Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 14. Feb. 2014 - 1 A 1139/13.A

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2014:0214.1A1139.13A.00
bei uns veröffentlicht am14.02.2014

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. März 2013 – 23 K 6544/10.A – wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 14. Feb. 2014 - 1 A 1139/13.A zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16


(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. (2) Ke

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 04. Dez. 2012 - 2 BvR 2954/09

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Tenor Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2009 - M 22 K 07.50683 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbi

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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Okt. 2018 - 6 K 1826/16.A

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1T a t b e s t a n d 2Der Kläger zu 1.) ist am 00.00.1977 in Gizeh, Ägypten geboren. Die Antragstellerin zu 2.) ist am 00.00.

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2009 - M 22 K 07.50683 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 - 21 ZB 09.30109 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer, ein 39jähriger syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste im August 2006 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung gab er an, als Aktivist für die kurdische Sache in das Blickfeld syrischer Sicherheitskräfte geraten zu sein. Er habe sich mehr als zehn Jahre im Irak aufgehalten. Als er im April 2004 nach Syrien zurückgekehrt sei, habe man ihn festgenommen und anschließend bis Mai 2005 inhaftiert; in der Haft sei er erheblich gefoltert worden. Ihm sei die Zugehörigkeit zu einer geheimen Organisation vorgeworfen worden, die Syrien teilweise annektieren wolle. Am 3. März und 29. Mai 2005 habe es Verhandlungen beim Obersten Staatssicherheitsgericht gegeben; dabei sei er von einem Anwalt begleitet worden, den ihm seine gut bemittelte Familie besorgt habe. Ende Mai 2005 sei er wegen gesundheitlicher Gründe gegen Kaution freigelassen worden. Er habe Syrien Anfang September 2005 verlassen und sei über Jordanien nach Ägypten gereist, wo er sich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland illegal aufgehalten habe. Dort habe er erfahren, dass er am 25. September 2005 in Abwesenheit zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Bei einem weiteren Verbleib in Syrien habe er mit seiner erneuten Verhaftung und Misshandlung rechnen müssen.

3

Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen vor, darunter zwei Ausweise einer irakischen Menschenrechtsorganisation, ein Anwalts- und Gerichtsschreiben vom 9. Juni 2005 und einen Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls.

4

2. Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die bei der Anhörung gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen hätten zur Überzeugung des Einzelentscheiders geführt, dass der Beschwerdeführer in Syrien eine asyl- oder abschiebungsverbotsrelevante Verfolgung weder erlitten noch bei Rückkehr zu gewärtigen habe. Das Anwalts- und Gerichtsschreiben sowie der Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls wiesen erhebliche Fälschungsmerkmale auf. Einer Korrespondenzbestätigung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers komme demgegenüber keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Auch einen politischen Hintergrund, der die Annahme zuließe, er könnte ernsthaft in das Blickfeld des syrischen Geheimdienstes geraten sein, vermöge der Beschwerdeführer nicht darzutun. Schließlich liege kein Abschiebungsverbot mit Blick auf die geltend gemachten Erkrankungen vor.

5

3. Mit seiner Klage machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die Feststellung des Bundesamts, bei den vorgelegten Urkunden handele es sich um Fälschungen, nicht nachvollziehbar begründet worden sei. Zum Haftbefehl finde sich keine konkrete Aussage. Im Übrigen werde lediglich die Ungewöhnlichkeit der Formulierungen moniert, was nicht genüge, nachdem der frühere Anwalt die Echtheit und Authentizität des anwaltlichen Schreibens sowie die Vertretung des Beschwerdeführers vor dem Obersten Sicherheitsgericht bestätigt habe.

6

Für den Termin zur mündlichen Verhandlung kündigte der Beschwerdeführer an, zum Beweis der von ihm behaupteten Verurteilung und Inhaftierung sowie der Echtheit der vorgelegten Urkunden die Vernehmung des in England lebenden Anwalts zu beantragen. Zudem legte er weitere Unterlagen vor, darunter eine gutachtliche Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS) vom 6. Dezember 2008, die das Anwalts- und Gerichtsschreiben und den Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls als echt bewertete und die Angaben des Beschwerdeführers auf der Grundlage eigener Recherchen bestätigte, sowie zwei ärztlich-psychologische Stellungnahmen, die eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierten.

7

Im Verhandlungstermin stellte der Beschwerdeführer jeweils hilfsweise den schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag sowie den Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass er vom Staatssicherheitsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt wurde, ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen.

8

4. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Februar 2009 ab. Eine Asylanerkennung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer für die behauptete Einreise auf dem Luftweg beweisfällig geblieben sei. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft könne der Beschwerdeführer nicht beanspruchen, weil er weder vorverfolgt eingereist sei noch eine politische Nachfluchtaktivität dargetan habe. Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot bestehe aus den vom Bundesamt genannten Gründen ebenfalls nicht.

9

Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG begründete das Gericht damit, dass es dem Beschwerdeführer den Vortrag zu seinen Fluchtgründen nicht glaube. Seine Angaben zu den beim Bundesamt vorgelegten Ausweisen einer irakischen Menschenrechtsorganisation seien ungereimt. Der eigentliche Verfolgungsvortrag weise, insbesondere was den zehnjährigen Aufenthalt im Irak und die Umstände der Rückkehr nach Syrien angehe, schwere Widersprüche auf. Vor dem Hintergrund dieser Widersprüche seien auch die Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft. Auskünfte von offizieller Seite seien nicht zu erwarten; der damalige Anwalt könne keinen Erkenntnisgewinn über die Behandlung des Beschwerdeführers in der Haft erbringen; die in den vorgelegten ärztlichen Gutachten beschriebenen Symptome seien für die behaupteten Misshandlungen nicht spezifisch, sondern könnten auch andere Ursachen haben. Selbst die behauptete Verurteilung und Inhaftierung seien nicht frei von Zweifeln. Das Auswärtige Amt weise in seiner Auskunft vom 23. Januar 2007 auf mehrere Fälschungsmerkmale in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hin und bezeichne die Freilassung gegen Kaution als ungewöhnlich. Diese gewichtigen Zweifel habe der Beschwerdeführer durch das Gutachten des EZKS vom 6. Dezember 2008, das seinem Wesen nach überdies parteiisch sei, nicht substantiiert erschüttern können. Deshalb und weil nicht dargelegt worden sei, dass bessere Erkenntnisse zu erwarten seien, sei der Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens einer anderen fachkundigen Stelle abzulehnen gewesen. Über die konkrete Verurteilung und die Dauer der Haft gäben auch die sonst vorgelegten Unterlagen keine Aufschlüsse. Der gewichtigste Einwand gegen eine Verurteilung liege schließlich in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer das Urteil selbst nicht vorgelegt habe, obwohl die syrische Strafprozessordnung Möglichkeiten der Mitteilung an Abwesende vorsehe.

10

Ergänzend führte das Gericht an, dass, selbst wenn man eine Verhaftung des Beschwerdeführers und seine Verurteilung vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht als wahr unterstellte - was das Gericht nicht tue -, darin keine politische Verfolgung gesehen werden könnte. Die Bestrafung wegen hochverräterischen Verhaltens stelle keine solche dar, sondern sei Ausfluss des legitimen Interesses jedes Staates auf Achtung seiner territorialen Integrität. Der Anwalt des Beschwerdeführers könne allenfalls diesen Umstand belegen, nicht jedoch eine politisch motivierte unangemessene Behandlung in der Haft oder sonstige politische Mali während und beim Ergebnis des Verfahrens. Die hilfsweise beantragte Zeugenvernehmung sei deshalb unerheblich, zumal sich der Anwalt schriftlich geäußert habe und die Vernehmung entsprechend § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO habe unterbleiben können.

11

5. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung machte der Beschwerdeführer neben den Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz geltend, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.

12

Das Verwaltungsgericht sei den hilfsweise gestellten Beweisanträgen pflichtwidrig nicht nachgekommen. Den Antrag auf Vernehmung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers habe es mangels Vorliegens der Voraussetzungen weder als unerheblich übergehen noch aus Gründen des Prozessrechts ablehnen dürfen. Entsprechendes gelte für den weiteren Hilfsbeweisantrag. Das Auswärtige Amt habe die Echtheit der vorgelegten Unterlagen nicht abschließend verifiziert, sondern lediglich auf mögliche Fälschungsmerkmale hingewiesen. Diesen Zweifeln habe der Beschwerdeführer durch Vorlage des Gutachtens des EZKS vom 6. Dezember 2008 Rechnung getragen, weshalb die Behauptung des Verwaltungsgerichts, es fehle eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, ins Leere gehe. Die Beweiserhebung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil das vorgelegte Gutachten, wie vom Verwaltungsgericht behauptet, seinem Wesen nach parteiisch sei; das EZKS werde von vielen Gerichten und auch vom Bundesamt als Gutachter herangezogen.

13

Des Weiteren sei die Unterstellung des Verwaltungsgerichts, die posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers könne andere als die behaupteten Ursachen haben, aus der Luft gegriffen und objektiv nicht begründet. Dem Gericht fehle die erforderliche Sachkunde, um dies beurteilen zu können. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs sei weitere Sachaufklärung notwendig gewesen, wie ein aktueller psychologischer Befundbericht bestätige.

14

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 20. November 2009, der in Anwendung von § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG nicht begründet worden ist, ab.

15

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ablehnung seines Schutzbegehrens durch das Verwaltungsgericht erweise sich als willkürlich. Die fachgerichtliche Beweiswürdigung stütze sich auf Indizien, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs und unter Missachtung von Beweisanträgen in das Urteil eingeführt worden seien mit der Folge, dass die restlichen Indizien möglicherweise anders gewertet worden wären.

16

Insbesondere die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge verstoße gegen Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Das Verwaltungsgericht sei nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung gehalten, den Sachverhalt, solange sich ein so genannter Politmalus nicht von vornherein ausschließen lasse, in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären; dies gelte entsprechend, wenn Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt werde. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Folterungen seien Indizien für einen Politmalus, der sich nicht nur an der Strafhöhe festmachen lasse. Der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass sein Anwalt nicht nur zur Frage der Inhaftierung und Verurteilung, sondern auch zur Frage der Folter sachgerechte Angaben hätte machen können. Das Verwaltungsgericht habe den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Anwalts deshalb nicht wegen Unerheblichkeit oder unter Verweis auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO und das Vorliegen einer schriftlichen Äußerung ablehnen dürfen. Auch dem weiteren Hilfsbeweisantrag habe das Verwaltungsgericht stattgeben müssen, um sich hinreichende Überzeugungsgewissheit zu verschaffen; das Vorliegen oder Nichtvorliegen der unter Beweis gestellten Verurteilung wegen eines politischen Delikts beeinflusse die Glaubhaftigkeitsbewertung insgesamt und habe deshalb nicht dahinstehen können.

17

Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG liege darin begründet, dass das Verwaltungsgericht sich mit den eingeführten ärztlichen Stellungnahmen nicht hinreichend auseinandergesetzt und es unterlassen habe, zu der vorgetragenen posttraumatischen Belastungsstörung und deren Ursachen ein weiteres Gutachten einzuholen.

18

7. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

19

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.

20

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer vor ihrer Erhebung den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ordnungsgemäß erschöpft.

21

a) Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs keine Anhörungsrüge erhoben hat, obgleich er mit der Verfassungsbeschwerde Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht. Die Anhörungsrüge wäre offensichtlich unzulässig gewesen, weil sich der Beschwerdeführer mit ihr auf keine neue und eigenständige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Verwaltungsgerichtshof hätte berufen können (vgl. BVerfGK 13, 496 <499 f.>).

22

b) Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der materiellen Subsidiarität (vgl. BVerfGE 95, 96 <127>; 112, 50 <60 ff.>) liegt nicht vor. Ein solcher folgt insbesondere nicht daraus, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit, die beiden Beweisanträge unbedingt zu stellen (§ 86 Abs. 2 VwGO), nicht wahrgenommen hat. Um sich mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz rechtliches Gehör zu verschaffen, kann nicht die Stellung eines durch Beschluss zu bescheidenden unbedingten Beweisantrags verlangt werden. Die hilfsweise Stellung des Beweisantrags reicht aus, da sie das Gericht nicht von der Verpflichtung enthebt, die Erheblichkeit des Beweisangebots zu beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 1992 - 2 BvR 633/91 -, NVwZ 1992, S. 659 <660>).

23

2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Das Verwaltungsgericht hat die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ergebenden Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG verfehlt.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16a Abs. 1 GG ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (vgl. BVerfGE 80, 315 <335>). Dies gilt indes dann nicht, wenn die staatliche Maßnahme allein dem - grundsätzlich legitimen - staatlichen Rechtsgüterschutz, etwa im Bereich der Terrorismusbekämpfung, dient (vgl. BVerfGE 80, 315 <339>) oder sie nicht über das hinausgeht, was auch bei der Ahndung sonstiger krimineller Taten ohne politischen Bezug regelmäßig angewandt wird (vgl. BVerfGE 81, 142 <151>). Das Asylgrundrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden (auch massiven) Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614>). Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (so genannter Politmalus; vgl. BVerfGE 80, 315 <336 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Solange sich ein solcher "Politmalus" nicht von vornherein ausschließen lässt, haben die Fachgerichte den diesbezüglichen Sachverhalt in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614> und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>).

25

Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtlichen Ermittlungen darauf, ob sie einen hinreichenden Grad an Verlässlichkeit aufweisen und auch dem Umfang nach, bezogen auf die besonderen Gegebenheiten im Asylbereich, zureichend sind (vgl. BVerfGE 76, 143 <162>; 83, 216 <234>). Eine fachgerichtliche Wertung beanstandet es, wenn sie anhand der gegebenen Begründung nicht mehr nachvollziehbar ist und/oder nicht auf einer verlässlichen Grundlage beruht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644> m.w.N.).

26

b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sind (aus einfachrechtlicher Sicht ebenso BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 2 f.; vgl. auch zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 10. Januar 1995 - 9 C 276/94 -, NVwZ 1996, 86 <88 f.>). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.

27

Den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen muss auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 GG wirksam Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGK 10, 108 <112 f.>). Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit und des Freiheitsgrundrechts. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG BVerfGE 117, 71<106 f.>). Jedenfalls in Fällen, in denen es um die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu. Die fachgerichtliche Verneinung einer Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG muss daher, solange ein politischer Charakter der Strafverfolgungsmaßnahmen nicht von vornherein auszuschließen ist, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen.

28

c) Diesen Anforderungen werden die tragenden Erwägungen des angegriffenen Urteils zur Verneinung einer vom Beschwerdeführer erlittenen politischen Verfolgung nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht ist der Frage, ob die vom Beschwerdeführer dargelegte und unter Beweis gestellte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht härter als diejenige zur Verfolgung ähnlicher nicht politischer Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit (vgl. BVerfGE 80, 315 <338>) und damit eine Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG gewesen sein könnte, nicht im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang nachgegangen.

29

aa) Mit dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht zu vereinbaren ist bereits, dass das Verwaltungsgericht es unterlassen hat, Feststellungen zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung zu treffen. In den Urteilsgründen findet sich hierzu lediglich die ungenügende Aussage, die Verurteilung sei "keineswegs frei von Zweifeln".

30

(1) Wie die Verfassungsbeschwerde zu Recht ausführt, können aus dem Feststehen der Verurteilung wegen eines Staatsschutzdeliktes als solcher Schlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu deren politischem Charakter gezogen werden. Eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer im Einzelnen dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsache hätte insbesondere die vom Verwaltungsgericht gewonnene Auffassung, dass dessen Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft seien, in Frage stellen und Anlass für eine andere Einschätzung der weiteren Aufklärungsmöglichkeiten, vor allem der mit dem ersten Beweisantrag angebotenen Zeugenvernehmung, geben können. Da das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, hierzu nachvollziehbare Feststellungen zu treffen, fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die Beurteilung der Asylrelevanz der Strafverfolgungsmaßnahme.

31

(2) Das Absehen von weiterer Sachaufklärung zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung war auch nicht aus der Erwägung heraus gerechtfertigt, dass das Klagevorbringen hierzu keinen tatsächlichen Anlass bot (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2000 - 2 BvR 941/99 -, juris Rn. 5). Der Beschwerdeführer hatte in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, zum Beweis seiner Verurteilung und Inhaftierung ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen, und damit eine weitere Aufklärungsmöglichkeit benannt. Diese durfte das Verwaltungsgericht nicht mit der Begründung übergehen, dass der Beschwerdeführer nicht in detailliierter Auseinandersetzung mit der hohen Beweiswert genießenden Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Januar 2007 dargetan habe, warum an dessen Feststellungen Zweifel bestehen und eine andere Organisation bessere Erkenntnisse erbringen sollte. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes enthielt nämlich zur behaupteten Verurteilung überhaupt keine Aussage, sondern befasste sich lediglich mit der Frage, ob ein vor dieser datiertes Schreiben echt sei.

32

bb) Darüber hinaus entbehrt die hypothetische Annahme des Verwaltungsgerichts, bei unterstellter Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Oberste Staatssicherheitsgericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen Separatismus könne hierin keine politische Verfolgung gesehen werden, jeder tatsächlichen Grundlage.

33

Bei einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein syrisches Staatssicherheitsgericht bedurfte es einer Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, um festzustellen, ob in der Anwendung der Strafgesetze durch das Gericht eine Maßnahme politischer Verfolgung zu erblicken war (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Das Verwaltungsgericht hätte erwägen und darlegen müssen, weshalb die Strafvorschrift als solche und nach der Strafverfolgungspraxis keinen Verfolgungscharakter aufweist, sowie Feststellungen dazu treffen müssen, dass die gegen den Betroffenen verhängte Strafe keine unverhältnismäßige, (auch) an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Sanktion darstellt (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 3). In diesem Zusammenhang wäre auch der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei im Zuge der Ermittlungen gefoltert worden, als Indiz für das Bestehen eines "Politmalus" nachzugehen gewesen.

34

Das Verwaltungsgericht hat ausweislich der Urteilsgründe keine dieser Erwägungen angestellt. Was die behauptete strafrechtliche Verurteilung angeht, hat es sich auf die - lediglich den Ausgangspunkt der gebotenen Befassung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bildende - Feststellung beschränkt, dass die Pönalisierung und Bestrafung hochverräterischen Verhaltens als solche keine politische Verfolgung darstelle. Auf die vom Beschwerdeführer vorgetragene Folter und Misshandlung ist es nur insoweit eingegangen, als seiner Auffassung nach die Einvernahme des früheren Anwalts des Beschwerdeführers hierzu keinen Erkenntnisgewinn bringen könne und die vorgelegten ärztlich-psychologischen Stellungnahmen insoweit keinen eindeutigen Aussagegehalt aufwiesen. Damit hat es seiner Aufklärungspflicht nicht genügt. Der Beschwerdeführer hatte klar zu erkennen gegeben, dass er einen Zusammenhang zwischen der Behandlung in der Haft und dem anschließenden Strafverfahren für gegeben erachte. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb seinen Schilderungen über die erlittene Folter durch eigene Sachverhaltsermittlungen weiter nachgehen müssen. Da es hiervon abgesehen hat, entbehrt seine Wertung, dass die unterstellte Strafverfolgungsmaßnahme keinen politischen Charakter aufweise, jeder tatsächlichen Grundlage.

35

3. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Grundrechtsverletzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Februar 2009 auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Auf das Vorliegen der weiter gerügten Grundrechtsverletzungen kommt es nicht an.

36

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 wird damit gegenstandslos.

III.

37

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.11.2003 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten, die dieser selbst trägt.

Tatbestand

 
Die Klägerin stellte am 23.10.2002 beim Bundesgrenzschutzamt Flughafen Frankfurt/Main ein Schutzersuchen, als sie wegen des Versuchs, mit einem gefälschten portugiesischen Reisepass nach Kanada auszureisen, vernommen wurde. Dabei gab sie an, als am 22.11.1962 in Teheran geborene Iranerin mittels Schleuser auf dem Landweg in die Türkei gekommen und nach einem Aufenthalt von zwei Wochen in Istanbul von dort vor etwa einer Woche mit einem iranischen Reisepass nach Frankfurt geflogen zu sein. Dies habe ihr Onkel ermöglicht, nachdem ihr Ehemann ein intimes Verhältnis zwischen ihr und einem anderen Mann herausbekommen und sie mit dem Tode bedroht habe.
Zu ihrem auf 15.11.2002 datierten Asylantrag machte sie nach der Niederschrift über die Anhörung durch das Bundesamt am 27.11.2002 im Wesentlichen folgende Angaben: Nach ihrer ersten Ehe, aus der ein beim Vater lebendes Kind hervorgegangen sei, habe sie im Jahr 2000 einen Kollegen aus dem Finanzministerium geheiratet. Wegen Kinderlosigkeit dieser Ehe habe es Streit gegeben, und nachdem sie ein gynäkologisches Attest besorgt habe, sei ihr Ehemann gewalttätig geworden, habe ihr das Nasenbein gebrochen, das Telefonieren unterbunden, sie schließlich zu Hause eingesperrt und Frauen mitgebracht, mit denen er dann geschlafen habe. Nach einem Selbstmordversuch habe sie wöchentlich ihre Eltern besuchen dürfen und unterwegs einen Mann kennen gelernt, mit dem sie sich zwei- bis dreimal getroffen habe. Als sie mit diesem einmal auf dem Weg zu ihrer Mutter zusammen gewesen sei, habe dies ein Mitarbeiter ihres Ehemannes beobachtet, was sie bemerkt habe. Ihr Ehemann habe dann bei ihren Eltern angerufen und mit Steinigung gedroht, worauf sie zu ihrem Onkel in Teheran gegangen sei, der sie zu seiner Schwägerin gebracht und die Ausreise am 29.9.2002 sowie den Flug am 16.10.2002 organisiert habe. Der iranische Bekannte sei inhaftiert und ausgepeitscht worden, was sie von dessen Freund telefonisch erfahren habe, und für sie wäre eine Rückkehr der sichere Tod.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27.11.2003 den Asylantrag unter Verneinung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG sowie unter Androhung der Abschiebung in den Iran ab. Zur Begründung ist ausgeführt, selbst bei ehebrecherischen Handlungen drohe wegen strenger Beweisanforderungen keine Bestrafung, die auch nicht an asylerhebliche Merkmals anknüpfe. Gemäß Zustellungsurkunde der Deutschen Post vom 1.12.2003 wurde der Bescheid mit der im Januar 2003 mitgeteilten Anschrift der Klägerin (...) bei der hierfür bestimmten Stelle (...) niedergelegt und die Mitteilung darüber in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben. Nach Abschlussmitteilung an das Regierungspräsidium Stuttgart forderte dieses die Klägerin mit Bescheid vom 10.3.2004, der gemäß Zustellungsurkunde vom 13.3.2004 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, zu Mitwirkungshandlungen nach § 15 AsylVfG auf. Die frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin bat mit Telefax vom 23.3.2004 samt Vollmacht vom 17.3.2004 das Bundesamt um Übersendung des Bescheids vom 27.11.2003 und suchte am 29.3.2004 um Rechtsschutz wegen des Bescheids vom 10.3.2004 nach (A 11 K 11113/04 und 11114/04).
Ebenfalls am 29.3.2004 hat die Klägerin zum vorliegenden Verfahren Klage erhoben sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und ausgeführt, sie sei nicht im Besitz des Bescheids vom 27.11.2003 und habe keine Nachricht davon erhalten, obwohl sie den - jedermann zugänglichen, einzigen - Briefkasten der Sammelunterkunft seit ihrer Verlegung von Karlsruhe täglich kontrolliert habe. Hierzu hat die Stadt ... mitgeteilt, dass bei der Unterkunft zwei Briefkästen angebracht seien und die Hausbewohner Schlüssel dafür bekämen, aber auch von oben die Post entnehmen könnten.
Die Klägerin trägt schriftsätzlich unter Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor: Einer der beiden Briefkästen habe allein einer großen türkischen Familie gehört, und für den anderen habe nicht jeder Bewohner einen Schlüssel, aber jeder Zugang zum Inhalt gehabt, weshalb nachweisbar viele Briefe verloren gegangen seien und sie wiederholt bei Bewohnern wegen ihres Bescheids nachgefragt habe. Ihre beim Bundesamt protokollierten Angaben seien, bedingt durch ihre psychische Verfassung und Verständigungsprobleme, unvollständig und dahin zu berichtigen, dass sie im Iran beim Ministerium für Handel und Wirtschaft tätig gewesen sei, zwei- bis dreimal außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe und von dem Kollegen ihres Ehemannes gesehen worden sei, als sie mit ihrem Freund dessen Haus verlassen habe. Frauen seien im Iran Menschen zweiter Klasse, bereits wegen des Verdachts außerehelicher Beziehungen Opfer strafloser Selbstjustiz durch Ehemänner und männliche Verwandte und wegen familiärer Repressionen besonders selbstmordgefährdet. Auch sie selbst habe sich von den traumatischen Erlebnissen nicht erholt und am 29.3.2004 einen weiteren Selbstmordversuch unternommen, sei psychisch krank und auch deshalb bei einer Rückkehr in Lebensgefahr. Inzwischen habe sie eine enge Beziehung mit einem in den Niederlanden lebenden Freund ihres Cousins, könne ihn aber nicht heiraten und habe eine Schwangerschaft abbrechen lassen. Ihre und ihres Freundes Verwandte und Freunde auch im Iran wüssten davon, und eine Strafverfolgung wegen Ehebruchs sei auch ohne Einhaltung der strengen Beweisanforderungen wahrscheinlich. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf eingehendes Befragen nähere Angaben zur Briefkastensituation der Unterkunft in ... sowie zu ihrer Flucht und den Gründen ihrer Furcht vor einer Rückkehr in den Iran gemacht. Wegen der Einzelheiten ihres wird auf die Anlagen zum Sitzungsprotokoll sowie die Schriftsätze vom 25.6.2004, 16. und 26.9.2005, 7.10. und 10.11.2005 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1, hilfsweise Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen,
hilfsweise,
gemäß schriftlich vorgelegtem Beweisantrag vom 7.3.2006 über die im Iran zu befürchtenden Folgen ihrer nichtehelichen Beziehungen Sachverständigengutachten einzuholen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
13 
Dem Gericht liegen einschlägige Kopien der Akten des Bundesamts und der Stadt ... vor; beigezogen sind die Gerichts- und Behördenakten zu A 11 K 11113/04 und 11114/04.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Klage, über die das Gericht im allseitigen Einverständnis durch den Berichterstatter und trotz Ausbleibens Beteiligter in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2 und 3, 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, insbesondere nicht nach § 74 Abs. 1 AsylVfG verspätet.
15 
Möglicherweise ist bereits die Zustellung (§ 3 VwZG, §§ 177 ff ZPO, § 10 AsylVfG) fehlerhaft. Die vorgenommene Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 181 ZPO (vgl. § 10 Abs. 5 AsylVfG) setzt voraus, dass die Zustellung nach §§ 178, 180 ZPO nicht ausführbar ist. Hiernach konnte das Schriftstück auch nicht „in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist“ (§ 180 S. 1 ZPO). Im Gegensatz dazu ist jedoch einige Monate nach dem Bescheid des Bundesamts der des Regierungspräsidiums durch Einlegen in den gemeinschaftlichen Briefkasten gemäß § 180 ZPO zugestellt worden, was allerdings in Ermangelung eines eigenen Briefkastens der Klägerin eher fehlerhaft war (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, RdNr. 3 zu § 180; Baumbach-Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, RdNr. 5 f zu § 180). Andererseits dürfte es kaum dem Sinn des Gesetzes entsprochen haben, die nach § 181 ZPO „in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise“ abzugebende Mitteilung über die Niederlegung des Bescheids des Bundesamts in eben den gemeinschaftlichen Briefkasten einzulegen, der für eine Zustellung nach § 180 ZPO zu unsicher war, auch wenn dies der Wortlaut zu erlauben scheint (vgl. Zöller-Stöber a.a.O. RdNr. 4 zu § 181). Dass die Mitteilung auf andere Weise abgegeben oder, wie hilfsweise vorgesehen, an der Tür der Gemeinschaftseinrichtung angeheftet wurde, ist aber nicht auf der Zustellungsurkunde vermerkt. Indessen kann dahinstehen, ob die Zustellung aus diesen Gründen oder auch deshalb fehlerhaft ist, weil die Niederlegungsstelle nicht bezeichnet, sondern nur eine Adresse vermerkt wurde, unter der allerdings telefonischen Ermittlungen des Gerichts zufolge ein Laden und eine Postagentur zu finden sei:
16 
Jedenfalls ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert war (§ 60 Abs. 1 und 2 VwGO), sofern diese am 1.12.2003 zu laufen begonnen hat. Sie hat durch ihr eidesstattlich versichertes Vorbringen glaubhaft gemacht, dass sie die Mitteilung über die Niederlegung des Bescheids und deshalb auch diesen nicht erhalten hat. Die Stadt ... hat bestätigt, dass alle Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft auf die eingegangene Post zugreifen konnten. Unter solchen Umständen ist es ohne weiteres aus mancherlei Gründen möglich, dass die Mitteilung nicht zum Adressaten gelangt, und auch nicht damit zu rechnen, dass eine Zustellung auf diese Weise erfolgt. Die Klägerin hat die Zahl von etwa 30 Bewohnern außer der türkischen Großfamilie angegeben, für die häufig die Post entnommen und irgendwo hingelegt worden sei, und auf zahlreiche Werbeschriften hingewiesen, mit denen auch die Mitteilung weggeworfen worden sein könnte. Zudem ist es plausibel, dass sie erst durch den Bescheid vom 10.3.2004 aufgeschreckt Anlass zum Tätigwerden sah und nicht etwa auf eine erhaltene Mitteilung über den lange erwarteten Bescheid des Bundesamts grundlos untätig blieb. Schließlich ist die Klage mit Wiedereinsetzungsantrag und Vortrag der Hinderungsgründe schon eingegangen, bevor die dafür vorgeschriebene Frist mit Erhalt des Bescheids vom 27.11.2003 begonnen hätte (§ 60 Abs. 2 VwGO).
17 
Die Klage ist auch schon mit den Hauptanträgen begründet. Der Bescheid des Bundesamts ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; die Beklagte ist nach Maßgabe der Entscheidungsformel zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18 
Die Voraussetzungen der Asylberechtigung bzw. drohender Gefahr für Leben oder Freiheit wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung liegen zum maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor (Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AuslG, vgl. §§ 13 Abs. 2, 31 Abs. 2, 77 Abs. 1 AsylVfG). Das Gericht hat sich davon überzeugt (§ 108 VwGO), dass der Klägerin nach den gesamten Umständen die Rückkehr in den Heimatstaat nicht zugemutet werden kann, weil die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus politischen Gründen beachtlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, BVerwGE 89, 162).
19 
Nach ihren in der mündlichen Verhandlung stimmig gewordenen, glaubhaften Schilderungen ist die Klägerin geflohen, weil ihrem Ehemann die Kontaktaufnahme mit einem anderen Mann bekannt wurde, läuft aber außerdem bei ihrer Rückkehr Gefahr, als verheiratete Frau unzumutbaren und sogar lebensbedrohlichen Verhältnissen in oder außerhalb ihrer Ehe ausgesetzt zu sein. Für ihre damalige Situation im Iran sind folgende Erkenntnisse bedeutsam:
20 
Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.8.2005: „Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können nach Einschätzung des Auswärtigen Amts nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. ... Der Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne dass er den Scheidungsantrag begründen muss ... Die Einrichtung der Khol-Scheidung, d.h. Selbstloskauf der Frau aus der Ehe (Art. 1146 ZGB), sowie der Wegfall der Unterhaltspflicht des Mannes bei Verletzung der Ehepflicht der Frau (Art. 1108 ZGB) führt in häufigen Fällen zu Gewalt des scheidungswilligen Mannes in der Ehe, um seine Frau zur Stellung des Scheidungsantrags zu zwingen und dadurch seine Unterhaltspflichten und die Rückzahlung der Brautgabe zu umgehen.“
21 
Schweizerische Flüchtlingshilfe v. 20.1.2004: „Das neue Scheidungsgesetz vom Dezember 2002 gibt Frauen das Recht, aufgrund von zwölf Punkten eine Scheidung einreichen zu können, darunter eheliche Gewalt (z.B. belegt durch ein Arztzeugnis), Drogenabhängigkeit oder Schulden des Ehemannes. Ein Scheidungsverfahren ist sehr kostenintensiv und kann bis zu fünf Jahren dauern. Wenn Frauen die Scheidung einreichen, werden sie oft gezwungen, auf dem Betrag zu verzichten, den ein Mann seiner von ihm finanziell abhängigen Frau bei einer Scheidung zahlen muss. Dadurch fehlt das Startkapital in die Unabhängigkeit. ... Häusliche Gewalt ist häufig und reicht von Schlägen über Vergewaltigungen und Entstellung des Körpers durch Säureverätzungen bis hin zu Ermordungen, so genannten Ehrentötungen. ... Gemäß islamischem Gesetz wird nicht gegen männliche Mörder vorgegangen. Hunderte von Mädchen verlassen jährlich aufgrund der familiären Zwänge ihr Zuhause, wodurch sie Gefahr laufen, vergewaltigt, ermordet oder Opfer von Menschenhandel zu werden. Viele Frauen wählen den Freitod als Flucht vor familiärer Repression ... Frauen haben kaum Möglichkeiten, rechtlich gegen einen gewalttätigen Ehemann vorzugehen. Wenn eine Frau sich nicht scheiden lassen möchte, dann wird sie von der Polizei oder einem Gericht zu ihrem Ehemann zurück geschickt. Frauenhäuser sind selten und garantieren keine umfassende Sicherheit.“
22 
Deutsches Orient-Institut v. 24.8.2005 an VG Neustadt: Eine verheiratete Frau würde mit Steinigung bestraft werden, wenn sie mit einem anderen Mann schliefe und ihre Verfehlung zugäbe. Ihr Ehemann würde sie, wenn nicht umbringen, so doch - mindestens - verstoßen, so dass sie als gesellschaftlich und sozial Geächtete ihr Dasein fristen müsste.
23 
Deutsches Orient-Institut v. 27.2.2003 an VG Darmstadt: „Nach § 637 des islamischen StGB steht auf eine ungesetzliche Beziehung oder eine sittenlose Tat eines Mannes und einer Frau außer Unzucht, wie etwa Bettgemeinschaft oder Küssen, eine Strafe bis zu 99 Peitschenhieben. ... Eine solche Bestrafung kann in einer Sitzung rein praktisch gar nicht durchgeführt werden, da die Delinquenten nach einigen Schlägen ohnmächtig werden, da ihnen die Haut buchstäblich vom Leib geschlagen wird, obwohl Frauen im Sitzen und bekleidet ausgepeitscht werden müssen.“
24 
Behjat Moaali, Rechtsgutachten v. August 2001: „Die Zahl der zum Tode Verurteilten und Hingerichteten lässt Zweifel bezüglich der Freiwilligkeit der Geständnisse aufkommen. ... Es ist eine Tatsache, dass diejenigen, die auf dem Polizeirevier bezüglich dieser Angelegenheit verhört werden, zu ihrem Geständnis mittels Prügel oder anderer Maßnahmen, z.B. falscher Versprechungen, gezwungen werden, besonders wenn die Beschuldigung von einer einflussreichen Stelle erfolgte. ... Dass der Ehegatte über ausreichend gute Beziehung verfügt, hat eine Auswirkung bei dem Verfahren. ... Seiner Aussage wird eine stärkere Glaubwürdigkeit beigemessen, sie erhält dadurch eine höhere Gewichtung bei der Einleitung eines Strafverfahrens und der Urteilsfindung. Sein Einfluss könnte sich auch inoffiziell auf die Urteilsfindung und Vollstreckung des Urteils auswirken.“
25 
Das Vorbringen der Klägerin fügt sich in diese Gefahrenlage ein und macht ihre Gefährdung nach den konkreten Umständen einschließlich des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse plausibel: Ihr Ehemann sei als Angehöriger des Geheimdienstes (Informationsministerium) im Ministerium für Handel und Wirtschaft, verfüge über Macht und eine Waffe und hätte unter allen Umständen zu verhindern gewusst, dass sie sich von ihm hätte scheiden lassen. Nachdem er bereits geschieden gewesen sei, wäre in diesem Fall seine Zeugungsunfähigkeit offenkundig geworden und seine Ehre als Mann zerstört gewesen. Deshalb sei er völlig außer sich geraten, als sie ihm die Bescheinigung über ihre Zeugungsfähigkeit gezeigt habe, habe seither nicht mehr mit ihr geschlafen, sie zur Aufgabe ihrer Arbeitsstelle genötigt und sie als Gefangene gehalten, die er aus jedem beliebigen Anlass geschlagen habe, und sei es nur wenn sie bei seinen Exzessen ihre Miene verzogen habe. Er belästige immer noch ihre Eltern, weil er nicht wisse, wo sie sich aufhalte, und sie telefoniere nicht mit ihnen aus Sorge, sie würden auf seine Veranlassung abgehört. Sein Einfluss habe auch dazu beigetragen, dass ihr damaliger Freund noch am Tag ihrer Entdeckung zusammengeschlagen und abgeführt worden sei; man habe ihn zum Geständnis gezwungen und gedroht auch sie noch zu erwischen. Dass sich die in psychiatrischer Behandlung befindliche Klägerin immer wieder einbilde, ihr Ehemann habe sie hier ausfindig gemacht und stelle ihr nach, spricht zusätzlich für die real empfundene Gefahr. Insgesamt waren ihre Angaben auch auf zahlreiche Fragen überzeugend und spiegelten tatsächlich Erlebtes wider. Insbesondere leuchtet ein, dass auch beim Bundesamt von - in der Niederschrift nicht erwähntem - außerehelichem Geschlechtsverkehr bei den Treffen mit dem jungen Mann die Rede war (was der nicht mit dem Anhörenden identische entscheidende Bedienstete offen gelassen hat), nachdem sie schon zuvor beim Bundesgrenzschutz von einem intimen Verhältnis gesprochen hatte.
26 
Hiernach befand sich die Klägerin schon ungeachtet der im Iran aufgenommenen Beziehung in einer ausweglosen Lage, der sie sich nur durch Flucht ins Ausland entziehen konnte. Diese Situation erfüllt die Voraussetzungen einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich verheirateter Frauen, die nach dem herrschenden Staats- und Gesellschaftssystem des Iran ihren Ehemännern letztlich schutzlos ausgeliefert sein können (ebenso Urt. eines Kammerkollegen v. 23.1.2006 - A 11 K 13008/04 -). Die Behandlung der Frauen als Menschen zweiter Klasse (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts v. 29.8.2005 zur geschlechtsspezifischen Menschenrechtslage S. 30 ff) verwirklicht sich aber auch in den Folgen eines Ehebruchs oder eines dahingehenden Verdachts, wiewohl insoweit weder die Strafdrohungen differenzieren noch auch die männlichen Liebhaber vor nichtstaatlichen Reaktionen, insbesondere vor Privatjustiz der Ehemänner geschützt sind. Dies gilt nämlich der höheren männlichen Ehre, der auch die Ehrbarkeit der Ehefrauen zu dienen hat, während die Ehemänner entsprechende Reaktionen auf ihren Ehebruch kaum zu befürchten haben. Die Verfolgung knüpft somit nicht an die eheliche Untreue schlechthin an, sondern an die der Frau, die mit diesem „Geschlechtsmalus“ sehr wohl aus einer staatlichen Friedensordnung ausgegrenzt wird (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.4.2001, InfAuslR 2002, 160; wegen hauptsächlicher Verfolgung der Frauen auch VG Karlsruhe, Urt. v.9.5.2005 - A 6 K 10636/04 - Informationsverbund Asyl; a.A. VG Saarland, Urteil v. 21.09.2005 - 5 K 2/05.A und VG Würzburg, Urt. v. 9.10.2002 - W 7 K 02.30595 -, ebenda, VG Münster, Urt. v. 10.12.02 - 5 K 3970/98.A - und VG Bremen Urt. v. 2.4.1998 - 3 AK 2749/97 -, juris). Auf eine weitergehende politische Verfolgungsgefahr infolge „unmoralischen Verhaltens“ (vgl. dazu Urt. eines Kammerkollegen v. 9.3.2005 - A 11 K 10516/03 -) nach der Ausreise kommt es nicht mehr an.
27 
Die Bewertung als Verfolgung, die an ein asylerhebliches Merkmal anknüpft, gilt auch für Art. 16a Abs. 1 GG und folgt nicht erst aus § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Denn der im Asylgrundrecht zugrunde gelegte politische Charakter der Verfolgung ist mit dem des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - GFK - und auch dem des § 51 Abs. 1 AuslG deckungsgleich (stRspr des BVerwG, vgl. Urt. v. 18.01.1994, BVerwGE 95, 42 m.w.N.). Der nunmehr an die Stelle des § 51 Abs. 1 AuslG getretene § 60 Abs. 1 AufenthG dient ausdrücklich der Anwendung der GFK und entspricht teilweise der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 (Amtsblatt der Europäischen Union L 304/12) - Qualifikationsrichtlinie -, die bis 10.10.2006 umzusetzen ist und schon jetzt bewirkt, dass sich die Gerichte bei der Auslegung des nationalen Rechts von ihr leiten lassen können (vgl. VGH Baden-Württ., Beschl. v. 12.5.2005 - A 3 S 358/05 - m.w.N.). Nach der Qualifikationsrichtlinie setzt die Flüchtlingseigenschaft (Art. 13) voraus, dass eine von Akteuren im Sinne des Art. 6 (wie § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG) ausgehende, nicht durch Akteure im Sinne des Art. 7 oder durch internen Schutz nach Art. 8 (vgl. § 60 Abs. 1 S. 4 a.E. AufenthG) abzuwendende gravierende Verfolgungshandlung (Art. 9) an die Merkmale nach Art. 10 (Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 Nr. 1 GFK, § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG) anknüpft und kein Erlöschens- oder Ausschlussgrund nach Art. 11 und 12 vorliegt. Für die Annahme einer bestimmten sozialen Gruppe können geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigt werden, reichen aber - anders als nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG - allein noch nicht aus (Art. 10 Abs. 1 d Qualifikationsrichtlinie). Insbesondere der soziale Begriff des Geschlechts (gender) kann Frauen vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, in dem ihnen bestimmte Rollen und Identitäten zugewiesen sind, einer bestimmten sozialen Gruppe zugehörig machen (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung Teil 1, § 19 RdNr. 69-79). Wegweisend und typisch für die Zuordnung ist dabei die Entscheidung „Islam and Shah“ der britischen Lordrichter, die folgende auch im vorliegenden Fall zutreffende Charakteristika hervorhoben: weibliches Geschlecht, Verdacht des Ehebruchs und ungeschützte Position bei institutionalisierter Diskriminierung von Frauen durch Polizei, Gerichte und das gesamte Rechtssystem des Staates (Nachweise bei Marx a.a.O. RdNr. 75-78; vgl. auch schon Gebauer, Asylrechtliche Anerkennung frauenspezifischer Verfolgung, ZAR 1988, 120 m.w.N.).
28 
Die begehrte Anerkennung als Asylberechtigte ist nicht ausgeschlossen, weil die Klägerin auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat eingereist wäre (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Abs. 2 mit Anlage I AsylVfG). Denn das Gericht ist von der Einreise auf dem Luftweg ebenfalls überzeugt, nachdem schon die vorausgegangene Fluchtgeschichte glaubhaft und der Versuch einer Weiterreise mit dem Flugzeug und einem gefälschten Pass erwiesen ist, also auch die dafür erforderlichen Geldmittel vom Onkel aufzubringen waren.
29 
Ist hiernach das Bundesamt zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte und zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, so sind entgegen seiner Auffassung die Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, jetzt Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, nicht zu verneinen (§ 31 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AsylVfG). Auch die Abschiebungsandrohung ist aufzuheben, weil die Klägerin nicht in den angegebenen Zielstaat abgeschoben werden darf (§ 34 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG) und ein anderer Zielstaat nicht konkret bezeichnet ist (§ 60 Abs. 10 AufenthG).
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG und entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe

 
14 
Die Klage, über die das Gericht im allseitigen Einverständnis durch den Berichterstatter und trotz Ausbleibens Beteiligter in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2 und 3, 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, insbesondere nicht nach § 74 Abs. 1 AsylVfG verspätet.
15 
Möglicherweise ist bereits die Zustellung (§ 3 VwZG, §§ 177 ff ZPO, § 10 AsylVfG) fehlerhaft. Die vorgenommene Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 181 ZPO (vgl. § 10 Abs. 5 AsylVfG) setzt voraus, dass die Zustellung nach §§ 178, 180 ZPO nicht ausführbar ist. Hiernach konnte das Schriftstück auch nicht „in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist“ (§ 180 S. 1 ZPO). Im Gegensatz dazu ist jedoch einige Monate nach dem Bescheid des Bundesamts der des Regierungspräsidiums durch Einlegen in den gemeinschaftlichen Briefkasten gemäß § 180 ZPO zugestellt worden, was allerdings in Ermangelung eines eigenen Briefkastens der Klägerin eher fehlerhaft war (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, RdNr. 3 zu § 180; Baumbach-Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, RdNr. 5 f zu § 180). Andererseits dürfte es kaum dem Sinn des Gesetzes entsprochen haben, die nach § 181 ZPO „in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise“ abzugebende Mitteilung über die Niederlegung des Bescheids des Bundesamts in eben den gemeinschaftlichen Briefkasten einzulegen, der für eine Zustellung nach § 180 ZPO zu unsicher war, auch wenn dies der Wortlaut zu erlauben scheint (vgl. Zöller-Stöber a.a.O. RdNr. 4 zu § 181). Dass die Mitteilung auf andere Weise abgegeben oder, wie hilfsweise vorgesehen, an der Tür der Gemeinschaftseinrichtung angeheftet wurde, ist aber nicht auf der Zustellungsurkunde vermerkt. Indessen kann dahinstehen, ob die Zustellung aus diesen Gründen oder auch deshalb fehlerhaft ist, weil die Niederlegungsstelle nicht bezeichnet, sondern nur eine Adresse vermerkt wurde, unter der allerdings telefonischen Ermittlungen des Gerichts zufolge ein Laden und eine Postagentur zu finden sei:
16 
Jedenfalls ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert war (§ 60 Abs. 1 und 2 VwGO), sofern diese am 1.12.2003 zu laufen begonnen hat. Sie hat durch ihr eidesstattlich versichertes Vorbringen glaubhaft gemacht, dass sie die Mitteilung über die Niederlegung des Bescheids und deshalb auch diesen nicht erhalten hat. Die Stadt ... hat bestätigt, dass alle Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft auf die eingegangene Post zugreifen konnten. Unter solchen Umständen ist es ohne weiteres aus mancherlei Gründen möglich, dass die Mitteilung nicht zum Adressaten gelangt, und auch nicht damit zu rechnen, dass eine Zustellung auf diese Weise erfolgt. Die Klägerin hat die Zahl von etwa 30 Bewohnern außer der türkischen Großfamilie angegeben, für die häufig die Post entnommen und irgendwo hingelegt worden sei, und auf zahlreiche Werbeschriften hingewiesen, mit denen auch die Mitteilung weggeworfen worden sein könnte. Zudem ist es plausibel, dass sie erst durch den Bescheid vom 10.3.2004 aufgeschreckt Anlass zum Tätigwerden sah und nicht etwa auf eine erhaltene Mitteilung über den lange erwarteten Bescheid des Bundesamts grundlos untätig blieb. Schließlich ist die Klage mit Wiedereinsetzungsantrag und Vortrag der Hinderungsgründe schon eingegangen, bevor die dafür vorgeschriebene Frist mit Erhalt des Bescheids vom 27.11.2003 begonnen hätte (§ 60 Abs. 2 VwGO).
17 
Die Klage ist auch schon mit den Hauptanträgen begründet. Der Bescheid des Bundesamts ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; die Beklagte ist nach Maßgabe der Entscheidungsformel zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18 
Die Voraussetzungen der Asylberechtigung bzw. drohender Gefahr für Leben oder Freiheit wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung liegen zum maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor (Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AuslG, vgl. §§ 13 Abs. 2, 31 Abs. 2, 77 Abs. 1 AsylVfG). Das Gericht hat sich davon überzeugt (§ 108 VwGO), dass der Klägerin nach den gesamten Umständen die Rückkehr in den Heimatstaat nicht zugemutet werden kann, weil die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus politischen Gründen beachtlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, BVerwGE 89, 162).
19 
Nach ihren in der mündlichen Verhandlung stimmig gewordenen, glaubhaften Schilderungen ist die Klägerin geflohen, weil ihrem Ehemann die Kontaktaufnahme mit einem anderen Mann bekannt wurde, läuft aber außerdem bei ihrer Rückkehr Gefahr, als verheiratete Frau unzumutbaren und sogar lebensbedrohlichen Verhältnissen in oder außerhalb ihrer Ehe ausgesetzt zu sein. Für ihre damalige Situation im Iran sind folgende Erkenntnisse bedeutsam:
20 
Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.8.2005: „Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können nach Einschätzung des Auswärtigen Amts nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. ... Der Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne dass er den Scheidungsantrag begründen muss ... Die Einrichtung der Khol-Scheidung, d.h. Selbstloskauf der Frau aus der Ehe (Art. 1146 ZGB), sowie der Wegfall der Unterhaltspflicht des Mannes bei Verletzung der Ehepflicht der Frau (Art. 1108 ZGB) führt in häufigen Fällen zu Gewalt des scheidungswilligen Mannes in der Ehe, um seine Frau zur Stellung des Scheidungsantrags zu zwingen und dadurch seine Unterhaltspflichten und die Rückzahlung der Brautgabe zu umgehen.“
21 
Schweizerische Flüchtlingshilfe v. 20.1.2004: „Das neue Scheidungsgesetz vom Dezember 2002 gibt Frauen das Recht, aufgrund von zwölf Punkten eine Scheidung einreichen zu können, darunter eheliche Gewalt (z.B. belegt durch ein Arztzeugnis), Drogenabhängigkeit oder Schulden des Ehemannes. Ein Scheidungsverfahren ist sehr kostenintensiv und kann bis zu fünf Jahren dauern. Wenn Frauen die Scheidung einreichen, werden sie oft gezwungen, auf dem Betrag zu verzichten, den ein Mann seiner von ihm finanziell abhängigen Frau bei einer Scheidung zahlen muss. Dadurch fehlt das Startkapital in die Unabhängigkeit. ... Häusliche Gewalt ist häufig und reicht von Schlägen über Vergewaltigungen und Entstellung des Körpers durch Säureverätzungen bis hin zu Ermordungen, so genannten Ehrentötungen. ... Gemäß islamischem Gesetz wird nicht gegen männliche Mörder vorgegangen. Hunderte von Mädchen verlassen jährlich aufgrund der familiären Zwänge ihr Zuhause, wodurch sie Gefahr laufen, vergewaltigt, ermordet oder Opfer von Menschenhandel zu werden. Viele Frauen wählen den Freitod als Flucht vor familiärer Repression ... Frauen haben kaum Möglichkeiten, rechtlich gegen einen gewalttätigen Ehemann vorzugehen. Wenn eine Frau sich nicht scheiden lassen möchte, dann wird sie von der Polizei oder einem Gericht zu ihrem Ehemann zurück geschickt. Frauenhäuser sind selten und garantieren keine umfassende Sicherheit.“
22 
Deutsches Orient-Institut v. 24.8.2005 an VG Neustadt: Eine verheiratete Frau würde mit Steinigung bestraft werden, wenn sie mit einem anderen Mann schliefe und ihre Verfehlung zugäbe. Ihr Ehemann würde sie, wenn nicht umbringen, so doch - mindestens - verstoßen, so dass sie als gesellschaftlich und sozial Geächtete ihr Dasein fristen müsste.
23 
Deutsches Orient-Institut v. 27.2.2003 an VG Darmstadt: „Nach § 637 des islamischen StGB steht auf eine ungesetzliche Beziehung oder eine sittenlose Tat eines Mannes und einer Frau außer Unzucht, wie etwa Bettgemeinschaft oder Küssen, eine Strafe bis zu 99 Peitschenhieben. ... Eine solche Bestrafung kann in einer Sitzung rein praktisch gar nicht durchgeführt werden, da die Delinquenten nach einigen Schlägen ohnmächtig werden, da ihnen die Haut buchstäblich vom Leib geschlagen wird, obwohl Frauen im Sitzen und bekleidet ausgepeitscht werden müssen.“
24 
Behjat Moaali, Rechtsgutachten v. August 2001: „Die Zahl der zum Tode Verurteilten und Hingerichteten lässt Zweifel bezüglich der Freiwilligkeit der Geständnisse aufkommen. ... Es ist eine Tatsache, dass diejenigen, die auf dem Polizeirevier bezüglich dieser Angelegenheit verhört werden, zu ihrem Geständnis mittels Prügel oder anderer Maßnahmen, z.B. falscher Versprechungen, gezwungen werden, besonders wenn die Beschuldigung von einer einflussreichen Stelle erfolgte. ... Dass der Ehegatte über ausreichend gute Beziehung verfügt, hat eine Auswirkung bei dem Verfahren. ... Seiner Aussage wird eine stärkere Glaubwürdigkeit beigemessen, sie erhält dadurch eine höhere Gewichtung bei der Einleitung eines Strafverfahrens und der Urteilsfindung. Sein Einfluss könnte sich auch inoffiziell auf die Urteilsfindung und Vollstreckung des Urteils auswirken.“
25 
Das Vorbringen der Klägerin fügt sich in diese Gefahrenlage ein und macht ihre Gefährdung nach den konkreten Umständen einschließlich des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse plausibel: Ihr Ehemann sei als Angehöriger des Geheimdienstes (Informationsministerium) im Ministerium für Handel und Wirtschaft, verfüge über Macht und eine Waffe und hätte unter allen Umständen zu verhindern gewusst, dass sie sich von ihm hätte scheiden lassen. Nachdem er bereits geschieden gewesen sei, wäre in diesem Fall seine Zeugungsunfähigkeit offenkundig geworden und seine Ehre als Mann zerstört gewesen. Deshalb sei er völlig außer sich geraten, als sie ihm die Bescheinigung über ihre Zeugungsfähigkeit gezeigt habe, habe seither nicht mehr mit ihr geschlafen, sie zur Aufgabe ihrer Arbeitsstelle genötigt und sie als Gefangene gehalten, die er aus jedem beliebigen Anlass geschlagen habe, und sei es nur wenn sie bei seinen Exzessen ihre Miene verzogen habe. Er belästige immer noch ihre Eltern, weil er nicht wisse, wo sie sich aufhalte, und sie telefoniere nicht mit ihnen aus Sorge, sie würden auf seine Veranlassung abgehört. Sein Einfluss habe auch dazu beigetragen, dass ihr damaliger Freund noch am Tag ihrer Entdeckung zusammengeschlagen und abgeführt worden sei; man habe ihn zum Geständnis gezwungen und gedroht auch sie noch zu erwischen. Dass sich die in psychiatrischer Behandlung befindliche Klägerin immer wieder einbilde, ihr Ehemann habe sie hier ausfindig gemacht und stelle ihr nach, spricht zusätzlich für die real empfundene Gefahr. Insgesamt waren ihre Angaben auch auf zahlreiche Fragen überzeugend und spiegelten tatsächlich Erlebtes wider. Insbesondere leuchtet ein, dass auch beim Bundesamt von - in der Niederschrift nicht erwähntem - außerehelichem Geschlechtsverkehr bei den Treffen mit dem jungen Mann die Rede war (was der nicht mit dem Anhörenden identische entscheidende Bedienstete offen gelassen hat), nachdem sie schon zuvor beim Bundesgrenzschutz von einem intimen Verhältnis gesprochen hatte.
26 
Hiernach befand sich die Klägerin schon ungeachtet der im Iran aufgenommenen Beziehung in einer ausweglosen Lage, der sie sich nur durch Flucht ins Ausland entziehen konnte. Diese Situation erfüllt die Voraussetzungen einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich verheirateter Frauen, die nach dem herrschenden Staats- und Gesellschaftssystem des Iran ihren Ehemännern letztlich schutzlos ausgeliefert sein können (ebenso Urt. eines Kammerkollegen v. 23.1.2006 - A 11 K 13008/04 -). Die Behandlung der Frauen als Menschen zweiter Klasse (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts v. 29.8.2005 zur geschlechtsspezifischen Menschenrechtslage S. 30 ff) verwirklicht sich aber auch in den Folgen eines Ehebruchs oder eines dahingehenden Verdachts, wiewohl insoweit weder die Strafdrohungen differenzieren noch auch die männlichen Liebhaber vor nichtstaatlichen Reaktionen, insbesondere vor Privatjustiz der Ehemänner geschützt sind. Dies gilt nämlich der höheren männlichen Ehre, der auch die Ehrbarkeit der Ehefrauen zu dienen hat, während die Ehemänner entsprechende Reaktionen auf ihren Ehebruch kaum zu befürchten haben. Die Verfolgung knüpft somit nicht an die eheliche Untreue schlechthin an, sondern an die der Frau, die mit diesem „Geschlechtsmalus“ sehr wohl aus einer staatlichen Friedensordnung ausgegrenzt wird (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.4.2001, InfAuslR 2002, 160; wegen hauptsächlicher Verfolgung der Frauen auch VG Karlsruhe, Urt. v.9.5.2005 - A 6 K 10636/04 - Informationsverbund Asyl; a.A. VG Saarland, Urteil v. 21.09.2005 - 5 K 2/05.A und VG Würzburg, Urt. v. 9.10.2002 - W 7 K 02.30595 -, ebenda, VG Münster, Urt. v. 10.12.02 - 5 K 3970/98.A - und VG Bremen Urt. v. 2.4.1998 - 3 AK 2749/97 -, juris). Auf eine weitergehende politische Verfolgungsgefahr infolge „unmoralischen Verhaltens“ (vgl. dazu Urt. eines Kammerkollegen v. 9.3.2005 - A 11 K 10516/03 -) nach der Ausreise kommt es nicht mehr an.
27 
Die Bewertung als Verfolgung, die an ein asylerhebliches Merkmal anknüpft, gilt auch für Art. 16a Abs. 1 GG und folgt nicht erst aus § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Denn der im Asylgrundrecht zugrunde gelegte politische Charakter der Verfolgung ist mit dem des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - GFK - und auch dem des § 51 Abs. 1 AuslG deckungsgleich (stRspr des BVerwG, vgl. Urt. v. 18.01.1994, BVerwGE 95, 42 m.w.N.). Der nunmehr an die Stelle des § 51 Abs. 1 AuslG getretene § 60 Abs. 1 AufenthG dient ausdrücklich der Anwendung der GFK und entspricht teilweise der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 (Amtsblatt der Europäischen Union L 304/12) - Qualifikationsrichtlinie -, die bis 10.10.2006 umzusetzen ist und schon jetzt bewirkt, dass sich die Gerichte bei der Auslegung des nationalen Rechts von ihr leiten lassen können (vgl. VGH Baden-Württ., Beschl. v. 12.5.2005 - A 3 S 358/05 - m.w.N.). Nach der Qualifikationsrichtlinie setzt die Flüchtlingseigenschaft (Art. 13) voraus, dass eine von Akteuren im Sinne des Art. 6 (wie § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG) ausgehende, nicht durch Akteure im Sinne des Art. 7 oder durch internen Schutz nach Art. 8 (vgl. § 60 Abs. 1 S. 4 a.E. AufenthG) abzuwendende gravierende Verfolgungshandlung (Art. 9) an die Merkmale nach Art. 10 (Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 Nr. 1 GFK, § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG) anknüpft und kein Erlöschens- oder Ausschlussgrund nach Art. 11 und 12 vorliegt. Für die Annahme einer bestimmten sozialen Gruppe können geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigt werden, reichen aber - anders als nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG - allein noch nicht aus (Art. 10 Abs. 1 d Qualifikationsrichtlinie). Insbesondere der soziale Begriff des Geschlechts (gender) kann Frauen vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, in dem ihnen bestimmte Rollen und Identitäten zugewiesen sind, einer bestimmten sozialen Gruppe zugehörig machen (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung Teil 1, § 19 RdNr. 69-79). Wegweisend und typisch für die Zuordnung ist dabei die Entscheidung „Islam and Shah“ der britischen Lordrichter, die folgende auch im vorliegenden Fall zutreffende Charakteristika hervorhoben: weibliches Geschlecht, Verdacht des Ehebruchs und ungeschützte Position bei institutionalisierter Diskriminierung von Frauen durch Polizei, Gerichte und das gesamte Rechtssystem des Staates (Nachweise bei Marx a.a.O. RdNr. 75-78; vgl. auch schon Gebauer, Asylrechtliche Anerkennung frauenspezifischer Verfolgung, ZAR 1988, 120 m.w.N.).
28 
Die begehrte Anerkennung als Asylberechtigte ist nicht ausgeschlossen, weil die Klägerin auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat eingereist wäre (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Abs. 2 mit Anlage I AsylVfG). Denn das Gericht ist von der Einreise auf dem Luftweg ebenfalls überzeugt, nachdem schon die vorausgegangene Fluchtgeschichte glaubhaft und der Versuch einer Weiterreise mit dem Flugzeug und einem gefälschten Pass erwiesen ist, also auch die dafür erforderlichen Geldmittel vom Onkel aufzubringen waren.
29 
Ist hiernach das Bundesamt zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte und zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, so sind entgegen seiner Auffassung die Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, jetzt Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, nicht zu verneinen (§ 31 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AsylVfG). Auch die Abschiebungsandrohung ist aufzuheben, weil die Klägerin nicht in den angegebenen Zielstaat abgeschoben werden darf (§ 34 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG) und ein anderer Zielstaat nicht konkret bezeichnet ist (§ 60 Abs. 10 AufenthG).
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG und entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.