nicht die der Klägerin von ihrem Auftraggeber (S. Ltd.) geschuldete Gegenleistung in Gestalt der Erstattung des verauslagten Betrages, die an der Insolvenz der S. Ltd. scheiterte. Dieser Schaden ist der Beklagten jedenfalls objektiv dann zuzurechnen, wenn sie die Auszahlung der Akkreditivsumme durch Falschangaben in dem Konnossement herbeigeführt hat. Daß die Klägerin im Vertrauen auf die Seriosität des Geschäftsmanns P. den Dreifachsatz des Konnossements an die S. Ltd. weiter indossiert und ihr damit die Umdestination des Frachtguts ermöglicht hat, könnte allenfalls zu einem Mitverschulden der Klägerin führen, das aber gegenüber einer vorsätzlich fraudulösen Mitwirkung der Beklagten in den Hintergrund träte.
2. Richtig ist allerdings, daß die unstreitig falsche Angabe des Verschif- fungsdatums in dem Konnossement für sich allein als Schadensursache dann keine Rolle spielte, wenn das Frachtgut sich bei Vorlage des Konnossements gegenüber der Korrespondenzbank der Klägerin (am 14. Januar 1999) tatsächlich an Bord des in dem Konnossement bezeichneten Schiffs "Sa. Ma." befand, weil die Auszahlung der Akkreditivsumme dann auch bei Angabe des tatsächlichen Verladedatums (14. Januar 1999) zu erreichen gewesen wäre. Ob dies der Fall war, oder das Konnossement darüber hinaus weitere - möglicherweise bewußt falsche - Angaben der Beklagten insbesondere hinsichtlich der angeblichen Art und Menge der verschifften Ware enthielt, läßt sich wegen insoweit in sich widersprüchlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Das angefochtene Urteil nimmt gem. § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. in vollem Umfang auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug, aus dem hervorgeht, daß zwischen den Parteien umstritten ist, ob sich in dem an Bord des Schiffs verbrachten Container mit der Kennung M. die in dem Konnossement bezeichnete Ware befand. Demgegenüber geht das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ohne weiteres davon aus, daß "die Ware" tatsächlich auf das Schiff verladen und verschifft worden sei. Damit liegt ein Widerspruch zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vor, der dessen rechtlicher Überprüfung entgegensteht und daher von Amts wegen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache führen muß (vgl. Sen.Urt. v. 13. Mai 1996 - II ZR 275/94, WM 1996, 1314; BGH, Urt. v. 17. April 1996 - VIII ZR 95/95, NJW 1996, 2235; Urt. v. 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99, WM 2000, 1871 f.). Der Senat macht dabei von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F.).
III. 1. Für die weitere Verhandlung und Entscheidung ist darauf hinzuwei- sen, daß eine etwaige Falschangabe hinsichtlich der verschifften Ware für die Auszahlung der Akkreditivsumme und damit für den Schaden der Klägerin insofern ursächlich wäre, als die Akkreditivbank die Auszahlung nur vornehmen darf, wenn sie zuvor die Übereinstimmung zwischen den Akkreditivbedingungen und den vorgelegten Dokumenten genau geprüft hat (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 31. Aufl. VI Bankgeschäfte (11), ERA Art. 13 Rdn. 1; vgl. auch zum Grundsatz der Dokumentenstrenge, Sen.Urt. v. 2. Juli 1984 - II ZR 160/83, WM 1984, 1214; Urt. v. 10. Dezember 1970 - II ZR 132/68, WM 1971, 158 f.). Die Auszahlung hätte daher nicht erfolgen dürfen, wenn sich aus dem Konnossement die Verschiffung einer anderen als der nach der Handelsrechnung zu liefernden Ware ergeben hätte. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert ihre Haftung nicht zwangsläufig daran, daß das von ihr ausgestellte Konnossement hinsichtlich der Warenbezeichnung formularmäßig die Einschränkung "said to contain" enthält. Hat der Aussteller des Konnossements - wie hier von der Klägerin behauptet - Grund zu der Annahme, daß die Warenangaben falsch sind, muß er seine Zweifel durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks zum Ausdruck bringen, was dazu geführt hätte, daß das Konnossement "unrein" geworden wäre und eine Auszahlung nicht hätte stattfinden dürfen (vgl. Rabe aaO, § 645 Rdn. 3). In dem bewußten Unterlassen eines entsprechenden Vermerks durch die Beklagte kann ein unter § 826 BGB fallendes Verhalten gegenüber der Klägerin zu sehen sein (vgl. Herber, Seehandelsrecht, S. 430). Das gilt - entgegen der bisherigen Ansicht des Berufungsgerichts - erst recht dann, wenn sich die Beklagte bewußt in betrügerische Machenschaften P. gegenüber der Klägerin hat einbinden lassen.
2. Soweit es auf die Falschangabe hinsichtlich des Verladedatums in dem Konnossement der Beklagten ankommen sollte, entfällt deren Kausalität
für den Schaden der Klägerin nur dann, wenn die Ware auch tageszeitlich vor der Auszahlung der Akkreditivsumme vollständig auf das Schiff verladen war.
Röhricht Goette Kraemer
Graf Strohn
(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.
(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.
(1) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein.
(2) Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden.
(3) Die Ladung ist mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt.
(4) Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln.
(5) Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2012 (Az.: 10 O 262/10) wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Auch das angefochtene Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis zu 260.000,00 Euro.
Gründe
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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 31. Dezember 1996 verkauften die Beklagten ein ihnen gehörendes Hausgrundstück unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung für Größe, Güte und Beschaffenheit an die Kläger. Die Parteien vereinbarten , daß die im Grundbuch eingetragenen Belastungen, eine Auflassungsvormerkung sowie Grundschulden in Höhe von insgesamt 700.000 DM, von den Klägern nicht zu übernehmen waren und das Grundstück lastenfrei
übertragen werden sollte. Den beurkundenden Notar wiesen die Parteien an, aus dem auf ein von ihm einzurichtendes Anderkonto zu zahlenden Kaufpreis in Höhe von 783.000 DM zunächst die bestehenden Grundschulden abzulösen. Einen Teilbetrag in Höhe von 55.000 DM sollte der Notar aufgrund übereinstimmender Anweisungen der Beklagten und des Vormerkungsberechtigten R. freigeben. Der Restbetrag sollte der Sicherung der von den Beklagten übernommenen Verpflichtung dienen, etwaige Mängel der elektrischen Installationen des Hauses zu beseitigen. Für den Fall, daû der Kaufpreis bei Fälligkeit am 31. März 1997 nicht gezahlt werde, vereinbarten die Parteien eine jährliche Verzinsung in Höhe von 12 %. Wegen ihrer Zahlungspflichten aus dem Kaufvertrag unterwarfen sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstrekkung in ihr gesamtes Vermögen.
Im April 1997 überwiesen die Kläger 644.100 DM auf das Notaranderkonto. Die Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 138.900 DM lehnten sie mit der Begründung ab, daû ihnen wegen verschiedener von den Beklagten arglistig verschwiegener Mängel des Hauses Schadensersatzansprüche zustünden. Gegen die daraufhin von den Beklagten eingeleitete Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Kaufvertrag erhoben die Kläger Vollstrekkungsabwehrklage. Auf ihren Antrag hin stellte das Landgericht mit Beschluû vom 25. Juni 1997 die Zwangsvollstreckung einstweilen bis zur erstinstanzlichen Entscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 160.000 DM ein, die von den Klägern durch eine Bürgschaft der F. V. bank e. G. erbracht wurde. Nachdem das Landgericht die Klage mit Urteil vom 20. März 1998 abgewiesen hatte, veranlaûten die Beklagten die F. V. bank e. G. zur Auszahlung der gesamten Bürgschaftssumme in Höhe von 160.000 DM. Mit Anwaltsschreiben vom 27. April 1998 forderten die Kläger die Beklagten auf,
diesen Betrag bis zum 11. Mai 1998 auf das Notaranderkonto einzuzahlen, anderenfalls behielten sie sich vor, die Annahme der von den Beklagten geschuldeten Leistung abzulehnen. Dieser Aufforderung kamen die Beklagten lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 43.373,72 DM nach. Im September 1998 widerrief die Grundschuldgläubigerin, die V. bank M. e. G., den dem beurkundenden Notar zum Zwecke der Ablösung der Grundschulden erteilten Treuhandauftrag. Daraufhin sandte der Notar die bei ihm hinterlegten Löschungsbewilligungen an die Berechtigten zurück, überwies den Klägern den von ihnen auf das Anderkonto eingezahlten Geldbetrag und hinterlegte den von den Beklagten eingezahlten Geldbetrag nebst Zinsen, insgesamt 45.522,49 DM, bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts F. .
Nach Klageabweisung durch das Landgericht haben die Kläger ihren erstinstanzlichen Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Kaufvertrag für unzulässig zu erklären, in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt, sondern statt dessen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 116.626,28 DM nebst Zinsen sowie zur Freigabe des beim Amtgericht F. hinterlegten Geldbetrages verlangt. Diesen Anspruch haben die Kläger in erster Linie darauf gestützt, daû den Beklagten die Verschaffung lastenfreien Eigentums nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils unmöglich geworden sei. Im übrigen meinen sie auch wegen arglistiger Täuschung über Mängel des verkauften Hausgrundstücks im Umfang der durch die F. V. bank e. G. geleisteten Zahlung Schadensersatz verlangen zu können. Das Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagten seien den Klägern gemäû §§ 434, 440 Abs. 1, 325, 326 BGB a. F. zum Schadensersatz verpflichtet, da ihnen die Erfüllung ihrer vertraglichen Pflicht zur Verschaffung lastenfreien Grundeigentums nachträglich unmöglich geworden sei und sie darüber hinaus mit der Erfüllung dieser Verpflichtung in Verzug geraten seien. Die von den Parteien auf das Notaranderkonto eingezahlten Geldbeträge hätten nicht ausgereicht , um die Löschung nicht nur der Grundschulden, sondern auch der Auflassungsvormerkung herbeizuführen. Da die Beklagten nicht dargelegt hätten, daû sie auûer dem von den Klägern entrichteten Kaufpreis sonstige finanzielle Mittel zur Löschung der Belastungen hätten einsetzen können, sei von einem nachträglichen Unvermögen der Beklagten zur Erfüllung ihrer Rechtsverschaffungspflicht auszugehen. Nach fruchtlosem Ablauf der von den Klägern zur Beseitigung der bestehenden Belastungen gesetzten Frist sei neben dem Anspruch aus § 325 BGB auch ein Anspruch aus § 326 BGB entstanden. Diese Ansprüche seien nicht wegen eigener Vertragsuntreue der Kläger ausgeschlossen. Selbst wenn die Kläger zur teilweisen Zurückbehaltung des vereinbarten Kaufpreises nicht berechtigt gewesen sein sollten, sei die darin liegende Vertragsuntreue mit Auszahlung der Bürgschaftssumme an die Beklagten beseitigt worden. Da es den Beklagten wegen dieser Zahlung unschwer möglich gewesen sei, sämtliche Grundstücksbelastungen zu beseitigen , sei eine etwaige Vertragsuntreue der Kläger auch nicht ursächlich für das Unvermögen der Beklagten und für deren Verzug geworden. Der von den Beklagten geschuldete groûe Schadensersatz umfasse auch die Bürgschafts-
summe, da diese bei wirtschaftlicher Betrachtung als von den Klägern veranlaûte Begleichung des restlichen Kaufpreises zu bewerten sei. Soweit die Beklagten einen Teil des Bürgschaftsbetrages an den Notar überwiesen haben, seien sie sowohl im Wege des Schadensersatzes als auch nach § 812 Abs. 1 BGB zur Einwilligung in die Freigabe des hinterlegten Geldbetrages verpflichtet.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Berufung ist allerdings - was das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat (BGHZ 102, 37, 38; BGH, Urt. v. 30. November 1995, III ZR 240/94, NJW 1996, 527; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2000, VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 m. w. N.) - trotz der mit ihr verfolgten Umstellung der Klage zulässig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Berufung nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Eine Berufung ist deshalb unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen und dort abgewiesenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung - oder auch Erweiterung - der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechts-
mittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozeûziel eine zulässige Berufung voraus (u. a. BGH, Urt. v. 30. November 1995, III ZR 240/94, NJW 1996, 527; BGH, Urt. v. 13. Juni 1996, III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276; BGH, Urt. v. 25. Februar 1999, III ZR 53/98, NJW 1999, 1407 f; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2000, VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226; BGH, Urt. v. 23. November 2000, VII ZR 242/99, NJW 2001, 435; BGH, Urt. v. 3. Mai 2001, XII ZR 62/99, NJW 2001, 2259, 2260). Zwar sind die Kläger mit der Berufungsbegründung von der erstinstanzlich erhobenen Vollstreckungsgegenklage zu einer Schadensersatzund Bereicherungsklage übergegangen. Damit haben sie jedoch nur die prozessuale Konsequenz aus dem Umstand gezogen, daû die Beklagten nach Erlaû des erstinstanzlichen Urteils wegen ihrer restlichen Kaufpreisforderung die von den Klägern gestellte Prozeûbürgschaft in Anspruch genommen hatten , womit die weitere Zwangsvollstreckung gegenstandslos geworden war. Diese Änderung des Klageantrags führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, weil der Übergang von der Vollstreckungsgegenklage zur Klage auf Rückgewähr des beigetriebenen oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Betrages unabhängig von der in Betracht gezogenen materiellen Anspruchsgrundlage als "verlängerte Vollstreckungsabwehrklage" nach § 264 Nr. 3 ZPO a. F. nicht als Klageänderung anzusehen ist (vgl. BGHZ 99, 292, 294; OLG Schleswig, MDR 1991, 669; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., vor § 511 Rdnr. 37; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 511 Rdnr. 10c; Schneider, MDR 1987, 811, 812; Bub, MDR 1995, 1191, 1192; siehe auch BGH, Beschl. v. 26. Mai 1994, III ZB 17/94, NJW 1994, 2098, 2099; BGH, Urt. v. 8. Juni 1994, VIII ZR 178/93, NJW 1994, 2896, 2897 zur Klageerweiterung gemäû § 264 Nr. 2 ZPO).
2. In der Sache selbst ist die Klage nicht begründet, so daû die Verurteilung der Beklagten keinen Bestand haben kann.
a) Soweit das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch sowohl wegen Unmöglichkeit (§§ 440 Abs. 1, 325 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) als auch wegen Verzuges (§§ 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB a. F.) bejaht, übersieht es bereits , daû sich Unmöglichkeit und Verzug gegenseitig ausschlieûen (Soergel /Wiedemann, BGB, 12. Aufl., vor § 284 Rdnr. 12; MünchKommBGB/Thode, 4. Aufl., § 284 Rdnr. 27 f; Staudinger/Löwisch [2001], Vorbem. zu §§ 284 - 292 Rdnr. 5; Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 284 Rdnr. 3). Denn der Begriff des Verzuges setzt voraus, daû die Leistung noch nachgeholt werden kann, also nicht unmöglich geworden ist (BGHZ 84, 244, 248). Unabhängig hiervon sind die Voraussetzungen keiner der beiden genannten Anspruchsgrundlagen erfüllt.
aa) Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäû §§ 440 Abs. 1, 325 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. Zwar haben die Beklagten den kaufvertraglichen Anspruch der Kläger auf Verschaffung lastenfreien Grundeigentums gemäû §§ 433 Abs. 1 S. 1, 434 BGB a. F. bislang nicht erfüllt. Wie sich aus § 440 Abs. 1 BGB a. F. ergibt, handelt es sich bei der von den Beklagten vertraglich übernommenen und im übrigen aus § 434 BGB a. F. folgenden Verpflichtung zur Beseitigung der im Grundbuch eingetragenen Rechte Dritter auch um eine den §§ 320 ff BGB a. F. unterfallende Hauptleistungspflicht (vgl. Staudinger/Köhler [1995], § 434 Rdnr. 1; MünchKommBGB/H. P. Westermann, 3. Aufl., § 434 Rdnr. 1). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten die Erfüllung dieser Verpflichtung jedoch nicht unmöglich geworden (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.).
Selbst wenn die Beklagten nicht über die finanziellen Mittel verfügen sollten, um das Grundstück lastenfrei zu machen, hätte sie das wegen des Prinzips der unbeschränkten Vermögenshaftung nicht von ihrer Leistungspflicht befreien können (vgl. BGHZ 107, 92, 101 f).
Ferner ist die Herbeiführung der Lastenfreiheit auch nicht dadurch unmöglich geworden, daû die aus den Grundpfandrechten und der Auflassungsvormerkung Berechtigten die dem Notar erteilten Treuhandaufträge zwischenzeitlich widerrufen haben. Damit ist zwar der für die Ablösung der Belastungen zunächst vorgesehene Weg verstellt, eine Ablösung jedoch nicht schlechthin ausgeschlossen.
bb) Ein Schadensersatzanspruch wegen Verzugs gemäû §§ 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB a. F. scheitert schon daran, daû die Kläger die Beklagten nicht unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Beseitigung der Grundstückslasten aufgefordert haben. Die Kläger haben die Beklagten mit Schreiben vom 27. April 1998 lediglich dazu aufgefordert, die von ihnen vereinnahmte Bürgschaftssumme auf das Notaranderkonto einzuzahlen. Selbst wenn man eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten annähme, wäre sie mit der von ihnen geschuldeten Lastenfreiheit keineswegs identisch. Denn die Einzahlung der Bürgschaftssumme auf das Notaranderkonto und die vom Notar zu veranlassende Weiterleitung der darauf gutgeschriebenen Beträge an die gesicherten Gläubiger war nur eine von mehreren Möglichkeiten, die Lastenfreiheit herbeizuführen. Insbesondere hätten die Beklagten die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Rechte auch durch unmittelbare Zahlungen an die Berechtigten herbeiführen können. Im übrigen erfüllt auch der bloûe Vorbehalt,
die Annahme der Leistung abzulehnen, nicht den Tatbestand der Ablehnungsandrohung.
b) Die Kläger haben gegen die Beklagten auch keinen Anspruch auf Herausgabe der vereinnahmten Bürgschaftssumme gemäû § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Bei der Leistungskondiktion vollzieht sich der Bereicherungsausgleich grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses (BGHZ 40, 272, 277 f; BGHZ 105, 365, 369; Senat, Urt. v. 16. Juli 1999, V ZR 56/98, NJW 1999, 2890, 2891 m. w. N.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 8. Aufl., § 48 II, S. 44; Erman/H. P. Westermann, BGB, § 812 Rdnr. 16). Zwischen welchen Personen ein Leistungsverhältnis besteht, bestimmt sich auf der Grundlage des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs danach, welchen Zweck die Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben (BGHZ 122, 46, 50; BGHZ 105, 365, 369). Die Auszahlung der Bürgschaftssumme an die Beklagten stellt sich danach nicht als Leistung der Kläger, sondern ausschlieûlich als Leistung der F. V. bank e. G. dar, die ihre Verpflichtung aus einem mit den Beklagten geschlossenen (Prozeû-)Bürgschaftsvertrag erfüllen wollte. Die Zuwendung diente nicht zugleich der Erfüllung der Verbindlichkeiten der Kläger aus dem notariellen Kaufvertrag vom 31. Dezember 1996. Denn nach § 774 Abs. 1 BGB hat die Leistung des Bürgen nicht das Erlöschen der gesicherten Hauptforderung, sondern deren Übergang auf den Bürgen zum Zwecke des Rückgriffs gegen den Hauptschuldner zur Folge. Damit hatte die F. V. bank e. G. keinerlei Anlaû, die von den Klägern geschuldete Leistung für diese als Dritte im Sinne von § 267 Abs. 1 BGB zu bewirken. Durch das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung ins-
besondere von den Fällen der Leistung kraft Anweisung, bei denen der Angewiesene mit seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger bewirkt, so daû bei Mängeln im Valutaverhältnis ein Bereicherungsanspruch des Anweisenden gegenüber dem Anweisungsempfänger gegeben sein kann (vgl. Senat, Urt. v. 16. Juli 1999, V ZR 56/98, NJW 1999, 2890, 2891 m. w. N.).
Einem Anspruch der Kläger wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) steht der Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion entgegen (vgl. BGHZ 40, 272, 278; BGHZ 56, 228, 240).
Wegen der gezahlten Bürgschaftssumme kommt somit ein Bereicherungsanpruch allein der F. V. bank e. G., nicht jedoch ein solcher der Kläger in Betracht (zur Rückabwicklung rechtsgrundloser Zahlungen des Bürgen vgl. auch Staudinger/Horn [1997], § 765 Rdnr. 239 f; Staudinger/ Lorenz [1999], § 812 Rdnr. 47 f; MünchKommBGB/Lieb, 3. Aufl., § 812 Rdnr. 127 f). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagten die Bürgschaft bereits vor Rechtskraft des die Vollstreckungsgegenklage abweisenden Urteils des Landgerichts in Anspruch nehmen durften und ob die akzessorische Bürgschaftsverpflichtung zusammen mit der gesicherten Hauptforderung im Hinblick auf den von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Sachmängeln oder die von ihnen erklärte Anfechtung des Kaufvertrags vom 31. Dezember 1996 weggefallen ist.
c) Ob die von den Klägern gerügten Sachmängel des verkauften Hausgrundstücks tatsächlich vorliegen, bedarf im Rahmen des vorliegenden
Rechtsstreits auch im übrigen keiner Klärung. Gewährleistungsansprüche sind hier nicht mehr im Streit.
d) Sollte die von den Klägern wegen der behaupteten Sachmängel erklärte und zunächst zulässigerweise (vgl. Senat, Urt. v. 22. Februar 1991, V ZR 299/89, NJW 1991, 1673, 1674) durch die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs gemäû § 463 S. 2 BGB a. F. durch das Landgericht bedingte Arglistanfechtung (§ 123 Abs. 1 BGB) des Kaufvertrags vom 31. Dezember 1996 gerechtfertigt sein, würde dies nur die Verpflichtung zur Rückabwicklung der zur Erfüllung dieses Kaufvertrags erbrachten Leistungen zur Folge haben, wozu die Bürgschaftssumme gerade nicht gehört. Sonstige Vermögensvorteile haben die Beklagten aufgrund des mit den Klägern geschlossenen Kaufvertrags nicht erlangt. Den auf das Notaranderkonto überwiesenen Teilkaufpreis hat der Notar zwischenzeitlich an die Kläger zurückgezahlt. Der vom Notar bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts F. hinterlegte Geldbetrag ist Teil der Bürgschaftssumme und gebührt im Falle ihrer rechtsgrundlosen Zahlung der F. V. bank e. G.
3. Das Urteil der ersten Instanz ist mithin wieder herzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a. F.). Die Kosten der Rechtsmittelzüge haben die Kläger zu tragen (§§ 91, 97 Abs. 1 ZPO).
Wenzel Tropf Klein Lemke Gaier
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit Vertrag vom 14. Juni 1990 gestattete die Gemeinde G. G. dem Kläger die Nutzung eines in ihrem Besitz befindlichen Hotelgrundstücks, das im Jahr 1950 in Volkseigentum übergeführt und der Gemeinde im Jahr 1989 von dem damaligen Rechtsträger, dem Amt für nationale Sicherheit, überlassen worden war. Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1990 verkaufte die Gemeinde das Grundstück an den Kläger. Zu dessen Eintragung in das Grundbuch kam es in der Folgezeit nicht.
Bis zum Jahr 1994 ließen der Kläger und die von ihm gegründete „S. und K. GmbH“ Renovierungsarbeiten an dem Hotelgrundstück durchführen, die nach Art und Umfang zwischen den Parteien streitig sind.
Seit 1992 verlangte die Beklagte unter Hinweis auf ihren Eigentumserwerb nach Art. 21, 22 des Einigungsvertrags die Herausgabe des Grundstücks. Dem kam der Kläger im Februar 1995 im Hinblick auf ein von der Beklagten erwirktes Räumungsurteil nach.
Wegen der von dem Kläger mit 338.600 DM bezifferten renovierungsbedingten Aufwendungen erließ das Amtsgericht Potsdam am 11. März 1996 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte. Diese legte hiergegen am 19. März 1996 Einspruch ein. Im Juni 1997 trat die „S. und K. GmbH“ sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab.
Erstinstanzlich hat der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen , der Kläger habe am 30. März 1997 sämtliche Forderungen aus der Klage an ihn abgetreten. Gleichwohl hat das Landgericht über die von dem Kläger behaupteten Renovierungsarbeiten, die hierdurch bedingte Wertsteigerung des Grundstücks und – wegen einer von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung – über die Höhe des monatlichen Nutzungsentgelts Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Mit Schreiben vom 19. Juni 2001 hat die Sparkasse Mittleres Erzgebirge eine mit „Abtretungserklärung“ überschriebene schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Prozeßbevollmächtigten vom 30. März 1997 mit der Bitte um rechtliche Prüfung zu den Gerichtsakten gereicht. Hiervon sind die Prozeßbeteiligten nicht unterrichtet worden. Ausweislich der Sitzungsnieder-
schrift vom 5. April 2002 hat das Landgericht „mit Rücksicht auf die Zitatstelle in Thomas/Putzo, § 265 Rdn. 13, die verlesen wurde, auf eine etwaige Notwendigkeit der Umstellung des Klageantrages mit Rücksicht auf die Abtretung der Ansprüche des Klägers an Rechtsanwalt H. hingewiesen. Daraufhin hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erklärt, das Gericht möge über diese Frage entscheiden. Das Landgericht hat sodann den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger wegen der erfolgten Abtretung nicht mehr aktivlegitimiert sei.
Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit der Maßgabe, daß Zahlung an Rechtsanwalt H. zu leisten ist. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, die Abtretungserklärung vom 30. März 1997 beziehe sich nicht auf die streitgegenständliche Forderung, sondern auf die Summe, welche die Beklagte nach einer etwaigen Verurteilung an den Kläger zahlen werde. Hierüber habe bei Abschluß der Vereinbarung Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestanden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger sei wegen der von dem Landgericht festgestellten Abtretung nicht mehr Inhaber eines eventuellen Verwendungsersatzanspruchs gegen die Beklagte. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der von dem Landgericht getroffenen Feststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten könnten, bestünden nicht. Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptungen des Klägers zu dem Inhalt der am 30. März 1997 geschlossenen Abtretungsvereinbarung seien nicht zu berücksichtigen. Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Zahlung an den Abtretungsempfänger sei unzulässig, weil das Landgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs getroffen habe.
Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Klage mit dem Hauptantrag unbegründet ist (1.). Soweit es die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint hat, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden (2.).
1. Mit seinem Hauptantrag macht der Kläger einen eigenen Verwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte geltend. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit die Voraussetzungen der §§ 994, 996 BGB erfüllt sind; der
Anspruch scheitert nämlich bereits an der fehlenden Sachlegitimation des Klägers. Das Landgericht hat in seinem Urteil festgestellt, daß der Kläger den Klageanspruch nach Eintritt der Rechtshängigkeit an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetreten hat (a). An diese Feststellung war das Berufungsgericht nach der gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 gebunden, weil keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit bestanden (b). Auf der Grundlage dieser gemäß § 559 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz verbindlichen Feststellung ist es dem Kläger verwehrt, Leistung an sich selbst zu verlangen (c).
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Eingangsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen.
aa) Die damit angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des ZPO-RG, BT-Drs. 14/4722, S. 100) erstreckt sich auch auf sogenannte Rechtstatsachen. Den tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) stehen nämlich Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (Senat , BGHZ 135, 92, 95; Senat, Urt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, WM 1995, 1589, 1590; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rdn. 2). Hierher gehört der den Abschluß eines Abtretungsvertrags gemäß § 398 BGB umschreibende Begriff der Abtretung jedenfalls dann, wenn er, wie hier, von einem Rechtsanwalt verwendet wird (Senat, Urt. v. 2. Februar 1990, V ZR 245/88, BGHR ZPO § 288 Abs. 1 Rechtsbegriff 3).
bb) Festgestellt sind nicht nur solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, daß sie wahr oder nicht wahr sind. Eine derartige Beschränkung des tatsächlichen Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts wäre nicht sachgerecht, weil das erstinstanzliche Urteil regelmäßig auch auf nicht beweisbedürftigen, insbesondere unstreitigen Tatsachen beruht. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung deshalb auch solche Tatsachen zugrunde zu legen, die auch das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, sei es, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder – wie die von dem Kläger behauptete Abtretung - unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren, oder weil sie sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben (MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 529 Rdn. 5). Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis des in § 559 Abs. 2 ZPO verwendeten Begriffs der von dem Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 8; Musielak/Ball, aaO, § 559 Rdn. 20; Zöller/Gummer, aaO, § 559 Rdn. 11; für § 561 Abs. 2 ZPO a.F.: Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rdn. 31), die wegen der in § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Bezugnahme in dem Berufungsurteil auch die von dem erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen umfassen.
b) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der von dem Landgericht festgestellten Abtretung des Klageanspruchs, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkt
erforderlich gemacht hätten, lagen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. aa) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BT-Drs. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Dies gilt insbesondere dann, wenn es Beweise fehlerhaft erhoben oder gewürdigt (Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, Umdruck S. 6) oder wenn es Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 5). Einen derartigen Verfahrensfehler stellt es nicht dar, daß das Landgericht den Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 unberücksichtigt gelassen und seine Entscheidung allein auf die mit Schriftsatz des Klägers vom 21. Januar 1998 behauptete Abtretung gestützt hat. Da die von der Sparkasse Mittleres Erzgebirge zu den Gerichtsakten gereichte Vertragsurkunde erstinstanzlich von keiner der Parteien in Bezug genommen worden war, handelte es sich nicht um Parteivortrag, den das Landgericht seiner Entscheidung hätte zugrunde legen dürfen. Hieraus folgt zugleich, daß die mit der Berufung erhobene Rüge, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf der von den Parteien nicht vorgetragenen Abtretungserklärung, sachlich unzutreffend ist. Sie wird von der Revision auch nicht aufrecht erhalten.
bb) Zweifelhaft können die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel werden, soweit sie in der Berufungsinstanz gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen sind, weil ihre Geltendmachung in erster Instanz we-
gen eines von dem Gericht zu vertretenden Umstands (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO) oder sonst ohne Verschulden der Partei (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) unterblieben ist (BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Schnauder, JuS 2002, 162; Crückeberg, MDR 2003, 10). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den von dem Kläger erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 ebensowenig erfüllt wie im Hinblick auf die von ihm im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen aufgestellte Behauptung, eine Abtretung der Klageforderung hätten die Beteiligten nicht gewollt.
(1) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d. h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes (Grunsky, NJW 2002, 800; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1903) Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten , die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 20; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 17) und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 19. Februar 2004, III ZR 147/03, Umdruck S. 8). Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung über den ursprünglichen (Haupt-)Antrag ebenso wie das Landgericht auf die von dem Kläger in erster Instanz behauptete Abtretung der Klageforderung gestützt hat. Neues Vorbringen zu diesem bereits dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegenden Gesichtspunkt war dem Kläger daher verwehrt.
(2) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, daß nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des Eingangsgerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlaß gegeben hätten (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 23; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 18). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die ihm obliegende Hinweispflicht jedoch nicht verletzt. Zwar konnte der Kläger aus dem Umstand, daß das Landgericht trotz der bereits vorgetragenen Abtretung Beweis zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs erhoben hat, schließen, daß es auf diesen Gesichtspunkt für die gerichtliche Entscheidung nicht ankommen werde. Er hatte daher zunächst keinen konkreten Anlaß, zu der Frage der Abtretung weiter vorzutragen oder sein Vorbringen in dem Sinn richtig zu stellen , daß tatsächlich keine Abtretung vereinbart worden sei. Dies änderte sich jedoch, nachdem das Landgericht auf die Bedeutung der Abtretung für die Fassung des Klageantrags hingewiesen hatte. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung verlesene Kommentarstelle mußte dem anwaltlich vertretenen Kläger bewußt gewesen sein, daß seine auf Zahlung an sich selbst gerichtete Klage wegen der von ihm vorgetragenen Abtretung des Klageanspruchs keinen Erfolg haben konnte, wenn das Landgericht mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an den Abtretungsempfänger für erforderlich hielt. Selbst wenn der Kläger, wie von der Revision behauptet, davon ausgegangen sein sollte, das Landgericht habe in dieser Frage noch keine abschließende Position eingenommen, hätte er jedenfalls mit der Möglichkeit einer Klageabweisung rechnen müssen. Damit wäre es aus Sicht des Klägers nicht nur geboten gewesen , den Klageantrag – wie in der Berufungsinstanz geschehen – zumindest hilfsweise auf Zahlung an den Abtretungsempfänger umzustellen. Darüber
hinaus hätte auch Anlaß bestanden, im Rahmen des ursprünglichen Klageantrags zu der Frage der Abtretung ergänzend Stellung zu nehmen. Daß dies dem Kläger in erster Instanz, sei es auch nach Einräumung einer von ihm zu beantragenden Schriftsatzfrist (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320), nicht möglich gewesen wäre, wird von der Revision nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Von sich aus mußte das Landgericht jedenfalls nicht auf einen weiteren Sachvortrag des Klägers hinwirken, da dessen Prozeßbevollmächtigter ausdrücklich um eine gerichtliche Entscheidung gebeten hatte und keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, sein Vortrag zu der erfolgten Abtretung könne ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein.
(3) Hat der Kläger damit diejenigen tatsächlichen Umstände, die nach seiner Auffassung der Annahme einer Abtretung der Klageforderung entgegenstehen , in erster Instanz nicht vorgebracht, obwohl ihm diese Umstände und deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, beruht die unterlassene Geltendmachung auf Nachlässigkeit; das schließt eine Berücksichtigung dieser Umstände in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak /Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 18 f.; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904). Das Berufungsgericht mußte deshalb der unter Beweis gestellten Behauptung des Klägers, er und sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter hätten keine Abtretung der Klageforderung vereinbaren wollen, ebensowenig nachgehen wie der Frage, ob die schriftliche Abtretungsvereinbarung vom 30. März 1997 nur die von dem Kläger aufgrund eines obsiegenden Urteils erlangten Geldmittel erfaßt.
c) Auf der Grundlage der von dem Landgericht fehlerfrei festgestellten Abtretung hat das Berufungsgericht einen in der Person des Klägers bestehenden Verwendungsersatzanspruch zu Recht verneint. Zwar hat die nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Abtretung des Klageanspruchs keinen Einfluß auf dessen prozessuale Geltendmachung (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Rechtsvorgänger behält daher weiter seine Prozeßführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen weiterführen (Prozeßstandschaft ). Aufgrund der veränderten materiellen Rechtslage muß der Kläger jedoch grundsätzlich Leistung an seinen Rechtsnachfolger verlangen. Weigert er sich, wie hier, so muß die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden. Diese Grundsätze, die der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, VI ZR 221/80, WM 1982, 1313; Urt. v. 12. März 1986, VIII ZR 64/85, NJW 1986, 3206, 3207; Urt. v. 20. November 1996, XII ZR 70/95, NJW 1997, 735, 736) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 265 Rdn. 83; Zöller/Greger, aaO, § 265 Rdn. 6a; Musielak/Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 265 Rdn. 17; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 265 Rdn. 13; a.A. die sogenannte Irrelevanztheorie: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 102 IV 2, S. 585; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 28. Aufl., § 87 III 3, S. 354) entsprechen , stellt auch die Revision nicht in Frage.
Auch war der Kläger nicht etwa deshalb zur Einziehung der abgetretenen Forderung im eigenen Namen befugt, weil ihm der Abtretungsempfänger eine Einziehungsermächtigung erteilt hätte (vgl. BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, aaO). Eine entsprechende Behauptung hat der Kläger in
erster Instanz nicht aufgestellt. Sie läßt sich auch seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz, soweit es überhaupt zu berücksichtigen ist, nicht entnehmen. Wäre die Klageforderung, wie nunmehr von dem Kläger vorgetragen, nicht abgetreten worden, hätte keinerlei Anlaß zu der Erteilung einer Einziehungsermächtigung bestanden.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der erstmals in zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger einen Verwendungsersatzanspruch seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geltend macht, sei unzulässig, weil er entgegen § 533 Nr. 2 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen waren. Eine mit der Berufung vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger stellt nämlich unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Mißerfolg des auf Leistung an den Kläger selbst gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar.
a) § 533 ZPO knüpft in seinem Einleitungssatz an den allgemeinen Begriff der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO an (Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3). Danach ist eine objektive Klageänderung gegeben, wenn sich der Streitgegenstand verändert, insbesondere, wenn bei gleich bleibendem oder geändertem Klagegrund ein anderer Klageantrag gestellt wird (Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 263 Rdn. 1 f.). Wie eine Klageänderung zu behandeln ist der Fall einer nachträglichen (Eventual -)Klagenhäufung, auf den § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH, Urt. v. 29. April 1981, VIII ZR 157/80, WM 1981, 423, 427; Urt. v. 10. Januar 1985, III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. 26. Mai 1986, II ZR 237/85,
NJW-RR 1987, 58; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 263 Rdn. 21; Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO, § 263 Rdn. 4) und der deshalb auch von § 533 ZPO erfaßt wird (MünchKommZPO /Rimmelspacher, aaO, § 533 Rdn. 10; Musielak/Ball, aaO, § 533 Rdn. 6).
b) Handelt es sich allerdings um eine Antragsänderung, die, wie die Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger, den Bestimmungen des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO unterfällt (für eine Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO: BGH, Urt. v. 3. Juni 1987, IVb ZR 68/86, FamRZ 1987, 926, 928; Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; Musielak /Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Zöller/Greger, aaO, § 264 Rdn. 3b; für eine Anwendung von § 264 Nr. 3 ZPO: Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 265 Rdn. 42; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 265 Rdn. 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO, § 101 I 3), ist sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als eine Klageänderung anzusehen. Auf eine solche Modifizierung des Klageantrags finden daher diejenigen Vorschriften, die die Zulässigkeit einer Klageänderung regeln, keine Anwendung (MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4). Dies gilt nicht nur für § 263 ZPO (Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 264 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4), sondern auch für § 533 ZPO (a.A. Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3, die jedenfalls § 533 Nr. 2 ZPO anwenden wollen), weil § 264 ZPO gemäß § 525 Satz 1 ZPO auch auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist.
c) Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Modifizierung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz entspricht dem Zweck der Vorschrift, der die prozeßökonomische und endgültige Erledigung des Streitstoffs zwischen den Parteien fördern soll (MünchKomm-ZPO/Lüke,
aaO, § 264 Rdn. 1). Kann das Berufungsgericht auf der Grundlage des bereits in erster Instanz angefallenen Prozeßstoffs eine abschließende Entscheidung über den modifizierten Klageantrag treffen, widerspräche es den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit, würde man die Parteien, gestützt auf § 533 ZPO, auf einen neuen Rechtsstreit verweisen, in dem das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werden müßte und das Berufungsgericht erneut mit der Sache befaßt werden könnte. Nach früherem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO) war eine derart unökonomische Verfahrensgestaltung ausgeschlossen , weil § 264 ZPO in der Berufungsinstanz Anwendung fand (BGHZ 85, 140, 143; BGH, Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 5) und in den von der Vorschrift geregelten Fällen eine Antragsänderung unabhängig von dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen ermöglichte. Für das reformierte Berufungsverfahren etwas anderes anzunehmen, hätte im Vergleich zu dem früheren Recht eine verstärkte Belastung der Gerichte und eine verzögerte Erledigung der Streitsachen zur Folge. Damit würde das Ziel der Zivilprozeßreform, die Effizienz innerhalb der Ziviljustiz zu steigern (BT-Drs. 14/4722, S. 1), offensichtlich verfehlt.
d) § 533 ZPO steht einer Anwendung des § 264 ZPO auf das Berufungsverfahren nicht entgegen (§ 525 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
aa) Mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drs. 14/4722, S. 102). Auf das Vorliegen dieser Vorausset-
zungen kam es jedoch auch bislang nicht an, wenn es sich um eine Antragsänderung gemäß § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelte (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO). Daß der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte, läßt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Die Annahme, derartige Modifizierungen des Klageantrags sollten nach neuem Recht nur noch unter den in § 533 Nr. 1 ZPO geregelten Voraussetzungen zulässig sein, ist auch deshalb fernliegend, weil diese Antragsänderungen in aller Regel als sachdienlich anzusehen sind (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 2), § 533 Nr. 1 ZPO insoweit also ohnehin keine zulässigkeitsbeschränkende Wirkung haben könnte.
bb) Sinn und Zweck des § 533 Nr. 2 ZPO gebieten es ebenfalls nicht, Antragsänderungen gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO in der Berufungsinstanz als Klageänderungen anzusehen.
(1) § 533 Nr. 2 ZPO bringt die geänderte Funktion des Berufungsverfahrens zum Ausdruck, die keine vollständige zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet , sondern in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient (BT-Drs. 14/4722, S. 64, 102). Für diesen Berufungszweck ist es unerheblich, ob das erstinstanzliche Gericht subjektiv fehlerhaft gehandelt und entschieden hat, was nicht der Fall ist, wenn seine Entscheidung gemessen an dem in erster Instanz gestellten Klageantrag - wie hier - zutreffend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob das erstinstanzliche Urteil objektiv fehlerhaft ist, was nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zu beurteilen ist (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 513 Rdn. 7; Rimmelspacher , NJW 2002, 1897). Damit kann sich die Korrekturbedürftigkeit des mit der Berufung angefochtenen Urteils auch aus einer im Berufungsverfahren
erfolgten Modifizierung des Klageantrags ergeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, mit der Umstellung des Klageantrags einer Veränderung der materiellen Rechtslage Rechnung getragen wird, an deren sachgerechter Beurteilung das erstinstanzliche Gericht wegen des in erster Instanz gestellten Klageantrags gehindert war.
(2) Ausweislich der Gesetzesbegründung will § 533 Nr. 2 ZPO verhindern , daß im Wege der Klageänderung unzulässiger neuer Tatsachenstoff in das Berufungsverfahren eingeführt wird (BT-Drs. 14/4722, S. 102). In den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO ist das aber schon deswegen nicht zu befürchten , weil die Vorschrift insoweit voraussetzt, daß der - bereits in erster Instanz dargelegte - Klagegrund unverändert bleibt. Sollen zu dessen Ergänzung neue Tatsachen vorgetragen werden, ist dies nur in den durch § 531 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zulässig. Damit ist sichergestellt, daß der von dem Berufungsgericht zu beurteilende Prozeßstoff im wesentlichen mit demjenigen der ersten Instanz übereinstimmt.
(3) Schließlich soll durch die Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO vermieden werden, daß das Berufungsgericht eine Klageänderung bei Vorliegen der in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen zwar zulassen müßte, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber gehindert sein könnte, weil es gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu der ursprünglichen Klage festgestellten Tatsachen zugrunde legen darf (BTDrs. 14/4722, S. 102). Diese Gefahr, die den Gesetzgeber zu einer über die frühere Rechtslage hinausgehenden Beschränkung der Zulässigkeit zweitinstanzlicher Klageänderungen bewogen hat, besteht bei einer Antragsänderung
gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht. Vielmehr kann das Berufungsgericht bei der Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf den gesamten in erster Instanz angefallenen Prozeßstoff zurückgreifen.
(a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. März 2004 (V ZR 257/03) ausgeführt hat, gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Umdruck S. 14). Im Gegensatz zum Revisionsrecht (§ 559 Abs. 1 ZPO) enthalten die gesetzlichen Vorschriften über das Berufungsverfahren keine das berücksichtigungsfähige Parteivorbringen beschränkende Bestimmung. Eine Verengung des zweitinstanzlichen Prozeßstoffs auf das aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtliche Parteivorbringen ergibt sich auch nicht aus § 314 ZPO, weil dem Urteilstatbestand im Hinblick auf schriftsätzlich angekündigtes Parteivorbringen keine negative Beweiskraft zukommt (Umdruck S. 17 f. m.w.N.). Unabhängig hiervon kann der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils den der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Prozeßstoff auch deshalb nicht begrenzen, weil das Berufungsverfahren nicht nur, wie das Revisionsverfahren, der Rechtsfehlerkontrolle, sondern gemäß § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen dient (BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f.). Dies setzt voraus, daß das Berufungsgericht schriftsätzlich angekündigtes entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen darf, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet oder übersehen worden ist und das deshalb im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (Barth, NJW 2002, 1702, 1703). Die in § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Funktion der Berufung würde eine den berücksichtigungsfähigen Prozeßstoff begrenzende Wirkung des
erstinstanzlichen Urteils also selbst dann ausschließen, wenn man im übrigen mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt BGH, Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89, juris) an der negativen Beweiskraft des Urteilstatbestands ohne Einschränkungen festhielte. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis ohne Bedeutung, so daß es weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG) bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG).
(b) Bei der Entscheidung über den modifizierten Klageantrag ist das Berufungsgericht nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO an die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag getroffenen Feststellungen gebunden. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 35; Ball, ZGS 2002, 146, 149) für die Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und inwieweit die Voraussetzungen eines von dem Kläger an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetretenen Verwendungsersatzanspruchs gemäß §§ 994, 996 BGB erfüllt sind und in welchem Umfang ein solcher Anspruch gegebenenfalls durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen ist. Durch die Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Fest-
stellungen nachzuholen. Dabei kann es die Ergebnisse der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verwerten, soweit nicht deren Wiederholung nach den von der Rechtsprechung zu §§ 398, 402 ZPO entwickelten Grundsätzen geboten ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, Umdruck S. 10 m.w.N.).
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte bot im November 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 550 Ölgemälde aus dem 18. bis 20. Jahrhundert für 280.000 DM zum Kauf an. Am 3. Dezember 1999 schlossen der Zeuge F. – der Ehemann der Klägerin – und der Beklagte einen entsprechenden Kaufvertrag. Bei der Übergabe der Bilder am 9. Dezember 1999 wurde der Vertrag auf Veranlassung des Zeugen F. von den Beteiligten ohne Wissen der Klägerin auf diese als Käuferin umgeschrieben. Am selben Tag beglich der Zeuge F. auch den Kaufpreis – ob vollständig oder nur teilweise ist streitig – mit Mitteln, die er zuvor von der Klägerin als Darlehen erhalten hatte.
- 2
- Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von 280.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe von 433 Bildern, die der Beklagte dem Zeugen F. nach ihrem Vortrag nur übergeben hat. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin Ansprüche auch aus abgetretenem Recht des Zeugen F. geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der 433 Bilder in Annahmeverzug befinde. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren nur noch aus abgetretenem Recht des Zeugen F. weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
- 4
- Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei der Zahlung des Kaufpreises um eine Leistung der Klägerin im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gehandelt habe, weil aus der maßgeblichen Sicht des Beklagten eine solche nur gegeben sei, wenn die Geldzahlung nach der Umschreibung des Kaufvertrags auf die Klägerin erfolgt sei; dies habe sie nicht zur vollen Überzeugung des Senats bewiesen. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB wegen einer behaupteten Täuschung des Zeugen F. durch den Beklagten über die Anzahl und die Qualität der verkauften Gemälde fehle es schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin an einem Schaden, weil durch den Verlust des dem Zeugen F. dar- lehensweise überlassenen Geldes ohne gleichwertige Gegenleistung nur dieser , nicht aber die Klägerin geschädigt worden sein könne.
- 5
- Soweit die Klägerin ihre Klageforderung im Berufungsverfahren auch auf abgetretenes Recht des Zeugen F. gestützt habe, liege darin eine nach § 533 ZPO nicht zulässige Klageänderung. Nach § 533 Nr. 2 ZPO könne eine Klageänderung nur zugelassen werden, wenn diese auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen habe. Das sei hier nicht der Fall. Bei Berücksichtigung der Klageänderung müsse der Frage nachgegangen werden, ob ein abgetretener Anspruch des Zeugen F. wegen eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 179 BGB nicht durchsetzbar sei. Im Rahmen des § 179 BGB stellten sich die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, ob der Kaufvertrag sittenwidrig, wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten oder infolge Wandelung rückabzuwickeln sei. Dies könne nur aufgrund eines Sachverhalts entschieden werden, den der Senat derzeit nicht zu beurteilen habe. Voraussichtlich wären weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert der Kunstwerke erforderlich. Daraus folge, dass die Klageänderung auch nicht als sachdienlich angesehen werden könne, was weitere Voraussetzung ihrer Zulassung sei, nachdem der Beklagte in die Änderung nicht eingewilligt habe.
- 6
- Ob das Landgericht die Klage nicht ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin mangels Schlüssigkeit habe abweisen dürfen, nachdem es zuvor aufwändig Beweis erhoben habe, könne dahinstehen, weil sich ein möglicher Verfahrensfehler nicht ausgewirkt habe. Selbst wenn die Klägerin einen solchen Hinweis zum Anlass genommen hätte, sich auf eine Abtretung zu berufen, wäre eine Klageänderung auch vom Landgericht nicht zuzulassen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte wie auch in zweiter Instanz der Klage- änderung widersprochen hätte; die Sachdienlichkeit wäre in gleicher Weise zu verneinen gewesen, wie es in der Berufungsinstanz der Fall sei.
II.
- 7
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 533 ZPO für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz rechtsfehlerhaft verneint.
- 8
- 1. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht auch bei einem einheitlichen Klageziel einen anderen Streitgegenstand darstellt als die Geltendmachung aus eigenem Recht (BGH, Urteil vom 17. November 2005 – IX ZR 8/04, NJW-RR 2006, 275 = WM 2006, 592 unter A II 2 b bb; Senatsurteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 3; Urteil vom 13. April 1994 – XII ZR 168/92, NJW-RR 1994, 1143 = WM 1994, 1545 unter II 1; Urteil vom 29. November 1990 – I ZR 45/89, NJW 1991, 1683 unter I 2 a), weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf eigenes auf fremdes Recht gestützt wird. Die deshalb durch die zusätzliche Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht eingetretene nachträgliche (Eventual-)Klagenhäufung (§ 260 ZPO) ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (BGHZ 158, 295, 305; Senatsurteil vom 15. Juni 2005 – VIII ZR 74/04, WM 2005, 2057 unter II 5; BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 – III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4).
- 9
- 2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass die Annahme des Berufungsgerichts , die Klageänderung sei nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), von Rechtsfehlern beeinflusst ist. Das Revisionsgericht kann zwar die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 – XI ZR 308/98, NJW 2000, 143, unter II 2 b; BGHZ 123, 132, 137). Das ist hier jedoch der Fall, weil das Berufungsgericht einerseits für die Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat und andererseits Gesichtspunkte in die Abwägung eingeflossen sind, die so nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
- 10
- a) Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999, aaO, unter II 2 a). Nach ständiger Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsrecht (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO, unter II 5 a; BGHZ 143, 189, 197 f. m.w.Nachw.) kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann vielmehr bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann.
- 11
- Daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I 1887) nichts geändert. Denn mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a.F. in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drucks. 14/4722, S. 102).
- 12
- b) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Würdigung der Sachdienlichkeit außer Acht gelassen, dass der von der Klägerin in der Berufung neu geltend gemachte Anspruch aus abgetretenem Recht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung unmittelbar an den vorherigen Prozessstoff anknüpft. Die Klägerin hatte, wie die Revision zu Recht geltend macht, bereits in erster Instanz zu den vom Beklagten angeblich gegebenen Zusicherungen, dem Ablauf der Vertragsverhandlungen , der Übergabe der Bilder und des Geldes, zum wahren Wert der Bilder sowie zu einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vorgetragen und sich auf Gewährleistungsansprüche berufen. Das Landgericht hatte auch bereits Beweis erhoben über die Umstände des Kaufvertragsabschlusses am 3. Dezember 1999 und der nachträglichen Vertragsgestaltung, die Höhe des gezahlten Kaufpreises und die Zahl der zur Erfüllung übergebenen Bilder durch Vernehmung des Zeugen F. und durch kommissarische Vernehmung des Zeugen L. V. in Rumänien. Dass es darauf aus der Sicht des Berufungsgerichts für die Abweisung des Anspruchs der Klägerin aus eigenem Recht nicht ankam, hindert die Sachdienlichkeit der Klageänderung nicht; der bisherige Vortrag der Parteien und die dazu bereits gewonnenen Beweisergebnisse können gleichwohl bei der Verhandlung und Entscheidung über den von der Klägerin neu geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht verwertet werden. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht deshalb für die Sachdienlichkeit der Klageänderung. Anders als das Berufungsgericht meint, steht dieser nach dem oben (unter a) Ausgeführten auch nicht entgegen, dass die Klageänderung weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht.
- 13
- 3. Die Klageänderung kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch auf Tatsachen gestützt werden, die dieses seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO).
- 14
- Dabei kann offen bleiben, ob die von der Revision als rechtsfehlerhaft gerügte Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, bei Berücksichtigung der Klageänderung müsse der Frage nachgegangen werden, ob der abgetretene Anspruch des Zeugen F. wegen eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 179 BGB nicht durchsetzbar sei. Auch über einen – die Klageforderung hindernden – möglichen Gegenanspruch des Beklagten gegenüber dem Zeugen F. kann aufgrund der Tatsachen entschieden werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte.
- 15
- a) Für einen solchen Anspruch kommt es darauf an, ob und mit welchem Inhalt das zunächst zwischen dem Zeugen F. und dem Beklagten abgeschlossene und sodann auf die Klägerin "umgeschriebene" Geschäft – vorbehaltlich des Fehlens der Vertretungsmacht des Zeugen F. – wirksam zustande gekommen ist, ob es infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig ist oder ob Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüchen des Beklagten aus diesem Geschäft die Sachmängeleinrede entgegensteht. Das Landgericht hat dazu zwar keine Tatsachen festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) in dem Sinne, dass es aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, die insoweit behaupteten Tatsachen seien wahr oder nicht wahr. Denn darauf kam es nach der materiell-rechtlichen Beurteilung des – nach mehrfachem Richterwechsel – letztlich erkennenden Einzelrichters beim Landgericht nicht an.
- 16
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelangt jedoch mit dem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht darf also auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (BGHZ 158, 295, 309; 158, 269, 278, 280 ff.). Die Klägerin hatte – wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt – zu den tatsächlichen Umständen, aus denen sie die Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 und 2 BGB), dessen Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) oder jedenfalls die Berechtigung eines Wandelungsverlangens (§§ 462, 459 ff. BGB in der bis zum 31. Januar 2001 geltenden Fassung) herleitet, schon in erster Instanz vorgetragen. Der entsprechende Vortrag in der Berufungsbegründung war daher nicht neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts aufgrund der Klageänderung für die Entscheidung auf Tatsachen an, die – wie hier – in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt sind, bestehen erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen , die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (vgl. BGHZ 158, 295, 310).
- 17
- b) Neu war in der Berufungsinstanz allerdings die Behauptung der Klägerin , der Zeuge F. habe einen ihm zustehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises an sie abgetreten. Dieser Vortrag war aber, wie die Revision zu Recht rügt, nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil er im ersten Rechtszug infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht worden ist; er war daher vom Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu berücksichtigen.
- 18
- aa) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die erstinstanzliche Klageabweisung wegen mangelnder Schlüssigkeit ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin verfahrensfehlerhaft war, nachdem das Landgericht zuvor in anderer Besetzung aufwändig Beweis erhoben hatte. Die Frage ist zu bejahen.
- 19
- Nach § 139 Abs. 2 ZPO darf das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien, nur stützen , wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Die Hinweispflicht dient vor allem der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und besteht auch gegenüber der anwaltlich vertretenen Partei, wenn der Prozessbevollmächtigte der substantiierungspflichtigen Partei ersichtlich darauf vertraut, dass sein schriftlicher Vortrag ausreicht (BGHZ 127, 254, 260; BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 – X ZR 83/00, NJW 2002, 3317 unter II 2 a; Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 169/93, NJW-RR 1994, 1085 unter 3 b; Urteil vom 4. Juli 1989 – XI ZR 45/88, BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3 m.w.Nachw.). Deshalb hat das Berufungsgericht auf Bedenken hinzuweisen und Gelegenheit zur Ergänzung des Sachvortrags zu geben, wenn es anders als das erstinstanzliche Gericht das Klagevorbringen nicht als schlüssig ansieht (BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - VII ZR 197/01, NJW-RR 2002, 1436 unter II 1). Ein Hinweis ist weiter geboten, wenn ein Gericht von seiner in einer gerichtlichen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will (BGH, Urteil vom 25. Juni 2002, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn es die Klage mangels Sachbefugnis des Klägers als unschlüssig abweisen will, obwohl es zuvor durch Anordnung einer Beweisaufnahme konkludent zu erkennen gegeben hat, dass es die Klage für schlüssig und insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers für gegeben hält (OLG Saarbrücken, MDR 2003, 1372 f.; OLG Bamberg, NJWRR 1998, 1608 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rdnr. 30; Musielak /Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rdnr. 8).
- 20
- So liegt der Fall hier. Die Parteien konnten die Anordnung der Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen F. in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2000 und die aufgrund Beweisbeschluss vom 30. Juli 2001 erfolgte Vernehmung des von dem Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen V. in Rumänien nur dahin verstehen, dass das Landgericht jedenfalls nach der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2000 von der Schlüssigkeit ihres Klagevorbringens und damit auch von ihrer Aktivlegitimation ausging. Nach Eingang der Aussage des Zeugen V. ist nicht erneut mündlich verhandelt, sondern nach § 128 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Weder von Seiten des Gerichts noch von Seiten des Beklagten ist in diesem Stadium die Schlüssigkeit des Klagevorbringens im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin erneut thematisiert worden. Vor diesem Hintergrund stellte sich das landgerichtliche Urteil für die Klägerin als Überraschungsentscheidung dar.
- 21
- bb) Dies hat die Klägerin, wie die Revision zutreffend geltend macht, mit ihrer Berufungsbegründung gerügt (§§ 529 Abs. 2 Satz 1, 520 Abs. 3 ZPO) und vorgetragen, sie und der Zeuge F. seien sich bereits vor Klageerhebung einig gewesen, dass alle in Betracht kommenden Rückforderungsansprüche, auch soweit sie in der Person des Zeugen F. entstanden sein sollten, der Klägerin zustehen sollten. Gleichzeitig hat sie eine aktuelle Abtretungsvereinbarung vorgelegt und ausgeführt, auf einen Hinweis des Landgerichts hin wäre zur Klarstellung bereits im ersten Rechtszug (nochmals) die Abtretung erklärt worden.
- 22
- cc) Der Berücksichtigung der auf eine Verletzung von § 139 Abs. 2 ZPO durch das Landgericht gestützten Verfahrensrüge und der mit der Rüge vorgetragenen neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht stand auch nicht der Schutzzweck von § 139 ZPO entgegen. Zwar soll die Vorschrift grundsätzlich der betroffenen Partei nur die Möglichkeit geben, sich zu dem gegebenen Streitgegenstand umfassend zu äußern. Das Gericht darf nicht auf neue, in dem Vortrag der Parteien noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe hinweisen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01, NJW-RR 2004, 495, unter II 1 c bb). Das schließt jedoch nicht aus, dass die Partei auf einen zulässigen und gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO, der die Schlüssigkeit ihres bisherigen Vorbringens in Frage stellt, von sich aus – im Rahmen von § 263 ZPO – einen neuen Klagegrund in das Verfahren einführt (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003, aaO; Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 179/98, NJW 2001, 2548, unter III 1 b und c; Urteil vom 25. November 1992 – XII ZR 116/91, NJW 1993, 597, unter 2 b und c; zum Parteiwechsel BGHZ 91, 132, 134). Auch diese Reaktionsmöglichkeit wird vom Schutzzweck des § 139 ZPO umfasst.
III.
- 23
- Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; das Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es zu dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 09.08.2002 - 3 O 232/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.12.2003 - 8 U 181/02 -
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Einwendungen des Hauptschuldners aus einem zwischen ihm und dem Bürgen bestehenden Rechtsverhältnis bleiben unberührt.
(2) Mitbürgen haften einander nur nach § 426.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,
- 1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und - 2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 23. November 2007 erwarben die Kläger von dem Beklagten eine Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Die Wohnung befindet sich in einem ehemaligen Brennereigebäude , das zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde und noch unrenoviert ist. Eine durch den Beklagten selbst übernommene Baulast sichert öffentlichrechtliche Veränderungsbeschränkungen hinsichtlich des Gestaltwerts des Gebäudes , dem eine das Bild der Kulturlandschaft prägende Bedeutung zukommt (§ 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB). Auch der Vertreter des Beklagten bei den Vertragsverhandlungen , ein Immobilienkaufmann, hatte hiervon Kenntnis. Im Gegensatz zu vier anderen Baulasten wird diese Baulast in dem Kaufvertrag nicht erwähnt.
- 2
- Die Kläger sehen sich arglistig getäuscht und verlangen Rückabwicklung des Vertrags. Ihre auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung der Eigentumswohnung, Erstattung von Nebenkosten und vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht unterstellt, dass die Kläger über die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung nicht aufgeklärt worden sind. Dennoch verneint es eine Haftung des Beklagten, weil der vereinbarte Haftungsausschluss eingreife. Weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht liege ein arglistiges Verhalten vor. Es fehle an einer Aufklärungspflicht, weil der Mangel für den Kaufentschluss der Kläger nicht wesentlich gewesen sei. Aufgrund der persönlichen Anhörung der Kläger stehe fest, dass diese den Vertrag auch dann geschlossen hätten, wenn sie von der Baulast gewusst hätten. Sie hätten nämlich keine baulichen Veränderungen in Erwägung gezogen, die durch die Baulast eingeschränkt würden, und wollten sich aus anderen Gründen von dem Vertrag lossagen. Selbst wenn eine bestimmte aufgrund der Baulast ausgeschlossene Fassadengestaltung bei Vertragsschluss in Rede gestanden haben sollte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese maßgeblich für den Kaufentschluss gewesen sei. Erst recht fehle es dann in subjektiver Hinsicht an der Arglist, weil weder der Beklagte noch sein Vertreter gewusst haben könn- ten, dass die Kläger ihren Kaufentschluss von einer bestimmten Fassadengestaltung hätten abhängig machen wollen.
II.
- 4
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Verneinung des geltend gemachten Rückabwicklungsanspruchs (§ 437 Nr. 2 i.V.m. §§ 323, 346 BGB) und des Schadensersatzanspruchs (§ 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Beklagte die Kläger über die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung nicht aufgeklärt hat und diese nicht als Beschaffenheit der Eigentumswohnung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart worden ist. Inhalt der Baulast ist die Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers, das Gebäude entsprechend dem gestellten Bauantrag umzubauen, künftig seinen Gestaltwert in der dann bestehenden Form zu unterhalten und alle weiteren Baumaßnahmen in Abstimmung mit der Baubehörde so zu planen, dass der Gestaltwert für die Kulturlandschaft nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Baubeschränkung stellt - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend annimmt - einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB dar (vgl. Senat, Urteil vom 10. März 1978 - V ZR 69/76, ZMR 1978, 307; Masloh, NJW 1995, 1993, 1996 mwN).
- 6
- 2. Infolgedessen hat der Beklagte seine Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Entscheidend ist, ob ihm die Berufung auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss gemäß § 444 BGB verwehrt ist, weil er bzw. sein Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) den Mangel arglistig verschwiegen hat.
- 7
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für den Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung sind, sofern eine Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann. Für den Kauf eines Hausgrundstücks hat der Senat eine Pflicht zur Offenbarung verborgener wesentlicher Mängel angenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330; Urteil vom 23. März 1990 - V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847, 848 jeweils mwN).
- 8
- b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein solcher wesentlicher Mangel auch dann vor, wenn der Käufer - wie hier - den Vertrag in Kenntnis des Mangels ebenfalls geschlossen hätte und dieser damit nicht ursächlich für seinen Kaufentschluss geworden ist. Ob ein Mangel so wesentlich ist, dass er ungefragt offenbart werden muss, kann, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht aus der Sicht des jeweiligen Käufers bestimmt werden. Klärt der Verkäufer über einen objektiv wesentlichen Sachmangel nicht auf, kann er nämlich nicht wissen, ob dieser für die Kaufentscheidung seines Vertragspartners bedeutsam ist oder nicht. Maßgeblich ist allein, ob ein verständiger Verkäufer damit rechnen muss, dass der verschwiegene Mangel Einfluss auf die Entscheidung des Käufers hat. Dann ist der Mangel unabhängig von seinem tatsächlichen Einfluss auf den Kaufentschluss wesentlich und der Verkäufer zur Offenbarung verpflichtet. So liegt es hier. Nach der Verkehrsanschauung kann kein Zweifel daran bestehen, dass die durch die Baulast gesicherte Baubeschränkung angesichts des unrenovierten, nach Nutzungsänderung noch umzubauenden und zudem in Wohnungseigentum aufgeteilten Haus einen wesentlichen Mangel darstellt. Dabei ist ohne Bedeutung, ob dieKläger - wie sie erst in zweiter Instanz vorgetragen haben - im Laufe der Vertragsverhandlungen konkret eine durch die Baulast ausgeschlossene Außengestaltung des Gebäudes thematisiert haben. Dann hätte erst recht eine Aufklärung erfolgen müssen, weil Fragen unabhängig von der Erheblichkeit des Mangels stets vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten sind (vgl. nur Senat, Urteil vom 27. März 2009 - V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 Rn. 25 mwN). Ebenso rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, wegen der dem Beklagten unbekannten fehlenden Kausalität fehle es an den subjektiven Voraussetzungen der Arglist.
- 10
- a) Die seitens des Berufungsgerichts festgestellte fehlende Ursächlichkeit des Mangels für den Kaufentschluss schließt die geltend gemachten Ansprüche nicht aus. Ob sich ein Verkäufer auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, wenn ein arglistig verschwiegener Mangel ohne Einfluss auf den Willensentschluss seines Vertragspartners war, ist für § 444 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung höchstrichterlich allerdings noch nicht entschieden worden.
- 11
- aa) Während das Reichsgericht Kausalitätsfragen im Gewährleistungsrecht allgemein für unerheblich hielt (RG WarnR 1933 Nr. 193; zu § 477 BGB aF RGZ 55, 210, 215 f.; zu § 463 BGB aF RGZ 102, 394, 395; ebenso Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Aufl., S. 436; Planck/Knoke, BGB, 4. Aufl., § 463 Anm. 2 a.E.), hat der Senat für § 463 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung angenommen, dass die von dem Verkäufer zu beweisende fehlende Kausalität den Anspruch ausschließt. So differenziert das Urteil des Senats vom 30. April 2003, auf das sich das Berufungs- gericht gestützt hat, zwischen der arglistigen Täuschung, für die es die Beweislast bei dem Käufer sieht, und der von dem Verkäufer zu beweisenden fehlenden Ursächlichkeit der Täuschung für den Willensentschluss (V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2381; ebenso Senat, Urteil vom 7. Juli 1989 - V ZR 21/88, NJW 1990, 42, 43; Urteil vom 19. September 1980 - V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46; BGH, Urteil vom 29. Juni 1977 - VIII ZR 43/76, NJW 1977, 1914, 1915; KG, NJW-RR 1989, 972, 973). In der Literatur war die Frage umstritten. Teils wurde vertreten, dass die fehlende Kausalität einen Schadensersatzanspruch gemäß § 463 S. 2 BGB a.F. ausschließe (Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., § 463 Rn. 6; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 463 Rn. 29), teils wurde sie für irrelevant gehalten (Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 463 Rn. 25; § 476 Rn. 9 f.; Staudinger/Honsell, BGB [1995] § 476 Rn. 24).
- 12
- bb) Für § 444 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung wird - soweit zu dieser Frage überhaupt Stellung bezogen wird - überwiegend angenommen, dass die Arglist nicht ursächlich für den Vertragsschluss gewesen sein muss (Krüger in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rn. 748; allgemein zum Recht der Sachmängelhaftung Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 438 Rn. 37; widersprüchlich Staudinger/Matuschke-Beckmann, BGB [2004], § 444 Rn. 42 einerseits, § 438 Rn. 95 andererseits; aA MünchKomm -BGB/Westermann, 5. Aufl, § 438 Rn. 35).
- 13
- cc) Richtigerweise ist die Ursächlichkeit der Arglist für den Kaufentschluss unerheblich. Anders als in § 123 Abs. 1 BGB ("zur Abgabe einer Wil- lenserklärung durch arglistige Täuschung … bestimmt") findet die Kausalität in dem Wortlaut des § 444 BGB keine Erwähnung ("kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen … hat"). Ein Kausalitäts- erfordernis wäre im Recht der Sachmängelhaftung systemwidrig. Während die Anfechtbarkeit im Falle einer arglistigen Täuschung die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66, BGHZ 51, 141, 147), sind Ansprüche aus Sachmängelhaftung an eine Verletzung der in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB normierten Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache geknüpft. Sie setzen grundsätzlich nicht voraus, dass der Mangel die Kaufentscheidung beeinflusst hat. Während das arglistige Verhalten des Verkäufers nach § 463 Satz 2 BGB a.F. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch war, ist die Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache seit der Reform des Schuldrechts Teil des Erfüllungsanspruchs, § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Schadensersatzanspruch ist gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 Satz 2, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bei einer fahrlässig verschuldeten mangelhaften Lieferung gegeben. Das arglistige Verhalten des Verkäufers ist in diesem Zusammenhang nur noch im Rahmen von § 444 BGB von Bedeutung. Diese Vorschrift soll den Käufer allein vor einer unredlichen Freizeichnung des Verkäufers von der Sachmängelhaftung schützen. Eine solche unredliche Freizeichnung ist gegeben, wenn der Verkäufer arglistig handelt. Weitere Voraussetzungen enthält § 444 BGB nicht.
- 14
- b) Der Vorrang der Nacherfüllung, der sich für den Rücktritt aus § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB und für den Schadens- bzw. Aufwendungsersatz aus § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 284 BGB ergibt, steht den von den Klägern geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen. Ohnehin ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die Baulast beseitigen könnte. Jedenfalls aber wäre bei einer arglistigen Täuschung die Nacherfüllung unzumutbar (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19 f.).
- 15
- 4. Damit ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - offen gelassen, ob die Aufklärung erfolgt ist. Auch fehlen Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen der Arglist.
- 16
- 5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 17
- a) Die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung tragen im Grundsatz die Kläger. Dabei begründet die im Gegensatz zu den weiteren Baulasten fehlende Erwähnung der Baulast in dem Vertrag zwar keine negative Vermutung, weil es sich nicht um eine Vereinbarung, sondern um eine Information handelt. Sie kann aber indizielle Bedeutung für die Beweisführung haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 1986 - V ZR 158/85, juris Rn. 11 f.).
- 18
- b) Zunächst trifft jedoch den Beklagten als Verkäufer hinsichtlich der behaupteten Aufklärung durch seinen Vertreter eine sekundäre Darlegungslast, weil es sich um eine negative Tatsache handelt. Der Käufer kann sich in dieser Fallkonstellation darauf beschränken, zunächst die fehlende Offenbarung zu behaupten. Er muss lediglich die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizierende Aufklärung ausräumen. Kommt der Verkäufer der sekundären Darlegungslast nicht nach, ist sein Vorbringen nicht erheblich (näher Senat, Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, NJW 2011, 1280 Rn. 12 mwN, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob der bisherige Vortrag des Beklagten zu der behaupteten mündlichen Aufklärung diesen Anforderungen entspricht. Dabei dürfte sich die Aufklärung nicht in allgemein gehaltenen Aussagen erschöpft haben, sondern müsste Art, Inhalt und Tragweite der baurechtlichen Beschränkung in wesentlichen Zügen umfasst haben. Nicht ausreichend wäre wegen der Wirkung der Baulast in die Zukunft die bloße Vorstellung der bislang genehmigten Planung.
- 19
- c) In subjektiver Hinsicht setzt die Arglist neben der Kenntnis des Mangels voraus, dass der Verkäufer bzw. sein Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) weiß oder für möglich hält, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und er bei Offenbarung den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Sollte der Beklagte aber in objektiver Hinsicht keine ausreichende Aufklärung darlegen, träfe ihn auch in subjektiver Hinsicht die sekundäre Darlegungslast für diejenigen Umstände, aufgrund derer er bzw. sein Vertreter trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, die Kläger hätten Kenntnis von dem Mangel gehabt (vgl. zum Ganzen Senat aaO. Rn. 14 f.).
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 19.01.2010 - 8 O 342/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.07.2010 - I-22 U 40/10 -
(1) Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.
(2) Ein im Grundbuch eingetragenes Recht hat der Verkäufer zu beseitigen, auch wenn es der Käufer kennt.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, - 2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, - 3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche, - 4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, - 5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und - 6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.
(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 28. April 1997 kaufte die Klägerin von der Beklagten mehrere mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke in Thüringen. Nach dem Vertrag „haftet [der Verkäufer] für ungehindertenBesitz- und Eigentumsübergang sowie für Freiheit von allen Lasten und Beschränkungen, soweit die- se in [dem Vertrag] nicht ausdrücklich vom Käufer übernommen wurden“, nicht jedoch „für das Nichtbestehen altrechtlicher Dienstbarkeiten“. Besitz, Nutzun- gen und Lasten gingen im Jahr 1997 auf die Klägerin über. Am 5. Dezember 2011 erhielt die Klägerin von dem Grundbuchamt eine Eintragungsnachricht , der zufolge in die Grundbücher der erworbenen Grundstücke ein Abwasserleitungsrecht nebst Schutzstreifen in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des örtlichen Zweckverbands für Wasserversorgung und Abwasserbehandlung nach § 9 GBBerG eingetragen worden sei. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Abtretung der Entschädigungsansprüche nach § 9 Abs. 3 GBBerG auf und verlangt von ihr mit der am 4. März 2013 eingegangenen Klage die Abtretung der Entschädigungsansprüche und Ersatz vorgerichtlicher Kosten sowie hilfsweise Auskunft über die Höhe der erhaltenen Ausgleichszahlung und Schadensersatz.
- 2
- Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision strebt die Klägerin weiterhin die Verurteilung der Beklagten an. Diese beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Klägerin Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 440, 326 BGB a.F. und aus § 281 BGB a.F. zustehen, weil die verkauften Grundstücke mit dem Abwasserleitungsrecht zugunsten des Zweckverbands belastet sind. Diese Ansprüche seien aber verjährt. Sie unterlägen ab dem 1. Januar 2002 der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Diese Frist ende gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB spätestens nach zehn Jahren, also am 31. Dezember 2011, und sei bei Klageerhebung abgelaufen gewesen. Anders als die Klägerin meine, sei auf den Anspruch nicht die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB anzuwenden. Diese Vorschrift betreffe nur dingliche Rechte, die bei Gefahrübergang im Grundbuch eingetragen seien. Dazu gehöre das Abwasserleitungsrecht, um das es hier gehe, nicht.
II.
- 4
- Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
- 5
- 1. Im Ergebnis zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen kann die Klägerin zwar weder Abtretung des Entschädigungsanspruchs gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG noch Auskunft über etwaige Zahlungen des Zweckverbands auf diesen Anspruch, wohl aber Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
- 6
- a) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 440 Abs. 1, § 326 BGB a.F. Die Klägerin hat die Grundstücke nach dem Vertrag lastenfrei erworben. Sie waren aber mit dem auf Grund von § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, § 1 SachenR-DV kraft Gesetzes entstandenen Abwasserleitungsrecht des Zweckverbands belastet. Eine solche Belastung ist ein Rechtsmangel (vgl. Senat, Urteil vom 19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803 f.). Den dadurch entstandenen Schaden hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
- 7
- b) Die Beklagte ist aber nicht verpflichtet, der Klägerin den Entschädigungsanspruch nach § 9 Abs. 3 GBBerG abzutreten.
- 8
- aa) Sie ist allerdings Inhaberin dieses Anspruchs. Dieser steht nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GBBerG dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zu. Das ist derjenige, dem das Grundstück bei Entstehen der Dienstbarkeit gehört (dazu Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 9 ff.). Entstanden ist das Abwasserleitungsrecht des Zweckverbands am 11. Januar 1995 (vgl. § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, §§ 1, 14 SachenR-DV). Eigentümerin war seinerzeit die Beklagte.
- 9
- bb) Der Anspruch muss jedoch nicht an die Klägerin abgetreten werden.
- 10
- (1) Eine Verpflichtung zur Abtretung des Anspruchs nach § 9 Abs. 3 GBBerG kann sich im Wege der ergänzenden Auslegung des Kaufvertrags oder seiner Anpassung infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB ergeben (Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Das setzt indes voraus, dass der Vertrag ohne eine solche Abtretung lückenhaft wäre. Daran fehlt es, wenn dem Käufer – wie hier – wegen der Dienstbarkeiten ohnehin vertragliche Ansprüche zustehen.
- 11
- (2) Aus § 281 BGB a.F. lässt sich, was die Beklagte zu Recht einwendet, ein Abtretungsanspruch ebenfalls nicht ableiten. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar , wenn – wie hier - ein Rechtsmangel bei Abschluss des Kaufvertrags besteht und es nicht gelingt, ihn im Rahmen der Erfüllung des Vertrags zu beheben (Senat, Urteil vom 13. Februar 2004 – V ZR 225/03, NJW 2004, 1873,
1874).
- 12
- (3) Auch der Schadensersatzanspruch scheidet als Grundlage eines Anspruchs auf Abtretung des Entschädigungsanspruchs aus. Der Schaden, den die Beklagte der Klägerin zu ersetzen hat, besteht in der Belastung der gekauften Grundstücke mit dem Abwasserleitungsrecht, nicht in der Vorenthaltung des Entschädigungsanspruchs. Daran ändert es nichts, dass der Entschädigungs- anspruch gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG nach der Beeinträchtigung des Grundstücks zu bemessen ist. Diese Übereinstimmung in der Berechnung führt nicht dazu, dass der eingetretene Schaden durch die Abtretung des Anspruchs nach § 249 BGB in Natur ausgeglichen werden könnte. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3 Satz 3 GBBerG weit hinausgeschoben war, was bei der Berechnung des durch die Belastung der Grundstücke mit dem Leitungsrecht entstandenen Schadens nicht zu berücksichtigen ist.
- 13
- c) Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin von der Beklagten auch nicht Auskunft über die auf den Entschädigungsanspruch geleisteten Zahlungen verlangen. Diese Zahlungen können zwar - wegen der Ausrichtung der Entschädigung an der Beeinträchtigung des Eigentums - tatsächliche Anhaltspunkte dafür geben, wie der Schaden zu berechnen ist, der der Klägerin entstanden ist. Für die Berechnung des Schadens kommt es aber nicht darauf an, was der Zweckverband der Beklagten auf Grund von § 9 GBBerG gezahlt, sondern darauf, welche Einbuße die Klägerin durch die Dienstbarkeiten erlitten hat. Diese bestimmt sich nach dem Umfang des entstandenen Rechts, nicht nach einer hierüber etwa erteilten Anlagen- und Leitungsbescheinigung gemäß § 7 SachenR-DV (Senat, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 8).
- 14
- 2. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht verjährt.
- 15
- a) Der Anspruch verjährt in einer Frist von 30 Jahren.
- 16
- aa) Er unterlag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. von seinerzeit 30 Jahren. Seit dem 1. Januar 2002 verjährt er gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der Frist, welche das geltende Recht für Ansprüche vorsieht, die inhaltlich dem altrechtlichen Anspruch entsprechen. Das ist weder die regelmäßige noch die Verjährungsfrist des § 196 BGB für Ansprüche auf Verschaffung oder Aufhebung dinglicher Rechte an einem Grundstück und auf die Gegenleistung, sondern die in § 438 Abs. 1 BGB bestimmte Verjährungsfrist für die Mängelansprüche nach § 437 Nr. 1 und 3 BGB. Die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. regelt, soweit hier von Interesse, die Haftung des Verkäufers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf Grund von Rechtsmängeln. Solche Ansprüche unterliegen nach geltendem Recht weder der für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch vorgesehenen Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB noch der Verjährungsfrist, die für den dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung entsprechenden Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB gilt (je nach Gegenstand §§ 195, 199 BGB oder § 196 BGB). Sie unterliegen ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung, in den sich der Erfüllungsanspruch mit der mangelhaften Lieferung umwandelt, der Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 BGB. Dass die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. auf bestimmte Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, nämlich die Vorschriften der §§ 320 bis 327 BGB a.F., verweist, ändert daran entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht nichts. Das ist nämlich bei dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Rechtsmangels nach geltendem Recht nicht anders (vgl. § 437 Nr. 3 BGB).
- 17
- bb) Die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen eines Rechtsmangels beträgt nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB 30 Jahre, wenn der Mangel in einem „sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht“. Diese Frist gilt für den Schadensersatzanspruch der Klägerin.
- 18
- (1) Unmittelbar anwendbar ist sie allerdings nicht. Sie erfasst nach ihrem Wortlaut Mängelansprüche nur, wenn der Mangel in einem sonstigen Recht besteht, das bei Verjährungsbeginn im Grundbuch eingetragen ist. Daran fehlt es hier. Zu dem nach § 438 Abs. 2 BGB für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe des Grundstücks war das Recht zwar entstanden, aber nicht im Grundbuch eingetragen.
- 19
- (2) Auf solche Rechte ist die Vorschrift indessen entsprechend anzuwenden. Sie weist eine planwidrige Lücke auf, die plangemäß nur durch die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf außerhalb des Grundbuchs entstandene , gegen den gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützte dingliche Rechte zu schließen ist.
- 20
- (a) Die Anordnung einer Verjährungsfrist von 30 Jahren in § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB soll sicherstellen, dass der Käufer bei einem vollständigen oder teilweisen Rechtsverlust auf Grund von Rechtsmängeln bei dem Verkäufer Rückgriff nehmen kann. Das ist mit der in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Regelfall vorgesehenen Verjährungsfrist für Mängelrechte von zwei Jahren nicht zu erreichen. Der Käufer müsste nämlich 30 Jahre lang mit dem Verlust der Kaufsache an einen Dritten rechnen, der aufgrund eines dinglichen Rechts die Herausgabe der Kaufsache verlangen kann. Denn dessen Herausgabeanspruch verjährt nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dieser Frist. Er selbst könnte demgegenüber aber ohne die Regelung in § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für die Dauer von zwei Jahren ab Übergabe Rückgriff nehmen. Um diese sog. Eviktionsfalle zu vermeiden , war schon in dem Gesetzentwurf eine dem heutigen § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a BGB entsprechende Sonderregelung vorgesehen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 227). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber erkannt, dass eine vergleichbare „Ge- währleistungsfalle“ auch bei anderen Rechten an Grundstücken bestehen kann. Gedacht hat er an den eher seltenen Fall, dass zwischen der Beurkundung des Kaufvertrags und der Übergabe des Grundstücks ein Recht an dem Grundstück zur Eintragung gelangt, etwa weil ein schwebender Eintragungsantrag bei der Einsicht in das Verzeichnis unerledigter Anträge (sog. Markentabelle) übersehen oder weil nach der Beurkundung ein neuer Eintragungsantrag gestellt wurde. In solchen Fällen rechtfertigt der Gesetzgeber die Anwendung der Verjährungsfrist von 30 Jahren damit, dass diese Rechte den Käufer genauso beeinträchtigten wie auf Herausgabe gerichtete dingliche Rechte, dass der Käufer von dem Entstehen solcher Rechte nicht unterrichtet werde und dass er später oft lange Zeit nichts von dem Recht erfahre (vgl. Beschlussempfehlung in BTDrucks. 14/7052 S. 196).
- 21
- (b) Übersehen hat der Gesetzgeber, dass das gleiche Problem bei außerhalb des Grundbuchs entstandenen nicht eingetragenen Rechten besteht, die gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind. Ihr Vorhandensein kann der Käufer in aller Regel noch weniger erkennen als Rechte, die nach der Beurkundung des Kaufvertrags zur Eintragung gelangen. Ein effektiver Rückgriff des Käufers gegenüber dem Verkäufer wäre bei dem Eintritt eines teilweisen Rechtsverlusts auf Grund solcher Rechte genauso wenig sichergestellt wie bei den eingetragenen Rechten, wenn für seine Mängelansprüche die kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gälte. Ein sachlicher Grund, dem Käufer einen effektiven Rückgriff gegen den Verkäufer bei solchen Rechten zu versagen, ist nicht erkennbar.
- 22
- (c) Die Regelung führte ohne eine entsprechende Anwendung auf solche Rechte auch zu vom Zufall bestimmten, widersprüchlichen Ergebnissen. Nicht eingetragene dingliche Rechte können jederzeit in das Grundbuch eingetragen werden. Das gilt für dingliche Rechte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 und seinem Wiederinkrafttreten in den neuen Bundesländern am 3. Oktober 1990 ebenso wie für die mit § 9 Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 11, 14 SachenR-DV gesetzlich begründeten Dienstbarkeiten (vgl. Art. 187 Abs. 1 Satz 2, Art. 233 § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3, § 5 Abs. 3 Satz 1 EGBGB einerseits und § 9 Abs. 5 GBBerG, §§ 8, 9 SachenRDV andererseits). Weshalb dem Käufer der Rückgriff nur erhalten werden soll, wenn diese zufällig zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags und der Übergabe des Grundstücks an den Käufer zur Eintragung gelangen, bei späterer Eintragung aber nicht, erschließt sich nicht. Diese Unterscheidung wäre umso unverständlicher, als die Vorschrift nach ihrem Wortlaut Mängelansprüche des Käufers auch erfasst, wenn der Mangel in dem Fortbestand eines schon bei Abschluss des Kaufvertrags eingetragenen sonstigen dinglichen Rechts besteht , das der Verkäufer nach dem Vertrag zur Löschung bringen sollte, aber bis zur Übergabe nicht zur Löschung hat bringen können. In solchen Fällen bedürfte der Käufer des Schutzes der Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht, den er aber dennoch genießt. Er könnte sich gegen einen Rechtsverlust besser schützen als bei dinglichen Rechten, die - wie hier - außerhalb des Grundbuchs entstanden , nicht eingetragen und (vorübergehend) gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind und bei denen er auf den Schutz einer langen Verjährungsfrist tatsächlich angewiesen ist.
- 23
- (d) Das mit § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB verfolgte Regelungsziel lässt sich nur erreichen, wenn Mängelansprüche auch dann in 30 Jahren verjähren, wenn der Mangel in einem außerhalb des Grundbuchs entstandenen, nicht eingetragenen und gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützten dinglichen Recht besteht.
- 24
- b) Diese Frist begann, weil sie nicht kürzer ist als die bisherige, gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EGBGB, § 198 Satz 1 BGB a.F. mit dem Entstehen des Schadensersatzanspruchs. Das ist hier der Zeitpunkt, in dem feststand, dass die Beklagte den Rechtsmangel nicht mehr würde beseitigen können und deshalb eine Fristsetzung entbehrlich wurde (vgl. Senat, Urteil vom 19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803, 804). Dieser Zeitpunkt ist hier nicht festgestellt, muss aber auch nicht festgestellt werden. Denn die Verjährung konnte nicht vor dem Abschluss des Vertrags am 28. April 1997 beginnen und war bei Einreichung der vorliegenden Klage am 4. März 2013 noch nicht abgelaufen.
- 25
- 3. Die Klageabweisung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach den für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen auch nicht aus einem anderen Grund gerechtfertigt.
- 26
- a) Die Parteien haben zwar vereinbart, dass die Beklagte nicht für das Nichtbestehen „altrechtlicher Dienstbarkeiten“ einzustehen hat. Mit diesem Haf- tungsausschluss hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Er könnte im Revisionsverfahren deshalb nur berücksichtigt werden, wenn die Vertragsurkunde eindeutig wäre und eine weitere Sachaufklärung die Feststellung zusätzlicher für die Auslegung relevanter Umstände nicht erwarten ließe (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 – V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 12). Daran fehlt es hier. Dass die Haftung der Beklagten für das Nichtbestehen von Dienstbarkeiten wie derjenigen zugunsten des Zweckverbands mit der genannten Regelung ausge- schlossen werden sollte, ist zweifelhaft. Nach dem Text der Urkunde und dem bislang erkennbar gewordenen Zweck der Regelung ist das nicht der Fall.
- 27
- b) Ein Haftungsausschluss, der von der gesetzlichen Regelung abweicht, die die beiderseitigen Interessen angemessen gewichtet, ist im Zweifel eng auszulegen (Senat, Urteile vom 24. Januar 2003 - V ZR 248/02, NJW 2003, 1316, 1317 und vom 5. November 2010 - V ZR 228/09, NJW 2011, 1217 Rn. 17). Danach erfasst die angeführte Regelung Dienstbarkeiten nach § 9 GBBerG und § 1 SachenR-DV nicht.
- 28
- aa) Altrechtlich ist eine Dienstbarkeit nach dem Wortsinn, wenn sie nach einem nicht mehr geltenden und damit „alten“ Recht begründet worden ist. Zu diesen alten Rechten gehören die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 geltenden Partikularrechte und das bis zum 2. Oktober 1990 geltende Recht der DDR. Nach geltendem Recht entstandene Dienstbarkeiten sind dagegen keine altrechtlichen Dienstbarkeiten. Das gilt insbesondere für die am 11. Januar 1995 und damit nur etwas mehr als zwei Jahre vor dem Abschluss des Kaufvertrags entstandenen Dienstbarkeiten für wasserwirtschaftliche Leitungen und Anlagen, um die es hier geht.
- 29
- bb) Daran ändert der Umstand, dass sie durch Gesetz begründet worden und nicht eingetragen sind, nichts. Das Motiv der Parteien für den Ausschluss der Rechtsmängelhaftung für altrechtliche Dienstbarkeiten mag der Umstand sein, dass diese Rechte oft nicht im Grundbuch eingetragen sind und - vorbehaltlich abweichender landesrechtlicher Regelung - gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind (vgl. Art. 187 Abs. 1 EGBGB). Die Parteien haben aber gerade nicht auf die fehlende Eintragung, sondern auf die Bestellung unter einem nicht mehr geltenden Recht abgestellt.
- 30
- cc) Solchen Rechten können die mit § 9 Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 1, 14 SachenR-DV begründeten Dienstbarkeiten auch nicht gleich gestellt werden. Sie sichern zwar eine Mitbenutzung fremder Grundstücke nachträglich ab, die vor dem 3. Oktober 1990 in der DDR bestanden hat. Sie sind aber gerade deshalb begründet worden, weil die bei dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 vorübergehend aufrechterhaltenen Mitbenutzungsrechte bis zu ihrem Wegfall wegen der Vielzahl der Fälle nicht auf rechtsgeschäftlichem Wege durch Dienstbarkeiten würden ersetzt werden können und weil sehr viele Leitungen und Anlagen gar nicht durch Mitbenutzungsrechte abgesichert waren (Begründung der Regelung in BT-Drucks. 12/6228 S. 74 f.). An den ehemals volkseigenen Grundstücken war eine solche Absicherung rechtlich auch nicht möglich (Senat, Urteile vom 14. November 2003 - V ZR 72/03, WM 2004, 1394, 1395 f. und vom 23. Januar 2015 - V ZR 318/13, juris Rn. 31). Hinzu kommt, dass mit den Dienstbarkeiten gleichzeitig ein Entschädigungsanspruch begründet wurde, der demjenigen zusteht, dem das Grundstück bei deren Entstehen gehört (Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 9). Ein schlichter Haftungsausschluss ohne Regelung zu dem Entschädigungsanspruch liegt deshalb, anders als bei altrechtlichen Dienstbarkeiten, eher fern.
III.
- 31
- Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist mangels der erforderlichen Feststellungen nicht entscheidungsreif. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dafür weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
- 32
- 1. a) Ein Anspruch auf Schadensersatz bestünde nach § 439 BGB a.F. nicht, wenn die Klägerin den Rechtsmangel gekannt haben sollte. Kenntnis erfordert positive Gewissheit. Anders als nach dem geltenden § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt (grob) fahrlässige Unkenntnis nicht. Die Kenntnis der Klägerin kann deshalb nicht damit begründet werden, dass Käufer von Grundstücken im Beitrittsgebiet allgemein mit dem Vorhandensein nicht eingetragener dinglicher Rechte rechnen mussten. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 7. November 2014 (V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Mit dem angeführten Argument hat der Senat darin nicht die Kenntnis des Käufers von einem konkreten Recht begründet, sondern lediglich die Zuordnung des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3 GBBerG an denjenigen gerechtfertigt, der bei Begründung der Dienstbarkeit Eigentümer des belasteten Grundstücks war.
- 33
- b) Kenntnis ist ferner nicht schon gegeben, wenn der Käufer Kenntnis von Anknüpfungstatsachen - hier etwa dem Vorhandensein von Kanaldeckeln oder Anlagen, die auf Abwasserleitungen hindeuten - hatte. Es muss vielmehr hinzukommen, dass er auch die rechtlichen Folgen solcher ihm bekannter Tatsachen kennt (BGH, Urteil vom 29. Mai 1954 – II ZR 163/53, BGHZ 13, 341, 345). Dabei wäre hier zu berücksichtigen, dass die Dienstbarkeiten nicht schon durch § 9 GBBerG begründet worden sind, sondern erst mit dem Inkrafttreten von § 1 Satz 1 SachenR-DV, durch den § 9 GBBerG auf die in § 9 Abs. 9 Nr. 1 GBBerG bezeichneten Abwasserentsorgungsleitungen und -anlagen erstreckt wurde. Mit dieser Erstreckung sind Dienstbarkeiten nicht zur Absicherung jeder Abwasserleitung, sondern nur für Abwasserleitungen und Anlagen zur Fortleitung von Abwasser begründet worden, die zur öffentlichen Abwasserentsorgung gehören. Keineswegs eindeutig sind schließlich Lage und Umfang solcher Rechte (vgl. zum Schutzstreifen bei Wasserleitungen: Senat, Urteil vom 9. Mai 2014 - V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 13).
- 34
- 2. Für die Auslegung des Haftungsausschlusses kann zwar auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164 f.). An dem aufgezeigten Grundsatz, dass ein Haftungsausschluss im Zweifel eng auszulegen ist, ändert das aber nichts.
Kazele Göbel
Vorinstanzen:
AG Sonneberg, Entscheidung vom 05.12.2013 - 3 C 83/13 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 14.05.2014 - 3 S 5/14 (3) -
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 20. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 10. Februar 1977 erwarb der Beklagte eine Teilfläche von ca. 3.345 qm des Flurstücks 742/2 der Gemarkung O. In Nr. VIII des Vertrags hieß es u.a.:
"Der Verkäufer hat den Käufer darauf hingewiesen, daß es sich beim Vertragsgrundstück um Aufschüttungsgelände handelt."
Wegen der Aufschüttung mußten die Fundamente einer von dem Beklagten errichteten Halle tiefer gegründet werden.
Der Beklagte veräußerte die Flurstücke 742/2 und 744/2 (579 qm groß) mit notariellem Vertrag vom 5. Juni 1992 an die S. GmbH zum Preis von 2.999.000 DM. In Nr. V 3 des Vertrags heißt es:
"Der Vertragsgegenstand wird in seinem derzeitigen Zustand veräußert. Der Veräußerer haftet nicht für Sachmängel aller Art, insbesondere nicht für Bauzustand, Bodenbeschaffenheit und Tauglichkeit des Vertragsgegenstandes für Zwecke des Erwerbers. Er versichert jedoch, daß ihm erhebliche verborgene Mängel nicht bekannt sind. Besondere Eigenschaften , insbesondere eine bestimmte Grundstücksgröße werden nicht zugesichert."
Mit notariellem Vertrag vom 14. August 1992 verkaufte die S. GmbH das Flurstück 742/2 an die Klägerin zum Preis von 3.400.000 DM. Nr. V des Vertrags enthält einen Gewährleistungsausschluß.
Die S. GmbH trat ihre Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab.
Mit der Behauptung, das Kaufgrundstück habe Bodenverunreinigungen aufgewiesen, was der Beklagte gewußt, aber verschwiegen habe, verlangt die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrags von 100.000 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist - bis auf einen Teil der Zinsforderung - erfolgreich gewesen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht nimmt an, das verkaufte Grundstück sei fehlerhaft gewesen, was der Beklagte der S. GmbH habe offenbaren müssen. Dies sei nicht geschehen, vielmehr habe er den Umstand, daß es sich um ein Auffüllgrundstück handele, arglistig verschwiegen. Auch wenn er diesen Umstand nicht mehr in Erinnerung gehabt haben sollte, wäre ihm Arglist vorzuwerfen; er habe dann nämlich "ins Blaue hinein" versichert, daß ihm erhebliche verborgene Mängel nicht bekannt gewesen seien, anstatt korrekterweise anzugeben, daß er die Vorgänge aus der Vergangenheit nicht mehr in Erinnerung habe.II.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.1. Allerdings sieht das Berufungsgericht zutreffend in dem Umstand, daß es sich bei dem verkauften Grundstück um ein Auffüllgrundstück handelt, einen offenbarungspflichtigen Mangel. Aufgrund dieser Beschaffenheit war das Grundstück mit einem Fehler behaftet, der den Wert und die Tauglichkeit zu dem nach dem Kaufvertrag vorausgesetzten Gebrauch - nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Grundstück als
Bauland verkauft - nicht unerheblich minderte. Bei einem Auffüllgrundstück besteht nämlich nicht nur die Gefahr eines erhöhten Gründungsaufwands, worauf die Revision abstellt; vielmehr muß auch die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden, daß das Auffüllmaterial wegen seiner Zusammensetzung eine Gefahr darstellt. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil das Grundstück bereits vor 1977 aufgefüllt worden war, also in einer Zeit, in der die durch Bodenkontaminierungen hervorgerufenen Gefahren noch nicht so in das allgemeine Bewußtsein gedrungen waren, wie dies heute der Fall ist. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt mit den Fällen vergleichbar, die den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur früheren Nutzung verkaufter Grundstücke als Deponie zugrunde lagen (s. nur Senatsurt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550 m.w.N.). Hier hat sich nach dem Vorbringen der Klägerin gerade die besondere Gefahr aufgrund der Zusammensetzung des Auffüllmaterials verwirklicht.
2. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch ein arglistiges Verhalten des Beklagten an; die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung tragen diese Beurteilung nicht.
a) Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte; das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfaßt damit nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen , die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert
sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muß (Senatsurt. v. 3. März 1995, aaO). Das Berufungsgericht läßt es offen, ob sich der Beklagte bei den Kaufvertragsverhandlungen und dem Vertragsabschluß an den Umstand, daß es sich um ein Auffüllgrundstück handelt, erinnerte oder ihn vergessen hatte. Revisionsrechtlich ist deswegen zugunsten des Beklagten davon auszugehen, daß er keine entsprechende Erinnerung besaß. Dies schließt es denkgesetzlich aus, daß er den Fehler wenigstens für möglich hielt.
b) Arglistig kann aber auch derjenige handeln, der einem anderen versichert , eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat; eine vertragliche Zusicherung kann daher den Arglistvorwurf begründen, wenn sie zwar nicht bewußt den Tatsachen widerspricht, jedoch ohne jede sachliche Grundlage abgegeben und dieser Umstand dem Vertragspartner gegenüber verschwiegen wird (vgl. BGH, Urt. v. 8. Mai 1980, IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460, 2461; Urt. v. 18. März 1981, VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441, 1442; Senatsurt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303 m.w.N.). Offensichtlich haben diese Grundsätze das Berufungsgericht geleitet, dem Beklagten vorzuwerfen, er habe "ins Blaue hinein" versichert, daß ihm erhebliche verborgene Mängel nicht bekannt seien. Dieser Vorwurf ist indes unbegründet. Der Beklagte hat nämlich nicht versichert, daß das verkaufte Grundstück frei von verborgenen Mängeln gewesen sei. Seine Erklärung, daß ihm solche Mängel nicht bekannt seien, traf jedoch zu. Denn eine Kenntnis von zeitlich zurückliegenden Umständen und Vorgängen ohne Erinnerung gibt es nicht.
c) Da der Beklagte sich nicht arglistig verhalten hat, stand der S. GmbH gegen ihn auch kein Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 2 BGB zu. Einem Minderungsanspruch nach §§ 459 Abs. 1, 462, 472 BGB stand der vereinbarte Gewährleistungsausschluß entgegen. Deswegen ging die Abtretung von Ansprüchen der S. GmbH an die Klägerin ins Leere.
3. Da Zweifel an der fehlenden Erinnerung des Beklagten weder geltend gemacht noch angebracht und insoweit weitere Feststellungen durch das Berufungsgericht nicht erforderlich und auch nicht zu erwarten sind, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Tropf Lemke Gaier
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die beklagte Bank war Inhaberin einer erstrangigen Gesamtgrundschuld, die auf zwei Grundstücken lastete, sowie einer auf einem weiteren Grundstück lastenden erstrangigen Grundschuld. Die klagende Sparkasse war Inhaberin einer auf den drei Grundstücken lastenden nachrangigen Gesamtgrundschuld. Die zwischen der Klägerin und dem Eigentümer der drei Grundstücke als Sicherungsgeber getroffene Sicherungsvereinbarung enthält folgende Klausel: „Der Sicherungsgeber tritt hiermit den, auch zukünftigen oder bedingten, Anspruch auf Rückgewähr aller vor- und gleichrangigen Grundschulden (Anspruch auf Übertragung oder Löschung oder Verzicht sowie auf Zuteilung des Versteigerungserlöses) an die Sparkasse ab.“
- 2
- Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung an. In der Folgezeit übertrug die Beklagte ihre nur noch teilweise valutierenden Grundschulden gegen Zahlung von rund 150.000 € an eine weitere Bank. Die Erwerberin ließ die Grundschulden neu valutieren. Später bewilligte sie gegen Zahlung von 450.000 € deren Löschung im Zusammenhang mit einer Veräußerung der Grundstücke.
- 3
- Die Klägerin ist der Auffassung, sie hätte die Rückgewähr der vorrangigen Grundschulden verlangen können, soweit sie im Zeitpunkt der Übertragung nicht mehr valutiert hätten. Sie macht einen Schaden von 300.000 € geltend, der ihr durch die Nichterfüllung der Rückgewährverpflichtung entstanden sein soll. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO in der Fassung vom 21. Oktober 2011 durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter; die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht meint, für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehle es an einer Rechtsgrundlage. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehe weder ein Schuldverhältnis im Sinne von § 280 BGB noch hafte die Beklagte aus Deliktsrecht. Auch aus abgetretenem Recht ergebe sich kein Anspruch. Die Beklagte habe trotz der Abtretung des Rückgewähranspruchs das Recht gehabt, den durch den Rang des Grundpfandrechts mitbestimmten Sicherungsrahmen voll auszuschöpfen. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob die Beklagte zulässigerweise neu gewährte Kredite durch die Grundschulden absichere und die Kredite nebst Grundpfandrechten anschließend an einen Dritten übertrage, oder ob sie die Grundschulden schon vor der Revalutierung an einen Dritten übertrage, der sie seinerseits als Sicherungsmittel für neue Kredite verwende. Die Klägerin habe es versäumt, den Anspruch durch die Eintragung einer Vormerkung zu sichern. Auch der Umstand, dass die Beklagte die Geschäftsbeziehung mit dem Eigentümer beendet habe und der Sicherungszweck entfallen sei, schränke die Rechtsposition der Beklagten nicht ein.
II.
- 5
- Die Revision hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht.
- 6
- 1. Den geltend gemachten Schaden kann die Beklagte gemäß § 275 Abs. 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB unter dem Gesichtspunkt zu ersetzen haben, dass sie den an die Klägerin abgetretenen Anspruch auf Rückgewähr von Teilen der vorrangigen Grundschulden infolge der Übertragung der Grundschulden und deren anschließende Löschung schuldhaft nicht mehr erfüllen kann.
- 7
- a) Ist eine Grundschuld als Kreditsicherheit bestellt worden, kann der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer unter bestimmten Voraussetzungen deren Rückgewähr verlangen. Wann und in welcher Form die Rückgewähr erfolgen muss, ergibt sich aus der Auslegung des Sicherungsvertrags. Regelmäßig ist der Anspruch durch den endgültigen Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt; auch vor Bedingungseintritt kann er abgetreten werden (vgl. Senat, Urteil vom 5. November 1976 - V ZR 5/75, NJW 1977, 247; BGH, Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, BGHZ 191, 277 Rn. 12; Urteil vom 25. März 1986 - IX ZR 104/85, NJW 1986, 2108, 2110, insoweit in BGHZ 97, 280 ff. nicht abgedruckt).
- 8
- b) Nach Maßgabe des allgemeinen Schuldrechts ist der Sicherungsnehmer als Schuldner des Rückgewähranspruchs zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den Anspruch nach Eintritt der Bedingung schuldhaft nicht erfüllt (OLG Saarbrücken, OLGR 2005, 627; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], vor § 1191 Rn. 164; Erman/F. Wenzel, BGB, 13. Aufl., § 1191 Rn. 61 aE; Clemente , Recht der Sicherungsgrundschuld, 4. Aufl., Rn. 603; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 8. Aufl., Rn. 776, 781; Schoppmeyer in Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, 9. Aufl., § 15 Rn. 272; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2337a; F. Wenzel, Sicherung von Krediten durch Grundschulden, Rn. 2485, 2487; Freckmann, BKR 2012, 133, 140; Gnamm, ZIP 1986, 822, 824 f.; im Ergebnis offen gelassen von BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - IX ZR 5/87, NJW-RR 1988, 1146, 1149; Urteil vom 6. Juli 1989 - IX ZR 277/88, BGHZ 108, 237, 247). So kann er beispielsweise Schadensersatz nach § 275 Abs. 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB zu leisten haben, wenn die aufschiebende Bedingung für den Rückgewähranspruch eingetreten ist und er ihn nicht erfüllen kann, weil er die Grundschuld dinglich wirksam, aber unter Verletzung seiner Pflichten aus dem Sicherungsvertrag an einen Dritten übertragen hat.
- 9
- c) Inhaber derartiger Sekundäransprüche ist der jeweilige Gläubiger des Rückgewähranspruchs; ist dieser - etwa an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger - abgetreten worden, steht der Anspruch auf Schadensersatz dem Zessionar zu (Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 782; Gnamm, ZIP 1986, 822, 824 f.; vgl. auch MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 398 Rn. 99; Palandt/ Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 398 Rn. 19).
- 10
- d) Ob der abgetretene Rückgewähranspruch durch eine Vormerkung gesichert werden könnte (dazu Volmer, MittBayNot 2012, 237, 240; Windel, KTS 2012, 457, 464 f. mwN), ist für die Entstehung der Schadensersatzpflicht unerheblich. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klage sei auch wegen der fehlenden Eintragung einer Vormerkung unschlüssig, trifft schon im Ansatz nicht zu. Eine Vormerkung dient ausschließlich dem Schutz des Primäranspruchs gegen bestimmte Verfügungen. Unterbleibt eine solche Sicherung, kann zwar der Primäranspruch - hier der Anspruch auf Rückgewähr der vorrangigen Grundschulden - vereitelt werden; dadurch wird aber nicht die Entstehung von Sekundäransprüchen verhindert. Aus dem gleichen Grund stellt es auch - anders als die Beklagte meint - kein Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB dar, wenn der Zessionar keine Vormerkung eintragen lässt.
- 11
- e) Unverzichtbare Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, dass die aufschiebende Bedingung, unter der der abgetretene Rückgewähranspruch steht, eingetreten ist. Denn erst ab dem Bedingungseintritt muss der Sicherungsnehmer dem Zessionar auf Verlangen die Grundschuld zurückgewähren.
- 12
- aa) Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt die Sicherungsvereinbarung. Bei einem engen Sicherungszweck , bei dem die Grundschuld nur der Sicherung einer bestimmten Verbindlichkeit dient, tritt die aufschiebende Bedingung schon mit der Tilgung der Anlassverbindlichkeit ein. Ist dagegen ein weiter Sicherungszweck vereinbart, der eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Be- tracht kommt; das ist der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet (BGH, Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, BGHZ 191, 277 Rn. 13 ff.; Kesseler, NJW 2012, 577, 578). Wenn sich aus der Sicherungsvereinbarung nichts anderes ergibt, muss die Grundschuld auf Verlangen des Sicherungsgebers auch in Teilen zurückgewährt werden; dies setzt voraus, dass insoweit eine endgültige Übersicherung eingetreten ist, mit der der Sicherungszweck entfallen ist (Senat, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 53/88, NJW-RR 1990, 455; BGH, Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, aaO, Rn. 16; Kesseler, NJW 2012, 577, 578).
- 13
- bb) Ist der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld abgetreten, muss der Zessionar Rechtshandlungen des Zedenten und des Sicherungsnehmers, die den Bedingungseintritt hinausschieben oder vereiteln, gemäß § 407 Abs. 1 BGB gegen sich gelten lassen, solange der Sicherungsnehmer von der Abtretung keine Kenntnis hat (Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 889; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 4. Aufl., Rn. 321; Freckmann, BKR 2012, 133, 137). Hat der Sicherungsnehmer dagegen Kenntnis von der Abtretung erlangt , so bestimmt die Sicherungsvereinbarung, ob und inwieweit Zedent und Sicherungsnehmer ohne Zustimmung des Zessionars auf den Bedingungseintritt einwirken dürfen.
- 14
- (1) Eine nach der Sicherungsvereinbarung zulässige Neuvalutierung kann der Zessionar nicht verhindern, obgleich sie den Eintritt der aufschiebenden Bedingung hinausschiebt (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, aaO, Rn. 14; Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 884; Erman/F. Wenzel, BGB, 13. Aufl., § 1191 Rn. 73; Kesseler, NJW 2007, 3466, 3468). Ebenso wenig kann er sich bei Eintritt des Sicherungsfalls einer nach der Sicherungsvereinbarung zulässigen freihändigen Verwertung der Grundschuld widersetzen , obwohl der Rückgewähranspruch dadurch erlischt und die Bedingung nicht mehr eintreten kann (vgl. Senat, Urteil vom 8. Dezember 1978 - V ZR 221/77, NJW 1979, 717; Gnamm, ZIP 1986, 822, 825). In diesen Fällen verwirklicht sich eine dem Rückgewähranspruch aufgrund der getroffenen Sicherungsvereinbarung von vorneherein anhaftende Schwäche, die der Zessionar hinnehmen muss, weil er den Anspruch nur in dieser Form erworben hat (BGH, Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, aaO, Rn. 14). Der Zessionar hat - vorbehaltlich anderer Vereinbarungen - keinen Anspruch darauf, dass der Sicherungsgeber den Eintritt der aufschiebenden Bedingung herbeiführt, etwa indem er eine nach der Sicherungsvereinbarung zulässige Neuvalutierung unterlässt.
- 15
- (2) Dagegen kann die Sicherungsvereinbarung nach der Abtretung nur unter Mitwirkung des Zessionars inhaltlich geändert werden, soweit die Änderung den Rückgewähranspruch einschließlich der aufschiebenden Bedingung betrifft. Denn nachdem der Zedent nicht mehr Inhaber des Anspruchs ist, kann er nicht mehr über ihn verfügen. Aus diesem Grund bedarf eine in der Sicherungsvereinbarung nicht vorgesehene Neuvalutierung der Zustimmung des Zessionars (BGH, Urteil vom 25. März 1986 - IX ZR 104/85, NJW 1986, 2108, 2011 unter I. 3 d), insoweit bei BGHZ 97, 280 ff. nicht abgedruckt; Erman/ F. Wenzel, BGB, 13. Aufl., § 1191 Rn. 74; Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 887; Clemente, ZfIR 2012, 317 f.; Dörrie, ZfIR 1999, 717, 727; Eickmann, DNotZ 1999, 746; Freckmann, BKR 2012, 133, 137; aA OLG München, DNotZ 1999, 744, 745; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1191 Rn. 53). Sofern eine weite Sicherungsvereinbarung die Neuvalutierung des vorrangigen Grundpfandrechts gestattet, tritt die aufschiebende Bedingung jedenfalls mit dem endgültigen Ende der Geschäftsbeziehung ein, also dann, wenn feststeht, dass eine Neuvalutierung zwischen den Vertragsparteien nicht mehr erfolgen wird. Die Entscheidung darüber, ob die Geschäftsbeziehung beendet wird, liegt allerdings regelmäßig bei dem Zedenten, weil die Abtretung des Rückgewähranspruchs im Zweifel nicht das Kündigungsrecht umfasst (Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 885). Auch die Auswechselung des Zedenten im Wege der Schuldübernahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der fortbestehenden Schuld nicht als Ende der Geschäftsbeziehung anzusehen; sie lässt den Rückgewähranspruch unberührt und bedarf nicht der Zustimmung des Zessionars (vgl. auch § 418 Abs. 1 Satz 3 BGB; BGH, Urteil vom 1. Oktober 1991 - XI ZR 186/90, BGHZ 115, 241 ff.).
- 16
- (3) Nichts anderes folgt aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2006, auf das sich die Vorinstanzen gestützt haben (IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319 Rn. 20); dass die Befugnis zur Revalutierung bei einer weiten Sicherungsvereinbarung jedenfalls mit der Geschäftsbeziehung endet, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10. November 2011 präzisiert (IX ZR 142/10, aaO, Rn. 15). Ob - wie es der Bundesgerichtshof in diesem Urteil ausgeführt hat - die aufschiebende Bedingung bei einer weiten Sicherungsvereinbarung schon mit der vollständigen Tilgung der Schulden eintritt und die zulässige Revalutierung nur als auflösende Bedingung anzusehen ist (Urteil vom 10. November 2011 - IX ZR 142/10, aaO, Rn. 16), oder ob die aufschiebende Bedingung erst dann eintritt, wenn feststeht, dass eine Revalutierung nicht mehr erfolgen wird (so Kesseler, NJW 2012, 577, 579), kann offenbleiben, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von dem Ende der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und ihrem Sicherungsgeber auszugehen ist.
- 17
- 2. Daran gemessen kommt ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht.
- 18
- a) Entgegen der Auffassung der Beklagten umfasst die Abtretung auch einen auf Teile der Grundschulden bezogenen Rückgewähranspruch. Richtig ist zwar, dass der Rückgewähranspruch aufgrund der in der formularmäßigen Sicherungsvereinbarung enthaltenen Klausel insgesamt abgetreten worden ist. Die Frage, ob die aufschiebende Bedingung, unter der der Rückgewähran- spruch steht, schon dann eintritt, wenn die Grundschulden nur noch teilweise valutieren, betrifft aber allein den Inhalt des abgetretenen Anspruchs. Maßgeblich dafür ist die in dem Verhältnis zwischen der Beklagten als vorrangiger Grundpfandgläubigerin und dem Zedenten getroffene Sicherungsvereinbarung. Mangels anderer Feststellungen ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen , dass diese die üblicherweise geschuldete Rückgewähr von Teilen der Grundschulden nicht ausschließt.
- 19
- b) Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt können die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin auch im Übrigen vorliegen. Danach hat die Beklagte, die von der Abtretung Kenntnis hatte, die Geschäftsbeziehung mit dem Zedenten im Zuge der Übertragung der Grundschulden an eine andere Bank und der damit verbundenen Ablösung der noch offenen Kredite beendet. Infolgedessen kann im Hinblick auf den nicht mehr valutierenden Teil der Sicherungszweck entfallen und die Bedingung für den abgetretenen Rückgewähranspruch eingetreten sein. Die Erfüllung dieses Anspruchs kann der Beklagten durch die Übertragung der Grundschulden an einen Dritten und deren nachfolgende Löschung schuldhaft unmöglich geworden sein; dies kann einen Schaden der Klägerin von 300.000 € verursacht haben.
- 20
- 3. Schon weil das Berufungsgericht Feststellungen weder zu den auf die vorrangigen Grundschulden bezogenen Sicherungsvereinbarungen noch zu dem behaupteten Schaden getroffen hat, ist die Sache nicht entscheidungsreif; sie ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III.
- 21
- Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
- 22
- Das Berufungsgericht wird zunächst feststellen müssen, ob der Eigentümer der Grundstücke als Zedent überhaupt Inhaber eines Rückgewähranspruchs gegen die Beklagte war. Hieran kann es fehlen, wenn die erstrangigen Grundschulden Forderungen der Beklagten gegen Dritte gesichert haben sollten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Person des Sicherungsgebers nicht nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten, sondern durch Auslegung der Sicherungsvereinbarung zu bestimmen. Dabei ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Schuldner der zu sichernden Forderung Sicherungsgeber sein soll, und zwar auch dann, wenn die Grundschuld - ganz oder teilweise - auf einem Grundstück lastet, das einem Dritten gehört (näher Senat, Urteil vom 20. November 2009 - V ZR 68/09, NJW 2010, 935 Rn. 14 mwN). Die Auslegung der Sicherungsvereinbarung kann allerdings auch ergeben , dass der Eigentümer in diese eingetreten ist; auch kann ihm der Dritte den Rückgewähranspruch abgetreten haben, was insbesondere bei einem Eigentumswechsel auch stillschweigend geschehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1986 - IX ZR 104/85, NJW 1986, 2108, 2110, insoweit in BGHZ 97, 280 ff. nicht abgedruckt; Schoppmeyer in Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, 9. Aufl., § 15 Rn. 262 f.; Gaberdiel/Gladenbeck, aaO, Rn. 766; F. Wenzel, Kreditsicherung durch Grundschulden, Rn. 2280 ff., 2424). Sollte danach ein Dritter Inhaber des Rückgewähranspruchs gewesen sein, könnte eine von dem Eigentümer vorgenommene Zession ins Leere gegangen sein. Sekundäransprüche kämen folglich nicht in Betracht. Nachdem dieser Gesichtspunkt bisher in dem Verfahren keine Rolle gespielt hat, müssen die Parteien Gelegenheit haben, ihren Sachvortrag insoweit zu ergänzen.
Weinland Kazele
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 20.11.2009 - 9 O 333/08 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 21.12.2011 - 1 U 8/10 -
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte errichtete für die Kläger eine Wohnanlage. Die Kläger machen Gewährleistungsansprüche geltend. Sie haben ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte durchgeführt. Auf der Grundlage der Feststellungen des mit der Begutachtung beauftragten Sachverständigen haben sie Zahlung von 64.282,78 DM verlangt. Weiterhin haben sie beantragt festzustellen , daß die Beklagte verpflichtet ist, der Wohnungseigentümergemeinschaft allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aus den im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängeln der Wohnanlage entstanden ist und künftig entsteht (Feststellungsantrag zu 1). Darüber hinaus haben sie beantragt festzustellen, daß die Beklagte die gleiche Verpflichtung für jene gerügten Baumängel treffe, die mangels der benötigten Auszüge aus der Statik sowie der Bewehrungszeichnungen sowie des Wärmeschutznachweises bzw. der Baubeschreibung betreffend Beweisfrage 11, 16 und 18 des Beweissicherungsgutachtens , deren Herausgabe der Beklagten durch Beschluß des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 1997 im Verfahren 1 OH 11/96 auferlegt worden sei, nicht hätten festgestellt werden können (Feststellungsantrag zu 2). Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist der zu zahlende Betrag auf 53.963,90 DM reduziert worden. Die Berufung gegen das Feststellungsurteil ist mit der Maßgabe erfolglos geblieben , daß die Ersatzpflicht nicht für Schäden, sondern für alle weiteren Nachbesserungskosten festgestellt worden ist. Der Senat hat die Revision der Beklagten hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2 angenommen. Die Beklagte begehrt Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Der Feststellungsantrag zu 2 ist unzulässig. Die Klage ist daher insoweit abzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht begründet sein Urteil zum Feststellungsantrag wie folgt: Der Feststellungsantrag sei gemäû § 256 ZPO zulässig und begründet, soweit er sich auf die Kosten der Nachbesserung beziehe. Soweit der Feststellungsantrag auf Ersatz der Kosten für die Baumängel gemäû Beweisfragen 11, 16, 18 des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren gerichtet sei, könne von dem erforderlichen Feststellungsinteresse ausgegangen werden. Der Antrag sei auch begründet, da den Klägern ein Vorschuûanspruch zustehe. Eine Feststellungsklage neben einem Vorschuûanspruch sei zulässig.II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen Punkt nicht stand. 1. Eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht des Unternehmers für weitere Nachbesserungskosten kann neben einer Vorschuûklage erhoben werden. Das hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (BGH, Urteil vom 20. Februar 1986 - VII ZR 318/84 = BauR 1986, 345). Die Angriffe der Revision geben keinen Anlaû, davon abzuweichen. Das Feststellungsinteresse des Bestellers muû sich nicht in der Unterbrechung der Verjährung erschöpfen, sondern kann vor allem darin bestehen, eine rechtskräftige Entscheidung über das Bestehen der Ersatzpflicht für weitere Aufwendungen zu erhalten.2. Auch bestehen entgegen der Auffassung der Revision keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage, soweit der Klageantrag und seine Begründung teilweise auf Unterlagen aus dem selbständigen Beweisverfahren Bezug nehmen. Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens sind beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Es reichte aus, auf die dem Gericht und den Parteien vorliegenden Unterlagen Bezug zu nehmen, § 137 Abs. 3 ZPO. 3. Der Feststellungsantrag zu 2 ist jedoch unzulässig, weil selbst unter Berücksichtigung der Unterlagen aus dem selbständigen Beweisverfahren nicht erkennbar ist, welche Mängel er zum Gegenstand hat. Er genügt deshalb nicht den Anforderungen, die an einen bestimmten Antrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1983 - VIII ZR 231/81 = NJW 1983, 2247, 2250; BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99 = NJW 2001, 445).
a) Ein Feststellungsantrag, mit dem eine Gewährleistungspflicht festgestellt werden soll, hat die Mängel im einzelnen so genau zu bezeichnen, daû kein Zweifel darüber entstehen kann, für welche Mängel die Gewährleistungspflicht besteht. Die Bezeichnung zur Konkretisierung des Streitgegenstandes kann auch im Sachvortrag erfolgen (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99 aaO).
b) Diese Voraussetzungen erfüllt der Feststellungsantrag zu 2 nicht. Die Kläger haben nicht dargelegt, welche Mängel Gegenstand des Antrags sind. aa) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens die Beweisfragen 11, 16 und 18 betreffende Mängel bejaht und festgestellt, daû die Beklagte die weiteren Nachbesserungskosten zu tragen
hat (Feststellungsantrag zu 1). Dem Feststellungsantrag zu 2 liegt die Auffassung der Kläger zugrunde, das Gutachten habe die unter den Beweisfragen 11, 16 und 18 gerügten Mängel nicht vollständig erfaût. Von den nicht erfaûten Mängeln sei wegen einer Beweisvereitelung durch die Beklagte auszugehen. Deshalb könne auch insoweit die Ersatzpflicht festgestellt werden. bb) Es fehlt jegliche konkrete Darlegung, inwieweit das Gutachten und damit auch der Feststellungsantrag zu 1 die gerügten Mängel nicht vollständig erfaût haben. Diese läût sich weder aus der Klageschrift noch aus den weiteren Schriftsätzen und auch nicht aus dem in Bezug genommenen Gutachten oder den anderen Unterlagen aus dem selbständigen Beweisverfahren mit der notwendigen Eindeutigkeit entnehmen.
III.
Der Feststellungsantrag zu 2 ist abzuweisen. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung auf die Bedenken hinsichtlich der Präzisierung der Mängel hingewiesen. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es nicht mehr.IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Ullmann Thode Kuffer Kniffka BaunerKlageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:
- 1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; - 2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; - 2a.
(weggefallen) - 2b.
(weggefallen) - 3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; - 3a.
(weggefallen) - 4.
aus Vollstreckungsbescheiden; - 4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; - 4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; - 5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; - 6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; - 7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; - 8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; - 9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.
(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2012 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagten bezüglich der gesamten von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt. Die Beklagte trägt auch die Kosten des nicht in die Revisionsinstanz gelangten Teils der Nichtzulassungsbeschwerde.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger war zusammen mit dem am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. (im Folgenden: Erblasser) zu je ½ Miteigentumsanteilen Eigentümer eines Grundstücks in M. . Die Beklagte ist Tochter des Erblassers, der italienischer Staatsbürger war, seinen ständigen Wohnsitz jedoch in Deutschland hatte.
- 2
-
Mit notariellem Vertrag verkaufte der Erblasser seinen Miteigentumsanteil an dem betreffenden Grundstück zu einem Gesamtpreis von 141.710,23 € an den Kläger. Dieser sollte in Anrechnung auf den Kaufpreis mehrere Buchgrundschulden und die durch diese gesicherten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Kreissparkasse P. (im Folgenden: Sparkasse) übernehmen, deren Höhe im Kaufvertrag mit 61.710,23 € angegeben wurde. Der Kläger unterwarf sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. In der Folgezeit übernahm der Kläger die in dem Kaufvertrag bezeichneten Darlehensverbindlichkeiten und überwies den Restkaufpreis in Höhe von 80.000 € - wie in dem Kaufvertrag vorgesehen - auf ein Konto des Erblassers in Deutschland.
- 3
-
Die testamentarisch eingesetzte Lebensgefährtin des Erblassers schlug die Erbschaft aus. Gesetzliche Erben waren die beiden in Italien lebenden Töchter des Erblassers, die Beklagte und ihre Schwester. Diese nahmen im Jahr 2007 die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung an. Nachdem die Schwester ihren Erbteil auf sie übertragen hatte, ließ sich die Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wegen eines Kaufpreisrestbetrages von 29.971,94 € erteilen. Sie ist der Ansicht, aus dem Kaufvertrag ergebe sich ein zusätzlicher Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte der von dem Kläger übernommenen Darlehensverbindlichkeiten, weil der Erblasser und der Kläger gemeinsam Darlehensschuldner gewesen seien und im Innenverhältnis jeweils hälftig hafteten.
- 4
-
Der Kläger hat beantragt, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung an den Kläger herauszugeben. Das Landgericht hat beiden Klagen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagte auch zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigung verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 5
-
Das Berufungsgericht meint, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12/1; im Folgenden: EuGVVO). Die Klage sei begründet, da dem Erblasser kein weiterer Zahlungsanspruch zugestanden habe. Die Annahme der Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung habe nicht zur Folge, dass eine Verurteilung nur in Bezug auf das zum Nachlass gehörende Vermögen hätte erfolgen können.
-
II.
- 6
-
Über die Revision ist durch Urteil- und Versäumnisurteil zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 5). Inhaltlich beruht das Urteil jedoch - soweit zum Nachteil des Klägers zu erkennen ist - nicht auf dessen Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
- 7
-
Auf Grund der beschränkten Zulassung der Revision sind nur noch die Klage auf Herausgabe des Titels und die Kosten des Rechtsstreits Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das Berufungsurteil hält insoweit einer revisionsrechtlichen Überprüfung mit der Maßgabe stand, dass der Beklagten hinsichtlich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten wird.
- 8
-
1. Die deutschen Gerichte sind (auch) für die Entscheidung über die Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels international zuständig, wobei hier offen bleiben kann, ob sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 22 Nr. 5 oder aus Art. 5 Nr. 1a EuGVVO ergibt.
- 9
-
a) Art. 22 Nr. 5 EuGVVO bestimmt, dass für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte des Staates, in dem aus dem Titel gegen den Schuldner vollstreckt wird oder die Vollstreckung droht (hier in Deutschland), auch für die von ihm erhobene Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO international zuständig (EuGH, Urteil vom 4. Juli 1985 - Rs. 220/84, NJW 1985, 2892 Rn. 12 [zum gleichlautenden Art. 16 EGÜV] und Urteil vom 13. Oktober 2011 - Rs. C-139/10, NJW 2011, 3506 Rn. 40). Ob sich die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 22 Nr. 5 EuGVVO auf eine von dem Schuldner gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhobene Titelherausgabeklage erstreckt (was die Revision in Abrede stellt), ist allerdings nicht zweifelsfrei.
- 10
-
Dafür spricht der enge prozessrechtliche und sachliche Zusammenhang der beiden Klagen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Januar 1994 - V ZR 238/92, NJW 1984, 1161, 1162; BGH, Urteil vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 9) sowie der Umstand, dass die Rechtsverfolgung für den Schuldner wesentlich erschwert würde, wenn er zwei Klagen in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten (mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen) erheben müsste. Gegen die Annahme einer internationalen Zuständigkeit könnte sprechen, dass die Bestimmungen über die ausschließliche Zuständigkeit in Art. 22 EuGVVO eng auszulegen sind (EuGH, Urteil vom 26. März 1992 - Rs. C-261/90, IPRax 1993, 28 Rn. 27) und dass die EuGVVO keine allgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs kennt (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 - Rs. C-51/97, RIW 1999, 57 Rn. 39; Urteil vom 5. Oktober 1999 - Rs. C-420/97, NJW 2000, 721 Rn. 38).
- 11
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b) Die Frage, ob die deutschen Gerichte für die Entscheidung über die Klage auf Herausgabe des Titels nach Art. 22 Nr. 5 EuGVVO ausschließlich zuständig sind, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil sich die internationale Zuständigkeit hier andernfalls aus Art. 5 Nr. 1a EuGVVO ergäbe. Danach kann eine Person in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Hierunter fallen sämtliche schuldrechtlichen Ansprüche, die auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung beruhen (EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - Rs. C-265/10, RIW 2004, 385, 386; EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - Rs. C-334/00, NJW 2002, 3159; EuGH, Urteil vom 17. Juni 1994 - Rs. C-26/91, JZ 1995, 90). Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist dabei die Hauptleistungspflicht, auf die der Kläger seine Klage stützt.
- 12
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Im Streitfall waren beide Hauptleistungspflichten in Deutschland zu erfüllen, denn der Erblasser veräußerte den Miteigentumsanteil an einem in Deutschland belegenen Grundstück, und hinsichtlich des Kaufpreises hatten die Parteien vereinbart, dass dieser auf ein Konto des Erblassers in Deutschland zu zahlen ist. Dies trifft auch auf die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten zu, da der Übernehmer (Kläger) in Deutschland wohnt und der Gläubiger (die Sparkasse) seinen Sitz in Deutschland hat. Der Umstand, dass die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Gerichtsstand des Erfüllungsortes auch zu Gunsten und zu Lasten der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien gilt (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - VIII ZR 156/07, RIW 2009, 568, 569; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 49).
- 13
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2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei über die Titelherausgabeklage entschieden.
- 14
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a) Die Klage ist zulässig. Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels kann gemäß § 260 ZPO gleichzeitig mit der Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden (vgl. OLG Karlsruhe, OLGR 2007, 412, 413; OLG Hamm, OLGR 2009, 61, 62).
- 15
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b) Die Klage ist auch begründet.
- 16
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aa) Die Beklagte ist passivlegitimiert. Die Klage hätte nicht deshalb, weil die Beklagte die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (Art. 470 Abs. 1 Halbs. 2 Codice Civile) angenommen hat, gegen sie als Verwalterin des Nachlasses erhoben werden müssen. Entscheidend ist, dass die vollstreckbare Ausfertigung der Beklagten erteilt wurde. Richtiger Beklagter einer Titelherausgabeklage ist - wie bei der Vollstreckungsabwehrklage - der Vollstreckungsgläubiger, also der in Titel oder Klausel als Gläubiger Benannte (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 218/83, BGHZ 92, 347, 348; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 - VIII ZR 218/91, BGHZ 120, 387, 391; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rn. 10; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 767 Rn. 45). Der Vollstreckungsgläubiger ist, wenn sich die vollstreckbare Ausfertigung des Titels - wie hier - in seinem Besitz befindet, auch für die Titelherausgabeklage passivlegitimiert.
- 17
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bb) Der Kläger kann von der Beklagten in entsprechender Anwendung der Vorschrift über die Rückgabe eines Schuldscheins gemäß § 371 Satz 1 BGB (zur Analogie: BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 149) die Herausgabe des Titels verlangen.
- 18
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(1) Wenn der Schuldner neben der Vollstreckungsabwehrklage die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangt, hängt der Erfolg dieses Antrags in der Regel von dem Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs ab (vgl. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2014 - V ZR 45/13 unter III.3; BGH, Urteil vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12). So verhält es sich auch hier, weil für beide Klagen allein entscheidend ist, ob die in der notariellen Urkunde titulierte Kaufpreisforderung durch die unstreitig erfolgte Zahlung in Höhe von 80.000 € sowie die Übernahme der Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der Sparkasse vollständig erfüllt worden ist, oder ob nach dem Vertrag eine darüber hinausgehende Zahlung geschuldet ist.
- 19
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(2) Das hängt von der Höhe des Preises ab, den der Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils nach dem notariellen Kaufvertrag schuldete. Das Berufungsgericht ist nach dessen Auslegung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagten keine weiteren Ansprüche zustehen.
- 20
-
(a) Die tatrichterliche Auslegung der Abreden in einem nicht von einer Seite vorformulierten Vertrag nach §§ 133, 157 BGB kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zu Grunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt worden sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 2009 - V ZR 197/07, NJW 2009, 1810, Rn. 8; Urteil vom 16. September 2011 - V ZR 236/10, NJW-RR 2012, 218 Rn. 5 mwN; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 9). Solche Fehler liegen hier nicht vor.
- 21
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(b) Die Tatsache, dass der Kläger gemeinsam mit dem Erblasser Schuldner der von ihm als Käufer übernommenen Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Sparkasse war, hat das Berufungsgericht bei seiner Vertragsauslegung berücksichtigt, aber angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelungen über die Preisbemessung für nicht entscheidend erachtet. Dass es sich dabei auf den Wortlaut des Vertrags gestützt hat, stellt nicht - wie die Revision meint - eine Verletzung des § 133 BGB dar, nach dem bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr dem Grundsatz gefolgt, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen in erster Linie deren Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16). Nach dem Kaufvertrag bestand die seitens des Klägers zu erbringende Gegenleistung für den Erwerb des Miteigentumsanteils darin, die bei der Sparkasse bestehenden Darlehensverbindlichkeiten zu übernehmen und zusätzlich einen Geldbetrag in einer bestimmten Höhe zu zahlen. Anhaltspunkte für einen vom Vertragswortlaut abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu einer darüber hinausgehenden Zahlungspflicht des Käufers hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revision zeigt solche nicht auf, sondern verweist lediglich auf streitigen, nicht unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Erblasser.
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3. Rechtlicher Prüfung hält das Berufungsurteil nur insoweit nicht stand, als darin dem Umstand, dass die Beklagte die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Inventarhaftung angenommen hat, keine Bedeutung beigemessen worden ist. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits hätte der Beklagten zumindest die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass gemäß § 780 ZPO vorbehalten bleiben müssen.
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a) Zwar hat der Erbe nach deutschem Recht die Kosten eigener Prozessführung als Prozesspartei ohne die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung selbst zu tragen (vgl. KG, NJW-RR 2003, 941, 943; OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 496, 498; OLG Celle, OLGR 1995, 204; OLG Koblenz, NJW-RR 1997, 1160; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 21; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 780 Rn. 12; Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 4). Das Berufungsgericht verkennt aber, dass sich die Haftung des Erben für Prozesskosten für einen im Zusammenhang mit dem Erbfall geführten Rechtsstreit nach dem jeweils einschlägigen Erbstatut bestimmt.
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Der Meinung, bei der Nachlassabwicklung richte sich die Schuldenhaftung nach außen und dabei insbesondere die Möglichkeit der Vornahme haftungsbeschränkender Maßnahmen nach der lex fori (Ferid in FS Cohn, 1975, S. 31, 37; Zillmann, Die Haftung der Erben im internationalen Erbrecht, 1998, S. 187), vermag der Senat nicht beizutreten. Der Grundsatz, dass Verfahrensfragen nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts zu beurteilen sind, führt nicht dazu, dass auch die damit im Zusammenhang stehenden sachrechtlichen Fragen unter Anwendung des materiellen Rechts des Prozessgerichts zu beantworten sind. Ob der verurteilte Erbe uneingeschränkt oder beschränkt (nur mit dem Nachlass) für die Prozesskosten haftet, bestimmt sich gemäß Art. 25 EGBGB nach dem Erbstatut. Dieses entscheidet über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten sowie über die Voraussetzungen und die Folgen einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und damit insbesondere, für welche mit dem Erbfall zusammenhängenden Schulden der Erbe einzustehen hat (BGH, Urteil vom 26. März 1953 - IV ZR 128/52, BGHZ 9, 151, 154; MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 254; Staudinger/Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rn. 225; Burandt/Rojahn/Franke, Erbrecht, 2. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 63). Es bestimmt, welche Arten von Verbindlichkeiten zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören, ob hierzu nur die vom Erblasser herrührenden Schulden oder auch die durch die Nachlassabwicklung oder die Verwaltung des Nachlasses entstehenden Kosten zu zählen sind. Soweit die jeweils einschlägigen Rechtsordnungen die Möglichkeit einer Beschränkung der Erbenhaftung durch Inventarerrichtung bei Annahme der Erbschaft vorsehen, beurteilen sich die Voraussetzungen, Modalitäten und Wirkungen einer Inventarerrichtung ebenfalls nach dem Erbstatut (MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 258; Staudinger/Dörner, BGB [2007], Art. 25 EGBGB Rn. 226).
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b) Demgemäß kommt hier das italienische Erbrecht zur Anwendung. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Das italienische Kollisionsrecht knüpft in Art. 46 Abs. 1 IPRG hinsichtlich der Bestimmung des einschlägigen Erbstatuts ebenfalls an die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes an (vgl. Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., A. IV. Rn. 38; Flick/Piltz/Cornelius, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., 2. Teil B. Rn. 639; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 24; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rn. 7); es erfasst alle mit der Beerbung zusammenhängenden Fragen unter Einschluss der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Grdz. C Rn. 53; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 150 f.; Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., A. IV. Rn. 77; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rn. 20).
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Aus dem italienischen Erbrecht könnte sich ergeben, dass - wie seitens der Beklagten unter Vorlage einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme vorgetragen - abweichend von dem deutschen Recht die Prozesskosten aus einem gegen den Erben geführten Rechtsstreit, der eine Forderung des Nachlasses betrifft, nur vom Nachlass und nicht von dem Erben persönlich zu tragen sind.
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c) Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hätte der Beklagten hinsichtlich der Kostenentscheidung zumindest die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass in entsprechender Anwendung des § 780 ZPO vorbehalten bleiben müssen.
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aa) § 780 ZPO ist als Verfahrensvorschrift anwendbar, obwohl sich die materiell-rechtliche Haftungsbeschränkung aus dem italienischen Recht ergibt. Verfahrensfragen bestimmen sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Prozessrecht des erkennenden Gerichts (lex fori), auch wenn auf Grund internationalen Privatrechts ausländisches Sachrecht zur Anwendung gelangt; das international zuständige Gericht wendet auf das Verfahren sein originäres Verfahrensrecht an (BGH, Urteil vom 27. Juni 1984 - IVb ZR 2/83, NJW 1985, 552, 553; OLG Stuttgart OLGR 2004, 197, 198; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., IZPR Rn. 1; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 151; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 53, 319 ff.). Für die Einordnung einer Rechtsnorm kommt es entscheidend darauf an, ob sie prozessrechtlichen Gehalt hat oder ob sie materiell-rechtlicher Natur ist, wobei eine funktionsorientierte Betrachtung maßgebend ist (MünchKomm-BGB/Sonnenberger, 5. Aufl., Einl. IPR, Rn. 432; Weber, Das Internationale Zivilprozessrecht erbrechtlicher Streitigkeiten, 2012, S. 37).
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bb) Davon ausgehend handelt es sich bei § 780 ZPO um eine verfahrensrechtliche Vorschrift (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1955 - III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 73; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rn. 1; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 1; Handke in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 780 Rn. 1). Das die Vorschrift anwendende Gericht prüft die geltend gemachte Haftungsbeschränkung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen oder ihrer Reichweite nicht, sondern behält sie dem Erben lediglich zum Zwecke späterer Geltendmachung vor. Eine Entscheidung über die Haftungsbeschränkungen wird in der Sache nicht getroffen. Der Erbe kann sich die beschränkte Erbenhaftung vorsorglich selbst dann vorbehalten lassen, wenn er deren Voraussetzungen noch nicht darzulegen vermag, ja nicht einmal weiß, ob sie überhaupt eintreten werden (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 - IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839, 2840).
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cc) Die Regelung des § 780 ZPO, die für jede gegenständliche Beschränkung der Erbenhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gilt (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 7), ist auf die Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarerrichtung nach italienischem Recht (Art. 470 Abs. 1 Halbs. 2 Codice Civile) entsprechend anzuwenden, weil eine solche Annahme zu einer der Nachlassverwaltung nach § 1975 BGB ähnlichen Haftungsbeschränkung führt (zur Anwendung des § 780 ZPO auf diese Fälle: Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 780 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 7).
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Nach italienischem Recht hat der Erbe zum einen die Möglichkeit, die Erbschaft vorbehaltlos anzunehmen, was die Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen herbeiführt und eine Haftung für die Erblasserschulden und Vermächtnisse mit dem gesamten Vermögen in voller Höhe nach sich zieht. Der Berufene kann die Annahme der Erbschaft aber auch mit dem Vorbehalt der Inventarerrichtung erklären. Der wesentliche Unterschied zur vorbehaltlosen Annahme besteht hierbei in der Haftung, die sich bei der vorbehaltlosen Annahme auf das gesamte Vermögen des Erben erstreckt, während der Erbe bei der Annahme mit Vorbehalt für die Erblasserschulden und Vermächtnisse gemäß Art. 490 Abs. 2 Nr. 2 Codice Civile nur mit dem Nachlassvermögen haftet. Es findet keine Verschmelzung des ererbten mit dem eigenen Vermögen statt; der Nachlass bleibt gemäß Art. 490 Abs. 1 Codice Civile vom persönlichen Vermögen des annehmenden Erben getrennt. Der Erbe wird zugleich verpflichtet, die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände der Befriedigung der Gläubiger zuzuführen, indem er den Nachlass verwaltet (Art. 491 Codice Civile) und im Rahmen der Liquidation die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten gemäß Art. 495 ff. Codice Civile veranlasst (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Grdz. J Rn. 603 ff. und Grdz. L Rn. 708 ff.; Reiss, Internationales Erbrecht Italien, 3. Aufl., B. I. Rn. 401 ff.; Süß/Cubeddu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, 2. Aufl., Länderbericht Italien, Rn. 177; Flick/Piltz/Cornelius, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., 2. Teil B. Rn. 628; Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, 2005, S. 150; Burandt/Rojahn/Frank, Erbrecht, 2. Aufl., Länderbericht Italien Rn. 45).
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dd) Der Vorbehalt nach § 780 ZPO ist nicht deshalb entbehrlich, weil er hier nur für die Prozesskosten Bedeutung hat. Die Berücksichtigung einer Haftungsbeschränkung in Bezug auf die Prozesskosten setzt voraus, dass der Vorbehalt in die Kostengrundentscheidung aufgenommen worden ist (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1160; KG, NJW 1964, 1330; MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 3 und 21; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 780 Rn. 13; Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 4).
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III.
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Die Revision ist nach dem Vorstehenden mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten bezüglich der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am 26. Januar 2004 verstorbenen C. P. vorbehalten bleibt.
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1. Der Senat kann abschließend entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass es grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters steht, ob er sich mit der Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil begnügt oder ob er über das Bestehen der Haftungsbeschränkung in der Sache entscheidet. Ist die Sache entscheidungsreif, kann das Revisionsgericht ein dem Tatrichter durch materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschriften eingeräumtes Ermessen selbst ausüben, sofern das Berufungsgericht die Ermessensausübung nicht wahrgenommen bzw. sich hierzu nicht geäußert hat (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92, BGHZ 123, 132, 137; BGH, Urteil vom 3. Oktober 1989 - XI ZR 163/88, BGHZ 108, 386, 392; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 563 Rn. 20).
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2. Der Senat übt sein Ermessen dahin aus, dass er durch Vorbehaltsurteil entscheidet. Eine Sachentscheidung über die Haftungsbeschränkung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Zum einen sind bereits keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob die diesbezüglichen tatbestandlichen Voraussetzungen nach italienischem Recht erfüllt sind. Zum anderen hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht gemäß § 293 ZPO ermittelt, ob der Vorbehalt der Inventarerrichtung auch die Kosten eines nach dem Erbfall gegen den Erben geführten Rechtsstreits erfasst. Eine ungeprüfte Aufnahme des Vorbehalts ist jedenfalls dann angezeigt, wenn - wie hier - eine sachliche Entscheidung zu einer erheblichen Verzögerung und Verteuerung des Rechtsstreites führen würde (Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 780 Rn. 8).
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IV.
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Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Rechtsmittel ist auch dann als erfolgslos anzusehen, wenn die angegriffene Entscheidung - wie hier durch Ergänzung der Kostenentscheidung um den Vorbehalt gemäß § 780 ZPO - lediglich in einem Nebenpunkt abgeändert wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 97 Rn. 1 mwN; MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 97 Rn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 97 Rn. 3).
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V.
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Rechtsbehelfsbelehrung
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Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofes kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim Bundesgerichtshof E i n s p r u c h einlegen. Der Einspruch muss von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.
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Die Einspruchsschrift muss enthalten:
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1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
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2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
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Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
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In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern.
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Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
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Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.
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Stresemann Schmidt-Räntsch Czub
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Roth Kazele
Tenor
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Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena - 1. Zivilsenat - vom 28. Februar 2013 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 25. April 2012 abgeändert.
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Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde UR-Nr. des Notars K. , , H. , vom durch den Beklagten wird für unzulässig erklärt.
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Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde an die Klägerin herauszugeben.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Beklagte verkaufte der Klägerin mit Vertrag vom 28. Juni 2007 Grundbesitz und in einer Anlage näher bezeichnete Maschinen für 949.940 €. Die Urkunde enthält einen weiteren Vertrag, mit welchem die Klägerin von dem Beklagten andere, in einer zweiten Anlage aufgeführte Maschinen für monatlich 3.500 € pachtete. Darunter waren Maschinen, die dem Beklagten nicht gehörten und zu deren Herausgabe an einen Dritten die Klägerin später verurteilt wurde. Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin aus einer in der Urkunde enthaltenen Vollstreckungsunterwerfungserklärung „wegen der in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die eine bestimmte Geldsumme zum Gegenstand haben,“ die Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs von 161.778 € und hat dabei eine Forderungspfändung gegen die Klägerin erwirkt. Bei der Forderung, derentwegen der Beklagte vollstreckt, handelt es sich nicht um den - bezahlten - Kaufpreis, sondern um Pachtzinsforderungen. Mit der Vollstreckungsgegenklage und der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO möchte die Klägerin erreichen, dass die Zwangsvollstreckung insgesamt, hilfsweise wegen unterschiedlicher Teilbeträge eingestellt wird. Ferner beantragt sie die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Vollstreckungstitels.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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I.
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Das Berufungsgericht hält die Vollstreckungsgegenklage für unbegründet. Dem Beklagten stünden nach dem Vertrag Pachtzinsansprüche zu. Diese dürfe er trotz einer Zession an seine Bank geltend machen, weil es sich um eine Sicherungszession handele. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass dem Beklagten keine Ansprüche aus der Urkunde zustünden. Insbesondere reiche es nicht aus vorzutragen, Teile des Maschinenbestands stünden im Eigentum Dritter. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen auf Schadensersatz seien nicht hinreichend substantiiert. Auch als Titelgegenklage habe die Klage keinen Erfolg. Die Vollstreckungsunterwerfungserklärung habe einen vollstreckungsfähigen Inhalt; sie sei insbesondere hinreichend bestimmt.
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II.
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Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
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1. Die von der Klägerin auch erhobene prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO (Titelgegenklage) gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten als Verkäufer aus der Unterwerfungserklärung in der Kaufvertragsurkunde ist zulässig und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts begründet.
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a) aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Klägerin neben einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, mit der sie Einwendungen gegen den titulierten materiell-rechtlichen Anspruch erhebt, die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend macht. Dieser Teil des Klagebegehrens ist Gegenstand der Titelgegenklage (vgl. BGH, Urteile vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170 f. und vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 15), die mit der Klage aus § 767 ZPO verbunden werden kann (BGH, Urteile vom 14. Mai 1992- VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 236 und vom 26. Juni 2007 - XI ZR 287/05, NJW-RR 2008, 66 Rn. 14).
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bb) Die Unwirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung als solche kann auch mit der Titelgegenklage geltend gemacht werden. Sie stellt nämlich keinen Einwand nur gegen die prozessuale Ordnungsgemäßheit der Unterwerfungserklärung dar, der allein mit den Rechtsbehelfen der §§ 732, 768 ZPO gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel geltend gemacht werden könnte (Senat, Urteil vom 5. Dezember 2003 - V ZR 341/02, NJW-RR 2004, 1135, 1136; BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 17 f.). Sie ist vielmehr ein Einwand gegen die Bestimmtheit des titulierten Anspruchs, für dessen Geltendmachung die Titelgegenklage zulässig ist (BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170). Bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung ist die Vollstreckung aus der Urkunde schlechthin für unzulässig zu erklären. Das ist mit den Rechtsbehelfen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht zu erreichen. Mit diesen kann nur eine Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der erteilten Klausel herbeigeführt werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 234 und Senat, Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 92/11, juris Rn. 11).
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b) Verkannt hat das Berufungsgericht jedoch, dass die Unterwerfungserklärung wegen eines Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot nichtig ist, es deshalb an einem wirksamen Vollstreckungstitel fehlt und die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde durch den Verkäufer für unzulässig zu erklären ist.
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aa) Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann aus der Urkunde über einen Grundstückskaufvertrag vollstreckt werden, wenn sich der Schuldner darin „wegen des zu bezeichnenden Anspruchs“ der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Einigkeit besteht darüber, dass der Anspruch in diesem Sinne nur bezeichnet ist, wenn die Unterwerfungserklärung dem allgemeinen prozessualen Bestimmtheitsgebot genügt (MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl., § 794 Rn. 160; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 111). Diesem Gebot würde auch eine Erklärung entsprechen, in welcher sich der Schuldner wegen „aller“ oder - wie hier - wegen „der“ Zahlungsverpflichtungen aus der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (v. Rintelen, RNotZ 2001, 2, 5).
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bb) Unterschiedlich beurteilt werden dagegen die Fragen, ob § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit dem Erfordernis einer „Bezeichnung“ über die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots hinausgehende Anforderungen stellt und welche Wirkung eine Nichtbeachtung solcher zusätzlichen Anforderungen hat.
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(1) Teilweise wird angenommen, dass die Vorschrift mit dem Begriff Bezeichnung nur das Bestimmtheitserfordernis umschreibt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 794 Rn. 23; Grizwotz/Heinemann, BeurkG, § 52 Rn. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 794 Rn. 34; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO 3. Aufl., § 794 Rn. 88; Münch, ZNotP 1998, 474, 480; Münzberg, Festschrift Lüke [1997], S. 525, 542 f. wohl auch ders. in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 121 bei Fn. 590). Teilweise wird eine Verschärfung des Bestimmtheitserfordernisses angenommen. Dabei wird unterschiedlich gesehen, ob pauschale Unterwerfungserklärungen nur vermieden werden sollen (so: Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 52 Rn. 19; Hertel, DNotZ 1999, 1, 2), aber wirksam bleiben oder ob sie dem Gebot nicht genügen (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 6. Aufl., § 52 Rn. 21 aE; Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 52 BeurkG Rn. 7; PG/Scheuch, ZPO, 6. Aufl., § 794 Rn. 45; Kaufhold, BeckOF, Vertrag, Formular 1.6.2 [Schuldanerkenntnis mit Vollstreckungsunterwerfung] Rn. 14; v. Rintelen, RNotZ 2001, 2, 5) und demzufolge unwirksam sind. Teilweise wird in dem Konkretisierungsgebot ein zusätzliches über das Bestimmtheitsgebot hinausgehendes Erfordernis gesehen, dessen Nichtbeachtung zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung führt (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 794 Rn. 27; ähnlich Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 120: genaue Bezeichnung des Anspruchs sei unentbehrlich, und MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl., § 794 Rn. 189: die grundsätzliche anzunehmende Unwirksamkeit schließe Nachholung im Einzelfall nicht aus; anders noch Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl., Rn. 11.47 aE: Konkretisierung könne (uneingeschränkt) im Klauselerteilungsverfahren nachgeholt werden).
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(2) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit dem Erfordernis der Bezeichnung des Anspruchs ein Konkretisierungsgebot vorsieht, das mit dem Bestimmtheitsgebot nicht gleichzusetzen ist, sondern eine zusätzliche formelle Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel darstellt und durch eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung wegen „etwaiger Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldbeträge“ nicht erfüllt wird (Beschluss vom 5. September 2012- VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14, 18). Ob der Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot zur Nichtigkeit der Unterwerfungserklärung führt, hat er noch nicht entschieden.
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cc) Der Senat bejaht die Frage.
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(1) Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
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(a) Danach findet die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden nur statt, wenn sich der Schuldner darin wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Die Bezeichnung des Anspruchs ist damit nicht nur Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel, sondern auch Voraussetzung dafür, dass die Urkunde überhaupt einen Vollstreckungstitel darstellt.
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(b) Dass die Vorschrift mit der Bezeichnung des Anspruchs etwas anderes meint als das Bestimmtheitsgebot, wird aus dem Vergleich der heute geltenden mit der vorherigen Fassung der Vorschrift deutlich. Nach dieser Fassung war eine Vollstreckungsunterwerfung nur wegen eines Anspruchs zulässig, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat. Demgegenüber stellt die Vorschrift heute nicht mehr darauf ab, auf welche Leistung der zu vollstreckende Anspruch gerichtet ist. Die Vollstreckungsunterwerfung ist vielmehr unabhängig hiervon wegen jedes Anspruchs möglich, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich und nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft. Bei der Bezeichnung des Anspruchs kann es deshalb nur darum gehen zu verdeutlichen, wegen welcher Ansprüche der Schuldner sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen soll.
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(2) Dass die Einhaltung dieses eigenständigen Konkretisierungsgebots Wirksamkeitserfordernis ist, belegen auch die Entstehungsgeschichte der Norm und der mit dem Konkretisierungsgebot verfolgte Zweck.
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(a) Mit der Neufassung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten einer Vollstreckungsunterwerfung beträchtlich ausgeweitet, um die Justizressourcen zu schonen. Er sah aber die Gefahr, dass der angestrebte Effekt durch Erschwernisse des Vollstreckungsverfahrens zunichte gemacht werden könnte. Eine Vollstreckungsunterwerfung werde vor dem Entstehen der konkreten Streitlage formuliert. Eine allgemein gehaltene Unterwerfungserklärung könne einen erhöhten Klärungsbedarf etwa im Wege der Vollstreckungsgegenklage auslösen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 13/341 S. 20). Dem sollte das Konkretisierungsgebot vorbeugen. Dazu heißt es in der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 13/341 S. 21):
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"Die Erweiterung der Ansprüche, die von einer vollstreckbaren notariellen Urkunde erfasst werden können, erhöht die Bedeutung, die der Bezeichnung des vollstreckbar gestellten Anspruchs im Unterwerfungstitel zukommt. Um pauschale Unterwerfungserklärungen mit den damit verbundenen Erschwernissen des Vollstreckungsverfahrens zu verhindern, sieht der Entwurf vor, dass die Unterwerfungserklärung den betroffenen Anspruch konkret bezeichnen muss."
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(b) Einen wirksamen Schutz vor den befürchteten Erschwernissen des Vollstreckungsverfahrens kann das Konkretisierungserfordernis nur bieten, wenn es Wirksamkeitserfordernis ist. Wäre eine Vollstreckungsunterwerfung auch bei Verletzung des Konkretisierungsgebots wirksam, müsste für sie angesichts der dienenden Funktion des Verfahrensrechts (dazu Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - V ZB 49/12, NJW-RR 2013, 588 Rn. 8) jedenfalls nach einer Nachholung der Konkretisierung (vgl. dazu Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl., Rn. 11.47 aE) auch eine Vollstreckungsklausel erteilt und aus der Urkunde vollstreckt werden können. Das liefe der Absicht des Gesetzgebers zuwider. Er wollte pauschale Unterwerfungserklärungen unterbinden (BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14, 18). Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn die fehlende Konkretisierung die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung unberührt ließe und im Klauselerteilungsverfahren nachgeholt werden könnte. Damit würde die Konkretisierungsaufgabe, die nach dem Konzept des Gesetzes von den Parteien bei der Beurkundung der Unterwerfungserklärung zu bewältigen ist, in das Klauselerteilungsverfahren und etwa anschließende Gerichtsverfahren über Rechtsbehelfe gegen die Erteilung oder Nichterteilung der Klausel verlagert. Dieses würde damit als Teil des Vollstreckungsverfahrens mit eben den Erschwernissen belastet, die mit dem Konkretisierungsgebot vermieden werden sollen. Die Verletzung des Konkretisierungsgebots führt deshalb nicht nur zur Versagung der Vollstreckungsklausel (BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14), sondern auch zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung.
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dd) Das Konkretisierungsgebot ist hier verletzt. Die Klägerin hat sich als Käuferin in der Urkunde wegen „der in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die eine bestimmte Geldsumme zum Gegenstand haben,“ der Vollstreckung unterworfen. Welche das sind, ließe sich zwar, wie bei allen pauschalen Vollstreckungsunterwerfungen, mit einer Durchsicht der Urkunde feststellen. Aus der Unterwerfungserklärung selbst ergibt sich das - wie aber geboten - nicht. Sie benennt die Ansprüche nicht und verweist auch nicht z.B. auf die Regelung der Ansprüche in dem Vertrag. Die Unterwerfungserklärung der Klägerin ist damit unwirksam.
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ee) Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde durch den Verkäufer ist damit mangels wirksamen Titels insgesamt für unzulässig zu erklären.
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2. Zulässig und begründet ist auch die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde.
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a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung einer vollstreckbaren Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist nach herrschender Ansicht jedenfalls dann zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist oder wenn die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist (Senat, Urteil vom 21. Januar 1994- V ZR 238/92, WM 1994, 650, 652 und BGH, Urteile vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 9 und vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 3. Aufl., § 371 Rn. 3; Staudinger/Olzen, BGB [2011], § 371 Rn. 7; aM MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 371 Rn. 8: Vollstreckungsgegenklage sei weder erforderlich noch ausreichend). Nichts Anderes gilt, wenn die Herausgabeklage, wie hier, mit der Titelgegenklage verbunden wird. Denn auch dann ist, worauf es entscheidend ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1994- IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.), eine Umgehung von deren Voraussetzungen nicht zu befürchten.
- 24
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b) Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte ist in entsprechender Anwendung von § 371 BGB zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde verpflichtet.
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aa) Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 371 BGB auf die Herausgabe eines Vollstreckungstitels hat der Bundesgerichtshof für den Fall bejaht, dass die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund einer auf materielle-rechtliche Einwände gegen den titulierten Anspruch gestützten Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt wird. Der Anspruch besteht in diesem Fall aber nicht schon, wenn und weil die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt worden ist, sondern erst, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat. Denn das Urteil beseitigt nur die Vollstreckbarkeit der Urkunde, besagt aber nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen des zu vollstreckenden Anspruchs (BGH, Urteile vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12 und vom22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 149 f.).
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bb) Die entsprechende Anwendung von § 371 BGB auf die Herausgabe des Vollstreckungstitels ist auch geboten, wenn die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund einer auf formelle Einwände gegen den Titel gestützten Titelgegenklage insgesamt und endgültig für unzulässig erklärt worden ist. Denn auch in diesem Fall enthält das Gesetz eine planwidrige Lücke. Der Schuldner könnte zwar durch Vorlage einer Ausfertigung des in dem Titelgegenklageverfahren ergangenen Urteils die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO erreichen. Er könnte damit allein aber nicht verhindern, dass die Vollstreckung trotz des Urteils erst einmal versucht wird und womöglich auch zunächst Erfolg hat, weil die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung etwa dem nicht informierten Personal des Schuldners unbekannt ist oder mangels Ausfertigung des Urteils nicht sofort nachgewiesen werden kann. Ein solcher Missbrauch des Titels kann nur mit einem Anspruch auf dessen Herausgabe verhindert werden, den das Prozessrecht aber auch für die Titelgegenklage nicht vorsieht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt für die Vollstreckungsgegenklage: BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.). Diese Lücke muss nach dem aus § 775 Nr. 1 und § 757 ZPO zum Ausdruck kommenden Plan des Gesetzes durch eine entsprechende Anwendung des § 371 BGB geschlossen werden. In Betracht kommt indessen nur eine auf die Rechtsfolge beschränkte analoge Anwendung der Vorschrift. Denn bei einer allein auf formelle Einwände gestützten Titelgegenklage kann der Titelherausgabeanspruch nicht von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs abhängen, sondern nur von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Titels. Die Unterwerfungserklärung ist hier unwirksam. Deshalb ist auch der Herausgabeanspruch analog § 371 BGB begründet.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
RiBGH Dr. Göbel ist infolge
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
Karlsruhe, den 9. Januar 2015Die Vorsitzende
Stresemann
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
Tenor
-
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena - 1. Zivilsenat - vom 28. Februar 2013 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 25. April 2012 abgeändert.
-
Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde UR-Nr. des Notars K. , , H. , vom durch den Beklagten wird für unzulässig erklärt.
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Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde an die Klägerin herauszugeben.
-
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
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Der Beklagte verkaufte der Klägerin mit Vertrag vom 28. Juni 2007 Grundbesitz und in einer Anlage näher bezeichnete Maschinen für 949.940 €. Die Urkunde enthält einen weiteren Vertrag, mit welchem die Klägerin von dem Beklagten andere, in einer zweiten Anlage aufgeführte Maschinen für monatlich 3.500 € pachtete. Darunter waren Maschinen, die dem Beklagten nicht gehörten und zu deren Herausgabe an einen Dritten die Klägerin später verurteilt wurde. Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin aus einer in der Urkunde enthaltenen Vollstreckungsunterwerfungserklärung „wegen der in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die eine bestimmte Geldsumme zum Gegenstand haben,“ die Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs von 161.778 € und hat dabei eine Forderungspfändung gegen die Klägerin erwirkt. Bei der Forderung, derentwegen der Beklagte vollstreckt, handelt es sich nicht um den - bezahlten - Kaufpreis, sondern um Pachtzinsforderungen. Mit der Vollstreckungsgegenklage und der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO möchte die Klägerin erreichen, dass die Zwangsvollstreckung insgesamt, hilfsweise wegen unterschiedlicher Teilbeträge eingestellt wird. Ferner beantragt sie die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Vollstreckungstitels.
- 2
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 3
-
Das Berufungsgericht hält die Vollstreckungsgegenklage für unbegründet. Dem Beklagten stünden nach dem Vertrag Pachtzinsansprüche zu. Diese dürfe er trotz einer Zession an seine Bank geltend machen, weil es sich um eine Sicherungszession handele. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass dem Beklagten keine Ansprüche aus der Urkunde zustünden. Insbesondere reiche es nicht aus vorzutragen, Teile des Maschinenbestands stünden im Eigentum Dritter. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen auf Schadensersatz seien nicht hinreichend substantiiert. Auch als Titelgegenklage habe die Klage keinen Erfolg. Die Vollstreckungsunterwerfungserklärung habe einen vollstreckungsfähigen Inhalt; sie sei insbesondere hinreichend bestimmt.
-
II.
- 4
-
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
- 5
-
1. Die von der Klägerin auch erhobene prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO (Titelgegenklage) gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten als Verkäufer aus der Unterwerfungserklärung in der Kaufvertragsurkunde ist zulässig und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts begründet.
- 6
-
a) aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Klägerin neben einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, mit der sie Einwendungen gegen den titulierten materiell-rechtlichen Anspruch erhebt, die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend macht. Dieser Teil des Klagebegehrens ist Gegenstand der Titelgegenklage (vgl. BGH, Urteile vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170 f. und vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 15), die mit der Klage aus § 767 ZPO verbunden werden kann (BGH, Urteile vom 14. Mai 1992- VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 236 und vom 26. Juni 2007 - XI ZR 287/05, NJW-RR 2008, 66 Rn. 14).
- 7
-
bb) Die Unwirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung als solche kann auch mit der Titelgegenklage geltend gemacht werden. Sie stellt nämlich keinen Einwand nur gegen die prozessuale Ordnungsgemäßheit der Unterwerfungserklärung dar, der allein mit den Rechtsbehelfen der §§ 732, 768 ZPO gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel geltend gemacht werden könnte (Senat, Urteil vom 5. Dezember 2003 - V ZR 341/02, NJW-RR 2004, 1135, 1136; BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 17 f.). Sie ist vielmehr ein Einwand gegen die Bestimmtheit des titulierten Anspruchs, für dessen Geltendmachung die Titelgegenklage zulässig ist (BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170). Bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung ist die Vollstreckung aus der Urkunde schlechthin für unzulässig zu erklären. Das ist mit den Rechtsbehelfen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht zu erreichen. Mit diesen kann nur eine Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der erteilten Klausel herbeigeführt werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 234 und Senat, Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 92/11, juris Rn. 11).
- 8
-
b) Verkannt hat das Berufungsgericht jedoch, dass die Unterwerfungserklärung wegen eines Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot nichtig ist, es deshalb an einem wirksamen Vollstreckungstitel fehlt und die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde durch den Verkäufer für unzulässig zu erklären ist.
- 9
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aa) Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann aus der Urkunde über einen Grundstückskaufvertrag vollstreckt werden, wenn sich der Schuldner darin „wegen des zu bezeichnenden Anspruchs“ der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Einigkeit besteht darüber, dass der Anspruch in diesem Sinne nur bezeichnet ist, wenn die Unterwerfungserklärung dem allgemeinen prozessualen Bestimmtheitsgebot genügt (MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl., § 794 Rn. 160; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 111). Diesem Gebot würde auch eine Erklärung entsprechen, in welcher sich der Schuldner wegen „aller“ oder - wie hier - wegen „der“ Zahlungsverpflichtungen aus der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (v. Rintelen, RNotZ 2001, 2, 5).
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bb) Unterschiedlich beurteilt werden dagegen die Fragen, ob § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit dem Erfordernis einer „Bezeichnung“ über die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots hinausgehende Anforderungen stellt und welche Wirkung eine Nichtbeachtung solcher zusätzlichen Anforderungen hat.
- 11
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(1) Teilweise wird angenommen, dass die Vorschrift mit dem Begriff Bezeichnung nur das Bestimmtheitserfordernis umschreibt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 794 Rn. 23; Grizwotz/Heinemann, BeurkG, § 52 Rn. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 794 Rn. 34; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO 3. Aufl., § 794 Rn. 88; Münch, ZNotP 1998, 474, 480; Münzberg, Festschrift Lüke [1997], S. 525, 542 f. wohl auch ders. in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 121 bei Fn. 590). Teilweise wird eine Verschärfung des Bestimmtheitserfordernisses angenommen. Dabei wird unterschiedlich gesehen, ob pauschale Unterwerfungserklärungen nur vermieden werden sollen (so: Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 52 Rn. 19; Hertel, DNotZ 1999, 1, 2), aber wirksam bleiben oder ob sie dem Gebot nicht genügen (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 6. Aufl., § 52 Rn. 21 aE; Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 52 BeurkG Rn. 7; PG/Scheuch, ZPO, 6. Aufl., § 794 Rn. 45; Kaufhold, BeckOF, Vertrag, Formular 1.6.2 [Schuldanerkenntnis mit Vollstreckungsunterwerfung] Rn. 14; v. Rintelen, RNotZ 2001, 2, 5) und demzufolge unwirksam sind. Teilweise wird in dem Konkretisierungsgebot ein zusätzliches über das Bestimmtheitsgebot hinausgehendes Erfordernis gesehen, dessen Nichtbeachtung zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung führt (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 794 Rn. 27; ähnlich Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 120: genaue Bezeichnung des Anspruchs sei unentbehrlich, und MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl., § 794 Rn. 189: die grundsätzliche anzunehmende Unwirksamkeit schließe Nachholung im Einzelfall nicht aus; anders noch Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl., Rn. 11.47 aE: Konkretisierung könne (uneingeschränkt) im Klauselerteilungsverfahren nachgeholt werden).
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(2) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit dem Erfordernis der Bezeichnung des Anspruchs ein Konkretisierungsgebot vorsieht, das mit dem Bestimmtheitsgebot nicht gleichzusetzen ist, sondern eine zusätzliche formelle Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel darstellt und durch eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung wegen „etwaiger Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldbeträge“ nicht erfüllt wird (Beschluss vom 5. September 2012- VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14, 18). Ob der Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot zur Nichtigkeit der Unterwerfungserklärung führt, hat er noch nicht entschieden.
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cc) Der Senat bejaht die Frage.
- 14
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(1) Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
- 15
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(a) Danach findet die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden nur statt, wenn sich der Schuldner darin wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Die Bezeichnung des Anspruchs ist damit nicht nur Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel, sondern auch Voraussetzung dafür, dass die Urkunde überhaupt einen Vollstreckungstitel darstellt.
- 16
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(b) Dass die Vorschrift mit der Bezeichnung des Anspruchs etwas anderes meint als das Bestimmtheitsgebot, wird aus dem Vergleich der heute geltenden mit der vorherigen Fassung der Vorschrift deutlich. Nach dieser Fassung war eine Vollstreckungsunterwerfung nur wegen eines Anspruchs zulässig, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat. Demgegenüber stellt die Vorschrift heute nicht mehr darauf ab, auf welche Leistung der zu vollstreckende Anspruch gerichtet ist. Die Vollstreckungsunterwerfung ist vielmehr unabhängig hiervon wegen jedes Anspruchs möglich, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich und nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft. Bei der Bezeichnung des Anspruchs kann es deshalb nur darum gehen zu verdeutlichen, wegen welcher Ansprüche der Schuldner sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen soll.
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(2) Dass die Einhaltung dieses eigenständigen Konkretisierungsgebots Wirksamkeitserfordernis ist, belegen auch die Entstehungsgeschichte der Norm und der mit dem Konkretisierungsgebot verfolgte Zweck.
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(a) Mit der Neufassung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten einer Vollstreckungsunterwerfung beträchtlich ausgeweitet, um die Justizressourcen zu schonen. Er sah aber die Gefahr, dass der angestrebte Effekt durch Erschwernisse des Vollstreckungsverfahrens zunichte gemacht werden könnte. Eine Vollstreckungsunterwerfung werde vor dem Entstehen der konkreten Streitlage formuliert. Eine allgemein gehaltene Unterwerfungserklärung könne einen erhöhten Klärungsbedarf etwa im Wege der Vollstreckungsgegenklage auslösen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 13/341 S. 20). Dem sollte das Konkretisierungsgebot vorbeugen. Dazu heißt es in der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 13/341 S. 21):
-
"Die Erweiterung der Ansprüche, die von einer vollstreckbaren notariellen Urkunde erfasst werden können, erhöht die Bedeutung, die der Bezeichnung des vollstreckbar gestellten Anspruchs im Unterwerfungstitel zukommt. Um pauschale Unterwerfungserklärungen mit den damit verbundenen Erschwernissen des Vollstreckungsverfahrens zu verhindern, sieht der Entwurf vor, dass die Unterwerfungserklärung den betroffenen Anspruch konkret bezeichnen muss."
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(b) Einen wirksamen Schutz vor den befürchteten Erschwernissen des Vollstreckungsverfahrens kann das Konkretisierungserfordernis nur bieten, wenn es Wirksamkeitserfordernis ist. Wäre eine Vollstreckungsunterwerfung auch bei Verletzung des Konkretisierungsgebots wirksam, müsste für sie angesichts der dienenden Funktion des Verfahrensrechts (dazu Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - V ZB 49/12, NJW-RR 2013, 588 Rn. 8) jedenfalls nach einer Nachholung der Konkretisierung (vgl. dazu Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl., Rn. 11.47 aE) auch eine Vollstreckungsklausel erteilt und aus der Urkunde vollstreckt werden können. Das liefe der Absicht des Gesetzgebers zuwider. Er wollte pauschale Unterwerfungserklärungen unterbinden (BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14, 18). Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn die fehlende Konkretisierung die Wirksamkeit der Unterwerfungserklärung unberührt ließe und im Klauselerteilungsverfahren nachgeholt werden könnte. Damit würde die Konkretisierungsaufgabe, die nach dem Konzept des Gesetzes von den Parteien bei der Beurkundung der Unterwerfungserklärung zu bewältigen ist, in das Klauselerteilungsverfahren und etwa anschließende Gerichtsverfahren über Rechtsbehelfe gegen die Erteilung oder Nichterteilung der Klausel verlagert. Dieses würde damit als Teil des Vollstreckungsverfahrens mit eben den Erschwernissen belastet, die mit dem Konkretisierungsgebot vermieden werden sollen. Die Verletzung des Konkretisierungsgebots führt deshalb nicht nur zur Versagung der Vollstreckungsklausel (BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - VII ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1342 Rn. 14), sondern auch zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung.
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dd) Das Konkretisierungsgebot ist hier verletzt. Die Klägerin hat sich als Käuferin in der Urkunde wegen „der in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die eine bestimmte Geldsumme zum Gegenstand haben,“ der Vollstreckung unterworfen. Welche das sind, ließe sich zwar, wie bei allen pauschalen Vollstreckungsunterwerfungen, mit einer Durchsicht der Urkunde feststellen. Aus der Unterwerfungserklärung selbst ergibt sich das - wie aber geboten - nicht. Sie benennt die Ansprüche nicht und verweist auch nicht z.B. auf die Regelung der Ansprüche in dem Vertrag. Die Unterwerfungserklärung der Klägerin ist damit unwirksam.
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ee) Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde durch den Verkäufer ist damit mangels wirksamen Titels insgesamt für unzulässig zu erklären.
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a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung einer vollstreckbaren Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist nach herrschender Ansicht jedenfalls dann zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist oder wenn die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist (Senat, Urteil vom 21. Januar 1994- V ZR 238/92, WM 1994, 650, 652 und BGH, Urteile vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 9 und vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 3. Aufl., § 371 Rn. 3; Staudinger/Olzen, BGB [2011], § 371 Rn. 7; aM MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 371 Rn. 8: Vollstreckungsgegenklage sei weder erforderlich noch ausreichend). Nichts Anderes gilt, wenn die Herausgabeklage, wie hier, mit der Titelgegenklage verbunden wird. Denn auch dann ist, worauf es entscheidend ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1994- IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.), eine Umgehung von deren Voraussetzungen nicht zu befürchten.
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aa) Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 371 BGB auf die Herausgabe eines Vollstreckungstitels hat der Bundesgerichtshof für den Fall bejaht, dass die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund einer auf materielle-rechtliche Einwände gegen den titulierten Anspruch gestützten Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt wird. Der Anspruch besteht in diesem Fall aber nicht schon, wenn und weil die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt worden ist, sondern erst, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat. Denn das Urteil beseitigt nur die Vollstreckbarkeit der Urkunde, besagt aber nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen des zu vollstreckenden Anspruchs (BGH, Urteile vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12 und vom22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 149 f.).
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bb) Die entsprechende Anwendung von § 371 BGB auf die Herausgabe des Vollstreckungstitels ist auch geboten, wenn die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund einer auf formelle Einwände gegen den Titel gestützten Titelgegenklage insgesamt und endgültig für unzulässig erklärt worden ist. Denn auch in diesem Fall enthält das Gesetz eine planwidrige Lücke. Der Schuldner könnte zwar durch Vorlage einer Ausfertigung des in dem Titelgegenklageverfahren ergangenen Urteils die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO erreichen. Er könnte damit allein aber nicht verhindern, dass die Vollstreckung trotz des Urteils erst einmal versucht wird und womöglich auch zunächst Erfolg hat, weil die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung etwa dem nicht informierten Personal des Schuldners unbekannt ist oder mangels Ausfertigung des Urteils nicht sofort nachgewiesen werden kann. Ein solcher Missbrauch des Titels kann nur mit einem Anspruch auf dessen Herausgabe verhindert werden, den das Prozessrecht aber auch für die Titelgegenklage nicht vorsieht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt für die Vollstreckungsgegenklage: BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 148 f.). Diese Lücke muss nach dem aus § 775 Nr. 1 und § 757 ZPO zum Ausdruck kommenden Plan des Gesetzes durch eine entsprechende Anwendung des § 371 BGB geschlossen werden. In Betracht kommt indessen nur eine auf die Rechtsfolge beschränkte analoge Anwendung der Vorschrift. Denn bei einer allein auf formelle Einwände gestützten Titelgegenklage kann der Titelherausgabeanspruch nicht von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs abhängen, sondern nur von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Titels. Die Unterwerfungserklärung ist hier unwirksam. Deshalb ist auch der Herausgabeanspruch analog § 371 BGB begründet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
RiBGH Dr. Göbel ist infolge
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
Karlsruhe, den 9. Januar 2015Die Vorsitzende
Stresemann
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger hat mit seiner Klage die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines zwischen den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs begehrt.
- 2
- Am 25. Januar 2006 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 128/05) einen Vergleich, in dem sich der Kläger, der in dem dortigen Verfahren der Beklagte war, verpflichtete, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 10.000,00 € zu zahlen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2006 forderte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Kläger unter Beifügung einer Vollmacht dazu auf, den Vergleichsbetrag auf ihr Konto bei der Sparkasse F. zu zahlen. Am 20. Februar 2006 zahlte der Kläger 10.000,00 € auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R. (Nr. 3 ). Die Beklagte verweigerte die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs an den Kläger mit der Begründung, durch die - nunmehr zwischen den Parteien unstreitige - Einzahlung der 10.000,00 € auf das Konto bei der Sparkasse R. sei eine Erfüllung der Vergleichsforderung ebenso wenig eingetreten wie durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage analog § 371 BGB als unzulässig abgewiesen , das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
- 4
- Nach Einlegung der Revision hat das Landgericht Heidelberg mit rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2007 (12 O 22/07 KfH) zugunsten des Klägers auf dessen Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Vergleich vom 25. Januar 2006 für unzulässig erklärt. Im Hinblick hierauf hat die Beklagte die vollstreckbare Ausfertigung am 15. Oktober 2007 an den Kläger herausgegeben. Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern begehrt weiterhin die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter (klarstellender) Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils zu der Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
- 6
- I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die - grundsätzlich - analog § 371 BGB zulässige Klage auf Herausgabe des vollstreckbaren Titels sei hier unzulässig, da der Kläger es versäumt habe, neben der Herausgabeklage eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 BGB zu erheben , und weil die Erfüllung des Vergleichs zwischen den Parteien nicht unstreitig sei.
- 7
- II. Auch in der Revisionsinstanz ist die Herausgabe des Titels als unstreitig erledigendes Ereignis zu berücksichtigen mit der Folge, dass auf die einseitige Erledigungserklärung des Klägers nur noch zu prüfen war, ob die Klageforderung im Zeitpunkt des die Erledigung begründenden unstreitigen Ereignisses zulässig und begründet war (st.Rspr. BGHZ 106, 359, 366 ff.; BGH, Urt. v. 18. Dezember 2003 - I ZR 84/01, WM 2004, 1048 m.w.Nachw.).
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- 1. Die Klage war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig.
- 9
- a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , der die Literatur ganz überwiegend folgt, in analoger Anwendung von § 371 BGB jedenfalls zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist oder die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist (BGHZ 127, 146, 148 f. allerdings mit der Einschränkung "jedenfalls"; BGH, Urt. v. 21. Januar 1994 - V ZR 238/92, WM 1994, 650, 652; Staudinger/Olzem, BGB [2006] § 371 Rdn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB 67. Aufl. § 371 Rdn. 4; Musielak/Lackmann, ZPO 6. Aufl. § 767 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist (s. insoweit die beachtlichen Argumente gegen die h.A. bei MünchKommBGB/Wenzel, 5. Aufl. § 371 Rdn. 8). Denn auch auf der Grundlage der h.A. ist die Klage im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig gewesen.
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- b) Zwar war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels weder das Urteil im Prozess über die Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig, da die Berufungsfrist erst am 17. Oktober 2007 ablief, noch war die Erfüllung des Vergleichs unstreitig. Das steht angesichts der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Falles der Zulässigkeit der Herausgabeklage jedoch nicht entgegen. Die Beklagte hatte nämlich schon vor Eintritt der Rechtskraft gegenüber dem Kläger erklärt, kein Rechtsmittel einlegen zu wollen, und deshalb die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs an diesen zurückgegeben. Zwar traten mit dieser Mitteilung mangels Äußerung gegenüber dem Gericht nicht die Wirkungen des § 515 ZPO ein. Der Beklagten ist aber aufgrund dieser Erklärung gemäß § 242 BGB der Einwand abgeschnitten, die - formelle - Rechtskraft sei erst später eingetreten. Ihre Erklärung, kein Rechtsmittel einlegen und den Titel herausgeben zu wollen, steht in diesem Fall der ansonsten von der h.A. verlangten Rechtskraft des der Vollstreckungsabwehrklage stattgebenden Urteils gleich, mit der Folge der Zulässigkeit der Herausgabeklage analog § 371 BGB.
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- 2. Die Herausgabeklage war begründet.
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- a) Allerdings reicht es für die Begründetheit der Herausgabeklage, anders als die Revision meint, noch nicht aus, dass die Vollstreckung gemäß § 767 ZPO durch das Urteil vom 12. September 2007 endgültig für unzulässig erklärt worden ist. Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine rein prozessrechtli- che Klage auf ein rechtsgestaltendes - auf die Beseitigung der Vollstreckbarkeit gerichtetes - Urteil, das keine rechtskräftige Feststellung des Nicht(mehr)Bestehens des materiell-rechtlichen Anspruchs zum Inhalt hat. Deshalb ist die Analogie zu § 371 BGB nur gerechtfertigt, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat (BGH, Urt. v. 24. November 1982 - VIII ZR 263/81, NJW 1983, 390, 391; v. 19. Juni 1984 - IX ZR 89/83, FamRZ 1984, 878, 880; v. 23. Mai 1989 - IX ZR 57/88, WM 1989, 1514, 1516; BGHZ 127, 146, 149 f.). Der Schuldner muss im Rahmen der isolierten Klage analog § 371 BGB beweisen, dass die Schuld mit Sicherheit erloschen ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist er mit der Herausgabeklage abzuweisen. Die dadurch entstehende Diskrepanz zwischen den Urteilen in dem Verfahren nach § 767 ZPO und über die Herausgabe nach § 371 BGB analog ist hinzunehmen (BGHZ 127 aaO S. 150 m.w.Nachw.).
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- b) Der Kläger hat nachgewiesen, dass die titulierte Vergleichsforderung erfüllt ist.
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- aa) Dass Erfüllung nicht bereits durch die - nunmehr unstreitige - Überweisung auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R. eingetreten ist, nimmt die Revision - zu Recht - hin. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Überweisung auf ein anderes als das von dem Gläubiger angegebene Konto grundsätzlich keine Tilgungswirkung hat (BGHZ 98, 24, 30; 128, 135, 137; BGH, Urt. v. 17. März 2004 - VIII ZR 161/03, ZIP 2004, 1354, 1355).
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- bb) Erfüllung ist aber durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 BGB eingetreten.
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- (a) Bewirkt die Zahlung auf ein Girokonto - wie hier - keine Erfüllung der Schuld, steht dem Leistenden gegen den Inhaber des Kontos ein Bereiche- rungsanspruch zu (st.Rspr. siehe nur BGHZ 128, aaO m.w.Nachw.). Das stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Frage. Sie meint jedoch, dem Kläger sei es verwehrt, mit diesem Kondiktionsanspruch aus fehlgeschlagener Überweisung gegen die Forderung der Beklagten aus dem Vergleich aufzurechnen. Dies trifft hier nicht zu.
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- (b) Anders als von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet, entspricht es völlig herrschender Ansicht, dass bei der Herausgabeklage analog § 371 BGB, anders als bei § 368 BGB, eine Forderung - auch - durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden kann (s. nur Staudinger/Olzem aaO Rdn. 9; MünchKommBGB/Wenzel aaO Rdn. 5; Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 371 Rdn. 3; Bamberger/Roth/ Dennhardt, BGB § 371 Rdn. 2; Palandt/Grüneberg aaO).
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- (c) Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger zur Aufrechnung berechtigt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob im Fall der fehlgeschlagenen Überweisung ein "Aufrechnungsverbot" des Überweisenden mit dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die dadurch beeinträchtigte Dispositionsbefugnis des Gläubigers besteht, zu der in der Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten werden (s. u.a. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 473; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. Bd. 1 § 50 Rdn. 10), bislang offen gelassen (BGHZ 98 aaO; 128 aaO). Auch der Senat braucht sie nicht zu entscheiden. Denn im vorliegenden Fall ist es der Beklagten verwehrt, sich auf ein möglicherweise bestehendes Aufrechnungsverbot zu berufen.
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- Die Sparkasse hatte vor Eingang der Zahlung auf dem Konto der Beklagten angeboten, unter im Einzelnen genannten Voraussetzungen gegen Zahlung von 80.000,00 € zzgl. Zinsen auf die "dann noch bestehende Restforderung" gegen die Beklagte verzichten zu wollen. Diese Formulierung impliziert, dass die letztlich zu erlassende Restforderung aus dem Girovertrag bis zum Eintritt der Vergleichsvoraussetzungen noch Änderungen unterworfen sein konnte. Der Eintritt der zur Bedingung gemachten Voraussetzungen lag aber ebenso wie der Vergleichsabschluss als solcher unstreitig zeitlich nach der Zahlung des Klägers. Hat sich die Beklagte daher auf der Grundlage ihrer durch diese Zahlung geminderten Restforderung mit der Sparkasse verglichen, handelt sie treuwidrig , wenn sie die Aufrechnung des Klägers - nur - deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil durch die genannte Zahlung ihre Dispositionsbefugnis "ausgehöhlt" worden sei.
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 19.07.2006 - 3 O 59/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.02.2007 - 1 U 169/06 -
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren
- 1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel - a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder - b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht, - 2.
in fünf Jahren - a)
bei einem Bauwerk und - b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
- 3.
im Übrigen in zwei Jahren.
(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.
(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.
(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.
(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.