Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Juli 2016 - 5 L 476/16
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.
2. Der Streitwert wird auf 11.250,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der (sinngemäße) Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sowie den Befreiungsbescheid der Antragsgegnerin vom 00.00.0000 (5 K 963/16) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
7In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
8Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
9Gemessen an diesem Maßstab geht vorliegend die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Die Klage der Antragsteller wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Denn die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sowie der Befreiungsbescheid vom 4. Februar 2016 verstoßen nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzen die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
10Zunächst ist hinsichtlich der Baugenehmigung vom 00.00.0000 ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften nicht festzustellen.
11Die Baugenehmigung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in nachbarrechtsverletzender Weise rechtswidrig.
12Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Allerdings können sich die Antragsteller im Rahmen des hier vorliegenden Baunachbarstreits nicht uneingeschränkt auf die Verletzung dieser Vorschrift berufen. Vielmehr verlangt das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitsgebot im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
13Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 -, zitiert nach juris.
14Nach diesem Maßstab ist ein die Antragsteller in ihren Rechten verletzender Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht festzustellen. Warum die genehmigten Bauvorlagen nach Ansicht der Antragsteller hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen unbestimmt sein sollen, ist nicht erkennbar und wird auch von den Antragstellern nicht weiter substantiiert, sondern allein pauschal behauptet.
15Die Antragsteller werden nicht durch einen Verstoß der Baugenehmigung vom 00.00.0000 gegen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 00.00.00 „U. / V.-straße / W. C. “ in ihren Rechten verletzt. Soweit hinsichtlich eines Verstoßes gegen Festsetzungen des Bebauungsplans mit Bescheid vom 00.00.0000 eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) erteilt wurde, kommt eine Verletzung drittschützender Rechte allein durch den Befreiungsbescheid selbst in Betracht (vgl. dazu unten). Hinsichtlich eines Verstoßes gegen Festsetzungen des Bebauungsplans durch die Baugenehmigung als solche kommt vorliegend lediglich eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller durch einen Verstoß gegen die Festsetzung „Grünfläche“ in Betracht.
16Unabhängig davon, ob – wie die Antragsgegnerin meint - die Festsetzung „Grünfläche“ wirksam durch Ratsbeschluss vom 15. März 1978 aufgehoben wurde und dieses unmissverständlich aus den Planunterlagen hervorgeht, können sich die Antragsteller nicht auf einen Verstoß gegen diese Festsetzung berufen, da sie nicht drittschützend ist.
17Ob einer grundsätzlich wegen der städtebaulichen Ordnungsfunktion allein öffentlichen Belangen dienende Festsetzung – wie hier die Festsetzung einer Grünfläche - im Bebauungsplan Drittschutz zukommt, entscheidet der Planungsträger grundsätzlich nach eigenem Ermessen; ausgenommen hiervon sind die Baugebietsfestsetzungen nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO), denen grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, sowie solche Festsetzungen, deren Drittschutz sich - wie etwa bei § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Liegt - wie hier - ein solcher Fall nicht vor, hängt die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen im Bebauungsplan davon ab, ob diese nach dem ersichtlichen Willen des Plangebers drittschützend sein soll, also welchen Zweck er mit der Festsetzung verfolgt.
18Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 – 8 A 1031/15 – mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 7. September 1988 – 4 N 1.87 – und vom 9. Oktober 1991 – 4 B 137.91 -, zitiert nach juris.
19Die Antragsteller können demnach nur dann Drittschutz für sich in Anspruch nehmen, wenn sich aus den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, seiner Begründung oder anderweitigen Materialien über die Willensbildung des zuständigen Beschlussorgans hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Satzungsgeber die Festsetzung gerade aus dem Grund getroffen hat, den von der Festsetzung betroffenen Anlieger in seinen Rechten zu schützen.
20Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. März 2016 – 10 K 3231/13 -, zitiert nach juris.
21Dass durch eine Festsetzung nur die Bedenken eines beliebigen Anwohners berücksichtigt werden sollte, reicht dagegen nicht, um den Antragstellern einen Abwehranspruch einzuräumen.
22Dies zugrundegelegt, ergeben sich vorliegend weder aus dem Bebauungsplan als solchem noch aus den beigezogenen Aufstellungsvorgängen Hinweise auf eine beabsichtigte drittschützende Wirkung der im Bereich des Vorhabengrundstücks festgesetzten Grünfläche.
23Den von den vormaligen Eigentümern der Grundstücke der Antragsteller vorgetragenen Bedenken im Planaufstellungsverfahren wurde dadurch Rechnung getragen, indem der zunächst geplante öffentliche Kinderspielplatz an eine andere Stelle im Plangebiet verlegt wurde. Aus den Aufstellungsvorgängen geht eindeutig hervor, dass sich die Einwände allein gegen die Ermöglichung eines öffentlichen Kinderspielplatzes in unmittelbarer Nähe zu den rückwärtigen Grundstücksgrenzen der Antragsteller richteten. Die Anwohner befürchteten im Wesentlichen unzumutbare Störungen aufgrund eines problematischen Benutzerkreises, der sich vor allem aufgrund seiner Lage und der fehlenden Einsichtsmöglichkeiten durch Polizeistreifen ergebe. Zudem betrage der Abstand von dem Kinderspielplatz zu den Terrassen lediglich fünf Meter, was ebenfalls unzumutbare Störungen befürchten lasse. Schließlich geht aus den Bedenkenschreiben hervor, dass durch die Streichung des öffentlichen Kinderspielplatzes vor allem die Erhaltung der Gärten erreicht werden solle.
24Vgl. Bl. 70 f., 120 f, 124 f. und 151 f. des Aufstellungsvorgangs zum Bebauungsplan Nr. 5/76 „U. / Umstr. / W. C. “, Band I.
25Diesen Bedenken ist der Plangeber entgegengekommen, in dem er auf die Festsetzung eines öffentlichen Kinderspielplatzes westlich der Grundstücke der Antragsteller verzichtet hat und diesen an anderer Stelle ausgewiesen hat. Dass der Plangeber durch diese Änderung jedoch darüber hinaus die Bewohner der Straße Hitzbleek vor jeglicher Bebauung in diesem Bereich schützen wollte, geht aus den Aufstellungsvorgängen nicht hervor. Eine solche Auslegung liefe auf eine nicht gerechtfertigte Unterstellung eines planerischen Willens hinaus.
26Dem Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung vom 11. Januar 1978 lässt sich zunächst entnehmen, dass die Ausweisung des geplanten öffentlichen Kinderspielplatzes auf eine Fläche südlich des geplanten Schulgrundstückes verlegt werden solle. Damit könnten die vorgebrachten Bedenken und Anregungen berücksichtigt werden. Die bisherige Spielplatzfläche werde als nicht überbaubare Fläche ausgewiesen.
27Vgl. Bl. 25 f. des Protokolls im Aufstellungsvorgang zum Bebauungsplan Nr. 00.00.00 „U. / Umstr. / W. C. “, Band II.
28Dass der Plangeber durch die Ausweisung der Fläche als nicht überbaubare Fläche erreichen wollte, dass die Eigentümer der Straße I. vor jeglicher Bebauung in diesem Bereich geschützt werden sollen, lässt sich den Aufstellungsvorgängen nicht entnehmen. Vielmehr verhält sich der Plangeber zu dieser Frage nicht. Ein von der Festsetzung ausgehender Drittschutz drängt sich auch nicht unter Berücksichtigung der geäußerten Bedenken der früheren Eigentümer der Grundstücke der Antragsteller auf, da sich diese ausschließlich gegen die von einem Spielplatz ausgehenden Immissionen sowie dessen beabsichtigte Lage in unmittelbarer Nähe zu den Terrassen geäußert haben. Dass ein umfassender Schutz vor jeglicher Bebauung angestrebt wurde, geht aus den Stellungnahmen der jeweiligen Anwohner dagegen nicht hervor. Demnach kann dem Plangeber auch nicht der Wille unterstellt werden, durch die Ausweisung einer Grünfläche bzw. einer nicht überbaubaren Fläche einen Nachbarschutz zugunsten der Antragsteller beabsichtigt haben zu wollen. Hätte der Plangeber dies gewollt, wäre dies ausdrücklich in der Planbegründung bzw. in den Aufstellungsvorgängen zum Ausdruck gekommen.
29Entgegen der Ansicht der Antragsteller lässt sich eine drittschützende Wirkung der Festsetzung „Grünfläche“ bzw. nicht überbaubare Fläche auch nicht aus der Auffassung des Plangebers, die in Frage stehende Fläche sei „für eine Bebauung nicht geeignet“,
30Vgl. Bl. 25 des Protokolls im Aufstellungsvorgang zum Bebauungsplan Nr. 5/76 „U. / Umstr. / W. C. “, Band II.
31herleiten. Der bloße Umstand, dass der Plangeber eine Fläche für eine Bebauung als ungeeignet erachtet, lässt nicht den Schluss zu, er weise die Fläche im Bebauungsplan als unbebaubar aus, um die angrenzenden Nachbarn vor einer Bebauung zu schützen. Dass die Ausweisung im Bebauungsplan allein öffentlichen Zwecken dient, folgt vielmehr bereits aus der an gleicher Stelle erfolgten Begründung des Plangebers selbst, er halte die Fläche „wegen fehlender Erschließung“ für eine Bebauung nicht geeignet.
32Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vermerk der Antragsgegnerin vom 20. Januar 1977, nach dem sich die erneuten Bedenken und Anregungen gegen die vom Rat am 14. Juni 1973 beschlossene zusätzliche Erschließungsstraße von der Straße „I. “ aus und gegen die zu geringen Abstände zwischen den vorhandenen und geplanten Häusern richte.
33Vgl. Bl. 68 des Aufstellungsvorgangs zum Bebauungsplan Nr. 00.00.00 „U. / Umstr. / W. C. “, Band I.
34Auch hieraus lässt sich kein dahingehender Wille des Plangebers entnehmen, die Festsetzung einer Grünfläche bzw. einer nicht überbaubaren Fläche diene der Herstellung größerer Abstände zwischen den vorhandenen und den geplanten Häusern und damit dem Schutz der angrenzenden Bewohner, zumal aus den Aufstellungsvorgängen nicht hervorgeht, dass sich die Eigentümer der Grundstücke der Antragsteller explizit gegen eine heranrückende Bebauung und zu geringe Abstände zur Wehr gesetzt haben. Es ging ihnen vielmehr allein um die Verhinderung der Errichtung eines unmittelbar an ihre Gärten bzw. Terrassen grenzenden öffentlichen Spielplatzes.
35Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Antragsteller auch nicht daraus, dass ausweislich der Planbegründung durch die Anordnung der überbaubaren Flächen die Tiefen der Baugrundstücke angedeutet seien, wobei darauf geachtet worden sei, dass nicht wieder so geringe Grundstückstiefen entstünden wie es an der Straße „I. “ der Fall sei.
36Vgl. Seite 5 der Begründung zum Bebauungsplan vom 22. Juni 1978.
37Warum das Bemühen nach größeren Grundstückstiefen ausdrücklich dem Schutz der angrenzenden Bewohner und nicht allein den Wohnbedürfnissen der zukünftigen Grundstückseigentümer dienen soll, ist nicht ersichtlich.
38Schließlich lässt sich auch aus dem bloßen Umstand, dass nach dem Willen des Plangebers die ausgewiesenen Grünflächen „erhalten“ bleiben sollen, kein Drittschutz zugunsten der Antragsteller herleiten. Ein darüber hinaus gehender Wille, der Plangeber wolle die Grünflächen erhalten, um die Anwohner etwa vor zu geringen Abständen zwischen der jeweiligen Bebauung zu schützen, lässt sich der bloßen Aussage, die Grünflächen sollen „erhalten“ bleiben, gerade nicht entnehmen.
39Unabhängig davon, ob die Festsetzung „Grünfläche“ wirksam aufgehoben wurde oder nicht, verletzt die Inanspruchnahme eines Teils dieser Fläche durch das Vorhaben der Beigeladenen entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht den sog. Gebietsgewährleistungsanspruch.
40Der Gebietsgewährleistungsanspruch gibt grundsätzlich den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. Dieser Grundsatz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 – und Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 -; OVG NRW, Urteile vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 –, vom 21. Dezember 2010 – 2 A 1419/09 – und vom 17. Dezember 2008 – 10 A 3000/07 - sowie zuletzt Beschluss vom 29. September 2014 – 2 B 1048/14 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 20. Februar 2014 - 5 K 1151/12 -; jeweils zitiert nach juris.
42Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der Gebietsgewährleistungsanspruch allein auf die Erhaltung eines ausgewiesenen Baugebiets nach der Baunutzungsverordnung – hier demnach eines Reinen Wohngebiets - und nicht auf die Erhaltung jeglicher Festsetzungen des Bebauungsplans bezieht. Den Antragstellern ist es damit verwehrt, sich durch die Geltendmachung des Gebietsgewährleistungsanspruchs gegen einen Verstoß gegen allein dem öffentlichen Interesse dienenden Festsetzungen zur Wehr zu setzen. Sollte die Festsetzung „Grünfläche“ aufgehoben sein, griffe nur die Festsetzung „Reines Wohngebiet“ Platz und dem Gebietsgewährleistungsanspruch wäre Genüge getan.
43Die Baugenehmigung vom 00.00.0000 verletzt die Antragsteller auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme in ihren Rechten.
44Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13. November 2015 – 5 L 1900/15 -; jeweils zitiert nach juris.
46Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
47Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Januar 2016 – 5 K 3162/11 – sowie Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 3451/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
48Unabhängig von der Frage, ob das Rücksichtnahmegebot vorliegend von der vorausgegangenen planerischen Abwägung „aufgezehrt“ wurde, mit der Folge, dass den Antragstellern ein Rückgriff auf das Gebot der Rücksichtnahme verwehrt bleibt,
49vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2014 – 10 B 1323/13 –, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8.12 -, zitiert nach juris,
50- was aufgrund der vom Bebauungsplan an dieser Stelle ursprünglich nicht vorgesehenen Bebauung fraglich erscheint – erweist sich das Vorhaben den Antragstellern gegenüber nicht als rücksichtslos im oben genannten Sinne.
51Sofern die Antragsteller durch das Vorhaben eine unzumutbare Verschattung der Gärten befürchten, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen schließt bereits die Höhenlage der Grundstücke der Antragsteller eine unzumutbare Verschattung aus, da diese deutlich höher gelegen sind als das Vorhabengrundstück. Zum anderen hält die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück die Abstandflächen des § 6 BauO NRW ein. Für die Anwendung des bundesrechtlichen Rücksichtnahmegebots verbleibt jedoch aus tatsächlichen Gründen regelmäßig dann kein Raum, soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 – und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 11.05 -; OVG NRW, Beschl. v. 11. März 2003- 7 B 240/03 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 14. Oktober 2010 - 10 L 765/10 -; jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 9, 211.
53Die Vorschrift des § 6 BauO NRW soll durch Mindestabstände die Gefahr der Brandübertragung, der Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung, der unangemessenen optischen Beengung oder der Störung des Wohnfriedens vorbeugen und ganz allgemein vermeiden, dass die Lebensäußerungen der in der Nachbarschaft wohnenden und arbeitenden Menschen zu intensiv aufeinander einwirken (sog. Sozialabstand).
54Vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 12. März 2012 – 5 L 1112/12 -, zitiert nach juris.
55Anhaltspunkte, die trotz des Einhaltens der Abstandflächenvorschriften gleichwohl einen qualifizierten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im oben genannten Sinne begründen, sind hier nicht feststellbar.
56Selbst wenn die im derzeitigen Zustand vorhandene Belichtung und Besonnung des Grundstücks der Antragsteller durch das Vorhaben des Beigeladenen vermindert wird, so erfolgt dies nicht in einem solchen Maß, dass die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten wird. Insbesondere muss in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet - und nicht nur in Innenstadtlagen - immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks beziehungsweise von Wohnräumen kommt.
57Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 – und vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 – sowie Beschlüsse vom 16. Januar 2014 – 7 A 1776/13 – und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 -; jeweils zitiert nach juris.
58Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Vorhaben gegenüber dem Grundstück der Antragsteller gegenüber rücksichtslos ist, weil von ihm eine erdrückende Wirkung ausgeht. Eine erdrückende Wirkung wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund des Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 – und vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 – 7 A 3199/08 -, sowie Beschlüsse vom 5. August 2013 – 7 B 674/13 -, vom 9. Juli 2010 – 2 A 1263/09 – und vom 18. Juli 2010 – 10 A 1417/09 -; jeweils zitiert nach juris.
60Von einer solchen Wirkung kann angesichts der konkreten Lage und Größe der Gebäude, die sich ohne weitere aus dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial ergibt, sowie aufgrund des Eindrucks der Berichterstatterin von der Örtlichkeit, den sie der Kammer vermittelt hat, nicht die Rede sein. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Vorhaben des Beigeladenen gegenüber den Antragstellern durchaus eine Mehrbelastung in der Hinsicht darstellt, als dass der bislang „freie Blick ins Grüne“ nunmehr durch den Blick auf das Dachgeschoss des Neubaus nicht mehr in demselben Umfang gewährleistet ist als zuvor. Zudem ist durchaus mit einem Eindringen von Lärm in die bislang aufgrund der fehlenden Bebauung insgesamt ruhigen rückwärtigen Grundstücksteile der Antragsteller zu rechnen. Bei alledem handelt es sich jedoch nicht im Ansatz um solche Belästigungen, die den Grad der Rücksichtslosigkeit erreichen.
61Gleiches gilt für die von den Antragstellern vorgetragene Rücksichtslosigkeit wegen einer abweichenden Dachform sowie der – angeblichen - Breite vom 17,68 m im Vergleich zu der Breite des Nachbarbaukörpers von lediglich 10,5 m. Unabhängig von der Frage, ob das Vorhaben mit einem Satteldach ausgestattet werden soll, und unterstellt, die Breite des Neubaus betrage tatsächlich 17,68 m, lässt sich unter beiden Aspekten nicht feststellen, dass diese Ausführungsart eine solche nachteilige Wirkung auf die Antragsteller entfaltet, dass sich das Vorhaben ihnen gegenüber insgesamt als rücksichtslos darstellt.
62Im Übrigen trägt der Eigentümer eines Grundstücks – auch im Geltungsbereich eines Bebauungsplans - typischerweise das Risiko, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht können auch die Antragsteller für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
63Vgl. zum unbeplanten Innenbereich: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -, zitiert nach juris.
64Auch der angefochtene Befreiungsbescheid vom 00.00.0000 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
65Zunächst ist entgegen der Ansicht der Antragsteller die Erteilung einer Befreiung nicht von vornherein rechtswidrig, da hierdurch die Planungshoheit der Gemeinde verletzt würde. Unabhängig von der Frage, ob sich die Antragsteller überhaupt auf einen solchen Einwand berufen können, ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass der Plangeber die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen für diesen Fall so und nicht anders wollte, so dass für eine Befreiung von vornherein kein Raum bleibt.
66Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 – 10 A 4840/01 -, zitiert nach juris.
67Im Unterschied zu der von den Antragstellern angeführten Rechtsprechung des OVG NRW, geht – wie oben bereits im Einzelnen ausgeführt – aus den Aufstellungsvorgängen zum Bebauungsplan Nr. 00.00.00 gerade nicht hervor, dass sich der Plangeber bewusst gegen die Bebauungsmöglichkeit des hier in Frage stehenden Grundstücks ausgesprochen hat. Vielmehr hat er sich in Auseinandersetzung mit den Anregungen und Bedenken der Voreigentümer der Antragsteller allein gegen die Ausweisung eines öffentlichen Kinderspielplatzes an dieser Stelle entschieden. Dass die Fläche darüber hinaus als nicht überbaubar ausgewiesen wurde, war allein dem Umstand geschuldet, dass der Plangeber zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass eine Bebauung wegen fehlender Erschließung nicht möglich sei. Dies hindert die Antragsgegnerin jedoch nicht daran, für den Fall, dass sie – wie vorliegend – nunmehr von der Erschließung des Grundstücks ausgeht, zugunsten der Beigeladenen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu erteilen.
68Soweit die Antragsgegnerin durch den Bescheid vom 00.00.0000 von den Festsetzungen der zulässigen Geschossflächenzahl sowie der überbaubaren Grundstücksfläche befreit hat, können die Antragsteller hieraus kein Abwehrrecht herleiten, da die Festsetzungen ihnen gegenüber keinen Drittschutz entfalten. Bei diesen Festsetzungen handelt es sich um solche, die das Maß der baulichen Nutzung betreffen und damit allein im öffentlichen Interesse liegen und nicht dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
69Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 7. April 2015 – 5 K 1330/14 - , vom 27. August 2012 - 5 K 5326/10 - und vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 - sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 - 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
70Ein Drittschutz zugunsten der Antragsteller lässt sich auch nicht nach den oben dargelegten Grundsätzen aus einem nach den Aufstellungsvorgängen eindeutig erkennbaren Willen des Plangebers herleiten. Hinsichtlich der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche wird auf die im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen die Festsetzung einer Grünfläche gemachten Ausführungen verwiesen. Insofern wurde bereits dargelegt, dass der Plangeber allein den Schutz der Antragsteller durch den Verzicht auf die Festsetzung eines öffentlichen Kinderspielplatzes, nicht jedoch die Freihaltung der Flächen von jeglicher Bebauung im Blick hatte.
71Hinsichtlich der Festsetzung der Geschossflächenzahl sowie der Gebäudetiefe von 14 Metern kann dem Aufstellungsverfahren ebenfalls kein Wille des Plangebers entnommen werden, die Festsetzungen seien zum Schutz der angrenzenden Nachbarn getroffen worden. Den Antragstellern kann nicht in ihrer Argumentation gefolgt werden, die Geschossflächenzahl sei aus dem Grund festgesetzt worden, da der Plangeber „große Baugrundstücke und große Abstände zwischen den Gebäuden“ habe schaffen wollen und sei damit drittschützend.
72Die Festsetzung einer zulässigen Geschossflächenzahl nimmt grundsätzlich allein eine gestalterische Funktion ein und dient dem öffentlichen Interesse. Durch ihre Festsetzung im Bebauungsplan sollen schon frühzeitig grundsätzliche Überlegungen nicht nur über die Wohn- und Arbeitsplatzdichte von Bauflächen oder Baugebieten, sondern auch über deren Bebauungsdichte getroffen werden. Die Bestimmung der Geschossflächenzahl ist damit ein entscheidendes Kriterium der städtebaulichen Dichte.
73Vgl. Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, 12. Auflage 2014, § 16, Rn. 6 und 25.
74Dass der Plangeber darüber hinaus gerade die Eigentümer der Grundstücke der Antragsteller vor einer zu dichten Bebauung schützen wollte, geht dagegen weder aus der Begründung des Bebauungsplans noch aus den Aufstellungsvorgängen hervor. Insbesondere kann der Aussage, es sollen große Baugrundstücke und große Abstände zwischen den Gebäuden geschaffen werden, weder entnommen werden, dass sich diese Absicht gerade auf das Verhältnis zwischen der Bestandsbebauung auf der Straße I. und der beabsichtigten Bebauung an der Urbachstraße bezieht, noch dass der Plangeber generell die Festsetzung zugunsten jeglicher angrenzender Bewohner drittschützend ausgestalten wollte. Vielmehr liegt auch die planerische Absicht, große Abstände zwischen den Gebäuden zu schaffen, mangels anderweitiger Anhaltspunkte allein im öffentlichen Interesse und nimmt eine ausschließlich gestalterische Funktion ein.
75Hinsichtlich der erteilten Abweichung von der Gebäudetiefe von 14 Metern lässt sich entgegen der Ansicht der Antragsteller auch kein Drittschutz aus der Überlegung herleiten, die Abweichung sei von § 86 Abs. 1 Nr. 6 BauO NRW, der wiederum auf den Drittschutz vermittelnden § 6 Abs. 5 und 6 BauO NRW verweise, getroffen worden. Dass § 86 Abs. 1 Nr. 6 BauO NRW hier einschlägig sein soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich ersichtlich nicht um eine Festsetzung zur Wahrung der bauhistorischen Bedeutung im Sinne der Vorschrift.
76Soweit die Antragsteller darüber hinaus rügen, die Erteilung der Befreiung verletze die Grundzüge der Planung, können sie auch hier lediglich im Rahmen einer etwaigen Verletzung nachbarlicher Belange nach § 31 Abs. 2 a. E. BauGB gehört werden. Unter welchen Voraussetzungen eine erteilte Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2003 – 10 B 629/13 – mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1998 – 4 B 64/98 -, zitiert nach juris.
78Ein Verstoß gegen das nach den oben bereits dargelegten Grundsätzen anzuwendende Gebot der Rücksichtnahme liegt auch nicht durch die Erteilung der Befreiung vom 00.00.0000 vor. Die Überschreitung der überbaubaren Grundstücksfläche, der zulässigen Geschossflächenzahl sowie der maximalen Gebäudetiefe wirken sich nicht in einer solchen Weise auf die Wohnsituation der Antragsteller aus, dass von einer Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens ausgegangen werden kann. Vielmehr geht vor allem aus den im Rahmen des Ortstermins gewonnenen Eindrücken der örtlichen Situation durch die Berichterstatterin, die sie der Kammer unter anderem anhand des angefertigten Lichtbildmaterials vermittelt hat, eindeutig hervor, dass die Antragsteller das Vorhaben der Beigeladenen aufgrund der Hanglage sowie des dichten Grünbestands im Grenzbereich der Grundstücke überhaupt nur in überaus geringem Maße wahrnehmen können. So war der im Zeitpunkt der Durchführung des Ortstermins bis auf das Dach bereits im Rohbau fertig gestellte Neubau auf dem Vorhabengrundstück teilweise überhaupt nicht sichtbar. Soweit die Antragsteller auf den nun gestörten freien Blick aus den jeweiligen Schlafzimmerfenstern sowie den zu befürchtenden von den Balkons bzw. Terrassen ausgehenden Schall verweisen, ist dem entgegenzuhalten, dass zwar durchaus eine Mehrbelastung im Vergleich zur früheren Situation festzustellen ist, von einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens jedoch nicht im Ansatz die Rede sein kann.
79Unabhängig davon kann der Begründung und den Aufstellungsvorgängen zum Bebauungsplan entgegen der Ansicht der Antragsteller weder entnommen werden, dass allein die Schaffung von Einfamilienhäusern gewollt noch Einzelgaragen ausdrücklich nicht gewollt gewesen sein sollen. Vielmehr ging es dem Plangeber ausdrücklich um die Schaffung von Wohnraum sowie die Erschließung unbebauter Grundstücksflächen. Zudem stand die Errichtung bzw. Erweiterung einer Schule im Vordergrund der Planung.
80Vgl. S. 2 ff. der Begründung zum Bebauungsplan vom 22. Juni 1978.
81Das Gericht folgt in diesem Zusammenhang der Auffassung der Antragsgegnerin, wonach die Verwendung des Begriffs „Einfamilienhäuser“ auf Seite 8 der Begründung zum Bebauungsplan vom 22. Juni 1978 allein exemplarisch erfolgt, jedoch keinen Schluss darauf zulässt, der Plangeber habe allein die Schaffung von Einfamilienhäusern beabsichtigt. Dies folgt vor allem auch aus dem Umstand, dass der Plangeber im Übrigen regelmäßig die Begriffe „Familienheim“ verwendet sowie auf Seite 5 der Planbegründung die „Eigentumsbildung im Wohnungswesen“ hervorhebt.
82Den Antragstellern kann demnach auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergebe sich vorliegend aufgrund der Verletzung der Grundzüge der Planung. Denn im Unterschied zu der von den Antragstellern angeführten Rechtsprechung des OVG Hamburg vom 5. Juni 2009 in der Sache 2 Bs 26/09 geht vorliegend aus der Planbegründung und den Aufstellungsvorgängen gerade nicht hervor, dass der Plangeber durch die Bauleitplanung das Eindringen von Mehrfamilienhäusern in das Plangebiet verhindern wollte.
83Sofern die Antragsteller im Rahmen des Ortstermins schließlich auf das begründete Vertrauen in den Bestand des Bebauungsplans verweisen, folgt hieraus ebenfalls kein anderes Ergebnis. Bereits aus dem Bebauungsplan als solchem geht hervor, dass die Antragsteller mit einer Bebauung im rückwärtigen Bereich jedenfalls der Antragstellerin zu 1) rechnen mussten. Dass im Wege der Befreiung sich diese bereits seit über vierzig Jahre abzusehende Bebauung nunmehr auch auf den rückwärtigen Bereich des Grundstücks der Antragstellerin zu 3) erstreckt, nicht im Ansatz jedoch die Nachteile auslöst, die mit der Schaffung eines öffentlichen Kinderspielplatzes befürchtet wurden, räumt den Antragstellern keinen Abwehranspruch aus einem etwaigen Vertrauenstatbestand ein.
84Im Übrigen ist ein Verstoß der angefochtenen Bescheide vom 00.00.0000 gegen sonstige nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht ersichtlich und wurde auch sonst nicht vorgetragen.
85Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da sie erfolgreich einen eigenen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
86Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und orientiert sich an der von dem Vorhaben jeweils zu erwartenden Beeinträchtigung der einzelnen Wohngrundstücke der Antragsteller unter Berücksichtigung des bei sogenannten Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,00 € bis 15.000,00 € (vgl. Ziff. 7.a) des Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen). Da die Antragsteller ihre Rechte aus der Position drei verschiedener Grundstücke und hiervon ausgehend jeweils individuelle Beeinträchtigungen geltend machen, war hier – entgegen der vorläufigen Streitwertfestsetzung im Hauptsacheverfahren – hinsichtlich jeden einzelnen Antragstellers ein Wert von 7.500,00 € in Ansatz zu bringen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist dieser Wert zu halbieren (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Juli 2016 - 5 L 476/16
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Juli 2016 - 5 L 476/16
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 25. Juli 2016 - 5 L 476/16 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen mit insgesamt 2.412 Mastschweineplätzen.
3Der Beigeladene betreibt auf seiner Hofstelle auf dem Grundstück Gemarkung J. in N. an der Ruhr einen landwirtschaftlichen Betrieb mit derzeit 660 Mastschweineplätzen in einem Stall. Letzterer wurde mit Baugenehmigung vom 5. April 1995 genehmigt. Die Abluftführung erfolgt zurzeit über acht Kamine, deren Oberkante den Dachfirst (Höhe 4,80 m) um 1,50 m überragen. Weiter südlich auf der Hofstelle befindet sich ein Güllehochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 3.350 m³, der von der Beklagten mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Ungefähr 40 m südlich des bestehenden Stalls liegt ein Wohnhaus mit einer Firsthöhe von ca. 12,50 m.
4Der Kläger ist Eigentümer eines ca. 100 m nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen landwirtschaftlichen Betriebs, den er selbst zusammen mit seiner Ehefrau bewirtschaftet und auf dem er auch wohnt. Er hält auf dem Hof ca. 350 Legehennen im Freiland sowie vier Pferde außerhalb eines Stalls. Zwischen den Ställen des Beigeladenen und der Hofstelle des Klägers befinden sich keine weiteren Gebäude.
5Die Hofstellen des Klägers und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S.“. Dieser setzt für beide Höfe eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in der damals geltenden Fassung fest. Beide Höfe liegen desweiteren im Landschaftsschutzgebiet „S. zwischen N1. und N2. “, welches durch die Ziffer C.2.2.2.20 des Landschaftsplans der Beklagten vom 28. Februar 2005 festgesetzt worden ist. Die Festsetzung erfolgt u. a. zur Erhaltung und Entwicklung eines Freiraums für die siedlungsnahe Erholung im Ballungsraum als Bestandteil des regionalen Freiraumsystems im Ruhrgebiet („Grünzug B“). Nach Ziffer C.2.2.2.20, III. i. V. m. Ziffer C.2.2.1, III. Nr. 4 ist es in dem Landschaftsschutzgebiet u. a. verboten, bauliche Anlagen zu errichten.
6In der näheren Umgebung liegt der landwirtschaftliche Betrieb B. , in dem im Zeitpunkt einer Kontrolle durch den Beklagten im Jahr 2013 fünf Kühe, zwei Kälber und zwei Pferde gehalten wurden. Die zu einem früheren Zeitpunkt noch bestehenden Betriebe O. (15 Kühe) und T. (zwei Pferde) haben die Tierhaltung jedenfalls im Jahr 2013 aufgegeben.
7Am 13. Juli 2011 beantragte der Beigeladene die Erweiterung des bestehenden Betriebs durch ein neues Stallgebäude (Betriebseinheit BE 3) mit 1.752 Mastschweineplätzen, so dass sich eine Gesamtzahl von 2.412 Mastschweineplätzen ergibt. Weiterhin sieht der Antrag die Änderung der Abluftführung für den bestehenden Mastschweinestall (Betriebseinheit BE 1), den Anbau einer Hygieneschleuse, die Abdeckung des bereits vorhandenen Güllehochbehälters (Betriebseinheit BE 2) sowie die Errichtung von vier Futtersilos vor. Ausweislich der Bauvorlagen beträgt die Höhe des Dachfirsts des Stalls BE 3 7,50 m. Die Lüftung erfolgt über sechs in der Mitte des Gebäudes liegende Kamine, die den Dachfirst um 3,00 m überragen.
8Mit dem Antrag legte der Beigeladene ein Geruchs- und Ammoniakgutachten des Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. & I. vom 9. Mai 2011, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 23. März 2012, vor (Gutachten Nummer G-2696-02). Dieses führt unter Punkt 4.3 (immissionsmindernde Maßnahmen) aus, dass für die Betriebseinheiten BE 1 und BE 3 jeweils eine zentrale Abluftführung - bestehend aus maximal 2 bzw. maximal 6 Schächten - auszuführen ist. Diese müsse dem Stand der Technik (mindestens 10 m über Erdboden, mindestens 3 m über First und Mindestaustrittsgeschwindigkeit ganzjährig 7 m/s) entsprechen. Die Immissionen aus dem Güllehochbehälter BE 2 seien durch eine Zeltabdeckung zu mindern.
9Die Beklagte machte das Vorhaben am 15. November 2011 öffentlich bekannt. Die Antragsunterlagen wurden vom 22. November bis 22. Dezember 2011 ausgelegt. Der Kläger erhob am 30. Dezember 2011 Einwendungen. Das Vorhaben, das das Landschaftsbild beeinträchtige, führe insbesondere zu nicht hinzunehmenden Belästigungen durch Gerüche und Bioaerosole an seinem Haus. Außerdem steige durch die höhere Anzahl an Fahrbewegungen, die Ventilatorengeräusche und die Geräusche der Tiere die Lärmbelastung.
10Im weiteren Genehmigungsverfahren legte der Beigeladene eine schalltechnische Immissionsprognose des Ingenieurbüros S. & I. vom 8. Februar 2012 (Gutachten Nr. L-2696-01) vor, welches neben den Ventilatoren die Tierverladung, die Futteranlieferung, die Verladung von Kadavern, die Abholung von Gülle sowie die Reinigung der Verladezone nebst zugehörigen Fahrgeräuschen berücksichtigt. Für das Wohnhaus des Klägers prognostiziert das Gutachten (IP 2, 2. Obergeschoss) einen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Da das Irrelevanzkriterium nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm erfüllt sei, könne auf die Ermittlung der vorhandenen Geräuschvorbelastung verzichtet werden. Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Straße seien nicht zu berücksichtigen. Die Untersuchung der Verkehrsgeräusche gemäß Ziffer 7.4 TA Lärm habe ergeben, dass die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung von 64 dB(A) zur Tagzeit um mindestens 8 dB(A) unterschritten würden. Zu Einhaltung der Immissionsrichtwerte dürften die LKW- und Schlepper-Bewegungen sowie die Verladevorgänge ausschließlich zur Tagzeit stattfinden. Die Schallemissionen der Abluftkamine dürften an der Mündung den Schallleistungspegel vom LWA = 75 dB(A) am Stall BE 1 und LWA = 78 dB(A) am Stall BE 3 je Abluftschacht nicht überschreiten.
11Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gemäß Ziffer II.B.2.1.1 des Genehmigungsbescheids ist die Anlage so zu betreiben, dass am Haus des Klägers ein Immissionswert von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts um mindestens 6 dB(A) unterschritten wird. Einzelne Geräuschspitzen dürfen diese Begrenzung um nicht mehr als 30 dB(A) tags und 20 dB(A) nachts überschreiten. Nach der Auflage 2.1.3 sind die Schallemissionen an den Mündungen der Abluftkamine für den Stall BE 1 maximal auf LWA = 75 dB(A) und für den Stall BE 3 maximal auf LWA = 78 dB(A) zu begrenzen. Geräuschrelevante betriebliche Tätigkeiten sind nach der Auflage 2.1.4 zur Nachtzeit grundsätzlich untersagt. In Ausnahme hiervon darf die Verladung von Tieren bei sommerlichen Witterungsbedingungen aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit erfolgen. Nach der ursprünglichen Fassung der Auflage 2.1.5 sollte die Anzahl der Ausnahmen zehn Nächte im Kalenderjahr nicht überschreiten. Mit Schriftsatz vom 2. November 2015 hat der Beklagte die Formulierung dahingehend geändert, dass mehr als 10 Nächte im Kalenderjahr nicht überschritten und Ausnahmen an nicht mehr als zwei Wochenenden hintereinander in Anspruch genommen werden dürfen.
12Im Hinblick auf die Geruchsimmissionsbelastung legt der Genehmigungsbescheid in der Auflage 2.2.1 fest, dass die von dem Vorhaben insgesamt verursachten Geruchsimmissionen an den „umliegenden Wohnhäusern“ entsprechend dem Immissionsgutachten vom 9. Mai 2011 die belästigungsrelevante Kenngröße IGb = 0,09 nicht überschreiten dürfen. Die Abluftkamine müssen den jeweiligen Dachfirst um mindestens 3 m überschreiten; eine Emissionshöhe von 10 m über Grund darf nicht unterschritten werden (Auflage 2.2.3). Nach Auflage 2.2.5 muss die Austrittsgeschwindigkeit in allen Betriebszuständen mindestens 7 m/s betragen. Gemäß Auflage 2.2.6 müssen die Ableitungsbedingungen an den Ställen BE 1 und BE 3 gemäß den Vorgaben des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 ausgeführt werden. Für den Güllehochbehälter BE 2 schreibt die Auflage 2.2.11 die Abdeckung mit einem Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane vor, welche im Vergleich zu einem Zustand ohne Abdeckung eine Minderung von mindestens 80 % der Geruchs- und Ammoniakemissionen herbeiführt.
13Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beigeladene weitere Geruchsimmissionsprognosen vom 8. November 2013 und 29. Oktober 2015 (Gutachten Nr. G-2696-06) vorgelegt. Aus letzterer ergibt sich für das klägerische Wohnhaus eine Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung (mit Abluftfahnenüberhöhung und 100 % Turbulenz) von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung beträgt die Gesamtbelastung 0,15 Jahresgeruchsstunden.
14Gegen den Genehmigungsbescheid hat der Kläger am 31. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend macht: Der Genehmigungsbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die Erteilung der Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine Prüfung möglicher Beeinträchtigungen durch Bioaerosole sei nicht erfolgt. Gleiches gelte für die Prüfung, ob es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB handele und ob ausreichend Lagerkapazität für Gülle beider landwirtschaftlichen Betriebe vorgehalten werde. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene selbst angegeben habe, in dem Güllehochbehälter auch Abfälle aus seiner Biogasanlage in F. -L. zu lagern. Schließlich habe die Beklagte das Vorhaben zu früh öffentlich bekannt gemacht. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG habe die Bekanntmachung erst dann zu erfolgen, wenn die Unterlagen vollständig seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Das schalltechnische Gutachten habe noch nicht vorgelegen.
15Das Vorhaben sei auch materiell rechtswidrig. Es drohe eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole. Insoweit entspreche das Vorhaben nicht dem Stand der Technik, der bei einer Haltung von 2.000 oder mehr Mastschweinen den Einbau von Abluftreinigungsanlagen umfasse. Weiterhin gehe von dem geplanten Vorhaben eine erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen aus. Laut dem vorgelegten Geruchsgutachten sei für das Grundstück des Klägers - bei Einbeziehung der Eigenvorbelastung des Klägers - mit einer Gesamtbelastung von bis zu 0,79 zu rechnen. Selbst ein im Einzelfall anzunehmender Immissionswert von 0,25 werde damit bei weitem überschritten. Eine Beschränkung der Geruchsimmissionen könne auch nicht durch die Nebenbestimmung 2.2.1 erfolgen. Diese könne keinesfalls eingehalten werden. Die Nebenbestimmung 2.2.11 erweise sich als in nachbarrechtlicher Hinsicht zu unbestimmt, weil diese die Abdeckung des Güllehochbehälters mit einem Zeltdach vorsehe, während der Genehmigungsbescheid unter Punkt II.1. die Abdeckung durch ein Festdach bestimme.
16Der Kläger hat beantragt,
17die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Genehmigung vom 3. Dezember 2012 zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen gemäß Ziffer 7.1 g) des Anhangs zur 4. BImSchV auf dem Grundstück N3. Straße in N. aufzuheben.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung hat sie vorgetragen: Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Klägers durch Bioaerosole lägen nicht vor. Erhebliche Belästigungen durch Ammoniak würden nicht hervorgerufen. Unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen seien nicht zu befürchten. Vorbelastungen auf dem Grundstück des Klägers durch eigene Emissionsquellen seien im Rahmen der Geruchsimmissionsprognose nicht zu berücksichtigen. Die Immissionsgesamtbelastung IGb überschreite den Wert von 0,10 im Planzustand nicht. Bestimmtheitsmängel lägen nicht vor. Bei der Bezeichnung der Abdeckung des Güllehochbehälters mit den Begriffen „Festdach“ und „Zeltdach“ handele sich um technische Fachbegriffe, wobei der Begriff „Zeltdach“ der genauere und von dem anderen umfasst sei. Die von dem Kläger angeführte Lagerung von Gärrückständen im Güllehochbehälter sei nicht Bestandteil der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
21Der Beigeladene hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Rechtsverletzung durch die Bekanntmachung des Vorhabens zu einem Zeitpunkt, an dem das Lärmgutachten noch nicht vorgelegen habe, sei nicht gegeben. Eine Abschätzung der zu erwartenden Geräuschimmissionen sei auch aufgrund der ausgelegten Unterlagen möglich gewesen. Jedenfalls sei diese Frage ohne Einfluss auf das Ergebnis geblieben. Angesichts der Schallprognose sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die begehrte Genehmigung zu erteilen. In die Geruchsvorbelastung sei die Eigenbelastung nicht einzubeziehen. Damit werde am Wohnhaus des Klägers ein Immissionswert von 0,15 eingehalten. Selbst eine Belastung von mehr als 0,25 Jahresgeruchsstunden sei aufgrund der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls nicht als erheblich einzustufen. Hinsichtlich der Ammoniak- und Bioaerosolbelastung sei eine Verletzung drittschützender Normen nicht ersichtlich. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben nach §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB privilegiert zulässig.
24Das Verwaltungsgericht hat den Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2012 mit Urteil vom 10. März 2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, von dem Vorhaben gingen unzulässig hohe Geruchsimmissionen zulasten des Klägers aus. Die eigene Vorbelastung des Klägers sei bei der Geruchsprognose nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zu berücksichtigen, so dass sich auf der Grundlage des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 eine Gesamtbelastung im Planzustand von bis zu 0,56 Jahresgeruchsstunden ergebe. Das Geruchsgutachten beziehe die Eigenbelastung aber nicht ausdrücklich ein und stelle daher keine Grundlage einer auf der sicheren Seite liegenden Beurteilung dar. Das nachträglich vorgelegte Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei von der Beklagten nicht wirksam zum Bestandteil des Genehmigungsbescheids gemacht worden. Eine Überschreitung des für landwirtschaftliche Gerüche im Einzelfall geltenden Wertes von 0,25 Jahresgeruchsstunden sei nicht möglich; es handele sich um eine absolute Obergrenze. Jedenfalls fehle es aber an einer Auseinandersetzung mit den besonderen Randbedingungen des Einzelfalls im Genehmigungsbescheid, welche schon für eine Anhebung des Wertes über 0,15 erforderlich sei.
25Gegen das Urteil haben der Beklagte und der Beigeladene die durch den Senat zugelassene Berufung eingelegt.
26Zu ihrer Begründung führt die Beklagte aus: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aus. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats seien selbst verursachte Vorbelastungen bei der Ermittlung der Geruchsbelastung nicht zu berücksichtigen. Für den hier betroffenen Außenbereich sei der Immissionswert für Dorfgebiete von 0,15 Jahresgeruchsstunden bezogen auf Tierhaltungsgerüche anzuwenden. Gemäß der Rechtsprechung des Senats fielen hierunter auch Gerüche aus gewerblicher Tierhaltung. Dieser Immissionswert werde ausweislich des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 in der Fassung der Ergänzung vom 29. Oktober 2015 nicht überschritten. Für den zum ständigen Aufenthalt von Menschen vorgesehenen Wohnbereich auf dem Grundstück des Klägers liege die maximale Immissionsgesamtbelastung ohne Eigenbelastung des Klägers bei maximal 0,15. Die Geruchsberechnung sei in ihrer ergänzten Fassung zu berücksichtigen. Dass sie erst im laufenden gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Insbesondere seien Gutachten nicht gemäß § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG bekanntzumachen. Im Übrigen liege in allen Varianten des Gutachtens die Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung beim Kläger nicht über 0,15.
27Die Beklagte beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
29Der Beigeladene macht zur Begründung der Berufung geltend: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder erheblichen Belästigungen zulasten des Klägers aus. Die Zumutbarkeit der zu erwartenden Geruchsimmissionen ergebe sich aus der vorgelegten Prognose, die auf der sicheren Seite liege. Vorliegend sei für die Gerüche, die nach der Rechtsprechung des Senats solche landwirtschaftlicher Art seien, unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls ein Immissionswert von 0,25 maßgeblich. Selbst der Immissionswert von 0,15, der im Außenbereich auf jeden Fall für landwirtschaftliche Gerüche gelte, werde eingehalten.
30Der Beigeladene beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
32Der Kläger beantragt,
33die Berufungen zurückzuweisen.
34Zur Begründung seines Antrags führt er an: Der Genehmigungsbescheid lege fest, dass an umliegenden Wohnhäusern ein Immissionswert von 0,09 nicht überschritten werden dürfe. Dies sei nach der vorgelegten Immissionsprognose bezogen auf sein Wohnhaus aber der Fall. Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtige im Übrigen die Lagerung von Gärresten im Güllehochbehälter nicht. Insoweit komme es auf die tatsächliche, nicht die genehmigte Nutzung an. Entgegen der Auffassung des Senats sei bei der Ermittlung der Gesamtbelastung auch die Eigenbelastung einzubeziehen. Ein anderes Verständnis widerspreche den Grundzügen des Immissionsschutzrechts. Die so berechnete Gesamtbelastung liege deutlich über 0,15 Jahresgeruchsstunden. Die besonderen Randbedingungen des Einzelfalls habe die Beklagte im Genehmigungsbescheid nicht erörtert. Jedenfalls eine vollständige Nachholung im gerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei nicht verwertbar. Der Beklagte habe das Ergänzungsgutachten ausdrücklich zum Teil der Genehmigung gemacht, eine Bekanntgabe nach § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG aber unterlassen.
35Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 10. November 2015 verwiesen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des vormaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Die Berufungen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung zu. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 verletzt den Kläger nicht in einem ihm zustehenden Recht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund formeller Mängel. Sowohl hinsichtlich der unterbliebenen Auslegung des Schallimmissionsgutachtens (dazu I.) als auch der von dem Kläger gerügten mangelnden Sachverhaltsaufklärung (dazu II.) sind etwaige Fehler jedenfalls unbeachtlich.
40I. Ob die Auslegung des Antrags des Beigeladenen nebst den bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Unterlagen durch die Beklagte gegen § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG verstoßen hat, weil die Schallimmissionsprognose noch nicht vorgelegen hat, kann dahinstehen. Hieraus kann der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten. Unabhängig von der Frage, ob Fehler bei der öffentlichen Bekanntmachung oder der Auslage unmittelbar zu einem Erfolg einer Anfechtungsklage führen können,
41vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Dezember 1980 - 7 B 114/77 -, DVBl. 1981, 644, 647; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174,
42führen diese nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls dann nicht zur Aufhebung, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Norm die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hat ein Betroffener trotz einer (möglichen) Verletzung der Vorschriften über die Bekanntmachung und Auslegung seine Rechte umfassend wahrgenommen, also diesbezügliche Einwendungen erhoben, hat der geltend gemachte Verfahrensfehler in Bezug auf seine Einwände keinerlei Einfluss gehabt und kann auch in der Sache zu keinem anderen Ergebnis führen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1487/14 -, juris Rn. 52; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 29. März 1966 - I C 19.65 -, BVerwGE 24, 23 = juris Rn. 38.
44Dies ist in Bezug auf den Kläger der Fall. Er hat am 2. Januar 2012 bei der Beklagten schriftlich Einwendungen angebracht. Hierzu zählen auch Bedenken gegen die von dem Vorhaben einschließlich des anlagenbezogenen Verkehrs ausgehende Lärmbelästigung (von der Beklagten als Einwendung Nr. 9 gekennzeichnet). Diese Bedenken verfolgt der Kläger im gerichtlichen Verfahren weiter. Dass der Kläger durch das fehlende Schallimmissionsgutachten gehindert gewesen wäre, seine Einwände in Bezug auf die Geräuschimmissionen vollumfänglich anzubringen, hat er nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
45II. Die von dem Kläger gerügte mangelnde Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) führt ebenfalls nicht zur Aufhebung des erteilten Genehmigungsbescheids. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, führt er nach § 46 VwVfG NRW nicht zur Aufhebung, weil offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden ist. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG eine gebundene Entscheidung. Wird der Kläger - wie nachfolgend ausgeführt - durch die Erteilung der Genehmigung materiell nicht in seinen Rechten verletzt, kann sich ein eventueller Aufklärungsmangel nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls nicht zu seinen Lasten ausgewirkt haben. Insoweit tritt die Pflicht zur Amtsermittlung des Gerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) an die Stelle der behördlichen Aufklärungspflicht.
46Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 24 Rn. 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 24 Rn. 36; Ziekow, VwVfG, 3. Auflage 2013, § 24 Rn. 19; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 -, BVerwGE 78, 285 = juris Rn. 33.
47B. Dem Kläger steht auch kein Aufhebungsanspruch wegen materieller Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung zu. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für den Kläger aus. Die von dem Vorhaben ausgehenden Geruchsimmissionen stellen für den Kläger keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar (dazu I.). Die mit dem Betrieb der Anlage einhergehenden Lärmimmissionen überschreiten die zulässigen Grenzwerte nicht (dazu II.). Ein subjektives öffentliches Recht auf Festlegung von Immissionsobergrenzen für Bioaerosole (dazu III.) und Ammoniak (dazu IV.) kommt dem Kläger nicht zu. Der Kläger kann sich nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan berufen (dazu V.). Gleiches gilt auch für eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans (dazu VI.).
48I. Die an dem Wohnhaus des Klägers zu erwartenden Geruchsimmissionen stellen keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Zum Zwecke der Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchsimmissionen kann auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zurückgegriffen werden (dazu 1.). Auf dieser Grundlage ergibt sich keine erhebliche Geruchsbelastung am Wohnhaus des Klägers (dazu 2.).
491. Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009) zurückgegriffen werden.
50Vgl. MBl. NRW 2009 Seite 533 sowie www.lanuv.nrw.de/luft/gerueche/bewertung.htm.
51In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
52Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = juris Rn. 55 ff., und vom 1. Juni 2015 - 1760/13 -, juris Rn. 51, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 1259 = juris Rn. 9 ff., vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 12, vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31, vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, NWVBl. 2011, 146 = juris Rn. 10, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LB 17/07 -, juris Rn. 42, und Beschluss vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 -, NVwZ-RR 2011, 397 = juris Rn. 13.
53Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich ‑ vorbehaltlich hier nicht vorliegender Ausnahmen - einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose,
54vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11,
55bei der aus der Vorbelastung (dazu a) und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse (dazu b) und einer Abluftfahnenüberhöhung (dazu c) im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Geruchsbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an den nach der GIRL maßgeblichen Immissionswerten zu messen (dazu d).
56a) Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
57Der Text der GIRL enthält zu dieser Fragestellung keine ausdrückliche Aussage. Nach Nr. 4.2 der GIRL ist die im Genehmigungsverfahren zu ermittelnde vorhandene Belastung (IV) die von den vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Ob von dem Begriff der „vorhandenen Anlagen“ auch eigene Geruchsimmissionen verursachende Anlagen umfasst sein sollen, ergibt sich hieraus nicht eindeutig. Gleiches gilt für die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“. Allerdings hat die bisherige Praxis die Eigenbelastung grundsätzlich nicht bei der Vorbelastung und damit bei der Gesamtbelastung berücksichtigt. Dies liegt unausgesprochen auch dem Konzept GIRL zugrunde.
58Nach der Auffassung des Senats sprechen überwiegende Gründe dafür, die Eigenbelastung nicht zu berücksichtigen. Die Gerüche aus eigener Tierhaltung werden zum einen, auch weil die Tierhaltung meist der Erzielung des Lebensunterhalts dient, nicht in gleicher Weise als störend empfunden wie Fremdgerüche, sondern als notwendig angesehen und hingenommen. Zum anderen sind landwirtschaftliche Hofstellen teilweise - wie im Fall des Klägers - aufgrund eigener (in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses stehender) Tierhaltungsanlagen sogar so hohen Immissionsbelastungen ausgesetzt, dass diese bereits für sich genommen den maximal zulässigen Immissionswert (nahezu) erreichen oder sogar überschreiten. In derartigen Fällen hätte eine Einbeziehung der Eigenbelastung zur Folge, dass ein Landwirt allein aufgrund eigener Tierhaltung andere Anlagen auf benachbarten Hofstellen verhindern würde. Andererseits hat der Landwirt es in der Regel weitgehend selbst in der Hand, inwieweit er sich Geruchsimmissionen aus eigener Tierhaltung aussetzt. Bei einer Nichtberücksichtigung der Eigenbelastung kommt ihre Reduzierung oder gar ihr Wegfallen dem Tierhalter auch stets unmittelbar selbst zu Gute. Hingegen würde bei Berücksichtigung der Eigenbelastung anderen Emittenten die Möglichkeit eröffnet, den maßgeblichen Immissionspunkt nunmehr selbst höheren Immissionen auszusetzen. Ein Landwirt könnte somit in diesem Fall durch die Aufgabe eigener Tierhaltung oder z. B. die Verbesserung der Ablufttechnik nicht zwingend eine Verbesserung der eigenen Geruchsbelastung erreichen.
59Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 8 A 1760/13 -, juris Rn. 58 ff.
60Die von dem Kläger vorgebrachten Einwendungen vermögen diese Erwägungen nicht in Frage zu stellen; der Senat hat sie bereits in seiner vorgenannten Entscheidung berücksichtigt.
61b) Nach Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) sind bei einer gebäudenahen Abluftführung die nicht auszuschließenden Einflüsse der Bebauung auf der windzugewandten Seite des Emissionspunkts („Luv-Seite“) auf die Immissionen zwingend zu berücksichtigen. Insoweit sind alle Gebäude in den Blick zu nehmen, deren Abstand von der jeweiligen Emissionsquelle geringer ist als das 6fache der Schornsteinbauhöhe.
62Für die Fälle, in denen entweder die Schornsteinhöhe mehr als das 1,2fache der Höhen der Gebäude beträgt oder die Gebäude, für die diese Bedingung nicht erfüllt ist, einen Abstand von mehr als dem 6fachen ihrer Höhe von der Emissionsquelle haben, regelt die TA Luft (2002) ausdrücklich, auf welche Weise die Gebäudeeinflüsse zu ermitteln sind. Beträgt die Schornsteinbauhöhe mehr als das 1,7fache der Gebäudehöhen, ist die Berücksichtigung der Bebauung - bei einer Modellierung des Abluftkamins als Punktquelle - durch Rauhigkeitslänge und Verdrängungshöhe ohne Berücksichtigung der Gebäude ausreichend. Beträgt die Schonsteinbauhöhe weniger als das 1,7fache (aber mehr als das 1,2fache) der Gebäudehöhen und ist eine freie Abströmung gewährleistet, können die Einflüsse mit Hilfe eines diagnostischen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden. Solange ein solches Windfeldmodell noch nicht existiert, kann ein anderes Windfeldmodell verwendet werden, dessen Eignung der obersten Landesbehörde nachgewiesen worden ist. Das LANUV NRW empfiehlt in diesen Fällen als Alternative die Modellierung eines Ersatzquellensystems, in dem die Quellen eine künstliche vertikale Ausdehnung erhalten. Die Modellierung der gebäudenahen Emissionsquellen als vertikale Linienquellen ‑ mit einer Ausdehnung grundsätzlich bis zum Erdboden - simuliert die Um- und Überströmung der Gebäude auf der Luv-Seite und deren Auswirkungen auf die Ausbreitungsrechnung, weil - anders als bei einer Modellierung der Quellen als Punktquellen - die gemessenen Konzentrationen in der Regel überschätzt würden. Um allerdings eine zu hohe Überschätzung auszuschließen, sind bei Quellkonfigurationen, bei denen die Höhe der Emissionsquellen größer ist als das 1,2fache der Gebäude (einschließlich des Gebäudes, auf dem sie stehen), die Emissionen gleichmäßig auf den oberen halben Quellbereich zu verteilen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, juris Rn. 78; vgl. auch: Hartmann u.a., Untersuchungen zum Verhalten von Abluftfahnen landwirtschaftlicher Anlagen in der Atmosphäre, Langfassung zum Jahresbericht 2003, Seite 5 und 6, abrufbar unter www.lanuv.nrw.de/veröf-fentlichungen/jahresberichte.
64c) Bei Emissionen aus Kaminen ist zu berücksichtigen, dass sich bei Einhaltung spezieller Parameter die Abluft durch die Austrittsgeschwindigkeit bzw. den Temperaturunterschied besser verteilt und in der Folge der höheren Verdünnung in geringerem Maße auf einen Immissionsort einwirkt. Nach Ziffer 3.3.1.4 (Abluftfahnenüberhöhung) des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit AUSTAL 2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissionsrichtlinie, Merkblatt Band 56 des Landesumweltamtes NRW (Leitfaden AUSTAL 2000),
65Essen 2006, abzurufen unter http://www.lanuv. nrw.de/veroeffentlichungen/merkbl/merk56/merk56.pdf, vgl. auch VDI 3738 Nr. 4.5.3.2,
66kann im Allgemeinen eine Überhöhung der Abluftfahne angenommen werden, wenn die Abluft in den freien Luftstrom gelangt. Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Quellhöhe mindestens 10 m über der Flur und 3 m über First ist, die Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s beträgt und eine Beeinflussung durch andere Strömungshindernisse (Gebäude, Vegetation usw.) auf der windabgewandten Seite („Lee-Seite“) im weiteren Umkreis um die Quelle - in der Regel ein Kreis mit einem Radius entsprechend dem 10fachen, nach der an die Regelungen in Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) angelehnten Praxis des LANUV NRW auch schon entsprechend dem 6fachen der Quellhöhe - ausgeschlossen ist.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 65, und vom 12. August 2015 - 8 A 1799/14 -, juris Rn. 87.
68d) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
69Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 1760/13 -, juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 und vom 21. September 2012 ‑ 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 3.
70In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
71Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
72Gleiches gilt auch, wenn es sich bei dem Gebiet hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Art der baulichen Nutzung nicht um Außenbereich i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB, sondern um eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG bzw. nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB handelt. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen besteht ‑ jedenfalls soweit keine weitergehenden Festsetzungen getroffen worden sind ‑ kein Unterschied zwischen durch Bebauungsplan festgesetzten Flächen für die Landwirtschaft und dem Außenbereich, in dem nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB landwirtschaftliche Betriebe privilegiert zulässig sind. Bauplanerisch für die Landwirtschaft festgesetzte Flächen sind ebenso wie der Außenbereich als Standorte für stark emittierende (landwirtschaftliche) Betriebe vorgesehen. In diesen Gebieten muss wie im landwirtschaftlich genutzten Außenbereich mit Gerüchen (und anderen Immissionen) gerechnet werden, die etwa durch die Tierhaltung üblicherweise entstehen.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 8 ff.; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Band I, Stand: 1. August 2015, § 9 Rn. 148.
742. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe gehen von dem Vorhaben des Beigeladenen keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen aus. Die Geruchsimmissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 9. Mai 2011 in der Fassung des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 sowie der im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 sind verwertbar (dazu a). Auf ihrer Grundlage überschreitet die zu erwartende Geruchsgesamtbelastung IGb (dazu b) den vorliegend anzusetzenden Immissionswert IW = 0,15 mit der erforderlichen Sicherheit nicht (dazu c).
75a) Die Geruchsimmissionsprognose vom 8. Mai 2011 ist vorliegend einschließlich des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 verwertbar. Zur Bestimmung der zu erwartenden Geruchsbelästigung sind auch solche Gutachten heranzuziehen, die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt oder eingeholt worden sind. Hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die jedenfalls zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, juris Rn. 22, vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 3. August 2012 ‑ 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 20.
77Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedarf es insoweit keiner Einbeziehung des Gutachtens in den Genehmigungsbescheid. Eine solche ist nur notwendig, soweit immissionsrelevante Voraussetzungen und Grundlagen des Gutachtens Teil des Genehmigungsbescheids selbst werden sollen.
78b) Die sich auf der Grundlage der vorgelegten Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 nebst Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 ergebende Gesamtbelastung IGb überschreitet den maßgeblichen Immissionswert IW nicht. Der Immissionswert IW ist im vorliegenden Fall jedenfalls mit 0,15 Jahresgeruchsstunden anzusetzen (dazu aa). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einhaltung des in der Auflage 2.2.1 bestimmten Immissionswertes von maximal 0,09 (dazu bb). Die Geruchsimmissionsprognose nebst ihren Ergänzungen gibt für die Rasterflächen, die über dem Wohnhaus des Klägers liegen oder dieses zumindest berühren, eine Gesamtbelastung IGb ohne Berücksichtigung der Eigenbelastung des Klägers und mit Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung, deren Voraussetzungen nach der Überzeugung des Senats vorliegen, von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Selbst ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung wird der Immissionswert von 0,15 nicht überschritten. Das Gutachten stellt die Emissionsquellen einschließlich des Ansatzes einer Abluftfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 nachvollziehbar dar (dazu cc). Die Verwendung der Begriffe „Festdach“ bzw. „Zeltdach“ für die Abdeckung des Güllehochbehälters BE 2 führt nicht zu einer Unbestimmtheit des Genehmigungsbescheids, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann (dazu dd). Die Darstellung der Immissionssituation auf der Hofstelle des Klägers ist - auch bei Betrachtung der ansonsten nicht zu berücksichtigenden Eigenbelastung des Klägers - plausibel (dazu ee).
79aa) Für das Wohnhaus ist ein Immissionswert IW = 0,15 maßgeblich. Die Hofstelle des Klägers liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S2. N. “ vom 3. Oktober 1962 des damaligen Planungsträgers. Dieser setzt als einfacher Bebauungsplan an dieser Stelle eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG fest. Überschreitet das geplante Vorhaben einen Wert von 0,15 nicht, bedarf die Frage, ob aufgrund der besonderen Randbedingungen des Einzelfalls eine Erhöhung des Immissionswertes auf bis zu 0,25 möglich ist, keiner Erörterung.
80bb) Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der in der Auflage 2.2.1 festgelegte Wert IGb = 0,09 an seinem Haus nicht überschritten wird. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff der „umliegenden Wohnhäuser“ in der Auflage dahingehend auszulegen ist, dass hiervon zu landwirtschaftlichen Hofstellen gehörende Wohnhäuser nicht erfasst werden. Der die Schwelle der erheblichen Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (die, wie ausgeführt, hier bei einem Immissionswert von 0,15 anzusetzen ist) unterschreitende Wert von 0,09 ist dem Bereich der Vorsorge gegen erhebliche Belästigungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Ein subjektiver Anspruch auf Einhaltung von Vorsorgeanforderungen besteht nicht.
81BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313 = juris Rn. 22, und vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, BVerwG, sowie Beschluss vom 16. Januar 2009 - 7 B 47.08 -, Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 27 = juris Rn. 11;Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2014, § 5 Rn. 121; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015 § 5 BImSchG Rn. 163.
82cc) Die zu berücksichtigenden Geruchsquellen werden einschließlich der angesetzten Geruchsfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 durch die Geruchsimmissionsprognose jedenfalls im Ergebnis zutreffend erfasst.
83Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtigt für den neu zu errichtenden Stall BE 3 1.752 Mastschweineplätze, für den bereits errichteten Stall BE 1 660 Mastschweineplätze. Die Voraussetzungen für die Annahme einer (kinetischen) Abluftfahnenüberhöhung liegen vor. Entsprechend den gemäß Ziffer II.3. der Genehmigung i. V. m. Anlage 1, Ziffer 4 „Grundriss, Schnitt Ansichten“ zum Teil der Genehmigung gemachten Bauvorlagen liegen die Oberkanten der sechs Abluftkamine des Stalls BE 3 10,50 m über Grund und 3,00 m über First. Dies erfüllt die Anforderungen der Auflage 2.2.3 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012. Die Änderung der Abluftführung des Stalls BE 1 ergibt sich nicht aus den Bauvorlagen. Die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen für die Berücksichtigung der Abluftfahnenüberhöhung folgt aber hinsichtlich der Höhe der Abluftkamine und des Gebäudes aus der Nebenbestimmung 2.2.3.
84Die Mindestabluftgeschwindigkeit hat ausweislich der Nebenbestimmung 2.2.5 in allen Betriebszuständen ständig mindestens 7 m/s zu betragen. Die Modellierung dieser Quellen als vertikale Linienquellen in voller Quellhöhe zur Berücksichtigung der Gebäudeeinflüsse in dem Ergänzungsgutachten vom 29. Oktober 2015 stimmt mit der vom LANUV NRW empfohlenen Handlungsweise überein. Die Emissionspunkte weisen nicht das 1,2fache der Höhe der umliegenden landwirtschaftlichen (Bestands-) Gebäude auf. Jedenfalls dem südlich gelegenen Wohnhaus kommt für die Frage der hindernisfreien Anströmung der Emissionsquellen im Verhältnis zum klägerischen Wohnhaus Bedeutung zu. Auswirkungen auf die für die Abluftfahnenüberhöhung notwendige freie Abströmung hat das auf der Luv-Seite stehende Gebäude hingegen nicht. Selbst wenn man aber aus diesem Grund auch die Abluftfahnenüberhöhung beider Ställe unberücksichtigt ließe, läge ausweislich der Ausbreitungsrechnung die Gesamtbelastung am Haus des Klägers bei 0,15.
85Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine eventuell von der Genehmigungslage abweichende tatsächliche Nutzung des Güllehochbehälters für die Lagerung von Gärresten aus der Biogaserzeugung bei der Ermittlung der maßgeblichen Emissionen nicht zu berücksichtigen. Insoweit kommt es allein auf die Genehmigungslage an. Etwaige Abweichungen sind von der Beklagten im Rahmen der laufenden Überwachung zu untersuchen und abzustellen.
86Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 ‑ 8 A 799/14 -, juris Rn. 144.
87Soweit der Kläger zutreffend darauf hingewiesen hat, dass in der Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 für den landwirtschaftlichen Betrieb B. vier Pferde angesetzt worden sind, in der Berechnung vom 29. Oktober 2015 hingegen nur zwei, kann offenbleiben, ob - in Übereinstimmung mit der im Jahr 2013 von der Beklagten festgehaltenen tatsächlichen Situation - lediglich die Haltung zweier Pferde bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Der Ansatz von vier Pferden würde nicht zu einer anderen Bewertung führen. Selbst wenn man - unter Außerachtlassung der erheblichen Entfernung zwischen Emissions- und Immissionspunkt - die Geruchsstundenhäufigheit im Verhältnis des Anteils zweier Pferde an der Gesamtheit der Geruchseinheiten erhöhen würde, wäre die sich ergebende Gesamtbelastung von 15,05 % Jahresgeruchsstunden auf 15 % zu runden.
88Vgl. zur Anwendung der Rundungsregel auf die Gesamtbelastung OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 69.
89dd) Die Beschreibung der geplanten Abdeckung des bestehenden Güllehochbehälters BE 2 unter Ziffer II.1. (Gegenstand der Genehmigung), drittes Aufzählungszeichen, als „Festdach“ und in der Nebenbestimmung 2.2.11 als „Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane“ führt nicht zur mangelnden Bestimmtheit des Genehmigungsbescheids i. S. d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann.
90Vgl. zu den Erfordernissen an die Bestimmtheit von nachbarrechtlich relevanten Bestimmungen etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005 ‑ 10 A 2017/03 -, NWVBl. 2005, 470 = juris Rn. 3; Urteile vom 25. Januar 2013 - 10 A 2269/10 -, NWVBl. 2013, 365 = juris Rn. 61, und vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, DVBl. 2013, 1327 = juris Rn. 44.
91Selbst wenn in der Nebenbestimmung 2.2.11 nicht nur eine inhaltliche Konkretisierung des generelleren Begriffs des Festdachs liegen sollte, weicht dies von der in dem Gutachten vorausgesetzten Emissionssituation jedenfalls nicht nachteilig ab. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass der textliche Teil der Geruchsimmissionsprognose lediglich eine Zeltabdeckung als immissionsmindernde Maßnahme vorsieht. Dies entspricht dem Ansatz der Ausbreitungsrechnung, welche den Güllehochbehälter als Emissionsquelle ebenfalls mit einer Zeltabdeckung berücksichtigt.
92ee) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die vorgelegte Geruchsimmissionsprognose nicht deshalb als unplausibel, weil sie die Immissionssituation in dem Gutachten vom 9. Mai 2011 und dem Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 in nicht nachzuvollziehender Weise unterschiedlich darstellt. Berücksichtigt man bei der Betrachtung der Immissionssituation auch die Eigen-Vorbelastung, verschiebt sich der Schwerpunkt der Geruchsbelastung auf der Hofstelle des Klägers Richtung Osten. Während das Gutachten vom 9. Mai 2011 - aus der dem Gutachten angehängten LOG-Datei erkennbar - einen Tierbesatz von 500 Masthähnchen und fünf Pferden in dem unmittelbar nördlich an das Wohnhaus anschließenden Gebäude ansetzt, berücksichtigt das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 350 Legehennen in Bodenhaltung im Stall und mit Auslauffläche sowie 4 Pferde östlich des Wohnhauses. Hinzu kommt die Aufgabe der Tierhaltung auf den landwirtschaftlichen Hofstellen O. und T. . Berücksichtigt man desweiteren die maßgeblichen Windverhältnisse (Hauptwindrichtung Südwest), erscheint eine Reduzierung der Immissionsbelastung im Plan-Zustand nordwestlich des Wohnhauses von 0,79 bzw. 0,56 auf 0,19 bzw. 0,17 (Plan-Zustand in dem Gutachten vom 8. November 2013) ohne weiteres plausibel. Gleichzeitig steigt östlich des Wohnhauses des Klägers unter Berücksichtigung der Eigenbelastung die Geruchsbelastung sowohl im Ist- wie auch im Planzustand auf bis zu 0,99 an.
93Die Geruchsimmissionsprognose ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht unplausibel, weil die westlich der Wohnhäuser N3. Straße und liegenden Rasterflächen auf der Basis des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 Geruchsimmissionen in Höhe von 0,10 Jahresgeruchsstunden aufweisen. Unabhängig von der Frage, ob diese Immissionswerte an Orten erreicht werden, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, vermag eine Überschreitung des in der Nebenbestimmung 2.2.1 festgesetzten Wertes die Plausibilität des Gutachtens als solche nicht in Frage zu stellen. Die Nebenbestimmung ist nicht Teil des Gutachtens, sondern ist getrennt von ihr zu betrachten.
94II. Die von dem Betrieb der Schweinemast einschließlich des zurechenbaren An- und Abfahrtverkehrs ausgehenden Geräuschimmissionen stellen für den Kläger keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird durch die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GVBl. S. 503) bestimmt. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet. Weder im Regelbetrieb (dazu 1.) noch bei ausnahmsweise erfolgender nächtlicher Tierverladung (dazu 2.) werden die Immissionsrichtwerte überschritten.
951. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Bewohnern des Außenbereichs von genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen (vgl. Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c) TA Lärm) im Regelbetrieb ausgehende Lärmimmissionspegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm festgelegten Immissionsrichtwerte zuzumuten sind.
96Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2007 ‑ 8 A 2677/06 -, NWVBl. 2008, 26 = juris Rn. 102 f., m. w. N., sowie Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - 8 B 215/07 -, ZNER 2008, 89 = juris Rn. 38, vom 3. Mai 2012 - 8 B 1458/11 u. a. -, juris Rn. 35, und vom 16. Mai 2013 - 8 A 2893/12 -, juris Rn. 16.
97Für durch einfachen Bebauungsplan festgesetzte Flächen für die Landwirtschaft, die in Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt sind, gilt jedenfalls ohne weitere zu berücksichtigende bauplanerische Festsetzungen nichts anderes.
98Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 23. Februar 2001 - 4 L 56/01.NW -, juris Rn. 18, unter Bezugnahme auf die ebenfalls unter Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm zu fassenden Dorfgebiete.
99Die schalltechnische Immissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 8. Februar 2012 setzt sowohl während der Tag- wie der Nachtzeit den Betrieb von Ventilatoren zur Entlüftung der Ställe BE 1 und BE 3 mit einem maximalen Schallleistungspegel vom max. 75 bzw. 78 dB(A) an. Während der Tagzeit berücksichtigt die Schallimmissionsprognose eine Verladung lebender Tiere nebst nachgehender Reinigung der Verladefläche, eine Futtermittelanlieferung mittels LKW, eine Kadaverabholung mittels LKW, 20 Schlepperbewegungen (jeweils An- und Abfahrt) für den Gülletransport einschließlich Pumpenbetrieb sowie 40 PKW-Bewegungen. Auf dieser pessimalen Grundlage prognostiziert das Lärmgutachten am Haus des Klägers (Immissionspunkt IP 2, 2. Obergeschoss) einen anlagenbezogenen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Die Berücksichtigung anderer, nicht anlagenbezogener Geräuschquellen als Vorbelastung konnte nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm unterbleiben, weil die anlagenbezogene Zusatzbelastung die sich aus Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm ergebenden Immissionsrichtwerte um mehr als 6 dB(A) unterschreitet. Diese Unterschreitung um mindestens 6 dB(A) schreibt die Auflage 2.1.1 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012 fest.
1002. Die ausnahmsweise zulässige Verladung von Tieren aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit bei sommerlichen Witterungsbedingungen nach der Nebenbestimmung 2.1.5 der Genehmigung vom 3. Dezember 2012 in der durch den Schriftsatz vom 2. November 2015 geänderten Fassung führt nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Lärmgrenzwerte. Nach Nr. 7.2 TA Lärm können in der Genehmigung Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach den Nrn. 6.1 und 6.2 zugelassen werden, wenn wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb der Anlage zu erwarten ist, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte auch bei Einhaltung des Stands der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können. Derartige Besonderheiten liegen in den Anforderungen des Tierschutzes an die Verladung der Tiere bei besonders warmen Witterungslagen. Die strikte Beschränkung auf maximal zehn Tage und zwei aufeinanderfolgende Wochenenden wird (nunmehr) eingehalten. Der für seltene Ereignisse nach Nr. 6.3 Satz 1 TA Lärm geltende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) nachts wird in diesem Fall für die lauteste Nachtstunde nach TA Lärm 6.4 nicht überschritten. Der über 60 Minuten anzusetzende (höchste) Schallleistungspegel Lw = 105 dB(A) für die Tierverladung führt bei isolierter Betrachtung ausweislich der Lärmimmissionsprognose am Immissionspunkt IP 2 zu einem Teilpegel von 35,8 dB(A). Auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Lüftergeräuschs (Teilpegel 32,8 dB(A)) wird der insoweit maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) sicher um mehr als 6 dB(A) unterschritten.
101III. Der Kläger ist durch die fehlende Festsetzung eines Immissionsgrenzwerts für Bioaerosole nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt. Schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole sind vorliegend nicht zu erwarten.
102Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in der VDI-Richtlinie 4255 die Summe aller im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Immissions- oder Emissionswerte sieht die TA Luft insoweit nicht vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
103Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53, vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -,juris Rn. 33, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
104Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend nicht erkennbar.
105Allerdings spricht gegenwärtig weiterhin Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken.
106Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 22 ff., vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 58, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 55, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 91; zur Darstellung der Problematik vgl. auch die Internetdokumentation des LANUV NRW unter "Bioaerosole", "Wirkungen von Bioaerosolen" und "Gesundheitliche Wirkungen von Stall-Luft-Komponenten aus Tierhaltungsbetrieben"; Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007; Antwort der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006 auf eine Kleine Anfrage zu geplanten Schweinemastgroßanlagen in Deutschland, BT-Drs. 16/3759, Antwort zu den Fragen 12 und 13.
107Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Messtechnische Untersuchungen, die das LANUV NRW seit dem Jahr 2007 an Schweine- und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter Parameter - insbesondere von Staphylokokken und Bakterien - an der Lee-Seite eines Legehennenstalls (ca. 300 Großvieheinheiten) gegenüber der Luv-Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Die ermittelten Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des LANUV NRW auf einem "vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei weitem nicht die Konzentrationen, wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden."
108Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 60 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 57 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 37 ff., jeweils unter Bezugnahme auf Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
109Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 ‑ 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 12 (zu Nanopartikeln).
111Vor diesem Hintergrund bezeichnet die VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als "umwelthygienisch unerwünscht", fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar - ebenso wie hinsichtlich der in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft geregelten Pflicht zur Prüfung etwaiger Möglichkeiten, die Emission an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern - grundsätzlich keinen Anspruch.
112Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 67 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 64, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 44 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 99 ff.; zum fehlenden Anspruch auf Vorsorgemaßnahmen vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, und Beschluss vom 9. April 2008 ‑ 7 B 2.08 -, NVwZ 2008, 789 = juris Rn. 11.
113Auf der Grundlage des Vorstehenden fehlt es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand an ausreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass das Wohnhaus des Klägers durch das Vorhaben des Beigeladenen Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt sein wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG führen können. Da der Übertragungsweg bei Bioaerosolen im Grunde derselbe ist wie bei Gerüchen, liegt eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose nahe.
114Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 28, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 ‑, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 70 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 69 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 49 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 103.
115Die Geruchsimmissionsprognose in der Fassung der Neuberechnung vom 29. Oktober 2015 gelangt - wie ausgeführt - zu einer Geruchsbelastung von maximal 0,15 Jahresgeruchsstunden; die Geruchsbelastung liegt damit nicht oberhalb des jedenfalls anzusetzenden Immissionswerts von 0,15. Danach ist davon auszugehen, dass sich auch die Belastung mit Bioaerosolen in einem für den ländlichen Raum gebietstypischen Rahmen bewegt. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Bevölkerung des ländlichen Raums in signifikantem Umfang an Krankheiten insbesondere der Atemwege leidet, die auf Bioaerosole zurückzuführen sind, bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht.
116Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 75, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 72, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 52; Nds. OVG, Beschluss vom 19. August 1999 - 1 M 2711/99 -, NVwZ-RR 2000, 91 = juris Rn. 9.
117IV. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulasten des Klägers ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die zu erwartenden Ammoniakimmissionen. Die in der TA Luft bestimmten Grenzwerte für Ammoniak- sowie Stickstoffeinträge dienen, wie das Verwaltungsgericht zurecht ausgeführt hat, nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. Dort sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Gemäß Nr. 4.4.2 Abs. 3 TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Somit kann sich ein Nachbar - jedenfalls soweit er nicht die Einwirkung auf besonders schutzwürdige Pflanzen geltend macht - nicht auf die Verletzung einer ihn schützenden Regelung durch Ammoniakimmissionen berufen.
118Vgl. OVG S.-A., Urteil vom 24. März 2015 - 2 L 184/10 -, juris Rn. 129 ff.; VG München, Urteil vom 16. Oktober 2007 - M 1 K 07.2892 -, juris Rn. 20; VG Oldenburg, Urteil vom 10. März 2010 - 5 A 1375/09 -, juris Rn. 43; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: 1. Mai 2015, Nr. 4.8 TA Luft Rn. 47.
119Im Übrigen erweist sich die von dem Vorhaben des Beigeladenen ausgehende Ammoniakbelastung nicht als erheblich. Nach Nr. 4.8 i. V. m. Anhang 1 Abbildung 4 Abs. 2, Anhang 3 TA Luft ist bei Vorliegen einer Ausbreitungsrechnung lediglich der Mindestabstand der Emissionsquelle erforderlich, bei dem eine anlagenbezogene Zusatzbelastung für Ammoniak von 3 μg/m³ an keinem maßgeblichen Beurteilungspunkt überschritten wird. Ausweislich der graphischen Darstellung der von dem Vorhaben im Planzustand ausgehenden Ammoniakbelastung auf Seite 21 des Geruchs- und Ammoniakimmissionsgutachtens vom 9. Mai 2011 ist auf dem klägerischen Grundstück keine Ammoniakbelastung in diesem Umfang zu erwarten.
120V. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft im Bebauungsplan berufen. Ein solcher könnte gegeben sein, wenn es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um eine Tierhaltung gewerblicher Art handelt. Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in dem Bebauungsplan „S2. N. “ des damaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk vom 3. Oktober 1962 ist nach §§ 30 Abs. 3 BauGB, 6 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BImSchG Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Prüfungsverfahrens.
121Setzt der Planungsträger in einem Bebauungsplan eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG (nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB) fest, umfasst der Begriff der Landwirtschaft die in § 201 BauGB bestimmten Bewirtschaftungsformen. Ob es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um einen landwirtschaftlichen Betrieb in diesem Sinne handelt, kann aber dahinstehen. Selbst wenn auf den zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen das Futter für die Tierhaltung des Beigeladenen - einschließlich der Tierbestände auf der Hofstelle in F. -L. - nicht überwiegend erzeugt werden könnte, verletzt dies den Kläger nicht in einer ihm zukommenden Rechtsposition. Der Festsetzung kommt keine drittschützende Wirkung zu.
122Ob einer Festsetzung im Bebauungsplan Drittschutz zukommt, entscheidet der Planungsträger grundsätzlich nach eigenem Ermessen; ausgenommen hiervon sind die Baugebietsfestsetzungen nach der BauNVO, denen grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, sowie solche Festsetzungen, deren Drittschutz sich - wie etwa bei § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Liegt - wie hier - ein solcher Fall nicht vor, hängt die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen im Bebauungsplan davon ab, ob diese nach dem ersichtlichen Willen des Plangebers drittschützend sein soll, also welchen Zweck er mit der Festsetzung verfolgt.
123Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. September 1988 - 4 N 1.87 -, BVerwGE 80, 184 = juris Rn. 22, und vom 9. Oktober 1991 - 4 B 137.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104 = juris Rn. 5; Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2003 - 10 B 629/03 -, BRS 66 Nr. 183 = juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Oktober 1999 ‑ 8 S 2396/99 -, juris Rn. 3; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Auflage 2015, § 30 Rn. 32.
124Vorliegend ergeben sich weder aus dem Bebauungsplan als solchem noch aus den vom Senat beigezogenen Aufstellungsvorgängen des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Hinweise auf eine beabsichtigte drittschützende Wirkung der festgesetzten Fläche für die Landwirtschaft. Im Gegenteil führt die Begründung des Bebauungsplanentwurfs aus, das S. gewinne als Erholungsgebiet ständig an Bedeutung; gleichzeitig sei es in seinem landschaftlichen Charakter durch Bauabsichten gefährdet. Der Bebauungsplan solle im öffentlichen Interesse diesen Bereich für die Erholung der Bevölkerung sichern und vor einer nicht vertretbaren Bebauung sichern. In einem Vermerk über die beabsichtigten Festsetzungen vom 29. August 1961 werden diesbezüglich die „von der Bebauung freizuhaltenden Grundstücke, die nicht als öffentliche Grünfläche, wohl aber als Fläche für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen sind“ angeführt.
125VI. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans sei zu Unrecht erfolgt. Dabei kann der Senat offenlassen, in welchem Verhältnis der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zu der von der unteren Landschaftsbehörde am 5. Juli 2012 erteilten Befreiung von den Festsetzungen steht. Letztere dürfte sich wegen Verstoßes gegen § 13 BImSchG als rechtswidrig erweisen, weil eine vorweggenommene landschaftsrechtliche Befreiung der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zuwiderläuft.
126Vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 13 BImSchG Rn. 89b m. w. N.
127Auch wenn die Befreiung (zusätzlich) Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids ist, schützt das Bauverbot unter Ziffer C.2.2.1 III. Nr. 4 des Landschaftsplans den Kläger nicht. Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzes kommt grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zu, da sie allein im öffentlichen Interesse erlassen werden und öffentlichen Zielen zu dienen bestimmt ist.
128Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BRS 76 Nr. 184 = juris Rn. 82; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 ‑ 15 CS 10.37 -, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 - 3 K 9246/12 -, juris Rn. 32; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 - 4 NB 1.87 -, NVwZ 1988, 728 = juris Rn. 22, und Urteil vom 17. Januar 2001 - 6 CN 3.00 -, Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 10 = juris Rn. 8.
129Im Übrigen wäre die Beklagte mangels Anfechtung des zwar rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Befreiungsbescheids vom 5. Juli 2012 an die bereits erteilte Befreiungsentscheidung gebunden.
130Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser in beiden Instanzen einen Antrag gestellt und sich somit jeweils einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
131Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
132Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks L.-----weg 11 in E. , Gemarkung M. , Flur 2, Flurstück a. Dieses Grundstück ist mit einem Wohnhaus mit Satteldach bebaut. Das Wohnhaus befindet sich am Ende der Straße L.-----weg und liegt auf dessen östlicher Seite ca. 11 m von der Straße zurückversetzt. Das Wohngebäude weist eine Firsthöhe von 121,32 m üNN auf. Das Grundstück der Kläger ist ca. 44 m breit; in Höhe des Wohnhauses ist es ca. 22 m tief, weiter nördlich ist das Grundstück ca. 16 m tief; die Fläche des Grundstücks beträgt ca. 780 m².
3Der Beigeladene ist u.a. Eigentümer des südlich vom klägerischen Grundstück gelegenen Grundstücks L.-----weg 9 in E. , Gemarkung M. , Flur 2, Flurstück b. Ursprünglich bestand das Flurstück b aus den Flurstücken c und d, die dann zu dem vorgenannten Flurstück verschmolzen wurden. Auf dem Grundstück des Beigeladenen befindet sich ein Wohnhaus ursprünglich mit einem Flachdach. Das Wohngebäude befindet sich ebenfalls östlich des L.°°°°°weges und ist ca. 6 m von der Straße zurückversetzt. Das Grundstück des Beigeladenen ist ca. 24 m tief und 28 m breit und weist eine Fläche von 619 m² auf.
4Die Gebäude der Kläger und des Beigeladenen weisen einen Abstand von ca. 11 m auf, das Gebäude des Beigeladenen ist von der klägerischen Grundstücksgrenze ca. 7 m entfernt.
5Das Gelände steigt in dem vorgenannten Bereich von Westen nach Osten an.
6Die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des 1992 in Kraft getretenen Bebauungsplanes I. °°° – Im L1. H. -. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan ließ der bestehende Bebauungsplan nur eine Straßenrandbebauung zu. Mit dem 1992 in Kraft getretenen Bebauungsplan sollte in erster Linie das Ziel verfolgt werden, Planungsrecht für die bauliche Nutzung auch des Innenbereichs zu schaffen vor dem Hintergrund der anhaltenden Nachfrage nach Wohnbauland in den südlichen E1. Stadtbezirken. Für den hier fraglichen Bereich trifft der Bebauungsplan die Festsetzung WR (reines Wohngebiet), II (Höchstgrenze der Vollgeschosse), 0,4 (Grundflächenzahl), 0,8 (Geschossflächenzahl), nur Einzelhäuser zulässig; darüber hinaus weist der vorgenannte Bebauungsplan auf den Grundstücken der Kläger und des Beigeladenen Baugrenzen in Form von Baufenstern auf.
7Im November 2012 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung des vorhandenen Wohnhauses um ein Dachgeschoß mit einem Satteldach - Dachneigung von 40° - und einen Treppenhausanbau auf der westlichen Gebäudeseite; darüber hinaus sollte auf der südwestlichen Gebäudeseite eine Loggia im Dachgeschoss errichtet werden. Zudem beantragte der Beigeladene eine Befreiung betreffend die Überschreitung der Baugrenze mit dem Anbau des neuen Treppenhauses. Hierzu trug der Beigeladene vor, dass die Baugrenzen bei der Erstellung des gültigen Bebauungsplanes entsprechend den Kubaturen der vorhandenen Gebäude festgelegt worden seien. Im Laufe der Zeit habe es in der benachbarten Bebauung einige Umbauten u. a. auch betreffend das direkte Nachbargebäude L.-----weg 11 gegeben. Das vorgenannte Gebäude verfüge über einen Anbau für das Treppenhaus und einen Wintergarten, die die Baugrenzen in ähnlicher Weise und Dimensionierung überschritten. Danach füge sich das Gebäude des Beigeladenen mit dem geplanten Anbau in die angrenzende Bebauung ein.
8Mit Bescheid vom 10. Juni 2013 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen für das Bauvorhaben Umbau und Erweiterung des Wohnhauses eine Baugenehmigung. Der Befreiungsbescheid vom 10. Juni 2013 sei Bestandteil der Baugenehmigung. Mit Bescheid vom 10. Juni 2013 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen für das vorgenannte Bauvorhaben eine Befreiung von den Festsetzungen des seit 1992 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes I. °°° betreffend die Überschreitung der westlichen Baugrenze durch das neue Treppenhaus. Der vorgenannte Befreiungsbescheid und die Baugenehmigung wurden den Klägern am 19. Juni 2013 zugestellt.
9Die Kläger haben am 12. Juli 2013 Klage erhoben.
10Der Beigeladene hat mit dem von der Beklagten genehmigten Umbau seines Wohnhauses am 1. Juli 2013 begonnen. Im September 2013 haben sich die Kläger an die Beklagte gewandt und vorgetragen, dass anstelle des genehmigten Satteldaches mit einer Neigung von 40° ein Satteldach mit einer Neigung von 45° ausgeführt worden sei. Ebenso sei die ursprüngliche Traufhöhe bereits falsch. Die tatsächliche Traufhöhe liege bei 117,8 m üNN, die bereits eingebaute Firsthöhe liege bei 122,72 m üNN und nicht bei genehmigten 122,61 m üNN. Dies führe zu einer Neuberechnung der Geschossfläche im Dachgeschoss. Danach handele es sich bei dem Dachgeschoss um ein Vollgeschoss. Dies entspreche nicht der Baugenehmigung; um ein Einschreiten werde gebeten. Am 11. Oktober 2013 hat die Beklagte sodann eine Bauzustandsbesichtigung vor Ort durchgeführt. Ausweislich ihres Vermerkes hat die Beklagte eine geringfügig veränderte Bauausführung festgestellt, so sind die Trauf- und Firsthöhen gegenüber den genehmigten Höhen und die Öffnungen in den Außenwänden zum Teil geändert worden. Der Architekt habe zugesagt, Bauvorlagen für die veränderte Ausführung einzureichen. Ausweislich der Bescheinigung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs X. vom 14. Oktober 2013 stellte sich die Höhenlage nach Überprüfung – die obere Dachhaut war im Zeitpunkt der Messung noch nicht fertiggestellt - wie folgt dar: Haupthaus Traufhöhe 118,81 m üNN, Anbau 120,61 m üNN, Firsthöhe Haupthaus 122,66 m üNN, Anbau 120,77 m üNN. Ende November 2013 hat der Beigeladene hinsichtlich der von der Beklagten festgestellten veränderten Bauausführung die entsprechenden Bauvorlagen vorgelegt. Ausweislich dieser vorgelegten neuen Bauvorlagen verfügt das vorgesehene Dachgeschoss über eine Dachneigung von 40°. Damit ergibt sich eine neue Traufhöhe von 118,88 m üNN und eine neue Firsthöhe von 122,73 m üNN. Der Treppenhausanbau befindet sich nach den Bauvorlagen mittig auf der westlichen Gebäudeseite und weist eine Traufhöhe von 120,67 m üNN sowie eine Firsthöhe von 120,83 m üNN auf. Auf der südwestlichen Gebäudeseite befindet sich im Dachgeschoss eine Loggia. Nach Norden weist das Dachgeschoss zwei Fenster auf; der neue Treppenhausanbau verfügt nach Norden unterhalb des Dachgeschosses über eine Fensteröffnung.
11Unter dem 3. Dezember 2013 hat die Beklagte sodann auf der Grundlage dieser neuen Bauvorlagen dem Beigeladenen eine Nachtragsgenehmigung zu seinem Vorhaben Umbau und Erweiterung des Wohnhauses erteilt; die First- und Traufhöhen sind geringfügig verändert worden, zum Teil sind die Öffnungen in den Außenwänden geändert worden; weiter wurde darauf hingewiesen, dass die übrigen Bedingungen, Auflagen und Hinweise der Baugenehmigung vom 10. Juni 2013 weiterhin Gültigkeit haben und zu beachten sind. Die Nachtragsgenehmigung ist den Klägern von der Beklagten nicht zugestellt worden.
12Nachdem die Kläger Anfang Januar 2014 Einsicht in die Verwaltungsvorgänge der Beklagten genommen hatten, haben sie ihre Klage mit Schriftsatz vom 16. Januar 2014 auch auf die vorgenannte Genehmigung der Beklagten vom 3. Dezember 2013 erstreckt.
13Ende April 2014 hat der Beigeladenen sein Vorhaben fertiggestellt.
14Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Klage vor, sie seien durch die erteilten Genehmigungen in ihren Rechten verletzt. Die Erweiterung des Gebäudes um das Dachgeschoss führe zu einem dreigeschossigen Vorhaben. Sämtliche eingereichte Unterlagen und Berechnungen zur Vollgeschossigkeit seien fehlerhaft. Tatsächlich sei die ursprünglich beantragte Planung ausgeführt worden. Die Berechnungen der Beklagten seien nicht nachvollziehbar. Die Berechnung für die teilunterkellerte Ebene fehle. Die Dachgeschossberechnung werde ohne den Treppenhausanbau vorgenommen. Bei Einbeziehung dieses Anbaus ergäben sich größere Flächen. Die eigentliche Traufhöhe sei nicht bei 118,13 m üNN, sondern bei 117,87 m üNN anzusetzen. Auch seien die Höhenpunkte nicht korrekt angesetzt worden. Der Wandaufbau mit dem Wärmeverbundsystem werde danach ebenfalls falsch berücksichtigt. Zunächst sei die Außenwand in der Planung 30 cm stark gewesen, nunmehr 35 cm; tatsächlich könnten aber nur 17 cm angenommen werden. Die Beklagte lege entsprechend den Bauvorlagen im Dachgeschoss den Abstand zwischen der Wand und dem Ansatz einer Deckenhöhe von 2,30 m für die Flächenberechnung mit 1,57 m zugrunde, richtig seien lediglich 0,96 m. Das Dachgeschoss sei ein Vollgeschoss. Auch das Obergeschoss habe tatsächlich eine Höhe von 2,85 m. Ebenso sei die Breite des Gebäudes aus den Planungen nicht ablesbar. Eine Breite von 9,26 m dürfte korrekt sein. Auf die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung infolge der drei Vollgeschosse könnten sie sich auch berufen. Die Begrenzung auf zwei Vollgeschosse mit dem hier maßgeblichen Bebauungsplan solle verhindern, dass im maßgeblichen reinen Wohngebiet Mietblöcke entstünden und so diesem Gebiet die planerisch gestaltete Wohnintimität genommen werde. Es sollten dort nur kleinere Wohnbauten zu finden sein. Daher sei die Festsetzung der Geschossflächenzahl auch für die Bewohner des Gebietes drittschützend. Im Übrigen bestehe die Vermutung, dass die Maße nach Belieben so dargestellt würden, dass das Dachgeschoss kein Vollgeschoss sei. Ordnungsgemäße Bauvorlagen lägen nicht vor. Die Baugenehmigung sei unbestimmt und verstoße damit gegen § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Diese Unbestimmtheit beziehe sich auf nachbarrechtsrelevante Merkmale und verletze sie damit auch in ihren Rechten. Erklärungsbedürftig sei, warum die Maße in den Zeichnungen vom 16. Mai 2013 andere seien als in denen, die zur Nachtragsgenehmigung gereicht worden seien. Teilweise seien Maße handschriftlich korrigiert worden. Die Maße seien geändert worden, nachdem bekannt geworden sei, dass die Loggia in die Dachflächenberechnung mit einzubeziehen sei. In den Zeichnungen für die Nachtragsgenehmigung sei die Gebäudebreite geändert worden, die einzelnen Geschosse wiesen untereinander sowohl vorne als auch hinten unterschiedliche Maße auf. Die Vollgeschossigkeitsberechnung der Beklagten aus ihrer Klageerwiderung entspreche nicht der in den Verwaltungsvorgängen. Schließlich seien die Maße im Rahmen der Abstandflächenberechnung nicht angepasst worden, diese enthielten noch die alten Maße der Loggia. Auch die Tiefe des Treppenhauses variiere. Offensichtlich würden die Maße nicht so genau genommen werden. Ohne korrekte Bauzeichnungen und Baugenehmigungsunterlagen sei es ihnen nicht möglich zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie durch das Bauvorhaben in ihren Rechten verletzt seien. Schließlich sei die Ausnahmegenehmigung betreffend die Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen unzulässig. Aus einem Luftbild ergebe sich letztlich, warum der Bebauungsplan hier die Baugrenzen so gezogen habe. Die Häuser auf der westlichen Seite des L.°°°°°weges (L.-----weg 6 – 12) wiesen einen erheblichen Schattenwurf auf. Aufgrund der Erhöhung des Gebäudes des Beigeladenen um das Dachgeschoss und der Erweiterung mit dem Treppenhaus über die festgesetzten Baugrenzen hinaus treffe sie ein entsprechender Schattenwurf. Nur bei Einhaltung der Baugrenze wäre ein solch störender Schattenwurf, der von dem Bebauungsplan I. °°° berücksichtigt worden sei, von ihnen hinzunehmen. Aufgrund der Überschreitung der Baugrenze und aufgrund des dritten Vollgeschosses würden sie bei entsprechenden Lichtverhältnissen im Dunkeln stehen. Es liege ein Ermessensfehler vor, da diese Umstände verkannt worden seien. Ein Ermessensfehler ergebe sich schließlich auch daraus, dass der Vergleich mit der näheren Umgebung nicht ergebe, dass die Ausnahmegenehmigung hätte erteilt werden können. Zum Vergleich seien nur die Gebäude heranzuziehen, die sich in dieser konkreten Festsetzung befänden. Hier sei ein reines Wohngebiet festgesetzt worden, so dass auch nur diese Gebäude zum Vergleich herangezogen werden könnten. Danach sei die Ausnahmegenehmigung nicht zu erteilen, da die Vergleichbarkeit mit dem maßgeblichen Gebiet nicht trage. Die Festsetzungen betreffend die Baugrenzen seien im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruches nachbarschützend.
15Die Kläger beantragen,
16die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10. Juni 2013 und die Nachtragsgenehmigung vom 3. Dezember 2013 sowie die unter dem 10. Juni 2013 erteilte Befreiung zugunsten des Beigeladenen zum Umbau und zur Erweiterung des Wohnhauses auf dem Flurstück b, Flur 2, Gemarkung M. , aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzten, insbesondere verstießen die Bescheide nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts. Zunächst handele es sich bei dem Dachgeschoss nicht um ein Vollgeschoss. Genehmigt worden sei ein zweigeschossiges Gebäude. Das Kellergeschoss sei kein Vollgeschoss, da die Deckenoberkante des Kellergeschosses nicht mehr als 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausrage. Das Dachgeschoss sei ebenfalls kein Vollgeschoss. Die Grundfläche des Dachgeschosses betrage 137,84 m². Die 2,30 m-Linie liege in einem Abstand von 1,54 m von der Außenwand. Danach betrage die Fläche des Dachgeschosses in 2,30 m Höhe 102,51 m² – ohne Berücksichtigung der Loggia – und damit weniger als ¾ der gesamten Fläche des Dachgeschosses. Die Nachweise zur Vollgeschossigkeit seien nachvollziehbar und umfassten auch die Fläche für den Treppenhausanbau. Die Traufhöhe sei nicht falsch angesetzt worden, die Lagepläne seien korrekt. Die von den Klägern angesetzte Traufhöhe von 117,87 m üNN stelle die Oberkante Fußboden der Obergeschossdecke dar. Nicht ersichtlich sei weiter, warum in die Berechnung des Vollgeschosses die Höhe des Obergeschosses mit einzubeziehen sei. Ferner sei die Verschmelzung von zwei oder mehreren Flurstücken rechtmäßig. Die entstandene Grundstücksfläche sei Grundlage für die Berechnung der Grundflächen- und Geschossflächenzahl nach §§ 19 und 20 BauNVO. Die von den Klägern geltend gemachte Unbestimmtheit der Baugenehmigung vermöge ebenfalls nicht zu überzeugen. Aufgrund der geringfügigen Änderungen während der Bauausführung (geänderte Trauf- und Firsthöhen, Abmessung des Gebäudes) seien neue Bauvorlagen eingereicht worden, insofern sei die Nachtragsgenehmigung vom 3. Dezember 2013 ergangen. Bestandteil dieser Nachtragsgenehmigung sei der neue amtliche Lageplan, die neue Abstandflächenberechnung, die neuen Bauzeichnungen und die neue Vollgeschossigkeitsberechnung. Schließlich sei auch der Befreiungsbescheid rechtmäßig. Die Befreiung sei ermessensgerecht und unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erteilt worden. Die Befreiung sei städtebaulich vertretbar und mit den nachbarlichen Interessen vereinbar. Eine Verschattung des klägerischen Gebäudes sei nicht erkennbar. Die Abstandflächen lägen auf dem Grundstück des Beigeladenen.
20Der Beigeladene beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen der Beklagten.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
25Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
26Die dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen der Beklagten vom 10. Juni 2013 und vom 3. Dezember 2013 sowie der Befreiungsbescheid der Beklagten vom 10. Juni 2013 verstoßen nicht zu Lasten der Kläger gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzen sie nicht in ihren Rechten, vgl.§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27In Verfahren des baurechtlichen Nachbarstreits ist nicht Gegenstand der rechtlichen Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben allen Vorschriften des öffentlichen Baurechts entspricht. Ein Nachbar kann vielmehr nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn sie gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht vorliegt bzw. bei Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Nachbarschützend in diesem Sinne sind Normen, wenn sie nicht nur die Interessen der Allgemeinheit und damit faktisch auch die Interessen des Einzelnen schützen, sondern nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch auf den Schutz gerade dieser Individualinteressen gerichtet sind.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, BauR 2007, 1550 ff.
29Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der von der Beklagten als „Nachtragsgenehmigung“ bezeichneten Genehmigung vom 3. Dezember 2013 nicht um eine solche handelt, sondern um eine eigenständige Baugenehmigung.
30Eine erteilte Baugenehmigung kann ergänzt oder geändert werden durch eine sogenannte Nachtragsbaugenehmigung, soweit dadurch das Vorhaben nicht in seinem Wesen verändert wird. Die Nachtragsbaugenehmigung ist zwar ein Verwaltungsakt, der eine eigene Regelung mit Außenwirkung beinhaltet, sie modifiziert aber nur die ursprünglich erteilte Baugenehmigung und rechtfertigt – für sich genommen – die Verwirklichung des Vorhabens nicht. Sie betrifft kleinere Änderungen, darf aber inhaltlich nicht ein von dem Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben – „aliud“ – regeln. Die Nachtragsbaugenehmigung ist als akzessorischer Verwaltungsakt abhängig von der Wirksamkeit der zugrundeliegenden Ursprungsgenehmigung. Dementsprechend stellt die Nachtragsgenehmigung keinen selbständig anfechtbaren Streitgegenstand dar; sie kann nur zusammen mit der ursprünglichen Baugenehmigung angegriffen werden.
31Ein aliud ist dagegen anzunehmen, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 -, juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand Dezember 2015, § 75 Rdnr. 306 ff.
33Zwar ist die Baugenehmigung vom 3. Dezember 2013 im Bauschein ausdrücklich als „Nachtragsgenehmigung“ bezeichnet worden, diese erweist sich nach den vorstehenden Grundsätzen jedoch als ein aliud.
34Bei einem Vergleich der den jeweiligen Genehmigungen zugrundeliegenden Lagepläne vom 16. Mai 2013 und vom 19. November 2013 ergeben sich insbesondere Änderungen betreffend die Trauf- und Firsthöhe des Treppenhausanbaus sowie die Trauf- und Firsthöhe des Daches, die sich so auch in den geänderten und grüngestempelten Grundrissen, Schnitten und Ansichten wiederfinden. Darüber hinaus ergeben sich ausweislich der neuen Bauvorlagen Änderungen betreffend die Tiefe und Breite des Gebäudes des Beigeladenen; schließlich wurde die Ansicht West, die Ansicht Nord und Ost geändert.
35Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sich die Trauf- bzw. Firsthöhen des Treppenhausanbaus und des Daches nur geringfügig geändert haben. Gleichwohl unterscheidet sich das „neue“ Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben. Aufgrund der vorgenannten neuen Höhen ergeben sich baurechtlich relevante Unterschiede zu dem ursprünglich genehmigten Vorhaben. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass sich mit den geänderten Höhen auch die Berechnung der Abstandflächen ändert. Danach wird also die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen der geänderten tatsächlichen Verhältnisse neu gestellt. Dementsprechend wurde auch eine neue Abstandflächenberechnung erstellt und zum Gegenstand der neuen Genehmigung gemacht.
36Danach handelt es sich bei der streitgegenständlichen Genehmigung vom 3. Dezember 2013 ungeachtet der von der Beklagten gewählten Bezeichnung um eine eigenständige Baugenehmigung. Danach ist ausschließlich auf die dieser Genehmigung zugrundeliegenden Bauvorlagen abzustellen, die entsprechenden Bauvorlagen für die Genehmigung vom 10. Juni 2013 haben keine Bedeutung mehr.
37Eine Erledigung der Baugenehmigung vom 10. Juni 2013 ist trotz der ihr gegenüber planabweichenden Ausführung und des neuen Bauantrages des Beigeladenen nicht eingetreten, da ausweislich der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2013 die übrigen Bedingungen, Auflagen und Hinweise der Genehmigung vom 10. Juni 2013 weiterhin Gültigkeit haben und zu beachten sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Gegenstand der hier vorzunehmenden Prüfung ausschließlich die der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2013 zugrundeliegenden Bauvorlagen sind, die die der Baugenehmigung vom 10. Juni 2013 komplett ersetzt haben.
381.
39Die dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen vom 10. Juni 2013 und vom 3. Dezember 2013 sind zunächst nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt.
40Eine Baugenehmigung muss inhaltlich bestimmt sein, vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss dem Bauschein selbst - ggf. durch Auslegung - entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden müssen. Andere Unterlagen oder sonstige Umstände sind angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW) für den Inhalt der erteilten Baugenehmigung regelmäßig nicht relevant.
41Vgl. die ständige Rechtsprechung OVG NRW, Urteile vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 – und vom 20. September 2007 - 10 A 4372/05 -, BRS 71 Nr. 152 sowie Beschluss vom 23. März 2009 – 10 B 263/09 – , jeweils juris.
42Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und – zusätzlich – wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 – 2 A 2135/11 – und vom 29. Oktober 2012 – 2 A 723711 –, jeweils juris.
44Soweit die Kläger die Maße aus den ursprünglichen Bauvorlagen mit denen aus den „neuen“ und nunmehr geltenden Bauvorlagen vergleichen und daraus eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung herleiten wollen, führt dies nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Infolge des vollständigen Austausches der Bauvorlagen sind allein maßgeblich nunmehr nur die Bauvorlagen der Genehmigung vom 3. Dezember 2013. Dass Abweichungen zu den Zahlen der ursprünglichen Bauvorlagen bestehen ist Folge der abweichenden Bauausführung, führt aber nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung.
45Den Klägern ist zuzugeben, dass im – neuen – Grundriss Dachgeschoss die Tiefe der Loggia mit 2,45 m angegeben worden ist und ihre Breite mit 4,72 m, während im Lageplan eine Tiefe von 2,385 m ausgewiesen ist. Insofern liegt eine Abweichung zwischen Lageplan und Grundriss Dachgeschoss vor. Dies führt jedoch nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung in nachbarrechtsrelevanter Weise. Denn zunächst sind die Ausmaße der Loggia (Breite und Tiefe) für die Berechnung der Abstandfläche ohne Belang. Im Übrigen löst eine Loggia, die im Sinne eines hinter die Außenwand zurückgenommenen nach außen offenen Gebäudeteils verstanden wird, keine gesonderte Abstandfläche aus. Die Loggia ist nicht vorgelagert, vgl. auch § 6 Abs. 7 Satz 2 BauO NRW.
46Darüber hinaus wären die Kläger selbst bei einer fehlerhaften Nichtberücksichtigung der Loggia nicht in ihren Rechten tangiert, da sich die Loggia im südwestlichen Gebäudebereich befindet, das klägerische Grundstück aber an die nördliche Grenze des Vorhabengrundstücks anschließt. Insofern sind keine konkret unzumutbaren Auswirkungen für die Kläger als Nachbarn festzustellen.
47Die Kläger weisen weiter darauf hin, dass das Treppenhaus in der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2013 mit einer Tiefe von 2,335 m angegeben worden sei, tatsächlich sei das Treppenhaus nach den Messungen des Klägers aber 2,40 m tief, dieses Maß findet sich auch im grüngestempelten Lageplan. Ausweislich des Grundrisses Erdgeschoss beträgt die Tiefe auf der nördlichen Seite 2,40 m und auf der südlichen Seite 2,335 m; im Grundriss Obergeschoss ist die Tiefe – auf beiden Seiten - mit 2,33 m ausgewiesen. Eine Unbestimmtheit, die zudem die Kläger als Nachbarn im oben angeführten Sinn in ihren Rechten verletzt, ergibt sich hieraus aber ebenfalls nicht. Auch hier gilt, dass die Maße betreffend die Tiefe und Breite des Treppenhausanbaus, der zudem auf der westlichen Seite des Grundstücks des Beigeladenen liegt und damit nicht direkt an das klägerische Grundstück grenzt, für die Berechnung der Abstandfläche ohne Belang ist.
48Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Bauvorlagen in Bezug auf die Vollgeschossigkeitsberechnung, die im Übrigen nicht mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehen ist, bestehen auch nicht. Richtig ist, dass die Beklagte in ihrer Klageerwiderung die Tiefe des Treppenhausanbaus mit 2,335 m (vgl. auch Grundriss Dachgeschoss) und nicht wie in der Berechnung im Verwaltungsverfahren mit 2,40 m angesetzt hat. Da die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse im Bebauungsplan keine drittschützende Wirkung hat, wie im Folgenden ausgeführt ist, folgt auch insofern aus einer möglichen Unbestimmtheit der Bauvorlagen, die für die Berechnung der Vollgeschosse maßgebend sind, keine Rechtsverletzung der Kläger.
49Soweit die Kläger schließlich die Auffassung vertreten, dass allein die Tatsache, dass sich in den Bauvorlagen sich widersprechende Maße finden, zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigungen und zu einer Verletzung in ihren Rechten als Nachbarn führt, dringt dieser Vortrag nicht durch. Ein Abwehrrecht eines Nachbarn besteht nicht bereits dann, wenn eine – wie auch immer geartete – Unbestimmtheit der Baugenehmigung festgestellt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass diese Unbestimmtheit solche Merkmale des in Rede stehenden Vorhabens betrifft, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung von Baurechtsvorschriften auszuschließen, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist. Dies macht es – wie bereits ausgeführt - erforderlich, jede Unbestimmtheit einer Baugenehmigung auch daraufhin zu überprüfen, ob ein Vorhaben zugelassen wird, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat.
502.
51In bauplanungsrechtlicher Hinsicht entspricht das streitige Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans I. °°°, soweit diesen nachbarschützende Wirkung zukommt (a); es verstößt im Übrigen nicht gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme (b).
52a)
53Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bemisst sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da es im Geltungsbereich des Bebauungsplans I. °°° – Im L1°°°°° H. - der Stadt E. aus dem Jahr 1992 gelegen ist. Die Baunutzungsverordnung aus dem Jahr 1990 findet Anwendung.
54Das durch die Baugenehmigung vom 10. Juni 2013 und vom 3. Dezember 2013 genehmigte Bauvorhaben Umbau und Erweiterung eines Wohnhauses entspricht seiner Art nach der Festsetzung des Bebauungsplans reines Wohngebiet (WR) gemäß § 3 BauNVO.
55Soweit die Kläger geltend machen, das Vorhaben des Beigeladenen verstoße gegen die Festsetzung des Bebauungsplans zur Geschossigkeit - diese sieht hier zwei Vollgeschosse vor - führt dies jedenfalls nicht zu einer Verletzung der Kläger in ihren Rechten als Nachbarn.
56Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Vollgeschossigkeit betreffend das durch den Beigeladenen neu errichtete Dachgeschoss keinen Bedenken unterliegt, so dass das Vorhaben des Beigeladenen den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht.
57Selbst wenn das Vorhaben jedoch nicht nur über zwei, sondern drei Vollgeschosse verfügen sollte, ergibt sich hieraus gleichwohl keine Rechtsverletzung der Kläger, da sie hierdurch nicht in ihren Nachbarrechten verletzt sind.
58Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, wie hier durch die Festsetzung von Geschossen durch Bebauungspläne, haben - anders als die Festsetzung von Baugebieten – kraft Bundesrechts grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion. Diese Festsetzungen dienen wegen ihrer vorrangig städtebaulichen Ordnungsfunktion öffentlichen Belangen und nicht dem Nachbarschutz. Lediglich die Gemeinde hat es in der Hand, diesen Festsetzungen im Einzelfall drittschützende Wirkung zuzuweisen.
59Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 – 2 A 1674/13 - und vom 17. Februar 2011 – 7 B 1803/10 -, jeweils juris.
60Eine drittschützende Wirkung solcher Festsetzungen ist nur dann anzunehmen, wenn sich aus den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, seiner Begründung oder anderweitigen Materialien über die Willensbildung des zuständigen Beschlussorgans hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Satzungsgeber eine solche Wirkung gewollt hat. Insoweit ist anhand einer einzelfallbezogenen Auslegung des Bebauungsplans festzustellen, ob die Gemeinde als Satzungsgeber die Festsetzung zur Geschossigkeit allein aus städtebaulichen Gründen oder auch im Sinne des Nachbarschutzes getroffen hat.
61Dabei steht es dem gemeindlichen Normgeber grundsätzlich frei, eine Festsetzung (auch) zum Schutze Dritter oder aber ausschließlich aus städtebaulichen Gründen zu treffen. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine Festsetzung nach dem Willen des Normgebers nachbarschützende Wirkung haben soll, ist stets deren Zweckbestimmung im Regelungszusammenhang des jeweiligen Bebauungsplans, wie sie sich aus der Planbegründung oder den Umständen der Entstehung des Plans ergibt.
62Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 - 4 B 52/95 - mit weiteren Nachweisen, BauR 1995, 823 f.
63Dem insoweit der Beurteilung zugrunde zulegende Bebauungsplan I. °°° sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Festsetzung zur Geschossigkeit hier zumindest auch im Interesse Dritter und nicht nur aus städtebaulichen Gründen erfolgte. Für einen entsprechenden Willen des Satzungsgebers ist in Bezug auf den hier in Rede stehenden Bereich nichts ersichtlich. Die Festsetzung zur Anzahl der Vollgeschosse dient vielmehr – wie regelmäßig – nur dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung. Weder die Begründung des Bebauungsplans noch seine textlichen Festsetzungen noch sein Regelungsgehalt insgesamt lassen in Bezug auf die festgesetzte Anzahl der Geschosse eine zumindest auch drittschützende Tendenz erkennen.
64Der Bebauungsplan I. °°° löst den bestehenden Bebauungsplan X °°° ab. Letztgenannter ließ lediglich eine Straßenrandbebauung zu. Mit dem neuen Bebauungsplan wird in erster Linie der Zweck verfolgt, Planungsrecht für die bauliche Nutzung des Innenbereiches zu schaffen vor dem Hintergrund einer anhaltenden Nachfrage nach Wohnbauland im E1. Süden. Weiter wird in der Begründung (Ziffer 2.1 – Bauliche Nutzung) ausgeführt, dass entlang der P.-------straße ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt worden sei; dies entspreche der vorhandenen Nutzung, es bestehe die Möglichkeit, Läden zur Deckung des täglichen Bedarfs unterzubringen. Alle übrigen Flächen seien als reines Wohngebiet geplant, da keine Notwendigkeit für weitere Einrichtungen der vorgenannten Art bestünde. Mit den Festsetzungen des vorliegenden Bebauungsplans könnten die noch freien Innenbereiche bebaut werden; diese Freifläche bilde ein wichtiges landschaftliches Element des Planbereichs, daher sei es erforderlich, den Eingriff in die Freiräume gering zu halten und hier den Rahmen sprengende Baumaßnahmen bzw. eine verdichtete Bebauung zu vermeiden. Dies solle durch die Festsetzung einer geeigneten Bauweise und Geschossigkeit sowie eine Beschränkung der Zahl der Wohnungseinheiten erreicht werden. Schließlich wird angeführt, dass im reinen Wohngebiet dem Gebäudebestand entsprechend offene Bauweise festgesetzt werde; Dachneigungen und Zahl der Vollgeschosse seien ebenfalls dem Bestand angepasst.
65Danach wird aus der Begründung deutlich, dass die Festsetzung zur Geschossigkeit aus städtebaulichen Gründen erfolgte und nicht auch im Interesse Dritter. Aufgrund des wichtigen landschaftlichen Elements des Planbereichs – der Freifläche – soll der Eingriff in die Freiräume gering gehalten werden und zwar über eine geeignete Bauweise und Geschossigkeit, so dass eine verdichtete Bebauung vermieden wird.
66Damit folgt aus einer möglichen Verletzung der Festsetzung zur Anzahl der Geschosse kein Abwehrrecht der Kläger.
67Soweit die Kläger in ihrer Klagebegründung vortragen, sie könnten sich insoweit auf die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung berufen, weil die Begrenzung auf zwei Vollgeschosse verhindern solle, dass Mietblöcke entstünden und damit diesem reinen Wohngebiet die Wohnintimität genommen werde, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Bewertung. Anhaltspunkte für einen derartigen Willen der Gemeinde sind weder dem Bebauungsplan noch seinen Festsetzungen noch der Begründung – wie oben gezeigt – zu entnehmen.
68Hinsichtlich der im Bebauungsplan I. °°° vorgesehenen Baugrenzen weichen die Baugenehmigungen vom 10. Juni 2013 und vom 3. Dezember 2013 allerdings von dessen Vorgaben ab; der Treppenhausanbau auf der westlichen Seite des Gebäudes des Beigeladenen überschreitet die dort festgesetzte Baugrenze, die nach § 23 Abs. 3 BauNVO nicht überschritten werden darf. Diesbezüglich ist dem Beigeladenen aber unter dem 10. Juni 2013 eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilt worden. Daraus können die Kläger jedoch kein Abwehrrecht gegen das streitgegenständliche Bauvorhaben herleiten, da auch die Festsetzung der Baugrenzen im maßgebenden Bebauungsplan keine Regelung darstellt, die ihnen gegenüber Drittschutz entfaltet und die erteilte Befreiung sich im Übrigen ihnen gegenüber nicht als rücksichtslos erweist.
69Auch den Festsetzungen eines Bebauungsplans zur überbaubaren Grundstücksfläche (Baugrenzen) kommt im Regelfall keine nachbarschützende Wirkung zu, weil diese in erster Linie wegen ihrer städtebaulichen Ordnungsfunktion öffentlichen Belangen dienen und nicht dem Nachbarschutz. Das schließt aber nicht aus, dass es im Einzelfall anders sein kann. Ob dieser Festsetzung neben ihrer städtebaulichen Ordnungsfunktion ausnahmsweise auch nachbarschützende Wirkung zukommt, ist im Einzelfall aus dem Inhalt und der Rechtsnatur der Festsetzung, der Planbegründung und den übrigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln.
70Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 – 7 B 1085/15 - und vom 27. Januar 2014 – 2 A 1676/13 -, Urteil vom 25. Januar 2013 – 10 A 2269/10 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 9 CS 14.1171 -, alle juris.
71Weder aus den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans I. °°° noch aus seiner Begründung ist jedoch zu entnehmen bzw. wird deutlich, dass der Festsetzung der Baugrenze betreffend das Vorhabengrundstück ausnahmsweise neben ihrer städtebaulichen Ordnungsfunktion auch nachbarschützende Wirkung zukommen soll. Insofern wird auf die bereits oben angeführten Ziele und Zwecke der Planung ausweislich der Begründung des Bebauungsplans I. °°° Bezug genommen. Der noch freie Innenbereich sollte aufgrund der Nachfrage nach Wohnbauland baulich genutzt werden. Der Eingriff in die Freiräume sollte allerdings gering gehalten und eine verdichtete Bebauung verhindert werden. Hierzu sollen die vorgenommenen Festsetzungen dienen. Baugrenzen oder die überbaubare Grundstücksfläche sind ausdrücklich in der Begründung zum Bebauungsplan nicht erwähnt worden. Danach ist kein Wille des Plangebers dahingehend zu erkennen, dass auch Nachbarrechte mit der Festsetzung der Baugrenzen gewahrt werden sollten.
72Infolge des fehlenden Drittschutzes der Festsetzung der Baugrenzen im Bebauungsplan I. °°° steht den Klägern kein Abwehrrecht gegen die angegriffenen Baugenehmigungen allein wegen der Überschreitung der westlichen Baugrenze zu.
73Es kann damit dahinstehen, ob die mit Bescheid vom 10. Juni 2013 erteilte Befreiung von der festgesetzten westlichen Baugrenze insgesamt objektiv rechtlich mit § 31 Abs. 2 BauGB zu vereinbaren ist. Denn bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer – wie hier - nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans, hat der Nachbar über den Anspruch auf die Würdigung seiner nachbarlichen Interessen hinaus keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde.
74Gegen die Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung im Bebauungsplan kann ein Nachbar somit nur mit Erfolg vorgehen, wenn seine nachbarlichen Interessen bei der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt sind. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat.
75Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1998 – 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 – 7 B 1085/15 - und vom 17. Februar 2011 – 7 B 1803/10 -, jeweils juris.
76Selbst wenn die Befreiung von nicht dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erteilt wurde, sind Nachbarrechte damit nur dann verletzt, wenn die Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB unter entsprechender Berücksichtigung der nachbarrechtlichen Interessen wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot nicht hätte erteilt werden dürfen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2003 - 10 B 629/03 -, BauR 2004, 646, m.w.N.
78Bei der nach den Grundsätzen des Gebots der Rücksichtnahme vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Schutzwürdigkeit des betroffenen Nachbarn, sein Interesse an der Einhaltung des Bebauungsplans und damit an einer Verhinderung von Beeinträchtigungen und Nachteilen sowie die Intensität der Beeinträchtigungen einerseits mit den Interessen des Bauherrn an der Erteilung der Befreiung andererseits abzuwägen. Der Nachbar kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch eine an die Stelle der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung tretende andersartige Nutzung berührt werden kann. Umgekehrt braucht derjenige, der die Befreiung in Anspruch nehmen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Maßgeblich kommt es darauf an, was nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten zuzumuten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der sich auf den Bebauungsplan berufen kann, bei der Interessenabwägung grundsätzlich einen gewissen Vorrang hat.
79Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2010 – 7 B 678/10 -, m.w.N.
80Unbeschadet dieses Vorrangs bedarf es für die Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot einer qualifizierten Störung des Nachbarn; bloße Lästigkeiten reichen nicht aus.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989 – 4 C 14.87 -, juris.
82Über den Anspruch auf die Würdigung der nachbarlichen Interessen hinaus hat der Nachbar keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde.
83Nach den vorgenannten Maßstäben stellt sich die dem Beigeladenen erteilte Befreiung von der mit dem Bebauungsplan I. °°° festgesetzten westlichen Baugrenze nicht als rücksichtslos dar. Die Schwelle der Unzumutbarkeit wird für die Kläger nicht überschritten, denn die Situation ihres Grundstücks wird durch die die Befreiung ermöglichte überbaubare Grundstücksfläche nicht derart verschlechtert, dass sich diese Veränderung gegenüber den Klägern als rücksichtslos darstellt. Zunächst ist festzuhalten, dass bei der Beantwortung der Frage, ob die Befreiung die Kläger in ihren Rechten rücksichtslos beeinträchtigt, ausschließlich der Treppenhausanbau in die Betrachtung einzustellen ist, nur insoweit wurde eine Befreiung erteilt.
84Der die Baugrenze überschreitende Treppenhausanbau befindet sich auf der westlichen Seite des Grundstücks des Beigeladenen und liegt damit nicht direkt an der klägerischen Grundstücksgrenze. Die beiden Gebäude liegen ca. 11 m auseinander, der Treppenhausanbau ist knapp 15 m von dem klägerischen Gebäude entfernt. Davon ausgehend ist eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht ersichtlich. Insbesondere unter dem von den Klägern geltend gemachten Gesichtspunkt der Verschattung bzw. Besonnung kommt eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger nicht in Betracht. Von dem genehmigten Treppenhausanbau allein geht keine Verschattung aus, die als für die Kläger unzumutbar zu bezeichnen wäre. Entsprechendes gilt für die Frage der Besonnung. Der Treppenhausanbau dürfte die Besonnung aus südwestlicher Richtung einschränken allenfalls geringfügig und deshalb nicht in unzumutbarer Weise.
85b)
86Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt auch im Übrigen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
87Dabei kann dahinstehen, inwieweit das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme im Geltungsbereich eines Bebauungsplan überhaupt noch geltend gemacht werden kann.
88Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8/12 -, juris und Beschluss vom 27. Dezember 1984 – 4 B 278/84 -, juris.
89Denn das Bauvorhaben des Beigeladenen erweist sich gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos. Das Vorhaben des Beigeladenen führt zwar zu gewissen Beeinträchtigungen; die von den Klägern geltend gemachten Beeinträchtigungen überschreiten die Grenze zur Rücksichtslosigkeit jedoch nicht.
90Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens auf ihr Grundstück ist zunächst nicht gegeben.
91Eine erdrückende Wirkung ist nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird.
92Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2014 - 7 B 1776/13 - und Urteil vom 19. Juli 2010 ‑ 7 A 3199/08 -, jeweils juris.
93Eine solche Wirkung ist angesichts der konkreten Lage und Größe der betroffenen Gebäude bzw. Grundstücke in dem von dem Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet nicht anzunehmen. Entscheidend für die Beurteilung ist zunächst die Entfernung zwischen den Wohnhäusern von ca. 11 m. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Kläger eine Breite von ca. 44 m aufweist. Das Vorhaben des Beigeladenen befindet sich an der südlichen Schmalseite des Grundstücks der Kläger, die eine Tiefe von 22 m aufweist. Insbesondere der gesamte Bereich nördlich des Gebäudes der Kläger ist danach von Bebauung frei und bleibt als angrenzender Gartenbereich erhalten. Zwar wird das Grundstück der Kläger nach Norden schmaler, weist dort aber noch eine Breite von rund 14 m auf. Damit verbleibt nördlich des Gebäudes der Kläger noch ein von Bebauung freier Bereich. Zwar bleibt darüber hinaus die Firsthöhe des Gebäudes der Kläger nach dem Umbau des Gebäudes des Beigeladenen etwas hinter der des Gebäudes des Beigeladenen zurück (121,32 m üNN gegenüber 122,73 m üNN), dies allein reicht jedoch unter Berücksichtigung der dargelegten Grundstücks- und Gebäudesituation nicht aus, um von einer erdrückenden Wirkung im vorgenannten Sinne auszugehen.
94Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots folgt auch nicht unter dem Aspekt von – neuen – Einblickmöglichkeiten. Im neuen Dachgeschoss des Beigeladenen sind Richtung Norden, d.h. in Richtung des klägerischen Grundstücks zwei Fenster vorgesehen, im Erdgeschoss des Treppenhausanbaus ein Fenster. Im bebauten innerstädtischen Bereich gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken und Wohnhäusern aus Einsicht in das eigene Grundstück genommen werden kann. Die in diesem Zusammenhang sich ergebenden wechselseitigen Beeinträchtigungen müssen sowohl von den Klägern als auch von dem Beigeladenen grundsätzlich hingenommen werden und bedeuten aus sich heraus keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.
95Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2015 – 7 B 1031/15 – und vom 29. August 2011 – 2 B 940/11 -, jeweils juris.
96Insoweit ist zudem darauf hinzuweisen, dass sich die neuen Einblickmöglichkeiten lediglich auf Teilflächen des klägerischen Grundstücks und Gebäudes beziehen. Den Klägern verbleiben Rückzugsmöglichkeiten auf ihrem Grundstück und in ihrem Haus, um sich gegen unerwünschte Einblickmöglichkeiten zu schützen.
97Eine Rücksichtslosigkeit ergibt sich ebenfalls nicht im Hinblick auf eine Einschränkung der Besonnung und Verschattung. Zwar ist hier aufgrund der Tatsache, dass sich das Gebäude des Beigeladenen südlich des klägerischen Wohnhauses und Grundstücks befindet, in gewissem Umfang eine Verschlechterung der Besonnung und eine entsprechende Verschattung, insbesondere bei tiefstehender Sonne zu erwarten. Es gibt jedoch keinen nachbarlichen Anspruch auf ungehinderte Besonnung eines Grundstücks.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 7 B 1776/13 -, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 – und Beschluss vom 15. Mai 2002 – 7 B 558/02 -, jeweils juris.
99Dem Wohnhaus der Kläger und ihrem Grundstück bleibt jedenfalls die Besonnung aus östlicher und südöstlicher Richtung erhalten. Soweit die Kläger darauf hinweisen, sie würden künftig bei entsprechenden Lichtverhältnissen „im Dunkeln stehen müssen“, kann dies nicht nachvollzogen werden.
100Eine Verletzung von sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
1013.
102Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts ist schließlich nicht ersichtlich. Eine Verletzung nachbarlicher Rechte der Kläger lässt sich vorliegend insbesondere nicht aus einem Verstoß gegen § 6 BauO NRW herleiten. Das Vorhaben des Beigeladenen hält zu dem Grundstück der Kläger die erforderlichen Abstandflächen ein (T 2 – Giebelwand nach Norden - und T 5 – Treppenhausanbau nach Norden).
103Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da er sich infolge des eigenen Antrags auf Klageabweisung einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
104Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Eventuelle außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten sinngemäßen Antrag des Antragstellers,
5die aufschiebende Wirkung der Klage 11 K 4446/14 gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 3. Juni 2014 zur Errichtung eines Wohnhauses für asylbegehrende Personen auf dem Grundstück T. Weg 5 in T1. , Flur 32, Flurstücke 216, anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle zum Nachteil des Antragstellers aus. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts sei nicht ersichtlich. Die Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch berufen. Ein solcher bestehe nicht im baurechtlichen Außenbereich. Von einem Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei ebenfalls nicht auszugehen.
7Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
81. Die verwaltungsgerichtliche Einschätzung, dem Antragsteller stehe ein Gebietsgewährleistungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil das Vorhabengrundstück im Außenbereich liege und sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB richte, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt.
9Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB gilt (nur) für Vorhaben, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden sollen. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das bloße Aufeinanderfolgen einzelner Bauten in Form eines Siedlungsansatzes - wie er hier allein in Rede steht - reicht dazu nicht aus. Mit diesen Anforderungen soll die Abgrenzung zur (unerwünschten) Splittersiedlung erreicht werden, bei der es sich um eine bloße Anhäufung von Gebäuden handelt. Entscheidend kommt es jeweils auf ein objektives Verständnis der Umstände des konkreten Einzelfalls an. Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse.
10Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. September 2011- 9 B 11.11. -, juris Rn. 8, vom 2. April 2007- 4 B 7.07 -, BRS 71 Nr. 81 = juris Rn. 4, vom8. November 1999 - 4 B 85.99 -, BRS 62 Nr. 100 = juris Rn. 8, und vom 15. Juli 1994 - 4 B 109.94 -, BRS 56 Nr. 59 = juris Rn. 6, Urteile vom 3. Dezember 1998 - 4 C 7.98 -, BRS 60 Nr. 81 = juris Rn. 12, vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, BRS 42 Nr. 80 = juris Rn. 7, und vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 -, BVerwGE 31, 22 = juris Rn. 20 und 23.
11Das „gewisse Gewicht“ für die Bewertung eines Bebauungszusammenhangs als Ortsteil ist nicht für alle Gemeinden und Siedlungsräume einheitlich, sondern nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten im Gebiet der jeweiligen Gemeinde zu bestimmen. Die Anforderung einer organischen Siedlungsstruktur schließt nur das ein, was in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung den inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB bildet, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung innerhalb des gegebenen Bereichs. Insbesondere eine bandartige oder einzeilige Bebauung entlang nur einer Straßenseite kann die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - IV C 31.66 -, BRS 20 Nr. 36 = juris Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 - 10 A 1998/06 -, NVwZ‑RR 2008, 682 = juris Rn. 31f.
13Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt die in der Nachbarschaft zum Vorhabengrundstück vorhandene Bebauung, die im amtlichen Lageplan als „T. Siedlung“ gekennzeichnet ist, ersichtlich keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil dar. In Auswertung des vorliegenden Kartenmaterials und der im Internet zugänglichen Luftbilder (vgl. z.B. www.tim-online.nrw.de) weist die benachbarte Bebauung am T. Weg weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit entfernter gelegener Bebauung das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht auf, noch ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine organische Siedlungsstruktur. Der Beschwerde ist nichts anders zu entnehmen. Sie selbst spricht von "einer Art Splittersiedlung".
14Damit entfällt auch ein Gebietsgewährleistungsanspruch.
15Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein Nachbar in einem (faktischen) Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 3 und Abs. 2 BauNVO auch dann gegen die Zulassung einer in dem Baugebiet gebietswidrigen Nutzung wenden können soll, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Hauptanwendungsfall für diesen Grundsatz, der auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht, sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB.
16Vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 - , BRS 71 Nr. 68 = juris Rn. 5, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 = BRS 58 Nr. 159 = juris Rn. 48 ff., und vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = BRS 55 Nr. 110 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, DVBl. 2011, 570 = juris Rn. 83 ff., Beschluss vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris Rn. 7, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 10 A 3001/07 -, juris Rn. 35.
17Der auf die Einhaltung der Gebietsart gerichtete Anspruch setzt also Gebiete voraus, die – wie die Baugebiete der Baunutzungsverordnung – durch eine einheitliche bauliche Nutzung gekennzeichnet sind und eine Bindung der Grundstückseigentümer begründen. Dem Außenbereich fehlt indes ein bestimmter Gebietscharakter, dessen Erhaltung gerade das Ziel des Nachbarschutzes in den Baugebieten der Baunutzungsverordnung ist.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 - 4 B 38.99 -, BRS 62 Nr. 189 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 63.
19Dies gilt gleichermaßen für Splittersiedlungen, die noch nicht das erforderliche Gewicht bzw. die organische Siedlungsstruktur eines im Zusammenhang bebauten Ortsteil aufweisen, auch wenn in ihnen - wie hier von der Beschwerde für die Siedlung „T. Weg“ geltend gemacht - im Wesentlichen nur Wohnnutzung stattfinden sollte. Denn die entscheidende Prägung erhält die Splittersiedlung durch ihre Lage im Außenbereich; sie kann von daher kein Baugebiet darstellen und unterstellt die Grundeigentümer darüber hinaus auch keinen spezifischen - über die Anforderungen des § 35 BauGB hinausgehenden - Beschränkungen im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung. Der Antragsteller kann sich entsprechend auf eine Verletzung öffentlicher Belange, die einem Außenbereichsvorhaben entgegenstehen nur berufen, wenn hierdurch zugleich zu seinem Nachteil eine Verletzung seines Rechts aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot vorliegt.
202. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Lasten des Antragstellers gegen das nach dem Vorstehenden zu seinen Gunsten somit allein eingreifende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
21Das Verwaltungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, der Antragsteller habe reale unzumutbare Beeinträchtigungen seines Grundstücks nicht substantiiert geltend gemacht. Die Frage der Erschließung, eines Eingriffs in die Natur und die Befürchtung der Verfestigung einer Splittersiedlung wiesen keinen nachbarschützenden Bezug auf. Gleiches gelte für die von dem Antragsteller geäußerte Befürchtung einer Ausgrenzung der das Wohnhaus bewohnenden Asylbewerber. Angesichts dessen, dass das Vorhaben der Beigeladenen lediglich 6 Schlafräume mit 10 Schlafstellen aufweise und zu dem Grundstück des Antragstellers ein Abstand von rund 75 m bestehen werde und sich dazwischen mehrere andere Wohngrundstücke befänden, seien bei bestimmungsgemäßer Nutzung auch keine sonstigen Beeinträchtigungen zu befürchten.
22Diesen überzeugenden Ausführungen setzt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nichts Erhebliches entgegen.
23Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Frage nach einem Gebietsgewährleistungsanspruch erörterte Frage, ob die zur Genehmigung gestellte Unterkunft für Asylbewerber dem „Wohnen“ diene oder eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne der Baunutzungsverordnung sei, ist auch im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Für die Frage, ob die Baugenehmigung gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, kommt es nicht auf die typisierende rechtliche Einordnung der streitgegenständlichen Asylbewerberunterkunft an. Entscheidend sind vielmehr die Einwirkungen, die von dem Vorhaben konkret auf das Grundstück des Antragstellers ausgehen.
24Unerheblich ist auch, ob das Grundstück des Antragstellers eine Wertminderung erfahren wird. Die im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots geforderte Interessenabwägung hat sich am Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten. Entscheidend ist dabei, ob die zugelassene Nutzung zu einer - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen - unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des anderen Grundstücks führt. Da sich jede - auch eine legale - Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann, kommt einer Wertminderung allenfalls eine Indizwirkung für die Interessenabwägung zu. Ein Abwehranspruch kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 ‑, BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 73, m.w.N; OVG NRW Beschluss vom 2. Juni 1998 - 10 B 946/98 -, juris Rn. 17.
26Dafür besteht hier indes kein Anhalt. Soweit die Beschwerde sozialen Sprengstoff insbesondere auch aufgrund der unterschiedlichen Herkunft der Asylbewerber begründet sieht, ist der erforderliche Grundstücksbezug weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat, sind von einer baulichen Anlage ausgehende Störungen und Belästigungen nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige (befürchtete) Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Befürchteten Belästigungen kann nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. April 2014 - 7 D 100/12.NE -, BauR 2014, 1113 = juris Rn. 73; Beschluss vom 27. August 1992 - 10 B 3439/92 -, NVwZ 1993, 297 = juris Rn. 7 ff.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
29Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
30Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
1. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten zur Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen auf dem Grundstück T. Straße 95 in C. vom 15. Februar 2012 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen der Beklagten und der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
3. Der Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung seitens des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle auf dem Grundstück T. Str. 95 in C. -X. (Gemarkung X. , Flur 21, Flurstücke 241, 249, 250, 273, 276) in einen Speditionsbetrieb.
3Der Kläger ist Eigentümer des seit den 40-er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks T. Str. 87. Dieses sowie das angrenzende Vorhabengrundstück der Beigeladenen liegen inmitten des Dreiecks, das von der A 40 (Ruhrschnellweg) im Süden, der T. Straße im Nordwesten und der I.---------straße im Osten begrenzt wird. An der T. Straße steht in diesem Bereich beidseitig Wohnbebauung auf, ebenso an der westlichen Seite der I.---------straße . Die Wohnbebauung an der T. Straße wird durchbrochen von dem Gelände der Firma O. Baumaschinen, T. Str. 80, dem Gebäude der Firma G. , T. Str. 109 und dem Vorhabengrundstück.
4Auf dem Grundstück der Fa. G. , einem Großhandel für Raumausstatterbedarf, war vermutlich seit den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Lagerhalle von 1.085 m² Größe und ein 2-geschossiges Bürogebäude der Spedition T1. genehmigt. Im Jahre 1961 wurde darüber hinaus eine Baugenehmigung für eine Lkw-Unterstellhalle (301 m²) mit einer Betriebszeitbeschränkung von 7 bis 20 Uhr genehmigt. Des Weiteren genehmigte die Beklagte im Jahre 1964 den Anbau einer Kfz-Werkstatt mit Garage an die Lagerhalle. Den Umbau der Lagerhalle mit einer Änderung der Laderampen genehmigte die Beklagte im Jahre 1987 für die Spedition S. . Zuletzt wurde für dieses Grundstück am 11. Februar 2010 die Nutzungsänderung der bestehenden Produktionshalle in eine Kommissionierungs- und Lagerhalle für Raumausstattung mit täglich ca. 10-20 Lkw genehmigt; Betriebszeit 7-16 Uhr. Außerdem ein Taxibetrieb im Erdgeschoss mit Kfz-Werkstatt für Wartungs- und kleinere Karosseriearbeiten für 16 Taxen, beschränkt auf den Beginn und das Ende der Schichtwerkzeit jeweils ½ Std. (7-7:30 und 18:30-19 Uhr).
5Das Grundstück der Fa. O. Baumaschinen wurde seit dem Jahr 1981 mit Genehmigung der Beklagten von einer Boschwerkstatt genutzt. Im Jahre 1999 genehmigte die Beklagte die beantragte Nutzungsänderung in einen Handel, Reparatur und Vermietung von und mit Baumaschinen. In der Betriebsbeschreibung wurden als Geräusche die von Pkw, Lkw und Gabelstapler angegeben.
6Auf dem Grundstück der Beigeladenen stand bereits in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Lagerhalle für den Vertrieb von Bodenbelägen in einer Größe von 5.150 m² auf, zu der 75 Stellplätze gehörten. Im Jahre 1984 wurde eine Hallenerweiterung für diesen Betrieb genehmigt. Mit der genehmigten Hallenerweiterung wurde die Betriebstätigkeit auch auf die Zu- und Auslieferung von keramischen Wand- und Bodenbelägen erstreckt. Im Jahre 1990 genehmigte die Beklagte auf diesem Grundstück die Nutzungsänderung in eine Produktionshalle für Metallbau: Markisen, Gitter und Tore der Eisenwarenfabrik M. und F. . Hiermit war ein Lkw-Aufkommen von 8 bis 10 Fahrzeugen im Sommer, im Winter weniger, verbunden. Vier Jahre später wurde die Erweiterung der Halle verbunden mit 114 Stellplätzen baurechtlich genehmigt, 1997 auch noch der Einbau einer Registratur in die Werkhalle. Vorübergehend wurde das Grundstück offenbar von verschiedenen Speditionsbetrieben genutzt, ohne dass hierfür seitens der Beklagten eine Nutzungsänderung genehmigt worden wäre. Auch entsprechende Anträge wurden nicht gestellt.
7Die Fahrbahn der T. Straße ist in diesem Abschnitt, der von der Kreuzung I.---------straße bis zur Brücke unter der A 40 verläuft, 7,50 m breit. Die Brücke weist nur eine Durchfahrthöhe von 3,20 m auf; deshalb befindet sich an der Kreuzung I.---------straße /T. Straße in Richtung Brücke das Verkehrszeichen 265 der der Straßenverkehrsordnung, das auf das Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge, deren Höhe 3,20 m überschreitet, nach 70 m hinweist.
8Seit Anfang des Jahres 2011 nutzte die Fa. L. , an die die Beigeladene ihr Grundstück vermietet hat, Grundstück und Halle für einen Speditionsbetrieb, ohne zuvor eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung beantragt zu haben. Schon kurz nach Betriebsaufnahme kam es zu zahlreichen Nachbarbeschwerden, auch des Klägers, wegen massiver Lärmbeeinträchtigung der Nachbarschaft durch ca. 45-55 Lkw, die das Grundstück der Beigeladenen täglich anführen. Dabei wurde auch vorgebracht, dass zahlreiche Lkw-Fahrer auch nachts anführen und bei verschlossenen Betriebstoren in der Straße parkten und diese verunreinigten.
9Auf Anregung der Beklagten beantragte die Beigeladene am 7. Juni 2011 die Genehmigung einer Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen (6.275 m² Lagerfläche, 1.215,45 m² Bürofläche) sowie 15 Stellplätzen. In der Betriebsbeschreibung wurde der Betrieb als Kraftwagen-Spedition bezeichnet mit einem Langzeit- und Zwischenlager von Waren. Täglich sollten 350 Paletten ein- und 350 ausgeliefert werden. Zum Einsatz kämen 3 Elektrogabelstapler, 4 Elektrische Ameisen und 4 mechanische Ameisen. Die Betriebszeit war von 6:30 bis 21:30 Uhr vorgesehen. Täglich war ein Lkw-Verkehr von max. 30 Lkw über 7,5 t, max. 5 Lkw bis 7,5 t und max. 3 Lkw bis 3,8 t veranschlagt.
10Die Beigeladene legte eine Geräuschimmissionsprognose des Ing-Büros I1. vom 7. Juni 2011 sowie eine Ergänzende Stellungnahme des Lärmgutachters vom 6. Dezember 2011 vor.
11Während des Antragsverfahrens häuften sich die Nachbarbeschwerden über parkende Lkw, die nachts die Straßen verstopften, über Lärm aus den Lkw, über die Vermüllung der Straße und Randstreifen durch Abfälle und Fäkalien der wartenden Lkw-Fahrer, aber auch über den Nachtbetrieb bei der Beigeladenen. Einige Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass einige Lkw-Fahrer, die wegen der nächtlichen Ruhestörungen zur Rede gestellt worden seien, die Häuser von Anwohnern mit Eiern und sonstigen Gegenständen beworfen hätten.
12Mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass beabsichtigt sei, die Baugenehmigung zu versagen, weil das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei. Zwar sei kein Nachtbetrieb beantragt. Internationale Fremdzulieferer beführen die Zufahrtsstraße aber auch nachts, so dass unter Einbeziehung des anlagenbezogenen Verkehrs der zulässige Nachtrichtwert von 45 dB(A) am Messpunkt T. Str. 90 um 19 dB(A) überschritten werde.
13Daraufhin teilte die Fa. L. mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 „in Ergänzung ihres Schreibens vom 08.12.2011“ mit, dass sie im Zuge der weiteren Optimierung ihrer betrieblichen Ablauforganisation folgende Maßnahmen umsetzen werde:
14„Das Anliefern und Abholen von Ware in C. X. ist nur nach Vorlage einer schriftlichen Genehmigung möglich. Diese Genehmigung wird ausschließlich von Mitarbeitern in unserem Hauptbetrieb in der J.--------straße 38 in C. -M1. in der Zeit von 6.00 bis 19.00 Uhr ausgestellt und ausgehändigt....“
15Nach dieser Ergänzung erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 15. Februar 2012 die beantragte Baugenehmigung u. a. mit der Auflage Nr. 1, wonach während der Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) kein Lkw-Verkehr auf dem Betriebsgelände sowie im Bereich angrenzender Zufahrtsbereiche stattfinden dürfe. Das Schreiben der Fa. L. vom 29. Dezember 2011 war Anlage zur Baugenehmigung.
16Der Kläger, der hiervon am 18. Februar 2012 unterrichtet wurde, hat am 1. März 2012 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei.
17Die Umgebungsbebauung komme einem allgemeinen Wohngebiet nahe. Soweit mittel- bis großflächige Gewerbegrundstücke vorhanden seien, würden diese nicht mehr genutzt.
18Selbst bei der Annahme eines Mischgebiets wäre eine Spedition nicht zulässig.
19Die genehmigten Lkw-Bewegungen von maximal 38 Lkw innerhalb der Betriebszeiten von 6:30 bis 21:30 Uhr würden nicht eingehalten. Auch außerhalb der Betriebszeiten führen mehrfach wöchentlich Lkw das Betriebsgelände an. Wenn die Fahrer dann feststellten, dass das Betriebsgelände geschlossen sei, parkten sie ganz überwiegend in der Nähe der Einfahrt und übernachteten dort.
20Der Kläger überreicht eine Dokumentation der Lkw-Anfahrten in der Zeit von 23. Februar bis Ende Mai 2012: Nahezu täglich seien mehr Lkw angefahren als genehmigt; fast die gleiche Zahl sei auch wieder zurückgefahren, da Lkw den Tunnel unter der A 40 nicht befahren könnten. Deshalb sei auch das Schallschutzgutachten falsch, das davon ausgehe, dass sich Pkw und Lkw, die das Gelände der Beigeladenen anführen, in beide Richtungen der T. Straße verteilten.
21Auch die Zahl der im Gutachten angenommenen maximal 40 Rangiervorgänge auf dem Betriebsgrundstück müsse erhöht werden; hierbei sei nicht berücksichtigt, dass Lkw regelmäßig auch schon auf der Straße rangieren müssten, weil die Zufahrt durch andere Fahrzeuge blockiert sei. Aufgrund der Enge der Straße und der Grundstückszufahrt seien die Rangiervorgänge sehr schwierig.
22Die Zahl der mit 40/Tag angesetzten Startvorgänge sei zu niedrig. Denn viele Lkw müssten zunächst auf dem Grundstück warten, bis eine Entladerampe frei sei.
23Schließlich wichen die in der Prognose angenommenen Ladevorgänge von der Betriebsbeschreibung ab: Der Gutachter gehe von 280 Paletten/Tag, somit von 560 Ladebetriebsvorgängen aus, die Beigeladene selbst lt. Betriebsbeschreibung von 2 x 350 Paletten.
24Zwar folge aus den Überschreitungen einer Genehmigung nicht ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit der Genehmigung; hier habe sich die Beklagte aber offenbar mit Berechnungsergebnissen zufrieden gegeben, deren Praxisrelevanz nicht belegt und überprüft worden sei.
25Das Konzept der Fa. L. vom 29. Dezember 2011 sei offenbar ungeeignet; auch sei in Abrede zu stellen, dass es tatsächlich umgesetzt werde und überhaupt umgesetzt werden sollte. Denn die vorgelegte Dokumentation habe eindeutig ergeben, dass der Nachtverkehr durch Lkw tatsächlich eher zugenommen habe.
26Am 6. Juni 2013 seien von Anwohnern Zähllisten erstellt worden. Danach hätten insgesamt 41 Fahrzeuge das Betriebsgrundstück angefahren, lediglich 5 von diesen Fahrzeugen seien zuvor in der J.--------straße gesichtet worden.
27Außerdem hätten Anwohner im Zeitraum vom 22. Januar bis 22. Februar 2013 zahlreiche Verstöße dokumentiert, teilweise fotografisch.
28Zwischen dem 23. Mai und dem 28. Juni 2013 sei die höchstzulässige Zahl von 38 Lkw-Anfahrten teilweise erheblich überschritten worden (45, 53, 57, 50, 44 Lkw).
29Eine straßenverkehrsrechtliche Lösung etwa im Sinne eines Parkverbots und eines nächtlichen Durchfahrtverbots sei nach der Rechtsprechung des OVG NRW nicht angezeigt.
30Die Rücksichtslosigkeit ergebe sich daraus, dass der Kläger gegenüber der Vornutzung durch eine erheblich gesteigerte Zahl von Lkw-Vorbeifahrten beeinträchtigt werde, wobei es sich überwiegend um Sattelzüge handele. Da die Grundstückszufahrt rechtwinkelig auf die ca. 6 m breite Straße stoße, sei eine unzumutbare Situation durch rangierende und sich gegenseitig blockierende Lkw gegeben.
31Die Erschütterungen, die durch die Lkw auf dem Grundstück des Klägers ausgelöst würden, seien nicht hinreichend berücksichtigt; der Straßenbelag werde spürbar verschlechtert, die Erschütterungen hierdurch noch stärker. Lediglich für die Geräuschimmissionen sei insoweit ein Zuschlag von 1 dB(A) angesetzt worden. Der Wert des Gebäudes des Klägers werde zunehmend gemindert.
32Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ergebe sich auch daraus, dass sie unbestimmt sei. Die Unbestimmtheit beruhe darauf, dass die Steuerung des Lkw-Verkehrs ausschließlich dem Mieter der Beigeladenen überlassen werde; von Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung habe die Beklagte abgesehen. Das Konzept der Fa. L. werde nicht zuverlässig umgesetzt. Der nächtliche Wachdienst sei zeitweise eingestellt und erst auf Druck der Anwohner wieder aufgenommen worden. Manche Lkw-Fahrer hätten sich dahingehend geäußert, dass sie bis zum Morgen in der T. Straße pausieren müssten, um die Lenkzeiten nicht zu überschreiten.
33Schließlich würden Verstöße gegen den vorbeugenden baulichen Brandschutz gerügt. Die in der Genehmigung enthaltene Feuerwehrumfahrt entspreche nicht den örtlichen Gegebenheiten, sie sei im hinteren Teil immer wieder über einen längeren Zeitraum verstellt, so dass Einsatzfahrzeuge behindert würden. Ferner sei nicht erkennbar, dass verschiedene in dem Brandschutzkonzept als erforderlich angesehene Maßnahmen umgesetzt worden seien.
34Was die Vorbelastung angehe, so sei die bisherige Belästigung der Anwohner mit dem heutigen Lkw-Verkehr nicht vergleichbar. Das gelte auch für die 115 Stellplätze, bei denen es sich offensichtlich um Pkw-Stellplätze für die Mitarbeiter des damaligen nicht störenden Produktionsbetriebs handelte. Der Lkw-Verkehr zu dem Grundstück der Fa. G. (Nr. 109) sei nicht besonders aufgefallen. Sie betreibe auch kein Speditionsunternehmen, sondern seit etwa 2005 einen Schaumstoffhandel sowie ein Innenausstattungsstudio. Bei einer repräsentativen Auszählung des Lkw-Verkehrs zu diesem Betrieb habe der Kläger für die Dauer von fünf Tagen sieben Lkw bis 7,5 t und einen Lkw über 7,5 t gezählt.
35Der Kläger beantragt,
36die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten zur Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen auf dem Grundstück T. Str. 95 in C. vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Sie ist der Auffassung, dass die planungsrechtlichen Vorgaben eingehalten seien.
40Auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch könne sich der Kläger nicht berufen. Die nähere Umgebung des angefochtenen Bauvorhabens lasse sich nicht einem Baugebiet der BauNVO zuordnen. Die nähere Umgebung sei zwar überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Inmitten dieser Nutzung und unmittelbar daran angrenzend fänden sich aber mehrere durchaus umfängliche gewerbliche Nutzungen, so die Firmen „Baumaschinen O. , T. Str. 80“ und die „Gebr. G. GmbH, T. Str. 109“. In dem Betrieb Haus Nr. 80 würden Baumaschinen veräußert, vermietet und dort abgestellt, die Nutzung von Nr. 109 diene der Lagerhaltung von Baustoffen und sei planungsrechtlich als selbständiges Lager anzusehen, das nicht mischgebietsverträglich sei.
41Für das Antragsgrundstück sei bis zur Aufnahme der Nutzung durch die Fa. L. eine produzierende Nutzung (Herstellung von Sonnenschutz- und Rollgitteranlagen mit 115 Stellplätzen) seit 1990 bauaufsichtlich genehmigt gewesen. Auch ein solcher metallverarbeitender Betrieb sei nicht mischgebietsverträglich, da der Nutzung angesichts der zahlreichen genehmigten Stellplätze und des damit einhergehenden Zu- und Abgangsverkehrs planungsrechtlich ein wesentliches Störpotential zuzuordnen sei. Ihr komme aufgrund ihrer langen Dauer und des erheblichen Umfangs auch nach ihrer Aufgabe nachprägende Wirkung zu.
42Eine genehmigte gewerbliche Nutzung könne bis zurück in das Jahr 1973 belegt werden, jeweils verbunden mit einem erheblichen Stellplatzvolumen und entsprechendem Zu- und Abgangsverkehr.
43Auch liege kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Der Kläger könne nicht die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für Wohngebiete fordern. Rechtliche Vorbelastungen könnten dazu führen, dass die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme vermindert werde. Bei einem Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerbegebietstypischer Nutzung gälten anerkanntermaßen als Mittelwert die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete.
44Diese Grenzwerte würden nach der vorgelegten Geräuschimmissionsprognose im Tageszeitraum an sämtlichen Messpunkten erheblich unterschritten. Da der Sachverständige bei seiner Analyse eine erheblich größere Zahl an Verkehrsbewegungen im Lkw-Bereich zugrunde gelegt habe (40 anfahrende Lkw statt der genehmigten 30 Fahrzeuge), lägen die Ergebnisse auf der sicheren Seite. Wenn der Kläger rüge, dass ein erheblich höherer Zu- und Abgangsverkehr realistisch sei, so sei auf die Genehmigungslage zu verweisen, nach der lediglich 38 Lkw-Anfahrten legalisiert seien. Eine quantitativ höhere Nutzung möge unmittelbar nach der Betriebsaufnahme zu verzeichnen gewesen sein; es sei aber nicht richtig, dass es permanent zu einer Überschreitung der genehmigten Zahl anfahrender Lkw komme. Aufgrund einer örtlichen Überprüfung durch die Beklagte und einer Auswertung der Geschäftsunterlagen zur Zu- und Abfahrt habe sich kein Verstoß gegen den genehmigten Umfang des Lieferverkehrs ergeben.
45Wenn der Kläger vortrage, dass die Zahl von 40 Lkw zu gering bemessen sei, da die Lkw immer wieder wegen ausgelasteter Entladerampen nicht sofort entladen werden könnten, sei dies zurückzuweisen. Die genehmigten 38 Lkw-Zufahrten ergäben, bezogen auf 15 Betriebsstunden, eine durchschnittliche Belegung der südlichen Laderampe von 3 Lkw je Stunde. Bei einer Länge der Rampe von 75,41 Metern und einer maximal zulässigen Länge von Nutzfahrzeugzügen von 18,75 Metern könne über die Rampe parallel eine Be-/Entladetätigkeit für vier Lkw abgewickelt werden. Im Übrigen habe der Gutachter für zusätzliche Startvorgänge einen Taktzuschlag von 17 dB(A) vorgenommen.
46Auch der Vorhalt, der schlechte Straßenbelag sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, treffe nicht zu. Dafür bestehe schon keine Notwendigkeit, weil ein erheblich beschädigter und sich zunehmend verschlechternder Straßenbelag nicht zu erkennen sei. Im Bereich des Betriebsgeländes habe der Gutachter sogar zu Gunsten der Nachbarn einen Zuschlag von 1 dB(A) vorgenommen, weil er eine Bodenbeschaffenheit aus Betonsteinen mit Fugen > 3 mm zugrunde gelegt habe. Tatsächlich sei als Fahrbahnbelag dort größtenteils Asphalt anzutreffen.
47Die Rüge, dass der Gutachter die besondere Einbahnstraßensituation dieses Bereichs der T. Straße nicht berücksichtigt habe, habe der Gutachter selbst als im Ergebnis unerheblich dargestellt.
48Der Einwand, dass der Gutachter ein im Vergleich zur Genehmigungslage niedrigeres Ladevolumen zugrunde lege (560 statt 700 Paletten), treffe zwar zu. Dies wirke sich aber lediglich auf Immissionen aus, die durch den eigentlichen Ladebetrieb durch Elektrostapler bzw. Elektro- und Hubwagen hervorgerufen würden. Da aber die Grenzwerte um mehr als 5 dB(A) unterschritten würden, sei es ausgeschlossen, dass die Ladetätigkeit für zusätzliche 140 Paletten zu einer Überschreitung der Grenzwerte führe.
49Auch dem Vorhalt der „maßgeschneiderten Baugenehmigung“ sei zu widersprechen. Gegen eine unter diesem Gesichtspunkt fehlerhafte Baugenehmigung spreche schon, dass das angefochtene Bauvorhaben sich planungsrechtlich innerhalb des vorgegebenen Rahmens der näheren Umgebung halte.
50Die Erklärung der Fa. L. vom 29. Dezember 2011, die Gegenstand der Baugenehmigung geworden sei, diene auch der bauplanerischen Konfliktbewältigung. Es sei nicht ersichtlich, warum die genehmigte Betriebsweise (Zulieferung über den Standort C. -M1. ) nicht tauglich sein sollte, etwaige planungsrechtliche Spannungen zu beherrschen. Hier möge es in der Zeit nach der Betriebsaufnahme zu wiederholten Verstößen gegen die genehmigte Betriebszeit gekommen sein. Dies habe inzwischen abgestellt werden können. Im Nachtzeitraum führe kein genehmigungswidriger Anlieferverkehr in die Straße ein und verweile in Ermangelung einer Einfahrtmöglichkeit in das Betriebsgelände im Straßenraum. Ein Vertreter der Beklagten habe sich zwischen dem 22. Juni und 27. Juli 2012 an sechs Terminen unangemeldet in der Zeit von 5:45 bis 6:40 Uhr zu der Örtlichkeit begeben und sich einen eigenen Eindruck verschafft. An keinem der Termine habe ein im Straßenraum abgestellter Lkw festgestellt werden können. Auch habe es keine Anfahrt des Betriebsgeländes vor der genehmigten Betriebszeit gegeben.
51Bei Kontrollen durch den Einsatz eines Sicherheitsdienstes habe sich auch ergeben, dass nicht lediglich die Fa. L. im Nachtzeitraum angefahren werden sollte.
52Die Beigeladene beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Sie weist darauf hin, dass das Grundstück direkt an der A 40 liege; traditionell sei die Umgebung geprägt durch ein Miteinander von Industrie- und Wohnbebauung. Im Jahre 1967 sei das Gelände durch eine Eisenwarenfabrik genutzt worden, zu einem späteren Zeitpunkt durch die Spedition N. . Nach dem Eigentumserwerb durch die Beigeladene sei das Grundstück zunächst an ein Unternehmen vermietet worden, das Markisen produzierte; dieser Geschäftsbetrieb habe schon in erheblichem Umfang Lkw-Verkehr erfordert. Ab 2010 sei an verschiedene Speditionen untervermietet worden. Unmittelbar angrenzend in östlicher Richtung befinde sich ein Großhandel für Raumausstatterbedarf und ein Servicelager. In westlicher Richtung liege die Fa. O. Baumaschinen. Auch diese Betriebe erforderten erheblichen Lkw-Verkehr und würden auch von Schwerlastverkehr angefahren.
55Die Gewerbeflächen in der Umgebung nähmen einen höheren Flächenanteil auf als die Wohnbebauung. Hinzu trete, dass die Wohnbebauung erst an das Gewerbe herangerückt sei. Die Gebäude der Beigeladenen seien schon in den 60-er Jahren errichtet worden, die benachbarte Wohnbebauung erst 1970.
56Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem der in der BauNVO bezeichneten Gebiete. Die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets liege angesichts der Gewerbe- und Industrienutzung fern. Die Umgebungsbebauung sei als Gemengelage aus Wohnnutzung und gewerblich-industrieller Nutzung anzusehen. Das Grundstück der Beigeladenen sei auch in der Vergangenheit seit Jahrzehnten aufgrund seiner gewerblichen bzw. industriellen Nutzung von Lkw, auch schweren Lkw angefahren worden. Der jetzige Nutzer, die Spedition L. , habe organisatorische Maßnahmen getroffen, die dazu führten, dass die Beeinträchtigung der Nachbarschaft jedenfalls nicht höher sei als in der Vergangenheit. Es gebe die Auflage, dass während der Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) kein Lkw-Verkehr auf dem Betriebsgelände sowie den angrenzenden Zufahrtbereichen stattfinden dürfe.
57Soweit es vor Erteilung der Baugenehmigung am 15. Februar 2012 zu Störungen während der Nachtzeit gekommen sei, könnten der Beigeladenen keine Verstöße vorgehalten werden. Die Auflagen gälten erst seit Genehmigungserteilung. Die Beigeladene habe die Mieterin angeschrieben mit der Aufforderung, unbedingt alle Auflagen einzuhalten.
58Die Aufstellung des Klägers zu den Betriebszeiten und Fahrzeugzahlen sei unrichtig. Die Aufstellung betreffe nicht den Verkehr zum Grundstück der Beigeladenen. Auch die Mieterin der Beigeladenen habe eine Aufstellung über die Lkw-Bewegungen in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2012 erstellt. Danach sei die zulässige Anzahl von Lkw an keinem Tag überschritten worden.
59Zu Beginn der Mietzeit der Fa. L. habe es durchaus Probleme gegeben. Die betrieblichen Abläufe seien aber optimiert worden. Die Mieterin stelle sicher, dass ein Anfahren des Grundstücks nur noch zulässig sei, wenn zuvor eine schriftliche Genehmigung im Hauptbetrieb der Mieterin in BO-M1. eingeholt werde. Die Genehmigung werde nur in der Zeit von 6 bis 19 Uhr ausgestellt. Diese Regelung werde strikt eingehalten. Nur Lkw-Fahrer mit Genehmigung würden an der T. Straße abgefertigt, falls sie keine Genehmigung vorweisen könnten, würden sie nach M1. zurückgeschickt. Seit Juni sei zudem ein Sicherheitsdienst beauftragt. Ein Mitarbeiter des Wachdienstes werde nachts an der Zufahrt zur T. Straße postiert. Wenn ein Lkw komme, der zur Fa. L. wolle, werde dieser zurückgeschickt. Ein Einsatzbericht aus der 26. Kalenderwoche zeige, dass am 28. Juni um 3:15 Uhr ein Lkw gestoppt worden sei, der zur Nachbarfirma wollte. Andere Lkw hätten die Baustelle der DB angesteuert.
60Zu Verstößen gegen die Nachtruhe komme es nicht, weil die Arbeit dort vor 6 Uhr nicht aufgenommen werde. Das Betriebsgelände werde erst um 6:15 Uhr von dem Mitarbeiter I2. aufgeschlossen.
61Der Sicherheitsdienst sei von 21:30 bis 6:00 Uhr an der Zufahrt zur T. Straße postiert. Er habe festgestellt, dass Lkw, die in der Nachtzeit eintrafen, häufig nicht die Fa. L. erreichen wollten, sondern andere Firmen oder es habe sich um Durchgangsverkehr gehandelt. Fast alle Lkw, die die Fa. L. ansteuern wollten, hätten weggeschickt werden können.
62Lediglich am 6. August 2012 habe sich ein Lkw-Fahrer geweigert und sei um 23:30 Uhr vor das Betriebsgelände gefahren.
63Die Fa. L. achte auch darauf, dass es nicht vorkomme, dass Lkw längere Zeit auf dem Betriebsgelände warten müssten. Es sei Ziel eines jeden Logistikunternehmens, eine möglichst optimale Materialflusssteuerung zu erreichen.
64Zu den behaupteten Mängeln des Schallschutzgutachtens legt die Beigeladene eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters vor.
65Die vermeintlichen Verstöße gegen Brandschutzauflagen seien ins Blaue hinein behauptet. Tatsächlich seien alle Auflagen eingehalten.
66Am 6. November 2013 hat der Berichterstatter einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ortsterminsprotokoll Bezug genommen.
67Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der Verfahren 5 K 1453/12 und 5 L 1255/12 sowie der von der Beklagten in beiden Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
68Entscheidungsgründe:
69Die zulässige Anfechtungsklage hat Erfolg.
70Die angefochtene Baugenehmigung der Beklagten zur nachträglichen Legalisierung des Betriebs einer Spedition auf dem Grundstück der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
71Das Vorhaben liegt innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, ein Bebauungsplan besteht nicht, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich deshalb nach § 34 des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑.
72Der Kläger kann sich allerdings nicht auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch gibt nicht nur den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, sondern auch den Eigentümern von Grundstücken, die in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit §§ 2 ff. der Baunutzungsverordnung ‑ BauNVO ‑) liegen, das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. § 34 Abs. 2 BauGB besitzt grundsätzlich nachbarschützende Qualität. Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht. Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit einer Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird. Der Nachbarschutz aus der Festsetzung eines Baugebiets - und vergleichsweise jener nach § 34 Abs. 2 BauGB - geht weiter als der Schutz aus dem Rücksichtnahmegebot in § 15 BauNVO bzw. § 34 BauGB. Letzteres setzt voraus, dass der Nachbar in unzumutbarer Weise konkret in schutzwürdigen Interessen betroffen wird. Einen Anspruch auf die Bewahrung einer Gebietsart hat der Nachbar jedoch unabhängig davon, ob das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt.
73Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ OVG NRW ‑, Urteil vom 24. Januar 2008 ‑ 7 A 270/07 ‑, juris unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht ‑ BVerwG ‑, Urteil vom 16. September 1993 ‑ 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110,sowie Beschlüsse vom 11. April 1996 - 4 B 51.96 -, BRS 58 Nr. 82, und vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, BauR 2000, 1019.
74Die hier maßgebliche Umgebungsbebauung entspricht indessen keinem der in §§ 2 ff BauNVO aufgeführten Baugebiete. Namentlich vermag die Kammer nicht der Auffassung des Klägers zu folgen, nach der sein Wohnhaus in einem allgemeinen Wohngebiet liege.
75Die maßgebliche nähere Umgebung entspricht hier dem Dreieck A 40, T. Straße und I.---------straße , wobei zumindest hinsichtlich der T. Straße die Bebauung beidseits der Straße einzubeziehen ist. Die weiter nördlich an der I.---------straße angrenzende gewerbliche Nutzung hat keine prägende Wirkung mehr auf den hier interessierenden Bereich, ebenso wenig die gewerbliche Nutzung weiter östlich an der T. Straße jenseits der I.---------straße sowie das ehemalige B. -Gelände, das zur C1. Straße hin erschlossen ist.
76Die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets für den so eingegrenzten Bereich scheidet aus, da mit den Gewerbebetrieben jedenfalls auf dem Grundstück der Beigeladenen, Nr. 95, und Nr. 109 zwei wohngebietsunverträgliche störende Gewerbebetriebe anzutreffen sind. Für das Antragsgrundstück, Nr. 95, war zuletzt eine Eisenwarenfabrik mit Produktionshalle für Metallbau (Markisen, Gitter, Tore) mit 114 Stellplätzen genehmigt. Auch wenn längst nicht alle Stellplätze tatsächlich genutzt worden sind, handelt es sich bei metallverarbeitenden Betrieben, bei denen wie hier regelmäßig lärmintensive Arbeiten (hier: Sägen, Bohrmaschinen, Drehmaschinen, Pressen) vorgenommen werden, nicht um nicht störende Gewerbebetriebe.
77Vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg-Krautzberger, BauNVO, Stand: 1. August 2013, § 4 Rdnr. 74.
78Auch der auf dem Grundstück Nr. 109 genehmigte Betrieb ist ein den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets störender Betrieb und wäre in einem solchen planungsrechtlich unzulässig. Zunächst waren hier eine Spedition bzw. Lagerhalle genehmigt: Diese stellen von vornherein keine nicht störenden Gewerbebetriebe dar.
79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 1982 ‑ 7 A 363/81 ‑; Gelzer-Bracher-Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage, Rdnr. 1385.
80Zuletzt war der Betrieb der G. GmbH, Kommissionierungs- und Lagerhalle für Raumausstattung sowie die Kfz-Werkstatt genehmigt. Hinsichtlich der Kommissionierungs- und Lagerhalle fehlt im Hinblick auf den genehmigten Fahrzeugverkehr (täglich 10-20 Fahrzeuge für die Warenan- und –abholung) die Gebietsverträglichkeit für ein allgemeines Wohngebiet.
81Die nähere Umgebung erfüllt auch nicht die Voraussetzungen eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO, da in einem Gewerbegebiet Wohnungen nur für einen bestimmten Benutzerkreis zulässig sind (Aufsicht, Betriebsleiter etc., vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). In dem hier zu beurteilenden Baugebiet ist jedoch eine intensive allgemeine Wohnnutzung anzutreffen.
82Schließlich kommt auch die Annahme eines Mischgebiets nach § 6 BauNVO nicht in Betracht. Diese Gebietsart ist dadurch gekennzeichnet, dass die zwei Hauptnutzungsarten Wohnen und nicht wesentlich störendes Gewerbe ohne abstufenden Zusatz nebeneinandergestellt worden sind. § 6 Abs. 1 BauNVO bringt dadurch die städtebauliche Gestaltungsabsicht des Verordnungsgebers zum Ausdruck, dass diese beiden Nutzungsarten in den durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebieten nicht nur in ihrer Qualität, sondern auch in ihrer jeweiligen Quantität "gemischt" sein sollen. In dieser sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verstehenden Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe liegt die normativ bestimmte besondere Funktion des Mischgebiets, mit der dieses sich von den anderen Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung unterscheidet; sie bestimmt damit zugleich dessen Eigenart.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1988 ‑ 4 C 34/86 ‑, juris-Dokument m.w.N.
84Hier kann bereits nicht festgestellt werden, dass eine solche qualitative und quantitative Durchmischung mit einer Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störendem Gewerbe besteht. Denn die Nutzungsart Wohnen überwiegt in dem hier maßgeblichem Gebiet ganz eindeutig die gewerblichen Nutzungen. Gewerbliche Nutzungen sind nur auf drei Grundstücken anzutreffen, T. Str. 80, 95 und 109, auf allen anderen Grundstücken befindet sich Wohnbebauung.
85Darüber hinaus steht der Annahme eines Mischgebiets entgegen, dass jedenfalls mit der für das Antragsgrundstück bisher genehmigten Metallverarbeitung eine Nutzung anzutreffen ist, die für ein Mischgebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig ist.
86Vgl. VGH Ba-Wü, Urteil vom 28. März 2001 ‑ 8 S 2120/00 ‑, juris-Dokument; Ernst-Zinkahn-Bielenberg-Krautzberger, a.a.O., § 6 Rdnr. 33.
87Da die Einordnung in ein anderes Baugebiet der BauNVO nicht in Betracht kommt, handelt es sich vorliegend um eine Gemengelage. In einer Gemengelage scheidet indessen ein Gebietsgewährleistungsanspruch von vorherein aus.
88Nachbarrechte des Klägers sind aber deshalb verletzt, weil die Baugenehmigung gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommende Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Das Gebot der Rücksichtnahme will angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen konkrete Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 ‑ 4 C 22.75 ‑, BVerwGE 52, 122 = BRS 32 Nr. 155 und 27. August 1998 ‑ 4 C 5.98 ‑, UPR 1999, 68 = NuR 2000, 87, Beschluss vom 11. Januar 1999 ‑ 4 B 128.98 ‑, DVBl 1999, 786 = NVwZ 1999, 879 = DÖV 1999, 558 und zum Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 BauGB: BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 ‑ 4 C 5.93 ‑, NVwZ 1994, 686 = UPR 1994, 148 = BauR 1994, 354.
90In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter im Ortstermin festgestellten und der Kammer vermittelten örtlichen Verhältnisse sowie der in Verwaltungsvorgängen und Gerichtsakte enthaltenen Fotos stellt sich das Vorhaben der Beigeladenen auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles gegenüber dem Kläger als rücksichtslos dar.
91Die Baugenehmigung ist dem Kläger gegenüber rücksichtslos, weil die von der Genehmigung ermöglichte unzumutbare Verkehrs- und Erschließungssituation auf der T. Straße ihn in seiner eigenen Grundstücksposition betrifft. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann ausnahmsweise auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.
92Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 ‑ 2 A 3009/11 ‑, juris-Dokument.
93Eine derartige Ausnahmesituation kann hier entstehen, ohne dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung dem regulativ hinreichend entgegenwirkt. Die Baugenehmigung hat deshalb das Potential, jederzeit unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der T. Straße zu verursachen. Sie lässt es im „worst case“ zu, dass bis zu 30 Lkw über 7,5 t und weiter 8 kleinere Lkw das Vorhabengrundstück am Tag, ggf. auch zur gleichen Zeit anfahren, auch um 6:30 Uhr oder 21:30 Uhr. In diesem Fall kann es auf der T. Straße, die, wie die Ortbesichtigung ergeben hat, mit ihrer Breite von 7,50 m und einseitiger Parkmöglichkeit für diesen Verkehr in keiner Weise ausgelegt ist, jederzeit zu unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen kommen. Die Straße ist, wenn sie, was in der Regel der Fall ist, einseitig beparkt wird, nicht breit genug, dass zwei Lkw aneinander vorbeifahren können. Treffen mehrere Lkw gleichzeitig in der Nähe des Vorhabengrundstücks ein, ist die T. Straße durch sich stauende Lkw gleichsam verstopft. Hierdurch werden Verhältnisse herbeigeführt, die Straße und Anlieger offenkundig überfordern. Dies verdeutlichen insbesondere die Fotos Bl. 61-131 der Beiakte 11 zu 5 K 1453/12. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die T. Straße in diesem Abschnitt, sieht man von den drei Gewerbebetrieben und dem durch sie verursachten Verkehr ab, eher den Eindruck einer ruhigen Anliegerstraße vermittelt.
94Überdies können gefährliche Verkehrssituationen entstehen, wenn einander ausweichende bzw. aneinander vorbeirangierende Lkw Teile des Bürgersteigs oder des Parkstreifens in Anspruch nehmen.
95Vgl. OVG NRW, a.a.O.
96Verstärkt wird die unzumutbare Situation für die Anlieger auch noch dadurch, dass jedenfalls die Lkw über 7,5 t, die wie die zahlreich anfahrenden Sattelschlepper in aller Regel höher als 3,20 m sind, auf dem Rückweg von der Fa. L. erneut am Haus des Klägers vorbei müssen, da ihnen die Weiterfahrt in die andere Richtung aufgrund der Brücke unter der A 40 aufgrund ihrer Höhe verwehrt ist.
97Mag auch nicht zwingend von einem täglichen kritischen Zusammentreffen mehrerer Lkw zu einer bestimmten Tageszeit auszugehen sein, so ist es doch möglich, dass die höchste Lkw-Frequenz in den frühen Morgenstunden oder auch abends auftritt. Eine gleichmäßige Verteilung des Lkw-Aufkommens über den Tag ist jedenfalls in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben. Sie ergibt sich auch nicht aus der zusätzlichen Erklärung der Fa. L. zum Betriebsablauf vom 29. Dezember 2011 (Bl. 333 Beiakte 5 zu 5 K 1453/12), die Gegenstand der Baugenehmigung ist. Aus dieser Erklärung ergibt sich lediglich, dass die Mieterin des Grundstücks nach Möglichkeit verhindern will, dass Lkw zur Nachtzeit das Betriebsgelände anfahren. Wenn nach der Zusatzerklärung vom 29. Dezember 2011 das Anliefern und Abholen von Ware in C. -X. nur nach Vorlage einer schriftlichen Genehmigung möglich sein soll, die ausschließlich von den Mitarbeitern im Hauptbetrieb in C. -M1. in der Zeit von 6 bis 19 Uhr ausgestellt und ausgehändigt werde, so wird damit gleichwohl nicht verhindert, dass zur Nachtzeit Lkw unmittelbar den Betrieb an der T. Straße anfahren, weil ihren Fahrern die Regelung bezüglich der Genehmigung u. U. unbekannt ist, so wie es in der Vergangenheit häufiger vorgekommen ist. Auch wird durch die Zusatzerklärung nicht verhindert, dass Lkw-Fahrer sich die Genehmigung in M1. am Vortag abholen und am nächsten Tag unkontrolliert das Betriebsgelände in der T. Straße anfahren. Die Absicht der Fa. L. , nachts Aufsichtskräfte in der T. Straße abzustellen, die ein nächtliches Anfahren des Betriebsgeländes durch Lkw verhindern sollen, ist eine Maßnahme, die nicht Gegenstand der Baugenehmigung und damit unverbindlich ist. Die Baugenehmigung muss aber die durch sie hervorgerufenen Konflikte selbst regeln und abschließend bewältigen und darf nicht darauf setzen, dass diese durch ‑ freiwillige ‑ Maßnahmen des Bauherrn gelöst werden.
98Gegen die „worst case“-Betrachtung kann nicht eingewendet werden, dass es unrealistisch sei, dass alle genehmigten Lkw-Fahrzeuge gleichzeitig die Fa. L. anführen. Diese Extremvorstellung mag zwar tatsächlich unrealistisch sein. Aber eine unzumutbare Situation für die Nachbarschaft kann schon weit vor dem „worst case“ dann entstehen, wenn zahlreiche Lkw mehr oder weniger gleichzeitig das Firmengrundstück anfahren wollen. Jede dieser Fallgestaltungen ist von der angefochtenen Baugenehmigung legalisiert.
99Die von der Baugenehmigung ermöglichten unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse können direkt vor dem klägerischen Grundstück auftreten, das unmittelbar an der Erschließungsstraße liegt.
100Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegen die Heranziehung des Urteils des OVG NRW vom 15. Mai 2013 einwendet, dass anders als in dem vom OVG NRW zu entscheidenden Fall vorliegend das Lärmschutzgutachten ergeben habe, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte in keinem Fall überschritten seien, so kann dem nicht gefolgt werden. Für die Entscheidung des OVG NRW war die Einhaltung oder Nichteinhaltung von Immissionsrichtwerten an keiner Stelle entscheidungserheblich. Im Übrigen greift das Gebot der Rücksichtnahme weiter als die schalltechnischen Regelwerke. Die Grenzwerte in der 18. BImschV und der TA-Lärm können nicht starr und schematisch angewandt werden, vielmehr sind die besonderen tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.
101Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Januar 1983 a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 6. August 1982 ‑ 7 B 67.82 ‑, DÖV 1982, 906.
102Vorliegend ist entscheidend, dass der Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht in erster Linie in der Lärmbelastung, sondern in der nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Erschließungssituation des Grundstücks des Klägers durch die vorhabenbedingte Überlastung der dieses Grundstück erschließenden Straße zu sehen ist.
103Wenn die Beigeladene einwendet, dass die Wohnbebauung erst an das Gewerbe herangerückt sei, die Gebäude der Beigeladenen seien schon in den 60-er Jahren errichtet worden, die benachbarte Wohnbebauung erst 1970, so trifft dies nicht zu. Jedenfalls das Wohnhaus des Klägers war im Jahre 1941 bereits vorhanden. Im Übrigen waren die bisherigen Gewerbebetriebe nicht annähernd so störend wie der genehmigte Speditionsbetrieb.
104Die Zumutbarkeitsschwelle ist auch nicht durch die Vorbelastung des Grundstücks des Klägers entscheidungserheblich zu dessen Nachteil herabgesetzt. Zum einen würden die nunmehr durch die angefochtene Baugenehmigung zugelassenen Lkw-Verkehre auf der T. Straße nicht schon dadurch hinnehmbar, dass der Lkw-Verkehr auf dieser Straße schon beim Betrieb der Fa. M. /F. seit dem Jahr 1994 - oder noch länger ‑ sowie der Fa. G. GmbH unzumutbar gewesen wäre. Der Kläger muss eine Vorbelastung der T. Straße mit Lkw- Verkehr nur bis zu einem gewissen Grad akzeptieren; untragbare Verkehrs- und Erschließungszustände muss er nicht lediglich deshalb weiter tolerieren, weil sie jetzt nach einer genehmigten Nutzungsänderung des Vorhabengrundstücks fortgesetzt werden:
105vgl. OVG NRW vom 15. Mai 2013, a.a.O.
106Zum anderen gibt es aber auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb der Fa. M. /F. einen ähnlichen Lkw-Verkehr mit sich gebracht hat wie der Speditionsbetrieb des Beigeladenen. Zwar waren nach den vorliegenden Genehmigungsunterlagen auch die Fa. M. /F. sowie ihre Vorgänger mit der Produktion und dem Umschlag von Waren befasst. In den seinerzeit genehmigten Bauvorlagen ist aber nur von Lkw-Verkehr von 8 bis 10 Fahrzeugen im Sommer, im Winter weniger, die Rede. Die Belästigung durch Mitarbeiterfahrzeuge, für die 114 Stellplätze vorgesehen waren, ist nicht annähernd mit der Belästigung durch 30 Lkw über 7,5 t vergleichbar. Dies spricht dafür, das der Speditionsbetrieb der Beigeladenen von seinem Lkw-Aufkommen her von wesentlich anderer Qualität ist. So ist der Warenumschlag der Hauptzweck des Betriebs der Beigeladenen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vorübergehend auf dem Grundstück der Beigeladenen ansässigen Speditionsbetriebe zu keiner Zeit bauaufsichtlich genehmigt waren.Auch seitens des Grundstücks der Fa. G. (Nr. 109) sind keine annähernd so hohen Belästigungen ausgegangen, wie nunmehr vom Grundstück der Beigeladenen. Der Kläger gibt insoweit an, dass er ‑ repräsentativ ‑ in fünf Tagen 7 Lkw bis 7,5 t und 1 Lkw über 7,5 t gezählt habe. Ob dies richtig ist oder ob die Verkehrsbelastung im Hinblick auf die zuletzt genehmigten täglich ca. 10-20 Fahrzeuge die Verkehrsbelastung deutlich höher lag, mag hier letztlich offen bleiben. Ein entscheidendes Indiz für eine vormals geringere Lkw-Frequenz ist nämlich, dass keine Informationen vorliegen, dass sich die Nachbarschaft bereits in der Vergangenheit gegen die Betriebe auf den Grundstücken der Beigeladenen und der Fa. G. gewehrt hätte. Wären diese Betriebe ähnlich verkehrs- und lärmintensiv wie der Betrieb des Beigeladenen gewesen, hätte dies jedoch nahegelegen.Massiver Widerstand der Nachbarschaft rührte sich erst, als Ende der 80-er Jahre die seinerzeit auf dem Grundstück T. Straße Nr. 109 ansässige Spedition die Erweiterung ihrer Lagerhallen plante. Der entsprechende Bauantrag wurde dann aber zurückgenommen.Schließlich führt auch die Vorbelastung durch die in der Nähe verlaufende Autobahn A 40 nicht zu einem anderen Ergebnis und zwar schon deshalb, weil die Geräuschbelastung durch die A 40 durch die in den letzten Jahren errichtete Lärmschutzwand erheblich entschärft ist.
107Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet. Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
4Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus.
5Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut 40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des Hauses In der L. 5 errichtet.
6Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor. Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A) bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62.
7Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden. Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen Beschattungsdauer von über 13 Stunden.
8Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem 2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche (Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten, ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet.
9Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.
10Die Anträge der Antragsteller,
11die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. November 1998 anzuordnen,
12hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt.
13Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter.
14Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände), der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und 8 Hefte).
16II.
17Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
18Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der Anlage vorerst zuzumuten.
19Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der Antragsteller.
20Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn- )Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können.
21Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
22Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen.
23Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden, die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und 40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt. Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie 45 db (A) nachts,
24OVG NRW, Beschluß vom 9. September 1998 - 7 B 1591/98 -.
25Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage. Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten, wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten.
26Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968) zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist. Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA- Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt blieb,
27BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997, 279.
28Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998 zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint. Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein,
29vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.
30Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen. Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören. Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint, derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses, die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird. Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist.
31Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür, den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander.
32Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch Spiegelung mittelbar einwirken.
33Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit diese reflektierende Oberflächen haben.
34Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach § 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die Nachbarschaft,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1997 - 7 A 629/95 -.
36Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor. Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht, ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält. Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor einer Windenergieanlage ausgeht.
37Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer solchen Anlage rechnen.
38Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt.
39Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62 ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen. Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht. Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.
40Die Antragsteller sind der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen.
41Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens für zumutbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
43Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
44
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
2. Der Streitwert wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 2780/15 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 23. April 2015 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechts-schutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
8Gemessen an diesem Maßstab geht vorliegend die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten des Antragstellers aus. Die im Eilverfahren allein vorzunehmende summarische Prüfung ergibt, dass seine Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. April 2015 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzt den Antragsteller damit nicht in seinen Rechten.
9Soweit der Antragsteller rügt, das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise nicht in die nähere Umgebung ein, vermitteln diese Merkmale für sich genommen keinen Nachbarschutz.
10Vgl.: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 18. September 2015 – 7 B 310/15 –, juris Rn. 11; vom 16. September 2014 – 7 B 458/14 –, juris Rn. 4; vom 4. Juli 2014 – 7 B 363/14 –, juris.
11Das allein als drittschützendes Recht vom Antragsteller ins Feld geführte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist vorliegend nicht verletzt. Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt (nur) drittschützende Wirkung zu, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf besondere Rechtspositionen Rücksicht zu nehmen ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn unabhängig von der besonderen rechtlichen Schutzwürdigkeit der Betroffenen ihr Betroffensein wegen er gegebenen Umstände so handgreiflich ist, dass dies die notwendige Qualifizierung, Individualisierung und Eingrenzung bewirkt,
12so grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, Rn. 28.
13Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
15Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
16Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom30. Oktober 2014 – 5 K 1588/13 -; BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
17Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtslos.
18Dies gilt für die durch das Vorhaben eröffneten Einsichtnahmemöglichkeiten auf das Grundstück des Antragstellers. Entgegen dessen Auffassung müssen Nachbarn in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – BauO NRW –) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu Schattenwurf und Einsichtsmöglichkeiten kommt, die in einem bebauten Gebiet üblich sind.
19Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. September 2014– 7 B 1037/14 –, juris Rn. 10 f.; vom 1. Juni 2007– 7 A 3852/06 –, BRS 71 Nr. 127, vom 9. Februar 2009– 10 B 1713/08 –, BRS 74 Nr. 181 und vom 14. Februar 2013 – 7 B 99/13 –.
20Im Garten des Antragstellers befinden sich hohe Tannen, die Einsichtnahmemöglichkeiten reduzieren. Mit zu berücksichtigen ist, dass der Gartenbereich des Grundstücks des Antragstellers bislang kein ungestörter Rückzugsbereich war, sondern bereits vorbelastet ist. Südlich seines Grundstückes – also auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Seite – befindet sich auf der Höhe des Gartens an der B. ein Garagenpark (vgl. Foto Nr. 9 der Anlage des Ortsterminsprotokolles). Die vom Antragsteller behauptete Ausnahmekonstellation nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, die voraussetzt, dass dem Nachbarn keine Rückzugsmöglichkeiten verbleiben, ist danach nicht erkennbar.
21Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens ist auch unter Berücksichtigung des genehmigten Maßes der baulichen Nutzung nicht erkennbar. Zweifellos geht mit dem Vorhaben durch die Genehmigung von 15 Wohneinheiten eine erhebliche Nachverdichtung des Wohngebietes einher. Die Kubatur des Vorhabens fällt deutlich größer aus als das Wohnhaus des Antragstellers. Ein Umschlagen dieses Umstandes in eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist damit jedoch nicht verbunden. Das Vorhaben der Beigeladenen befindet sich nördlich/nordöstlich des Grundstückes des Antragstellers und hat mit diesem damit lediglich eine gemeinsame Grenze. Südwestlich des Grundstücks des Antragstellers sieht die angefochtene Genehmigung keine oberirdische Bebauung vor. Lediglich die Tiefgarage befindet sich – unterirdisch – auch südwestlich des Grundstückes des Antragstellers. Von einem „Eingemauertsein“ kann daher keine Rede sein. Auch die Höhe des Vorhabens spricht in Anbetracht der Höhe des Gebäudes des Antragstellers gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Die Oberkante des Pultdaches des Staffelgeschosses des Vorhabens befindet sich in einer Höhe von maximal 138,725 m üNN, während die Firsthöhe des Gebäudes des Antragstellers 137,40 m üNN beträgt. Auf der dem Antragsteller zugewandten Gebäudeseite sieht die Baugenehmigung sogar eine im Vergleich zu seinem Gebäude geringere Gesamthöhe des Vorhabens vor.
22Gegen die Tiefgarage mit 16 Stellplätzen und die in einem Abstand von 3 Metern parallel zum Grundstück des Antragstellers verlaufende Tiefgarageneinfahrt ist mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme ebenfalls nichts zu erinnern. Nach § 12 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Die Anforderungen des Gebotes der Rücksichtnahme beurteilen sich im Hinblick auf die einer Wohnnutzung gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO zulässigerweise zugeordneten Stellplätze wie die Gebote des § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW, demzufolge Stellplätze so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stören. Bei der Errichtung von Stellplätzen ist danach von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch ihre Nutzung verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben straßennah untergebracht werden.
23OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2014 – 2 B 301/14.NE –, juris Rn. 91 ff.
24Vorliegend haben die Beigeladenen mit der Tiefgaragenlösung die für die Nachbarn unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes schonendste Stellplatzmöglichkeit gewählt, bei der ein Großteil der durch Rangieren, Starten, Abstellen und Öffnen der Fahrzeuge verursachten Geräusche abgefangen werden.
25Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 13 L 224.14. –, juris Rn. 74.
26Auch Lage und Ausrichtung der Zufahrt zur Tiefgarage sind dem Antragsteller zumutbar. Sie hält einen Abstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze ein. Die Zufahrtsrampe wird ausweislich des Tiefgaragenplanes mit einer lichtsignalgesteuerten Anlage versehen, so dass Begegnungsverkehr auf der Rampe ausgeschlossen wird. Die Zufahrtsrampe wird zu einem wesentlichen Teil eingehaust, wodurch eine erhebliche Lärmbegrenzung bewirkt wird. Die An- und Abfahrtsbewegungen werden sich aufgrund der Wohnnutzung des Vorhabens überwiegend auf den Tagbereich beschränken, wobei überschlägig von der doppelten Anzahl an Fahrzeugbewegungen je Stellplatz auszugehen ist, hier demnach 32 Fahrzeugbewegungen pro Tag, also weniger als 1,5 Fahrzeugbewegungen pro Stunde.
27Vgl. Übersicht zu Fahrzeugbewegungen auf Tiefgaragenstellplätzen in der Parkplatzlärmstudie des Bayrischen Landesamtes für Umwelt, 6. Auflage, Tabelle 6, Seite 28.
28Soweit von dem Vorhaben ein zusätzlicher Stellplatzbedarf erzeugt werden sollte – was jedoch angesichts der Beachtung der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf,
29vgl. Johlen in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, Rn. 28; Anlage zu Nr. 51.11 VV BauO NRW: ein Stellplatz pro Wohneinheit,
30unwahrscheinlich ist –, der durch die Tiefgaragenplätze nicht gedeckt sein sollte, so ist es jedem Anwohner des Gebiets erlaubt, Stellplätze auf öffentlichen Straßen in Anspruch zu nehmen. Dies mag für den Antragsteller lästig sein, begründet jedoch keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.
31Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Risiko der Auferlegung von Kosten ausgesetzt haben (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
32Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit Ziffer 7. a) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW,
33BauR 2003, 1883.
34Dabei geht die Kammer in Ausübung richterlichen Ermessens von einem Hauptsachestreitwert von 7.500,00 € aus, der gemäß Ziffer 12. a) dieses Kataloges zu halbieren ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger, einschließlich 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden. Im Übrigen trägt die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses in F. -S. .
3Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in der C.------straße ° in F. ( G1 ). Das Grundstück grenzt im Westen an das Grundstück C.------straße °, dessen Eigentümer der Kläger des Verfahrens 5 K 3118/11 ist. Gemeinsam grenzen die Grundstücke im Süden an das Vorhabengrundstück S1. Straße °° ( G 2 ), das ausweislich des Grundbuchauszugs seit dem 28. September 2010 im Eigentum der Beigeladenen steht. Zwischen der südlichen Fassade des Gebäudes des Klägers und der Grenze zum Vorhabengrundstück liegt ein Abstand von etwa 20 m. Südlich des Vorhabengrundstücks grenzt eine mehrgeschossige, fast durchgehend geschlossene Blockrandbebauung an.
4„An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze“
5Auf dem Vorhabengrundstück befand sich ehemals das sechsgeschossige I. -Kaufhaus, dessen Nutzung 2009 aufgegeben und welches im April 2011 abgerissen wurde.
6Mit Bauantrag vom 10. Februar 2011 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses auf dem Grundstück S1. Straße °°. Laut Baubeschreibung sollen im Erd- und Untergeschoss Einzelhandelseinrichtungen und im ersten bis sechsten Obergeschoss Büroeinheiten entstehen. Das Vorhaben soll als sechsgeschossiger Baukörper in geschlossener Bauweise in Richtung S1. Straße ausgeführt werden und einen dreigeschossigen rückwärtigen Anbau umfassen. Die Anlieferung der Einzelhandelsnutzung soll über eine Rampe mit Zufahrt von der C.------straße in das Kellergeschoss erfolgen, wobei eine Anlieferung zu Nachtzeiten ausgeschlossen ist. Die Bebauung im Innenhof soll entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Kläger grenzständig eingeschossig, in einem Abstand von 8,54 m zweigeschossig und in einem Abstand von 11,62 m dreigeschossig erfolgen.
7Die in der Folgezeit unternommenen Versuche der Beigeladenen, mit dem Kläger sowie weiteren Nachbarn der C.------straße eine Nachbarschaftsvereinbarung zu erreichen, scheiterten.
8Am 6. April 2011 trat für den Bereich des Vorhabengrundstücks der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße / A.-------straße “ in Kraft. Dieser setzt im Wesentlichen ein Kerngebiet sowie öffentliche Verkehrsflächen fest. Die überbaubare Grundstücksfläche ist überwiegend durch Baulinien und im Übrigen durch Baugrenzen definiert. Innerhalb der Baufenster differiert die zulässige Zahl der Vollgeschosse zwischen ein- bis siebengeschossiger Bebauung. Zudem werden die Wandhöhe an der zum Grundstück der Kläger ausgerichteten Grenze sowie immissionsschutzrechtliche Regelungen durch Festlegung verschiedener Lärmpegelbereiche festgesetzt.
9Im Laufe des Aufstellungsverfahrens machte der Kläger Einwendungen gegen die durch den Bebauungsplan zugelassene grenzständige Bebauung entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze geltend. Der Rat ergänzte daraufhin den Bebauungsplan um ein Verbot von Gebäudeöffnungen in der dem Garten des Klägers zugewandten Außenwand.
10Mit Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 genehmigte die Beklagte den Neubau des beantragten Büro- und Geschäftshauses.
11Unter dem gleichen Datum erteilte die Beklagte der Beigeladenen einen Befreiungsbescheid hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. °/°° „überbaubare Fläche ÜF1“ und „Zahl der Vollgeschosse“ im südlichen Bereich der straßenseitigen Bebauung sowie die Zulassung einer Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich der zurücktretenden Staffelgeschosse sowie von Vorschriften der SonderbauVO. Die Abweichungen von den Vorschriften über Abstandsflächen betreffen dabei nicht die Grundstücksgrenze zum Kläger.
12Der Kläger hat am 2. August 2011 Klage gegen die Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 erhoben (5 K 3162/11).
13Laut Baubeginnanzeige begann die Beigeladene am 1. August 2011 mit der Errichtung des Gebäudes.
14Mit Beschluss vom 22. August 2011 (10 B 720/11.NE) lehnte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) den unter dem 14. Juni 2011 von dem Kläger gestellten Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Bebauungsplans Nr. °/°° „S1. Straße / A.-------straße “ ab.
15Mit der ersten Nachtragsbaugenehmigung vom 29. Juni 2012 genehmigte die Beklagte die Einrichtung von vier Einzelhandelsnutzungen (Vollsortimenter und Bäcker, Drogerieartikel, Lebensmitteldiscounter und Schuheinzelhandel) im Untergeschoss und im Erdgeschoss. Mit der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 17. Juli 2012 genehmigte die Beklagte Änderungen der Grundrisse im 1. und 2. Obergeschoss, Änderungen an verschiedenen Fassaden sowie Veränderungen der Technikaufbauten auf dem Dach des Gebäudes.
16Unter dem 23. August 2012 wurde der Kläger von der Erteilung der ersten und zweiten Nachtragsbaugenehmigung unterrichtet.
17Am 18. September 2012 hat der Kläger Klage gegen die erste Nachtragsbaugenehmigung vom 29. Juni 2012 (5 K 4284/12) sowie gegen die zweite Nachtragsbaugenehmigung vom 17. Juli 2012 (5 K 4283/12) erhoben.
18Im November 2012 wurde das Bauvorhaben fertiggestellt und eröffnet.
19Mit der dritten Nachtragsbaugenehmigung vom 15. November 2012 genehmigte die Beklagte eine Lüftungsanlage für das gesamte Objekt. Mit der vierten Nachtragsbaugenehmigung vom gleichen Tag genehmigte die Beklagte die Errichtung einer Speisengastronomie im Erdgeschoss sowie diverse Grundrissänderungen im Erd- und Untergeschoss.
20Durch Urteil vom 26. April 2013 (10 D 41/11.NE) erklärte das OVG NRW den Bebauungsplan Nr. °/°° für unwirksam. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Festsetzung eines sonstigen Sondergebiets für Stellplätze und Garagen sei unwirksam, da sie gegen den Typenzwang, dem die Baugebietsfestsetzungen unterliegen, verstoße. Zudem sei auch die Regelung in Nr. 5 der textlichen Festsetzungen zum Lärmschutz unwirksam. Insbesondere sei es nicht möglich, die für den Lärmschutz konkret zu treffenden Maßnahmen zu erkennen, so dass die Festsetzung zu unbestimmt sei. Schließlich weise der Bebauungsplan beachtliche Abwägungsmängel auf. Zum einen habe der Plangeber seine Überlegungen zum Immissionsschutz auf keine tragfähige Grundlage gestützt, da das Schalltechnische Gutachten nicht alle planbedingten Geräuschimmissionen in seine Prognose einbezogen habe. Zum anderen sei die Festsetzung der Baulinie am nördlichen Rand des festgesetzten Kerngebiets in Kombination mit der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse im inneren Baufenster abwägungsfehlerhaft, da der Rat den Grad der planbedingt möglichen Verschattung auf den Wohngrundstücken an der C.------straße nicht ausreichend ermittelt habe. Insbesondere sei nicht der 17. Januar als wintertypischer Tag in die Bemessung einbezogen worden und es fehle eine worst-case Betrachtung der planbedingten Verschattungswirkungen. Mit Blick auf eine Neuaufstellung des Bebauungsplans wies der Senat abschießend darauf hin, dass der mit der Festsetzung der nördlichen und südlichen Baulinien des Kerngebiets verbundene Verzicht auf die Einhaltung von Abstandflächen gewichtiger städtebaulicher Gründe und einer sorgfältigen Abwägung bedürfe. Es sei Aufgabe des Rates zu prüfen, ob ein solcher, mit dem geltenden Baurecht nicht unbedingt in Einklang stehender Zustand bei einer Neuplanung beseitigt oder abgemildert werden könne oder wegen gewichtiger öffentlicher Interessen aufrechterhalten bleiben solle.
21Mit der fünften Nachtragsbaugenehmigung vom 24. Juli 2013 genehmigte die Beklagte Grundrissänderungen in allen Geschossen sowie nicht abstandflächenrelevante Änderungen der Fassade. Mit der sechsten Nachtragsbaugenehmigung vom 29. August 2013 genehmigte die Beklagte 21 Fahrradstellplätze. Unter dem 11. September 2013 unterrichtete die Beklagte den Kläger über die Erteilung der dritten bis sechsten Nachtragsbaugenehmigung.
22Am 28. März 2014 wurde der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße/C.------straße “ im Amtsblatt der Stadt F. öffentlich bekannt gemacht. Das 0,5 ha große Plangebiet erstreckt sich auf den Bereich westlich der S1. Straße °° und dem Blockinneren zwischen der Bebauung entlang der C.------straße sowie der A.-------straße . Der Bereich des Parkhauses ist nicht (mehr) Teil des Plangebiets. Der Bebauungsplan setzt für das Plangebiet im Wesentlichen ein Kerngebiet fest. Entlang der S1. Straße ist eine siebenstöckige Bebauung zugelassen. Entlang der nördlich verlaufenden Grundstücksgrenze zu den Grundstücken der C.------straße ist eine Baulinie festgesetzt, die eine grenzständige Bebauung ermöglicht. In diesem Bereich ist eine eingeschossige Bebauung zulässig, wobei die Wandhöhe hier 119,25 m über NN betragen muss. Diese Höhe entspricht dem ehemaligen Bestand. In einem Abstand von drei Meter zur Grundstücksgrenze ist eine Baugrenze festgesetzt, hinter der eine dreigeschossige Bebauung zulässig ist. Ausweislich der textlichen Festsetzung Nr. 4 beträgt in dem Bereich der maximal dreigeschossigen Bebauung die Tiefe der Abstandfläche 0,8 H. Eine Reduzierung der Tiefe der Abstandfläche ist ausweislich der textlichen Festsetzung hier nicht zulässig. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 7 sind in dem Kerngebiet in dem Bereich der maximal sieben-geschossigen Bebauung aufgrund der Lärmbelastung der S1. Straße und der A.-------straße sowie der Straßenbahnlinie °°° für die Gebäude bauliche und sonstige technische Vorkehrungen zur Lärmminderung zu treffen. Im Folgenden werden Innenraumpegel für verschiedene Räume benannt, deren Einhaltung durch zu treffende bauliche oder sonstige technische Vorkehrungen sichergestellt werden müssen. Die Innenraumpegel müssen dabei vorrangig durch die Anordnung der Baukörper und/oder geeigneter Grundrissgestaltung eingehalten werden. Ist dies nicht möglich, muss ein ausreichender Schallschutz durch bauliche Maßnahmen an Außentüren, Fenstern, Außenwänden und Dächern der Gebäude geschaffen werden.
23„An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze“
24Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan vom 17. Dezember 2013 ist das Ziel der Planung die Sicherung und Fortentwicklung des Stadtteils S. in seiner besonderen Versorgungsfunktion (S. 5). Hinsichtlich der Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung orientiere sich die Zahl der Vollgeschosse im Wesentlichen an der vormaligen Bebauung (S. 13). Die Größe des Baublocks und der hierdurch mögliche Abstand zur Nachbarbebauung würden die Erhöhung um ein Geschoss gegenüber der vormaligen Bebauung rechtfertigen. Die bestehende Nachbarbebauung nördlich und südlich des Plangebiets werde dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. Bezüglich der grenzständigen Bebauung wird zunächst festgestellt, dass die Bebauungsstruktur seit Jahrzehnten unter anderem durch eine grenzständige Bebauung im Innenhof gekennzeichnet sei (S. 14). Aufgrund der Größe des Baublocks und seiner Lage innerhalb des B-Zentrums S. sei die Verdichtung der Bebauung innerhalb des Innenhofes städtebaulich gewünscht und vertretbar. Die Festsetzung einer Baulinie in Kombination mit der Festsetzung der zwingenden Wandhöhe entspreche der vormaligen, ebenfalls grenzständig errichteten Bebauung. Für die erneute Bebauungsmöglichkeit mit grenzständiger Bebauung spreche, dass durch die Entwicklung bzw. Revitalisierung dieses innerstädtischen Standortes die Inanspruchnahme unbebauter Flächen an anderen Standorten vermieden werden solle (S. 15). Die Beibehaltung der seit Jahrzehnten bestehenden eingeschossigen grenzständigen Bebauung diene der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (S. 16). Durch die grenzständige Bebauung würden auch nicht die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse beeinträchtigt. Hinsichtlich der Belüftung, Belichtung und Besonnung der Gebäude unter anderem entlang der C.------straße komme es durch die Grenzbebauung zu keiner relevanten Verschlechterung der in der Vergangenheit bestehenden Situation (S. 17). Die Verschattungsstudie des Dipl. N. . H. M. vom 12. Dezember 2013 komme zu dem Ergebnis, dass der Verzicht auf die Abstandflächen bzgl. der Verschattung jedenfalls zum Messzeitpunkt am 17. Januar irrelevant sei, da auch bei vollständigen Fehlen einer Bebauung die Besonnungsdauer nicht den Anforderungen der DIN 5034 genüge. Die Messung am 21. März habe gezeigt, dass die für die Tag- und Nachtgleiche empfohlene Besonnungsdauer von vier Stunden in allen Varianten, also einschließlich der maximal zulässigen Bebauung für einen Großteil der untersuchten Südfassaden, erreicht werde. Lediglich die Umsetzung des Schmalseitenprivilegs führe dazu, dass die am weitesten östlich gelegenen Fassaden der C.------straße ° und ° zu diesem Zeitpunkt weniger als vier Stunden besonnt werden würden. Am 17. Juli erreiche dagegen nahezu das gesamte Untersuchungsgebiet mit Ausnahme von eng bebauten Bereichen Sonnenscheindauern von mehr als 60 Minuten (S. 18). Bei der Interpretation der Ergebnisse sei zu berücksichtigen, dass Verschattungen in Innenstädten keine Seltenheit, sondern in vielen Bereichen den Regelfall darstellen, was jedoch nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe. Zudem zeige die Verschattungsstudie deutlich auf, dass die grenzständige eingeschossige Bebauung zu keiner zusätzlichen Verschattung der benachbarten Wohngebäude führe. Auch eine Bebauung mit einem Mindestabstand von 3 m würde zu keiner Verbesserung führen. Das Ausmaß der zusätzlichen Verschattungsdauer werde durch die Blockrandbebauung sowie das erste und zweite Obergeschoss der Innenhofbebauung beeinflusst (S. 19). Diese Bebauung halte jedoch die bauordnungsrechtlichen Abstandflächen ein, so dass Verschattungseffekte regelmäßig hinzunehmen seien. Es sei zudem davon auszugehen, dass die Fassaden mit Fernstern und Türen ausgestattet werden würden, wenn die Errichtung von Baukörpern mit einem Mindestabstand von 3 m erfolgen würde und damit die angrenzende Wohnnutzung eher beeinträchtigt werden würde. Im Rahmen der Abwägung dürfe nicht verkannt werden, dass die grenzständige Bebauung per se eine Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke darstelle. Die Verschattungsstudie zeige aber auch, dass durch die grenzständige Bebauung keine Verschattung der Fassaden hervorgerufen werde, da der Abstand zu der nördlich gelegenen Bebauung so groß sei, dass keine nachteiligen Auswirkungen für die Belichtung von Räumen hervorgerufen würden. Aufgrund der jahrzehntelang bestehenden grenzständigen Bebauung in identischer Höhe, der Notwendigkeit der Schaffung möglichst großer Flächen für den Einzelhandel im zentralen Versorgungsbereich und angesichts der Verschattung nur der südlichsten Gartenbereiche, nicht aber des Gartenbereiches südlich vor den Häusern, wo sich auch Terrassen befänden, sei es im Rahmen der Abwägung gerechtfertigt, die grenzständige Bebauung mit zwingender Höhe festzusetzen. Schließlich werde die Anwendbarkeit des 16 m-Privilegs für den maximal dreigeschossig bebaubaren Teil des Kerngebiets ausgeschlossen, da die Besonnungsdauer bei einer Inanspruchnahme des 16 m-Privilegs deutlich verschlechtert werde.
25Mit Beschluss vom 30. Juni 2014 (4 BN 38.13) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des OVG NRW vom 26. April 2013 zurück.
26Das Gericht hat mit Beschluss vom 17. September 2015 in der mündlichen Verhandlung die Verfahren 5 K 3162/11, 5 K 4283/12 und 5 K 4284/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
27Der Kläger ist der Ansicht, die Baugenehmigung verstoße gegen bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften. Insbesondere werde die genehmigte grenzständige Bebauung nicht durch den Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße/C.------straße “ legitimiert, da dieser unwirksam sei. Dies folge aus der Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 7, da diese weder hinreichend bestimmt sei noch auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützt werden könne. Es reiche vorliegend nicht aus, wenn textlich bestimmte, letztlich einzuhaltende Innenraumpegel als Ziel vorgegeben werden würden, deren Einhaltung durch bauliche und sonstige technische Vorkehrungen sichergestellt werden müssten, ohne dass die Vorkehrungen näher bestimmt werden würden. Reine Emissions- und Immissionsgrenzwerte seien keine Vorkehrungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB.
28Da auch der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Str. / A.-------straße “ sowie der Vorgängerbebauungsplan Nr. °°° unwirksam seien, müssten Abstandflächen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze eingehalten werden.
29Zudem verstoße das Vorhaben gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Rücksichtslosigkeit resultiere vor allem aus der Länge und Höhe der in den Blockinnenbereich hineinragenden Grenzbebauung. Die ungegliederte eingeschossige Grenzwand wirke in Kumulation mit den darüber hinaus ragenden weiteren Geschossen auf die angrenzenden schmalen Grundstücke erdrückend. Hinzu komme, dass bis zum Abriss die bestehende „Blockinnenbebauung“ aus einem zweigeschossigen, fensterlosen Baukörper, dessen Dachflächen nicht zum Betreten von Menschen bestimmt gewesen seien, bestanden habe. Der nunmehr genehmigte Baukörper biete dem gegenüber zahlreiche Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück des Klägers. Neben Fenstern seien insofern auch die durch die abgestufte Bauweise entstehenden Dachterrassen zu benennen. Die Fenster sowie die Terrassen würden damit künftig genau vis à vis des Gartens, aber auch der Fenster des vom Kläger bewohnten Gebäudes liegen. Die Möglichkeit, sich durch entsprechende Bepflanzung abzuschirmen und so vor Blicken der Nachbarn zu schützen, bestehe nicht mehr. Insbesondere wäre die Anpflanzung einer ausreichend hoch bemessenen Hecke nicht realisierbar. Dem Kläger blieben künftig keine Rückzugsmöglichkeiten mehr. Die rückwärtigen Ruhe- und Erholungsflächen würden künftig der permanenten Einsichtnahme durch die Benutzer des Bauvorhabens ausgesetzt sein.
30Hinsichtlich der ersten und zweiten Nachtragsbaugenehmigung ist der Kläger der Auffassung, es handele sich um keinen einfachen Nachtrag, sondern um ein Aliud, da beide Genehmigungen derart umfangreich seien, dass nicht lediglich eine Modifizierung vorliege. Durch die Genehmigung von Einzelhandelsnutzungen sei erstmals über bodenrechtlich relevante Nutzungen entschieden worden.
31Der Kläger beantragt – schriftsätzlich – (sinngemäß),
32die Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 in Gestalt der ersten Nachtragsbaugenehmigung vom 29. Juni 2012 und der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 17. Juli 2012 aufzuheben.
33Die Beklagte beantragt – schriftsätzlich -,
34die Klage abzuweisen.
35Sie ist der Ansicht, die Baugenehmigung verstoße nicht gegen bauordnungsrechtliche Abstandflächenvorschriften, da die durch den rechtmäßigen Bebauungsplan Nr. °/°° festgesetzte Baulinie entlang der südlichen Grundstücksgrenze eine grenzständige Bebauung des ersten Vollgeschosse ermögliche. Bei der ordnungsgemäßen Abwägung der öffentlichen und privaten Belange habe der Plangeber dem Interesse an einer sinnvollen Nachnutzung des Grundstücks den Vorrang eingeräumt. Im Rahmen der Abwägungsentscheidung sei ein sachgerechter Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung einer großflächigen Bebauung in zentraler Lage im Stadtteil S. und den von den Planungsabsichten betroffenen angrenzenden Grundstückseigentümern am Erhalt ihrer Freiflächen und einer von den Auswirkungen der Bebauung möglichst unbelasteten Wohnlage getroffen worden. Bei der Gewichtung der Belange sei der Umstand berücksichtigt worden, dass bereits das ehemalige I. - Gebäude bis zu den rückwärtigen Grenzen der Wohnung Grundstücke entlang der C.------straße gereicht habe und die Eigentümer ihre Grundstücke wie in den vergangenen 50 Jahren auch ohne Einhaltung von Abstandsflächen sinnvoll nutzen könnten.
36Entgegen der Auffassung des Klägers handele sich bei der ersten und zweiten Nachtragsbaugenehmigung nicht um ein aliud zur ursprünglichen Baugenehmigung. Zudem seien nachbarliche Belange durch die Inhalte des 2. Nachtrags weder in bauplanungs- noch in bauordnungsrechtlicher Sicht betroffen. Demnach stelle es auch keine Beeinträchtigung der Rechte des Klägers dar, wenn – seiner Auffassung zufolge – hinsichtlich der Nachtragsgenehmigung ein eigenständiges Genehmigungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen.
37Die Beigeladene beantragt – schriftsätzlich -,
38die auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 gerichtete Klage abzuweisen.
39Zur Begründung führt sie aus, ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Abstandflächenvorschriften liege nicht vor, da nach diesen Vorschriften eine Abstandfläche wegen der im Bebauungsplan festgesetzten Baulinie nicht erforderlich sei.
40Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß sei bereits deshalb ausgeschlossen, da die Abstandvorschriften eingehalten werden. Zum anderen habe die Beklagte die Belange des Klägers in die bauleitplanerische Abwägung eingestellt und dem öffentlichen Interesse an einer sinnvollen Nachnutzung des für den Stadtteil S. bedeutsamen Standorts den Vorrang eingeräumt. Damit verbleibe kein Spielraum mehr für die Anwendung des Gebots der Rücksichtnahme. Eine Korrektur im Wege der „Nachsteuerung“ über das Gebot der Rücksichtnahme im Baugenehmigungsverfahren sei nicht zulässig. Schließlich sei auch nicht von unzumutbaren Einsichtmöglichkeiten auf das Grundstück des Klägers auszugehen. Die Bauteile des Vorhabens lägen mindestens 25 m von der Rückfront des Hauses der Kläger entfernt. Außerdem handele es sich bei den zum Grundstück des Klägers gelegenen Räumen des ersten und zweiten Obergeschosses um Büros, so dass der Kläger allenfalls in den üblichen Bürozeiten Einblicken auf seinen Garten ausgesetzt sei. Der Kläger könne sich schließlich durch eine Bepflanzung seines Grundstücks, durch Fenstervorhänge und ähnliche Maßnahmen ohne weiteres vor Einblicken schützen.
41Selbst wenn das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen wäre, bräuchte das Vorhaben der Beigeladenen keine Abstandfläche zum Grundstück des Klägers einzuhalten. Da der Abriss des ehemaligen I. -Gebäudes in unmittelbarem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausführung des mit der angefochtenen Baugenehmigung zugelassenen Vorhabens stehe, präge das beseitigte Gebäude die Eigenart der näheren Umgebung, so dass nicht anders als das beseitigte ehemalige Kaufhaus auch das neue Gebäude ohne Einhaltung einer Abstandfläche an die rückwärtige Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstückes gebaut werden dürfe. Aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges gehe die Verkehrsauffassung davon aus, dass auch das neue Gebäude grenzständig an das Grundstück des Klägers gebaut werde.
42Die Beigeladene stellt im Übrigen keinen Antrag.
43In der mündlichen Verhandlung am 17. September 2015 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
44Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
45Entscheidungsgründe:
46Über die Klage entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten die zuständige Berichterstatterin, vgl. § 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
47Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
48Die angefochtene Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 in Gestalt der ersten Nachtragsbaugenehmigung vom 29. Juni 2012 und der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 17. Juli 2012 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
49Zunächst handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers bei den ersten beiden Nachtragsbaugenehmigungen nicht um ein sog. „Aliud“ zur ursprünglichen Baugenehmigung. Grundsätzlich lässt sich die Frage, wie weit die Wirkung einer Baugenehmigung reicht und in welchem Fall ein „aliud“ gegenüber der beantragten Anlage vorliegt, kaum allgemein oder „abstrakt“ beantworten.
50Vgl. Boeddinghaus, BauO, § 75 Rn. 46 mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27. Januar 1997 – 4 B 2/97 -.
51Demnach ist ein Aliud dann anzunehmen, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Bauobjekts als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, das heißt diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfordern. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Baugenehmigung, die sicherstellen soll, dass nur solche Bauvorhaben zur Ausführung gelangen, deren Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) von der Bauaufsichtsbehörde festgestellt worden ist.
52Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 21. Februar 2007 – 10 A 27/07 -, vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 - und vom 7. November 1996 -7 A 4820/95 -, jeweils zitiert nach juris.
53Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des OVG NRW eine bereits erteilte Baugenehmigung nur dann durch eine Nachtragsbaugenehmigung ergänzt oder geändert werden, soweit dadurch das Vorhaben nicht in seinem Wesen verändert wird. Die Nachtragsbaugenehmigung ist zwar ein Verwaltungsakt, der eine eigene Regelung mit Außenwirkung beinhaltet, sie modifiziert aber nur die ursprünglich erteilte Baugenehmigung und rechtfertigt – für sich genommen – die Verwirklichung des Vorhabens nicht. Sie betrifft kleinere Änderungen, darf aber inhaltlich nicht ein von dem Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben - „aliud“ - regeln.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 -, zitiert nach juris.
55Dies zugrundegelegt, wird das Vorhaben durch die ersten beiden und von dem Kläger allein angefochtenen Nachtragsbaugenehmigungen nicht in seinem Wesen verändert. Da die erste Nachtragsbaugenehmigung lediglich die Einrichtung von vier Läden im Unter- und Erdgeschoss (namentlich Deichmann, Aldi, Edeka und dm) und die zweite Nachtragsbaugenehmigung die Raumaufteilung und Grundrissänderung im ersten und zweiten Obergeschoss sowie Änderungen an der Fassade genehmigt, sind hierdurch nicht im oben beschriebenen Sinne baurechtlich relevante Kriterien betroffen, die die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens als solches insgesamt neu in Frage stellen. Vielmehr wird bereits durch die ursprüngliche Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 Einzelhandelsnutzung im Unter- und Obergeschoss zugelassen, so dass sich die erste Nachtragsbaugenehmigung als bloße Konkretisierung des bereits genehmigten Umfangs darstellt. Nichts anderes gilt für die Grundrissänderungen im ersten und zweiten Obergeschoss, da durch die veränderte Nutzungsaufteilung in drei statt in zwei Nutzungseinheiten das Vorhaben als solches nicht berührt wird.
56Die angefochtene Baugenehmigung vom 29. Juni 2011, einschließlich der angefochtenen ersten und zweiten Nachtragsbaugenehmigung, verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
57Insbesondere verletzt sie den Kläger nicht wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Abstandflächenvorschriften in seinen Rechten. § 6 BauO NRW vermittelt dem Kläger insoweit ein Abwehrrecht, als dass dieser die Einhaltung von Abstandflächen gegenüber seinem Grundstück geltend machen kann. Ein in Bezug auf die gemeinsame Grundstücksgrenze festzustellender Verstoß gegen Abstandflächenvorschriften liegt hier allerdings nicht vor.
58Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Nach Satz 2 a) der Vorschrift ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Da der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße/C.------straße “ in Bezug auf die gemeinsame Grundstücksgrenze zum Kläger eine Baulinie im Sinne des § 23 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) festsetzt, ist die grenzständige Bebauung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 a BauO NRW zulässig und ein Verstoß gegen Abstandflächenvorschriften ausgeschlossen.
59Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 – 4 C 19.90 -, zitiert nach juris.
61Demnach wäre hier der Bebauungsplan Nr. °°° „S1. Straße/C.------straße /S2.---straße “ maßgeblich, da der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße/A.-------straße “, der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung in Kraft war, durch Urteil des OVG NRW vom 26. April 2013 für unwirksam erklärt wurde.
62Allerdings haben spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn außer Betracht zu bleiben, während nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste.
63Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 -, mit Bezug auf BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1965 – 4 C 3.65 – und Beschluss vom 22. April 1996 – 4 B 54.96 -, sowie OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 10 B 305/07 -, jeweils zitiert nach juris.
64Der Bebauungsplan Nr. °/°° „S1. Straße/C.------straße “ enthält nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Beigeladenen. Durch diesen wird zum einen die grenzständige Bebauung und zum anderen eine bis zu dreigeschossige Bebauung, sofern diese einen Abstand von 0,8 H einhält, entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Kläger ermöglicht.
65An der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. °/°° bestehen keine Bedenken, insbesondere wurde er ordnungsgemäß bekannt gemacht.
66Die den Abwägungsvorgang betreffenden Rügen wären zudem inzwischen nach Überschreiten der Jahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Baugesetzbuches (BauGB) verspätet.
67Die Planerhaltungsvorschriften unterscheiden zwischen Mängeln im Abwägungsvorgang und Mängeln im Abwägungsergebnis. Mängel im Abwägungsvorgang sind nur unter den in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB genannten Voraussetzungen beachtlich. Nach beiden Vorschriften muss der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein. Ein hiernach beachtlicher Mangel des Abwägungsvorgangs muss innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sein; andernfalls wird er, wenn bei Inkraftsetzung der Satzung auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist, gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 BauGB unbeachtlich. Ein Mangel im Abwägungsergebnis ist demgegenüber stets beachtlich; er führt unabhängig vom Vorliegen weiterer Mängel der Abwägung zur (Teil-) Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 – 4 CN 2/10 -, mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris.
69An der Wirksamkeit des Abwägungsergebnisses als solchem hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel. Insbesondere liegen keine Anhaltpunkte für die Unwirksamkeit der Festsetzung einer Baulinie gemäß § 23 Abs. 2 BauNVO entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze sowie der Zulässigkeit einer bis zu dreigeschossigen Bebauung, sofern diese einen Abstand von 0,8 H einhält, vor, noch wurden solche seitens des Klägers vorgetragen.
70Sofern der Kläger die textliche Festsetzung Nr. 7 für unwirksam hält, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Zwar können die den Lärmschutz betreffenden Festsetzungen grundsätzlich nachbarschützende Wirkung entfalten. Dies gilt allerdings nur, soweit eine Verletzung der Rechte des Klägers durch die Festsetzung überhaupt in Betracht kommt. Da sich die textliche Festsetzung Nr. 7 jedoch ausschließlich auf den Bereich der siebengeschossigen Bebauung bezieht, ist eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten von vornherein ausgeschlossen. Denn die Festsetzung dient vor allem der Sicherstellung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse der sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen (vgl. Seite 23 der Planbegründung). Eine Betroffenheit des Klägers durch Nichteinhaltung der dort genannten Innenraumpegel aufgrund der vermeintlichen Unwirksamkeit der Festsetzung erscheint damit von vornherein ausgeschlossen. Zum anderen hat das Gericht auch ungeachtet dessen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Festsetzung. Insbesondere genügt die beispielhafte Benennung von baulichen Maßnahmen an Außentüren, Fenstern, Außenwänden und Dächern den Bestimmtheitserfordernis an die zu treffenden baulichen und sonstigen Vorkehrungen. Durch diese Formulierung kann der Bauherr bereits der Festsetzung hinreichend genau entnehmen, inwiefern baulichen Maßnahmen zu treffen sind, wobei die Konkretisierung in zulässiger Weise erst im Genehmigungsverfahren erfolgt.
71Im Übrigen wurden von dem Kläger keine die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. °/°° nach sich ziehenden Gründe vorgetragen, noch sind sie sonst für das Gericht ersichtlich.
72Ein Verstoß gegen § 6 BauO NRW liegt neben der demnach aufgrund des Bebauungsplans Nr. °/°° zulässigen grenzständigen eingeschossigen Bebauung darüber hinaus nicht vor, da das Vorhaben die entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze getroffenen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. °/°° auch im Übrigen, namentlich hinsichtlich des zweiten und dritten Geschosses, einhält. Das zweite Geschoss weist eine Wandhöhe von 9,77 m auf. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 4, wonach – gleichlaufend mit der Vorschrift in § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO NRW - in dem Bereich der maximal dreigeschossigen Bebauung die Tiefe der Abstandfläche 0,8 H beträgt, ist zur klägerischen Grundstücksgrenze ein Abstand von 7,816 m einzuhalten. Das dritte Geschoss weist eine Wandhöhe von 13,4 m auf. Der Mindestabstand beträgt damit 10,72 m. Aus dem Amtlichen Lageplan vom 20. Juni 2011 geht hervor, dass diese Mindestabstände eingehalten werden.
73Ein Verstoß des Vorhabens gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegt ebenfalls nicht vor. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich hier nach § 30 Abs. 1 BauGB, da es im Geltungsbereich des am 28. März 2014 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. °/°° „S1. Straße/ C.------straße “ liegt.
74Der Kläger kann sich insbesondere nicht erfolgreich auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme berufen.
75Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
76Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13. November 2015 – 5 L 1900/15 -; jeweils zitiert nach juris.
77Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
78Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 3451/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
79Der Kläger kann sich hier bereits deshalb nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme berufen, da die Erwägungen im Zusammenhang mit der aufgrund der Festsetzung der Baulinie sowie der dreigeschossigen Bebauungsmöglichkeit gebotenen Rücksichtnahme auf die Nutzungen in der Umgebung des Plangebiets bereits in die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange eingeflossen sind.
80§ 15 Abs. 1 BauNVO als Ausprägung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahme-gebots findet im Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich keine Anwendung mehr, wenn das Rücksichtnahmegebot von der vorausgegangenen planerischen Abwägung gleichsam „aufgezehrt“ ist. Die Vorschrift ergänzt lediglich die Festsetzungen des Bebauungsplans, soweit dieser selbst noch keine Lösung für bestimmte Konfliktsituationen enthält. Ihre Anwendung darf aber nicht zur Korrektur der planerischen Entscheidung führen. Grundsätzlich gebietet das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Gebot der Konfliktbewältigung, dass jeder Bebauungsplan die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen hat, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten der Betroffenen letztlich ungelöst bleiben.
81Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2014 – 10 B 1323/13 –, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8.12 -, zitiert nach juris.
82Hiervon ausgehend, ist die durch die grenzständige sowie dreigeschossige Bebauung entlang der nördlichen Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks verursachte Beeinträchtigung des Klägers in der den entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden Abwägung hinreichend berücksichtigt worden. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan vom 17. Dezember 2013 hat sich der Rat mit den Auswirkungen einer grenzständigen bzw. dreigeschossigen Bebauung zulasten der Nachbarn befasst. Nach umfassender Auswertung der Verschattungsstudie des Dipl. N. . H. M. vom 12. Dezember 2013 ist er zu dem Schluss gekommen, dass die grenzständige eingeschossige Bebauung zu keiner zusätzlichen Verschattung der nördlich und südlich benachbarten Wohngebäude führe. Auch eine Bebauung mit einem Mindestabstand von 3,0 m führe hier zu keiner Verbesserung. Das Ausmaß der zusätzlichen Verschattungsdauer der Wohngebäude und der Gärten werde im Wesentlichen durch die Blockrandbebauung sowie das 1. und 2. Obergeschoss der Innenhofbebauung beeinflusst. Da diese Bebauung jedoch die Abstandflächen gemäß § 6 BauO NRW einhalten müsse, seien dennoch entstehende Verschattungseffekte regelmäßig hinzunehmen (siehe S. 19 unten). An den Feststellungen der Verschattungsstudie, die der Einschätzung des Plangebers zugrunde lag, bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde hier – anders als bei der ursprünglichen und vom OVG NRW in seiner Entscheidung vom 26. April 2013 noch gerügten Verschattungsstudie - in die Bemessung der 17. Januar als wintertypische Tag einbezogen sowie eine worst-case Betrachtung vorgenommen. Hinzu kommt, dass der Plangeber in der textlichen Festsetzung Nr. 4 ausdrücklich die Anwendung des Schmalseitenprivilegs nach § 6 Abs. 6 BauO NRW ausgeschlossen hat, um somit zusätzliche Beeinträchtigungen für die angrenzenden Nachbarn auszuschließen.
83Aufgrund dieser umfassenden Berücksichtigung der Belange der im Norden angrenzenden Nachbarn sowie der Folgen einer grenzständigen Bebauung scheidet eine Korrektur des planerischen Willens über das Gebot der Rücksichtnahme vorliegend aus.
84Sofern sich der Kläger außerdem auf unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten auf sein Grundstück aufgrund der Möglichkeit der Errichtung bodentiefer Fenster an der nördlichen Außenwand sowie der Errichtung von Terrassen beruft, ist unabhängig von der Frage, ob auch diese Erwägungen in den Abwägungsvorgang eingeflossen sind und damit von dem Bebauungsplan aufgezehrt wurden, ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeschlossen. Denn die bodentiefen Fenster sowie Terrassen befinden sich im Bereich der zwei- bzw. dreigeschossigen Bebauung, die ihrerseits – wie gezeigt - die Abstandflächen im Sinne des § 6 BauO NRW einhalten. Für die Anwendung des bundesrechtlichen Rücksichtnahmegebots verbleibt jedoch aus tatsächlichen Gründen regelmäßig dann kein Raum, soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt.
85Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 – und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 11.05 -; OVG NRW, Beschl. v. 11. März 2003- 7 B 240/03 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 14. Oktober 2010 - 10 L 765/10 -; jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 9, 211.
86Die Vorschrift des § 6 BauO NRW soll durch Mindestabstände die Gefahr der Brandübertragung, der Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung, der unangemessenen optischen Beengung oder der Störung des Wohnfriedens vorbeugen und ganz allgemein vermeiden, dass die Lebensäußerungen der in der Nachbarschaft wohnenden und arbeitenden Menschen zu intensiv aufeinander einwirken (sog. Sozialabstand).
87Vgl. Beschluss der erkennenden Kammer vom 12. März 2012 – 5 L 1112/12 -, zitiert nach juris.
88Anhaltspunkte, die trotz des Einhaltens der Abstandflächenvorschriften gleichwohl einen qualifizierten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im oben genannten Sinne begründen, sind hier nicht feststellbar. Hinzu kommt vor allem, dass sich die Einsichtsmöglichkeiten sowohl auf geschäftsübliche Zeiten – und damit gerade nicht auf die besonders geschützten Abendstunden sowie auf Wochenenden – beschränken dürften als auch der Umstand, dass die rückwärtige Fassade des Gebäudes des Klägers etwa 20 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt liegt.
89Sofern der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund der auf dem Dach des Gebäudes errichteten Lüftungsanlage geltend macht, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Eine mit der – nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung entsprechend der Genehmigung erfolgten - Errichtung der Lüftungsanlage einhergehende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Kläger ist weder substantiiert vorgetragen noch aus sonstigen Gesichtspunkten erkennbar, zumal auch hier die Abstandflächen eingehalten werden.
90Schließlich verletzt die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 auch keine sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts.
91Eine Verletzung nachbarschützender Rechte durch die ebenfalls angefochtene erste Nachtragsbaugenehmigung vom 29. Juni 2012, mit der die Einrichtung von vier Einzelhandelsnutzungen im Unter- und Erdgeschoss genehmigt wurden, sowie durch die zweite Nachtragsbaugenehmigung vom 17. Juli 2012, mit der Änderungen der Grundrisse im 1. und 2. Obergeschoss sowie Änderungen an verschiedenen Fassaden und Veränderungen der Technikaufbauten auf dem Dach des Gebäudes genehmigt wurden, ist weder von dem Kläger vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
92Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1/3 für erstattungsfähig zu erklären, da dieser hinsichtlich der Klage gegen die Baugenehmigung vom 29. Juni 2011 mit Erfolg einen Antrag gestellt und sich damit dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat. Hinsichtlich der Klagen gegen die erste und zweite Nachtragsbaugenehmigung entspricht es der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da er keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
1 Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2 Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Hat eine Klage gegen den einen Dritten begünstigenden Verwaltungsakt – wie hier nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 212 a Baugesetzbuch (BauGB) – keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache ihre aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung sind das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
6Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Gunsten des Antragstellers aus. Seine Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich Erfolg haben. Es liegt ein aller Voraussicht nach zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts vor. Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
7Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück der Beigeladenen - unstreitig - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt.
8Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
9Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, BauR 1983, 449, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, DVBl. 1994, 697, und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, DVBl. 2000, 192; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360.
10Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit. Ein qualifizierter Verstoß ist hier mit dem Verlust des Doppelhauscharakters festzustellen.
11Die - ausweislich des vorliegenden Karten- und Bildmaterials - überwiegend durch Einzel- und Doppelhäuser in offener Bauweise geprägte Umgebung des Baugrundstücks und damit auch und gerade die auf den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen bereits vorhandene offene Bauweise in Form eines Doppelhauses hat nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung drittschützenden Charakter.
12Grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
13Für die nachbarschützende Wirkung ist dabei ohne Belang, ob sich die planungsrechtliche Grundlage für die Doppelhausbebauung aus den Festsetzungen eines Bebauungsplanes oder - wie hier - aus der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB ergibt. Sofern durch ein Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich das durch eine Doppelhausbebauung begründete nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht wird, liegt darin ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" verankerte Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise.
14OVG NRW, Urteil vom 19. April 2012 - 10 A 1035/10 -, juris.
15Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2007 - 10 B 1090/07 -, juris.
17Dementsprechend muss sich der Bauherr bei Erweiterungs- oder Umbauvorhaben an einer bereits errichteten Doppelhaushälfte an der bestehenden Grenzstellung der anderen Gebäudehälfte orientieren; die insoweit einmal vorhandenen baulichen Gegebenheiten können daher - auch und gerade für Um- und Ausbaumaßnahmen - als maßstabsbildende "Vorbelastung" wirken.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
19Das hier genehmigte Vorhaben ist daher nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise nur zulässig, wenn das geänderte Gebäude der Beigeladenen insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Antragstellers (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet; denn aufgrund der bereits existenten grenzständigen Giebelwand des bisherigen Hauses, die erhalten bleiben soll, kann das Gebäude der Beigeladenen in der hier prägenden maßgeblichen offenen Bauweise (weiterhin) nur als Doppelhaushälfte zulässig sein. Verliert eine Gebäudehälfte infolge eines Um- oder Ausbaus seinen Doppelhauscharakter, ist der Um- oder Ausbau bauplanungsrechtlich insoweit nicht zulässig.
20Die Annahme eines Doppelhauses in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO setzt voraus, dass die Gebäudehälften an einer Seite grenzständig zusammengebaut sind und im Übrigen den seitlichen Grenzabstand einhalten.
21Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar (Stand: Januar 2013), Bd. 5, § 22 BauNVO RdNr. 26.
22In Konkretisierung dieser Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt das Bundesverwaltungsgericht zum einen, dass die Gebäudehälften, um ein Doppelhaus zu bilden, nicht irgendwie zusammengebaut sein dürfen, sondern durch das Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit ("Gesamtkörper") zusammengefügt werden müssen. Kein Doppelhaus bilden daher zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige - praktisch allseitig freistehende - Baukörper erscheinen ("quantitatives Element").
23BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
24Damit allein ist der bauplanungsrechtliche Begriff des Doppelhauses aber noch nicht erfüllt. Die bauplanungsrechtliche Festsetzung als Doppelhaus verlangt nämlich ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein “qualitatives Element“.
25BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
26Aufeinander abgestimmt sind die Hälften eines Doppelhauses, wenn sie sich in ihrer Grenzbebauung noch als "gleichgewichtig" und "im richtigen Verhältnis zueinander" und daher als harmonisches Ganzes darstellen, ohne disproportional, als zufällig an der Grundstücksgrenze zusammengefügte Einzelhäuser ohne hinreichende räumliche Verbindung zu erscheinen. Denn kennzeichnend für die offene Bauweise ist der seitliche Grenzabstand der Gebäude; die Hälften des Doppelhauses müssen folglich gemeinsam als ein Gebäude in Erscheinung treten. Dementsprechend muss ein Haus, soll es Teil eines Doppelhauses sein, ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit dem zugehörigen Nachbarhaus aufweisen, indem es zumindest einen Teil der ihm Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Anderenfalls wäre der die Hausform kennzeichnende Begriff der baulichen Einheit sinnentleert. Allgemeingültige Kriterien lassen sich jedoch insoweit mit Blick auf die von § 22 Abs. 2 BauNVO verfolgten städtebaulichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes-, die keine einheitliche Gestaltung erfordern, nicht aufstellen. Regelmäßig geben Höhe, Breite und Tiefe, sowie die Zahl der Geschosse und die Dachform einem Haus seine maßgebliche Gestalt. Diese Kriterien können daher im Einzelfall Anhaltspunkte für die Beurteilung des wechselseitigen Abgestimmtseins geben. Auch Übereinstimmungen oder Abweichungen in der Kubatur der Häuser infolge hervortretender Bauteile, wie Dachterrassen, Gauben oder Anbauten können mitentscheidend für die Beantwortung der Frage sein, ob noch von einer baulichen Einheit und damit von einem Doppelhaus oder einer Hausgruppe die Rede sein kann. Insoweit erfährt ein geplantes Haus durch die bereits vorhandene Grenzbebauung eine das Baugeschehen beeinflussende Vorprägung. Umgekehrt trägt der Erstbauende das Risiko, dass die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Er kann nicht erwarten, dass die später errichtete Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben Umfang ausnutzt wie er es getan hat.
27OVG NRW Urteile vom 19. April 2012 – 10 A 1035/10-, juris, vom 28. Febraur 2012 -7 A 2444/09-, juris, und vom 16. August 2011 – 10 A 1224/09-, juris.
28Nach diesen Grundsätzen wird der Rahmen der wechselseitigen Grenzbebauung durch den genehmigten Um- und Anbau überschritten. Das Wohnhaus des Beigeladenen vermittelt nach der Umsetzung der Baugenehmigung den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus. Der streitgegenständliche Anbau tritt nach dem Umbau mit 5,25 m über mehr als die Hälfte der Tiefe beider Doppelhaushälften vor die bislang gemeinsame rückwärtige Außenwand und dies auf einer Breite von 9,38 m bei einer Gesamtbreite der Doppelhaushälfte der Beigeladenen von „nur“ 11,45 m. Hinzu kommt, obwohl es sich nur um einen eingeschossigen Anbau handelt, seine Gesamthöhe von 3,55 m oberhalb des Terrassenniveaus des Antragstellers. Damit erscheint der Anbau im Vergleich zum Nachbargebäude als massives einseitig in den Gartenbereich vorspringendes Bauteil. Dieser Eindruck wird noch erheblich dadurch verstärkt, das auch die Wohnfläche im Obergeschoss durch eine auf den Anbau aufgesetzte Dachterrasse, wenn auch mit einem Abstand von ca. 4,33 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, erweitert wird. Das Geländer der Dachterrasse ist nochmal 75 cm höher als der Anbau und erstreckt sich fast über die Hälfte der Grundfläche desselben. Auch die ganz erhebliche Abgrabung auf einer Breite von 7,28 m und einer Tiefe von ca. 1,90 m im Bereich des Kellergeschosses, zur Belichtung und Belüftung sowie Schaffung eines zweiten Rettungsweges der im Kellergeschoss neu zu schaffenden Aufenthaltsräume, verstärkt den Eindruck der Massivität des Anbaus. Darüber hinaus verfügt das Gebäude der Beigeladenen gartenseitig über eine Gaube mit vier Fenstern, die eine Breite von mehr als der Hälfte der darunterliegenden Gebäudewand aufweist. Damit ordnet sich das Wohnhaus der Beigeladenen insgesamt in seinem Dimensionen nicht mehr dem Gesamtbaukörper unter, sondern dominiert die rückwärtige Gebäudefront mit der Folge, dass von einem wechselseitigen Abgestimmtsein des Wohnhauses des Beigeladenen mit dem Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr ausgegangen werden kann. Angesichts der vorbeschriebenen grundlegenden Veränderung, die der vor die rückwärtige Außenwand tretende Anbau, der die Grundfläche des bisher Vorhandenen um etwas weniger als die Hälfte erweitert, für den Gesamtbaukörper mit sich bringt, genügt auch die Einheitlichkeit der straßenseitigen Gebäudefront nicht, um Gegenteiliges annehmen zu können. Während das Doppelhaus zuvor nahezu gleichgewichtige und harmonisch abgestimmte Haushälften aufwies, ist durch den genehmigten Anbau an die südliche Haushälfte ein disproportionales Ungleichgewicht entstanden.
29Ob die Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungssituation auf dem Grundstück des Antragstellers durch die Erweiterung des Nachbarwohnhauses bereits für sich genommen zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, kann daher offen bleiben.
30Ob das streitgegenständliche Vorhaben darüber hinaus auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, wie der Antragsteller meint, kann die Kammer ebenfalls offen lassen. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen kann, die Baugenehmigung verstoße wegen einer möglichen Standsicherheitsgefahr für den gemeinsamen Giebel gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts. Nach § 15 Abs. 1 BauO NRW muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks dürfen nicht gefährdet werden. Drittschützende Wirkung ist nur Satz 2 der Vorschrift beizumessen, der anders als Satz 1 auch dem Interesse des Nachbarn an dem Erhalt von Sachwerten und der Vermeidung von Personenschäden dient.
31OVG NRW Beschlüsse vom 28. Januar 2005 -10 B 2827/04-, juris und vom 9. Juli 2003 - 7 B 949/03 -, BRS 66 Nr. 138.
32Dass die von dem Antragsteller angesprochene Gefahr eines Absinkens des gemeinsamen Giebels durch Schaffung weiterer Wohnräume besteht, deren Fundament unterhalb der bisher vorhandenen Kellersohle zur Ausführung kommen soll, erscheint angesichts der von der Architektin im Ortstermin geschilderten Sicherungsmaßnahmen durch Schaffung einer Stahlstütze im kritischen Bereich wenig naheliegend, dies kann jedoch dahingestellt bleiben.
33Denn der Antragsteller kann sich auf eine mögliche Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Insoweit treffen die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW erteilten Baugenehmigungen nämlich keine Regelung. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren –wie hier- nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in den Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Vorschriften. § 15 BauO NRW zählt nicht hierzu.
34Offen lassen kann die Kammer auch die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung, die die Herstellung der nördlichen Stützmauer bis ca. 11 cm oberhalb des natürlichen Geländes und in einem Abstand von 80 cm zur gemeinsamen Grundstücksgrenze gestattet, wegen eines Verstoßes gegen § 6 BauO NRW rechtswidrig ist. Die Frage ist in Abhängigkeit davon zu beantworten, ob diese Stützmauer als Bauteil des Gebäudes und damit nach § 6 Abs. 1 BauO NRW oder als eigenständige bauliche Anlage nach § 6 Abs. 10 BauO NRW zu beurteilen ist. Das dürfte davon abhängen, ob es sich bei dieser Stützwand um einen bautechnisch und funktional untrennbaren Gebäudeteil des Wohnhausanbaus handelt.
35Vgl. zu dieser Abgrenzung OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 -7 A 3199/08-, juris, und Beschluss vom 19. Januar 1999 – 10 B 1/99-, juris.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach dabei nicht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt, sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des bei sog. Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,- EUR bis 15.000,- EUR und unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten planungsrechtlichen Bauvorbescheid für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks L. 35 in F. , das mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist. Das Wohnhaus ist zur Straßenseite zweistöckig und erscheint aufgrund des abschüssigen Gefälles im rückwärtigen Bereich dreistöckig. Im - von der Gartenseite aus betrachtet - ersten Obergeschoss befindet sich der Wohn- und Essbereich der Kläger. Auf östlicher Seite neben dem Wohngebäude befindet sich straßenseitig und grenzständig zum Grundstück des Beigeladenen eine Garage. Unmittelbar hinter der Garage befindet sich zudem, ebenfalls grenzständig, eine Terrasse, die vom Wohnhaus der Kläger aus zugänglich ist. Von der Terrasse führt eine Treppe in den Gartenbereich. Das Gebäude weist insgesamt eine Bebauungstiefe von etwa 17,5 m auf.
4Die in östliche Richtung angrenzenden Nachbargrundstücke, L. 31-33, sind derzeit ebenfalls mit einem Doppelhaus bebaut. Der etwa drei Meter breite Grundstücksabschnitt zwischen dem Wohnhaus L. 33 und der Grundstücksgrenze der Kläger ist unbebaut. Dieser Grenzabschnitt sowie der rückwärtige Gartenbereich des Vorhabengrundstücks weisen eine dichte Begrünung mit Büschen und teilweise weit über die Gebäudehöhe hinausragenden Bäumen auf.
5Am 24. Januar 2013 beantragte der Beigeladene die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für den Abriss der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück L. 31-33 sowie die Errichtung von zwei Wohngebäuden mit jeweils vier Wohneinheiten. Aus den Bauunterlagen sowie den eingereichten Zeichnungen geht unter anderem hervor, dass die oberen Gebäudeabschlüsse jeweils komplett gegenüber den Obergeschossen zurücktretende Flachdach-Staffelgeschosse bilden. Die Gebäude treten zur Straße zweigeschossig und zum Garten in Folge des nach hinten abfallenden Geländes dreigeschossig in Erscheinung. Das Wohngebäude weist zur Grundstücksgrenze der Kläger einen Abstand von etwa 3,48 m auf. Der versetzte hintere Teil des Wohngebäudes weist einen Abstand von etwa 5,86 m zur Grundstücksgrenze auf. Weiter ist unter anderem ein Stellplatz vorgesehen, der grenzständig zum Grundstück der Kläger errichtet werden soll. Der Stellplatz soll versetzt zu der Garage der Kläger errichtet werden, wobei die Länge des Stellplatzes über die Länge der Garage auf dem klägerischen Grundstück hinaus geht und damit in einer Länge von etwa 2,50 m in gleicher Höhe entlang der Terrasse der Kläger führt. Das zu errichtende Gebäude weist insgesamt eine Bebauungstiefe von etwa 21,50 m bzw. unter Einbeziehung der rückwärtigen Terrasse von 22,50 m auf.
6Unter dem 24. Juni 2013 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen den beantragten Vorbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig sei. Zur Begründung führte die Beklagte neben weiteren Aspekten unter anderem aus, das zur Liegenschaft „L. 35“ angrenzende Wohngebäude weise einen Abstand von ca. 3,48 m zu diesem auf und verspringe auf den hinteren 2,60 m auf einen Abstand von ca. 5,86 m zur Grundstücksgrenze. Daher sei das Rücksichtnahmegebot in Hinsicht auf die Belichtung des Nachbarn berücksichtigt worden. Schließlich füge sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
7Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 wurden die Kläger über die Erteilung des Vorbescheides von der Beklagten in Kenntnis gesetzt.
8Die Kläger haben am 25. Juli 2013 Klage erhoben.
9Sie sind der Ansicht, der Vorbescheid sei bereits wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots rechtswidrig. Obwohl es sich um einen planungsrechtlichen Vorbescheid handele, habe die Beklagte Ausführungen zu den bauordnungsrechtlichen Fragen des Abstandsgebots gemacht. Das Vorhaben des Beigeladenen füge sich mit seiner Bebauungstiefe von ca. 22,50 m nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und verletze dadurch das Gebot der Rücksichtnahme. Durch das Vorhaben würde die Dauer der Besonnung auf der Terrasse stark abnehmen. Derzeit falle morgens die Sonne ab 7.00 Uhr auf die Terrasse. Bei Realisierung des Vorhabens würde es erst ab ca. 12.00 Uhr zur Besonnung der Terrasse kommen. Der Erholungswert auf der Terrasse würde zudem erheblich sinken, da man von dort aus nur noch einen Tunnelblick in den Wald habe. Zudem würde durch das Vorhaben kaum noch Sonnenlicht in den Wohn- und Essbereich fallen, was zu einer erheblichen Verdunkelung führe. Aufgrund der Tiefe des geplanten Baus, der Nähe zur klägerischen Terrasse und aufgrund seiner zur Straße dreigeschossig und im Garten viergeschossig erscheinenden Bauweise wirke das Vorhaben gegenüber dem Haus der Kläger erdrückend. Auch die Stellplatzanordnung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Stellplatz befinde sich auf gleicher Höhe direkt neben der Terrasse der Kläger. Durch die Motorengeräusche, das Türenzuschlagen sowie die entstehenden Abgase werde die Nutzung auf der Terrasse als besonders geschützten Ort der Ruhe und Erholung unzumutbar beeinträchtigt. Es sei von einer regelmäßigen Nutzung des Stellplatzes auszugehen, da für jede Wohneinheit nur ein Stellplatz vorgesehen sei und die L. 31-33 nahverkehrstechnisch nicht gut angeschlossen sei. Da der Stellplatz auf gleicher Höhe wie die Terrasse errichtet werden solle, würden die Fahrzeuge direkt neben der Terrasse der Kläger abgestellt werden. Die Abschirmung durch die Errichtung eines Holzzaunes würde dagegen den Tunnelblick noch verschärfen. Schließlich sei es nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte bei Einhaltung eines Abstandes von 3,48 m davon ausgehe, das Rücksichtnahmegebot sei hinsichtlich der Belichtung nicht verletzt. Schließlich verstoße das Vorhaben auch gegen die Abstandsflächenvorschriften.
10Die Kläger beantragen,
11den Vorbescheid der Beklagten vom 24. Juni 2013 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Ansicht, der Vorbescheid erfülle die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot, da bauordnungsrechtliche Belange nicht geprüft worden seien. Die Nennung von Abständen habe lediglich der planungsrechtlichen Erläuterung des Vorhabens in der Hinsicht gedient, dass eine Beeinträchtigung der Belichtung des angrenzenden Grundstückes nicht ersichtlich sei. Hierdurch sei nicht der Anschein erweckt worden, dass das Vorhaben auch bauordnungsrechtlich zulässig sei. Die Überschreitung der Bebauungstiefe könne bereits nicht von den Klägern gerügt werden, da diese Aspekte das Maß der baulichen Nutzung beträfen und damit nicht nachbarschützend seien. Abgesehen davon sei die zulässige Bebauungstiefe aber eingehalten, da das Grundstück L. 43a eine deutlich größere Bebauungstiefe aufweise. Eine unzumutbare Störung der Kläger mit der Folge eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot sei weder erkennbar noch nachvollziehbar vorgetragen. Eine Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung auf dem Grundstück der Kläger sei weder auf der Terrasse noch im Wohn- und Essbereich erkennbar. Auch die Errichtung des grenzständigen Stellplatzes führe nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Kläger. Die von den Fahrzeugbewegungen zu erwartenden Geräusche seien nicht in der Lage die Kläger, insbesondere aufgrund der zu erwartenden Seltenheit, unzumutbar zu beeinträchtigen. Insgesamt sei der Stellplatz allenfalls als eine bloße Lästigkeit anzusehen.
15Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
16Die Berichterstatterin hat am 10. März 2014 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll sowie das im Rahmen des Ortstermins angefertigte Bildmaterial verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im Übrigen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
20Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufhebung des planungsrechtlichen Vorbescheides vom 24. Juni 2013, da dieser nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die Kläger daher nicht in ihren eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
21Die Kläger sind nicht bereits wegen Verstoßes des Vorbescheides gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in ihren Rechten verletzt. Unabhängig von der Frage, ob insoweit überhaupt gegenüber den Klägern nachbarschützende Rechte verletzt sein könnten, ist ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht festzustellen. Die Erwähnung der Abstandsflächen in der Begründung des planungsrechtlichen Vorbescheides diente offenkundig allein der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Beklagte durfte, wie noch unter Heranziehung der obergerichtlichen Rechtsprechung auszuführen sein wird, in zulässiger Weise zur Begründung, dass das Rücksichtnahmegebot nicht im Hinblick auf die Belichtung des klägerischen Grundstücks verletzt sei, auf das Kriterium der Abstandsflächen abstellen. Eine dem Baugenehmigungsverfahren vorbehaltene Prüfung des Einhaltens bauordnungsrechtlicher Vorschriften war damit ersichtlich nicht verbunden.
22Der Vorbescheid verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
23Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB), da das Grundstück des Beigeladenen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, für das ein Bebauungsplan nicht existiert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
24Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Art der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern dient einzig der Wohnnutzung und damit einer Nutzung, die in der näheren Umgebung des Vorhabens vorherrschend ist.
25Soweit sich die Kläger darauf berufen, das Vorhaben überschreite die zulässige Bebauungstiefe, handelt es sich dabei um ein Kriterium, welches das Maß der baulichen Nutzung betrifft und damit um ein solches, das regelmäßig nicht nachbarschützender Natur ist. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
26Vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
27Das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
28Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
29Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
30Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
31Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 2. Januar 2014 – 5 K 1658/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
32Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass Beeinträchtigungen, die ein Vorhaben dadurch verursacht, dass es beim Grenzabstand ein bestimmtes Maß unterschreitet, vom hierdurch betroffenen Nachbarn grundsätzlich dann hingenommen werden müssen, wenn die landesrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten sind. Diese landesrechtlichen Abstandsvorschriften zielen im Interesse der Wahrung sozial verträglicher Verhältnisse nicht zuletzt darauf ab, eine ausreichende Belichtung und Besonnung von Gebäude- und sonstige Teile des Nachbargrundstücks sicherzustellen. Der Nachbar, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens zu Wehr setzt, kann unter diesem Blickwinkel grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des Abstandsflächenrechts hinausgeht, da die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften insoweit ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 -, mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
34Bereits unter diesem Gesichtspunkt verstößt das Vorhaben des Beigeladenen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn die durch das Vorhaben im Verhältnis zum Grundstück der Kläger ausgelösten Abstandflächen dürften aufgrund der Anwendung des hier einschlägigen § 6 Abs. 6 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) noch auf dem Grundstück des Beigeladenen liegen.
35Anhaltspunkte, die gleichwohl einen qualifizierten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im oben genannten Sinne begründen können, sind hier nicht feststellbar. Das Vorhaben des Beigeladenen ist weder im Hinblick auf eine Einschränkung der Belichtung noch hinsichtlich des grenzständigen Stellplatzes gegenüber den Klägern rücksichtslos und wirkt ihnen gegenüber auch nicht erdrückend.
36Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass durch das Vorhaben die Besonnung und Belichtung auf der neben dem Wohnhaus der Kläger errichteten Terrasse sowie in dem Ess- und Wohnbereich in unzumutbarer Weise eingeschränkt wird. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich um eine östliche Bebauung handelt, so dass das Kriterium der eingeschränkten Belichtung von vornherein nur möglicherweise in den Morgenstunden greifen kann, spätestens jedoch ab der Mittagszeit eine Beeinträchtigung gänzlich ausgeschlossen ist. Wie im Rahmen des Ortstermins festgestellt und anhand des angefertigten Fotomaterials nachvollzogen werden kann, ist bereits um elf Uhr eine direkte Sonneneinstrahlung auf der Terrasse aufgrund ihrer Errichtung auf der östlichen Seite des Wohngebäudes kaum mehr möglich. Sofern sich die Kläger auf die Morgenstunden zwischen Sonnenaufgang und elf Uhr beziehen, ist für die Kammer bereits nicht nachvollziehbar, wie es in diesen Stunden zu einer vollständigen Besonnung der Terrasse kommen kann. Der derzeit vorhandene Baukörper dürfte vielmehr auch in diesen Stunden eine direkte Sonneneinstrahlung einschränken.
37Selbst wenn die im derzeitigen Zustand vorliegende Belichtung und Besonnung des Grundstücks der Kläger durch das Vorhaben des Beigeladenen vermindert wird, so erfolgt dies nicht in einem solchen Maß, dass die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten wird. Insbesondere muss in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet - und nicht nur in Innenstadtlagen - immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks beziehungsweise von Wohnräumen kommt.
38Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 – und vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 – sowie Beschlüsse vom 16. Januar 2014 – 7 A 1776/13 – und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 -; jeweils zitiert nach juris.
39Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Vorhaben gegenüber dem Grundstück der Kläger gegenüber rücksichtslos ist, weil von ihm eine erdrückende Wirkung ausgeht. Eine erdrückende Wirkung wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund des Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 – und vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 – 7 A 3199/08 -, sowie Beschlüsse vom 5. August 2013 – 7 B 674/13 -, vom 9. Juli 2010 – 2 A 1263/09 – und vom 18. Juli 2010 – 10 A 1417/09 -; jeweils zitiert nach juris.
41Von einer solchen Wirkung kann angesichts der konkreten Lage und Größe der Gebäude, die sich ohne weiteres aus dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial ergibt, sowie aufgrund des Eindrucks der Berichterstatterin von der Örtlichkeit, den sie der Kammer vermittelt hat, nicht die Rede sein. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Vorhaben des Beigeladenen gegenüber den Klägern durchaus eine Mehrbelastung in der Hinsicht darstellt, als es größer und aufgrund des Staffelgeschosses mit Flachdach massiver wahrgenommen wird als die jetzige Bebauung. Zudem wird aufgrund der Bebauungstiefe der freie Blick in den begrünten rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen nicht mehr in dem Maße genossen werden können wie es derzeit noch möglich ist. Allerdings bestehen für die Annahme eines „Tunnelblicks“ aufgrund der Bebauungstiefe kaum Anhaltspunkte. Der bloße Umstand, dass die geplante Bebauung die derzeit vorhandene Bebauung in seiner Tiefe um etwa fünf Meter überschreitet, kann nicht dazu führen, dass von einem nunmehr entstandenen „Tunnelblick“ auszugehen ist. Hinzu kommt, dass der Blick ins Grüne lediglich von der Terrasse der Kläger aus betrachtet eingeschränkt wird. Dabei handelt es sich um eine freie Sicht über das Grundstück des Beigeladenen hinaus. Den Klägern bleibt es jedoch unbenommen von der an das Wohnhaus im rückwärtigen Bereich angrenzenden Terrasse sowie dem gesamten Gartenbereich aus, weiterhin ungehindert den Blick in die Natur zu genießen. Sie können im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht beanspruchen, dass der einmal gegebene Ausblick aufgrund fehlender Bebauung auf dem Nachbargrundstück auch in Zukunft unverändert bestehen bleibt.
42Insofern trägt der Eigentümer des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich typischerweise das Risiko, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht können auch die Kläger für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
43Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 – mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -.
44Darüber hinaus verstößt auch der grenzständig und in einer Länge von etwa zweieinhalb Metern entlang der Terrasse der Kläger verlaufende Stellplatz nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
45Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs ist dabei auch hier zu berücksichtigen, dass für die Anwendung des bundesrechtlichen Rücksichtnahmegebots aus tatsächlichen Gründen regelmäßig dann kein Raum bleibt, soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt.
46Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 – und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 11.05 -; OVG NRW, Beschl. v. 11. März 2003- 7 B 240/03 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 14. Oktober 2010 - 10 L 765/10 -; jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 9, 211.
47Demnach ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dann anzunehmen, wenn eine etwaige Baugenehmigung gegen das bauordnungsrechtlich verankerte Gebot der Rücksichtnahme nach § 51 Abs. 7 BauO NRW verstoßen würde.
48Nach dieser Bestimmung müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm oder Gerüche das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stören. Die Frage, wann die Benutzung von Stellplätzen und Garagen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohnräumen der betreffenden Nachbarn befindet.
49Vgl. OVG NRW, Urt. v. 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschl. v. 11. März 2003 - 7 B 240/03 – und v. 30. August 2013 – 7 B 252/13; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, jeweils zit. nach juris.
50Entscheidend ist weiter der Umstand, wie der Bereich, in dem die Stellplätze oder Garagen errichtet werden sollen bzw. in dem sie sich auswirken werden, zu qualifizieren ist. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch die Nutzung von Stellplätzen oder Garagen verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze oder Garagen wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, nahe der Straße untergebracht werden. Andererseits werden Lärm- und Geruchsbelästigungen von Stellplätzen oder Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen eher die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Die Grenze ist umso niedriger anzusetzen, je empfindlicher und schutzwürdiger der Bereich, in dem die Stellplätze errichtet werden sollen, hinsichtlich der in § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW genannten Schutzgüter ist.
51Vgl. OVG NRW, Urt. v. 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschl. v. 11. März 2003 - 7 B 240/03 -, Urt. v. 24. Januar 2008 - 7 A 270/07 -, Urt. v. 4. September 2008 - 10 A 1678/07-, jeweils zit. nach juris.
52Bei der hiernach vorzunehmenden Bewertung ist in bauordnungsrechtlicher Hinsicht auch die gesetzgeberische Wertung in § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW zu berücksichtigten, wonach Garagen nebst deren erforderlichen Zuwegung sogar unmittelbar an der Nachbargrenze grundsätzlich hinzunehmen sind, und zwar gemäß § 12 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in allen Baugebieten. Dies bedeutet zugleich, dass auch die mit der Benutzung der Garage notwendigerweise verbundenen Geräusche (Öffnen und Schließen des Garagentores, Motorengeräusch des ein- und ausfahrenden PKW, Türenschlagen, Gespräche vor der Garage etc.) und die von dem PKW bei der Zu- und Abfahrt zur Garage verursachten Abgase nach der gesetzgeberischen Wertung auch und gerade an der Nachbargrenze grundsätzlich als zumutbar anzusehen sind.
53Vgl. OVG NRW, Urt. v. 10. Juni 2006 - 10 A 80/04 -, zit. nach juris.
54Darüber hinaus kommt es für die Frage der Zumutbarkeit von Stellplätzen und Garagen einschließlich ihrer Zufahrten maßgeblich darauf an, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Ist die Umgebung des Baugrundstücks bereits durch bauliche Nutzungen für Stellplätze belastet, können Nachbarn nicht damit rechnen, bei einer Neubebauung von jeglicher Störung durch derartige Nutzungen befreit zu werden.
55Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2008 – 7 B 449/08 - und vom 17. Januar 2011 – 7 B 1506/10 -, VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 10 L 765/10 -, jeweils zitiert nach juris.
56In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der grenzständige Stellplatz, unter Berücksichtigung der örtlichen und baulichen Gegebenheiten, die sich die Kammer anhand der vorliegenden Pläne und Karten erschlossen hat und aufgrund des Eindrucks der Berichterstatterin von der Örtlichkeit, den sie der Kammer vermittelt hat, gegenüber den Klägern als zumutbar. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Stellplatz auf einer Länge von etwa zweieinhalb Metern in gleicher Höhe entlang der Terrasse und damit entlang der geschützten Ruhe- und Erholungszone verläuft, ist eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht festzustellen.
57Es handelt sich zunächst um einen straßennah angeordneten Stellplatz. Damit liegt von vornherein eine planerische Konzeption vor, wie sie vom Gesetzgeber vorgesehen ist, da die Zufahrt zu dem Stellplatz lediglich über ein kurzes Stück des vorderen Grundstückteils führt und damit von vornherein die von Stellplätzen typischerweise ausgehenden Immissionen nicht in den besonders geschützten rückwärtigen Grundstücksbereich eindringen. Bei dem Abschnitt des Stellplatzes, der an der Terrasse entlang führt, handelt es sich zudem um den Bereich, in der das Fahrzeug zum Stehen kommen wird, so dass Immissionen, die typischerweise auf der Zufahrt zu einem Stellplatz zu erwarten sind, wie Beschleunigungsvorgänge etc, in diesem Bereich ausgeschlossen sind. Allein die Geräuschbelästigungen, die von abgestellten Fahrzeugen ausgehen können, wie etwa Türenschlagen oder Gespräche vor dem Fahrzeug genügen hier nicht für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass es sich um einen Stellplatz handelt, der allein dem Mehrfamilienhaus zugeordnet wird. Dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es – anders als beispielsweise bei Stellplätzen von gewerblich oder freiberuflich genutzten Gebäuden – lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird und die Stellplätze auch und gerade in den Nachtstunden zwischen 22 Uhr und 6 Uhr im Rahmen einer Wohnnutzung eher selten angefahren werden. Ständige An- und Abfahrten von dem Stellplatz sind nicht zu erwarten. Ein Sichtschutz entlang der Grenze kann zudem die ohnehin nur in äußerst geringem Maße zu erwartenden Störungen von der Terrasse der Kläger zusätzlich abschirmen. Dass der Stellplatz auf gleicher Höhe wie die Terrasse angehoben werden soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegenteil, werden durch die Erhöhung zusätzliche Lärmimmissionen, die durch An- und Abfahrten auf einer Steigung entstehen können, ausgeschlossen. Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass bereits aufgrund der eigenen Garage der Kläger, der geschützte Bereich hinsichtlich stellplatztypischer Immissionen nicht unbelastet ist.
58Der Stellplatz auf dem Vorhabengrundstück weist auch in tatsächlicher Hinsicht keine atypischen Besonderheiten auf, wegen derer, weil die entsprechenden Belange noch nicht im Rahmen von § 51 Abs. 7 BauO NRW berücksichtigt wurden, das Vorhaben der Beigeladenen gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen könnte.
59Schließlich verletzt der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid auch keine sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts, soweit es aufgrund der Bauvoranfrage des Beigeladenen zu prüfen war.
60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt und sich somit dem Prozessrisiko nicht ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
61Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der baurechtlichen Genehmigung für den Dachgeschossausbau des Reihenhauses der Beigeladenen.
3Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 1000 mit der Bezeichnung Q. 20 in C. . Die Beigeladenen sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 960 mit der Bezeichnung Q. 18a. Die Grundstücke sind mit beidseitig grenzständigen Häusern bebaut; ihre zum Rhein hin gelegenen Gärten grenzen an die in diesem Bereich unbebaute H.-------straße . Die Häuser gehören zu einer am Ufer des Rheins nordwestlich der St.-N. -Kirche gelegenen zweigeschossigen Reihenhauszeile mit einer Länge von etwa 90 m. Die Gebäude liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 7526-12 der Beklagten, der u. a. ein reines Wohngebiet und geschlossene Bauweise sowie als Höchstmaß zwei Vollgeschosse festsetzt.
4Am Reihenhaus des Klägers befindet sich eine etwa 0,80 m breite Außentreppe, die vom Balkon des Obergeschosses in den Garten führt, dabei eine Höhe von ca. 3 m überwindet und etwa 4 m hinter der rückwärtigen Gebäudewand auf dem Gartengelände fußt. Die Treppe hält einen Abstand von etwa 0,2 m zum Grundstück der Beigeladenen. Der Errichtung dieser Treppe hatten die früheren Eigentümer des Grundstücks der Beigeladenen unter dem 10. Mai 1986 zugestimmt. Die Beklagte genehmigte die Außentreppe unter dem 21. Januar 1987 bauaufsichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 4) Bezug genommen.
5Im Dachgeschoss ist das Reihenhaus des Klägers nachträglich durch einen Aufbau erweitert worden. Dieser besteht aus einer Dachgaube mit einer vorgelagerten, durch eine bodentiefe Fenstertür erreichbaren und überdachten Dachterrasse sowie einem Fenster. Die Dachterrasse hat einen Abstand von 2,50 m zum Grundstück der Beigeladenen, das Fenster hält mit seiner seitlichen Begrenzung einen Abstand von 1,50 m zum Grundstück der Beigeladenen. Unter dem 27. Juni 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger die nachträgliche Genehmigung für den als „Gaube und Dachterrasse“ bezeichneten Dachaufbau. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 3) Bezug genommen.
6Die Beigeladenen stellten unter dem 27. September 2010 einen Bauantrag für den Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Errichtung von straßenseitigen Dachaufbauten sowie an der zum Rhein gewandten Seite. In den eingereichten Unterlagen erklärte der Entwurfsverfasser, das dargestellte Vorhaben entspreche den Anforderungen des Brandschutzes. Im Februar 2011 reichten die Beigeladenen neue Unterlagen für eine der Größe nach reduzierte Ausführung des Vorhabens ein. Wegen der Einzelheiten der Ausführung wird auf die mit einem Grünstempel versehenen Bauvorlagen (BA 2, Bl. 32 bis 34) Bezug genommen. Die Beklagte erteilte den Beigeladenen sodann unter dem 18. Februar 2011 die Baugenehmigung für das als Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und Errichtung einer Gaube zur Straßenseite und einer Gaube zur Gartenseite charakterisierte Vorhaben. Beigefügt war der Hinweis, die Genehmigung erfolge im vereinfachten Verfahren nach § 68 BauO NRW, im vereinfachten Genehmigungsverfahren erstrecke sich die bauaufsichtliche Prüfung nur auf den in § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW beschriebenen Umfang. Die Beigeladenen zeigten den Baubeginn bei der Beklagten am 27. Februar 2012 an.
7Der Kläger hat am 28. März 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Bei dem Vorhaben handele es sich nicht um eine Gaube, sondern um ein Zwerchhaus, welches eine seitliche Abstandfläche werfe, die auf seinem Grundstück liege. Es sei zwar kein Zwerchhaus im Rechtssinne, weil die Front nicht in Verlängerung der Hauswand aufsteige, sondern etwa 36 cm dahinter. Optisch bestehe jedoch kein Unterschied zwischen der genehmigten Gaube und einem Zwerchhaus. Es handele sich auch nicht um ein völlig untergeordnetes Bauteil, denn es diene dem Vollausbau des Dachgeschosses. Außerdem verstoße der Ausbau des Dachgeschosses gegen den Bebauungsplan. Dieser lasse nur eine zweigeschossige Bebauung zu. Bei dem Dachgeschoss der Beigeladenen handele es sich jedoch um ein drittes Vollgeschoss. Die hierzu vorgelegte Berechnung sei falsch. Auch seien die für den Brandschutz erforderlichen Abstandflächen nicht eingehalten. Schließlich verstoße das Vorhaben auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der wuchtige und massive Eindruck störe durch seine Neigung zum Dach hin. Es entstehe Schattenwurf auf sein Grundstück. Insbesondere seien sein Balkon, der an das Haus grenzende Teil des Gartens und die Räumlichkeiten zum Garten hin betroffen.
8Der Kläger hat beantragt,
9die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. Februar 2011 aufzuheben.
10Die Beklagte hat - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 8 L 403/12 - in der Sache Stellung genommen.
11Die Beigeladenen haben im erstinstanzlichen Verfahren - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - ebenfalls den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2012 abgewiesen.
13Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ab. Es liege ein Verstoß gegen das Abstandflächenrecht vor. Das Verwaltungsgericht habe das in Rede stehende Bauteil zu Unrecht als Dachgaube angesehen, obwohl es als Zwerchhaus einzustufen sei. Es verlängere die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich. Dass das Zwerchhaus nicht voll auf der Außenwand aufsitze, sondern um 36 cm zurückgebaut sei, ändere daran nichts. Optisch sei keinerlei Unterschied zum direkten Aufsetzen auf die Außenwand zu erkennen. Das Zwerchhaus stelle sich als selbständiges Bauteil dar. Es ordne sich nach Ausmaß und Gestaltung gegenüber dem Dach nicht unter. Es liege auch ein Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor. Der Mindestabstand betrage nach dem Gesetz 1,25 m, der genehmigte Abstand dagegen nur 73,5 cm. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Gaube in der Feuerwiderstandsklasse F 90 errichtet worden sei und dass deshalb das Abstandgebot nach der Kommentierung zur Bauordnung entfalle. Diese Literaturmeinung widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut. Abgesehen davon sei ein danach mögliches Verfahren nach § 73 BauO NRW nicht durchgeführt worden. Die Beklagte müsse auch nach § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO Anforderungen des Brandschutzes prüfen. Dass diese Anforderungen nicht eingehalten seien, folge schon daraus, dass die Fenster der Gaube geöffnet werden könnten. Der Dachaufbau weise auch eine erdrückende Wirkung auf. Seine eigene Dachgaube sei bauaufsichtlich genehmigt. Sie sei in bescheidener Größe errichtet und halte die Abstandflächen vorn und seitlich ein. Die auf seinem Grundstück vorhandene grenznahe Außentreppe sei ebenfalls bauaufsichtlich genehmigt und zudem mit Zustimmung der früheren Eigentümer des Nachbargrundstücks errichtet worden. Es gehe ihm um die zum Garten hin befindliche Dachgaube der Beigeladenen.
14Der Kläger beantragt,
15den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
16Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag. Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag im Verfahren 8 L 403/12. Ergänzend führt sie aus: Am 10. April 2014 habe eine Ortsbesichtigung im Haus der Beigeladenen stattgefunden. Nach den von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen sei die Gaube in F 90-Bauart ausgeführt. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren seien brandschutztechnische Anforderungen nach § 17 BauO NRW nicht zu prüfen.
17Die Beigeladenen stellen im Berufungsverfahren ebenfalls keinen Sachantrag.
18Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen und tragen im Wesentlichen vor: Die Gaube löse keine Abstandfläche aus. Sie sei um 36 cm zurückgesetzt, es handele sich eindeutig nicht um ein Zwerchhaus. In der näheren Umgebung befänden sich verschiedene vergleichbare Dachaufbauten. Der erforderliche Brandschutz sei durch eine Fachbauleitererklärung vom 7. August 2012 und weitere Unterlagen nachgewiesen. Die Beklagte habe die Beachtung des Brandschutzes am 12. März 2012 bestätigt.
19Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 27. Mai 2014 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die hierzu gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch zu dem in der Hauptsache erledigten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 8 L 403/12 - und der beigezogenen bauaufsichtlichen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben; §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO.
23Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
24Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die angefochtene Genehmigung vom 18. Februar 2011 gegen Bestimmungen verstößt, die auch seinem Schutz als Nachbar der Beigeladenen dienen. Dies gilt sowohl für das Bauordnungsrecht (dazu A.) als auch für das Bauplanungsrecht (dazu B.).
25A. Die Genehmigung leidet nicht an einem Verstoß gegen nachbarschützendes Bauordnungsrecht, auf den sich der Kläger berufen kann. Ein Verstoß gegen nachbarrechtsrelevantes Abstandrecht gemäß § 6 BauO NRW liegt zwar vor, weil das zur Rheinseite gelegene Vorhaben der Beigeladenen Abstandflächen auslöst, die auf das Grundstück des Klägers fallen; auf diesen Verstoß kann er sich aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen (dazu I.); es liegt ferner nicht der gerügte Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor (dazu II.).
26I. Auf den Verstoß gegen Abstandrecht, der hier vorliegt (dazu 1.), kann sich der Kläger nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, weil sich dies wegen auf seinem Grundstück vorhandener baulicher Anlagen, die den gebotenen Abstand gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu 2.).
271. Der dem Rhein zugewandte Dachaufbau der Beigeladenen löst eine Abstandfläche im Sinne von § 6 BauO NRW aus, die seitlich auf das Grundstück des Klägers fällt: Es handelt sich zwar nicht - wie der Kläger meint - um ein Zwerchhaus (dazu a); der Dachaufbau ist allerdings - anders als die Beigeladenen meinen - nicht als abstandflächenrechtlich privilegierte Gaube zu werten, sondern als selbständiger Dachaufbau, der eine seitliche Abstandfläche wirft, die auf das Grundstück des Klägers fällt (dazu b).
28a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandflächen). Unter „Außenwänden“ im Sinne des § 6 BauO NRW sind die über der Geländeoberfläche liegenden Wände zu verstehen, die von außen sichtbar sind und das Gebäude gegen die Außenluft abschließen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 1350/09 -, BRS 74 Nr. 136.
30Danach sind die äußeren Begrenzungen des Dachaufbaus der Beigeladenen als Außenwände grundsätzlich in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Beurteilung der äußeren Begrenzung als Außenwand - mit der Folge einer seitlichen Abstandfläche zum Grundstück des Klägers - ist aber dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich nur um einen (unselbständigen) Bestandteil des Dachs handelt. Ist ein Dachaufbau bloßer Bestandteil des Dachs, auf dem er errichtet ist, machen seine äußeren Begrenzungen die Einhaltung eigener Abstandflächen nicht erforderlich. Erweist sich ein Dachaufbau dagegen als ein vom Dach losgelöster selbständiger Bauteil, sind seine äußeren Begrenzungen - einschließlich etwaiger Fensterfronten - regelmäßig als Außenwände oder als Teil von Außenwänden des Gebäudes anzusehen, die eigene Abstandflächen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW auslösen.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127 und vom 29. April 2010 - 7 B 201/10 -, juris.
32Dem Vorhaben ist allerdings nicht schon deshalb die Eigenschaft eines Dachbestandteils abzusprechen, weil es sich um ein „Zwerchhaus“ handelt, wie der Kläger meint. Ein Zwerchhaus (zwerch = althochdeutsch für quer) verlängert die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich; es steigt von der Geländeoberfläche aus bis in den Dachbereich auf und stellt sich dort als Dachaufbau dar; funktional dient es dazu, im Dachbereich zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Seitenwände eines Zwerchhauses lösen als Außenwände seitliche Abstandflächen aus,
33vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 1999
34- 10 A 4072/97 -, juris,
35weil es sich bei einem Zwerchhaus nicht um einen unselbständigen Bestandteil des Dachs handelt. Der genehmigte rheinseitige Dachaufbau ist kein Zwerchhaus in diesem Sinne. Nach den Bauvorlagen stellt er sich nicht als Verlängerung der Außenwand dar, weil er mit 36 cm nach Lage der Dinge deutlich hinter der Außenwand zurückbleibt. Er durchbricht vielmehr die Dachhaut. Dies entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Eindruck des entsprechend den Vorlagen umgesetzten Vorhabens, wie er sich aus den vorliegenden Fotos und den Feststellungen des Berichterstatters anlässlich der Ortsbesichtigung ergibt.
36b) Allerdings handelt es sich gleichwohl um einen Dachaufbau, der nicht mehr als Bestandteil des Dachs, sondern als selbständiges Bauteil zu werten ist und deshalb eine seitliche Abstandfläche auslöst.
37Ob die vorderen bzw. seitlichen äußeren Begrenzungen eines auf einer geneigten Dachfläche errichteten Dachaufbaus die Einhaltung eigener Abstandflächen erforderlich machen oder jedenfalls bei der Berechnung der vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden Abstandflächen berücksichtigt werden müssen, hängt davon ab, wie sie im Einzelfall bei wertender Betrachtung rechtlich zu qualifizieren sind.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
39Als mögliche Kriterien für die vorzunehmende Wertung kommen beispielsweise in Betracht: Die Unterordnung des Dachaufbaus nach Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Dachaufbaus und der Umfang der zusätzlichen Auswirkungen, die der Dachaufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
40Daran gemessen handelt es sich hier nicht mehr um einen Bestandteil des Dachs, sondern um einen als selbständig zu wertenden Dachaufbau. Dies ergibt sich schon mit Blick auf die Ausmaße des Aufbaus, der nach den Bauvorlagen, bei einer Betrachtung von der Gartenseite aus etwa die Hälfte der Dachfläche in Anspruch nimmt. Dies bestätigen im Übrigen auch die - dem Senat in der Beratung vermittelten - tatsächlichen Eindrücke des Berichterstatters bei der Ortsbesichtigung, nach denen der Aufbau den Dachbereich der Gartenseite des Hauses der Beigeladenen optisch dominiert. Daraus folgt mit Blick auf die planungsrechtlich durch den vorliegenden Bebauungsplan vorgegebene geschlossene Bauweise, dass der Aufbau entweder die gebotene Abstandfläche hätte einhalten oder grenzständig hätte errichtet werden müssen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
42- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
432. Auf diesen Verstoß gegen § 6 BauO NRW kann sich der Kläger aber nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (dazu a) nicht berufen, weil sich dies wegen der grenznahen Außentreppe, die vom Balkon des ersten Obergeschosses in den Garten führt, und seiner Dachterrasse, die den gesetzlich gebotenen Abstand nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu b).
44a) Die Geltendmachung eines Abwehrrechts gegen einen nachbarlichen Verstoß gegen § 6 BauO NRW stellt sich als unzulässige Rechtsausübung und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar, wenn der Grundstückseigentümer selbst in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt. Die Unzulässigkeit der Rechtsausübung ist dabei nicht bezogen auf ein zielgerichtetes Verhalten in der Vergangenheit zu beurteilen, sie knüpft vielmehr an die gegenwärtige Geltendmachung des Abwehrrechts an. Maßgeblich ist, ob der Eigentümer mit der Wahrung von Abstandflächen nach § 6 BauO NRW die Beachtung einer Vorschrift einfordert, deren Anforderungen er selbst nicht einhält. Das allgemeine Rechtsverständnis billigt es einem Grundstückseigentümer nicht zu, rechtliche Abwehrmaßnahmen gegen eine durch einen Nachbarn hervor gerufene Beeinträchtigung zu ergreifen und zugleich diesem Nachbarn quasi spiegelbildlich dieselbe Beeinträchtigung zuzumuten. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, das maßgeblich durch die objektiven Grundstücksverhältnisse geprägt ist. Erst aus der Störung des nachbarlichen Gleichgewichts und nicht schon aus der Abweichung von öffentlich-rechtlichen Normen ergibt sich deshalb der Abwehranspruch des Nachbarn.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/09 -, juris.
46b) Die Berufung auf den Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW ist hier eine solche unzulässige Rechtsausübung, weil der Kläger selbst zulasten des Grundstücks der Beigeladenen mit der Außentreppe und dem eigenen rheinseitigen Dachaufbau in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt.
47Die Außentreppe des Klägers von dem Balkon des Obergeschosses in den Garten ist jedenfalls nach § 6 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW als Anlage, die höher als 1 m über der Geländeoberfläche und dazu geeignet ist, von Menschen betreten zu werden, in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 bis 7 BauO NRW zu beurteilen.
48Vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt: OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 2008 - 7 A 2761/06 -, juris.
49Sie bleibt auch nicht nach § 6 Abs. 7 BauO NRW bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht. Die Treppe müsste mithin eine Abstandfläche von 3 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 5 BauO NRW). Eine Freistellung vom Abstandserfordernis mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ist nicht gegeben. In der festgesetzten geschlossenen Bauweise müsste grenzständig gebaut werden. Auch im Fall einer nach Maßgabe des Planungsrechts optional zulässigen grenzständigen Bebauung wäre die in Rede stehende weder grenzständige noch den gebotenen Abstand wahrende Bebauung nicht zulässig.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
51- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
52Der Dachaufbau des Klägers, der aus einer Gaube mit bodentiefer Fenstertür, Fenster und vorgelagerter, überdachter Dachterrasse besteht, ist als selbständiger Dachaufbau zu werten, der eine Abstandfläche auslöst und teilweise auf das Grundstück der Beigeladenen wirft. Nach den vorstehend zitierten Grundsätzen kommt es für die Beurteilung auf eine wertende Gesamtbetrachtung an, die auf Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Aufbaus und den Umfang der zusätzlichen Auswirkungen abstellt, die der Aufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
54Danach erscheint der Aufbau als funktionale Einheit, die nicht nur - wie eine Gaube - der Verbesserung der Belichtung der Innenräume des Dachgeschosses, sondern auch als Dachterrasse dient und durch die Überdachung die Nutzung auch für Zeiträume schlechterer Witterungsbedingungen ermöglicht.
55Vgl. zum ähnlichen Sachverhalt eines auf dem Dach einer Gaube angelegten Dachbalkons: OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001
56- 10 B 1378/01 -, BRS 64 Nr. 121.
57Der Aufbau verfügt überdies unter Berücksichtigung der Maße der Gaube und der Erstreckung der überdachten Dachterrasse in der Tiefe und zur Seite hin über im Verhältnis zum Dach nicht unerhebliche Ausmaße; angesichts der funktionalen Gestaltung als Dachterrasse ist er auch für die Belange, deren Schutz § 6 BauO NRW dient (u.a. Sozialabstand), nicht unerheblich. Aus den vorstehend im Zusammenhang mit der Außentreppe aufgezeigten Gründen ist der Dachaufbau auch nicht mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW von Abstandserfordernissen freigestellt.
58Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW wiegt bei wertender Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht weniger schwer als der Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW. Dies ergibt sich schon allein aus einer Einbeziehung des Dachaufbaus in die vergleichende Betrachtung. Zwar sind dessen Ausmaße absolut und in Relation zur Dachfläche geringer als diejenigen des Aufbaus der Beigeladenen, auch ist die vom Dachaufbau des Klägers auf das Nachbargrundstück geworfene Abstandfläche kleiner als diejenige, die vom Aufbau der Beigeladenen auf das Klägergrundstück geworfen wird. Aufgrund der zusätzlichen funktionalen Ausrichtung des Dachaufbaus des Klägers auch als Dachterrasse mit Wetterschutz stellt dieser allerdings gleichwohl bereits eine gleich schwer wiegende Beeinträchtigung dar. Hinzu kommt der Verstoß durch die Außentreppe.
59Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW ist nicht ausnahmsweise unbeachtlich. Der Umstand der Genehmigung des Dachaufbaus und der Treppe durch die Beklagte ist für die Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, unerheblich. Dies ergibt sich aus der bereits vorstehend zitierten Rechtsprechung des Senats. Die Erteilung einer Genehmigung vermag zwar gegenüber der Behörde Bestandsschutz zu vermitteln; sie ändert jedoch nichts an der faktischen Nichteinhaltung der gesetzlich geforderten Abstandflächen und hat keinen Einfluss auf die zwischen den Nachbarn bestehende Wechselbeziehung.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/10 - , juris, m. w. N.
61Soweit der Kläger darauf verweist, dass für seine Außentreppe auch eine Nachbarzustimmung vorliegt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Es entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, dass eine vorliegende Angrenzerzustimmung nichts an einem materiellen Abstandverstoß ändert und der Bewertung eines Nachbarrechtsbehelfs als treuwidrig nicht entgegen steht.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2010
63- 7 B 330/10 -.
64Diese Auffassung hat auch in der fachwissenschaftlichen Literatur Zustimmung gefunden.
65Vgl. Johlen, in: Gädtke u. a., BauO NRW, Kommentar, 12. Auflage, § 6, Rn. 43.
66II. Die Genehmigung verstößt auch nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen § 35 Abs. 6 BauGB.
67Nach dieser Vorschrift sind auch Dachaufbauten so anzuordnen und herzustellen, dass ein Brand nicht auf andere Gebäude oder Gebäudeteile übertragen werden kann (Satz 1); von der Außenfläche von Gebäudeabschlusswänden und von der Mittellinie gemeinsamer Gebäudeabschlusswände (§ 31 Abs. 2 BauO NRW) oder Gebäudetrennwände müssen sie mindestens 1,25 m entfernt sein (Satz 2). Die vom Kläger als verletzt gerügte Vorgabe des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW wird vom Vorhaben der Beigeladen zwar nicht eingehalten. Die Entfernung des rheinseitigen Dachaufbaus zur Mittellinie der gemeinsamen Gebäudetrennwände liegt mit dem den Bauvorlagen zu entnehmenden Maß von 73,5 cm deutlich unter dem genannten Maß von 1,25 m. Diese Vorgaben sind hier aber von der Beklagten mit Blick auf § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW im vereinfachten Genehmigungsverfahren als für die Genehmigung nicht erhebliche Anforderungen ausgeklammert geblieben.
68Ein Nachbarrechtsverstoß ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte entgegen einer gleichwohl bestehenden Prüfungspflicht die Prüfung dieser Brandschutzaspekte unterlassen und das Vorhaben zugelassen hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist über die Prüfung nach § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW hinaus nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, die Prüfung auf Brandschutzvorschriften zu erstrecken, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009
70- 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156.
71Bei einem solchen Sachverhalt darf die Baubehörde nicht eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilen, dessen Verwirklichung wegen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Menschen unverzüglich durch bauaufsichtliches Einschreiten unterbunden werden müsste. Das setzt aber voraus, dass ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegt.
72Vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2013
73- 7 A 1040/13 -, juris.
74Von einem solchen offensichtlichen Verstoß, auf den sich auch ein Nachbar berufen kann, kann nur dann die Rede sein, wenn eine entsprechende Vorschrift verletzt ist und auch eine Abweichung gemäß § 73 BauO NRW offensichtlich ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine Abweichung ist angesichts der aufgezeigten Ausgestaltung des Dachaufbaus in der Feuerwiderstandsklasse F 90 nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach Maßgabe des § 73 BauO NRW kommt eine Abweichung in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Zwecke der Anforderungen des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Letztlich handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Dass diese Voraussetzungen hier offensichtlich nicht erfüllt wären, vermag der Senat angesichts der in tatsächlicher Hinsicht nicht bestrittenen Ausführungen der Beigeladenen und der Feststellungen der Beklagten zur baulichen Beschaffenheit des Dachaufbaus nicht zu erkennen. Die vom Kläger angesprochene Möglichkeit, die - zum Rhein hin gelegenen und zur Seite abgeschirmten - Fenster des Dachaufbaus zu öffnen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
75B. Es liegt auch kein Verstoß gegen nachbarschützendes Bauplanungsrecht vor. In Betracht kommt insoweit allein das Gebot der Rücksichtnahme.
76Vorhabenbedingte Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung sind hier nicht als unzumutbar zu werten. In bebauten innerörtlichen Bereichen sind entsprechende Einwirkungen vielmehr regelmäßig - und so auch hier - hinzunehmen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2007
78- 7 A 3852/06 - , BRS 71 Nr. 127 und Urteil vom 9. Juni 2011 - 7 A 1494/09 -, m. w. N.
79Das Gleiche gilt nach den vorstehend zitierten Entscheidungen für Einsichtnahmemöglichkeiten in den rückwärtigen Gartenbereich des Klägers.
80In Anwendung der in der vorzitierten Rechtsprechung dargestellten Grundsätze zur Rücksichtslosigkeit von Vorhaben, die eine „erdrückende Wirkung“ gegenüber Nachbargrundstücken entfalten, kann schließlich nach dem Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat, auch nicht von einer solchen „erdrückenden Wirkung“ des Dachaufbaus der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück des Klägers ausgegangen werden.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese haben - anwaltlich vertreten - im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt; sie haben sich damit selbst nicht dem Risiko ausgesetzt, Kosten des Klägers übernehmen zu müssen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO); angesichts dessen wäre es unbillig, den Kläger mit ihren außergerichtlichen Kosten zu belasten.
82Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist nicht geeignet, die tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, das Vorhaben verstoße weder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme noch gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des
4§ 6 BauO NRW oder des § 51 Abs. 7 BauO NRW.
5Der Einwand der Kläger, die erforderliche und vom Verwaltungsgericht unterlassene Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Grundstücke und deren Bebauung führe zur Annahme einer erdrückenden Wirkung, greift nicht durch.
6Im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände ist mit Blick auf Volumen, Stellung und Höhe des Vorhabens der Beigeladenen bzw. der Gebäude der Kläger keine „erdrückende Wirkung“ gegenüber dem Grundstück der Kläger anzunehmen. Eine solche Gesamtschau liegt der erstinstanzlichen Beurteilung zugrunde, in der auf die einschlägigen Grundsätze Bezug genommen wird.
7Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls ‑ und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 - 7 A 3199/08 -, BRS 76 Nr. 181 = BauR 2011, 248 und Beschlüsse vom 24. April 2012 - 7 B 242/12 -, und vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -.
9Eine solche Wirkung kann angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden. Das Verwaltungsgericht ist nach erfolgter Ortsbesichtigung zutreffend davon ausgegangen, dass nach obigen Grundsätzen insbesondere mangels gravierender Höhen- und Breitenunterschiede zwischen dem geplanten Gebäude und dem Wohnhaus der Kläger die Annahme einer erdrückenden Wirkung offenkundig ausscheide. Dies gilt auch im Hinblick auf die sonstige Bebauungssituation des Grundstücks der Kläger in nördlicher, östlicher und südlicher Richtung. Im Norden grenzt das Grundstück an die S.---straße . Die gegenüber dem Grundstück der Kläger auf der nördlichen Seite der S.---straße befindliche Bebauung hält einen Abstand zum Gebäude der Kläger von ca. 12 m. Östlich des Grundstücks der Kläger beträgt der Abstand zum Nachbargebäude S.---straße 49 ca. 4,4 m. Südlich grenzt an das letzte Gebäude der Kläger der ca. 24 m lange und von Gebäuden freie Gartenbereich. Auch die Tatsache, dass die südlich an das Wohnhaus der Kläger angrenzenden Baulichkeiten eine geringere Höhe als dieses haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Gerade im innerstädtischen Bereich ist eine unterschiedliche Bebauungshöhe im hinteren Grundstücksbereich nichts Ungewöhnliches. Aufgrund der durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger geprägten Grundstückssituation mussten diese auch mit einer entsprechenden Bebauung rechnen.
10Gegenüber den Klägern resultiert eine Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne auch nicht aus der zu erwartenden Verschattung ihres Grundstücks. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2007 ‑ 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127, und vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181.
12Hiervon ausgehend begründet der zu erwartende Schattenwurf kein Abwehrrecht gegen das streitige Bauvorhaben. Dass ein sehr schmal geschnittenes Grundstück ‑ wie das der Kläger - bei einer Verschattung durch Nachbargebäude relativ stark betroffen sein kann, beruht auf dem Grundstückszuschnitt und fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des jeweiligen Eigentümers. Dass der nach Süden ausgerichtete Gartenbereich bereits am Nachmittag durch das Vorhaben unzumutbar verschattet werden könnte, ist angesichts der geringen Höhe der Tiefgarage nicht dargelegt. Ebenso ist angesichts der fehlenden Fensteröffnungen in der zum Grundstück der Beigeladenen ausgerichteten Giebelwand des Wohnhauses der Kläger nicht dargelegt, dass die Wohnräume der Kläger wegen des Vorhabens unzumutbar verdunkelt werden. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass der Lichteinfall in das nach Süden ausgerichtete Dachgeschossfenster nur für einen Teil des Tages beeinträchtigt wird und in den Morgen- und Mittagsstunden weiterhin eine Besonnung gegeben ist. Ebenso wenig führt die Beschränkung der freien Aussicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.
13Soweit die Kläger einen Verstoß gegen § 6 BauO NRW rügen, ist auch nach der von ihnen hierzu in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13. März 2009 - 10 A 1118/08 -, juris) die erstinstanzliche Wertung nicht zu beanstanden, dass eine hinreichende Anbausicherung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b) BauO NRW durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger vermittelt wird.
14Der Einwand der Kläger, die Nutzung der vier Tiefgaragenstellplätze beeinträchtige die ruhige Lage ihres Grundstückes massiv, begründet ebenfalls nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Nutzung der vorgesehenen Tiefgarage zu unzumutbaren Störungen im Sinne von § 51 Abs. 7 BauO NRW,
15vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2011 ‑ 7 B 165/11 -, juris, und vom 17. Januar 2011 - 7 B 1506/10 -, juris,
16führen wird.
17Vorliegend befindet sich - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - die von der S.---straße abzweigende Tiefgaragenzufahrt an der vom Grundstück der Kläger abgewandten Westseite des Vorhabens. Das Gebäude der Beigeladenen schirmt somit die durch die Zu- und Abfahrten entstehenden Geräusche weitgehend ab. Dass die innerhalb der Tiefgarage stattfindenden Parkvorgänge zu unzumutbaren Beeinträchtigungen ihres Grundstücks führen könnten, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt. Angesichts dieser Umstände rechtfertigt auch das Vorbringen der Kläger, dass ihre drei und fünf Jahre alten Kinder im „unmittelbaren Nahbereich zu den Tiefgaragenplätzen“ spielen, keine andere Beurteilung.
18Aus den vorstehenden Gründen liegen ebensowenig die von den Klägern des Weiteren behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren trägt diese selbst. Dies entspricht der Billigkeit, denn die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38a in C. .
3Ausweislich des Grundbuchauszugs des Amtsgerichts C. ist der Kläger seit dem 27. September 2002 Eigentümer des benachbarten Grundstücks J.--------straße 40 (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstücke 500, 511, 512 und 513).
4Das Vorhabengrundstück (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523) steht ausweislich des Grundbuchauszugs des Amtsgerichts C. seit dem 15. März 2011 im Eigentum des Beigeladenen und liegt im Geltungsbereich des seit dem 21. März 1998 Rechtsverbindlichkeit beanspruchenden Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “.
5Das östlich an ein Gewerbegebiet angrenzende Plangebiet umfasst eine Größe von insgesamt ca. 30.000 m². Ausweislich der Begründung ist beabsichtigt, innerhalb des Planbereichs eine Mehrfamilienhausbebauung mit maximal 250 Wohneinheiten zu errichten. Es sollen innerhalb sechs unterschiedlicher Karrees 27 Gebäude errichtet werden. Der in südwestlicher Richtung an die J.--------straße grenzende Teil des Plangebiets, der zudem je einen Teil der Gebäudekomplexe E und F umfasst, ist als Mischgebiet festgesetzt. Nach der Begründung erfolgt die Einstufung als Mischgebiet aufgrund der direkten Nachbarschaft zu einem Gewerbebetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite der J.--------straße , da die Einhaltung von WA-relevanten Immissionsrichtwerten von dem Unternehmen nicht erwartet werden könne. Bezüglich der erweiterten Nutzungen, die sich durch die Festsetzung des Mischgebiets ergeben, wird „als Regulativ“ das Planzeichen 2 festgesetzt. Demnach sind im Mischgebiet neben Wohnungen 400 qm für Büro-, 400 qm für Gastronomie- und 400 qm für Einzelhandelsnutzungen (unterteilt in mindestens zwei Einheiten) zu errichten. Von den festgesetzten qm-Zahlen darf um 25% abgewichen werden. Bezüglich des übrigen Plangebiets ist das Zeichen „W“ festgesetzt, wonach in diesem Bereich Wohngebäude zulässig sind. Laut Planzeichen 3 sollen in diesem Gebiet die Immissionsrichtwerte eingehalten werden, die für ein Allgemeines Wohngebiet maßgebend sind. Schließlich enthält der Vorhaben- und Erschließungsplan Festsetzungen hinsichtlich der Baugrenzen, die jeweils um die Gebäudekomplexe herum verlaufen.
6Mit Durchführungsvertrag vom 17. September 1997 verpflichtete sich der Vorhabenträger, Herr F. M. , gegenüber der Beklagten, 27 Gebäude zur Schaffung von max. 250 Wohneinheiten sowie von Gewerbeflächen entsprechend den Vorgaben des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 zu errichten. Mit Baulast vom 17. Juni 1998 verpflichtete sich der Kläger, handelnd für die F1. Baubetreuungsgesellschaft mbH, auf dem Grundstück Gemarkung X. Flur 3, Flurstück 490 oder 493 (entsprechen jetzt den Flurstücken 514, 515, 519, 522 und 523) die gemäß Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 getroffene Festsetzung gemäß Planzeichen 2 zu erfüllen.
7In der Folge wurde die Bebauung im Plangebiet bis auf die Errichtung eines Teils des Gebäudekomplexes E auf den Flurstücken 519 und 523 entsprechend den Vorgaben des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 umgesetzt. Das bis heute unbebaute Grundstück in den Bereichen der Flurstücke 519 und 523 besteht aus einer Schotterfläche, dessen Nutzung als Abstellfläche für Kraftfahrzeuge seitens des Eigentümers, dem Beigeladenen, geduldet wird.
8Mit Bauantrag vom 11. April 2013 beantragte der Beigeladene, vertreten durch den Architekten Dipl.-Ing. (FH) K. O. des Architektenbüros „M. & O. “, die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Garagen, 23 Stellplätzen und einem Kiosk auf dem Grundstück J.--------straße 38 a (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523). Laut Lageplan vom 10. Juni 2013 soll der Kiosk in der südwestlichen Ecke des Grundstücks errichtet werden und eine Fläche von etwa 52 m² umfassen. Der Eingang zum Kiosk soll straßenseitig in Richtung der Straßenbiegung J.--------straße ausgerichtet sein. Ausweislich der Betriebsbeschreibung vom 11. April 2013 soll der Kiosk als „Verkaufsstelle für Dinge des täglichen Bedarfs, Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten, Getränke, usw.“ dienen. Die Öffnungszeiten sind an Werktagen von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr vorgesehen.
9Die Beklagte genehmigte mit Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 das beantragte Vorhaben. Zudem erteilte sie unter dem 27. Januar 2014 einen Befreiungsbescheid hinsichtlich der Überschreitung der durch den Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Baugrenzen. Zur Begründung führte sie diesbezüglich aus, zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten sei ein städtebaulicher Vertrag geschlossen worden. Somit würden die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Befreiung sei städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
10Der Kläger hat am 14. März 2014 Klage erhoben.
11Er ist der Ansicht, die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig, da sie ausschließlich zu dem Zweck, eine Forderung für nicht durchgeführte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus dem städtebaulichen Vertrag vom 17. September 1997 zu erhalten, erteilt worden sei. Erst nachdem diese Ausgleichssumme gezahlt und ein neuer städtebaulicher Vertrag geschlossen worden sei, habe die Beklagte die Baugenehmigung und die Befreiung erteilt. Der städtebauliche Vertrag sehe lediglich eine Verpflichtung zum „Bau von Garagen und Stellplätzen“ vor. Grundlage der städtebaulichen Überlegungen seien jedoch weder ein „Geschäftshaus“ noch ein „Kiosk“ gewesen. Dadurch sei ersichtlich, dass die Beklagte selbst nicht mehr von der Realisierung eines Mischgebiets ausgehe. Hinzu komme, dass die Beklagte in der Vergangenheit immer den Standpunkt vertreten habe, dass es für die Errichtung anderer baulicher Anlagen auf dem Vorhabengrundstück eines Planänderungsverfahrens bedürfe und eine Befreiung von dem Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 nicht erteilt werden könne. Die Beklagte lehne nunmehr ohne Planänderung die damaligen Vorstellungen ab. Die ursprüngliche Planung habe darauf beruht, als Krücke für und gegenüber dem benachbarten Gewerbegebiet zu dienen. Der Beklagten sei klar, dass eine Realisierung der ausgewiesenen gewerblichen Flächen niemals in Betracht gekommen und auch von Anfang an nicht ernsthaft verfolgt worden sei. Der Vorhaben- und Erschließungsplan bleibe damit heute ohne Funktion. Es handele sich faktisch um ein reines Wohngebiet, in dem die Errichtung des beantragten Kiosks unzulässig sei, da er nicht der Versorgung der Bewohner dieses Gebiets diene. Dass es sich um einen Kiosk zur Versorgung des reinen Wohngebiets handeln solle, sei allenfalls ein Wunsch, der jedoch durch die Realität schnell überholt werde.
12Darüber hinaus seien bei der Erteilung der Baugenehmigung die nachbarlichen Belange an keiner Stelle eingestellt worden. Die Errichtung eines Kiosks ziehe weiteren Fahr- und Parksuchverkehr in das reine Wohngebiet, das bereits mit begrenztem Parkraum zu kämpfen habe. Es handele sich zudem um eine Anliegerstraße sowie eine Spielstraße, bei der bezweifelt werden müsse, ob die Erschließung gesichert sei. Die Lage des Kiosks unmittelbar in der Kurve der Erschließungsstraße nehme den Auto- und Fahrradfahrern die freie Sicht beim Ein- und Ausfahren. Außerdem trage ein zu erwartendes kurzzeitiges Parken ein weiteres erhebliches Gefahrenpotential in sich. Schließlich werde ein Verkauf bis in die Abendstunden hinein zusätzliche Emissionen mit sich bringen. Die Errichtung eines Kiosks sei damit insgesamt rücksichtslos.
13Der Kläger beantragt (schriftsätzlich) – sinngemäß -,
14die zugunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 sowie den Befreiungsbescheid vom 27. Januar 2014 der Beklagten insoweit aufzuheben, als durch diese die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38a in C. (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523) genehmigt wird.
15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
16die Klage abzuweisen.
17Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger sein materielles Abwehrrecht infolge Passivität über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren eingebüßt habe. Zudem sei die Klageerhebung treuwidrig, da er mit Erklärung vom 17. Juni 1998 eine Verpflichtungsbaulast bewilligt und zur Eintragung gebracht habe, wonach sich die von ihm allein vertretene Vorhabenträgerin auf dem Baugrundstück zur Erfüllung der textlichen Festsetzung zum Planzeichen 2 des Vorhaben- und Erschließungsplans verpflichtet habe. Das von den erlaubten Nutzungen nach Planzeichen 2 hervorgerufene Störpotential würde das durch die angefochtene Baugenehmigung hervorgerufene Störpotential erheblich überschreiten. Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits in seiner früheren Position als Geschäftsführer aktiv störintensive Nutzungen im Plangebiet etabliere und andererseits sodann als Privatmann weniger störintensive Nutzungen nunmehr mit einer Nachbarklage bekämpfe.
18Die Klage sei auch unbegründet, da keine nachbarschützenden Vorschriften zum Nachteil des Klägers durch das Bauvorhaben verletzt würden. Insbesondere bleibe die durch die Baugenehmigung legalisierte Nutzung des Kiosks von ihrem Störpotential erheblich hinter dem zurück, was der Vorhaben- und Erschließungsplan für das fragliche Grundstück ermögliche. Eine rücksichtslose Belastung des Klägers sei daher unter keinem Gesichtspunkt denkbar. Zudem sei dem Kläger der Rückgriff auf das Gebot der Rücksichtnahme verwehrt, da die Auswirkungen gewerblicher Nutzungen auf dem Grundstück mit einhergehendem Erschließungsverkehr vollständig durch den Vorhaben- und Erschließungsplan aufgezehrt worden seien.
19Der Beigeladene beantragt (schriftsätzlich),
20die Klage abzuweisen.
21Er ist der Ansicht, der Kläger sei durch die Baugenehmigung bereits deshalb nicht in seinen Interessen beeinträchtigt, da er die Baugenehmigung als Bevollmächtigter und beauftragter Architekt des Beigeladenen beantragt, durchgesetzt und erhalten habe. Zudem liege kein faktisches reines Wohngebiet vor, da der Standort des geplanten Kiosks von dem Wohnhaus des Klägers weiter entfernt sei als von dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen metallverarbeitenden Betrieb.
22Die Berichterstatterin hat am 26. Februar 2015 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Ortsterminprotokoll sowie das während des Ortstermins angefertigte Lichtbildmaterial verwiesen.
23Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 2. März 2015, vom 4. März 2015 und vom 9. März 2015 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
24Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im Übrigen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Die zuständige Einzelrichterin entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
28Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
29Die Klage ist zunächst zulässig, insbesondere fehlt dem Kläger nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Beigeladenen ist ein zur Unzulässigkeit der Klage führendes treuwidriges Verhalten des Klägers nicht zu erkennen. Zwar unterliegt auch die Ausübung prozessualer Rechte den Geboten von Treu und Glauben. Demnach kann unter bestimmten Voraussetzungen die Anrufung der Gerichte wegen treuwidrigen Verhaltens unzulässig sein, wobei die Frage, ob der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens berechtigt und einem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis wegen missbräuchlicher Prozessführung abzusprechen ist, nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beantworten ist. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann jedenfalls in einem widersprüchlichen Verhalten des Klägers liegen.
30Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 8. April 2014 – 2 D 43/13.NE –, mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 19. April 2011 – 4 BN 4/11 -, zitiert nach juris.
31Allein der Umstand, dass der Kläger bereits an dem Zustandekommen des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 beteiligt war und als Geschäftsführer der F1. Baubetreuungsgesellschaft mbH eine Verpflichtungsbaulast zur Umsetzung des Planzeichens 2 auf dem Vorhabengrundstück unterzeichnet hat, führt nicht dazu, dem Kläger das ihm als Grundstückseigentümer zustehende Klagerecht hinsichtlich der Bebauung auf seinem Nachbargrundstück zu verwehren. Dies folgt bereits daraus, dass der Kläger auf der einen Seite die Interessen der Baubetreuungsgesellschaft und auf der anderen Seite die Interessen des Eigentümers eines Nachbargrundstücks vertritt und damit von vornherein aus zwei verschiedenen Rechtspositionen auftritt.
32Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich entgegen der Ansicht des Beigeladenen auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger möglicherweise als Architekt auf Seiten des Beigeladenen aufgetreten ist und daher die nunmehr angefochtene Baugenehmigung selbst beantragt und herbeigeführt hat. Denn ausweislich der vorliegenden Unterlagen ist nicht der Kläger selbst, sondern Herr Dipl.-Ing. (FH) K. O. als Architekt des Beigeladenen aufgetreten. Zudem trägt der Kläger vor, er sei bereits seit dem Jahr 2012 nicht mehr als Architekt tätig, was sich ebenfalls aus dem Briefkopf der durch den Beigeladenen vorgelegten Rechnung ergibt. Anhaltspunkte für ein möglicherweise zur Unzulässigkeit der Klage führendes widersprüchliches Verhalten des Klägers liegen demnach nicht in entscheidungserheblicher Weise vor.
33Auf die nach Ansicht der Beklagten eingetretene Verwirkung des Klagebefugnis infolge jahrelangen Untätigbleibens des Klägers und Duldung des als Stellplatz genutzten Grundstückes des Beigeladenen,
34Vgl. zu den Voraussetzungen der prozessualen Verwirkung zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 – 2 B 1111/14 – mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 – 4 A 11.99 -; zitiert nach juris.
35kommt es nach Klarstellung des Klägers, die Baugenehmigung allein hinsichtlich der Errichtung eines Kiosks anfechten zu wollen, nicht mehr an. Diesbezüglich kann von einer Verwirkung nicht die Rede sein, da der Kläger erstmals mit Erteilung der Baugenehmigung Kenntnis von der beabsichtigten Nutzung eines Grundstücksteils als Kiosk erlangt hat.
36Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung der Beklagten vom 29. Januar 2014 sowie des Befreiungsbescheides der Beklagten vom 27. Januar 2014 soweit diese die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38 a in C. genehmigen, da diese nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen und den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
37Die Genehmigung des Kiosks durch die Beklagte verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
38Sofern sich der Kläger auf einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei dem Zustandekommen der Baugenehmigung sowie hinsichtlich der Hintergründe und der Motivation der Beklagten, das Vorhaben zu genehmigen, beruft, liegt ein Verstoß gegen drittschützende Vorschriften nicht vor, da das Verfahren als solches grundsätzlich keinen Nachbarschutz vermittelt.
39Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB), da das Vorhaben im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “ liegt. Das Gericht hat keine durchgreifenden Zweifel an der Wirksamkeit des Vorhaben- und Erschließungsplans. Anhaltspunkte gegen die Wirksamkeit wurden weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
40Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 auch nicht funktionslos geworden. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW kann ein Bebauungsplan außer durch ausdrücklichen Aufhebungsakt des Plangebers in begrenzten Ausnahmefällen auch ohne einen solchen Akt wegen Funktionslosigkeit außer Kraft treten, wenn die Verhältnisse, auf die er sich bezieht, eine Verwirklichung der planerischen Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließen und wenn dies so offenkundig ist, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung dieser Festsetzungen nicht mehr besteht oder keinen Schutz mehr verdient.
41Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 B 85.03 -; OVG NRW, Beschluss vom 10. April 2007 – 10 A 3915/05 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 20. November 2014 – 5 K 4298/13 -; jeweils zitiert nach juris.
42Das Oberverwaltungsgericht betont darüber hinaus, dass bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit des Plans dafür nicht ausreichen. Ein Bebauungsplan tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit demnach nur dann außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2013 – 10 D 74/11.NE -, bezugnehmend auf BVerwG, Urteile vom 29. April 1977 – 4 C 39.75 – und vom 3. August 1990 – 7 C 41 bis 43.89 -; zitiert nach juris.
44Von einer Funktionslosigkeit kann hier vor dem Hintergrund, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 „J.--------straße “ mit Ausnahme des Vorhabengrundstücks des Beigeladenen vollständig umgesetzt wurde, nicht ausgegangen werden. Allein der Umstand, dass das Vorhabengrundstück entgegen der beabsichtigten Planung bislang unbebaut geblieben ist und das Planzeichen 2 in dem festgesetzten Mischgebiet bislang nicht verwirklicht wurde, vermag nicht dazu führen, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 insgesamt funktionslos geworden ist und keine Geltung mehr beanspruchen kann. Vielmehr ist eine Umsetzung des Planzeichens 2 nach wie vor möglich. Auch führt die Errichtung des Kiosks nicht dazu, dass die mit dem Planzeichen 2 vorgesehenen Nutzungen nunmehr dauerhaft nicht mehr umgesetzt werden können. Von einem offenkundigen Ausschluss der Verwirklichung der planerischen Festsetzungen kann demnach nicht die Rede sein.
45Soweit sich der Kläger gegen die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den im Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Baugrenzen wendet, kann eine Verletzung drittschützender Rechte nicht festgestellt werden. Denn die Festsetzung von Baugrenzen betrifft das Maß der baulichen Nutzung und ist somit regelmäßig nicht nachbarschützender Natur. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
46Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
47Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 sowie der Befreiungsbescheid vom 27. Januar 2014 verletzen nicht den Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers.
48Der Gebietsgewährleistungsanspruch gibt grundsätzlich nicht nur den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, sondern auch den Eigentümern von Grundstücken, die in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit §§ 2 ff. der Baunutzungsverordnung - BauNVO -) liegen, das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. Dieser Grundsatz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB. Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 – und Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 -; OVG NRW, Urteile vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 –, vom 21. Dezember 2010 – 2 A 1419/09 – und vom 17. Dezember 2008 – 10 A 3000/07 - sowie zuletzt Beschluss vom 29. September 2014 – 2 B 1048/14 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 20. Februar 2014 - 5 K 1151/12 -; jeweils zitiert nach juris.
50Ausgehend von diesen Grundsätzen wird durch die Genehmigung eines Kiosks der Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers nicht verletzt, da das Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig ist. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “, der für den Bereich des Vorhabengrundstücks die Gebietsart „MI“ festsetzt. Die Genehmigung eines Kiosks in einem Mischgebiet ist planungsrechtlich zulässig.
51Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Die zulässigen Nutzungsarten richten sich hier jedoch nicht nach Absatz 2 der Vorschrift, sondern nach dem im Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Planzeichen 2. Demnach werden die grundsätzlich im Mischgebiet zulässigen Nutzungen auf Wohnungen sowie je 400 m² Büronutzung, Gastronomie und Einzelhandelsnutzung eingeschränkt. Der Begriff der im Mischgebiet zulässigen Einzelhandelsnutzung umfasst dabei sowohl Läden und Geschäfte als auch Warenhäuser, Verbrauchermärkte und sonstige großflächige Handelsbetriebe, sofern sie nicht den planungsrechtlichen Einschränkungen nach § 11 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauNVO unterliegen oder sonst der Eigenart des Gebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO widersprechen.
52Vgl. Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 6 Rn. 5.
53Unter dem Begriff „Laden“ werden dabei grundsätzlich Räume verstanden, die nach dem herkömmlichen Sprachverständnis eine Beschränkung der Grundfläche aufweisen und in denen im Allgemeinen ein auf bestimmte Warengattungen beschränktes Warensortiment oder Dienstleistungen angeboten werden.
54Vgl. Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 2 Rn. 10.
55Bei dem hier zu errichtenden Kiosk mit einer Grundfläche von etwa 52 m² und einen auf Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten und Getränke beschränkten Warensortiment handelt es sich damit ohne weiteres um eine im Mischgebiet planungsrechtlich zulässige gewerbliche Nutzung.
56Letztlich kann die Frage, ob der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 von Anfang an unwirksam war oder nachträglich funktionslos geworden ist, offen bleiben, da die Errichtung eines Kiosks auf dem Vorhabengrundstück selbst für den Fall, dass die nähere Umgebung als faktisches reines Wohngebiet einzustufen ist, bauplanungsrechtlich zulässig wäre. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO können in reinen Wohngebiete ausnahmsweise unter anderem Läden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, zugelassen werden. Bei dem hier zu errichtenden Kiosk handelt es sich um einen Laden im Sinne dieser Vorschrift, vgl. oben. Er dient auch der Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner des Gebiets. Mit der „Deckung des täglichen Bedarfs“ ist der Grundbedarf an Gütern und Dienstleistungen gemeint, die in mehr oder weniger kurzen, regelmäßigen Abständen immer wieder benötigt werden und deren Erreichbarkeit in zumutbarer Entfernung von der Wohnung gerade wegen des regelmäßigen Aufkommens des Bedarfs als wünschenswert empfunden wird, womit der Begriff „täglich“ nicht wörtlich zu verstehen ist.
57Vgl. König / Roeser / Stock, Baunutzungsverordnung, Kommentar 3. Auflage 2014, § 3 Rn. 37; Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 3 Rn. 18.
58Laut Betriebsbeschreibung vom 11. April 2013 sollen in dem Kiosk unter anderem Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten und Getränke angeboten werden. Es handelt sich dabei mithin um Güter im oben genannten Sinne. Dass der Kiosk der Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner des Gebiets dient, folgt schließlich bereits aus der Größe des Wohngebiets entlang der J.--------straße und der damit verbundenen beträchtlichen Anzahl der angebundenen Haushalte.
59Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gewährleistete Gebot der Rücksichtnahme. Danach sind die in §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
60Unabhängig von der Frage, ob die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO hier bereits deshalb ausgeschlossen ist, da das Rücksichtnahmegebot bereits von der vorausgegangenen planerischen Abwägung „aufgezehrt“ worden ist,
61Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2014 – 10 B 1323/13 – mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8/12 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2014 – 5 K 4298/13 -; jeweils zitiert nach juris,
62kann eine rücksichtslose Beeinträchtigung des Klägers durch das Vorhaben des Beigeladenen nicht festgestellt werden.
63Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
64Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
65Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
66Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 30. Oktober 2014 – 5 K 1588/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
67Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück des Beigeladenen gegenüber dem Kläger nicht als unzumutbar. Dies ergibt sich bereits aus der geringen Größe des Kiosks sowie des eingeschränkten Warensortiments, welches im Kiosk angeboten werden soll, bestehend im Wesentlichen aus Zeitungen, Tabak, Süßigkeiten und Getränken, die es von vornherein mit sich bringen, dass Kunden den Kiosk lediglich zum Erwerb einzelner Waren „im Vorbeigehen“ und nicht etwa zu größeren Einkäufen aufsuchen werden. Hinzu kommt, dass der Kiosk straßenseitig zur Straßenbiegung der J.--------straße ausgerichtet ist, so dass die von dem Kiosk ausgehenden Immissionen nur in äußerst geringem Maße überhaupt in den geschützten Ruhebereich des klägerischen Grundstücks eindringen können. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, den das Gericht während des Ortstermins von der Örtlichkeit gewonnen hat, bestehen erhebliche Zweifel, ob sich überhaupt durch den Kiosk verursachte Lärmimmissionen auf dem Grundstück des Klägers auswirken werden. Letztlich sprechen auch die eingeschränkten Öffnungszeiten des Kiosks, vor allem in den Abendstunden, gegen eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers. Durch die Begrenzung der Öffnungszeiten wochentags bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen bis 18.00 Uhr sind Lärmimmissionen zu den besonders geschützten Abend- und Nachtzeiten ausgeschlossen. Sofern der Kläger vorträgt, dies werde nicht der Wirklichkeit entsprechen, obliegt es der Beklagten bei Überschreitungen der Baugenehmigung hiergegen ordnungsbehördlich vorzugehen. Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Verletzung drittschützender Rechte ist dagegen lediglich der genehmigte Zustand.
68Soweit der Kläger vorträgt, durch die Errichtung eines Kiosks werde erheblicher Besucherverkehr ausgelöst, kann dem nicht gefolgt werden. Vor dem Hintergrund der geringen Größe Kiosks sowie vor allem des dort angebotenen eingeschränkten Warensortimentes, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass mit der Umsetzung des Vorhabens ein die Grenze der Unzumutbarkeit überschreitender An- und Abfahrtverkehr zu erwarten ist. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass lediglich zufällige Passanten sowie Bewohner der J.--------straße und des angrenzenden Bereichs der K1. -T. -Straße den Kiosk aufsuchen werden.
69Verstöße des Vorhabens gegen drittschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts wurden weder vorgetragen, noch liegen Anhaltspunkte für einen solchen Verstoß vor.
70Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt im angefochtenen Umfang auch keine sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig, da er einen Antrag gestellt und sich somit dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. auf der einen und die Antragsteller zu 3. und 4. auf der anderen Seite je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert beträgt 10.000 €.
1
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 5066/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 20. September 2013 zur Errichtung eines 8-Familienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück M.--------weg 19 in C. -T. (Gemarkung T. , Flur 33, Flurstücke 332, 675) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
8Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts vor.
9Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 9. April 2013, mit der der Beigeladenen die Errichtung des 8-Familienhauses erlaubt worden war, bestandskräftig ist. Diese Baugenehmigung ist den Antragstellern mit Nachbarbenachrichtigung vom 4. September 2013, zugestellt am 6. bzw. 7. September 2013, bekanntgegeben worden. Hiergegen haben die Antragsteller Klage nicht erhoben. Die Klagefrist ist insoweit abgelaufen. Die Klage vom 13. Oktober 2013, bei Gericht eingegangen am 23. Oktober 2013, richtet sich allein gegen die Baugenehmigung vom 20. September 2013. Die hierin enthaltenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung vom 9. April 2013 sind so geringfügig, dass sie keine über die bestandskräftige Baugenehmigung hinausgehenden Beeinträchtigungen für die Antragsteller enthält. Die Änderungen betreffen ganz überwiegend Maßnahmen im Inneren des Gebäudes wie die nachträgliche Anordnung von tragenden Wandscheiben und Stützen. Der Kubus des Gebäudes ist in keiner Weise verändert worden, die Fassade lediglich insoweit, als einzelne Fenster geringfügig verändert wurden; namentlich wurden einzelne Fenster im Untergeschoss auf der den Antragstellern zugewandten Nordseite verkleinert, wovon die Antragsteller kaum betroffen sind. Außerdem wurde das Betondach über dem Eingang durch ein Glasdach ausgetauscht, eine für die Antragsteller ebenso völlig unerhebliche Änderung.
10Soweit schließlich eine Abweichung von § 35 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ genehmigt wurde, sind die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. Denn die Vorschriften über die Bedachung sind lediglich insoweit nachbarschützend, als sie das Übergreifen von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindern sollen.
11Vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel BauONRW § 74 Rdnr. 71.
12Da zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück aber die Straße verläuft, handelt es sich nicht um Nachbargrundstücke.
13Aber auch für den Fall, dass man in der Baugenehmigung vom 20. September 2013 eine vollständig neue Baugenehmigung, also ein aliud gegenüber der Baugenehmigung vom 9. April 2013 sehen wollte, hätte der Antrag keinen Erfolg. Denn sie verstößt auch umfassend betrachtet nicht gegen nachbarschützende Rechte.
14Die Kammer hat sich bereits mit dem Vorbescheid für das Vorhabengrundstück befasst und hierzu in den Urteilen vom 16. Dezember 2011 (5 K 1784/10 u.a.) ausgeführt:
15„Der Vorbescheid erweist sich hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als rechtmäßig. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) richtet, da das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich dabei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Die weiteren Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB und damit vor allem die Frage der Erschließung sowie das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstückfläche sind demgegenüber regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
16St. Rspr., grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173; vgl. auch Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 -, zitiert nach juris (Rdnr. 51), sowie Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, juris (Rdnr. 12), vom 23. April 2010 - 5 L 337/10 -, juris (Rdnr. 11), und vom 2. August 2011 - 5 L 579/11 -, juris (Rdnr. 9).
17Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger in bauplanungsrechtlicher Hinsicht könnte daher allein aus einer Verletzung des im Merkmal des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme hergeleitet werden. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es allerdings nicht aus, dass ein Vorhaben sich mitunter nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet wird.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, zitiert nach juris.
19Das Gebot der Rücksichtnahme will vielmehr angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
20In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in konkrete, schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen jeweilige Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, sowie Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, jeweils zitiert nach juris.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Ein derartig qualifizierter Verstoß ist hier nicht feststellbar. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die dem Vorhaben zuzurechnenden verkehrsbedingten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (a) als auch hinsichtlich des mit dem Bauvorhaben verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße des M1.---------weges (b). Derartige Beeinträchtigungen erweisen sich für die Kläger jedenfalls nicht als unzumutbare Belastungen.
24a) Von den zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die unmittelbar bei der Zu- und Abfahrt zur geplanten Tiefgarage entstehen, werden die Kläger bereits aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück nicht mehr spürbar beeinträchtigt sein. Ihr Grundstück liegt mehr als 50 m von der geplanten Tiefgargagenzufahrt entfernt; zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Vorhabengrundstück liegen überdies noch die bebauten Grundstücke M2.---------weg Nrn. 21 und 23. Hinzu kommt, dass die mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt verbundenen Immissionen selbst gegenüber den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eine Unzumutbarkeit nicht erkennen lassen (vgl. Urteile der Kammer vom 16. Dezember 2011 in den Parallelverfahren 5 K 1801/10 und 5 K 1807/10).
25Die Kläger werden auch nicht durch die Geräusche und Abgase des durch das Bauvorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehrs, der an ihrem Haus über die Stichstraße des M3.--------wegs vorbeiführen wird, unzumutbar belastet. Zwar kann in einem solchen Sinne unter besonderen Umständen auch die Zunahme von Verkehrsgeräuschen aufgrund einer dem Vorhaben zuzurechnenden Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs in der weiteren Nachbarschaft zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1988 - 4 C 6. u. 7.85 -, zitiert nach juris (Kundenverkehr zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb); Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, juris (Zu- und Abfahrtsverkehr zu einem „Kurhaus“ mit einer Gesamtbesucherkapazität von 1.231); Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 B 116.88 -, juris (zum Verladen von Ware und Leergut auf der Straße vor einem Getränkemarkt).
27In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit allerdings geklärt, dass der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer baulichen Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, dieser nur zuzurechnen ist, sofern er vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist.
28Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 1992 - 7 B 103.92 -, und vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 -, jeweils zitiert nach juris.
29Hier ist schon nicht zu erkennen, warum der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehrslärm von dem „normalen“ Straßenverkehrslärm unterscheidbar und daher dem Vorhaben zurechenbar sein sollte. Vielmehr wird auch das Bauvorhaben – wie die übrigen in der Stichstraße gelegenen Grundstücke – ausnahmslos mit Pkw im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden, so dass hinsichtlich Art und Qualität des zusätzlichen Verkehrslärms keine Unterscheidung zu der bisherigen straßenverkehrlichen Nutzung der Stichstraße des M4.--------weges gegeben sein wird. Die Inanspruchnahme der – dem ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr gewidmeten – Stichstraße des M4.--------weges zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung steht dem Bauvorhaben gleichermaßen zu, wie allen anderen Anliegern in jener Stichstraße auch.
30Darüber hinaus ist nicht einmal im Ansatz festzustellen, dass bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben mit insgesamt neun Wohneinheiten ein solche Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs zu befürchten wäre, dass dadurch die Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten könnten. Dies gilt für das Grundstück der Kläger bereits insofern, als dieses aufgrund seiner Lage ohnehin entsprechend vorbelastet ist; denn das klägerische Grundstück liegt nicht ausschließlich im Bereich der Stichstraße, sondern an der Stichstraßeneinmündung und insoweit an dem – fraglos stärker befahrenen – M5.---------weg als solchem. Abgesehen davon können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Vorhabengrundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut war und es dementsprechend bislang kaum Zu- und Abgangsverkehr zu eben diesem Grundstück gab. Denn bei dem Vorhabengrundstück mit einer Gesamtfläche von immerhin fast 2.500 m2 musste jederzeit mit einem auch größeren Wohnbauvorhaben gerechnet werden. Dass das Grundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, mag für die Kläger insoweit bislang allenfalls ein faktischer Lagevorteil gewesen sein.
31Ob im Übrigen durch die zusätzlichen Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden, ist für die Beurteilung der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind in diesem Kontext für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht ausschlaggebend.
32b) Auch im Übrigen wird aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Dies gilt sowohl mit Blick auf die von den Klägern erwarteten „Parkplatzprobleme“ als auch hinsichtlich der befürchteten „Verkehrsgefährdungen“.
33Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung der benachbarten Grundstücke zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
34Die in den Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 12 Stellplätzen ist für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 1.1 der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind Verwaltungsvorschriften und deshalb für das Gericht nicht bindend. Sie sind jedoch als auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte – nach wie vor – von Bedeutung.
35Vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, und vom 19. Januar 2009 - 10 B 1687/08 -, jeweils zitiert nach juris.
36Orientiert man sich an den als sachverständig festgestellten Erfahrungswerten der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Errichtung eines Stellplatzes je Wohnung. Das Gericht sieht keinen Anlass, dass für das vorliegende Vorhaben von diesen Erfahrungswerten abzuweichen wäre.
37Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht etwa zu befürchten, dass die künftigen Bewohner des Vorhabens statt der Tiefgarage den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmen werden. Zwar mag eine Tiefgarage mittels Aufzugsanlage oder ein sog. „Parklift“ bei öffentlichen Einrichtungen im Einzelfall untauglich sein, um den Stellplatzbedarf zu befriedigen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.08.1990 - 11 A 2085/88 -, zum Stellplatzbedarf einer Spielhalle, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1999 - 3 S 1163/99 -, zum Stellplatzbedarf für ein Islamisches Zentrum, jeweils zitiert nach juris.
39Dies gilt indes nicht für ein Wohnbauvorhaben mit 12 Tiefgaragenstellplätzen. Insoweit gilt es zu bedenken, dass die – ausnahmslos dem Mehrfamilienhaus zugeordneten – Tiefgaragenstellplätze nur im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden; dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird. Anders als bei öffentlichen Einrichtungen mit regem Besucherverkehr ist daher hier mit etwaigen Rückstaus o. ä. nicht zu rechnen, so dass auch nicht zu befürchten ist, dass die Tiefgarage nicht von den Bewohnern in Anspruch genommen werden könnte.
40Hinzu kommt, dass die bisherigen Anlieger in der Stichstraße des M4.--------weges nahezu allesamt über eigene Stellplätze oder Garagen verfügen. Außerdem kann nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht nur die Stichstraße, sondern auch der Bereich des M3.--------wegs , der vor der Einmündung in die Stichstraße liegt, ohne weiteres zum Parken genutzt werden.
41Nach alledem führt das Vorhaben der Beigeladenen im Bereich der Stichstraße auch nicht zu einer Verschärfung der Verkehrssituation, mit der zwingend oder typischerweise eine erhöhte (Verkehrs-)Gefährdung einhergehen könnte. Bei der Straße handelt es sich um eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr; für Fußgänger ist an der südlichen Straßenseite ein befestigter Bürgersteig vorhanden. Die Stichstraße ist – ausweislich des Eindrucks, den der Einzelrichter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat – weder besonders eng noch besonders unübersichtlich. Dies gilt auch für den Einmündungsbereich in die Stichstraße wie für den Bereich des Wendehammers. Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Ein- oder Ausfahrtsvorgänge über die Tiefgaragenzufahrt zu einer besonderen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen könnten, da sich – soweit anhand des angefochtenen Vorbescheides abgeschätzt werden kann – die Zufahrt ohne Rangiervorgänge oder besondere Fahrmanöver befahren lassen dürfte.“
42Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Baugenehmigung in gleicher Weise. Die Änderungen, die das der Baugenehmigung zugrunde liegende Vorhaben gegenüber dem mit Vorbescheid genehmigten Vorhaben erfahren hat, sind im Hinblick auf die Verletzung von Nachbarrechten der Kläger unerheblich. Das gilt zum einen in Bezug auf die Änderung des Gebäudekubus‘, die lediglich das Maß der baulichen Nutzung betrifft, das keinen Nachbarschutz begründet. Das betrifft aber insbesondere die Änderungen hinsichtlich der Anlage der Zufahrt zur Tiefgarage, die nunmehr nicht mehr wie ursprünglich geplant über eine Rampe parallel zur Straße erfolgt, sondern über einen Aufzug, der direkt von der Straße angefahren wird. Dadurch wird die Belästigung der Anwohner in erheblichem Umfang reduziert. Auch soweit die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage von 12 auf 15 erhöht wurde, obwohl statt neun nunmehr nur noch acht Wohnungen gebaut werden, kommt dies den Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der zu knapp bemessenen Stellplätze entgegen.
43Der Antrag ist deshalb abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
44Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt das Interesse der Eigentümer von zwei Grundstücken an der Verhinderung des Vorhabens. Pro Grundstück hat die Kammer 10.000 € zugrunde gelegt, wobei der Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.