Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 14. Sept. 2016 - 3 K 1021/15.MZ
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen hat.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Überlassung von Kopien von Kooperationsverträgen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen.
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Die Beklagte schloss mit der Beigeladenen zwischen 2009 und 2013 drei Kooperationsverträge im Bereich der Lebenswissenschaften ab. Der Vertrag vom 7. Dezember 2009 hat die Errichtung eines Exzellenzzentrums für Lebenswissenschaften mit einer Förderung durch die Beklagte in Höhe von 100 Mio. € zum Gegenstand. Diese Vereinbarung wurde ersetzt und konkretisiert durch den „Kooperationsvertrag …“ vom 12. April 2012. Die Kooperationsvereinbarung vom 15. April 2013 betrifft die Förderung der Spitzenforschung in den Lebenswissenschaften mit einer Fördersumme von 50 Mio. €, insbesondere durch eine Neuausrichtung der Biologie an der Beklagten.
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Der Kläger ist Professor und Lehrstuhlinhaber für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule A.. Er ist außerdem Autor des 2015 im E.-Verlag erschienenen Buches „Gekaufte Forschung. Wissenschaft im Dienst der Konzerne“ sowie zahlreicher weiterer Publikationen.
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Er beantragte am 9. Juni 2015 bei der Beklagten unter Berufung auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG – die Zusendung aller Kooperationsverträge zwischen der Beklagten und der Beigeladenen.
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Die Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 10. Juli 2015 darauf hin, der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sei nicht eröffnet, da sie bei Abschluss der Verträge keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt, sondern im Bereich der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gehandelt habe. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt.
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Der Kläger legte mit Schreiben vom 20. August 2015 Widerspruch ein. Er habe einen Informationsanspruch, da das Landesinformationsfreiheitsgesetz einen generellen Ausschluss für den Bereich von Forschung und Lehre nicht vorsehe. Allein aus den Gesetzesmaterialien könne ein solcher nicht hergeleitet werden. Eine weitgehende Bereichsausnahme verstoße außerdem gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und gegen das Bestimmtheitsgebot. Auch Art. 5 Abs. 3 GG werde verletzt. Die Wissenschaftsfreiheit könne nämlich vor den Gefahren, die mit einer Zusammenarbeit von Hochschulen und der privaten Industrie verbunden seien, nur durch mehr Transparenz geschützt werden. Die Kooperation von Hochschulen und der Pharmaindustrie dürfe nicht im Verborgenen geschehen, sondern müsse öffentlich diskutiert werden. Auf der anderen Seite drohe der Wissenschaftsfreiheit keine Gefahr durch Transparenz, weshalb § 9 LIFG einem Informationsanspruch nicht entgegenstehe. Dieser Ausnahmetatbestand zum Schutz besonderer öffentlicher Belange sei eng auszulegen, wobei eine Ablehnungsentscheidung einer umfassenden Begründung bedürfe. Ein abstrakter Verweis auf etwaige nachteilige Auswirkungen reiche nicht aus.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sei nur eröffnet, soweit Verwaltungstätigkeit, also gesetzesvollziehende Tätigkeit, ausgeübt werde. Angelegenheiten im Bereich des Art. 5 Abs. 3 GG seien dagegen nicht erfasst, wie aus der Gesetzesbegründung unmissverständlich folge.
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Nachdem die Beklagte in dem Verfahren 3 K 636/16.MZ verurteilt wurde, dem dortigen Kläger Zugang zu den Kooperationsverträgen zu eröffnen, gewährte sie bei einem Pressetermin am 4. Juli 2016 Pressevertretern Einsicht in die drei streitgegenständlichen Verträge. An diesem Termin nahm auch der Kläger persönlich teil. Daneben sind die Verträge vom 7. Dezember 2009 und vom 12. April 2012 inzwischen auf der Homepage des WDR als Download abrufbar.
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Der Kläger hatte am 1. Oktober 2015 Klage erhoben, mit der er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft und ergänzt. Er stützt seinen Anspruch auch nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes weiterhin auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz. Es sei als Fall der echten Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht zulässig, wenn seinem Anspruch durch Beschränkungen im Landestransparenzgesetz rückwirkend die Grundlage entzogen werde. Weiter folge aus der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verbürgten Informationsfreiheit in Verbindung mit dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Publizität staatlichen Handelns ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf freien Zugang zu amtlichen Informationen, der einem allgemeinen und undifferenzierten Ausschluss von Transparenzpflichten in Bezug auf universitäre Drittmittelverträge entgegenstehe. Zuletzt beruft sich der Kläger außerdem auf den Auskunftsanspruch nach dem Landesmediengesetz. Er sei als Buchautor und Publizist Medienvertretern bzw. Journalisten gleichzustellen, da Pressetätigkeit eine Festanstellung oder Hauptberuflichkeit nicht voraussetze. Er beabsichtige, den Inhalt der streitgegenständlichen Drittmittelverträge publizistisch auszuwerten. Dabei sei der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht auf einen bloßen Zugang beschränkt, sondern umfasse auch die Überlassung von Kopien der Verträge, da nur so eine sachgerechte publizistische Bearbeitung möglich sei. Er könne außerdem – wie ein Vergleich mit dem Landesinformationsfreiheitsgesetz zeige – grundsätzlich selbst über die Art des Informationszugangs entscheiden. Das Anfertigen von Kopien sei für die Beklagte hier nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Jedenfalls stehe ihm – dem Kläger – ein Anspruch auf Überlassung von Kopien unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu, da anderen Medienvertretern die Vertragsdokumente in Form von Kopien ausgehändigt worden seien. Unerheblich sei insoweit, ob dies auf der Grundlage einer bewussten und gewollten Entscheidung geschehen oder bloß Folge eines leichtfertigen oder fahrlässigen Verhaltens der Beklagten gewesen sei. Schließlich sei das Rechtsschutzinteresse für die Klage auch nach der Teilnahme des Klägers an dem Pressetermin der Beklagten vom 4. Juli 2016 nicht entfallen, da der Anspruch auf Überlassung von Kopien des gesamten Vertragswerks noch nicht erfüllt worden sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, sich Kopien der Verträge über Dritte selbst zu besorgen, da nur im Klagewege erhaltene Kopien mit einer garantieartigen Zusicherung verbunden seien, dass es sich um die authentischen und vollständigen Dokumente handele. Schließlich komme einem Urteil eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für zukünftige Auseinandersetzungen zu.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2015 zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und ihm Zugang zu gewähren zu
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a) dem Kooperationsvertrag zwischen der J. und der B. vom 7. Dezember 2009,
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b) dem Kooperationsvertrag zwischen der J. und der B. vom 12. April 2012,
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c) der Kooperationsvereinbarung zwischen der B. und der J. vom 15. April 2013,
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und zwar durch die zur Verfügungstellung von Kopien des vollständigen Vertragswerks.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ergänzt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Sie verweist außerdem darauf, dass nach dem Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes Ansprüche nicht mehr auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz gestützt werden könnten. Das Landestransparenzgesetz regele nun ausdrücklich, dass im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre lediglich ein Anspruch auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben bestehe. Das Landestransparenzgesetz bewirke insoweit allenfalls eine unechte Rückwirkung, die hier verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Schließlich sei nach der Teilnahme des Klägers am Pressetermin vom 4. Juli 2016 dessen Rechtsschutzinteresse für die Klage entfallen. Ein über die gewährte Einsichtnahme hinausgehender Anspruch auf Überlassung von Kopien stehe dem Kläger nicht zu. Insbesondere folge ein solcher nicht aus dem presserechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte keinem Pressevertreter Kopien der Verträge überlassen habe. Vielmehr seien Kopien der Kooperationsverträge vom 12. April 2012 und vom 15. April 2013 während des Pressetermins am 4. Juli 2016 unberechtigt und gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Beklagten heimlich einbehalten worden. Jedem anwesenden Pressevertreter sei ein Vertragsdokument zur Einsichtnahme vorgelegt worden. Diese Exemplare seien – worauf die Journalisten zu Beginn ausdrücklich hingewiesen worden seien – im Anschluss eingesammelt worden, wobei festgestellt worden sei, dass je ein Exemplar der Kooperationsvereinbarung vom 12. April 2012 und vom 15. April 2013 gefehlt habe. Trotz mehrmaliger Aufforderung des Präsidenten der Beklagten, die fehlenden Exemplare unverzüglich herauszugeben, sei dies nicht erfolgt.
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Die Beigeladene, die keinen eigenen Antrag stellt, trägt vor, dass nach dem Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes Ansprüche nicht mehr auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz gestützt werden könnten. Weiter liege kein Fall der Rückwirkung vor, da bereits nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zur Beurteilung von Verpflichtungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Schließlich sei der Anspruch des Klägers beim Pressetermin am 4. Juli 2016 bereits erfüllt und der Kläger klaglos gestellt worden. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf die Überlassung von Kopien bestehe nicht. Ein solcher könne insbesondere nicht auf den abredewidrigen Einbehalt von zwei Leseexemplare während des Pressetermins am 4. Juli 2016 gestützt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Zugang zu den streitgegenständlichen Kooperationsverträgen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen wurde während des Pressetermins am 4. Juli 2016 erfüllt, ein darüber hinausgehender Anspruch auf Überlassung von Kopien dieser Verträge steht dem Kläger nicht zu.
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1. Die Klage ist auch nach der Durchführung des Pressetermins vom 4. Juli 2016 – zumindest teilweise – noch zulässig.
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Zwar ist die Klage unzulässig, soweit der Kläger Zugang zu den Kooperationsverträgen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen begehrt. Der Kläger vermag diesbezüglich kein Rechtsschutzbedürfnis mehr darzutun, nachdem die Beklagte ihm während des Pressetermins am 4. Juli 2016 unstreitig Zugang zu diesen Verträgen gewährt und so dem darauf gerichteten Begehren des Klägers entsprochen hat.
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Auch soweit der Kläger vorträgt, einem Urteil im vorliegenden Rechtsstreit komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für zukünftige Auseinandersetzungen zu, kann er daraus kein Rechtsschutzbedürfnis für sich herleiten. Ein Rechtsschutzinteresse folgt in einem Verwaltungsprozess, der auf die Geltendmachung subjektiver Rechte ausgerichtet ist, nämlich nicht bereits aus dem allgemeinen Wunsch, eine abstrakte Rechtsfrage klären zu lassen. Auch nach Erledigung eines Rechtsstreits – welche der Kläger allerdings auch auf einen gerichtlichen Hinweis hin nicht erklärt hat – ergeht eine Sachentscheidung nur bei Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses, etwa aufgrund einer Wiederholungsgefahr. Eine solche wäre hier indes nicht gegeben. Dies setzt nämlich die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 – 7 B 108/89 –, NVwZ 1990, 360 und juris Rn. 5 m.w.N.; Urteil vom 26.7.1996 – 8 C 20/95 –, juris Rn. 7; Urteil vom 16.5.2013 – 8 C 20/12 –, juris Rn. 12). Verweigert die Beklagte künftig den Zugang zu Kooperationsverträgen, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass dies unter unveränderten tatsächlichen Umständen geschehen wird. Die behördliche Entscheidung über Auskunftsansprüche setzt eine Abwägung im konkreten Einzelfall voraus, bei der insbesondere zu prüfen ist, ob öffentliche oder schutzwürdige private Interessen einer Veröffentlichung entgegenstehen. Im vorliegenden Fall war bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Interessen der Beklagten und der Beigeladenen die besondere Konstellation zu berücksichtigen, dass einzelnen Medienvertretern bereits Zugang zu den Verträgen gewährt wurde. Die der Abwägung zugrunde liegenden Umstände dürften deshalb in künftigen Verfahren nicht mit vorliegender Situation vergleichbar sein.
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Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers könnte weiter auch insoweit entfallen sein, als er die Überlassung von Kopien der beiden Kooperationsverträge vom 7. Dezember 2009 und vom 12. April 2012 begehrt, da diese inzwischen auf der Homepage des WDR zum Download bereit stehen. Jedenfalls besteht das Rechtsschutzbedürfnis aber hinsichtlich des Kooperationsvertrags vom 15. April 2013 fort, da der Kläger eine Kopie dieses Vertrages von der Beklagten nicht erhalten hat und der Vertrag auch nicht im Internet abgerufen werden kann.
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2. Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überlassung von Kopien der Kooperationsverträge, die die Beklagte mit der Beigeladenen geschlossen hat.
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a) Ein solcher folgt zunächst nicht aus § 6 Abs. 1 Landesmediengesetz – LMG –, wonach die Behörden verpflichtet sind, den Medien die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
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Vorliegend könnte bereits fraglich sein, ob sich der Kläger als Professor und freischaffender Autor überhaupt auf den Auskunftsanspruch nach § 6 LMG berufen kann. Zwar eröffnet § 6 Abs. 1 LMG einen Anspruch nicht nur für die Medien, sondern auch für deren Vertreter (vgl. VG Mainz, Urteil vom 11.5.2016 – 3 K 636/15.MZ –, UA S. 8 f.). Hier ist allerdings zweifelhaft, ob der Kläger ein Vertreter der Medien im Sinne des Landesmediengesetzes ist, da er keinen Nachweis dafür vorgelegt hat, dass er – wenigstens im konkreten Einzelfall – einem Presseunternehmen zugeordnet werden kann, das die Gewähr für die publizistische Verbreitung der von ihm beabsichtigten Abhandlung zur Kenntniserlangung einer breiten Öffentlichkeit bietet (vgl. dazu VGH BW, Beschluss vom 6.10.1995 – 10 S 1821/95 –, NJW 1996, 538 und juris; VGH BW, Urteil vom 11.9.2013 – 1 S 509/13 –, DVBl 2014, 101 und juris Rn. 24; VG Stuttgart, Urteil vom 23.6.2016 – 1 K 3376/13 –, juris Rn. 39). Dies kann jedoch dahinstehen, da § 6 Abs. 1 LMG hier ohnehin keinen Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge vermittelt.
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Der medienrechtliche Anspruch des § 6 Abs. 1 LMG gewährt nämlich grundsätzlich nur ein Recht auf Auskunft (vgl. zum verfassungsrechtlichen presserechtlichen Auskunftsanspruch BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5/13 –, NJW 2014, 1126 und juris Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.3.2014 – OVG 6 S 48.13 –, NVwZ 2014, 1177 und juris Rn. 8 f.; VG München, Urteil vom 22.10.2013 – M 22 E 13.3871 –, juris Rn. 36). Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift, der anders als etwa § 2 Abs. 2 Satz 1 Landestransparenzgesetz – LTranspG – oder § 4 Abs. 1 Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG – nicht allgemein einen Anspruch auf „Zugang zu Informationen“ statuiert, sondern die Behörden ausdrücklich nur zur Erteilung von „Auskünften“ verpflichtet, und damit enger gefasst ist. Ein Recht auf Auskunft ist nach dem Wortsinn gerade kein – darüber hinausgehendes – Recht auf Zugang oder auf die Überlassung von Kopien. Von dieser Unterscheidung hinsichtlich der Art des Informationszugangs zwischen Auskünften auf der einen Seite und Akteneinsicht und anderen Arten der Zugangsgewährung auf der anderen Seite gehen auch die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze aus, die unter dem Oberbegriff des Informationszugangs dessen verschiedene Arten als Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder Zugang in sonstiger Weise unterscheiden (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 LTranspG). Eine über die Auskunftserteilung hinausgehende Verpflichtung der Behörden kann auch nicht in einem Umkehrschluss aus § 6 Abs. 2 Nr. 4 LMG hergeleitet werden, wonach die Behörden Auskünfte nur verweigern können, soweit ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet. Diese Vorschrift trifft nämlich gerade keine Regelung über die „Art“ der Auskunft, sondern lediglich über deren „Umfang“. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Beklagten die Erstellung von Kopien zumutbar gewesen wäre. Schließlich enthält § 6 LMG keine § 12 Abs. 1 Satz 3 LTranspG entsprechende Regelung, wonach in Fällen, in denen eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt wird, nur dann eine andere Art bestimmt werden darf, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Diese Vorschrift kann auch nicht auf den Auskunftsanspruch nach dem Landesmediengesetz übertragen werden, da § 6 LMG grundsätzlich nur eine Art des Informationszugangs – nämlich die Auskunftserteilung – vorsieht und eine (beschränkte) Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Zugangsmöglichkeiten daher bereits von ihrem Ansatzpunkt her nicht passt. Auch eine Erweiterung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs auf andere Arten des Informationszugangs im Wege einer analogen Anwendung der transparenzrechtlichen Vorschriften kommt nicht in Betracht, da nicht nur Ausschlussgründe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2015 – 6 VR 2/15 –, juris Rn. 15; Urteil vom 25.3.2015 – 6 C 12/14 –, BVerwGE 151, 348 und juris Rn. 29), sondern auch Zugangsregelungen einer eigenständigen gesetzgeberischen Prüfung und Bewertung am Maßstab der Pressefreiheit bedürfen. Zwar begründet das Transparenzgesetz Informationsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind, während der presserechtliche Auskunftsanspruch grundrechtlich gewährleistet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2015 – 6 VR 2/15 –, juris Rn. 15; Urteil vom 25.3.2015 – 6 C 12/14 –, BVerwGE 151, 348 und juris Rn. 29). Dennoch ist der Gesetzgeber auch im Anwendungsbereich der Pressefreiheit nicht verpflichtet, einen umfassenden Informationsanspruch zu statuieren, sondern ihm steht ein grundsätzlich weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der ihn insbesondere auch zur Regelung von Beschränkungen des Auskunftsanspruchs berechtigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2015 – 6 VR 2/15 –, juris Rn. 16; Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5/13 –, NJW 2014, 1126 und juris Rn. 22; Urteil vom 20.2.2013 – 6 A 2/12 –, BVerwGE 146, 56 und juris Rn. 29). Die einfachgesetzliche Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist damit Ergebnis einer spezifischen gesetzgeberischen – und nicht gerichtlichen – Abwägungsentscheidung, die neben den Zugangs- und Beschränkungsregelungen gerade auch die Art der Auskunftserteilung erfasst.
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Gleichwohl kann sich der Auskunftsanspruch nach § 6 LMG wegen der besonderen Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit ausnahmsweise zu einem Zugangsanspruch – oder auch einem Anspruch auf Überlassung von Kopien – verdichten. Dies ist dann der Fall, wenn die Funktion des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ausnahmsweise nur auf diese Art und Weise wirksam verwirklicht werden kann (vgl. VGH BW, Beschluss vom 1.7.2015 – 1 S 802/15 –, DVBl. 2015, 1257 und juris Rn. 39 unter Verweis auf VG Cottbus, Beschluss vom 19.9.2013 – 1 L 219/13 –, juris Rn. 25; VG Cottbus, Beschluss vom 15.1.2001 – 1 L 783/01 –, juris Leitsatz 2). Vorliegend konnte die Funktion des Auskunftsanspruchs aber auch ohne eine Überlassung von Kopien durch die persönliche Einsichtnahme während des Pressetermins am 4. Juli 2016, bei dem jeder anwesende Pressevertreter ein Leseexemplar der streitgegenständlichen Verträge zur Prüfung vor Ort erhalten hatte, wirksam verwirklich werden. Dabei bezog sich das Interesse der Pressevertreter – wie auch der Kläger vorträgt – nicht auf jede einzelne Bestimmung der Verträge, sondern gerade auf solche Klauseln, die Rückschlüsse auf Einflussnahmemöglichkeiten der Beigeladenen gegenüber der Beklagten zulassen. Diese einzelnen Klauseln konnten aber während des Pressetermins in ihrem Wortlaut und im Gesamtzusammenhang der – in ihrem Umfang durchaus begrenzten – Verträge eingeordnet und bewertet werden. Darüber hinaus war es sogar möglich, der Beklagten ergänzende Fragen zu den Verträgen zu stellen.
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Der Annahme, dass die Funktion des presserechtlichen Auskunftsanspruchs vorliegend ausschließlich durch die Überlassung von Kopien der Verträge wirksam verwirklicht werden könnte, steht außerdem entgegen, dass zumindest die Kooperationsverträge vom 7. Dezember 2009 und vom 12. April 2012 inzwischen auf der Homepage des WDR zum Download öffentlich bereit stehen und sich der Kläger Kopien dieser beiden Verträge ohne Weiteres selbst beschaffen kann. Es bestehen insoweit auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den veröffentlichten Verträgen nicht um die authentischen Dokumente handeln könnte. Die Verträge sind durchnummeriert und enthalten Seitenzahlen, ohne dass sie Lücken in der Nummerierung oder im Text aufweisen. Auch sonstige konkrete Umstände oder Auffälligkeiten, die auf eine Verfälschung der Dokumente hindeuten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Überlassung von Kopien nicht aus dem presserechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 6 Abs. 4 LMG, da die Beklagte auch keinen anderen Pressevertretern Kopien der Verträge zum Einbehalt zur Verfügung gestellt hat. Zwar hat die Beklagte keine Erklärung dafür, wie ein Exemplar des Vertrages vom 7. Dezember 2009 an die Presse gelangt ist. Allerdings bestehen keine Anhaltspunkte, dass dieser Vertrag von der Beklagten willentlich herausgegeben wurde. Dies gilt auch für die Verträge vom 12. April 2012 und vom 15. April 2013. Nach den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten und der Beigeladenen – denen der Kläger nicht entgegen getreten ist – wurde im Pressetermin vom 4. Juli 2016 je ein Leseexemplar dieser beiden Verträge von einem der anwesenden Pressevertreter unberechtigt einbehalten. Dies ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Diese hat zu Beginn des Pressetermins klargestellt, dass es sich lediglich um Leseexemplare handelt, die nicht zum Einbehalt bestimmt und nach Ende des Termins zurückzugeben sind. Sie hat dabei nur so viele Exemplare ausgeteilt, wie Pressevertreter anwesend waren. Schließlich hat sie die anwesenden Pressevertreter mehrmals nachdrücklich dazu aufgefordert, die fehlenden Exemplare herauszugeben, nachdem festgestellt wurde, dass nicht alle Kopien zurückgegeben wurden. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass die Beklagte anderen Pressevertretern Kopien der Verträge – willentlich – überlassen hätte. Auf das unberechtigte und von der Beklagten nicht veranlasste Einbehalten der Kopien durch dritte Pressevertreter kann sich der Kläger unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten dagegen nicht berufen.
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Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten war nicht gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückzuweisen, da der Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2016 am 7. September 2016 und damit innerhalb der mit Verfügung vom 29. August 2016 gesetzten Stellungnahmefrist bei Gericht eingegangen war. Auch ein Schriftsatznachlass zur Erwiderung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2016 – dem Kläger am 12. September 2016 zugegangen – musste dem Kläger nicht nach § 173 VwGO i.V.m. § 283 Zivilprozessordnung – ZPO – gewährt werden. Der Kläger war nämlich in der Lage und es war ihm zumutbar, sich zu dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung zu äußern. Der Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2016 enthält neben wiederholenden und vertiefenden Ausführungen und einer Replik auf Rechtsausführungen des Klägers insbesondere eine genaue Darstellung des Ablaufs der Pressekonferenz vom 4. Juli 2016 und der Umstände, unter denen zwei der an die Pressevertreter ausgeteilten Leseexemplare abhandengekommen waren. Dieser Sachverhalt wurde jedoch auch im Schriftsatz der Beigeladenen vom 7. September 2016, der dem Kläger am 8. September 2016 per Fax übermittelt wurde, dargestellt. Auf diesen Schriftsatz der Beigeladenen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. September 2016 repliziert und zum Sachvortrag ausgeführt, es mache keinen Unterschied, ob die Verträge anderen Pressevertretern bewusst ausgehändigt worden seien oder dies lediglich Folge eines fahrlässigen Verhaltens gewesen sei. Schließlich bedurfte es für den Kläger, der an der Pressekonferenz selbst persönlich teilgenommen hat, keiner weiteren Ermittlungen im Hinblick auf den diesbezüglichen Sachvortrag. Er konnte vielmehr aus eigener Anschauung hierzu Stellung nehmen. Hierzu hatte er auch noch während der mündlichen Verhandlung – bei der er persönlich anwesend war – Gelegenheit. Der Darstellung der Beklagten zum tatsächlichen Ablauf der Pressekonferenz vom 4. Juli 2016 ist der Kläger indes nicht entgegengetreten.
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b) Ein Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge steht dem Kläger auch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz oder dem Landestransparenzgesetz nicht zu. Nach diesen Gesetzen hätte der Kläger vorliegend nicht einmal einen Anspruch auf Zugang zu den Verträgen.
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aa) Rechtsgrundlage für den allgemeinen Auskunftsanspruch ist nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – am 1. Januar 2016 § 2 Abs. 2 LTranspG. Das Landesinformationsfreiheitsgesetz, das vorbehaltlich der hier nicht maßgeblichen Regelung des § 26 Abs. 5 LTranspG zum 1. Januar 2016 außer Kraft trat, findet dagegen keine Anwendung mehr. Der maßgebliche Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens richtet sich nach dem entscheidungserheblichen materiellen Recht. Dieses bestimmt in der Übergangsregelung des § 26 Abs. 3 LTranspG, dass über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes nach den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes gestellt worden sind, nach den Vorschriften des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden ist. Dabei wird nicht zwischen der behördlichen und der gerichtlichen Entscheidung differenziert. Allein maßgeblich ist demnach das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gültige Landestransparenzgesetz (vgl. OVG RP, Urteil vom 10.6.2016 – 10 A 10878/15 –, juris Rn. 26; VG Trier, Urteil vom 22.2.2016 – 6 K 2390/15.TR – S. 9; BVerwG, Urteil vom 18.10.2005 – 7 C 5/04 –, NVwZ 2006, 343 und juris Rn. 14 zum Informationsanspruch nach UIG).
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Die Übergangsregelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Norm verletzt nicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Insbesondere liegt kein Fall der „echten“ Rückwirkung vor, sondern allenfalls eine „unechte“ Rückwirkung. Während Gesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, sind Gesetze mit unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig. Echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift, insbesondere, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände geltend soll. Eine unechte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, NVwZ 2016, 300 und juris Rn. 40 ff. m.w.N.). Daran gemessen begründet § 26 Abs. 3 LTranspG keinen Fall echter Rückwirkung. Zunächst ist bereits zweifelhaft, ob sich die Rechtsposition des Klägers durch die Anwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes im Verhältnis zum Landesinformationsfreiheitsgesetz überhaupt verschlechtert hat. Denn auch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz bestand gemäß § 2 Abs. 1 LIFG ein Informationsanspruch gegenüber Behörden nur, soweit diese Verwaltungstätigkeit ausüben. Durch das Abgrenzungsmerkmal der Verwaltungstätigkeit sollten ausweislich der Gesetzesbegründung gerade solche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes vollständig und ohne eine Abwägung im Einzelfall ausgeklammert werden, die ihre Grundlage in der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheit von Forschung und Lehre hatten (vgl. LT-Drucks. 15/2085, S. 11; auch VG Mainz, Beschluss vom 7.9.2009 – 3 L 762/09.MZ – juris Rn. 4). Hier spricht Einiges dafür, dass die streitgegenständlichen Kooperationsverträge dem geschützten Bereich von Forschung und Lehre unterfallen, dem alle Aktivitäten der Forschung einschließlich der vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten (z.B. die Planung von wissenschaftlichen Vorhaben, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen) zugehören, da die Verträge die strukturellen Vorbedingungen für das Ob und Wie der Durchführung der Forschung der Beklagten schaffen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 51 ff.). Dies kann jedoch dahinstehen, da eine echte Rückwirkung auch im Falle einer Verschlechterung der Rechtsposition des Klägers infolge der Gesetzesänderung nicht gegeben wäre. Denn die Übergangsvorschrift des § 26 Abs. 3 LTranspG ordnet die Anwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes erst für einen Zeitpunktnach der Verkündung des Gesetzes für noch nicht abgeschlossene Tatbestände an, nämlich für Anträge auf Zugang zu Informationen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Die Norm wirkt demnach lediglich auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger einen Anspruch geltend macht, da auch dieser nicht einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt – etwa einen bereits beendeten Zeitraum – betrifft. Gründe, warum das Vertrauen des Klägers hier ausnahmsweise Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer einheitlichen Neuregelung zu einem bestimmten Stichtag genießen sollte, sind nicht ersichtlich.
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Da es demnach auf die Vorschriften des Landesinformationsfreiheitsgesetzes nicht entscheidungserheblich ankam, bedurfte es einer – vom Kläger beantragten – Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht.
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bb) Ein Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge nach § 2 Abs. 2 LTranspG steht dem Kläger nicht zu. Zwar kann die Behörde der Transparenzpflicht gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 LTranspG auch „in sonstiger Weise“ nachkommen und damit in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens auch durch Übermittlung von Kopien. Allerdings enthält § 16 Abs. 3 LTranspG eine ausdrückliche Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Danach beziehen sich diese ausschließlich auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben. § 16 Abs. 3 LTranspG normiert also eine abschließende Regelung der staatlichen Transparenzpflichten in Bezug auf Drittmittelverträge, ohne dass nach den jeweiligen Vertragsbestandteilen und deren spezifischem Wissenschaftsbezug zu differenzieren wäre. Die Informationen des § 16 Abs. 3 LTranspG hat die Beklagte bereits veröffentlicht, so dass ein Auskunftsanspruch gemäß § 16 Abs. 3 LTranspG nicht mehr besteht.
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cc) Die Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich Wissenschaft, Forschung und Lehre begegnet auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere ist § 16 Abs. 3 LTranspG hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Zwar bestimmt § 16 Abs. 3 Hs. 1 LTranspG lediglich allgemein, dass die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu gewährleisten ist. Die Vorschrift normiert in ihrem ersten Halbsatz damit eher deklaratorisch eine ohnehin nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits bestehende Verpflichtung. Sodann wird diese Gewährleistung jedoch für die staatlichen Transparenzpflichten konkretisiert, indem § 16 Abs. 3 Hs. 2 LTranspG hinreichend genau regelt, welche Informationen im Einzelnen in Bezug auf Drittmittelverträge der staatlichen Transparenzpflicht unterliegen, nämlich ausschließlich die Namen der Drittmittelgeber, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben. Daraus ergibt sich umgekehrt, dass die dort nicht genannten Informationen zu Drittmittelverträgen zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit nicht der Transparenzpflicht unterliegen sollen. Die Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich der Wissenschaftsfreiheit ist auch verhältnismäßig. Sie dient dem Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit, insbesondere der Autonomie von Forschung und Lehre. Umgekehrt greift die Beschränkung der Transparenzpflichten nicht in verfassungsrechtlich besonders geschützte Rechtspositionen ein. Insbesondere ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG kein verfassungsunmittelbares Recht der Allgemeinheit auf Eröffnung einer Informationsquelle. Auch das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG vermag konkrete Publizitätspflichten nicht zu begründen. Schließlich folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG keine staatliche Verpflichtung, die Wissenschaftsfreiheit speziell durch Transparenzpflichten vor Einflussnahmen oder Störungen durch Dritte zu schützen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung seines grundrechtlichen Schutzauftrags einen erheblichen Gestaltungsspielraum (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 68 ff.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Transparenzpflichten der Hochschulen gegenüber der Allgemeinheit auf bestimmte Mindestangaben beschränkt hat. Dies trägt einerseits der besonderen grundrechtlichen Bedeutung der Autonomie von Forschung und Lehre Rechnung, berücksichtigt andererseits aber auch in angemessenem Umfang das öffentliche Informationsinteresse und ermöglicht durch die Bekanntgabe der Namen der Drittmittelgeber und der Höhe der Drittmittel eine substantielle öffentliche Diskussion und Kontrolle der Wechselbeziehungen zwischen öffentlichen Hochschulen und privater Wirtschaft.
- 40
c) Der Kläger kann einen Anspruch auf Überlassung von Kopien der Kooperationsverträge auch nicht aus dem unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten presserechtlichen Auskunftsanspruch herleiten. Dieser sichert lediglich eine Mindestgarantie und kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine abschließende, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigende, gesetzliche Regelung – wie hier § 6 LMG – nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 6 C 35/13 – NJW 2015, 807 und juris Rn. 50; Urteil vom 20.2.2013 – 6 A 2/12 –, BVerwGE 146, 56 und juris Rn. 29).
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d) Weiter folgt auch aus der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit kein Anspruch des Klägers auf eine Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge.
- 42
Dies gilt zunächst soweit er geltend macht, die begehrten Informationen für seine wissenschaftliche Arbeit zum Thema drittmittelfinanzierter Forschung zu benötigen. Insoweit geht es dem Kläger nämlich weder um die Abwehr eines Eingriffs in dieses Freiheitsrecht noch um die Teilhabe am staatlichen Wissenschaftsbetrieb, sondern er begehrt Informationen von der Beklagten als Forschungsobjekt. Als Forschungsobjekt spielt der Staat aber keine Sonderrolle wie im Wissenschaftsbetrieb; er ist einer unter vielen anderen möglichen Forschungsgegenständen, weshalb sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich kein Anspruch auf Unterstützung der eigenen Forschung durch die Überlassung von Kopien ableiten lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5/13 –, NJW 2014, 1126 und juris Rn. 26 zu einem Akteneinsichtsrecht; BVerfG, Urteil vom 30.1.1986 – 1 BvR 1352/85 –, NJW 1986, 1243 und juris Rn. 7).
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Soweit dem Kläger aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ein Anspruch auf sachgerechte Entscheidung über seinen Antrag unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Position zustehen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.1.1986 – 1 BvR 1352/85 –, NJW 1986, 1243 und juris Rn. 7), bestehen jedenfalls keine Bedenken, dass die Entscheidung, dem Kläger einen über den gewährten Zugang zu den Verträgen hinausgehenden Anspruch auf Überlassung von Kopien zu versagen, sachwidrig oder willkürlich wäre.
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Schließlich kann der Kläger sich hier auch nicht auf die Wissenschaftsfreiheit als Abwehrrecht berufen, da er als Professor einer anderen Universität als der Beklagten durch die streitgegenständlichen Verträgen in seiner eigenen Wissenschaftsfreiheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beeinträchtigt ist. Eine Rolle als Sachwalter der Wissenschaftsfreiheit im Allgemeinen kommt ihm dagegen im Verwaltungsprozess nicht zu.
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e) Auch aus der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG kann der Kläger einen Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge nicht herleiten. Die verfassungsrechtlich verbürgte Informationsfreiheit bezieht sich nämlich nur auf „allgemein zugängliche Quellen“, also solche Quellen, die technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5/13 –, NJW 2014, 1126 und juris Rn. 20 m.w.N.). Die Kooperationsverträge zwischen der Beklagten und der Beigeladenen sind aber gerade nicht dazu bestimmt, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu verschaffen. Dies ergibt sich bereits aus den in den Verträgen vereinbarten Vertraulichkeitsklauseln (vgl. Ziff. 10.1 des Kooperationsvertrags vom 7. Dezember 2009; Ziff. 7.1 des Kooperationsvertrags vom 12. April 2012). Die Informationsfreiheit gewährt dagegen keinen verfassungsunmittelbaren Zugang zu amtlichen Informationen bzw. keinen Anspruch darauf, amtliche Informationen allgemein zugänglich zu machen. Vielmehr kann der Staat im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang festlegen, in dem er Informationsquellen allgemein zugänglich macht, (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5/13 –, NJW 2014, 1126 und juris Rn. 20 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.3.2014 – OVG 6 S 48.13 –, NVwZ 2014, 1177 und juris Rn. 8).
- 46
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und ein Kostenrisiko nicht eingegangen ist, entspricht es billigem Ermessen, sie nicht in die Kostenentscheidung einzubeziehen (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Beschluss der 3 . Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 14. September 2016
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Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 2 GKG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 14. Sept. 2016 - 3 K 1021/15.MZ
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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.
- 2
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In der B. Straße ... in W. vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Nach vorheriger Anhörung untersagte das Landratsamt M. am Inn der Klägerin mit Bescheid vom 14. Oktober 2008 die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele in der genannten Betriebsstätte und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgeldes von 10 000 € auf, ihre Tätigkeit mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Tages einzustellen. Es stützte die Untersagung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV (a.F.) und die Erwägung, eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nach § 10 Abs. 2, Abs. 5 GlüStV ohnehin nicht erteilt werden. Zur Begründung der Vollzugsregelung wurde ausgeführt, ein Zuwarten komme nicht in Betracht, da der Betreiber des Wettlokals sich zumindest wegen Beihilfe zum Veranstalten unerlaubten öffentlichen Glücksspiels nach § 284 Abs. 1 i.V.m. § 27 StGB strafbar mache.
- 3
-
Die am 15. Oktober 2008 erhobene Anfechtungsklage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 28. April 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Begehren auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für die Zeit vom 14. Oktober 2008 bis zum 31. Oktober 2010 umgestellt und vorgetragen, sie habe die Zugriffsmöglichkeit auf ihre frühere Betriebsstätte in der B. Straße ... in W. mit Ablauf des 31. Oktober 2010 endgültig verloren. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen, sowie aus einem schwerwiegenden Eingriff in ihre Berufsfreiheit. Außerdem bestehe eine Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtige, Sportwetten an einen anderen im EU-Ausland zugelassenen Anbieter zu vermitteln. Schließlich könne sie sich wegen des Vorwurfs strafbarer Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels auch auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen. Zudem sei ihr Geschäftsführer einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Amtsgericht M. am Inn ausgesetzt gewesen.
- 4
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Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Mai 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, der angegriffene Bescheid vom 14. Oktober 2008 sei vom Zeitpunkt seines Erlasses bis zum 31. Oktober 2010 rechtswidrig gewesen. Die Untersagungsverfügung habe sich mit dem Verlust der Zugriffsmöglichkeit auf die Betriebsstätte endgültig erledigt. Die deshalb auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellte Klage sei zulässig. Der Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens begründe ein Rehabilitierungsinteresse, das durch das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin noch verstärkt werde. Darüber hinaus habe die Klägerin auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit und die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet. Sowohl die Untersagungsverfügung als auch die Zwangsgeldandrohung seien vom Erlass des Bescheides bis zum 31. Oktober 2010 rechtswidrig gewesen. Die Untersagungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, da sie sich auf das staatliche Sportwettenmonopol stütze, das seinerseits gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstoße. Die Monopolregelung sei wegen konterkarierender Regelung des Sektors der gewerblichen Automatenspiele inkohärent und beschränke die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 56 AEUV unverhältnismäßig; sie dürfe deshalb nicht angewendet werden.
- 5
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Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2009 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 8
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
- 9
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Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den in Rede stehenden Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag im Berufungsverfahren umgestellt wurde.
- 10
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Mit Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Fortsetzungsfeststellungsklage für statthaft erachtet. Nachdem die Klägerin den Zugriff auf ihre Betriebsstätte zum 31. Oktober 2010 endgültig verloren hatte, hat sich die Untersagungsverfügung des Beklagten, die sich allein auf diese Betriebsstätte bezog, endgültig erledigt. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung, die noch rückgängig gemacht werden könnten, sind nicht ersichtlich.
- 11
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Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.
- 12
-
1. Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.
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Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.
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2. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.
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Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).
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Soweit die Begründung der Untersagungsverfügung davon ausgeht, die Klägerin habe strafbare Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel geleistet, kann offenbleiben, ob dies als stigmatisierender Vorwurf schuldhaft-kriminellen Verhaltens gegenüber ihrem Geschäftsführer zu verstehen war. Jedenfalls hat dieser Vorwurf keine Außenwirkung erlangt, deretwegen das geschäftliche Ansehen der Klägerin gegenwärtig noch beeinträchtigt wäre, oder die zu Nachteilen in aktuellen oder künftigen Verwaltungsverfahren führen könnte. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen. Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihre Organe hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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Die Durchführung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen ihren Geschäftsführer begründet kein Rehabilitierungsinteresse. Mit der Auferlegung einer Geldbuße ist kein ethischer Schuldvorwurf verbunden. Darin unterscheidet sich das Ordnungswidrigkeitenverfahren gerade vom Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 6. Juni 1967 a.a.O.; Entscheidung vom 4. Juli 1967 - 2 BvL 10/62 - BVerfGE 22, 125 <132 f.>).
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Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern vom 21. März 2013 ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.
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3. Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (a) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (b). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (c).
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a) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 11). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.
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b) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.
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Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).
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Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110
= Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).
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Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137
m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.
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c) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.
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Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951
), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.
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Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137
und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter a) und b) (Rn. 21 und 22 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.
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Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783
und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).
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Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301
). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.
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Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O.
und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.
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Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O.
). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.
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An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. - Slg. 1982, S. 3415
). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.
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4. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.
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Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357
) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
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Die Klägerin hat den Zugriff auf ihre Betriebsstätte Ende Oktober 2010 endgültig verloren. Denkbare Schadensersatzansprüche betreffen also im Wesentlichen den Zeitraum vor Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041). Für diesen Zeitraum scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.
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a) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194
), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.
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b) Im genannten Zeitraum fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029
). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.
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c) Auch für den nach Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile vom 9. September 2010 verbleibenden, noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 31. Oktober 2010 ist die Geltendmachung von Amtshaftungs- oder unionsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen offensichtlich aussichtslos. Insbesondere war der Beklagte nicht verpflichtet, die Untersagungsverfügung unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Urteile aufzuheben. Der Gerichtshof hat die deutschen Sportwettenmonopole nicht für unionsrechtswidrig erklärt, sondern nur festgestellt, dass ein mitgliedstaatliches Gericht bei Vorliegen der in den Vorlageentscheidungen festgestellten Tatsachen berechtigten Anlass haben kann (nicht: hat), von einem Verstoß gegen die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit auszugehen. Die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine danach mögliche, aber nicht zwangsläufige Schlussfolgerung zu ziehen ist, hat er ausdrücklich den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069
). Vor Ergehen der Urteile des Senats vom 24. November 2010 kann deshalb keinesfalls von einer klar erkennbaren Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgegangen werden.
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Unabhängig davon ergäbe sich selbst aus einem eindeutigen Unionsrechtsverstoß der Monopolregelung nur deren Unanwendbarkeit, aber noch keine Pflicht, auf die Durchsetzung des nicht monopolabhängigen, seinerseits verfassungs- und unionsrechtskonformen Erlaubnisvorbehalts (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338
; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) zu verzichten. Insbesondere verlangt das Unionsrecht in einer solchen Situation keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - juris ). Einen Anspruch auf erlaubnisfreie Tätigkeit vermittelte das Unionsrecht also auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung offenkundig nicht. Im Aufrechterhalten der Untersagungsverfügung bis zur Klärung der materiellen Erlaubnisvoraussetzungen lag auch deshalb weder eine schuldhafte Rechtsverletzung noch ein hinreichend qualifizierter Unionsrechtsverstoß. Eine unionsrechtskonforme Bescheidung von Erlaubnisanträgen privater Veranstalter und Vermittler ermöglichte das für diese in Bayern nach Bekanntwerden der unionsgerichtlichen Entscheidungen eröffnete Erlaubnisverfahren. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruhte es auf ausreichenden gesetzlichen Grundlagen. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung und das Erlaubnisverfahren für private Vermittler waren ebenso wie die Erlaubnisvoraussetzungen in Art. 2 Abs. 1 bis 3, Abs. 4 Nr. 3 AG GlüStV i.V.m. § 4 ff. GlüStV hinreichend bestimmt und transparent geregelt. Bei Unanwendbarkeit der Monopolvorschriften ermöglichten diese Vorschriften eine diskriminierungsfreie Anwendung auf private Veranstalter und die Vermittlung von Sportwetten an diese. Gegen eine fehlerhafte, insbesondere willkürliche oder diskriminierende Rechtsanwendung im Erlaubnisverfahren stand den Betroffenen effektiver Rechtsschutz zur Verfügung.
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Außerdem fehlt jedenfalls die erforderliche haftungsbegründende Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Schaden. Bei Ermessensentscheidungen ist sie zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zum Schaden führende Entscheidung auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178). Wie bereits dargelegt, war eine Untersagung im Oktober 2010 ermessensfehlerfrei möglich. Nach der Verwaltungspraxis des Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass dieser die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Untersagungsbefugnis geduldet hätte.
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d) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).
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5. Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2015 verpflichtet, dem Kläger Zugang zu
a) dem Kooperationsvertrag zwischen der J. und der B. vom 7. Dezember 2009,
b) dem Kooperationsvertrag zwischen der J. und der B. vom 12. April 2012,
c) der Kooperationsvereinbarung zwischen der B. und der J. vom 15. April 2013
zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene als Gesamtschuldner zu ¾ und der Kläger zu ¼.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in Verträge zwischen der Beklagten und der Beigeladenen über die Förderung der Lebenswissenschaften an der Beklagten.
- 2
Die Beklagte schloss mit der Beigeladenen zwischen 2009 und 2013 drei Kooperationsverträge im Bereich der Lebenswissenschaften ab. Der Vertrag vom 7. Dezember 2009 hat die Errichtung eines Exzellenzzentrums für Lebenswissenschaften und dessen Förderung durch die Beklagte mit insgesamt bis zu 100 Mio. € zum Gegenstand. Im Kooperationsvertrag vom 12. April 2012 finden sich Konkretisierungen zur vorgenannten Vereinbarung. Die Kooperationsvereinbarung vom 15. April 2013 betrifft die Förderung der Spitzenforschung in den Lebenswissenschaften insbesondere durch eine Neuausrichtung der Biologie an der Beklagten mit einer Fördersumme von bis zu 50 Mio. € über einen Zeitraum von zehn Jahren. Auf die Kooperation mit der Beigeladenen wies die Beklagte durch Pressemitteilung vom 29. April 2013 unter Angabe des Gegenstands der Vereinbarung und der Fördersumme hin.
- 3
Der Kläger ist Journalist beim S. Er beantragte mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 bei der Beklagten die Überlassung einer Kopie der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten, der Beigeladenen und dem Land Rheinland-Pfalz betreffend die Förderung der Lebenswissenschaften an der Beklagten. Zur Begründung führte er an, das Landesinformationsfreiheitsgesetz gewährleiste einen Informationsanspruch voraussetzungslos, die Beklagte sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine auskunftspflichtige Behörde, der Zugang zu personenbezogenen Daten Dritter werde von ihm nicht begehrt und schutzwürdige Interessen seien nicht betroffen.
- 4
Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2015 darauf hin, der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sei nicht eröffnet, da sie bei Abschluss der Verträge keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt habe. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt.
- 5
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 8. Mai 2015 Widerspruch ein. Auch Angelegenheiten im Bereich Forschung und Lehre seien Verwaltungstätigkeiten und damit vom Informationsanspruch erfasst. Eine Ausnahme für Hochschulen sehe das Landesinformationsfreiheitsgesetz im Gegensatz zu vergleichbaren Gesetzen anderer Bundesländer nicht vor. Ohnehin betreffe der Gegenstand der Verträge nicht Forschung und Lehre, sondern verwaltungsinterne Vorgaben für die finanzielle sowie organisatorische Zusammenarbeit der Beklagten mit der Beigeladenen.
- 6
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sei nur eröffnet, soweit Verwaltungstätigkeit – also gesetzesvollziehende Tätigkeit – ausgeübt werde. Nach der Gesetzesbegründung explizit ausgenommen seien dagegen die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Tätigkeitsfelder. Dieser geschützte Bereich sei hier betroffen, da die Verträge u.a. Regelungen hinsichtlich der Forschungsgebiete, Organisationsstrukturen und der Personalauswahl enthielten. Außerdem stünden einem Auskunftsanspruch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse entgegen, da die Veröffentlichung der Verträge die Verhandlungsposition der Beigeladenen mit anderen Hochschulen schwächen könne. Die vertrauliche Behandlung der Verträge sei der Beigeladenen vertraglich zugesichert.
- 7
Die Beigeladene lud nach Absprache mit der Beklagten einige Medienvertreter, die zuvor mit Anfragen an sie herangetreten waren, zu einem Pressetermin ein. Eine Einladung erfolgte auch an die Redaktion des S., nicht jedoch an den Kläger persönlich, der infolge dessen an dem Termin nicht teilnahm. Während des Pressetermins am 2. Juli 2015 erhielten die eingeladenen Journalisten Einsicht in die streitgegenständlichen Kooperationsverträge. Die Geschäftsführerin der Beigeladenen und der Präsident der Beklagten erläuterten die Verträge und beantworteten Fragen der Journalisten.
- 8
Der Kläger hat am 8. Juli 2015 Klage erhoben. Darin vertieft und ergänzt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Insbesondere könne sich die Beklagte – so führt er aus – nicht auf entgegenstehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Solche seien nicht betroffen. Ein Geheimhaltungsinteresse bestehe auch deshalb nicht, weil die Beklagte die Eckdaten über die Vereinbarungen in Pressemitteilungen veröffentlicht und einigen Journalisten Zugang zu den Vereinbarungen gewährt habe. Der Anspruch bestehe trotz des Inkrafttretens des Landestransparenzgesetzes fort, da die nunmehr geltende Beschränkung für den Bereich der Forschung und Lehre seinem Anspruch rückwirkend die Grundlage entziehe und daher als Fall der echten Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Weiter sei die genannte Beschränkung unverhältnismäßig und zu unbestimmt und auch aus diesem Grund verfassungswidrig. Der Kläger sieht sich außerdem dadurch diskriminiert, dass anderen Journalisten Zugang zu den Verträgen gewährt worden sei. Die Beklagte habe von seinen Recherchen zu der Thematik gewusst und nicht davon ausgehen können, dass die an den S. adressierte Einladung an ihn weitergeleitet werde. Daneben beruft sich der Kläger auf den Informationsanspruch nach dem Landesmediengesetz. Die Beklagte sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts auskunftspflichtig. Der Auskunftsanspruch sei nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG ausgeschlossen, da dessen Schutzbereich mit Blick auf die streitgegenständlichen Verträge nicht betroffen sei. Es fehle an einem wissenschaftsspezifischen Bezug der Rahmenverträge, die inhaltliche Ausgestaltungen zu einzelnen Forschungsprojekten nicht enthielten. Außerdem bestehe wegen der möglichen Einflussnahme privater Geldgeber auf die universitäre Forschung ein besonderes öffentliches Interesse an Informationen über die Kooperationsverträge. Nur durch Vorlage der Verträge sei dem Kläger die gebotene umfassende Würdigung und Bewertung der Verträge möglich.
- 9
Der Kläger beantragt,
- 10
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2015 zu verpflichten, ihm
- 11
1. Kopien hinsichtlich
- 12
a) des Kooperationsvertrags zwischen der J. und der B. vom 7. Dezember 2009,
- 13
b) des Kooperationsvertrags zwischen der J. und der B. vom 12. April 2012,
- 14
c) der Kooperationsvereinbarung zwischen der B. und der J. vom 15. April 2013
- 15
zu überlassen,
- 16
2. hilfsweise Zugang zu den unter 1. genannten drei Verträgen zu gewähren.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
Sie ergänzt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Sie verweist außerdem darauf, dass nicht sie, sondern die Beigeladene die Journalisten zu dem Pressetermin am 2. Juli 2015 eingeladen und ihnen Zugang zu den Verträgen gewährt habe. Auch könne es der Beklagten nicht angelastet werden, dass die Redaktion des S. dem Kläger die Einladung nicht weitergeleitet habe. Der Kläger habe seinen Antrag als Journalist des S. und nicht persönlich gestellt.
- 20
Die Beigeladene beantragt,
- 21
die Klage abzuweisen.
- 22
Sie trägt vor, dass nach dem Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes Ansprüche nicht mehr auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz gestützt werden könnten. Auch ein medienrechtlicher Anspruch bestehe nicht. Das Landesmediengesetz räume nur den Medien, nicht aber den einzelnen Pressevertretern einen Auskunftsanspruch ein. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe nicht, da nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene zu dem Pressetermin am 2. Juli 2015 eingeladen habe. Schließlich könne der medienrechtliche Auskunftsanspruch nicht weiter reichen als der Anspruch nach dem Landestransparenzgesetz.
- 23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 24
Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist in ihrem Hauptantrag unbegründet, hat aber in ihrem Hilfsantrag Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen (1.). Der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Überlassung von Kopien dieser Verträge steht dem Kläger dagegen nicht zu (2.).
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1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zugang zu den Forschungskooperations-verträgen, die die Beklagte mit der Beigeladenen geschlossen hat.
- 26
a) Rechtsgrundlage hierfür ist § 6 Abs. 1 Landesmediengesetz – LMG –. Der Anwendungsbereich des Landesmediengesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 LMG ausgeschlossen, da der Kläger seinen Anspruch als einzelner Medienvertreter und nicht als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter geltend macht. Der Auskunftsanspruch nach § 6 Abs. 1 LMG wird deshalb nicht durch den Anspruch nach § 9a Rundfunkstaatsvertrag – RStV – verdrängt. Nach § 6 Abs. 1 LMG sind die Behörden verpflichtet, den Medien die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
- 27
b) Die Beklagte ist Behörde im presserechtlichen Sinne und zählt damit zum Kreis der Auskunftsverpflichteten.
- 28
Für den presserechtlichen Auskunftsanspruch ist grundsätzlich ein weites Verständnis des Behördenbegriffs zugrunde zu legen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 6 LMG sind Behörden alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. LT-Drucks. 14/3235, S. 42). Die Beklagte ist als Hochschule gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Hochschulgesetz – HochSchG – Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Die Beklagte nimmt gemäß § 2 HochSchG auch öffentliche Aufgaben wahr. Eine weitergehende Einschränkung des Behördenbegriffs normiert das Landesmediengesetz nicht. Eine spezielle Beschränkung für Hochschulen ergibt sich auch nicht aus dem besonderen presserechtlichen Behördenbegriff, den die Rechtsprechung im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten entwickelt hat. Danach gelten öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten trotz ihrer Rechtsform und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht als Behörden im Sinne der medienrechtlichen Auskunftsansprüche, da sie selbst Träger der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Rundfunkfreiheit sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.7.1988 – 1 BvR 155/85 –, NJW 1989, 382; BVerwG, Urteil vom 13.12.1984 – 7 C 139/81 –, BVerwGE 70, 310 und juris Rn. 28 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9.2.2012 – 5 A 166/10 –, NVwZ 2012, 902 und juris Rn. 27 ff.). Diese Einschränkung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist jedoch auf Universitäten nicht übertragbar. Zwar können auch Universitäten trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform ausnahmsweise Grundrechtsträger sein, soweit der von der Wissenschaftsfreiheit geschützte Bereich des Art. 5 Abs. 3 GG betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.1.1963 – 1 BvR 316/60 –, BVerfGE 15, 256 und juris Rn. 22). Anders als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind die Universitäten jedoch nicht Berechtigte des verfassungsrechtlich garantierten medienrechtlichen Auskunftsanspruchs. Dieser soll den Medien die ihnen verfassungsrechtlich zugewiesene Funktion der Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen, die weder unmittelbar noch mittelbar Aufgabe des Staates sein kann. Der spezielle Konflikt im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten resultiert also nicht daraus, dass diese überhaupt Grundrechtsträger sind, sondern daraus, dass sie mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Träger und Berechtigte gerade desjenigen Grundrechts sind, das umgekehrt den Staat zu Auskünften gegenüber den Medien überhaupt erst verpflichtet. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Auskunftsanspruch gegenüber öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur im Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern auch zum Zwecke der Verbesserung der Wettbewerbssituation der mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk konkurrierenden privaten Massenmedien geltend gemacht werden und dadurch die Wettbewerbssituation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verschlechtern könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.7.1988 – 1 BvR 155/85 –, NJW 1989, 382; BVerwG, Urteil vom 13.12.1984 – 7 C 139/81 –, BVerwGE 70, 310 und juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 9.2.2012 – 5 A 166/10 –, NVwZ 2012, 902 und juris Rn. 27 ff.). Universitäten befinden sich dagegen nicht in einer vergleichbaren Konfliktsituation, da sie nicht selbst Berechtigte des medienrechtlichen Auskunftsanspruchs sind.
- 29
c) Der Kläger gehört als Journalist zum Kreis der Anspruchsberechtigten.
- 30
§ 6 LMG eröffnet nicht nur den Medienanstalten, sondern auch den einzelnen Medienvertretern einen Anspruch. Anspruchsberechtigt sind gemäß § 6 Abs. 1 LMG die „Medien“, legaldefiniert in § 3 Abs. 1 LMG als Presse, Rundfunk und Mediendienste sowie im Hinblick auf den Jugendmedienschutz Telemedien. Ob davon die Veranstalter bzw. Verantwortlichen der jeweiligen Medien oder die einzelnen Medienvertreter erfasst sein sollen, ist dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 LMG, der eine dahingehende Konkretisierung des allgemeinen Oberbegriffs „Medien“ nicht enthält, nicht zu entnehmen. Gegen eine Einbeziehung der Medienvertreter könnte sprechen, dass die Pressegesetze der meisten anderen Bundesländer den Auskunftsanspruch anders als § 6 Abs. 1 LMG explizit den „Vertretern“ der Presse einräumen (z.B. § 5 Abs. 1 Brandenburgisches Landespressegesetz, § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz, § 4 Abs. 1 Hamburgisches Pressegesetz). Allerdings ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum Landesmediengesetz, dass in § 6 LMG lediglich der zuvor in § 4 Abs. 1 LPresseG i.V.m. § 24 Abs. 1 Landespressegesetz – LPresseG – enthaltene Auskunftsanspruch übernommen werden sollte (vgl. LT-Drucks. 14/3235, S. 42). Der Anspruch nach dem früheren Landespressegesetz verpflichtete die Behörden explizit zur Erteilung von Auskünften an die „Vertreter“ der Presse bzw. von Rundfunk und Fernsehen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Anspruch mit seiner Überführung in das Landesmediengesetz eine Einschränkung im Hinblick auf die Anspruchsberechtigten erfahren sollte, lassen sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Gegen eine solche Beschränkung spricht auch, dass Grundrechtsträger der Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und des darin verbürgten verfassungsunmittelbaren medienrechtlichen Auskunftsanspruchs nicht nur die jeweiligen Medienveranstalter, sondern auch die im Bereich von Presse und Rundfunk tätigen Personen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.3.2003 – 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99 –, BVerfGE 107, 299 und juris Rn. 105). Dem widerspräche es, die einzelnen Journalisten aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten des § 6 Abs. 1 LMG auszunehmen.
- 31
d) Die Auskunft dient weiter der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe des Klägers. Dieses Tatbestandsmerkmal ist weit zu verstehen und soll lediglich Missbrauchsfälle ausschließen, wenn etwa lediglich die Befriedigung privater Neugier bezweckt ist und Informationen überhaupt nicht publizistisch ausgewertet werden sollen. Dagegen muss der Anspruchsberechtigte kein konkretes Berichterstattungsinteresse im Sinne eines anerkennenswerten aktuellen Publikationsinteresses geltend machen (vgl. HambOVG, Beschluss vom 4.10.2010 – 4 Bf 179/09.Z –, juris Rn. 18 f.; VG Schwerin, Urteil vom 18.5.2015 – 6 A 75/14 –, juris Rn. 31 ff.). Die Durchsetzung des Informationsinteresses der Medien darf nämlich nicht von einer staatlichen Inhaltsbewertung abhängen. Vielmehr müssen die Medien nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert halten und was nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 6 C 35/13 – NJW 2015, 807 und juris Rn. 41). Ein bloßer Missbrauchsfall ist hier offenkundig nicht gegeben. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, dass er beabsichtigt, den Inhalt der streitgegenständlichen Drittmittelverträge publizistisch auszuwerten.
- 32
e) Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 6 Abs. 2 LMG ausgeschlossen.
- 33
Danach können Auskünfte u.a. verweigert werden, soweit ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 LMG). Das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses haben weder die Beklagte noch die Beigeladene dargelegt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse könnte sich für die Beklagte als Hochschule zwar grundsätzlich aus Art. 5 Abs. 3 GG ergeben. Da das Landesmediengesetz keinen allgemeinen Ausschluss von medienrechtlichen Ansprüchen im Bereich der Wissenschaftsfreiheit vorsieht und damit keine grundsätzliche Wertentscheidung zugunsten der Wissenschaftsfreiheit enthält, sind die kollidierenden Verfassungsgüter der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG und der Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Rahmen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 LMG im Wege der praktischen Konkordanz im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.
- 34
Vorliegend überwiegt das Informationsinteresse des Klägers am Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen. Dieser hat ein publizistisches Interesse an der Information der Öffentlichkeit über die konkrete Ausgestaltung der Kooperationsverträge zwischen Hochschule und Pharmaindustrie sowie über die für die privaten Vertragspartner eröffneten Einflussnahmemöglichkeiten auf die öffentliche Forschung dargelegt. Dieses grundrechtlich geschützte Interesse überwiegt das Interesse der Beklagten und der Beigeladenen an einer Geheimhaltung im konkreten Fall selbst dann, wenn die streitgegenständlichen Verträge den grundrechtlich geschützten Bereich der Forschung und Lehre tangieren sollten. Es ist nämlich nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht dargelegt, welche Gefahr für die Freiheit der Wissenschaft oder welches sonstige überwiegende öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der streitgegenständlichen Verträge für sie noch bestehen könnte, nachdem die Verträge während des Pressetermins am 2. Juli 2015 bereits anderen Medienvertretern umfänglich zugänglich gemacht wurden. Ein mögliches Geheimhaltungsinteresse zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit ist dadurch entfallen, ohne dass es noch entscheidend darauf ankäme, wer den Journalisten den Zugang zu den Verträgen gewährt hat. Ohnehin ist dies der Beklagten aber auch zuzurechnen. Zwar fand die Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Beigeladenen statt und es war die Beigeladene – und nicht die Beklagte – die zu diesem Termin eingeladen hat. Auf eine derart formale Betrachtungsweise kann sich die Beklagte jedoch nicht zurückziehen. Denn sie selbst hat eingeräumt, dass die Beigeladene den Medienvertretern die Verträge „in Absprache“ mit ihren Partnern – also der Beklagten – zugänglich gemacht hat. Vor allem aber hat der Präsident der Beklagten in zentraler Funktion am Pressetermin vom 2. Juli 2015 teilgenommen: Er hat gemeinsam mit der Geschäftsführerin der Beigeladenen die Verträge erläutert und die Fragen der anwesenden Journalisten umfassend beantwortet. Dies tat er nicht als Privatperson, sondern gerade in seiner Funktion als Präsident der Beklagten. In dieser Funktion wurde er den Medienvertretern auch in den Einladungen zu dem Pressetermin als Ansprechpartner angekündigt.
- 35
Aus diesen Gründen kann sich auch die Beigeladene gegenüber dem Kläger nicht mehr auf schutzwürdige private Interessen an einer Geheimhaltung der Verträge – etwa auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – berufen.
- 36
f) Weitergehende Einschränkungen des medienrechtlichen Auskunftsanspruchs ergeben sich entgegen der Ansicht der Beklagten und der Beigeladenen nicht aus den Vorschriften des seit dem 1. Januar 2016 geltenden Landestransparenzgesetzes – LTranspG –.
- 37
Dieses enthält zwar in § 16 Abs. 3 LTranspG eine explizite Beschränkung des transparenzrechtlichen Informationsanspruchs im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Danach beziehen sich Ansprüche in Bezug auf Drittmittelverträge ausschließlich auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben. Die Ausschlusstatbestände des Transparenzgesetzes sind jedoch weder unmittelbar noch analog auf den medienrechtlichen Auskunftsanspruch anwendbar. Dies verbietet sich wegen der grundlegenden Unterschiede zwischen Auskunftsansprüchen der Allgemeinheit nach Transparenz- oder Informationsfreiheitsgesetzen und solchen der Medien nach den Presse- und Mediengesetzen. In den Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzen gewährt der Gesetzgeber „Jedermann“ einen einfachrechtlichen Anspruch auf Zugang zu Informationen, ohne dass dies verfassungsrechtlich zwingend geboten wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2015 – 6 VR 2/15 –, juris Rn. 15 m.w.N.). Es steht dem Gesetzgeber demnach in den Grenzen des Verhältnismäßigen grundsätzlich frei, ob und wieweit er einen solchen Anspruch eröffnet oder beschränkt. Im Medienrecht dagegen begründet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen unmittelbaren Auskunftsanspruch speziell der Medien gegenüber dem Staat (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 6 A 2/12 –, BVerwGE 146, 56 und juris Rn. 27 ff.; Urteil vom 25.3.2015 – 6 C 12/14 –, BVerwGE 151, 348 und juris Rn. 24). Deshalb enthält die Entscheidung des Gesetzgebers, den Informationszugang nach einem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen auszuschließen, gerade keine spezifisch die informationsrechtliche Stellung der Presse reflektierende Festlegung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2014 – 6 A 2/12 – BVerwGE 146, 56 und juris, Rn. 28). Zugangsregelungen und Begrenzungsvorschriften bedürfen vielmehr der eigenständigen gesetzgeberischen Prüfung und Bewertung anhand der Maßgabe, dass eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse gesichert sein muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2015 – 6 VR 2/15 –, juris Rn. 15; Urteil vom 25.3.2015 – 6 C 12/14 –, BVerwGE 151, 348 und juris Rn. 29). Entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen hat der Gesetzgeber die im Bereich des medienrechtlichen Auskunftsanspruchs zwingend gebotene eigenständige Abwägungsentscheidung nicht bereits im Transparenzgesetz vorgenommen oder dort das Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger dem der Medien gleichgestellt. So findet sich die von der Beigeladenen zitierte – ohnehin eher allgemeine und beiläufige – Erwähnung der Medien lediglich in der Begründung des durch den Landtag letztlich abgelehnten Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Informationsfreiheitsgesetz vom 13. Juni 2002 (LT-Drucks. 14/1170). Eine entsprechende Erwähnung der Medien hat dagegen weder in die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD vom 7. April 2008 für ein Informationsfreiheitsgesetz (LT-Drucks. 15/2085) noch in die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 23. Juni 2015 für das Landestransparenzgesetz (LT-Drucks. 16/5173) Eingang gefunden. Vielmehr heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 3 LTranspG ausdrücklich nur, dass die Regelung einen „Ausgleich zwischen der grundgesetzlich geschützten Forschungsfreiheit auf der einen Seite und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit insbesondere an drittmittelfinanzierten Forschungsvorhaben auf der anderen Seite“ schaffe (LT-Drucks. 16/5173, S. 46). Die besondere, verfassungsrechtliche Bedeutung der Medien, die sich vom Informationsinteresse der Allgemeinheit gerade unterscheidet, wurde vom Gesetzgeber demnach eindeutig nicht in den Blick genommen.
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g) Der Kläger hat dem Umfang nach einen Anspruch auf Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen.
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Zwar vermittelt der medienrechtliche Anspruch des § 6 Abs. 1 LMG grundsätzlich nur ein Recht auf Auskunft. Allerdings kann sich der Auskunftsanspruch ausnahmsweise zu einem Zugangsanspruch verdichten, wenn der presserechtliche Auskunftsanspruch nur durch die Einsichtnahme selbst wirksam verwirklicht werden kann (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 15.1.2001 – 1 L 783/01 – juris Leitsatz 2). Dies ist hier der Fall. Der Kläger begehrt Auskunft zu drei umfassenden vertraglichen Regelwerken. Die journalistische Aufbereitung und Bewertung einzelner Bestimmungen sowie des Gesamtregelwerks erscheint jedoch nur nach einer persönlichen Einsichtnahme und Kenntnisnahme des genauen Wortlauts einzelner Klauseln in ihrem Gesamtzusammenhang verlässlich möglich. Der Umfang der Anspruchs überschreitet demnach auch nicht das zumutbare Maß im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 LMG.
- 40
h) Der Anspruch des Klägers auf Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen ergibt sich daneben auch aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 LMG. Nach § 6 Abs. 4 LMG ist bei der Erteilung von Auskünften an Medien der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Nachdem anderen Journalisten der Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen bereits gewährt wurde und der Beklagten dies zuzurechnen ist, muss die Beklagte auch dem Kläger Einsicht gewähren.
- 41
i) Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Überlassung von Kopien der Verträge steht dem Kläger dagegen weder aus § 6 Abs. 1 LMG noch aus § 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 LMG zu. Bereits der tenorierte Anspruch auf Zugang zu den Verträgen überschreitet den gewöhnlich nach § 6 LMG zu beanspruchenden Auskunftsumfang. Eine noch weitergehende Ausdehnung des Auskunftsanspruchs über das gewöhnliche Maß hinaus durch eine Überlassung von Kopien ist dagegen zur Befriedigung des Informationsinteresses des Klägers nicht erforderlich. Auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich ein dahingehender Anspruch des Klägers nicht, da den anderen Journalisten keine Kopien der Verträge zur Verfügung gestellt wurden.
- 42
2. Ein Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge ergibt sich nicht aus einem anderen Rechtsgrund.
- 43
a) Der Kläger kann einen Anspruch auf Überlassung von Kopien der Verträge nicht aus dem unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten presserechtlichen Auskunftsanspruch herleiten. Dieser sichert lediglich eine Mindestgarantie und kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine abschließende, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigende, gesetzliche Regelung – wie hier § 6 LMG – nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 6 C 35/13 – NJW 2015, 807 und juris Rn. 50; Urteil vom 20.2.2013 – 6 A 2/12 –, BVerwGE 146, 56 und juris Rn. 29).
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b) Ein Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge steht dem Kläger auch nicht nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz oder dem Landestransparenzgesetz zu. Nach diesen Gesetzen hat der Kläger nicht einmal einen Anspruch auf Zugang zu den Verträgen.
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aa) Rechtsgrundlage für den allgemeinen Auskunftsanspruch ist nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – am 1. Januar 2016 § 2 Abs. 2 LTranspG. Das Landesinformationsfreiheitsgesetz, das vorbehaltlich der hier nicht maßgeblichen Regelung des § 26 Abs. 5 LTranspG zum 1. Januar 2016 außer Kraft trat, findet dagegen keine Anwendung mehr. Der maßgebliche Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens richtet sich nach dem entscheidungserheblichen materiellen Recht. Dieses bestimmt in der Übergangsregelung des § 26 Abs. 3 LTranspG, dass über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes nach den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden ist. Dabei wird nicht zwischen der behördlichen und der gerichtlichen Entscheidung differenziert. Allein maßgeblich ist demnach das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gültige Landestransparenzgesetz (vgl. VG Trier, Urteil vom 22.2.2016 – 6 K 2390/15.TR – S. 9; BVerwG, Urteil vom 18.10.2005 – 7 C 5/04 –, NVwZ 2006, 343 und juris Rn. 14 zum Informationsanspruch nach UIG).
- 46
Die Übergangsregelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Norm verletzt nicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Insbesondere liegt kein Fall der „echten“ Rückwirkung vor, sondern allenfalls eine „unechte“ Rückwirkung. Während Gesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, sind Gesetze mit unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig. Echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift, insbesondere, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände geltend soll. Eine unechte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, NVwZ 2016, 300 und juris Rn. 40 ff. m.w.N.). Daran gemessen begründet § 26 Abs. 3 LTranspG keinen Fall echter Rückwirkung. Zunächst ist bereits zweifelhaft, ob sich die Rechtsposition des Klägers durch die Anwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes im Verhältnis zum Landesinformationsfreiheitsgesetz überhaupt verschlechtert hat. Denn auch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz bestand gemäß § 2 Abs. 1 LIFG ein Informationsanspruch gegenüber Behörden nur, soweit diese Verwaltungstätigkeit ausüben. Durch das Abgrenzungsmerkmal der Verwaltungstätigkeit sollten ausweislich der Gesetzesbegründung gerade solche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes vollständig und ohne eine Abwägung im Einzelfall ausgeklammert werden, die ihre Grundlage in der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheit von Forschung und Lehre hatten (vgl. LT-Drucks. 15/2085, S. 11; auch VG Mainz, Beschluss vom 7.9.2009 – 3 L 762/09.MZ – juris Rn. 4). Hier spricht Einiges dafür, dass die streitgegenständlichen Kooperationsverträge dem geschützten Bereich von Forschung und Lehre unterfallen, dem alle Aktivitäten der Forschung einschließlich der vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten (z.B. die Planung von wissenschaftlichen Vorhaben, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen) zugehören, da die Verträge die strukturellen Vorbedingungen für das Ob und Wie der Durchführung der Forschung der Beklagten schaffen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 51 ff.). Dies kann jedoch dahinstehen, da eine echte Rückwirkung auch im Falle einer Verschlechterung der Rechtsposition des Klägers infolge der Gesetzesänderung nicht gegeben wäre. Denn die Übergangsvorschrift des § 26 Abs. 3 LTranspG ordnet die Anwendbarkeit des Landestransparenzgesetzes erst für einen Zeitpunktnach der Verkündung des Gesetzes für noch nicht abgeschlossene Tatbestände an, nämlich für Anträge auf Zugang zu Informationen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Die Norm wirkt demnach lediglich auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger einen Anspruch geltend macht, da auch dieser nicht einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt – etwa einen bereits beendeten Zeitraum – betrifft. Gründe, warum das Vertrauen des Klägers hier ausnahmsweise Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer einheitlichen Neuregelung zu einem bestimmten Stichtag genießen sollte, sind nicht ersichtlich.
- 47
bb) Ein Anspruch auf Überlassung von Kopien der streitgegenständlichen Verträge nach § 2 Abs. 2 LTranspG steht dem Kläger nicht zu. Zwar kann die Behörde der Transparenzpflicht gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 LTranspG auch „in sonstiger Weise“ nachkommen und damit in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens auch durch Übermittlung von Kopien. Allerdings enthält § 16 Abs. 3 LTranspG eine ausdrückliche Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Danach beziehen sich diese ausschließlich auf Informationen über den Namen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben. § 16 Abs. 3 LTranspG normiert also eine abschließende Regelung der staatlichen Transparenzpflichten in Bezug auf Drittmittelverträge, ohne dass nach den jeweiligen Vertragsbestandteilen und deren spezifischem Wissenschaftsbezug zu differenzieren wäre. Die Informationen des § 16 Abs. 3 LTranspG hat die Beklagte bereits veröffentlicht, so dass ein Auskunftsanspruch gemäß § 16 Abs. 3 LTranspG nicht mehr besteht.
- 48
cc) Die Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich Wissenschaft, Forschung und Lehre begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere ist § 16 Abs. 3 LTranspG hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Zwar bestimmt § 16 Abs. 3 Hs. 1 LTranspG lediglich allgemein, dass die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu gewährleisten ist. Die Vorschrift normiert in ihrem ersten Halbsatz damit eher deklaratorisch eine ohnehin nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits bestehende Verpflichtung. Sodann wird diese Gewährleistung jedoch für die staatlichen Transparenzpflichten konkretisiert, indem § 16 Abs. 3 Hs. 2 LTranspG hinreichend genau normiert, welche Informationen im Einzelnen in Bezug auf Drittmittelverträge der staatlichen Transparenzpflicht unterliegen, nämlich ausschließlich die Namen der Drittmittelgeber, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit Drittmitteln finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben. Daraus ergibt sich umgekehrt, dass die dort nicht genannten Informationen zu Drittmittelverträgen zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit nicht der Transparenzpflicht unterliegen sollen. Die Beschränkung der Transparenzpflichten im Bereich der Wissenschaftsfreiheit ist auch verhältnismäßig. Sie dient dem Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit, insbesondere der Autonomie von Forschung und Lehre. Umgekehrt greift die Beschränkung der Transparenzpflichten nicht in verfassungsrechtlich besonders geschützte Rechtspositionen ein. Insbesondere ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG kein verfassungsunmittelbares Recht der Allgemeinheit auf Eröffnung einer Informationsquelle. Auch das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG vermag konkrete Publizitätspflichten nicht zu begründen. Schließlich folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG keine staatliche Verpflichtung, die Wissenschaftsfreiheit speziell durch Transparenzpflichten vor Einflussnahmen oder Störungen durch Dritte zu schützen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung seines grundrechtlichen Schutzauftrags einen erheblichen Gestaltungsspielraum (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2015 – 15 A 97/13 –, juris Rn. 68 ff.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Transparenzpflichten der Hochschulen gegenüber der Allgemeinheit auf bestimmte Mindestangaben beschränkt hat. Dies trägt einerseits der besonderen grundrechtlichen Bedeutung der Autonomie von Forschung und Lehre Rechnung, berücksichtigt andererseits aber auch in angemessenem Umfang das öffentliche Informationsinteresse und ermöglicht durch die Bekanntgabe der Namen der Drittmittelgeber und der Höhe der Drittmittel eine substantielle öffentliche Diskussion und Kontrolle der Wechselbeziehungen zwischen öffentlichen Hochschulen und privater Wirtschaft.
- 49
dd) Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht, da § 16 Abs. 3 LTranspG und § 26 Abs. 3 LTranspG nach Auffassung der Kammer verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnen.
- 50
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Beigeladene durch die Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es billigem Ermessen, sie in die Kostenentscheidung einzubeziehen (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
- 51
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Beschluss der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 11. Mai 2016
- 52
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 2 GKG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Gründe
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I
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Der Kläger ist Redakteur einer Tageszeitung. Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung gab Anfang Dezember 2014 in einer Regierungspressekonferenz auf die Frage eines Journalisten an, es seien in den vergangenen Wochen immer wieder Dokumente, die nur an bestimmte, dafür vorgesehene Gremien hätten gehen sollen, auch in die Öffentlichkeit gelangt; die Prüfung, ob Strafanzeige erstattet werde, sei noch nicht abgeschlossen. Hieran anknüpfend wandte der Antragsteller sich unter anderem an das Bundeskanzleramt und bat dieses schließlich um Auskunft darüber, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bundeskanzleramt, beim Bundesnachrichtendienst, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Militärischen Abschirmdienst gegeben hat, in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Veröffentlichung in den Medien der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt, um welche Medienveröffentlichungen bzw. um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt und welche weiteren Kenntnisse das Bundeskanzleramt darüber hinaus über Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung in anderen Bereichen der Bundesverwaltung hat.
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Das Bundeskanzleramt beantwortete diese Anfrage dahin: Wie durch zahlreiche Presseveröffentlichungen bekannt sei, sei im Jahr 2014 mehrmals über Inhalte aus eingestuften Unterlagen des Bundeskanzleramts berichtet worden. Soweit dabei zuvor Geheimschutzvorschriften verletzt worden seien, lägen dem Bundeskanzleramt keine Hinweise auf deren Urheber vor. Insbesondere gebe es keine Erkenntnisse, wonach Mitarbeiter des Bundeskanzleramts Geheimschutzvorschriften verletzt hätten. Das Bundeskanzleramt führe weder Statistiken zu der Frage, auf welcher Grundlage Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung im Bundeskanzleramt bekannt geworden seien, noch Statistiken über die Verletzung von Geheimschutzvorschriften beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Militärischen Abschirmdienst und in weiteren Bereichen der Bundesverwaltung. Auf weitere Nachfrage des Antragstellers teilte ihm das Bundeskanzleramt mit: Über etwaige Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung und über möglichen Geheimnisverrat in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes berichte die Bundesregierung lediglich den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages. Eine Auskunftspflicht allgemeiner Art nach Art. 5 GG oder den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes bestehe insoweit nicht.
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Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
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1. wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 in folgenden Bereichen gegeben hat (aufgeschlüsselt nach Monaten)
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a) im Bundeskanzleramt
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b) beim Bundesnachrichtendienst
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2. in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) zugrunde liegt,
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3. um welche Medienveröffentlichungen es sich dabei handelt
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hilfsweise
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um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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In einem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht machte die Antragsgegnerin Angaben zur Anzahl von Verstößen gegen Geheimschutzvorschriften im Bundeskanzleramt und zur Anzahl der Fälle, in denen der Feststellung des Sachverhalts Medienveröffentlichungen zugrunde lagen. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben daraufhin den Antrag zu 1. a) und zu 2. in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren bezogen auf die Anträge zu 1. b) und zu 2. abgetrennt, soweit mit diesen Anträgen Auskünfte über den Bundesnachrichtendienst begehrt werden, und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
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II
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1. Das Verfahren war einzustellen, soweit der Antragsteller mit dem Antrag zu 2. von der Antragsgegnerin eine Auskunft (auch) darüber begehrt hat, in wie vielen Fällen einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt. Der Antragsteller hat den Antrag zu 2. uneingeschränkt für erledigt erklärt, also auch insoweit, als er sich auf Fälle einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes bezogen hat.
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2. Der Antrag zu 1. b) ist begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
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a) Der Antragsteller kann verlangen, dass das Bundeskanzleramt ihm die begehrte Auskunft darüber erteilt, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung - VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bereich des Bundesnachrichtendiensts gegeben hat.
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Der Anspruch auf die begehrte Auskunft ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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In Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers verleiht das Grundrecht der Pressefreiheit der Presse einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind, wie dies für den Bundesnachrichtendienst zutrifft (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56). Dem Bund steht die ausschließliche Kompetenz für die Gesetzgebung in auswärtigen Angelegenheiten sowie in Angelegenheiten der Verteidigung zu (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG). Zu dieser Materie gehört auch der gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland mit außen- und sicherheitspolitischer Relevanz (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313, <368 ff.>; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 33). Die Kompetenz zur Regelung der Sachmaterie "Bundesnachrichtendienst" schließt als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Damit sind auch Ansprüche gegen das Bundeskanzleramt auf der Grundlage landespresserechtlicher Vorschriften ausgeschlossen, soweit diese Auskünfte sich auf Informationen aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beziehen und über die das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde über den Bundesnachrichtendienst verfügt.
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Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U6C12.14.0] - K&R 2015, 529 Rn. 24).
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Der begehrten Auskunft stehen berechtigte schutzwürdige Interessen des Bundesnachrichtendienstes oder des Bundeskanzleramtes an der Vertraulichkeit der streitigen Information nicht entgegen.
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Welche Interessen an der Vertraulichkeit von Informationen dazu berechtigen, den verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft zu versagen, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ist durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, welche der Gesetzgeber für die gegebene Fallgestaltung als Ausschlussgrund normieren dürfte (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 26).
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Zwar können die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) als Orientierungshilfe herangezogen werden, um den Stellenwert zu bestimmen, der bestimmten Vertraulichkeitsinteressen zukommt. Diese Gesetze begründen Informationszugangsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegengehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten. Hat der Gesetzgeber den Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, besagt diese Entscheidung des Gesetzgebers hingegen nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinter-esse der Presse einzuräumen. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe, dass eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse gesichert sein muss (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 29). Hier ist deshalb entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Antragstellers nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz gemäß § 3 Nr. 8 IFG gegenüber den Nachrichtendiensten nicht besteht, auch wenn diese Ausnahmevorschrift auf Informationen aus dem Geschäftsbereich eines Nachrichtendienstes bezogen wird, die nicht bei ihm, sondern der für ihn zuständigen Aufsichtsbehörde angefragt werden.
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Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche auszunehmen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Derartige besondere Umstände bestehen zwar für operative Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes, nämlich die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Der Gesetzgeber dürfte deshalb für diesen behördlichen Funktionsbereich Auskünfte an die Presse generell ausschließen, ohne insoweit eine einzelfallbezogene Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse vorsehen zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 [ECLI:DE:BVerwG:2015:200715B6VR1.15.0] - juris Rn. 9). Für die hier begehrten Informationen lässt sich aber kein Funktionsbereich besonderen Charakters identifizieren, der abwägungsfest gegen Auskunftsbegehren abgeschirmt werden dürfte.
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Die deshalb erforderliche Abwägung fällt zugunsten des Informationsinteresses des Antragstellers aus.
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Zwar bestehen berechtigte schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen, wenn und soweit deren Herausgabe die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder gefährden würde (vgl. zu § 99 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 8).
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Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ist jedoch nicht erkennbar, dass die Herausgabe der hier begehrten Information die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes erschweren oder gefährden könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum einen, werde die Zahl bekannt, in welcher Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt seien, könne dies dahin missverstanden werden, es gebe mehrere Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes, was wiederum das Interesse ausländischer Nachrichtendienste auf solche vermeintlichen Schwachstellen lenken könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum anderen, mit der Bekanntgabe, in wie vielen Fällen Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt worden seien, werde der Bundesnachrichtendienst an Vertrauenswürdigkeit verlieren mit entsprechenden schädlichen Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten.
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Dass Nachrichtendienste gegen eine Verletzung der für sie geltenden Geheimhaltungsvorschriften nicht schlechthin gefeit sind, sondern davon in unterschiedlichem Ausmaß und Gewicht betroffen sein können, ist eine offenkundige Tatsache, die hier nicht zuletzt durch die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung konkret bestätigt wurde. Dass solche Verstöße vorkommen, ist das Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bundesnachrichtendienstes in den Augen anderer Nachrichtendienste herabzusetzen. Ebenso offenkundig ist, dass Nachrichtendienste Schwachstellen bei anderen Nachrichtendiensten auszunutzen bemüht sind. Die Auskunft über die bloße Zahl einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften ist aber ungeeignet, derartige Bemühungen zu fördern. Die Vorschriften der Verschlusssachen-Anweisung decken nahezu das gesamte Tätigkeitsfeld des Bundesnachrichtendienstes ab, mit der Folge, dass auch Verstöße gänzlich unterschiedliches Gewicht haben können. Anders als bei einer Aufschlüsselung möglicher Verstöße nach Tätigkeitsfeld und Art des Verstoßes bietet die aggregierte Zahl von Verstößen keinen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen, die einerseits von anderen Nachrichtendiensten ausgenutzt werden könnten oder andererseits das Vertrauen in den Bundesnachrichtendienst nachhaltig zu erschüttern vermöchten.
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Der geltend gemachte Auskunftsanspruch scheitert nicht daran, dass die begehrte Information erst noch durch interne Untersuchungen beschafft werden müsste (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30). Die Antragsgegner hat nicht vorgebracht, die Gesamtzahl der dem Bundeskanzleramt zur Kenntnis gelangten Verletzungen von Geheimschutzvorschriften beim Bundesnachrichtendienst im Jahr 2014 erst durch umfangreichere Aktenrecherchen ermitteln zu müssen.
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b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Ein solcher Nachteil ist in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche anzunehmen, wenn für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegenwartsbezug besteht, der dazu führt, dass bei einem Abwarten der Klärung im Hauptsacheverfahren die begehrte Auskunft ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 -1 BvR 23/14 - NJW 2014, 3711).
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Der Antragsteller hat in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Hinweisen der Bundesregierung auf Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften seine auf Konkretisierung zielenden Nachfragen angebracht. An dem Thema war ein gesteigertes öffentliches Interesse anzunehmen, weil die Bundesregierung ankündigte, zu prüfen, wie der Umgang mit geheim zu haltenden Informationen optimiert werden könnte und ob Strafverfahren eingeleitet werden sollen. Dadurch war zugleich ein fortdauernder Gegenwartsbezug der Informationen gewahrt. Dem könnte nicht entgegengehalten werden, dass mit der hier allein noch in Rede stehenden Information das angesprochene Thema nicht erschöpft wird. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Die Bedeutung einer Information kann vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen wird es nicht gerecht, wenn das Gewicht eines geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig gemacht würde (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41).
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3. Soweit über den Antrag in der Sache zu entscheiden war, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten auch insoweit der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Sie hat die begehrte Information in dem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht erteilt und dadurch zu erkennen gegeben, dass kein Grund für die Versagung der Auskunft bestand. Eventuelle Mehrkosten, welche durch die Anrufung des sachlich unzuständigen Verwaltungsgerichts Berlin entstanden sind, hat gemäß § 173 VwGO, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Antragsteller zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Tatbestand
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Die beklagte Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie das Land Berlin, der Beigeladene zu 2, waren jeweils Eigentümer von Teilflächen des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof. Gemeinsam schlossen sie mit der Beigeladenen zu 1 einen Mietvertrag über Teile des Geländes. Der Vertrag berechtigt die Beigeladene zu 1 zur Durchführung von zwei etwa vierwöchigen Modemessen pro Jahr. Die Wirtschaftlichkeit der Vermietung wurde in öffentlichen Stellungnahmen, unter anderem von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses von Berlin, erörtert und teilweise angezweifelt.
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Der Kläger ist Journalist. Er begehrte von der Beklagten Auskunft u.a. über den Inhalt des Mietvertrags. Diese erwiderte, sie mache gegenüber Außenstehenden keine Angaben zum Inhalt von Mietverträgen. Ihre privaten Vertragspartner müssten sich auf deren vertrauliche Behandlung verlassen können. Der Kläger hat daraufhin Klage auf Auskunftserteilung erhoben. Diese hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Nachdem zwischenzeitlich der Beigeladene zu 2 bestimmte Passagen des Mietvertrages offen gelegt hatte, hat der Kläger sein Auskunftsbegehren hinsichtlich der verbleibenden, weiterhin geheim gehaltenen Passagen im Berufungswege weiterverfolgt. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Vertragsbestimmungen über Mietzinsen, Mietsicherheiten, Mietminderung, geschuldete Baumaßnahmen, Verlängerungsoptionen und Sonderkündigungsrechte.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, ihm über diese Vertragsbestimmungen Auskunft zu erteilen. Dem Kläger stehe ein Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 PresseG NRW zu. Die Vorschrift finde im vorliegenden Fall Anwendung. Es bestehe keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der presserechtliche Auskunftsanspruch gehöre wesensmäßig zum Presserecht. Hierfür seien die Länder gesetzgebungszuständig. Der Auskunftsanspruch sei nicht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NRW ausgeschlossen. Zwar stellten die Vertragsbestimmungen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der übrigen Beteiligten dar. Ferner würden fiskalische Interessen für ihre Geheimhaltung sprechen. Das Informationsinteresse des Klägers besitze jedoch überwiegendes Gewicht.
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Aus dem Urteil des Senats vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56) folge, dass der landespressegesetzliche Auskunftsanspruch in Bezug auf Sachmaterien in Bundeskompetenz keine Anwendung finde. Anwendbar sei daher der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser ende dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der Auskunftserteilung entgegenstehen würden. Da es sich bei den begehrten Informationen um Geschäftsgeheimnisse der Beklagten sowie der Beigeladenen handle, bestehe jeweils ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse, über sie keine Auskunft zu erteilen. Mit Blick darauf, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Privater durch Art. 12 und Art. 14 GG geschützt seien, würde die Auskunftserteilung in Grundrechte der Beigeladenen zu 1 eingreifen. Ein solcher Eingriff bedürfe ohnehin einer gesetzlichen Grundlage. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch bilde keine hinreichende Eingriffsermächtigung. Unabhängig hiervon stünden fiskalische Interessen der Auskunftserteilung entgegen. Die Beklagte und der Beigeladene zu 2 seien zur Erhaltung ihrer Akzeptanz im Markt darauf angewiesen, Vertraulichkeit über Vertragsinhalte wahren zu können. Selbst wenn § 4 PresseG NRW anwendbar wäre, verstieße das angefochtene Urteil gegen Bundesrecht, weil die betroffenen Belange fehlerhaft abgewogen seien. Das Oberverwaltungsgericht überbewerte das öffentliche Informationsinteresse an den begehrten Informationen.
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Die Beigeladene zu 1 trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Abwägung die Tragweite der betroffenen Informationen für ihren Geschäftsbetrieb verkannt. Die Veröffentlichung eröffne die Gefahr der Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Strukturen durch Wettbewerber und Kunden. Bei Kenntnis des Mietzinses könnte ihre Preiskalkulation für die Vermietung von Ausstellungsflächen annähernd genau nachvollzogen werden. Auch die Veröffentlichung anderer Vertragsinhalte wie etwa der Ausgestaltung des Sonderkündigungsrechts würde für sie zu erheblichen wettbewerblichen Nachteilen führen können. Im Übrigen würden mittlerweile keine Zweifel mehr hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Vermietung bestehen.
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Der Beigeladene zu 2 verweist darauf, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Rahmen eines gegen ihn geführten Verwaltungsstreitverfahrens seine Sperrerklärung (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO) hinsichtlich der streitbefangenen Mietvertragsbestimmungen bestätigt habe.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere auch hinsichtlich dessen kompetenzrechtlicher Ausführungen.
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Der Vertreter des Bundesinteresses verneint die Regelungskompetenz der Länder für Presseauskunftsansprüche gegen Bundesbehörden.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen gegen das angefochtene Urteil sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Zwar verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem es den Auskunftsanspruch des Klägers auf das Landespressegesetz gestützt hat. Es stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger kann die begehrten Angaben aufgrund des hier anwendbaren verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruchs verlangen. Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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1. Entgegen dem Berufungsurteil ist § 4 Abs. 1 PresseG NRW verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass die Beklagte nicht zu den Behörden zählt, die nach dieser Vorschrift zur Auskunftserteilung gegenüber der Presse verpflichtet sind.
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a. Die Beklagte nimmt Aufgaben der Liegenschaftsverwaltung des Bundes wahr (§ 1 Abs. 1 Satz 3, § 2 Abs. 1 BImAG). Sie soll eine einheitliche Verwaltung des Liegenschaftsvermögens des Bundes nach kaufmännischen Grundsätzen vornehmen und nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich veräußern (§ 1 Abs. 1 Satz 5 BImAG). Kraft Natur der Sache liegt die gesetzliche Ausgestaltung des Bundesliegenschaftswesens einschließlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch die Beklagte in ausschließlicher Bundeskompetenz. Diese Kompetenz schließt wie bei anderen dem Bund zugewiesenen Sachmaterien als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 22 ff., 25). Mangels einer Ermächtigung gemäß Art. 71 GG besteht im vorliegenden Fall für die Anwendung des Landespressegesetzes kein Raum.
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b. An den kompetenzrechtlichen Annahmen seines Urteils vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - hält der Senat fest.
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aa. Der Senat hat in diesem Urteil den engen funktionellen Zusammenhang zwischen der Ausformung des gesetzlichen Steuerungsprogramms sowie dessen Vollzug auf der einen Seite und der Entscheidung über die öffentliche Zugänglichkeit hierauf bezogener Verwaltungsinformationen auf der anderen Seite hervorgehoben. Diese Entscheidung bestimmt mit über den normativen Stellenwert oder das praktische Gewicht bestimmter von einer Sachmaterie erfasster materieller Belange und setzt so eine zentrale, auf die behördliche Umsetzung der fachgesetzlichen Regelungsanliegen einwirkende Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns. Der notwendige Ausgleich zwischen Transparenz- und Vertraulichkeitsinteressen muss von dem für die Sachmaterie verantwortlichen Gesetzgeber in enger Abstimmung auf die Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Materie und deren spezifische Problemlagen und Regelungsnotwendigkeiten geregelt werden können. Für den Bereich von Presseauskünften gilt insoweit nichts prinzipiell anderes als für Regelungen über den Zugang von Bürgern zu Verwaltungsinformationen, wie sie der Bund mit dem Informationsfreiheitsgesetz geschaffen hat (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 24).
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Den engen funktionellen Zusammenhang zur legislativen Sachmaterie illustriert gerade auch das hier betroffene staatliche Liegenschaftswesen:
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Je weitgehender die Beklagte zur Auskunft gegenüber der Presse gehalten ist, desto stärker wird dem Interesse der Öffentlichkeit entsprochen, sich über ihre Aktivitäten beim Gesetzesvollzug ein Bild machen zu können. Im Gegenzug nimmt die Gefahr zu, dass wirtschaftliche Interessen vom Gesetzesvollzug betroffener Privater, nämlich der Geschäftspartner der Beklagten, beeinträchtigt werden. Hiermit wiederum ist die Gefahr verbunden, dass wirtschaftliche Spielräume der Beklagten eingeengt werden, wodurch nachteilige finanzielle Folgen für die öffentliche Hand entstehen können. Denn je weitgehender sich die Beklagte aufgrund presserechtlicher Auskunftsvorschriften über Vertraulichkeitserwartungen von Vertragspartnern und -interessenten hinwegsetzen muss, desto stärker kann ihre Akzeptanz im Markt leiden und können ihr deswegen Geschäftschancen entgehen. Unabhängig hiervon wird die Beklagte Verhandlungsvorteile daraus ziehen können, wenn sie in der Lage ist, bestimmte eigene Geschäftsstrategien sowie Konditionen aus früheren Geschäften gegenüber dem Markt verdeckt zu halten.
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Die Entscheidung über den Umfang von Auskunftspflichten legt insofern wichtige Rahmenbedingungen der Gesetzesausführung durch die Beklagte fest. Sie lenkt die behördliche Aufgabenerfüllung entweder in eine stärker kaufmännisch-marktorientierte Richtung oder in eine fiskalische Richtung klassischen Zuschnitts, bei der Gesichtspunkten öffentlicher Transparenz und Kontrolle vergleichsweise höheres Gewicht gegenüber aufgabenspezifischen Gesichtspunkten wirtschaftlicher Ertragsfähigkeit sowie gegenüber den rechtlichen Belangen privater Drittbetroffener eingeräumt ist. Auf die eine wie die andere Weise determiniert sie Art und Weise der Umsetzung fachgesetzlicher Regelungsanliegen oder vermittelt diesen indirekt sogar eine bestimmte inhaltliche Ausprägung. Die Entscheidungsmöglichkeit dem für die Sachmaterie verantwortlichen Gesetzgeber vorzuenthalten, würde diesen in seiner Kompetenzwahrnehmung beschneiden, vor allem aber die Möglichkeit eröffnen, dass bestimmte Regelungsanliegen, so wie er sie definiert hat - etwa im vorliegenden Fall die Vorgabe, den Gesetzesvollzug an kaufmännischen Grundsätzen auszurichten (§ 1 Abs. 1 Satz 5 BImAG), also nach Marktgepflogenheiten zu arbeiten -, gegen seine Intention abgeschwächt oder sogar übersteuert werden. Damit sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen eine Annexkompetenz begründet ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <215>; Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 2 BvL 16/84 - BVerfGE 77, 288 <299>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 23).
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bb. Eine andere Sichtweise ist nicht aufgrund der Einwände veranlasst, die im Schrifttum gegen das Senatsurteil vom 20. Februar 2013 erhoben worden sind.
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(1) Die Regelung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber der Presse lässt sich wesensmäßig dem Presserecht zuordnen, für das die Länder zuständig sind, da Art. 73 f. GG es nicht dem Bund zuweisen (vgl. Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389 <392>; Cornils, DÖV 2013, 657 <659>; Kloepfer, JZ 2013, 892). Hierauf kommt es jedoch nicht an. Eine Annexkompetenz des Bundes kommt gerade in Themenbereichen in Betracht, die grundsätzlich in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder liegen.
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(2) Es ist nicht belegt, dass in der bisherigen Staatspraxis in kompetenzrechtlich erheblicher Weise eine allseitige Rechtsüberzeugung vorgeherrscht hätte, die Regelung behördlicher Auskunftspflichten stehe auch in Bezug auf Sachmaterien in Bundeskompetenz den Ländern zu. Eine höchstrichterliche Entscheidung lag hierzu bis zum Senatsurteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - nicht vor. Ferner ist nicht ersichtlich, dass zu dem Thema in amtlichen Verlautbarungen von Verfassungsorganen des Bundes und der Länder - die Frage möglicher Rechtswirkungen solcher Verlautbarungen außen vor gelassen - in die eine oder andere Richtung Position bezogen worden wäre; von dem auch im angefochtenen Urteil (UA S. 24 f.) erwähnten "Entwurf der Bundesregierung für ein Presserechtsrahmengesetz vom 25. Juli 1974“ ist nicht zu ersehen, dass es sich hierbei um eine vom Kabinett beschlossene Gesetzesvorlage im Sinne von Art. 76 Abs. 1 GG, statt lediglich um einen internen Vorentwurf, also ein Arbeitspapier, gehandelt hätte. Die Stellungnahmen des Vertreters des Bundesinteresses im Verfahren BVerwG 6 A 2.12 sowie im vorliegenden Verfahren verdeutlichen, dass im Bereich der Bundesregierung von der Anwendbarkeit des Landespresserechts in Fällen wie dem Vorliegenden jedenfalls derzeit nicht ausgegangen wird.
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(3) Der Einwand, der "medienrechtliche Auskunftsanspruch“ beziehe sich nicht auf einen thematisch eingegrenzten Kreis von Auskünften, sondern sei "voraussetzungslos, 'sachblind' und 'sachkompetenzneutral'“ (Cornils, DÖV 2013, 657 <660>; ähnlich Kloepfer, JZ 2013, 892 <893>), wird durch die Verfassung nicht gestützt. Das Grundgesetz hält den Gesetzgeber nicht dazu an, bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber der Presse von den jeweiligen Sach- und Zuständigkeitsstrukturen zu abstrahieren. Es hindert ihn nicht, den Informationszugang der Presse abgestimmt auf die unterschiedlichen privaten und aufgabenbezogenen Vertraulichkeitserfordernisse verschiedener Sachmaterien zu regeln. Demzufolge steht es auch nicht einem kompetenzrechtlichen Begründungsansatz entgegen, der einem dahingehenden Regelungswillen Realisierungsmöglichkeiten eröffnet. Dass der Gesetzgeber diese nicht ergreifen muss, sondern ihm unbenommen bleibt, Presseauskunftspflichten "sachkompetenzneutral“ zu normieren, versteht sich von selbst, entkräftet aber nicht diesen Begründungsansatz. Vergleichbares gilt für den Gesichtspunkt, dass der Bundesgesetzgeber bei den Sachmaterien des Art. 73 GG ganz oder teilweise von der Möglichkeit des Art. 71 GG Gebrauch machen kann und bei den Sachmaterien des Art. 74 GG die Regel des Art. 72 Abs. 1 GG zur Anwendung kommt.
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(4) Soweit im Schrifttum ein Erfordernis bundesgesetzlicher Regelungsmöglichkeit mit der Begründung verneint wird, der Bundesgesetzgeber könne materienspezifische Vertraulichkeitsinteressen mit einer - notfalls über Art. 31 GG durchsetzbaren - Bindungswirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber bzw. den Gerichten "in jeder gewünschten Präzisierung“ festlegen (vgl. Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389 <393>; in Ansätzen auch Cornils, DÖV 2013, 657 <661>, Kloepfer, JZ 2013, 892 <893>; Germelmann, DÖV 2013, 667 <676>), ergibt sich hieraus kein durchgreifendes Argument gegen eine Annexkompetenz des Bundes, sondern eher für diese. Hat der Bund es in der Hand, in den Feldern der Art. 73 f. GG beliebige sachmaterial abgestimmte Beschränkungen und Ausschlüsse des Informationszugangs der Presse festzulegen, so muss diese Kompetenz aufgrund der Unzulässigkeit kompetenzieller Doppelzuständigkeiten (BVerfG, Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <202 f.>) den Ländern fehlen. Diesen verbliebe so allenfalls die Kompetenz, den bloßen Grundsatz der Auskunftspflicht - jedoch entkleidet von ihren Beschränkungen und Ausschlüssen, soweit Felder der Art. 73 f. GG in Rede stehen - zu bestimmen. Der Presseauskunftsanspruch gewinnt aber Gestalt und Wirkkraft je nach Ausmaß seiner Begrenzung. Zwischen Auskunftspflicht und Anspruchsschranken lässt sich kompetenzrechtlich schwerlich differenzieren. Liegt für die Felder der Art. 73 f. GG die Kompetenz hinsichtlich der Anspruchsschranken beim Bund, muss insoweit die Kompetenz für den Presseauskunftsanspruch insgesamt beim Bund liegen. Hielte man in diesem Punkt eine kompetenzrechtliche Differenzierung für tragfähig, würde dies im vorliegenden Fall jedenfalls zur Unanwendbarkeit der Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 PresseG NRW führen.
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(5) Für die im Schrifttum befürwortete unterschiedliche kompetenzrechtliche Einordnung von informationsfreiheitlichem und pressespezifischem Informationszugang fehlt eine tragfähige Grundlage. Dass der pressespezifische Informationszugang grundrechtlich fundiert ist und der Sicherung der für die demokratische Ordnung unabdingbaren Vermittlungs- und Kontrollfunktion der Presse dient, kann kompetenzrechtlich keinen Unterschied begründen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <204 f.>; a.A. wohl Germelmann, DÖV 2013, 667 <675 f.>). Auch die Erwägung, die Bundeszuständigkeit für den informationsfreiheitsrechtlichen Informationszugang aus einer Kompetenz kraft Natur der Sache wegen der Zugehörigkeit zum Verwaltungsverfahren abzuleiten, die dem presserechtlichen Auskunftsanspruch abgehe (vgl. Cornils, DÖV 2013, 657 <661>; Germelmann, DÖV 2013, 667 <675>), überzeugt nicht. Zwar ist der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht dem Verwaltungsverfahren zugehörig. Dies trifft aber auch auf den informationsfreiheitsrechtlichen Zugangsanspruch zu (BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 20 Rn. 9).
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2. Der Kläger kann aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs von der Beklagten verlangen, ihn über die streitbefangenen Vertragsbestimmungen zu informieren.
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a. Da der zuständige Bundesgesetzgeber keine Regelung über Presseauskunftsansprüche getroffen hat und im vorliegenden Fall weder Art. 71 noch Art. 72 Abs. 1 GG zur Anwendbarkeit des Landespressegesetzes führen, ist auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zurückzugreifen. Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29).
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b. Berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit der streitbefangenen Vertragsbestimmungen stehen der vom Kläger begehrten Auskunftserteilung nicht entgegen. Zwar unterfallen, wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, die Vertragsbestimmungen dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der übrigen Beteiligten und lassen sich ferner fiskalische Gründe für ihre Geheimhaltung ausmachen. Die Vertraulichkeitsinteressen, die insoweit zu Tage treten, sind für sich genommen auch schutzwürdig. Sie sind jedoch nicht berechtigt in dem Sinne, dass ihnen gegenüber dem Informationsinteresse des Klägers Vorrang einzuräumen wäre.
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(1) Die Berechtigung von Vertraulichkeitsinteressen, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen können, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Diesen Zusammenhang hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56 Rn. 29) verdeutlicht. Der Gesetzgeber ist kraft des objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalts der Pressefreiheit gehalten, Presseauskunftspflichten zu schaffen (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Solange der - hier zuständige - Bundesgesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Regelungsauftrag nicht nachgekommen ist, verhindert der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch, dass der objektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt der Presse leerläuft. Seine Anwendung muss allerdings in einer Weise vorgenommen werden, die nicht die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterläuft, indem sie auf der Grundlage von Interessensgewichtungen und -abwägungen erfolgt, die nach der Verfassungsordnung - welche selbst den Auskunftsstandard nicht abschließend festlegt - ausschließlich dem Gesetzgeber aufgetragen sind. Dementsprechend besteht der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch in demjenigen Umfang, den der Gesetzgeber selbst nicht unterschreiten dürfte (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Also ist er durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte.
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Nur sofern ein Vertraulichkeitsinteresse diese Anforderung erfüllt, setzt es sich berechtigterweise gegen das Informationsinteresse eines Pressevertreters durch. Die in der Revisionsbegründung der Beklagten anklingende Auffassung, gegenläufige private oder öffentliche Vertraulichkeitsinteressen würden den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch ohne weiteres ausschließen, geht daher fehl. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, dem betroffenen Vertraulichkeitsinteresse für die gegebene Sachkonstellation Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen.
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a) Der Gesetzgeber unterliegt zum einen der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29).
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Zur Bestimmung des Stellenwerts von Vertraulichkeitsinteressen können als Orientierungshilfe die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) herangezogen werden. Diese Gesetze begründen Informationszugangsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegen gehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten. Dagegen besagt die Entscheidung des Gesetzgebers, zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen den informationsfreiheitsrechtlichen Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen auszuschließen, nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe der Sicherung einer effektiven funktionsgemäßen Betätigung der Presse, die der Senat in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56 Rn. 27) als weitere Vorgabe an den Gesetzgeber aufgezeigt hat. Im vorliegenden Fall ist daher ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 6 Satz 2 IFG bei fehlender Einwilligung des Betroffenen den Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen absolut - ohne dass Raum für eine Abwägung bliebe (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - juris Rn. 30) - ausschließt.
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b) Eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Mit der hohen Bedeutung der Presse für die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie wäre es nicht vereinbar, insoweit eine restriktive Betrachtungsweise an den Tag zu legen. Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche auszunehmen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Der Presse müssen zudem trotz der Ausschlussgründe wirksame Informations- und Recherchemöglichkeiten hinsichtlich des betroffenen Verwaltungsbereichs verbleiben. Wäre die Konsequenz eines bestimmten Ausschlussgrundes oder des Zusammenspiels mehrerer von ihnen, dass die Presse sich über die staatliche Betätigung in einem bestimmten Verwaltungsbereich kein aussagekräftiges Urteil mehr bilden könnte, wäre ihr eine effektive funktionsgemäße Betätigung verwehrt.
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Der dem Gesetzgeber wie in anderen Feldern zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27) ist dadurch eine Grenze gesetzt, dass ein genereller, abwägungsfester Vorrang eines privaten oder öffentlichen Vertraulichkeitsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse nur dann normiert werden darf, wenn dies demjenigen Abwägungsergebnis entspricht, das in aller Regel in Einzelfällen tatsächlich erzielt würde. Die Pauschalierung bzw. Typisierung darf nicht zur Umkehrung von Regel-Ausnahme-Verhältnissen führen. Zudem müssen gewichtige, an die sachliche Eigenart des Vertraulichkeitsinteresses anknüpfende Gründe für sie sprechen. Ginge es dem ausgestaltenden Gesetzgeber etwa ausschließlich um eine Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen, müsste dies auf Bedenken stoßen.
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Schließlich bedarf es einer wertenden Betrachtung der normativen Eigenarten des jeweils betroffenen Verwaltungsbereichs. Hierbei sind auf der einen Seite die Spezifika der gerade hier vorherrschenden Funktionsbedürfnisse der Presse in den Blick zu nehmen. Auf der anderen Seite sind die Besonderheiten der Vertraulichkeitsinteressen in den Blick zu nehmen, wie sie speziell in diesem Bereich anzutreffen sind.
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(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Gesetzgeber nicht befugt, im Bereich des staatlichen Liegenschaftswesens, bezogen auf die hier gegebene Sachkonstellation, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie fiskalische Interessen ohne jede Ausnahme gegen einen informatorischen Zugriff der Presse zu schützen, d.h. als abwägungsfesten Ausschlussgrund zu normieren.
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Soweit die Liegenschaftsverwaltung in Wahrnehmung ihrer Verwertungsaufgaben vertragliche Vereinbarungen abschließt, besteht zwar ein nachvollziehbares fiskalisches Interesse, diese Vereinbarungen oder jedenfalls bestimmte Teile von ihnen vertraulich zu behandeln. Die Vertraulichkeitswahrung wird vielfach den Markterwartungen entsprechen, deren Erfüllung gefordert sein kann, um die eigene Marktakzeptanz zu erhalten. Insbesondere kann dies insoweit der Fall sein, als Vereinbarungsinhalte betroffen sind, die für den Vereinbarungspartner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen. Auch bestimmte Vertragswerke können als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis geschützt sein (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 20 F 11.13 - juris Rn. 8 f. m.w.N.). Vertragsinhalte können, sofern ihre Offenlegung die Wettbewerbsposition der Liegenschaftsverwaltung nachteilig zu beeinflussen geeignet ist, auch für diese selbst Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 - 20 F 21.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 Rn. 15).
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Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Abschluss vertraglicher Vereinbarungen, welche die Liegenschaftsverwaltung zu Verwertungszwecken vornimmt, den Kern ihrer Aufgabenerfüllung ausmacht. In den Vereinbarungen, namentlich ihren entgeltbezogenen Bestimmungen, bildet sich ab, in welcher Weise die Liegenschaftsverwaltung im Ergebnis ihrer Tätigkeit den öffentlichen Interessen Rechnung getragen hat, die zu wahren ihr gesetzlich aufgetragen sind. Insofern liegen die Dinge anders als beispielsweise im Bereich der Wirtschaftsverwaltung oder der Steuerverwaltung. Soweit dort eine staatliche Behörde im Zuge ihrer Tätigkeit Kenntnis etwa von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Privater erhält, bleibt die wertende Beurteilung ihrer Aufgabenerfüllung in aller Regel möglich, ohne dass auf diese Geheimnisse zugegriffen werden müsste.
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Ist der Inhalt abgeschlossener vertraglicher Vereinbarungen ein zentraler Beurteilungsfaktor in Bezug auf die Aufgabenerfüllung der staatlichen Liegenschaftsverwaltung, wäre eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse in diesem Bereich nicht möglich, sofern ihr bestimmte Teile solcher Vereinbarungen kategorisch unzugänglich blieben. Es ist denkbar, dass im Einzelfall, je nach Lage der Umstände, dem diesbezüglichen Informationsinteresse eines Pressevertreters höheres Gewicht zukommt als dem Interesse betroffener Privater und der Liegenschaftsverwaltung an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bzw. als den fiskalischen Interessen, die gegen eine Offenlegung streiten. Es lässt sich zudem kein Erfahrungssatz feststellen, wonach solche Fälle, in denen das Informationsinteresse der Presse überwiegt, Ausnahmen darstellen würden, die vernachlässigt werden könnten.
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Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber gehalten, für den Bereich der Liegenschaftsverwaltung Auskunftsvorschriften vorzusehen, die es in Bezug auf abgeschlossene vertragliche Vereinbarungen zulassen, das Informationsinteresse der Presse mit gegenläufigen fiskalischen Interessen sowie mit gegenläufigen Interessen an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anhand der jeweiligen Einzelfallumstände abzuwägen. Besteht eine solche Pflicht des Gesetzgebers, muss auch bei Anwendung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs eine Abwägung vorgenommen werden.
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(3) Auf der Grundlage der nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt dessen rechtliche Würdigung keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Das Oberverwaltungsgericht hat den grundrechtlichen Stellenwert der gegenläufigen Interessen sowie Bedeutung und Tragweite des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zutreffend erkannt. Es hat die Ausprägung der gegenläufigen Interessen im konkreten Fall in den Blick genommen und gewichtet. Seine Entscheidung, dem Auskunftsinteresse Vorrang einzuräumen, ist plausibel und nachvollziehbar.
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Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Offenlegung der Inhalte des Mietvertrags zwischen der Beklagten, dem Beigeladenen zu 2 und der Beigeladenen zu 1 sei nicht geeignet, deren Wettbewerbsfähigkeit nennenswert zu schwächen. Die wesentlichen Vertragsinhalte erlaubten keine wettbewerbsschädlichen Rückschlüsse auf die Kalkulation der Beigeladenen zu 1. Der Sorge, (potentielle) Mieter von Ausstellungsflächen könnten die Kenntnis des Vertragsinhalts in Vertragsverhandlungen mit der Beigeladenen zu 1 ausnutzen, stehe deren durchweg positive Geschäftsentwicklung gegenüber. Die Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten und des Beigeladenen zu 2 seien wegen deren Gemeinwohlbindung nur begrenzt schutzwürdig.
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Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht dem Interesse der Presse an Kenntnis und Verbreitung der Vertragsinhalte ein Gewicht beigemessen, das fallbezogen ausreicht, um die Vertraulichkeitsinteressen zu überwinden. Hierfür hat es darauf abgestellt, dass im parlamentarischen Raum des Beigeladenen zu 2 und in der lokalen Öffentlichkeit seit Jahren erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Vermietung geäußert werden. Diese beziehen sich insbesondere auf erhebliche finanzielle Zuwendungen des Beigeladenen zu 2 für die Instandsetzung der Mietobjekte. Hinzu kommt, dass Beklagte und Beigeladene zu 2 einer anderen Interessentin an einer ganzjährigen Vermietung zugunsten der Beigeladenen zu 1 eine Absage erteilten. Schließlich ist die vorliegende Vermietung Teil der in der lokalen Öffentlichkeit heftig umstrittenen Nutzung des Geländes des ehemaligen Flughafens Tempelhof.
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c. Der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts wird durch die Zuerkennung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs an den Kläger nicht verletzt. Zwar greift die Beklagte durch die Auskunftserteilung in Grundrechte der Beigeladenen zu 1 ein. Deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind durch Art. 12 und 14 GG geschützt (BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 20 F 13.10 - DVBl. 2011, 501 Rn. 16). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bietet jedoch eine hinreichende Eingriffsermächtigung. Der Einwand der Beklagten, es sei nicht verfassungsrechtlich determiniert, welcher der konkurrierenden Belange im Einzelfall überwiegt, verfängt nicht. Greift der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch - wie hier - durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen.
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Der Senat sieht sich durch den Einwand der Beklagten allerdings mit Blick auf die künftige Rechtspraxis zu dem Hinweis veranlasst, dass mindestens dort, wo eine Auskunftserteilung in Grundrechte eines Dritten eingreifen würde, eine vorherige Mitteilung an den Dritten geboten und sein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu berücksichtigen ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Gründe
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I
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Der Kläger ist Redakteur einer Tageszeitung. Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung gab Anfang Dezember 2014 in einer Regierungspressekonferenz auf die Frage eines Journalisten an, es seien in den vergangenen Wochen immer wieder Dokumente, die nur an bestimmte, dafür vorgesehene Gremien hätten gehen sollen, auch in die Öffentlichkeit gelangt; die Prüfung, ob Strafanzeige erstattet werde, sei noch nicht abgeschlossen. Hieran anknüpfend wandte der Antragsteller sich unter anderem an das Bundeskanzleramt und bat dieses schließlich um Auskunft darüber, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bundeskanzleramt, beim Bundesnachrichtendienst, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Militärischen Abschirmdienst gegeben hat, in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Veröffentlichung in den Medien der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt, um welche Medienveröffentlichungen bzw. um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt und welche weiteren Kenntnisse das Bundeskanzleramt darüber hinaus über Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung in anderen Bereichen der Bundesverwaltung hat.
- 2
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Das Bundeskanzleramt beantwortete diese Anfrage dahin: Wie durch zahlreiche Presseveröffentlichungen bekannt sei, sei im Jahr 2014 mehrmals über Inhalte aus eingestuften Unterlagen des Bundeskanzleramts berichtet worden. Soweit dabei zuvor Geheimschutzvorschriften verletzt worden seien, lägen dem Bundeskanzleramt keine Hinweise auf deren Urheber vor. Insbesondere gebe es keine Erkenntnisse, wonach Mitarbeiter des Bundeskanzleramts Geheimschutzvorschriften verletzt hätten. Das Bundeskanzleramt führe weder Statistiken zu der Frage, auf welcher Grundlage Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung im Bundeskanzleramt bekannt geworden seien, noch Statistiken über die Verletzung von Geheimschutzvorschriften beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Militärischen Abschirmdienst und in weiteren Bereichen der Bundesverwaltung. Auf weitere Nachfrage des Antragstellers teilte ihm das Bundeskanzleramt mit: Über etwaige Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung und über möglichen Geheimnisverrat in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes berichte die Bundesregierung lediglich den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages. Eine Auskunftspflicht allgemeiner Art nach Art. 5 GG oder den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes bestehe insoweit nicht.
- 3
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Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
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1. wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 in folgenden Bereichen gegeben hat (aufgeschlüsselt nach Monaten)
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a) im Bundeskanzleramt
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b) beim Bundesnachrichtendienst
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2. in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) zugrunde liegt,
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3. um welche Medienveröffentlichungen es sich dabei handelt
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hilfsweise
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um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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In einem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht machte die Antragsgegnerin Angaben zur Anzahl von Verstößen gegen Geheimschutzvorschriften im Bundeskanzleramt und zur Anzahl der Fälle, in denen der Feststellung des Sachverhalts Medienveröffentlichungen zugrunde lagen. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben daraufhin den Antrag zu 1. a) und zu 2. in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren bezogen auf die Anträge zu 1. b) und zu 2. abgetrennt, soweit mit diesen Anträgen Auskünfte über den Bundesnachrichtendienst begehrt werden, und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
-
II
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1. Das Verfahren war einzustellen, soweit der Antragsteller mit dem Antrag zu 2. von der Antragsgegnerin eine Auskunft (auch) darüber begehrt hat, in wie vielen Fällen einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt. Der Antragsteller hat den Antrag zu 2. uneingeschränkt für erledigt erklärt, also auch insoweit, als er sich auf Fälle einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes bezogen hat.
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2. Der Antrag zu 1. b) ist begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
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a) Der Antragsteller kann verlangen, dass das Bundeskanzleramt ihm die begehrte Auskunft darüber erteilt, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung - VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bereich des Bundesnachrichtendiensts gegeben hat.
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Der Anspruch auf die begehrte Auskunft ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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In Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers verleiht das Grundrecht der Pressefreiheit der Presse einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind, wie dies für den Bundesnachrichtendienst zutrifft (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56). Dem Bund steht die ausschließliche Kompetenz für die Gesetzgebung in auswärtigen Angelegenheiten sowie in Angelegenheiten der Verteidigung zu (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG). Zu dieser Materie gehört auch der gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland mit außen- und sicherheitspolitischer Relevanz (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313, <368 ff.>; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 33). Die Kompetenz zur Regelung der Sachmaterie "Bundesnachrichtendienst" schließt als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Damit sind auch Ansprüche gegen das Bundeskanzleramt auf der Grundlage landespresserechtlicher Vorschriften ausgeschlossen, soweit diese Auskünfte sich auf Informationen aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beziehen und über die das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde über den Bundesnachrichtendienst verfügt.
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Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U6C12.14.0] - K&R 2015, 529 Rn. 24).
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Der begehrten Auskunft stehen berechtigte schutzwürdige Interessen des Bundesnachrichtendienstes oder des Bundeskanzleramtes an der Vertraulichkeit der streitigen Information nicht entgegen.
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Welche Interessen an der Vertraulichkeit von Informationen dazu berechtigen, den verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft zu versagen, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ist durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, welche der Gesetzgeber für die gegebene Fallgestaltung als Ausschlussgrund normieren dürfte (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 26).
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Zwar können die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) als Orientierungshilfe herangezogen werden, um den Stellenwert zu bestimmen, der bestimmten Vertraulichkeitsinteressen zukommt. Diese Gesetze begründen Informationszugangsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegengehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten. Hat der Gesetzgeber den Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, besagt diese Entscheidung des Gesetzgebers hingegen nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinter-esse der Presse einzuräumen. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe, dass eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse gesichert sein muss (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 29). Hier ist deshalb entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Antragstellers nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz gemäß § 3 Nr. 8 IFG gegenüber den Nachrichtendiensten nicht besteht, auch wenn diese Ausnahmevorschrift auf Informationen aus dem Geschäftsbereich eines Nachrichtendienstes bezogen wird, die nicht bei ihm, sondern der für ihn zuständigen Aufsichtsbehörde angefragt werden.
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Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche auszunehmen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Derartige besondere Umstände bestehen zwar für operative Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes, nämlich die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Der Gesetzgeber dürfte deshalb für diesen behördlichen Funktionsbereich Auskünfte an die Presse generell ausschließen, ohne insoweit eine einzelfallbezogene Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse vorsehen zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 [ECLI:DE:BVerwG:2015:200715B6VR1.15.0] - juris Rn. 9). Für die hier begehrten Informationen lässt sich aber kein Funktionsbereich besonderen Charakters identifizieren, der abwägungsfest gegen Auskunftsbegehren abgeschirmt werden dürfte.
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Die deshalb erforderliche Abwägung fällt zugunsten des Informationsinteresses des Antragstellers aus.
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Zwar bestehen berechtigte schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen, wenn und soweit deren Herausgabe die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder gefährden würde (vgl. zu § 99 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 8).
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Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ist jedoch nicht erkennbar, dass die Herausgabe der hier begehrten Information die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes erschweren oder gefährden könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum einen, werde die Zahl bekannt, in welcher Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt seien, könne dies dahin missverstanden werden, es gebe mehrere Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes, was wiederum das Interesse ausländischer Nachrichtendienste auf solche vermeintlichen Schwachstellen lenken könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum anderen, mit der Bekanntgabe, in wie vielen Fällen Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt worden seien, werde der Bundesnachrichtendienst an Vertrauenswürdigkeit verlieren mit entsprechenden schädlichen Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten.
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Dass Nachrichtendienste gegen eine Verletzung der für sie geltenden Geheimhaltungsvorschriften nicht schlechthin gefeit sind, sondern davon in unterschiedlichem Ausmaß und Gewicht betroffen sein können, ist eine offenkundige Tatsache, die hier nicht zuletzt durch die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung konkret bestätigt wurde. Dass solche Verstöße vorkommen, ist das Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bundesnachrichtendienstes in den Augen anderer Nachrichtendienste herabzusetzen. Ebenso offenkundig ist, dass Nachrichtendienste Schwachstellen bei anderen Nachrichtendiensten auszunutzen bemüht sind. Die Auskunft über die bloße Zahl einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften ist aber ungeeignet, derartige Bemühungen zu fördern. Die Vorschriften der Verschlusssachen-Anweisung decken nahezu das gesamte Tätigkeitsfeld des Bundesnachrichtendienstes ab, mit der Folge, dass auch Verstöße gänzlich unterschiedliches Gewicht haben können. Anders als bei einer Aufschlüsselung möglicher Verstöße nach Tätigkeitsfeld und Art des Verstoßes bietet die aggregierte Zahl von Verstößen keinen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen, die einerseits von anderen Nachrichtendiensten ausgenutzt werden könnten oder andererseits das Vertrauen in den Bundesnachrichtendienst nachhaltig zu erschüttern vermöchten.
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Der geltend gemachte Auskunftsanspruch scheitert nicht daran, dass die begehrte Information erst noch durch interne Untersuchungen beschafft werden müsste (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30). Die Antragsgegner hat nicht vorgebracht, die Gesamtzahl der dem Bundeskanzleramt zur Kenntnis gelangten Verletzungen von Geheimschutzvorschriften beim Bundesnachrichtendienst im Jahr 2014 erst durch umfangreichere Aktenrecherchen ermitteln zu müssen.
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b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Ein solcher Nachteil ist in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche anzunehmen, wenn für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegenwartsbezug besteht, der dazu führt, dass bei einem Abwarten der Klärung im Hauptsacheverfahren die begehrte Auskunft ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 -1 BvR 23/14 - NJW 2014, 3711).
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Der Antragsteller hat in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Hinweisen der Bundesregierung auf Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften seine auf Konkretisierung zielenden Nachfragen angebracht. An dem Thema war ein gesteigertes öffentliches Interesse anzunehmen, weil die Bundesregierung ankündigte, zu prüfen, wie der Umgang mit geheim zu haltenden Informationen optimiert werden könnte und ob Strafverfahren eingeleitet werden sollen. Dadurch war zugleich ein fortdauernder Gegenwartsbezug der Informationen gewahrt. Dem könnte nicht entgegengehalten werden, dass mit der hier allein noch in Rede stehenden Information das angesprochene Thema nicht erschöpft wird. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Die Bedeutung einer Information kann vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen wird es nicht gerecht, wenn das Gewicht eines geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig gemacht würde (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41).
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3. Soweit über den Antrag in der Sache zu entscheiden war, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten auch insoweit der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Sie hat die begehrte Information in dem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht erteilt und dadurch zu erkennen gegeben, dass kein Grund für die Versagung der Auskunft bestand. Eventuelle Mehrkosten, welche durch die Anrufung des sachlich unzuständigen Verwaltungsgerichts Berlin entstanden sind, hat gemäß § 173 VwGO, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Antragsteller zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Tatbestand
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Die beklagte Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie das Land Berlin, der Beigeladene zu 2, waren jeweils Eigentümer von Teilflächen des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof. Gemeinsam schlossen sie mit der Beigeladenen zu 1 einen Mietvertrag über Teile des Geländes. Der Vertrag berechtigt die Beigeladene zu 1 zur Durchführung von zwei etwa vierwöchigen Modemessen pro Jahr. Die Wirtschaftlichkeit der Vermietung wurde in öffentlichen Stellungnahmen, unter anderem von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses von Berlin, erörtert und teilweise angezweifelt.
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Der Kläger ist Journalist. Er begehrte von der Beklagten Auskunft u.a. über den Inhalt des Mietvertrags. Diese erwiderte, sie mache gegenüber Außenstehenden keine Angaben zum Inhalt von Mietverträgen. Ihre privaten Vertragspartner müssten sich auf deren vertrauliche Behandlung verlassen können. Der Kläger hat daraufhin Klage auf Auskunftserteilung erhoben. Diese hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Nachdem zwischenzeitlich der Beigeladene zu 2 bestimmte Passagen des Mietvertrages offen gelegt hatte, hat der Kläger sein Auskunftsbegehren hinsichtlich der verbleibenden, weiterhin geheim gehaltenen Passagen im Berufungswege weiterverfolgt. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Vertragsbestimmungen über Mietzinsen, Mietsicherheiten, Mietminderung, geschuldete Baumaßnahmen, Verlängerungsoptionen und Sonderkündigungsrechte.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, ihm über diese Vertragsbestimmungen Auskunft zu erteilen. Dem Kläger stehe ein Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 PresseG NRW zu. Die Vorschrift finde im vorliegenden Fall Anwendung. Es bestehe keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der presserechtliche Auskunftsanspruch gehöre wesensmäßig zum Presserecht. Hierfür seien die Länder gesetzgebungszuständig. Der Auskunftsanspruch sei nicht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NRW ausgeschlossen. Zwar stellten die Vertragsbestimmungen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der übrigen Beteiligten dar. Ferner würden fiskalische Interessen für ihre Geheimhaltung sprechen. Das Informationsinteresse des Klägers besitze jedoch überwiegendes Gewicht.
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Aus dem Urteil des Senats vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56) folge, dass der landespressegesetzliche Auskunftsanspruch in Bezug auf Sachmaterien in Bundeskompetenz keine Anwendung finde. Anwendbar sei daher der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser ende dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der Auskunftserteilung entgegenstehen würden. Da es sich bei den begehrten Informationen um Geschäftsgeheimnisse der Beklagten sowie der Beigeladenen handle, bestehe jeweils ein berechtigtes schutzwürdiges Interesse, über sie keine Auskunft zu erteilen. Mit Blick darauf, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Privater durch Art. 12 und Art. 14 GG geschützt seien, würde die Auskunftserteilung in Grundrechte der Beigeladenen zu 1 eingreifen. Ein solcher Eingriff bedürfe ohnehin einer gesetzlichen Grundlage. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch bilde keine hinreichende Eingriffsermächtigung. Unabhängig hiervon stünden fiskalische Interessen der Auskunftserteilung entgegen. Die Beklagte und der Beigeladene zu 2 seien zur Erhaltung ihrer Akzeptanz im Markt darauf angewiesen, Vertraulichkeit über Vertragsinhalte wahren zu können. Selbst wenn § 4 PresseG NRW anwendbar wäre, verstieße das angefochtene Urteil gegen Bundesrecht, weil die betroffenen Belange fehlerhaft abgewogen seien. Das Oberverwaltungsgericht überbewerte das öffentliche Informationsinteresse an den begehrten Informationen.
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Die Beigeladene zu 1 trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Abwägung die Tragweite der betroffenen Informationen für ihren Geschäftsbetrieb verkannt. Die Veröffentlichung eröffne die Gefahr der Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Strukturen durch Wettbewerber und Kunden. Bei Kenntnis des Mietzinses könnte ihre Preiskalkulation für die Vermietung von Ausstellungsflächen annähernd genau nachvollzogen werden. Auch die Veröffentlichung anderer Vertragsinhalte wie etwa der Ausgestaltung des Sonderkündigungsrechts würde für sie zu erheblichen wettbewerblichen Nachteilen führen können. Im Übrigen würden mittlerweile keine Zweifel mehr hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Vermietung bestehen.
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Der Beigeladene zu 2 verweist darauf, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Rahmen eines gegen ihn geführten Verwaltungsstreitverfahrens seine Sperrerklärung (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO) hinsichtlich der streitbefangenen Mietvertragsbestimmungen bestätigt habe.
- 7
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere auch hinsichtlich dessen kompetenzrechtlicher Ausführungen.
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Der Vertreter des Bundesinteresses verneint die Regelungskompetenz der Länder für Presseauskunftsansprüche gegen Bundesbehörden.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen gegen das angefochtene Urteil sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Zwar verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem es den Auskunftsanspruch des Klägers auf das Landespressegesetz gestützt hat. Es stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger kann die begehrten Angaben aufgrund des hier anwendbaren verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruchs verlangen. Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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1. Entgegen dem Berufungsurteil ist § 4 Abs. 1 PresseG NRW verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass die Beklagte nicht zu den Behörden zählt, die nach dieser Vorschrift zur Auskunftserteilung gegenüber der Presse verpflichtet sind.
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a. Die Beklagte nimmt Aufgaben der Liegenschaftsverwaltung des Bundes wahr (§ 1 Abs. 1 Satz 3, § 2 Abs. 1 BImAG). Sie soll eine einheitliche Verwaltung des Liegenschaftsvermögens des Bundes nach kaufmännischen Grundsätzen vornehmen und nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich veräußern (§ 1 Abs. 1 Satz 5 BImAG). Kraft Natur der Sache liegt die gesetzliche Ausgestaltung des Bundesliegenschaftswesens einschließlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch die Beklagte in ausschließlicher Bundeskompetenz. Diese Kompetenz schließt wie bei anderen dem Bund zugewiesenen Sachmaterien als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 22 ff., 25). Mangels einer Ermächtigung gemäß Art. 71 GG besteht im vorliegenden Fall für die Anwendung des Landespressegesetzes kein Raum.
- 12
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b. An den kompetenzrechtlichen Annahmen seines Urteils vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - hält der Senat fest.
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aa. Der Senat hat in diesem Urteil den engen funktionellen Zusammenhang zwischen der Ausformung des gesetzlichen Steuerungsprogramms sowie dessen Vollzug auf der einen Seite und der Entscheidung über die öffentliche Zugänglichkeit hierauf bezogener Verwaltungsinformationen auf der anderen Seite hervorgehoben. Diese Entscheidung bestimmt mit über den normativen Stellenwert oder das praktische Gewicht bestimmter von einer Sachmaterie erfasster materieller Belange und setzt so eine zentrale, auf die behördliche Umsetzung der fachgesetzlichen Regelungsanliegen einwirkende Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns. Der notwendige Ausgleich zwischen Transparenz- und Vertraulichkeitsinteressen muss von dem für die Sachmaterie verantwortlichen Gesetzgeber in enger Abstimmung auf die Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Materie und deren spezifische Problemlagen und Regelungsnotwendigkeiten geregelt werden können. Für den Bereich von Presseauskünften gilt insoweit nichts prinzipiell anderes als für Regelungen über den Zugang von Bürgern zu Verwaltungsinformationen, wie sie der Bund mit dem Informationsfreiheitsgesetz geschaffen hat (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 24).
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Den engen funktionellen Zusammenhang zur legislativen Sachmaterie illustriert gerade auch das hier betroffene staatliche Liegenschaftswesen:
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Je weitgehender die Beklagte zur Auskunft gegenüber der Presse gehalten ist, desto stärker wird dem Interesse der Öffentlichkeit entsprochen, sich über ihre Aktivitäten beim Gesetzesvollzug ein Bild machen zu können. Im Gegenzug nimmt die Gefahr zu, dass wirtschaftliche Interessen vom Gesetzesvollzug betroffener Privater, nämlich der Geschäftspartner der Beklagten, beeinträchtigt werden. Hiermit wiederum ist die Gefahr verbunden, dass wirtschaftliche Spielräume der Beklagten eingeengt werden, wodurch nachteilige finanzielle Folgen für die öffentliche Hand entstehen können. Denn je weitgehender sich die Beklagte aufgrund presserechtlicher Auskunftsvorschriften über Vertraulichkeitserwartungen von Vertragspartnern und -interessenten hinwegsetzen muss, desto stärker kann ihre Akzeptanz im Markt leiden und können ihr deswegen Geschäftschancen entgehen. Unabhängig hiervon wird die Beklagte Verhandlungsvorteile daraus ziehen können, wenn sie in der Lage ist, bestimmte eigene Geschäftsstrategien sowie Konditionen aus früheren Geschäften gegenüber dem Markt verdeckt zu halten.
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Die Entscheidung über den Umfang von Auskunftspflichten legt insofern wichtige Rahmenbedingungen der Gesetzesausführung durch die Beklagte fest. Sie lenkt die behördliche Aufgabenerfüllung entweder in eine stärker kaufmännisch-marktorientierte Richtung oder in eine fiskalische Richtung klassischen Zuschnitts, bei der Gesichtspunkten öffentlicher Transparenz und Kontrolle vergleichsweise höheres Gewicht gegenüber aufgabenspezifischen Gesichtspunkten wirtschaftlicher Ertragsfähigkeit sowie gegenüber den rechtlichen Belangen privater Drittbetroffener eingeräumt ist. Auf die eine wie die andere Weise determiniert sie Art und Weise der Umsetzung fachgesetzlicher Regelungsanliegen oder vermittelt diesen indirekt sogar eine bestimmte inhaltliche Ausprägung. Die Entscheidungsmöglichkeit dem für die Sachmaterie verantwortlichen Gesetzgeber vorzuenthalten, würde diesen in seiner Kompetenzwahrnehmung beschneiden, vor allem aber die Möglichkeit eröffnen, dass bestimmte Regelungsanliegen, so wie er sie definiert hat - etwa im vorliegenden Fall die Vorgabe, den Gesetzesvollzug an kaufmännischen Grundsätzen auszurichten (§ 1 Abs. 1 Satz 5 BImAG), also nach Marktgepflogenheiten zu arbeiten -, gegen seine Intention abgeschwächt oder sogar übersteuert werden. Damit sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen eine Annexkompetenz begründet ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <215>; Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 2 BvL 16/84 - BVerfGE 77, 288 <299>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 23).
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bb. Eine andere Sichtweise ist nicht aufgrund der Einwände veranlasst, die im Schrifttum gegen das Senatsurteil vom 20. Februar 2013 erhoben worden sind.
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(1) Die Regelung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber der Presse lässt sich wesensmäßig dem Presserecht zuordnen, für das die Länder zuständig sind, da Art. 73 f. GG es nicht dem Bund zuweisen (vgl. Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389 <392>; Cornils, DÖV 2013, 657 <659>; Kloepfer, JZ 2013, 892). Hierauf kommt es jedoch nicht an. Eine Annexkompetenz des Bundes kommt gerade in Themenbereichen in Betracht, die grundsätzlich in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder liegen.
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(2) Es ist nicht belegt, dass in der bisherigen Staatspraxis in kompetenzrechtlich erheblicher Weise eine allseitige Rechtsüberzeugung vorgeherrscht hätte, die Regelung behördlicher Auskunftspflichten stehe auch in Bezug auf Sachmaterien in Bundeskompetenz den Ländern zu. Eine höchstrichterliche Entscheidung lag hierzu bis zum Senatsurteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - nicht vor. Ferner ist nicht ersichtlich, dass zu dem Thema in amtlichen Verlautbarungen von Verfassungsorganen des Bundes und der Länder - die Frage möglicher Rechtswirkungen solcher Verlautbarungen außen vor gelassen - in die eine oder andere Richtung Position bezogen worden wäre; von dem auch im angefochtenen Urteil (UA S. 24 f.) erwähnten "Entwurf der Bundesregierung für ein Presserechtsrahmengesetz vom 25. Juli 1974“ ist nicht zu ersehen, dass es sich hierbei um eine vom Kabinett beschlossene Gesetzesvorlage im Sinne von Art. 76 Abs. 1 GG, statt lediglich um einen internen Vorentwurf, also ein Arbeitspapier, gehandelt hätte. Die Stellungnahmen des Vertreters des Bundesinteresses im Verfahren BVerwG 6 A 2.12 sowie im vorliegenden Verfahren verdeutlichen, dass im Bereich der Bundesregierung von der Anwendbarkeit des Landespresserechts in Fällen wie dem Vorliegenden jedenfalls derzeit nicht ausgegangen wird.
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(3) Der Einwand, der "medienrechtliche Auskunftsanspruch“ beziehe sich nicht auf einen thematisch eingegrenzten Kreis von Auskünften, sondern sei "voraussetzungslos, 'sachblind' und 'sachkompetenzneutral'“ (Cornils, DÖV 2013, 657 <660>; ähnlich Kloepfer, JZ 2013, 892 <893>), wird durch die Verfassung nicht gestützt. Das Grundgesetz hält den Gesetzgeber nicht dazu an, bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber der Presse von den jeweiligen Sach- und Zuständigkeitsstrukturen zu abstrahieren. Es hindert ihn nicht, den Informationszugang der Presse abgestimmt auf die unterschiedlichen privaten und aufgabenbezogenen Vertraulichkeitserfordernisse verschiedener Sachmaterien zu regeln. Demzufolge steht es auch nicht einem kompetenzrechtlichen Begründungsansatz entgegen, der einem dahingehenden Regelungswillen Realisierungsmöglichkeiten eröffnet. Dass der Gesetzgeber diese nicht ergreifen muss, sondern ihm unbenommen bleibt, Presseauskunftspflichten "sachkompetenzneutral“ zu normieren, versteht sich von selbst, entkräftet aber nicht diesen Begründungsansatz. Vergleichbares gilt für den Gesichtspunkt, dass der Bundesgesetzgeber bei den Sachmaterien des Art. 73 GG ganz oder teilweise von der Möglichkeit des Art. 71 GG Gebrauch machen kann und bei den Sachmaterien des Art. 74 GG die Regel des Art. 72 Abs. 1 GG zur Anwendung kommt.
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(4) Soweit im Schrifttum ein Erfordernis bundesgesetzlicher Regelungsmöglichkeit mit der Begründung verneint wird, der Bundesgesetzgeber könne materienspezifische Vertraulichkeitsinteressen mit einer - notfalls über Art. 31 GG durchsetzbaren - Bindungswirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber bzw. den Gerichten "in jeder gewünschten Präzisierung“ festlegen (vgl. Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389 <393>; in Ansätzen auch Cornils, DÖV 2013, 657 <661>, Kloepfer, JZ 2013, 892 <893>; Germelmann, DÖV 2013, 667 <676>), ergibt sich hieraus kein durchgreifendes Argument gegen eine Annexkompetenz des Bundes, sondern eher für diese. Hat der Bund es in der Hand, in den Feldern der Art. 73 f. GG beliebige sachmaterial abgestimmte Beschränkungen und Ausschlüsse des Informationszugangs der Presse festzulegen, so muss diese Kompetenz aufgrund der Unzulässigkeit kompetenzieller Doppelzuständigkeiten (BVerfG, Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <202 f.>) den Ländern fehlen. Diesen verbliebe so allenfalls die Kompetenz, den bloßen Grundsatz der Auskunftspflicht - jedoch entkleidet von ihren Beschränkungen und Ausschlüssen, soweit Felder der Art. 73 f. GG in Rede stehen - zu bestimmen. Der Presseauskunftsanspruch gewinnt aber Gestalt und Wirkkraft je nach Ausmaß seiner Begrenzung. Zwischen Auskunftspflicht und Anspruchsschranken lässt sich kompetenzrechtlich schwerlich differenzieren. Liegt für die Felder der Art. 73 f. GG die Kompetenz hinsichtlich der Anspruchsschranken beim Bund, muss insoweit die Kompetenz für den Presseauskunftsanspruch insgesamt beim Bund liegen. Hielte man in diesem Punkt eine kompetenzrechtliche Differenzierung für tragfähig, würde dies im vorliegenden Fall jedenfalls zur Unanwendbarkeit der Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 PresseG NRW führen.
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(5) Für die im Schrifttum befürwortete unterschiedliche kompetenzrechtliche Einordnung von informationsfreiheitlichem und pressespezifischem Informationszugang fehlt eine tragfähige Grundlage. Dass der pressespezifische Informationszugang grundrechtlich fundiert ist und der Sicherung der für die demokratische Ordnung unabdingbaren Vermittlungs- und Kontrollfunktion der Presse dient, kann kompetenzrechtlich keinen Unterschied begründen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <204 f.>; a.A. wohl Germelmann, DÖV 2013, 667 <675 f.>). Auch die Erwägung, die Bundeszuständigkeit für den informationsfreiheitsrechtlichen Informationszugang aus einer Kompetenz kraft Natur der Sache wegen der Zugehörigkeit zum Verwaltungsverfahren abzuleiten, die dem presserechtlichen Auskunftsanspruch abgehe (vgl. Cornils, DÖV 2013, 657 <661>; Germelmann, DÖV 2013, 667 <675>), überzeugt nicht. Zwar ist der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht dem Verwaltungsverfahren zugehörig. Dies trifft aber auch auf den informationsfreiheitsrechtlichen Zugangsanspruch zu (BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 20 Rn. 9).
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2. Der Kläger kann aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs von der Beklagten verlangen, ihn über die streitbefangenen Vertragsbestimmungen zu informieren.
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a. Da der zuständige Bundesgesetzgeber keine Regelung über Presseauskunftsansprüche getroffen hat und im vorliegenden Fall weder Art. 71 noch Art. 72 Abs. 1 GG zur Anwendbarkeit des Landespressegesetzes führen, ist auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zurückzugreifen. Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29).
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b. Berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit der streitbefangenen Vertragsbestimmungen stehen der vom Kläger begehrten Auskunftserteilung nicht entgegen. Zwar unterfallen, wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, die Vertragsbestimmungen dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der übrigen Beteiligten und lassen sich ferner fiskalische Gründe für ihre Geheimhaltung ausmachen. Die Vertraulichkeitsinteressen, die insoweit zu Tage treten, sind für sich genommen auch schutzwürdig. Sie sind jedoch nicht berechtigt in dem Sinne, dass ihnen gegenüber dem Informationsinteresse des Klägers Vorrang einzuräumen wäre.
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(1) Die Berechtigung von Vertraulichkeitsinteressen, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen können, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Diesen Zusammenhang hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56 Rn. 29) verdeutlicht. Der Gesetzgeber ist kraft des objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalts der Pressefreiheit gehalten, Presseauskunftspflichten zu schaffen (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Solange der - hier zuständige - Bundesgesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Regelungsauftrag nicht nachgekommen ist, verhindert der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch, dass der objektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt der Presse leerläuft. Seine Anwendung muss allerdings in einer Weise vorgenommen werden, die nicht die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterläuft, indem sie auf der Grundlage von Interessensgewichtungen und -abwägungen erfolgt, die nach der Verfassungsordnung - welche selbst den Auskunftsstandard nicht abschließend festlegt - ausschließlich dem Gesetzgeber aufgetragen sind. Dementsprechend besteht der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch in demjenigen Umfang, den der Gesetzgeber selbst nicht unterschreiten dürfte (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Also ist er durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte.
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Nur sofern ein Vertraulichkeitsinteresse diese Anforderung erfüllt, setzt es sich berechtigterweise gegen das Informationsinteresse eines Pressevertreters durch. Die in der Revisionsbegründung der Beklagten anklingende Auffassung, gegenläufige private oder öffentliche Vertraulichkeitsinteressen würden den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch ohne weiteres ausschließen, geht daher fehl. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, dem betroffenen Vertraulichkeitsinteresse für die gegebene Sachkonstellation Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen.
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a) Der Gesetzgeber unterliegt zum einen der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29).
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Zur Bestimmung des Stellenwerts von Vertraulichkeitsinteressen können als Orientierungshilfe die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) herangezogen werden. Diese Gesetze begründen Informationszugangsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegen gehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten. Dagegen besagt die Entscheidung des Gesetzgebers, zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen den informationsfreiheitsrechtlichen Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen auszuschließen, nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe der Sicherung einer effektiven funktionsgemäßen Betätigung der Presse, die der Senat in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - (BVerwGE 146, 56 Rn. 27) als weitere Vorgabe an den Gesetzgeber aufgezeigt hat. Im vorliegenden Fall ist daher ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 6 Satz 2 IFG bei fehlender Einwilligung des Betroffenen den Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen absolut - ohne dass Raum für eine Abwägung bliebe (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - juris Rn. 30) - ausschließt.
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b) Eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Mit der hohen Bedeutung der Presse für die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie wäre es nicht vereinbar, insoweit eine restriktive Betrachtungsweise an den Tag zu legen. Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche auszunehmen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Der Presse müssen zudem trotz der Ausschlussgründe wirksame Informations- und Recherchemöglichkeiten hinsichtlich des betroffenen Verwaltungsbereichs verbleiben. Wäre die Konsequenz eines bestimmten Ausschlussgrundes oder des Zusammenspiels mehrerer von ihnen, dass die Presse sich über die staatliche Betätigung in einem bestimmten Verwaltungsbereich kein aussagekräftiges Urteil mehr bilden könnte, wäre ihr eine effektive funktionsgemäße Betätigung verwehrt.
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Der dem Gesetzgeber wie in anderen Feldern zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27) ist dadurch eine Grenze gesetzt, dass ein genereller, abwägungsfester Vorrang eines privaten oder öffentlichen Vertraulichkeitsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse nur dann normiert werden darf, wenn dies demjenigen Abwägungsergebnis entspricht, das in aller Regel in Einzelfällen tatsächlich erzielt würde. Die Pauschalierung bzw. Typisierung darf nicht zur Umkehrung von Regel-Ausnahme-Verhältnissen führen. Zudem müssen gewichtige, an die sachliche Eigenart des Vertraulichkeitsinteresses anknüpfende Gründe für sie sprechen. Ginge es dem ausgestaltenden Gesetzgeber etwa ausschließlich um eine Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen, müsste dies auf Bedenken stoßen.
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Schließlich bedarf es einer wertenden Betrachtung der normativen Eigenarten des jeweils betroffenen Verwaltungsbereichs. Hierbei sind auf der einen Seite die Spezifika der gerade hier vorherrschenden Funktionsbedürfnisse der Presse in den Blick zu nehmen. Auf der anderen Seite sind die Besonderheiten der Vertraulichkeitsinteressen in den Blick zu nehmen, wie sie speziell in diesem Bereich anzutreffen sind.
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(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Gesetzgeber nicht befugt, im Bereich des staatlichen Liegenschaftswesens, bezogen auf die hier gegebene Sachkonstellation, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie fiskalische Interessen ohne jede Ausnahme gegen einen informatorischen Zugriff der Presse zu schützen, d.h. als abwägungsfesten Ausschlussgrund zu normieren.
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Soweit die Liegenschaftsverwaltung in Wahrnehmung ihrer Verwertungsaufgaben vertragliche Vereinbarungen abschließt, besteht zwar ein nachvollziehbares fiskalisches Interesse, diese Vereinbarungen oder jedenfalls bestimmte Teile von ihnen vertraulich zu behandeln. Die Vertraulichkeitswahrung wird vielfach den Markterwartungen entsprechen, deren Erfüllung gefordert sein kann, um die eigene Marktakzeptanz zu erhalten. Insbesondere kann dies insoweit der Fall sein, als Vereinbarungsinhalte betroffen sind, die für den Vereinbarungspartner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen. Auch bestimmte Vertragswerke können als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis geschützt sein (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 20 F 11.13 - juris Rn. 8 f. m.w.N.). Vertragsinhalte können, sofern ihre Offenlegung die Wettbewerbsposition der Liegenschaftsverwaltung nachteilig zu beeinflussen geeignet ist, auch für diese selbst Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 - 20 F 21.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 Rn. 15).
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Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Abschluss vertraglicher Vereinbarungen, welche die Liegenschaftsverwaltung zu Verwertungszwecken vornimmt, den Kern ihrer Aufgabenerfüllung ausmacht. In den Vereinbarungen, namentlich ihren entgeltbezogenen Bestimmungen, bildet sich ab, in welcher Weise die Liegenschaftsverwaltung im Ergebnis ihrer Tätigkeit den öffentlichen Interessen Rechnung getragen hat, die zu wahren ihr gesetzlich aufgetragen sind. Insofern liegen die Dinge anders als beispielsweise im Bereich der Wirtschaftsverwaltung oder der Steuerverwaltung. Soweit dort eine staatliche Behörde im Zuge ihrer Tätigkeit Kenntnis etwa von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Privater erhält, bleibt die wertende Beurteilung ihrer Aufgabenerfüllung in aller Regel möglich, ohne dass auf diese Geheimnisse zugegriffen werden müsste.
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Ist der Inhalt abgeschlossener vertraglicher Vereinbarungen ein zentraler Beurteilungsfaktor in Bezug auf die Aufgabenerfüllung der staatlichen Liegenschaftsverwaltung, wäre eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse in diesem Bereich nicht möglich, sofern ihr bestimmte Teile solcher Vereinbarungen kategorisch unzugänglich blieben. Es ist denkbar, dass im Einzelfall, je nach Lage der Umstände, dem diesbezüglichen Informationsinteresse eines Pressevertreters höheres Gewicht zukommt als dem Interesse betroffener Privater und der Liegenschaftsverwaltung an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bzw. als den fiskalischen Interessen, die gegen eine Offenlegung streiten. Es lässt sich zudem kein Erfahrungssatz feststellen, wonach solche Fälle, in denen das Informationsinteresse der Presse überwiegt, Ausnahmen darstellen würden, die vernachlässigt werden könnten.
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Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber gehalten, für den Bereich der Liegenschaftsverwaltung Auskunftsvorschriften vorzusehen, die es in Bezug auf abgeschlossene vertragliche Vereinbarungen zulassen, das Informationsinteresse der Presse mit gegenläufigen fiskalischen Interessen sowie mit gegenläufigen Interessen an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anhand der jeweiligen Einzelfallumstände abzuwägen. Besteht eine solche Pflicht des Gesetzgebers, muss auch bei Anwendung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs eine Abwägung vorgenommen werden.
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(3) Auf der Grundlage der nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt dessen rechtliche Würdigung keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Das Oberverwaltungsgericht hat den grundrechtlichen Stellenwert der gegenläufigen Interessen sowie Bedeutung und Tragweite des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zutreffend erkannt. Es hat die Ausprägung der gegenläufigen Interessen im konkreten Fall in den Blick genommen und gewichtet. Seine Entscheidung, dem Auskunftsinteresse Vorrang einzuräumen, ist plausibel und nachvollziehbar.
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Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Offenlegung der Inhalte des Mietvertrags zwischen der Beklagten, dem Beigeladenen zu 2 und der Beigeladenen zu 1 sei nicht geeignet, deren Wettbewerbsfähigkeit nennenswert zu schwächen. Die wesentlichen Vertragsinhalte erlaubten keine wettbewerbsschädlichen Rückschlüsse auf die Kalkulation der Beigeladenen zu 1. Der Sorge, (potentielle) Mieter von Ausstellungsflächen könnten die Kenntnis des Vertragsinhalts in Vertragsverhandlungen mit der Beigeladenen zu 1 ausnutzen, stehe deren durchweg positive Geschäftsentwicklung gegenüber. Die Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten und des Beigeladenen zu 2 seien wegen deren Gemeinwohlbindung nur begrenzt schutzwürdig.
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Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht dem Interesse der Presse an Kenntnis und Verbreitung der Vertragsinhalte ein Gewicht beigemessen, das fallbezogen ausreicht, um die Vertraulichkeitsinteressen zu überwinden. Hierfür hat es darauf abgestellt, dass im parlamentarischen Raum des Beigeladenen zu 2 und in der lokalen Öffentlichkeit seit Jahren erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Vermietung geäußert werden. Diese beziehen sich insbesondere auf erhebliche finanzielle Zuwendungen des Beigeladenen zu 2 für die Instandsetzung der Mietobjekte. Hinzu kommt, dass Beklagte und Beigeladene zu 2 einer anderen Interessentin an einer ganzjährigen Vermietung zugunsten der Beigeladenen zu 1 eine Absage erteilten. Schließlich ist die vorliegende Vermietung Teil der in der lokalen Öffentlichkeit heftig umstrittenen Nutzung des Geländes des ehemaligen Flughafens Tempelhof.
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c. Der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts wird durch die Zuerkennung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs an den Kläger nicht verletzt. Zwar greift die Beklagte durch die Auskunftserteilung in Grundrechte der Beigeladenen zu 1 ein. Deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind durch Art. 12 und 14 GG geschützt (BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 20 F 13.10 - DVBl. 2011, 501 Rn. 16). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bietet jedoch eine hinreichende Eingriffsermächtigung. Der Einwand der Beklagten, es sei nicht verfassungsrechtlich determiniert, welcher der konkurrierenden Belange im Einzelfall überwiegt, verfängt nicht. Greift der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch - wie hier - durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen.
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Der Senat sieht sich durch den Einwand der Beklagten allerdings mit Blick auf die künftige Rechtspraxis zu dem Hinweis veranlasst, dass mindestens dort, wo eine Auskunftserteilung in Grundrechte eines Dritten eingreifen würde, eine vorherige Mitteilung an den Dritten geboten und sein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu berücksichtigen ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Gründe
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I
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Der Kläger ist Redakteur einer Tageszeitung. Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung gab Anfang Dezember 2014 in einer Regierungspressekonferenz auf die Frage eines Journalisten an, es seien in den vergangenen Wochen immer wieder Dokumente, die nur an bestimmte, dafür vorgesehene Gremien hätten gehen sollen, auch in die Öffentlichkeit gelangt; die Prüfung, ob Strafanzeige erstattet werde, sei noch nicht abgeschlossen. Hieran anknüpfend wandte der Antragsteller sich unter anderem an das Bundeskanzleramt und bat dieses schließlich um Auskunft darüber, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bundeskanzleramt, beim Bundesnachrichtendienst, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Militärischen Abschirmdienst gegeben hat, in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Veröffentlichung in den Medien der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt, um welche Medienveröffentlichungen bzw. um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt und welche weiteren Kenntnisse das Bundeskanzleramt darüber hinaus über Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung in anderen Bereichen der Bundesverwaltung hat.
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Das Bundeskanzleramt beantwortete diese Anfrage dahin: Wie durch zahlreiche Presseveröffentlichungen bekannt sei, sei im Jahr 2014 mehrmals über Inhalte aus eingestuften Unterlagen des Bundeskanzleramts berichtet worden. Soweit dabei zuvor Geheimschutzvorschriften verletzt worden seien, lägen dem Bundeskanzleramt keine Hinweise auf deren Urheber vor. Insbesondere gebe es keine Erkenntnisse, wonach Mitarbeiter des Bundeskanzleramts Geheimschutzvorschriften verletzt hätten. Das Bundeskanzleramt führe weder Statistiken zu der Frage, auf welcher Grundlage Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung im Bundeskanzleramt bekannt geworden seien, noch Statistiken über die Verletzung von Geheimschutzvorschriften beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Militärischen Abschirmdienst und in weiteren Bereichen der Bundesverwaltung. Auf weitere Nachfrage des Antragstellers teilte ihm das Bundeskanzleramt mit: Über etwaige Verstöße gegen die Verschlusssachen-Anweisung und über möglichen Geheimnisverrat in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes berichte die Bundesregierung lediglich den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages. Eine Auskunftspflicht allgemeiner Art nach Art. 5 GG oder den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes bestehe insoweit nicht.
- 3
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Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
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1. wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 in folgenden Bereichen gegeben hat (aufgeschlüsselt nach Monaten)
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a) im Bundeskanzleramt
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b) beim Bundesnachrichtendienst
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2. in wie vielen dieser Fälle nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VSA) zugrunde liegt,
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3. um welche Medienveröffentlichungen es sich dabei handelt
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hilfsweise
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um Veröffentlichungen in welchen Medien es sich dabei jeweils handelt.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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In einem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht machte die Antragsgegnerin Angaben zur Anzahl von Verstößen gegen Geheimschutzvorschriften im Bundeskanzleramt und zur Anzahl der Fälle, in denen der Feststellung des Sachverhalts Medienveröffentlichungen zugrunde lagen. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben daraufhin den Antrag zu 1. a) und zu 2. in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren bezogen auf die Anträge zu 1. b) und zu 2. abgetrennt, soweit mit diesen Anträgen Auskünfte über den Bundesnachrichtendienst begehrt werden, und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
-
II
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1. Das Verfahren war einzustellen, soweit der Antragsteller mit dem Antrag zu 2. von der Antragsgegnerin eine Auskunft (auch) darüber begehrt hat, in wie vielen Fällen einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes nach Kenntnis des Bundeskanzleramts jeweils eine Medienveröffentlichung der Feststellung des Sachverhalts zugrunde liegt. Der Antragsteller hat den Antrag zu 2. uneingeschränkt für erledigt erklärt, also auch insoweit, als er sich auf Fälle einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes bezogen hat.
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2. Der Antrag zu 1. b) ist begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
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a) Der Antragsteller kann verlangen, dass das Bundeskanzleramt ihm die begehrte Auskunft darüber erteilt, wie viele Verletzungen von Geheimschutzvorschriften im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung - VSA) es nach Kenntnis des Bundeskanzleramts im Jahr 2014 aufgeschlüsselt nach Monaten im Bereich des Bundesnachrichtendiensts gegeben hat.
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Der Anspruch auf die begehrte Auskunft ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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In Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers verleiht das Grundrecht der Pressefreiheit der Presse einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind, wie dies für den Bundesnachrichtendienst zutrifft (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56). Dem Bund steht die ausschließliche Kompetenz für die Gesetzgebung in auswärtigen Angelegenheiten sowie in Angelegenheiten der Verteidigung zu (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG). Zu dieser Materie gehört auch der gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland mit außen- und sicherheitspolitischer Relevanz (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313, <368 ff.>; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 33). Die Kompetenz zur Regelung der Sachmaterie "Bundesnachrichtendienst" schließt als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Damit sind auch Ansprüche gegen das Bundeskanzleramt auf der Grundlage landespresserechtlicher Vorschriften ausgeschlossen, soweit diese Auskünfte sich auf Informationen aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beziehen und über die das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde über den Bundesnachrichtendienst verfügt.
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Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U6C12.14.0] - K&R 2015, 529 Rn. 24).
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Der begehrten Auskunft stehen berechtigte schutzwürdige Interessen des Bundesnachrichtendienstes oder des Bundeskanzleramtes an der Vertraulichkeit der streitigen Information nicht entgegen.
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Welche Interessen an der Vertraulichkeit von Informationen dazu berechtigen, den verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft zu versagen, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ist durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, welche der Gesetzgeber für die gegebene Fallgestaltung als Ausschlussgrund normieren dürfte (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 26).
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Zwar können die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) als Orientierungshilfe herangezogen werden, um den Stellenwert zu bestimmen, der bestimmten Vertraulichkeitsinteressen zukommt. Diese Gesetze begründen Informationszugangsansprüche, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Kann diesen Ansprüchen ein vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtetes Vertraulichkeitsinteresse nicht entgegengehalten werden, weil kein gesetzlicher Ausschlussgrund eingreift, muss dies erst recht für den grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse gelten. Hat der Gesetzgeber den Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, besagt diese Entscheidung des Gesetzgebers hingegen nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinter-esse der Presse einzuräumen. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe, dass eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse gesichert sein muss (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - K&R 2015, 529 Rn. 29). Hier ist deshalb entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Antragstellers nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz gemäß § 3 Nr. 8 IFG gegenüber den Nachrichtendiensten nicht besteht, auch wenn diese Ausnahmevorschrift auf Informationen aus dem Geschäftsbereich eines Nachrichtendienstes bezogen wird, die nicht bei ihm, sondern der für ihn zuständigen Aufsichtsbehörde angefragt werden.
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Der Gesetzgeber ist zwar unter besonderen Umständen berechtigt, einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht berechtigt, ganze Verwaltungsbereiche auszunehmen. Dem verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse ist nur dann in genügender Weise Rechnung getragen, wenn - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem der Gesetzgeber konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung trägt, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Derartige besondere Umstände bestehen zwar für operative Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes, nämlich die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Der Gesetzgeber dürfte deshalb für diesen behördlichen Funktionsbereich Auskünfte an die Presse generell ausschließen, ohne insoweit eine einzelfallbezogene Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse vorsehen zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 [ECLI:DE:BVerwG:2015:200715B6VR1.15.0] - juris Rn. 9). Für die hier begehrten Informationen lässt sich aber kein Funktionsbereich besonderen Charakters identifizieren, der abwägungsfest gegen Auskunftsbegehren abgeschirmt werden dürfte.
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Die deshalb erforderliche Abwägung fällt zugunsten des Informationsinteresses des Antragstellers aus.
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Zwar bestehen berechtigte schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen, wenn und soweit deren Herausgabe die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder gefährden würde (vgl. zu § 99 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 8).
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Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ist jedoch nicht erkennbar, dass die Herausgabe der hier begehrten Information die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes erschweren oder gefährden könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum einen, werde die Zahl bekannt, in welcher Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt seien, könne dies dahin missverstanden werden, es gebe mehrere Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes, was wiederum das Interesse ausländischer Nachrichtendienste auf solche vermeintlichen Schwachstellen lenken könnte. Die Antragsgegnerin befürchtet zum anderen, mit der Bekanntgabe, in wie vielen Fällen Geheimhaltungsvorschriften im Bereich des Bundesnachrichtendienstes verletzt worden seien, werde der Bundesnachrichtendienst an Vertrauenswürdigkeit verlieren mit entsprechenden schädlichen Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten.
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Dass Nachrichtendienste gegen eine Verletzung der für sie geltenden Geheimhaltungsvorschriften nicht schlechthin gefeit sind, sondern davon in unterschiedlichem Ausmaß und Gewicht betroffen sein können, ist eine offenkundige Tatsache, die hier nicht zuletzt durch die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung konkret bestätigt wurde. Dass solche Verstöße vorkommen, ist das Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bundesnachrichtendienstes in den Augen anderer Nachrichtendienste herabzusetzen. Ebenso offenkundig ist, dass Nachrichtendienste Schwachstellen bei anderen Nachrichtendiensten auszunutzen bemüht sind. Die Auskunft über die bloße Zahl einer Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften ist aber ungeeignet, derartige Bemühungen zu fördern. Die Vorschriften der Verschlusssachen-Anweisung decken nahezu das gesamte Tätigkeitsfeld des Bundesnachrichtendienstes ab, mit der Folge, dass auch Verstöße gänzlich unterschiedliches Gewicht haben können. Anders als bei einer Aufschlüsselung möglicher Verstöße nach Tätigkeitsfeld und Art des Verstoßes bietet die aggregierte Zahl von Verstößen keinen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen, die einerseits von anderen Nachrichtendiensten ausgenutzt werden könnten oder andererseits das Vertrauen in den Bundesnachrichtendienst nachhaltig zu erschüttern vermöchten.
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Der geltend gemachte Auskunftsanspruch scheitert nicht daran, dass die begehrte Information erst noch durch interne Untersuchungen beschafft werden müsste (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30). Die Antragsgegner hat nicht vorgebracht, die Gesamtzahl der dem Bundeskanzleramt zur Kenntnis gelangten Verletzungen von Geheimschutzvorschriften beim Bundesnachrichtendienst im Jahr 2014 erst durch umfangreichere Aktenrecherchen ermitteln zu müssen.
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b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Ein solcher Nachteil ist in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche anzunehmen, wenn für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegenwartsbezug besteht, der dazu führt, dass bei einem Abwarten der Klärung im Hauptsacheverfahren die begehrte Auskunft ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 -1 BvR 23/14 - NJW 2014, 3711).
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Der Antragsteller hat in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Hinweisen der Bundesregierung auf Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften seine auf Konkretisierung zielenden Nachfragen angebracht. An dem Thema war ein gesteigertes öffentliches Interesse anzunehmen, weil die Bundesregierung ankündigte, zu prüfen, wie der Umgang mit geheim zu haltenden Informationen optimiert werden könnte und ob Strafverfahren eingeleitet werden sollen. Dadurch war zugleich ein fortdauernder Gegenwartsbezug der Informationen gewahrt. Dem könnte nicht entgegengehalten werden, dass mit der hier allein noch in Rede stehenden Information das angesprochene Thema nicht erschöpft wird. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Die Bedeutung einer Information kann vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen wird es nicht gerecht, wenn das Gewicht eines geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig gemacht würde (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41).
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3. Soweit über den Antrag in der Sache zu entscheiden war, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten auch insoweit der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Sie hat die begehrte Information in dem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht erteilt und dadurch zu erkennen gegeben, dass kein Grund für die Versagung der Auskunft bestand. Eventuelle Mehrkosten, welche durch die Anrufung des sachlich unzuständigen Verwaltungsgerichts Berlin entstanden sind, hat gemäß § 173 VwGO, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Antragsteller zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. April 2015 - 11 K 1509/15 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
- 1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und - 2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und - 3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe abzuwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt Mainz Zugang zu Informationen, die die Planung eines Kohlekraftwerks betreffen.
- 2
An der Beigeladenen, einem als Aktiengesellschaft organisierten Energieversorgungs- und Energieerzeugungsunternehmen, sind die Stadtwerke Mainz AG, deren ausschließliche Eignerin die Beklagte ist, und die ESWE Versorgungs AG mit der Stadt Wiesbaden als Mehrheitseignerin zu jeweils 50 % beteiligt. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen ist Unternehmenszweck die Erzeugung, Bereitstellung und Verteilung von Energie sowie die Entsorgung einschließlich der Erbringung von Dienstleistungen auf den vorgenannten Gebieten. Im Jahre 2006 beschloss die Beigeladene die Errichtung eines Kohlekraftwerks auf der I... . Nach Widerstand in der Bevölkerung und auf kommunalpolitischer Ebene wurde dieser Plan im Jahre 2012 endgültig aufgegeben.
- 3
Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr auf der Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – Informationen in schriftlicher Form zugänglich zu machen. Sie fragte nach den der Beigeladenen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk entstandenen Kosten sowie nach eventuellen Vertragsstrafen oder Kompensationsgeschäften, nach der Schaffung von Arbeitsstellen in diesem Zusammenhang sowie nach Rückstellungen und deren Auflösung und nach Gewinnabführungsvereinbarungen. Außerdem begehrte sie Informationen zur künftigen Entwicklung der Beigeladenen sowie zur Dauer und etwaigen Verlängerung der Verträge ihrer Vorstandsmitglieder.
- 4
Im Februar 2013 erweiterte die Klägerin ihren Fragenkatalog. Unter Hinweis auf Medienberichte, nach denen die Beigeladene Karten für eine Fastnachtssitzung abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben solle, fragte die Klägerin insbesondere, wer nach welchen Gesichtspunkten Karten erhalten habe, welche Kosten entstanden seien und ob solche Einladungen häufiger erfolgten.
- 5
Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei nicht verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren, weil sie sich der Beigeladenen nicht nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 LIFG zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe bediene. Die Tätigkeit der Beigeladenen, insbesondere die unternehmerische Entscheidung zur Errichtung eines Kohlekraftwerks, sei keine Verwaltungstätigkeit, die sie, die Beklagte, ansonsten vorgenommen hätte. Anders als im Bereich der Wasserversorgung gebe es infolge der Liberalisierung des Energiemarkts keinen öffentlichen Träger der Stromversorgung mehr. Die Beigeladene sei vielmehr ein privatrechtliches Unternehmen, das im Wettbewerb mit vergleichbaren Unternehmen stehe. Ungeachtet dessen bezögen sich die Fragen teilweise nicht auf vorhandene, dienstlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen. Im Übrigen unterlägen sie der aktienrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und beträfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
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In der Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, öffentlich-rechtliche Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG seien nicht nur staatliche Tätigkeiten, die sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ableiten ließen, sondern auch solche gemeinwohlerheblichen Angelegenheiten, die der Staat durch eigene Initiative zur öffentlichen Aufgabe gemacht habe. Hiervon sei die Energieversorgung als klassischer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge erfasst. Dieser Aufgabe komme die Beklagte durch ein in Form einer Aktiengesellschaft organisiertes Unternehmen nach. Da der Anspruch des Bürgers auf Informationszugang unabhängig von der Wahl der Organisationsform öffentlichen Handelns bestehe und eine „Flucht ins Privatrecht“ verhindert werden solle, sei der Auskunftsanspruch umfassend. Zugang zu Informationen sei mithin auch dann zu gewähren, wenn sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Unternehmen bediene; die Behörde müsse sich die Informationen gegebenenfalls bei dem privaten Unternehmen beschaffen. Zumindest hinsichtlich eines Teils der erbetenen Informationen verfüge die Beklagte selbst über Aufsichtsratsprotokolle, Gutachten und Jahresabschlussberichte. Die von der Beklagten angeführten Ausnahmetatbestände – für deren Vorliegen diese beweispflichtig sei – griffen nicht durch. Es sei insbesondere bereits fraglich, ob der Beigeladenen als juristischer Person des Privatrechts, die Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehme, eine Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse möglich sei. Der Bescheid der Beklagten lasse zudem Ausführungen vermissen, welche Geheimnisse überhaupt konkret einer Auskunft entgegenstehen sollten. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung sei im Einzelnen darzulegen.
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Nachdem der Widerspruch insbesondere mit Blick darauf, dass es sich bei der Energieversorgung nicht um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG handele, zurückgewiesen worden war, hat die Klägerin mit ihrer Klage ihr Auskunftsbegehren weiterverfolgt und ihre bisherigen Ausführungen vertieft. Der Anspruch auf Informationszugang folge nicht erst aus § 2 Abs. 3 LIFG, sondern bereits aus § 2 Abs. 1 LIFG. Denn § 2 Abs. 3 LIFG betreffe juristische Personen des Privatrechts, die durch ein Auftragsverhältnis an die Behörde gebunden seien. § 2 Abs. 1 LIFG sei hingegen bei einem eigenen Handeln der Behörde anzuwenden, und zwar auch dann, wenn sich die Behörde in Form der formellen Aufgabenprivatisierung einer juristischen Person des Privatrechts bediene. Werde dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt, sei jedenfalls festzustellen, dass eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG der Kommune nicht aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Bestimmung zugewiesen sein müsse oder es einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Erfüllung dieser Angelegenheit bedürfe. Ausreichend sei vielmehr die Übernahme gemeinwohlerheblicher Aufgaben durch den Staat. Die Energieversorgung sei damit vorliegend eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Sie sei trotz der Liberalisierung des Energiesektors eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge, die die Beklagte über eine Beteiligung ihrer Stadtwerke an der Beigeladenen erfülle, und damit der öffentlichen Leistungsverwaltung zuzurechnen. Die Beklagte habe sich folglich entschieden, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nicht privater Initiative zu überlassen. Soweit die danach dem Grunde nach herauszugebenden Informationen bei der Beklagten nicht vorlägen, müsse sie sich diese verschaffen, ansonsten laufe der Informationszugangsanspruch faktisch ins Leere. Diesem stünden weder aktienrechtliche Vorschriften entgegen, noch könne sich die Beklagte auf den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses sowie personenbezogener Daten berufen.
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Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013 zu den in dem Schriftsatz vom 14. Mai 2013 genannten Fragen I., den Fragen II.1., 3. und 4., den Fragen III. und IV., zu der im Schriftsatz vom 3. Juni 2013 genannten Frage und den im Schriftsatz vom 20. April 2015 genannten Fragen Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren.
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Die gestellten Fragen lauten wie folgt:
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I. Kohlekraftwerk
1.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk C-Stadt insgesamt entstanden?
2.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Abschlagszahlungen und Reservierungs-/Bereitstellungskosten an den Generalunternehmer und andere Vertragspartner entstanden?
3.) Welche Kosten sind der KMW AG im Zusammenhang mit der technischen Planung des Kohlekraftwerks entstanden?
4.) Welche Kosten sind der KMW AG durch Finanzierungsberatung entstanden?
5.) Welche Kosten sind der KMW AG durch juristische Beratungsleistungen, Verfahrenskosten, etc. im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk entstanden?
6.) Welche Kosten sind der KMW AG durch die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit entstanden?
7.) Waren im Zusammenhang mit der Beendigung des Kohlekraftwerks Vertragsstrafen an Vertragspartner/Lieferanten zu zahlen? Wenn ja: Wie hoch beliefen sich die Zahlungen? An wen wurden sie geleistet? Gab oder gibt es in diesem Zusammenhang Kompensationsgeschäfte?
8.) Wurden im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk bei der KMW AG Arbeitsstellen geschaffen? Wenn ja: Wie viele. Sollen diese weiterbeschäftigt werden? Wenn ja: Mit welchem Aufgabenbereich?
9.) Auf welche Summe beliefen/belaufen sich die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Kohlekraftwerk gebildeten Rückstellungen der KMW AG? Für welchen Zweck wurden die Rückstellungen im Einzelnen gebildet? Sind die Rückstellungen zwischenzeitlich aufgelöst? Wenn nein: Wann sollen diese aufgelöst werden? Wem oder welchem Zweck sollen die Rückstellungen nach deren Auflösung zugeführt werden? Bestehen Gewinnabführungsvereinbarungen zwischen der KMW AG und deren Muttergesellschaften? Für diesen Fall: Wie sind diese ausgestaltet?
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II. Zukünftige Entwicklung
1.) Gibt es konkrete Vorstellungen oder Planungen der KMW AG im Hinblick auf das Grundstück auf dem das Kohlekraftwerk errichtet werden sollte? Soll das Grundstück veräußert werden oder alternativ ein anderes Vorhaben hierauf umgesetzt werden?
2.) Hält die KMW AG derzeit ein Konzept zur Erzeugung und Bereitstellung von Energie nach Auslaufen des derzeit bestehenden Gaslieferungsvertrages vor? Wenn ja: Wie sieht dieses aus. Wenn nein: Warum nicht?
3.) Mit welchem Personalbedarf rechnet die KMW AG in diesem Zusammenhang?
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III. Geschäftsführung
1.) Wann laufen die Verträge der Vorstandsmitglieder aus?
2.) Ist geplant, die Verträge mit den Vorstandsmitgliedern erneut (vorzeitig) zu verlängern?
3.) Wie lange läuft der Vertrag mit dem neu bestellten Vorstandsmitglied, Herrn Eigenmann?
4.) Wieso braucht die KMW AG, nachdem sie bisher mit zwei Vorstandsmitgliedern ausgekommen ist, nunmehr drei Vorstandsmitglieder?
5.) Welche Mehrkosten entstehen dem Unternehmen dadurch?
6.) Erscheint die Entscheidung, das Unternehmen künftig durch drei Vorstandsmitglieder führen zu lassen, vor dem Hintergrund, dass sich sowohl Geschäftstätigkeit als auch Umsatz des Unternehmens durch die immer kürzer werdenden Einsatzzeiten des Gaskraftwerkes und offensichtlich mangelnder Alternativen zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks maßgeblich reduziert haben, gerechtfertigt?
7.) Ist die Entscheidung im Aufsichtsrat der KMW AG zur Bestellung des neuen Vorstandes und zur künftigen Bestellung eines dritten Vorstandsmitgliedes einstimmig gefallen?
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IV. Von der KMW AG ausgesprochene Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung des Mainzer Carneval Vereins
1.) Ist es zutreffend, dass die KMW AG 110 Karten für eine Fastnachtssitzung des Mainzer Carneval Vereins in der Kampagne 2013 abgenommen und diese an Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter verteilt haben soll?
2.) Für diesen Fall: An wen (namentliche Aufstellung) sind die Karten verteilt worden?
3.) Welche Kriterien haben bei der Auswahl der Begünstigten eine Rolle gespielt?
4.) Wie teuer waren die Karten?
5.) Hat die KMW AG neben den Karten weitere Kosten auf der Veranstaltung (Bewirtung, Anreise etc.) für die Begünstigten übernommen? Wenn ja, in welcher Höhe?
6.) War der Vorstand der KMW AG über diese Aktion informiert? Hat dieser an der Veranstaltung teilgenommen?
7.) Hat die KMW AG in den vergangenen Jahren bereits häufiger Gäste zu kulturellen Unterhaltungen (Fastnachtssitzungen, Konzerte, Fußballspiele, Ausflugsfahrten etc.) eingeladen? Wenn ja, wie hoch beliefen sich die Kosten hierzu und war der Vorstand hierüber informiert?
8.) Wer hat die Einladungen der KMW AG zu der in der Medienberichterstattung angesprochenen Fastnachtssitzung angenommen? Es wird die Herausgabe einer namentlichen Aufstellung beantragt.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Klage entgegengetreten und hat in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens ergänzend und vertiefend vorgetragen, sie sei nur mittelbar an der Beigeladenen beteiligt, ohne rechtlichen Einfluss auf diese ausüben zu können. Die Beigeladene sei vielmehr ein eigenständiges wirtschaftliches Unternehmen. Zum Thema „Kohlekraftwerk“ verfüge sie lediglich über Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, kaum Protokolle von Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen. Nach Durchsicht der Unterlagen seien die meisten Fragen der Klägerin hieraus nicht zu beantworten.
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Die Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Klage ebenfalls entgegengetreten und hat geltend gemacht, § 2 Abs. 1 LIFG sei nicht Grundlage des Informationszugangsanspruchs, weil diese Norm ein unmittelbares Tätigwerden der Behörde voraussetze. Da es keine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Energieversorgung gebe, könne die Klägerin aber auch aus § 2 Abs. 3 LIFG keinen Anspruch auf Informationszugang herleiten. Außerdem enthalte das Landesinformationsfreiheitsgesetz keine Ermächtigungsgrundlage für ein Herausgabeverlangen gegenüber einem Dritten. Die Möglichkeit der Berufung auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und gesellschaftliche Geheimhaltungsvorschriften bestehe auch zugunsten von Unternehmen, deren Anteilseignerin die öffentliche Hand sei. Auch wenn das Projekt „Kohlekraftwerk“ beendet sei, beeinflussten diese Vorgänge weiterhin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und seien daher vertraulich. Eine uneingeschränkte Offenlegung der begehrten Informationen ermögliche Rückschlüsse auf ihre - der Beigeladenen - Betriebsführung, Wirtschafts- und Marktstrategie sowie die Kostenkalkulation. Den Fragen zu den Einladungen zu einer Fastnachtsveranstaltung und den Verträgen der einzelnen Vorstandsmitglieder stehe auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen entgegen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht anspruchsverpflichtet, weil sie sich der Beigeladenen nicht zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 LIFG bedient habe. Eine Aufgabe sei nach dieser Vorschrift nur dann öffentlich-rechtlich, wenn sie der Behörde durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Sie müsse ihr durch eine Rechtsnorm zugewiesen sein; das öffentliche Interesse an ihrer Erfüllung sei nicht ausreichend. Die Betätigung auf dem Gebiet der Energieversorgung sei zwar eine öffentliche Aufgabe im Gemeinwohlinteresse und gehöre zum Bereich der Daseinsvorsorge. Sie sei aber keine öffentlich-rechtliche Aufgabe, weil sie nicht allein oder vorrangig den Kommunen, sondern gleichermaßen den privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmen zugewiesen sei. Insoweit nehme die Beklagte „freiwillig“ an der allen Energieversorgungsunternehmen obliegenden Aufgabe der Energieversorgung teil. Darüber hinaus gewähre das Landesinformationsfreiheitsgesetz einen Informationszugang nur zu den bei der Behörde vorhandenen amtlichen Informationen. Eine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten ein Herausgabeverlangen durchzusetzen, enthalte das Gesetz hingegen nicht. Diese ergebe sich für die Beklagte auch nicht aus aktienrechtlichen Vorschriften, zumal einem Herausgabeanspruch die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstünden. Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die zukünftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern beträfen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. In ihren Schriftsätzen habe die Beigeladene die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln seien, hinreichend plausibel gemacht. Die Beteiligung der Beklagten an der Beigeladenen ändere nichts an der umfassenden Geltung des bundesgesetzlichen Gesellschaftsrechts. Soweit Informationen bei der Beklagten tatsächlich vorlägen, gelte dasselbe.
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Mit ihrer vom Senat wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihr Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes, welches auf den vorliegenden Fall Anwendung finde, die Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ nicht mehr streitentscheidend sein könne. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Beigeladene für die Beklagte eine öffentliche Aufgabe erfülle; letzteres sei zweifellos der Fall. Es bestehe auch eine Informationsverschaffungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der für sie tätig werdenden Beigeladenen. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht bilde insoweit kein Hindernis. Sie gelte im Übrigen nicht generell, sondern lediglich im Hinblick auf die vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft. Zum berechtigten Interesse an der Geheimhaltung fehle es weiterhin an einem substantiellen Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen. Gleiches gelte in Bezug auf entgegenstehende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.
- 20
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. April 2015 nach den von ihr in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.
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Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das verwaltungsgerichtliche Urteil. Das Verwaltungsgericht habe eine Verpflichtung der Beklagten zum Informationszugang zu Recht auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 LIFG geprüft und die Aufgabe der Energieversorgung nicht als öffentlich-rechtliche Aufgabe eingeordnet. Nach Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gelte nicht anderes. Obwohl dieses den Begriff der öffentlichen Aufgabe benutze, sei inhaltlich, wie sich insbesondere der Gesetzesbegründung entnehmen lasse, keine Änderung erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu Informationen zu den von ihr gestellten Fragen zu Recht verneint.
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Nach Außerkrafttreten des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG – und mit Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. S.383) zum 1. Januar 2016 ist über Anträge auf Zugang zu Informationen, die vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden (§§ 26 Abs. 3, 30 Abs. 2 Nr. 1 LTranspG). Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist hiernach § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 LTranspG. Danach haben natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts und nicht rechtsfähige Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zugangsanspruch nach den Vorschriften des Landestransparenzgesetzes nicht zu. Sie ist zwar anspruchsberechtigt (I.) und die Beklagte dem Grunde nach auch anspruchsverpflichtet (II.). Es fehlt aber an weiteren Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag (III.).
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I. Als natürliche Person ist die Klägerin anspruchsberechtigt, und zwar unabhängig davon, aus welchem Interesse der Informationszugang geltend gemacht wird (§ 2 Abs. 2 LTranspG).
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II. Die Beklagte ist für die von der Klägerin begehrten Informationen auch anspruchsverpflichtet. Entgegen der klägerischen Auffassung ergibt sich diese Verpflichtung nicht bereits aus § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern erst aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG (1.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben (2.).
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1. Nach § 3 Abs. 1 LTranspG gilt das Landestransparenzgesetz (u.a.) für Behörden der Gemeinden, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben. Unerheblich für eine Informationspflicht nach Maßgabe dieser Vorschrift ist, ob sich die Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedient (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 16/5173, S. 33). Die Norm hat aber immer die eigene Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe durch die Behörde im Blick. Dies hat das Verwaltungsgericht für die gleichlautende Regelung in § 2 Abs. 1 LIFG überzeugend ausgeführt. Danach handelt es sich bei der Energieversorgung und dem darauf gerichteten Geschäftsbetrieb der Beigeladenen nicht um eine eigene Tätigkeit der Beklagten. Zwar ist die Beklagte über die Stadtwerke Mainz AG an der Beigeladenen beteiligt; der Geschäftsbetrieb der Beigeladenen wird von dieser aber als selbstständige juristische Person des Privatrechts wahrgenommen. Für diese Konstellationen ist nicht § 3 Abs. 1 LTranspG, sondern § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG einschlägig (siehe in diesem Sinne zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG – auch Schoch, IFG Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 107, 214). Dabei ist der Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 LTranspG an die Behörde zu richten, die sich der Person bedient.
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2. § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG, der mithin eine vorgehende „Sonderregelung“ bei der Einschaltung selbstständiger privatrechtlicher Personen enthält, setzt voraus, dass sich die Behörde der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedient. Was unter einer „öffentlichen Aufgabe“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG nicht ohne Weiteres entnehmen. Aus der Auslegung des Gesetzestextes unter Einbeziehung teleologischer und gesetzessystematischer Gesichtspunkte sowie der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 16/5173) folgt aber, dass die Energieversorgung von dem Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ umfasst ist.
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a) § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG baut auf § 3 Abs. 1 LTranspG auf. Nach der letztgenannten Vorschrift besteht eine Informationspflicht der Behörde dann, wenn sie – in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form – Verwaltungstätigkeit ausübt. Ausschlaggebend ist, dass sich die Tätigkeit (nach Maßgabe des materiellen Verwaltungsbegriffs) als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe – im Gegensatz zur Rechtsprechung und Rechtsetzung – darstellt (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33). Weitere Einschränkungen enthält die Regelung nicht. Weder bedarf es eines hoheitlichen Handelns noch muss die Behörde aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm zum Handeln verpflichtet sein (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119). Hiervon ausgehend soll, so die Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG den Informationsanspruch umfassend ausgestalten für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient. Diese Zielsetzung des Landestransparenzgesetzes würde angesichts der den Behörden zunehmend eröffneten Möglichkeiten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen zurückzugreifen, verfehlt, wenn sich der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht auch auf diese Personen des Privatrechts erstreckte (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33 f.).
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Die Begründung zum Gesetzentwurf spricht dafür, den Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG mit Blick auf § 3 Abs. 1 LTranspG auszulegen und es für eine Anspruchsverpflichtung auch hier genügen zu lassen, dass sich die Behörde einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben bedient. Allenfalls könnte sich aus der Zufügung des Wortes „öffentlich“ ergeben, dass nur solche Aufgaben erfasst sind, an deren Erfüllung die Öffentlichkeit ein maßgebliches Interesse hat (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf auf S. 34 für den Zugang zu Umweltinformationen).
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Nichts anderes folgt aus der Anmerkung in der Begründung zum Gesetzentwurf, § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG entspreche in seinem Regelungsgehalt der bisherigen Bestimmung des § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 16/5173, S. 34), obwohl diese Vorschrift – bei ansonsten identischem Wortlaut – nicht von „öffentlichen“, sondern von „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ spricht. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ im Landestransparenzgesetz eng auszulegen wäre. Im Gegenteil bestätigt sich nunmehr, dass mit der Beifügung des Wortes „rechtlich“ zu „öffentlich“ in § 2 Abs. 3 LIFG nicht die Einschränkung verbunden sein sollte, die das Verwaltungsgericht angenommen hat. Dieses hat aus der Wortwahl in § 2 Abs. 3 LIFG geschlossen, die Person müsse von der Behörde zur Erfüllung einer Aufgabe eingesetzt werden, die letzterer durch eine öffentlich-rechtliche Bestimmung auferlegt sei. Die Beifügung „rechtlich“ zu „öffentlich“ verdeutliche, dass die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bzw. ein Tätigwerden im Gemeinwohlinteresse – wie bei der vorliegend in Rede stehenden Energieversorgung – nicht ausreichend sei. Gerade mit Blick auf die Klarstellung im Landestransparenzgesetz kann die Bedeutung, die das Verwaltungsgericht dem Begriff der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ zugemessen hat, keinen Bestand haben.
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Denn sie ist zu eng und wird den Zielsetzungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, die denjenigen des Landestransparenzgesetzes entsprechen, nicht gerecht. Für das Landesinformationsfreiheitsgesetz gilt gleichermaßen, dass § 2 Abs. 3 LIFG auf § 2 Abs. 1 LIFG aufbaut. Bei eigener Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe ist die Behörde nach § 2 Abs. 1 LIFG unabhängig von der Rechtsform ihres Handelns informationspflichtig. Es kommt nur darauf an, dass die Behörde eine Tätigkeit ausübt, die im öffentlichen Recht wurzelt und nicht Rechtsprechung oder Rechtsetzung ist (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 15/2085, S.11). Eine Begrenzung auf Verwaltungsaufgaben, zu deren Wahrnehmung die Behörde verpflichtet ist, ist der Norm nicht zu entnehmen. § 2 Abs. 3 LIFG dient wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG der umfassenden Ausgestaltung des Informationsanspruchs für den Fall, dass sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 11). Vor diesem Hintergrund wird nur eine möglichst weite Auslegung des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ im Sinne der nunmehrigen Formulierung im Landestransparenzgesetz dem Zweck des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, eine „Flucht ins Privatrecht“ zu verhindern, gerecht. Dass sie vom Gesetzgeber des Landesinformationsfreiheitsgesetzes auch gewollt war, folgt im Übrigen auch aus dem unterschiedslosen Gebrauch sowohl des Begriffs „öffentliche Aufgaben“ als auch des Begriffs „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 2 Abs. 3 LIFG (LT-Drs. 15/2085, S. 11).
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Auch der Wortlaut „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ gebietet nicht, dass die Behörde zur Erfüllung der dem Privaten übertragenen Aufgabe verpflichtet sein muss. Ausreichend ist insoweit vielmehr – wie bei § 2 Abs. 1 LIFG – eine Verwurzelung der Aufgaben im öffentlichen Recht. Schon dann sind sie öffentlich-rechtlich geprägt und im öffentlichen Recht verankert bzw. begründet (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 220). Andere Vorgaben lassen sich dem Begriff „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für die Erforderlichkeit einer Zuweisung der Aufgabenerledigung durch Rechtssatz (so im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen LT-Drs. 16/5173, S. 34) bzw. einer konkreten spezialgesetzlichen Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung (vgl. zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 68; so aber offensichtlich Rossi, IFG Kommentar 2006, § 1 Rn. 74 f.).
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Letzteres gilt auch in Anbetracht der Erwägung, das Landesinformationsfreiheitsgesetz biete dann prinzipiell ein Einfallstor, um an Informationen von privaten Unternehmen zu gelangen. Dies ist vielmehr wegen der Zielsetzung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes, den Anspruch auf Informationszugang umfassend auszugestalten, hinzunehmen, zumal ihren berechtigten Belangen durch die Schutzbestimmungen in §§ 9 ff. LIFG und weiteren Vorschriften Rechnung getragen wird.
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Aus alledem folgt, dass sowohl § 2 Abs. 3 LIFG als auch § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG eine Anspruchsverpflichtung begründen, wenn sich die Behörde zur Erfüllung ihrer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgaben einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts bedient. Es besteht also grundsätzlich insoweit kein Unterschied, ob die Behörde selbst oder durch Dritte handelt.
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In diesem Zusammenhang verfängt auch der Einwand nicht, erst § 3 Abs. 2 Satz 3 LTranspG gehe für den Zugang zu Umweltinformationen von einem weiten Begriff der öffentlichen Aufgaben aus. Denn die Vorschrift erweitert nicht den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG für den Zugang zu Umweltinformationen, sondern schafft hierfür eine eigene Anspruchsverpflichtung. Dass die Begründung zum Gesetzentwurf im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen eine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und öffentlichen Aufgaben macht (LT-Drs. 16/5173, S. 34), hat ebenfalls keine Auswirkungen auf die vorstehende Auslegung des Begriffs der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ im Landesinformationsfreiheitsgesetz und der „öffentlichen Aufgaben“ im Landestransparenzgesetz. Sie wurde wortgleich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Landesumweltinformationsgesetz (LT-Drs. 14/4307, S. 14) übernommen und kann nicht zur Interpretation der Begriffe in Landesinformationsfreiheitsgesetz und Landestransparenzgesetz herangezogen werden.
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b) Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Energieversorgung um eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe. Sie gehört zum Bereich der Daseinsvorsorge; sie ist eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 20. März 1984 – 1 BvL 28/82 –, BVerfGE 66, 248 und juris). Insoweit besteht - auch nach der Liberalisierung des Energiesektors - ein Gewährleistungsauftrag des Staates, obwohl dieser nicht ausdrücklich geregelt ist; dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt. Schon dadurch wurzelt die Aufgabe der Energieversorgung im öffentlichen Recht. Selbst Energieversorger muss der Staat zwar nur werden, wenn es an einer flächendeckenden Versorgung durch private Unternehmen fehlt; übernimmt er dennoch freiwillig diese Aufgabe im Rahmen der Leistungsverwaltung, bleibt es aber auch für diesen Fall bei der öffentlich-rechtlichen Verwurzelung desselben. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Rechtsform er tätig wird und ob er die Aufgabe selbst übernimmt oder sich eines Unternehmens in Privatrechtsform bedient (in diesem Sinne auch Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 119, 220).
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Nach alledem ist die Beklagte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG dem Grunde nach verpflichtet, Zugang zu den begehrten Informationen zu gewähren. Dies gilt auch, wenn sich, wie oben angesprochen, aus dem Begriff „öffentlich“ die besondere Anforderung ergeben sollte, dass die Tätigkeit im Sinne des Gemeinwohls erbracht wird und erforderlich ist. Hieran bestehen nämlich keine Zweifel.
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III. Dennoch steht der Klägerin der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Dies gilt sowohl hinsichtlich der bei der Beigeladenen vorhandenen Informationen (1.) als auch für die Unterlagen, die der Beklagten vorliegen (2.).
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1. Soweit sich die begehrten Informationen in den Händen der Beigeladenen befinden, spricht bereits vieles dafür, dass der Klägerin der Zugang zu ihnen verwehrt ist, weil sie nicht bei der auskunftsverpflichteten Behörde vorhanden sind. Denn es dürfte - obwohl sich die Beklagte der Beigeladenen zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bedient und daher eine Informationsbeschaffungspflicht anzunehmen sein könnte - an der für ein Herausgabeverlangen erforderlichen Ermächtigungsgrundlage im Landestransparenzgesetz (a) und im Aktiengesetz (b) fehlen. Jedenfalls aber stehen einer Weitergabe der Informationen die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegen (c).
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a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LTranspG unterliegen der Transparenzpflicht (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Satz 1 LTranspG) Informationen, über die die transparenzpflichtigen Stellen verfügen oder die für sie bereitgehalten werden. Wie auch das Informationsfreiheitsrecht sieht auch das Landestransparenzgesetz keine generelle Informationsbeschaffungspflicht der Behörde vor (vgl. LT-Drs. 15/2085, S. 12, sowie LT-Drs. 16/5173, S. 36). Die gesetzlich geregelte Ausnahme („die für sie bereitgehalten werden“) greift ein, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist – transparenzpflichtige Stellen Dritte mit der Aufbewahrung von (Umwelt-)informationen beauftragen (LT-Drs. 16/5173, S. 36). Im Übrigen soll – jedenfalls im Grundsatz – dem Bürger der Kenntnisstand vermittelt werden, über den auch die Behörde verfügt. Insoweit zu Recht hat das Verwaltungsgericht zum Landesinformationsfreiheitsgesetz ausgeführt, es enthalte keine Rechtsgrundlage, gegenüber anderen Behörden oder Privaten, die im Besitz von Informationen sind, ein Herausgabeverlangen durchzusetzen (unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 – 7 B 43/12 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2012 – 12 B 27.11 –; ferner Beschluss des erkennenden Senats vom 4. Oktober 2013 – 10 A 10631/13 – zu § 33 GemO, alle juris).
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In den Fällen des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTranspG könnte hingegen abweichend davon zumindest eine Informationsverschaffungspflicht der Behörde anzunehmen sein. Geht man nämlich davon aus, dass hier die bei der Privatperson vorliegenden Informationen der Behörde „zugerechnet“ werden, könnte eine Behörde verpflichtet sein, sich die Informationen dort zu beschaffen (in diesem Sinne zum IFG Scheel, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, a.a.O., § 2 IFG Rn. 27; siehe auch Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38, der von einer „unechten Informationsbeschaffungspflicht der Behörde“ spricht). Selbst wenn aber eine solche Pflicht im Landestransparenzgesetz verankert sein sollte, müsste eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch der Behörde hinzukommen. Ob auch diese sich noch dem Landestransparenzgesetz entnehmen lässt, ist sehr zweifelhaft (vgl. zum IFG Schoch, a.a.O., § 1 IFG Rn. 38 a.E.).
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b) Noch weniger dürften die aktienrechtlichen Vorschriften eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Informationen enthalten. Dies gilt zunächst für die Beklagte als Aktionärin. Abgesehen davon, dass sie an der Beigeladenen nur mittelbar über ihre (hundertprozentigen) Anteile an den Stadtwerken Mainz AG beteiligt ist, üben, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt, die Aktionäre nach §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 119 Aktiengesetz - AktG - ihre Rechte grundsätzlich nur über die Hauptversammlung aus. Hierzu gehören auch ihre Auskunftsrechte, die nach § 131 Abs. 1 AktG von den Aktionären in der Hauptversammlung wahrgenommen und vom Vorstand an gleicher Stelle befriedigt werden (vgl. Kubis, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2013, § 131 Rn. 141). Der Vorstand kann die Aktionäre zwar auch zwischen den Hauptversammlungen informieren (vgl. hierzu § 131 Abs. 4 AktG), ein Auskunftsrecht des Aktionärs besteht aber nur in der dargelegten formalisierten Weise. Ein genereller Auskunftsanspruch, der vorliegend zur Erlangung der einzelnen Informationen gegeben sein müsste, ist hingegen gesetzlich nicht vorgesehen. Des Weiteren kann die Beklagte die begehrten Informationen auch nicht über den Aufsichtsrat der Beigeladenen, in den erstere ihren Oberbürgermeister sowie weitere Stadtratsmitglieder entsendet, herausverlangen. Denn es besteht kein allgemeines Auskunftsrecht einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG nur als Organ die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen und prüfen (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 111 Rn. 62). Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied kann zwar nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG vom Vorstand jederzeit Bericht verlangen, aber nur an den Aufsichtsrat.
- 46
c) Ob und inwieweit dem Landestransparenzgesetz oder dem Aktiengesetz eine Rechtsgrundlage für einen Herausgabeanspruch zu entnehmen ist, kann aber letztlich offenbleiben, weil im vorliegenden Fall einem solchen Verlangen jedenfalls die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen. In der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) heißt es hierzu, die besonderen gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungspflichten seien auch von den Bediensteten öffentlicher Stellen zu beachten und könnten auch vom Landesgesetzgeber nicht gelockert werden. Die transparenzpflichtige Stelle könne daher nur solche Informationen zugänglich machen, für die dies nach Gesellschaftsrecht zulässig sei; sie könne allerdings in dem zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag auf eine Bindung an das Landestransparenzgesetz hinwirken. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, hindert die aktienrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung die Beklagte, ein Herausgabeverlangen erfolgreich durchzusetzen.
- 47
aa) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben die Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren. Dieselbe Verschwiegenheitspflicht gilt nach § 116 Satz 1 und 2 AktG auch für die Aufsichtsratsmitglieder. Sie betrifft jede Offenbarung von vertraulichen Angaben und Geheimnissen an Dritte durch Erklärung, Weitergabe von Schriftstücken oder Gestatten der Einsichtnahme. Auch den Aktionären gegenüber sind die Vorstand- und Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2014, § 93 Rn. 124, 125 und Habersack, a.a.O., § 116 Rn. 57). Zwar ist in der Hauptversammlung den Aktionären auf Verlangen vom Vorstand über Angelegenheiten der Gesellschaft Auskunft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Diese darf der Vorstand allerdings verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG); er muss sie verweigern, wenn er durch die Erteilung der Auskunft gegen seine Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG verstoßen würde (Kubis, a.a.O., § 131 Rn. 107). Vorliegend dürfen hiernach weder Vorstand noch Mitglieder des Aufsichtsrats der Beigeladenen gegenüber der Beklagten vertrauliche Angaben oder Geheimnisse der Gesellschaft offenbaren; eine unbefugte Offenbarung ist sogar nach § 404 AktG strafbewehrt.
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bb) An diesem Ergebnis ändern auch die speziellen Regelungen in §§ 394 und 395 AktG nichts. Nach § 394 Satz 1 und 2 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht gilt aber nicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte keine Bedeutung hat. Außerdem wird die Vertraulichkeitspflicht in dieser Fallgruppe nur insoweit durchbrochen, als vertrauliche Informationen Eingang in die Berichte finden dürfen. Diese Berichte unterliegen ihrerseits der Vertraulichkeitspflicht aus § 395 Abs. 1 AktG. Danach haben (u.a.) Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Berichten nach § 394 AktG bekanntgeworden sind, mit Ausnahme von Mitteilungen im dienstlichen Verkehr Stillschweigen zu bewahren (vgl. VG Berlin, Urteil vom 13. November 2013 - 2 K 41/13 -, juris). Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt oder entsandt worden sind, ist also nach § 394 AktG im öffentlichen Interesse eingeschränkt. Dies gilt aber nur im Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gebietskörperschaft, der sie berichterstattungspflichtig sind. Zweck des § 395 AktG ist es, dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Wahrung ihrer vertraulichen Informationen Rechnung zu tragen und so deren Interessen angemessen zu wahren. Deshalb wird nach dieser Vorschrift in der Sache die organschaftliche Pflichtenstellung des Aufsichtsratsmitglieds auf die für die Gebietskörperschaft tätigen Personen erstreckt (Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2011, § 395 Rn. 1, 5).
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Nach alledem besteht nach den aktienrechtlichen Vorschriften außerhalb der Berichtspflicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft eine umfassende Verschwiegenheitspflicht von Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Beklagten. Sie schließt einen Anspruch auf Herausgabe entsprechender Informationen aus.
- 50
cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es sich bei der Beigeladenen um eine Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand handelt bzw. dass die Mitglieder des Aufsichtsrats (zum Teil) von einer Gebietskörperschaft entsandt wird, die dem Landestransparenzgesetz unterliegt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt den Kommunen als wirtschaftlichen Unternehmen kein Sonderstatus zu. Sie unterliegen – mit den Einschränkungen in §§ 394, 395 AktG – wie jeder Aktionär umfassend den Vorschriften des Aktienrechts. Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane und ihrer Mitglieder richten sich ausschließlich nach dem bundesgesetzlichen Gesellschaftsrecht; der für das Kommunalrecht zuständige Landesgesetzgeber kann in diesen Bereich nicht eindringen. Die Gemeinde, die sich an Gesellschaften beteiligt, „unterwirft“ sich dem für diese geltenden Recht und muss es so hinnehmen, wie es ausgestaltet ist (siehe dazu HessVGH, Urteil vom 9. Februar 2012 – 8 A 2043/10 –, juris). Mit dem Landestransparenzgesetz kann der Landesgesetzgeber über die gesellschaftsrechtlichen Regelungen nicht hinausgehen (vgl. Art. 31 Grundgesetz). Wie sich der bereits zitierten Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 16/5173, S. 34) entnehmen lässt, ist die Informationsfreiheit nach dem Landestransparenzgesetz daher begrenzt durch gesellschaftsrechtlich angeordnete Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten.
- 51
dd) Inhaltlich ist die Verschwiegenheitspflicht weit zu ziehen; erfasst sind Geheimnisse der Gesellschaft und vertrauliche Angaben. „Geheimnisse der Gesellschaft“, zu denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehören, sind Tatsachen, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig sind, wenn sie nach dem bekundeten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen und wenn an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Zu den Tatsachen in diesem Sinne gehören auch Ansichten, Meinungen und Wertungen. Die Schweigepflicht beschränkt sich nicht auf geheim zu haltende Umstände, die das Geschäft oder den Betrieb betreffen und deren Offenbarung daher für die Gesellschaft wirtschaftlich nachteilig ist; sie bezieht sich auch auf Tatsachen, deren Offenbarung immaterielle Schäden für die Gesellschaft zur Folge haben können. Ob eine Tatsache ein Geheimnis ist, beurteilt sich grundsätzlich objektiv nach dem Unternehmensinteresse. Vertrauliche Angaben sind alle Informationen, deren Mitteilung sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann, unabhängig davon, ob sie allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse mehr sind. Es muss sich aber um Angaben handeln, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Gesellschaft bzw. des Unternehmens liegt (vgl. Spindler, a.a.O, § 93 AktG Rn. 116 ff.).
- 52
Die von der Klägerin begehrten Informationen über das Kohlekraftwerk, über die künftige Geschäftsausrichtung, über die Geschäftsführung und über die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern betreffen wesentliche Vorgänge der Beigeladenen in Bezug auf ihre Wettbewerbsposition am Markt. Insbesondere die für das Kohlekraftwerk entstandenen Kosten und die Einzelheiten der weiteren Geschäftsausrichtung lassen voraussichtlich bei ihrer Offenlegung weitreichende Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen und ihre Verhandlungsposition zu.
- 53
Die Beigeladene hat die Gründe, aus denen sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln sind, in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Sie hat ausgeführt, dass die Fragen unter Ziffer I des Klageantrags sämtlich Informationen beträfen, die auf die Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse gerichtet seien. Dies gelte namentlich für die Fragen nach den Kosten des Kohlekraftwerks sowie den Vertragsstrafen und Rückstellungen. Die Fragen unter Ziffer I. 1 bis 6 verlangten die Offenlegung unterschiedlicher Kostenpositionen, die ihr – der Beigeladenen – im Rahmen der Planung des Kohlekraftwerks entstanden seien. Sie hätten Kosten für Generalunternehmer, für Vertragspartner, für die technische Planung und für die durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit zum Gegenstand. Aus all diesen Vergütungen – aufgrund der komplexen Struktur der Kosten auch in ihrem Zusammenspiel – könnten Rückschlüsse auf die Vertragsgestaltung, die Kalkulation der Preise und somit auf Details ihrer Geschäftsbeziehungen gezogen werden. Die Offenlegung dieser Informationen könne dazu führen, dass Geschäfts- und Vertragspartner diese Informationen bei zukünftigen Vertragsverhandlungen über neue Projekte mit ihr nutzen könnten. Außerdem könnten Konkurrenten Vertragspartner mit günstigeren Angeboten abwerben. Im Übrigen handele es sich bei diesen Informationen auch um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrer Vertragspartner. Im Generalunternehmervertrag sei ausdrücklich eine Vertraulichkeitsabrede getroffen worden. Bei einer Preisgabe vertraulich zu behandelnder Informationen hafte ihr der Makel der Unzuverlässigkeit an. Soweit in Ziffer I. 7 die Frage nach vereinbarten Vertragsstrafen und Kompensationsgeschäften gestellt würde, würden ebenfalls Interna aus der Vertragsgestaltung und der Kostenkalkulation an die Öffentlichkeit gelangen. Auch dies würde ihr Verhandlungen mit Geschäftspartnern bei zukünftigen Projekten erheblich erschweren. Die Beantwortung der Frage Ziffer I. 8 nach der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit dem Kohlekraftwerk sowie der Weiterbeschäftigung und den entsprechenden Aufgabenbereichen führe ebenfalls zu einer Offenlegung von betrieblichen Organisationsabläufen, die sowohl die gegenwärtige Personalverteilung offenbarten als auch Rückschlüsse auf ihre zukünftige Ausrichtung für ihre Wettbewerber zuließen.
- 54
Die Fragen unter Ziffer II des Klageantrags seien unmittelbar auf die Umsetzung von Projekten und Investitionsverpflichtungen gerichtet und damit zweifellos Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Käme es zu einer Offenlegung dieser Informationen, würden grundsätzliche Informationen über die geplante Betriebsführung sowie ihre Wirtschafts- und Marktstrategie an die Öffentlichkeit, an Konkurrenten und Vertragspartner gelangen. Zu einer Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse komme es auch bei Beantwortung der Fragen nach der Geschäftsführung in Ziffer III des Klageantrags sowie durch die unter Ziffer IV begehrten Informationen über von ihr ausgesprochene Einladungen. Ziffer III des Fragenkatalogs ziele auf Details in der Geschäftsführung der Beigeladenen ab; die Fragen in Ziffer IV beträfen die Modalitäten ihrer Kontaktpflege. Bei ihrer Beantwortung würden zwangsläufig derzeitige oder zukünftige Geschäftsbeziehungen offenbart und es würde Raum für Spekulationen gegeben. Die Fragen unter Ziffer III und IV beträfen im Übrigen auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Vorstandsmitglieder bzw. der eingeladenen Gäste. Weitergehende Darlegungen zum Geheimhaltungsinteresse erforderten zudem die Offenlegung vertraulicher Angaben.
- 55
Diese Ausführungen der Beigeladenen lassen in Anbetracht des Inhalts der begehrten Informationen ihr Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung grundsätzlich nachvollziehbar und ausreichend plausibel erscheinen. Dieser Grad an Überzeugungsgewissheit ist ausreichend, weil die Bewertung wettbewerbsrelevanter Auswirkungen wegen ihrer auf die Zukunft bezogenen Beurteilung notwendigerweise mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2015 – 10 A 10472/14.OVG –, juris, sowie Urteil vom 6. September 2012 – 8 A 10096/12.OVG –, juris). Den von der Klägerin geforderten gesonderten Darlegungen zu jeder einzelnen Frage bedurfte es nicht, weil sich die Vertraulichkeit der geforderten Informationen aus den Ausführungen der Beigeladenen mit hinreichender Deutlichkeit auch ohne Bezugnahme auf jeden Unterpunkt innerhalb des Fragenkatalogs ergibt. Nicht durchgreifend ist insoweit auch der Einwand der Klägerin, es sei nicht erkennbar, dass die Offenlegung der Informationen der Beigeladenen einen Nachteil im Wettbewerb zufügen könnte, weil das nie über die Planungsphase hinausgegangene Projekt bereits im Jahre 2009 vorläufig (und 2012 endgültig) beendet worden sei und die Beigeladene auf dem Gebiet der Kohleverstromung nicht mehr tätig sein wolle; die Zahlen zu dem Projekt seien veraltet und nicht mehr auf das aktuelle Marktgeschehen übertragbar. Für die Fragen zu Ziffer II bis IV des Fragenkatalogs verfängt diese Argumentation von vornherein nicht, weil diese Fragen die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen in der jüngeren Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft betreffen. Aber auch hinsichtlich der Fragen zu den Kosten des Kohlekraftwerks ist die Wettbewerbsrelevanz der begehrten Informationen trotz der Aufgabe des Projekts weiterhin plausibel vor dem Hintergrund, dass sich aus den einzelnen Kostenpositionen und ihrer Verflechtung Rückschlüsse auf die allgemeine Geschäftsausrichtung sowie die Unternehmensstrategie der Beigeladenen ziehen lassen und aufgrund der Langfristigkeit derartiger Planungsvorhaben auch mehrere Jahre alte Informationen über Kosten noch immer eine gewichtige Aussagekraft haben.
- 56
2. Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Unterlagen, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihr vorhanden sind (Aufsichtsratsprotokolle der Stadtwerke Mainz AG, wenige Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der Beigeladenen, verschiedene Gutachten sowie Jahresabschlussberichte der Beigeladenen in Auszügen), sofern sie überhaupt die von der Klägerin begehrten Informationen enthalten. Soweit der Beklagten solche Unterlagen in Form von Aufsichtsratsprotokollen vorliegen, hat diese der Oberbürgermeister in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied erhalten. Es handelt sich weiterhin um originäre Unterlagen des Aufsichtsrats, die nicht durch den Verwahrort bei der Beklagten zu Informationen werden, über die die Beklagte verfügt (so auch das Verwaltungsgericht mit weiteren Nachweisen). Wenn die Beklagte weitergehende Informationen aufgrund der Berichtspflicht der Aufsichtsratsmitglieder erlangt hat, verfügt sie dadurch zwar über diese. Sie unterliegen aber der aktienrechtlichen Bindung nach § 395 AktG, sodass die mit der Beteiligungsverwaltung betrauten Personen zur Geheimhaltung verpflichtet sind.
- 57
3. Da nach alledem ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen bereits aufgrund der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nicht gegeben ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob dem Zugangsanspruch auch Belange nach §§ 14 ff. LTranspG, insbesondere der Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LTranspG, entgegenstehen. Daher ist auch nicht die in dieser Vorschrift i.V.m. § 17 LTranspG vorgesehene Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Informationen vorzunehmen.
- 58
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
- 59
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.
- 60
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss
- 61
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen betreffend einer Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen.
- 2
Die Beklagte schloss mit der Beigeladenen einen Vertrag über die Nutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Waldfläche „A...“, der die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen zum Gegenstand hat. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 19. Januar 2015 die Gewährung von Einsicht in den Vertrag. Die Beigeladene widersprach diesem Begehren. Mit Bescheid vom 26. März 2015 lehnte die Verbandsgemeindeverwaltung B... daraufhin namens und im Auftrag der Beklagten den Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in das Vertragswerk ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass dem Informationsanspruch des Klägers ein Ausschließungsgrund nach § 11 S. 2 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes – LIFG - entgegenstehe. Danach dürfe der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt habe. Bei dem von der Beklagten unterzeichneten Vertrag handele sich um ein vom Vertragspartner individuell erarbeitetes Werk, dessen Informationen nicht offenkundig seien. Der Vertragspartner – die Beigeladene – habe ihre Einwilligung zur Einsichtnahme ausdrücklich nicht erteilt.
- 3
Am 13. April 2015 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 26. März 2015 Widerspruch ein.
- 4
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2015 wies der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, bei den begehrten Informationen handele es sich zwar zumindest teilweise um Umweltinformationen i.S.d. § 2 Abs. 3 LUIG. Zudem sei der Kläger auch grundsätzlich anspruchsberechtigt und die Beklagte als informationspflichtige Stelle auskunftsverpflichtet. Dem Auskunftsbegehren stünden jedoch Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 LUIG entgegen. Das Vertragswerk sei vom Geschäftsführer der Beigeladenen entworfen; es handele sich nicht um einen allgemein verfügbaren Mustervertrag. Zudem gehe es nach der hier entscheidenden Gesamtsicht des Vertrages – auch soweit Fragen der Waldrodung bzw. der Zuwegungen betroffen seien – um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Kenntnisse aus diesem Vertag könnten zu einem wettbewerbsrechtlichen Nachteil für die Beigeladene führen. So könne etwa die Breite der Zuwegung Rückschlüsse auf den Anlagentyp sowie dessen Größe und Funktionsweise geben. Es verbiete sich, für jede Vertragsregelung festzustellen, ob es sich jeweils um eine Umweltinformation handele. Vielmehr sei der Vertrag in Bezug auf den Begriff der Umweltinformation als auch des Begriffs der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Ganzes zu sehen. Eine Einsicht in den Vertrag unter Schwärzung von Passagen sei daher nicht tunlich. Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen überwiege auch nicht die Interessen der Beigeladenen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die seitens des Klägers begehrten Informationen mit Umweltbezug größtenteils erst im Genehmigungsverfahren entstünden und dann auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Zudem bestünden für den Kläger bereits jetzt umfangreiche Informationsquellen, etwa eine Informationsveranstaltung sowie Informationsmöglichkeiten im Internetauftritt der Beklagten, sodass das Interesse der Beigeladenen an der Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegenüber den klägerischen Interessen der Vorrang einzuräumen sei.
- 5
Zur Begründung seiner bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheids erhobenen Klage trägt der Kläger vor:
- 6
Ein Anspruch auf Einsicht in den Vertrag ergebe sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 LUIG, alternativ aus § 4 Abs. 1 S. 1 LIFG. Der Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 LUIG – der dem Anspruch nach dem LIFG vorgehe – bestehe unabhängig davon, ob die Beklagte im konkreten Fall in rein öffentlich-rechtlicher oder in privat-rechtlicher Form Verwaltungstätigkeiten ausgeübt habe. Der Begriff der Umweltinformation sei grundsätzlich weit auszulegen. Auch bloß mittelbare Auswirkungen von Maßnahmen und Tätigkeiten auf Umweltbestandteile seien vom Informationsanspruch erfasst.
- 7
Der (Umwelt-) Informationsanspruch sei grundsätzlich voraussetzungslos und bestehe unabhängig davon, aus welchem Interesse dieser geltend gemacht werde. Ungeachtet dessen besitze der Kläger eine Vielzahl von Gründen dafür, warum er Einsicht in diesen Vertrag begehre. Neben der Tatsache, dass der Vertrag erhebliche finanzielle Folgen für die Beklagte habe, bestünden Zweifel, ob bei dem gesamten Vorgehen ein rechtsstaatliches Verfahren eingehalten worden sei. Darüber hinaus stelle sich die Frage, inwieweit der Vertrag eine Bauverpflichtung enthalte und unmittelbaren Bezug auf die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes nehme. Damit seien auch umweltrechtliche Belange tangiert. Der Kläger besitze ein Interesse daran zu erfahren, ob im Vertrag geregelt ist, auf welchen Waldwegen und in welcher Breite die Zuwegung des Standortes „A...“ erfolgen solle, um abschätzen zu können, wie viele Waldrodungen für den Transport der Rotoren mit Schwerlast-LKW erforderlich sein würden. Zudem stellten sich die immissionsschutzrechtlichen Fragen des Lärmschutzes sowie des Schattenwurfes auf die benachbarten Gebäude. Ferner wolle er wissen, ob im Vertrag Vorsorge zur Rekultivierung der Waldflächen getroffen worden sei. Über den konkreten Verlauf der Zuwegungen seien bei der Informationsveranstaltung, auf die der Kreisrechtsausschuss Bezug nehme, keine Angaben gemacht worden.
- 8
Der Anspruch könne nicht durch den Verweis auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verwehrt werden. Bei der im Vertrag üblicherweise geregelten Zuwegung fehle es bereits an der Unternehmensbezogenheit der Daten. Selbst wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegen sollten, müsse neben dem Mangel an Offenkundigkeit ein berechtigtes Interesse des Unternehmers an der Nichtverbreitung der betreffenden Informationen bestehen. Die Ausnahmetatbestände des Umweltinformationsanspruches seien eng auszulegen. Ferner habe sich die Beklagte nicht damit befasst, ob unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 1 S. 1 LUIG ein Anspruch auch ohne Zustimmung des Betroffenen – der Beigeladenen als Vertragspartner der Beklagten – dann bestehe, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege. Hiervon sei vor dem Hintergrund, dass im Zuge eines seitens des Klägers durchgeführten Bürgerbegehrens 285 Unterschriften gesammelt worden seien, auszugehen. Selbst wenn man einen Ausschließungsgrund annehme, könne dieser jedenfalls nicht auf den gesamten Vertrag durchschlagen. Die Beklagte habe nach § 9 Abs. 1 S. 4 LUIG nur dann von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen, soweit übermittelte Informationen als Betrieb- oder Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet seien. Eine Kennzeichnung habe die Beigeladene jedoch bisweilen nicht vorgenommen.
- 9
Auch nach dem nunmehr seit dem 1. Januar 2016 geltenden Landestransparenzgesetz - LTranspG - seien die Voraussetzungen für einen Einsichtnahmeanspruch des Klägers erfüllt. Es handele sich inhaltlich auch um die Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe. So verbleibe es in der Verwaltungszuständigkeit einer Ortsgemeinde, Verpflichtungserklärungen abzugeben. Zudem betreffe ein Gestattungsvertrag über die Nutzung der Windenergie mit der Energieversorgung die Daseinsvorsorge. Die Vorgaben für die Bereitstellung von Flächen für die Windenergie seien ebenso dem öffentlichen Recht, etwa der Raumordnung und dem Flächennutzungsplan, zu entnehmen. Zudem handele es sich bei der Nutzung des Kommunalwaldes um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Selbstverwaltung.
- 10
Der Kläger beantragt,
- 11
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Verbandsgemeindeverwaltung B... vom 26. März 2015 und des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 21. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm Einsicht in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen bezüglich der Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen zu gewähren,
- 12
hilfsweise, ihm unter Aufhebung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
- 13
Die Beklagte beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Zur Begründung trägt sie vor:
- 16
Der streitgegenständliche Nutzungsvertrag enthalte keine Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 LUIG, die sich auf Umweltbestandteile auswirken könnten. In diesem Zusammenhang sei auf das erforderliche Genehmigungsverfahren zu verweisen; das Vertragswerk enthalte keine Umweltinformationen, deren Beantwortung sich der Kläger mit der Vertragseinsicht erhoffe. Zudem habe die Beklagte im Rahmen einer Informationsveranstaltung das Projekt „Windkraft A...“ der Öffentlichkeit vorgestellt und Fragen durch den Vertreter der Beigeladenen beantworten lassen. Diese Informationen stünden nach wie vor online im Internet zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte das ihr zur Verfügung stehende Ermessen, wie der Zugang zu Informationen hergestellt werden könne, fehlerfrei angewendet. Letztlich stehe § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LUIG dem Auskunftsanspruch des Klägers entgegen. Die Beigeladene habe auch ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung, da die Offenlegung dieser Informationen jedenfalls geeignet sei, exklusives Wissen der Beigeladenen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen. Auch seien bereits solche Informationen schützenswert, die Rückschlüsse auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zuließen. Eine Schwärzung oder Abtrennung verschiedener Vertragspassagen sei bereits deshalb nicht möglich, weil Informationen, die im Interesse der Beigeladenen geheim zu halten seien, erst aus dem Regelungszusammenhang des gesamten Vertragswerks erkennbar seien. Unter Berücksichtigung der bereits zur Verfügung stehenden Informationen und der Tatsache, dass Umweltinformationen überhaupt erst im Laufe des Genehmigungsverfahrens entstünden, sei das Interesse des Klägers auch nicht gegenüber dem Interesse der Beigeladenen als überwiegend anzusehen.
- 17
Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 19
Zur Begründung trägt sie vor:
- 20
Es sei bereits fraglich, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Nutzungsvertrag überhaupt um Umweltinformationen handele. Der Vertrag enthalte als solcher vornehmlich lediglich die umfassende Regelung des Rechtsverhältnisses, insbesondere Rechte und Pflichten der Vertragsparteien bezüglich des geplanten Vorhabens. Der Vertrag selbst wirke sich weder unmittelbar noch mittelbar auf Umweltbestandteile aus. Zudem habe die Beklagte alle Bürgerinnen und Bürger über das Projekt „Windkraft A...“ im Rahmen einer Informationsveranstaltung, an der auch der Kläger teilgenommen habe, informiert. Gegenstand dieser Informationsveranstaltung sei insbesondere der Standort der beiden Windkraftanlagen, die Abstände zur Wohnbebauung, der Schutz wertvoller Waldbestände, die benötigte Kranstellfläche sowie die Darstellung und Analyse der Sichtbarkeit beider Anlagen gewesen. Hierbei hätte sich der Kläger gegebenenfalls weitergehend über das Vorhaben informieren können. Eine Darstellung des Projekts befinde sich darüber hinaus nach wie vor auf der Internetseite der Beklagten. Unabhängig davon seien die Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LUIG zu berücksichtigen. Bei dem zwischen der Beklagten und der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag handele es sich um ein von der Beigeladenen auf die betriebseigene spezielle Abwicklung der Projekte hin entworfenes Vertragswerk, welches als sein geistiges Eigentum anzusehen sei. Als solches sei es urheberrechtlich geschützt. Ferner handele es sich bei dem Vertragswerk um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. In der Windkraftbranche komme dem Nutzungsvertrag eine zentrale Bedeutung im Wettbewerb um Nutzungsrechte zu. Die Wettbewerbssituation werde entscheidend durch den Inhalt des speziellen Nutzungsvertrages und den darin enthaltenen speziellen Vertragsbedingungen bestimmt. Dementsprechend werde das von der Beigeladenen entwickelte Vertragswerk flächendeckend von ihr eingesetzt. Wenn die Zusammensetzung der zu zahlenden Entschädigungshöhe den Konkurrenten der Beigeladenen bekannt würde, könnten diese das Wissen nutzen und ihre Angebote entsprechend ausgestalten, wodurch ein erheblicher Wettbewerbsnachteil entstünde. Ein Herausfiltern der Umweltinformationen aus dem Vertrag sei nicht möglich; diese seien vielmehr mit der vertraglichen Gestaltung der Rechte und Pflichten der Beteiligten untrennbar verknüpft, sodass mithin der Vertrag als Ganzes zu schützen sei.
- 21
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zudem wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die zulässige Klage hat in der Sache sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg.
- 23
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in den Vertrag der Beklagten mit der Beigeladenen bezüglich der Nutzung der Fläche „A...“ zwecks Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen noch auf Neubescheidung seines diesbezüglichen Antrags, so dass er durch den ablehnenden Bescheid der Verbandsgemeindeverwaltung B... vom 26. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 21. Oktober 2015 nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
- 24
1. Die für die Beurteilung seines Antrages auf Einsichtnahme in den Vertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 2 Abs. 2 des Landestransparenzgesetzes – LTranspG – vom 27. November 2015 (GVBl. 2015, 383).
- 25
Nach dem einschlägigen Prozessrecht kann sowohl eine Anfechtungs- als auch eine Verpflichtungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob aber ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S. des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht. Das materielle Recht regelt nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs, sondern auch zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 8 C 5/03 -, BVerwGE 120, 246, ständige Rechtsprechung).
- 26
Nach § 30 Abs. 1 LTranspG trat dieses Gesetz am 1. Januar 2016 in Kraft; gleichzeitig traten - vorbehaltlich der für die vorliegende Entscheidung nicht maßgeblichen Regelung des § 26 Abs. 5 LTranspG - das Landesinformationsfreiheitsgesetz vom 26. November 2008 (GVBl. S. 296) sowie das Landesumweltinformationsgesetz vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484) gemäß § 30 Abs. 2 LTranspG außer Kraft. Bereits dies spricht dafür, auch vor dem 1. Januar 2016 gestellte, aber noch nicht bestandskräftig abgelehnte Anträge auf Informationserteilung dem Landestransparenzgesetz zu unterwerfen (vgl. zum Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 22. Dezember 2004: BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2005 – 7 C 5/04 –, NVwZ 2006, 343). Dies gilt erst recht angesichts der Regelung in § 26 Abs. 3 LTranspG, wonach auch in den Fällen, in denen Anträge auf Zugang zu Informationen vor Inkrafttreten des Landestransparenzgesetzes nach den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes oder des Landesumweltinformationsgesetzes gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes zu entscheiden ist. Dass als Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift lediglich Entscheidungen im Verwaltungs- einschließlich des Widerspruchsverfahrens zu verstehen sein sollten, nicht hingegen gerichtliche Entscheidungen über noch nicht bestandskräftig abgelehnte Anträge auf Informationsgewährung, ist nicht ersichtlich. Auch die Gesetzesmaterialien enthalten keine diesbezüglichen Hinweise (vgl. LT-Drs. 16/5173, zu § 26 Abs. 3 LTranspG).
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2. Nach § 2 Abs. 2 LTranspG haben die in § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 LTranspG genannten Personen – folglich insbesondere natürliche Personen wie der Kläger – einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der durch Antrag geltend zu machen ist; ein rechtliches oder berechtigtes Interesse muss nicht dargelegt werden. Die Beklagte ist aber im vorliegenden Falle keine transparenzpflichtige Stelle, mithin steht dem Kläger ihr gegenüber kein Informationsanspruch zu. Ob es sich bei dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen um vom Anspruch erfasste amtliche Informationen im Sinne des § 5 Abs. 2 LTranspG oder auch um Umweltinformationen im Sinne des § 5 Abs. 3 LTranspG handelt, kann daher dahinstehen.
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a) Nach § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG gilt das LTranspG für die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben (insoweit abweichend von der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2005, a.a.O., zugrundeliegenden Gesetzeslage). Zwar unterfällt die Beklagte als rheinland-pfälzische Kommune grundsätzlich dem Anwendungsbereich des LTranspG, jedoch übt sie im vorliegenden Fall keine Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG aus. Durch den Zusatz „Verwaltungstätigkeit“ hat der Landesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Behörde inhaltlich eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verwaltungsaufgabe wahrgenommen haben muss (vgl. LT-Drs. 16/5173, S. 33). Was allerdings unter einer Verwaltungsaufgabe zu verstehen ist, wird weder im Landestransparenzgesetz noch in den Gesetzesmaterialien definiert. Allerdings macht das Gesetz deutlich, dass auch Behörden nicht hinsichtlich sämtlicher Aktivitäten dem Landestransparenzgesetz unterworfen sind. Ausgenommen müssen jedenfalls solche Vorgänge sein, bei denen eine Gemeinde in gleicher Weise wie eine Privatperson von ihren Eigentümerrechten Gebrauch macht, ohne dadurch unmittelbar Verwaltungsaufgaben wie etwa Daseinsvorsorge wahrzunehmen.
- 29
b) Mit dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages hat die Beklagte lediglich der Beigeladenen die Nutzung eines Vermögensgegenstandes überlassen (§ 79 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Gemeindeordnung – GemO –), also lediglich von ihren Befugnissen aus ihrem Grundeigentum Gebrauch gemacht. Dies mag zwar mittelbar Auswirkungen auf die Verwaltungstätigkeit der Gemeinde haben. Das allein löst jedoch noch nicht die Unterwerfung unter die Normen des Landestransparenzgesetzes aus, da ansonsten die gesetzliche Beschränkung auf die Wahrnehmung von „Verwaltungstätigkeiten“ leerliefe. Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, stellt die zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vereinbarte Nutzungsüberlassung insbesondere keine Maßnahme der Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes (vgl. §§ 3 Abs. 2, 11 des Bundeswaldgesetzes – BundeswaldG -, §§ 2 Nr. 2, 9 f., 26 ff. des Landeswaldgesetzes - LWaldG -) dar, zumal die forstfachliche Leitung im Körperschaftswald durch das Forstamt ausgeübt wird (§ 27 Abs. 1 LWaldG). Auch im Hinblick auf die Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes wirkt sich die vereinbarte Nutzungsüberlassung vielmehr lediglich mittelbar aus und ist daher keine Verwaltungstätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 HS 1 LTranspG. Da es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme gibt, die getroffene Vereinbarung enthalte unter Umständen auch Vereinbarungen über Bewirtschaftungsmaßnahmen, konnte davon abgesehen werden, die Beklagte zur Vorlage des Vertrages aufzufordern und gegebenenfalls den Ausgang eines Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abzuwarten (vgl. OVG RP, Urteil vom 30. Januar 2014 – 1 A 10999/13.OVG -, DVBl 2014, 730).
- 30
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
- 31
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 32
Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 1, 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).
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Beschluss
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Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Beigeladene wird für notwendig erklärt (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO).
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der beklagten Universität eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Am 18. November 2008 beantragte der Kläger, der Geschäftsführer des Vereins Coordination gegen C.-Gefahren e. V. ist, bei der Beklagten, den Kooperationsvertrag ihrer Universitätsklinik mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 offenzulegen. Die Beklagte sollte dazu im Einzelnen formulierte Fragen - wie z. B. „Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?“ oder „Wie sind die Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - beantworten. Es solle öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie die Beigeladene abtreten dürfe.
4Mit Schreiben vom 30. März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Informationsanspruch bestehe mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Die Kooperationsvereinbarung mit der Beigeladenen falle in den Bereich von Forschung und Lehre, der vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen sei. Da die Kooperationsvereinbarung mediale Beachtung gefunden habe, sei die Beklagte jedoch bereit, nach Rücksprache mit der federführenden Medizinischen Fakultät eine detaillierte Auskunft zu erteilen. Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Klinikum der Beklagten und der Beigeladenen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine „präferierte Partnerschaft“ im Bereich der Forschung und Entwicklung innovativer Therapien diene der bundesweiten, vom Wissenschaftsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formulierten Zielsetzung, durch „Entwicklungspartnerschaften“ oder „strategische Allianzen“ die deutsche Hochschulmedizin und die international ins Hintertreffen geratene klinische Forschung wieder nachhaltig zu stärken. Zugleich werde die Unabhängigkeit der öffentlichen universitären und der privaten wirtschaftlichen Forschungsinteressen voneinander sichergestellt. „Bevorzugte Partnerschaft“ bedeute in dieser Rahmenvereinbarung, dass man auf Seiten des Unternehmens bei der anstehenden klinischen Testung neuer Substanzen und umgekehrt auf der Seite des Universitätsklinikums bei der Verfolgung neuer aus der Grundlagenwissenschaft stammender Entwicklungsvorhaben möglicherweise therapeutisch wirksamer Substanzen immer zuerst prüfe, ob sich die hierfür erforderlichen Forschungsarbeiten erfolgversprechend in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner durchführen ließen, bevor andere sich anbietende Kooperationsbeziehungen für die Verwirklichung der Projekte gesucht und eingegangen würden. Inhaltlich solle sich die Kooperation nach dem derzeitigen Stand der beidseitigen klinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Als neue partnerschaftlich konzipierte und organisierte Struktur schließe das Kooperationsabkommen ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ mit ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten, so dass auch für diesen Bestandteil der Kooperation die Unabhängigkeit von rein wirtschaftlichen Interessen sichergestellt sei. Nach alledem sei gewährleistet, dass die Entscheidungen über die Aufnahme von innovativen Vorhaben oder Dissertationsprojekten frei nach den jeweiligen Entwicklungsperspektiven erfolgten. Sie würden weder direkt noch indirekt durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst. Die Vereinbarung enthalte keinerlei Bedingungen, die der für Drittmittelforschung üblichen Publikationsverpflichtung gemäß § 71 HG NRW entgegenstünden. Aus der Rahmenvereinbarung ergäben sich keine Einschränkungen des freien akademischen Austauschs im Allgemeinen und der Publikationsfreiheit im Besonderen. Publikationsentscheidungen, die den Gegenstand und die Ergebnisse der Zusammenarbeit beträfen, würden nach Beratung im Lenkungsausschuss herbeigeführt. Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich sämtlicher schutzrechtsfähiger und nicht schutzrechtsfähiger Ergebnisse richte sich nach der Sponsoreneigenschaft i.S.v. § 4 Abs. 24 AMG. Sollten gemeinsame Entwicklungserfolge zur Vermarktung von patentrechtlich geschützten Produkten aufgrund von Patenten führen, die im Rahmen der Kooperationsvereinbarung angemeldet und erteilt worden seien, erhielten die jeweils Beteiligten ab Vermarktungsbeginn und für die Laufzeit der betreffenden Patente eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben den Arbeitnehmererfindergesetzes. Der Umgang mit Informationen aus der Forschungs- und Entwicklungskooperation unterliege Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten, die beide Partner wechselseitig eingegangen seien. Industrielle Drittmittel für die Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente würden in der Regel nur dann in Anspruch genommen, wenn die betreffenden klinischen Studien mit den Zielsetzungen der fünf an der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der Beklagten etablierten und von unabhängigen wissenschaftlichen Expertenkommissionen fortlaufend evaluierten Forschungsschwerpunkten übereinstimmten. Dafür sorge die Zielvereinbarung der Beklagten mit dem zuständigen Landesministerium. Auftragsforschung außerhalb der Zielgebiete würde Nachteile bei der leistungsorientierten Mittelvergabe des Landeszuschusses und vielen anderen Strukturierungsmaßnahmen der Medizinischen Fakultät mit sich bringen. Die Einwerbung öffentlicher Drittmittel vor allem von Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Kommission stelle ein ungleich höherwertigeres Gütekriterium für die leistungsorientierte Mittelvergabe dar. Schließlich überprüfe die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät jedes klinische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vor seiner Einleitung. Die juristische Seite des Abschlusses aller Verträge überprüfe das Rektorat der Beklagten.
5Unter dem 30. Juni 2009 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der Rahmenvertrag aus ihrer Sicht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalte. Bei einer Veröffentlichung der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen würde der Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmen um kooperierende Kliniken sowie der Wettbewerb unter den Kliniken um derartige Kooperationen beeinträchtigt. Gerade im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsverträge seien die in Rede stehenden Vertragsregelungen wichtige Elemente der Zusammenarbeit. Zudem eröffne eine detaillierte Veröffentlichung der Forschungskooperation, ihrer Ziele und der exakten Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele Wettbewerbern Hinweise auf mögliche künftige Forschungs- und Geschäftsfelder. Dadurch entstünden der Beigeladenen Wettbewerbsnachteile. Um diese zu vermeiden, seien Verschwiegenheitsklauseln in Bezug auf alle Informationen im Zusammenhang mit der Kooperation Vertragsbestandteil.
6Nachdem der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Mai 2009 und vom 15. Juli 2010 - u. a. gestützt auf eine Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW vom 16. Juni 2010 - an seinem Informationsbegehren festhielt, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht einschlägig sei und etliche Fragen trotz der Antwort der Beklagten vom 30. März 2009 offengeblieben seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 20. August 2010 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bestehe nicht. Da das klägerische Begehren den Bereich von Forschung und Lehre betreffe, sei das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW unanwendbar. Diese Regelung wolle sicherstellen, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingreife. Dieses schütze auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, die sich nicht auf bestimmte Forschungs- und Lehrvorhaben bezögen. In diesem Bereich müsse die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Universitäten vor äußerem Druck - etwa durch unkontrollierte Informationsverbreitung - geschützt werden. Auch der in Rede stehende Vertrag behandle unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Sein Regelungsgehalt - sachliche und organisatorische Beiträge zur Findung und Durchführung von Einzelprojekten, Aufbau eines Graduiertenkollegs, finanzielle Kompensation einzelner Leistungen, Umgang mit Ergebnissen und Verteilung der Nutzungsrechte, Vertraulichkeit, Exklusivität der Kooperation in den Einzelprojekten, Verfahren bei der wissenschaftlichen Veröffentlichung aus Einzelprojekten, Haftung, Laufzeit, vertragstechnische Formalia - entspreche demjenigen jedes anderen Drittmittelvertrags. Unabhängig davon schütze Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die Universität im wissenschaftlichen Wettbewerb. Würde das Informationsfreiheitsgesetz NRW für diesen Rahmenvertrag gelten und einen Auskunftsanspruch gewähren, könnten Wettbewerber die genaue Positionierung der Beklagten erfahren, ohne selbst ihre Positionierung öffentlich machen zu müssen. Sie könnten ihr eigenes Verhalten im wissenschaftlichen Wettbewerb um Forschungsgelder darauf einstellen und damit ihre Position einseitig stärken. Dies könnten die Zugangsbeschränkungen der §§ 8, 9 IFG NRW allein nicht wirksam verhindern.
7Der Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
8Der Kläger hat am 8. Mai 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, ihm stehe der geltend gemachte Informationszugangsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW als Privatperson zu, auch wenn er Geschäftsführer eines konzernkritischen Vereins sei. § 2 Abs. 3 IFG NRW schließe die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorliegend nicht aus. Die Rahmenvereinbarung sei keine Forschung im engeren Sinn. Sie enthalte ausschließlich organisatorische Regelungen für zukünftige und derzeit noch nicht konkret festgelegte Forschungsprojekte. Nicht unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie z. B. die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, die Koordinierung wissenschaftlicher Arbeit, die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben, d. h. insbesondere die haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, sowie die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen seien nicht von dem Informationsfreiheitsgesetz NRW ausgenommen. Der Freiraum wissenschaftlicher Einrichtungen vor staatlicher Einflussnahme sei insoweit durch §§ 6 ff. IFG NRW hinreichend geschützt. Abgesehen davon behandle die Rahmenvereinbarung keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Der Rahmenvertrag berühre die Forschung nicht unmittelbar. Er bestimme nur in allgemeiner Form, wie zukünftig neue Forschungsfelder ausgewählt und neue Forschungsvorhaben nachfolgend organisatorisch umgesetzt würden. Sobald sich ein Forschungsvorhaben hinreichend konkretisiert habe, müssten die Einzelheiten des jeweiligen Vorhabens also erst noch in einer weiteren gesonderten Vereinbarung ausgehandelt werden. Die Forschungsplanung beginne nicht bereits mit der Schaffung eines allgemeinen Regelungsgerüsts für noch nicht benannte Forschungsprojekte, sondern allenfalls mit der Konkretisierung einzelner Forschungsthemen und -projekte. Es würden auch keine Forschungsstrategien offengelegt. Eine andere Betrachtungsweise würde dem Grundrecht auf freien Informationszugang aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem Willkürverbot der Art. 3 Abs. 1 GG einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG nicht gerecht. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei demgemäß zumindest verfassungskonform auszulegen, wobei diese Möglichkeit in Anbetracht der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben als letztlich nicht gegeben erscheine. Dies gelte gerade auch in dem hier betroffenen Bereich der Forschung und Lehre an Hochschulen, in dem eine weitestgehende Transparenz herzustellen sei. Eine Beschränkung des Informationszugangs gemäß dem voraussetzungslosen § 4 Abs. 1 IFG NRW auf die klassische staatliche Eingriffsverwaltung gebe es nicht. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setze daher auch § 2 Abs. 3 IFG NRW eine Gefahr der Beeinträchtigung öffentlicher Belange bzw. einen mehr als geringfügigen Schaden voraus, der dem Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs nach einer umfassenden Güterabwägung ähnlich der in § 8 Satz 3 IFG NRW vorgesehenen vorgehe. Diese Gefährdungslage sei konkret darzulegen, weil andernfalls die Begründungslast für Informationszugangsansprüche gesetzeswidrig umgekehrt würde. Ausnahmen vom Informationszugang seien ohnehin eng zu interpretieren. § 2 Abs. 3 IFG NRW verletze auch deshalb ohne sachlichen Grund das Regel-Ausnahme-Prinzip. Abstrakte Auswirkungen auf Forschung und Lehre, wie sie von der Beklagten eingewandt würden, füllten § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht aus. Weder aus den Landtagsprotokollen noch aus dem Gesetzestext ließen sich Hinweise darauf entnehmen, dass im Gesetzgebungsverfahren Überlegungen dazu angestellt worden seien, von welcher Art die Gefährdungen für Forschung und Lehre durch einen Informationszugang sein dürften und warum man solchen Gefährdungen ausschließlich und speziell mit der gesetzlichen Ausnahme einer absoluten Geheimhaltung gerecht zu werden versuche, anstatt dem ansonsten im Informationsfreiheitsgesetz NRW geregelten Prinzip eines freien und voraussetzungslosen Informationszugangs den Vorrang zu geben. Die Informationsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip forderten eine umfassende Publizität staatlichen Handelns. Dem komme § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach. Er sei in mehrerlei Hinsicht unverhältnismäßig. Bei alledem sei zu berücksichtigen, wie sich die Hochschullandschaft allgemein in Richtung einer zunehmenden Ökonomisierung verändere. Eine „Flucht ins Privatrecht“ dürfe den gesetzlichen Informationsanspruch nicht aushebeln. Dies zeige auch der Blick auf die Rechtslage in Bundesländern, die in Bezug auf Hochschulen einen unbeschränkten Informationszugang eröffneten. Auch dies erfordere eine verfassungsrechtliche Überprüfung von § 2 Abs. 3 IFG NRW. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass den besonderen Gefahren, die im Zusammenhang mit dem Reformkonzept der sog. unternehmerischen Hochschule sowie der damit verbundenen industrienahen Forschung auf der Grundlage von geheimen Kooperationsverträgen drohten, nur dadurch wirksam begegnet werden könne, dass man zwecks hinreichender Kontrolle auch in diesem durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich von Gesetzes wegen und ganz allgemein mehr Transparenz und Öffentlichkeit verlange. Es werde deswegen beantragt, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 2 Abs. 3 IFG NRW mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ein Verweigerungsrecht nach § 8 IFG NRW bestehe ebenfalls nicht. Die Beigeladene habe nicht substantiiert dargelegt, woraus sich eine Beeinträchtigung im Wettbewerb pharmazeutischer Unternehmen ergäbe, wenn die Rahmenvereinbarung öffentlich gemacht würde. Die einzelnen Forschungs- und Geschäftsfelder müssten aufgrund der Rahmenvereinbarung erst noch durch eine Kommission ausgehandelt werden. Es sei nach erfolgtem Vertragsschluss kaum denkbar, inwieweit mögliche Konkurrenten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung der begehrten Informationen ziehen könnten und der Beigeladenen dadurch ein messbarer Schaden entstehe. Ein hinreichender Schutz der Beigeladenen könne insoweit durch die Schwärzung einzelner Passagen gewährt werden. Demgegenüber habe der Kläger sein überwiegendes Interesse an dem Informationszugang dargetan. Er habe darauf hingewiesen, dass die European Medicines Agency mehr unabhängige Pharma-Forschung fordere, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werde. Da die Beklagte nun eine Kooperation mit der Industrie begonnen habe, müsse öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte sie an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abgetreten habe. Um die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags abschließend zu klären, müsse ggf. ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eingeleitet werden.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 IFG NRW sei einschlägig und schließe einen Informationszugangsanspruch des Klägers aus. Das Gesetz verwende bewusst eine weite Formulierung, um eine Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung zu vermeiden. § 2 Abs. 3 IFG NRW gehe über den Regelungsgehalt der §§ 6 ff. IFG NRW hinaus. Würden nicht auch die unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten von § 2 Abs. 3 IFG NRW umfasst, wäre er überflüssig, weil der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG außerhalb der unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erst recht den Ausnahmetatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zuzuordnen wäre. Die §§ 6 ff. IFG genügten allerdings nicht einmal zur Vermeidung eines Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Rahmenvertrag beziehe sich auf Forschung und Lehre bzw. auf unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Dies sei im Schreiben vom 30. März 2009 und im Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 umfangreich ausgeführt worden. Darauf werde Bezug genommen. Namentlich sei Forschungsplanung die Planung wissenschaftlicher Vorhaben. Diese sei wesentlicher Gegenstand der Rahmenvereinbarung. An der Unmittelbarkeit dieser Regelungen fehle es nicht. Die Rahmenvereinbarung sei verbindlich. Sie steuere unmittelbar die Auswahl und Vorbereitung von Forschungsvorhaben. Dies sei bei typisierender und wertender Betrachtung unmittelbar wissenschaftsrelevant. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG beeinflussten die Auslegung von § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Überdies sei systematisch zwischen der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW und den Ausschlusstatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zu unterscheiden. Das Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefährdung könne in § 2 Abs. 3 IFG NRW ebenso wenig hineingelesen werden wie eine Interessenabwägung. Die abweichende Rechtslage in anderen Bundesländern bzw. im Bund sei dafür irrelevant. Dass eine Offenbarung des Rahmenvertrags gleichbedeutend mit einer Offenlage von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW wäre und ihr dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, habe die Beigeladene hinreichend konkret dargelegt. Der Rahmenvertrag verhalte sich umfangreich zu Vergütungen, finanziellen Beteiligungen und zur Nutzung von Forschungsergebnissen. Durch das Bekanntwerden dieser Informationen würde der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Regelungen ihren Konkurrenten nicht bekannt würden, um die Exklusivität der Rahmenvereinbarung zu sichern. Diese werde deswegen durch eine besondere Geheimhaltungsvereinbarung ergänzt.
15Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hat vorgetragen, der Kläger sei schon nicht i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW antragsbefugt. Er werde von dem Verein, dessen Geschäftsführer er sei, lediglich mit seinem Informationsbegehren vorgeschoben. Das Informationsbegehren sei auch unbegründet. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sei nach § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht eröffnet. Dieser wolle bereits Gefährdungen der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung vorbeugen. Diese ließen sich über die Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW nicht ebenso effektiv und nachhaltig vermeiden. Nur so könne der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rechnung getragen werden. Eine Differenzierung zwischen Forschung und Lehre sowie unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten habe keine Stütze im Gesetz. Dies bestätige der Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Es sei auf die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit durch die Hochschule nicht zugeschnitten, welche keine klassischen staatlichen Aufgaben wahrnehme. Die Rahmenvereinbarung betreffe Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Der Forschungsbegriff sei weit zu verstehen. Den durch ihn vermittelten Schutz genieße die gesamte praktische Durchführung eines Forschungsprojekts, die Organisation und Planung der Forschung sowie die Auftrags- und Industrieforschung. Der Schutz erstrecke sich auch auf die administrativ notwendige Akzessorietät zu Forschung und Lehre und somit auch auf den Rahmenvertrag. Dieser gebe den Rahmen für die Forschungskooperation der Vertragsparteien verbindlich vor. Er berühre die Forschung unmittelbar, indem er allgemeingültige forschungsrelevante Rahmenbedingungen aufstelle. Die Kooperationspartner zögen nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen für eine Vielzahl von Projekten bedeutsame Fragen gleichsam vor die Klammer. Ohne eine solche Rahmenvereinbarung sei eine Forschungskooperation der Beklagten mit Dritten rechtlich gar nicht möglich. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei eine Bereichsausnahme. Diese sei nicht verfassungskonform erweiternd auszulegen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG hätten auf seine Anwendung keinen Einfluss. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag sei schon keine allgemein zugängliche Quelle. Andere informationsfreiheitsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer bzw. des Bundes seien für diese Frage unergiebig. § 2 Abs. 3 IFG NRW biete auch keinen Raum für eine umfassende Güterabwägung. Hilfsweise werde die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW geltend gemacht. Bei einer Offenbarung der Rahmenvereinbarung würden die Konkurrenten der Beigeladenen in die Lage versetzt, die einzelnen Kautelen der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen genau zu studieren. Sie würden dadurch Kenntnis von wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen erhalten. Dies hätte unmittelbare negative Konsequenzen für deren Situation am Markt und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten entsprechend stärken. Dies gelte umso mehr, als die Rahmenvereinbarung die Bedingungen für eine Vielzahl künftiger Forschungsprojekte festlegen solle. Außerdem gebe es keinen Marktstandard für derartige Kooperationsverträge. Diese seien immer Gegenstand intensiver Verhandlungen. Würde der streitige Rahmenvertrag öffentlich, wüsste die gesamte Branche, zu welchen Bedingungen die Beklagte und die Beigeladene Forschungskooperationen eingingen. Beide Vertragsparteien hätten darunter auf Jahre hinaus zu leiden. Diese Informationen könnten von Wettbewerbern dazu genutzt werden, um zu Lasten der Beigeladenen bei künftigen Kooperationen mit Hochschulen bessere Angebote vorzulegen und die Beigeladene somit im Wettbewerb um besonders qualifizierte Kooperationspartner auszustechen. Umgekehrt würden potentielle Partner der Beigeladenen in die Lage versetzt, mindestens ein Angebot zu verlangen, das den mit der Beklagten vereinbarten Rahmenbedingungen entspreche. Auch dies würde die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen nachteilig beeinflussen. Besonders die Regelungen über die Kompensation ließen Rückschlüsse darauf zu, welchen finanziellen Wert die Beigeladene der Kooperation mit der Beklagten beimesse. Angaben darüber könnten signifikant nachteilige Auswirkungen auf die Beigeladene haben. Denn Informationen über Forschungsausgaben seien höchst sensibel. Sie erlaubten konkrete Schlussfolgerungen auf die konkreten Aktivitäten der Betroffenen. Es sei davon auszugehen, dass Wettbewerber diese Erkenntnisse im eigenen Interesse verwerten würden. Dasselbe gelte für die Klauseln des Rahmenvertrags über die Verwertung und Veröffentlichung, die Ziele der Zusammenarbeit und die Haftung. Nach alledem würde der Beigeladenen durch den Informationszugang ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil sich ihre Situation am Markt erheblich verschlechtern würde. Die bloße Schwärzung der Zahlenangaben im Rahmenvertrag könne diesen Schadenseintritt nicht verhindern. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten könnten Erkenntnisse über die wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen gewonnen werden.
18Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW darauf, dass ihm die Beklagte den Inhalt der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen zur Verfügung stelle. Die Beklagte sei bei Abschluss der Rahmenvereinbarung zumindest weitgehend im Bereich der Forschung tätig geworden. Daher gelte das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Diese Vorschrift, die nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen sei, beziehe sich auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasse auch vorbereitende und begleitende Tätigkeiten, die einen wesentlichen Teil des Forschungsprozesses darstellten. Dazu zählten die Forschungsplanung und das Einwerben von Drittmitteln, die dem einzelnen Wissenschaftler die Durchführung konkreter Forschungsvorhaben ermöglichten. Dieser Bereich sei vorliegend betroffen. Soweit der Rahmenvertrag Regelungen enthalte, die ausschließlich die wirtschaftliche Verwertung etwaiger Forschungsergebnisse beträfen, könne der Antrag auf Informationszugang nach § 8 IFG NRW abgelehnt werden.
19Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
20Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Berufung gegen das ihm am 13. Dezember 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt. Um den Inhalt der Rahmenvereinbarung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO aufzuklären, hätte das Verwaltungsgericht ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchführen müssen. Nur so könne der Vertragsgegenstand rechtlich bewertet werden. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte sich im Hinblick auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags widersprüchlich verhalten habe. So habe eine Pressesprecherin der Beklagten in einem Zeitungsinterview am 21. November 2012 erklärt, der Rahmenvertrag enthalte keine geheimhaltungspflichtigen („kritischen“) Informationen. Das Verwaltungsgericht habe in der Konsequenz auch die materielle Rechtslage unzutreffend beurteilt. Es hätte sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 IFG NRW auseinandersetzen müssen. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW diene wie die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer und des Bundes dazu, dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG umfassend Rechnung zu tragen. Daran müsse sich die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW messen lassen. Die Freiheit von Forschung und Lehre werde in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet. Sie könne aber aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht eingeschränkt werden. Dazu müsse allgemein eine Abwägung aller Einzelfallumstände erfolgen, wobei insbesondere Grad und Schwere der jeweils festzustellenden Grundrechtsbeeinträchtigung den Ausschlag gäben. Dabei sei auch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, zumal sich die Drittmittelfinanzierung immer weiter ausweite. Es sei nicht nachvollziehbar, warum durch die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW eine vergleichbare Geheimhaltungspflicht sowie eine darauf beruhende Begrenzung des Anspruchs auf voraussetzungslosen Informationszugang Gültigkeit haben solle wie bei anderen verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Belangen z. B. der Landesverteidigung, des Verfassungsschutzes und der öffentlichen Ordnung nach § 6 IFG NRW. Der Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen verstoße seinerseits gegen Art. 5 Abs. 3 GG, weil die insoweit eingebundenen Wissenschaftler mit hoher Wahrscheinlichkeit Regeln unterworfen würden, die ihnen die für ihre Tätigkeit elementare Freiheit der Bewertung der erzielten Forschungsergebnisse ebenso entzögen wie die Freiheit der Methodenwahl und der Publikation. Einer derartigen Gefahr lasse sich nur durch ein Mehr an Transparenz begegnen. Im Interesse eines Mindestmaßes an Sicherheit und zur Vereinheitlichung der Gesetzeslage erscheine es als unverzichtbar, für die Informationsverweigerung generell die Darlegung einer konkreten Gefährdung für das betreffende Schutzgut zu verlangen. Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen. Allgemeine Verweise auf eine angebliche Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung reichten nicht aus. § 2 Abs. 3 IFG NRW verstoße weiterhin gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei ohne jede nachvollziehbare Begründung und damit willkürlich von einer Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch den freien Informationszugang ausgegangen worden. Ein Geheimnisschutz im Wege der Ausschlusstatbestände der §§ 6 ff. IFG NRW habe ohne Weiteres ausgereicht. Auch ansonsten sei § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht verhältnismäßig. Dies gebiete eine Vorlage der Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Schließlich greife der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW nach wie vor nicht ein.
22Der Kläger beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der gerügte Verfahrensfehler liege nicht vor. Der Pressebericht vom 21. November 2012, auf den der Kläger verweise, enthalte keine zutreffende Wiedergabe der Erklärung der Pressesprecherin der Beklagten. Dass die Offenlegung des Rahmenvertrags dem Kläger Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zugänglich machen würde, habe das Verwaltungsgericht auf der Grundlage u. a. der Beschreibungen der Beklagten erkennen können. Im Einzelnen lasse sich der Inhalt der Rahmenvereinbarung wie folgt umschreiben: Die Präambel beschreibe in allgemeiner Form die auf die Herstellung einer präferierten Partnerschaft gerichteten Zielsetzung. Abschnitt 1 benenne als Gegenstand der Vereinbarung die Kooperation bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben insbesondere auf beispielhaft bezeichneten medizinischen Gebieten sowie die Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung junger Wissenschaftler. Außerdem werde das „Steering Committee“ geregelt, dessen Mitglieder in einem Anhang namentlich bezeichnet seien und dass für bestimmte Entscheidungen zuständig sei. Abschnitt 2 regle Einzelheiten der Durchführung der Zusammenarbeit. Dazu gehörten die Gründung des Graduiertenkollegs und die Bestimmung, dass die Beklagte den „Liaison Officer“ benenne und welche Aufgaben diesem oblägen. Abschnitt 3 verhalte sich zur Information der Beigeladenen über den Fortgang der Zusammenarbeit, insbesondere die laufenden Einzelprojekte. Abschnitt 4 normiere die finanzielle Kompensation der Zusammenarbeit durch die Beigeladene. Abschnitt 5 treffe Regelungen zu der Verwendung der Forschungsergebnisse und zu den Nutzungsrechten. Abschnitt 6 beziehe sich unter Verweis auf eine als Anlage beigefügte Geheimhaltungsvereinbarung auf die Geheimhaltungspflichten. Abschnitt 7 regle in einem Satz die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bei einer Zusammenarbeit mit Dritten über vereinbarte Einzelprojekte, wenn dadurch Interessenkollisionen entstehen könnten. Abschnitt 8 betreffe die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Abschnitt 9 regle Haftung und Garantie, Abschnitt 10 Laufzeit und Kündigung der Vereinbarung, Abschnitt 11 enthalte sonstige Bestimmungen wie z.B. die Anwendung deutschen Rechts und die Schriftformklausel. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei verfassungsgemäß. Aus dem Demokratieprinzip ergebe sich keine Verpflichtung des Staates zur Offenlegung von Verwaltungsvorgängen. Bei der Gestaltung gesetzlicher Regelungen habe der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Ein Verfassungsverstoß folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 2 Abs. 3 IFG NRW bewirke keinen Grundrechtseingriff, sondern schütze im Gegenteil das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Erwägungen des Klägers zur Transparenz als verbindlichem Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft seien rechtspolitischer Natur. Zu § 8 IFG NRW trage die Berufung nichts vor, was der Entscheidung des Verwaltungsgerichts widerspreche. Ergänzend werde auf § 71a HG NRW hingewiesen. Dieser enthalte eine abschließende Normierung der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Forschungen der Hochschule mit Drittmitteln. Seine spezifisch auf die Hochschule bezogenen Regelungen trügen dem Ausschluss der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 IFG NRW Rechnung.
27Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, die Verfahrensrüge greife nicht durch. Wie die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zutreffend ausgeführt habe, habe das Verwaltungsgericht nicht gegen §§ 86 Abs. 1, 99 Abs. 2 VwGO verstoßen. Das vom Kläger behauptete Prinzip des freien Informationszugangs gebe es nicht. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG begründe keine Pflicht des Gesetzgebers, einen allgemeinen Zugang zu Behördenakten zu ermöglichen. Der Kläger könne sich nicht auf § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen. Diese Vorschriften schützten die Beklagte. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe im Übrigen gerade durch § 2 Abs. 3 IFG NRW den Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung Genüge getan. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht Gleiches ungleich behandelt. Im föderalen Bundesstaat seien abweichende Rechtslagen unbedenklich, soweit der jeweilige Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz tätig werde. Es bleibe auch dabei, dass der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW vorliege.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
34Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
35Zwar ist der Kläger grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt (dazu I.). Allerdings ist das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht anwendbar. Die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen fällt in den Bereich von Forschung und Lehre i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht (dazu II.). Einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung enthalten zudem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Dies rechtfertigt die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers insoweit auch gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu III.). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu IV.). Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten (dazu V.).
36I. Der Kläger ist grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Der Kläger ist eine natürliche Person im Sinne dieser Bestimmung. Er wird trotz seiner Eigenschaft als Geschäftsführer eines Vereins, welcher der Beigeladenen kritisch gegenübersteht, als solche tätig. Der Kläger handelt bei der Verfolgung seines Informationsbegehrens im eigenen Namen und nicht nur als Vertreter bzw. Organwalter des Vereins.
39Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, juris Rn. 1 (hinsichtlich eines Insolvenzverwalters); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 384 f.
40Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von dem Verein lediglich vorgeschoben wird und an den begehrten Informationen keinerlei persönliches Interesse hat. Von einem Rechtsmissbrauch kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.
41Vgl. zu diesem Problemkreis VG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2014 - 26 K 3308/14 -, juris Rn. 12 ff.; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 403 ff.
42II. Allerdings ist der Anspruch des Klägers nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht begründet, weil die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW den Bereich von Forschung und Lehre betrifft. Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten aus der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum (dazu 1.). § 2 Abs. 3 IFG NRW ist sowohl abstrakt als auch in dieser Interpretation verfassungsgemäß (dazu 2.). Einer Vorlage der Bestimmung an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung ihrer Grundgesetzkonformität bedarf es somit nicht (dazu 3.).
431. a) Gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW gilt das Informationsfreiheitsgesetz NRW für Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen nur, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.
44Diese Bereichsausnahme greift im Hinblick auf die Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs ein.
45Mit den Begriffen Forschung und Lehre bezieht sich § 2 Abs. 3 IFG NRW auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Durch den Zugang zu amtlichen Informationen soll es insbesondere nicht dazu kommen, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
46Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 286.
47Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe. Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Diesem Freiheitsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient. Den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung stellen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe dar. Zur Sicherung dieses Bereichs gewährleistet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs.
48Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 143, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89 = NJW 2009, 2190 = juris Rn. 40, und vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 136, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 98.
49Forschung i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist als Unterfall von Wissenschaft jede geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Grundrechtlich geschützte Forschung ist auch die Zweck-, Auftrags- oder Ressortforschung, wenn die Tätigkeit nach den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und mit wissenschaftlichen Methoden ausgeführt wird. Für den Grundrechtsschutz ist gleichgültig, wer die Vertragspartner einer Auftragsforschung sind, also wer den Auftrag erteilt (Staat, Private) und wo geforscht wird (Universität, außeruniversitäre staatliche Einrichtung, private Einrichtung).
50Vgl. BAG, Urteil vom 19. März 2008 - 7 AZR 1100/06 -, BAGE 126, 211 = NZA 2009, 84 = juris Rn. 34 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 137; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 355 und 361; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 19 ff.
51Die Forschungsfreiheit umfasst die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung. Daraus ergibt sich zum einen, dass auch im Bereich der Teilhabe am öffentlichen Wissenschaftsbetrieb jedenfalls der oben umschriebene Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung grundsätzlich der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleiben muss. Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwächst aus der Wertentscheidung aber zum anderen auch ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen. Wäre dies nicht der Fall, so würde die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung weitgehend beraubt. Diese Befugnis des einzelnen Grundrechtsträgers, gegenüber der öffentlichen Gewalt die Beachtung der wertentscheidenden Grundsatznorm durchsetzen zu können, gehört zum Inhalt des Individualgrundrechts, dessen Wirkungskraft dadurch verstärkt wird. Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert adäquate organisationsrechtliche Vorkehrungen.
52Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 97 f. und 110.
53Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist deshalb auch im Bereich derjenigen Angelegenheiten, die als „wissenschaftsrelevant“ angesehen werden müssen, d. h. die Forschung und Lehre unmittelbar berühren, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG begrenzt. Gleichermaßen geschützt sind mit anderen Worten alle Aktivtäten der Forschung mit allen vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten. Dazu zählen insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, d. h. die Forschungsplanung, das Aufstellen von Lehrprogrammen und die Planung des Lehrangebotes, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, also das Abstimmen der Forschungsvorhaben und der Lehrangebote aufeinander, die Harmonisierung der Lehraufgaben mit den Forschungsvorhaben, ferner die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen, insbesondere ihre haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen. Schließlich sind hierher auch die Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter zu rechnen.
54Vgl. BVerfG, Urteile vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 240, und vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 115; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 138; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 370 f.; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 25.
55Dies zugrunde gelegt, ist die streitige Rahmenvereinbarung insgesamt dem Bereich von Forschung und Lehre im Verständnis des § 2 Abs. 3 IFG NRW zuzurechnen. Sie ist in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG einbezogen, der mit der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW deckungsgleich ist.
56Der Rahmenvertrag regelt Forschungs- und Lehrangelegenheiten jedenfalls in Gestalt von unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Dies geht aus der hinreichend konkreten Schilderung des Vertragsinhalts durch die Beklagte namentlich in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und präzisiert durch ihren Schriftsatz vom 17. August 2015 hervor. Darin hat die Beklagte zum Regelungsgehalt Folgendes ausgeführt: Das Kooperationsabkommen betreffe zum einen im Wesentlichen die Organisation und die Auswahl von pharmazeutischen Forschungsvorhaben, die Strukturbedingungen von deren Finanzierung sowie die Verwertung von deren Ergebnissen. Im Einzelnen solle sich die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Zum anderen schließe der Kontrakt ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten. Auch diese wissenschaftsbezogene Organisationsentscheidung stellt Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dar.
57Dass die Auswahl der einzelnen Forschungsprojekte auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung erst später erfolgt, ist für die Qualifizierung als unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheit und damit die Anwendung des § 2 Abs. 3 IFG NRW unerheblich. Ungeachtet dieses Umstands stellt der Vertrag verbindlich strukturell die Weichen für das Ob und das Wie der Durchführung von Forschungsprojekten und damit für die Gewinnung von Forschungsergebnissen einschließlich deren nachfolgender Verwertung innerhalb der vereinbarten Forschungspartnerschaft. Von derartigen organisatorischen Grundentscheidungen ist der Erfolg jeder Forschungsarbeit im universitären Bereich oder an außeruniversitären Forschungsinstituten abhängig oder wird von ihr doch erheblich beeinflusst. Ihr Bezug zu Forschung und Lehre ist unmittelbar.
58Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung für sich gesehen keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten betreffen (etwa Laufzeit, Kündigungsfrist), unterfallen sie trotzdem der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW, weil die Beklagte mit dem Vertragswerk insgesamt im Bereich Forschung und Lehre tätig wird. Eine isolierte Einordnung dieser Nebenregelungen wird dem Gesamtzweck der Vereinbarung nicht gerecht.
59b) Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten jenseits des Kernbereichs des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum.
60Anders Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 298 ff.
61Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 IFG NRW unterscheidet nicht zwischen dem Kernbereich und Randbereichen von Forschung und Lehre. Auch die Gesetzesbegründung differenziert mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach verschiedenen Graden der Schutzwürdigkeit von grundrechtlich geschützten wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrvorhaben. Der Gesetzgeber hat die Norm - wie schon angesprochen - unumschränkt damit begründet, dass der Informationszugang nicht dazu führen soll, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
62Vgl. nochmals die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
63Darin kommt die bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer dem Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgelagerten Bereichsausnahme und zulasten eines in das System des Informationsfreiheitsgesetzes NRW integrierten Ausschlussgrundes gemäß §§ 6 ff. IFG NRW zum Ausdruck. Diese Konstruktion des § 2 Abs. 3 IFG NRW gepaart mit seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Gesetz versperrt Interpretationsansätze, die ihn einem der Ablehnungsgründe der §§ 6 ff. IFG NRW angleichen oder nach dem Vorbild des § 8 Satz 3 IFG NRW contra legem um eine Abwägungsklausel anreichern wollen. Die generelle Beobachtung, dass informationsfreiheitsrechtliche Ausnahmetatbestände regelmäßig eng zu verstehen sind,
64vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 - juris Rn. 85, und vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52,
65ändert an diesem speziellen Befund nichts.
66Die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer informationsfreiheitsrechtlichen Bereichsausnahme wird zusätzlich durch den durch Art. 1 des Hochschulzukunftsgesetzes NRW vom 16. September 2014 (GV. NRW. S. 547) in das Hochschulgesetz NRW neu eingefügten § 71a HG NRW unterstrichen, der Regelungen zur Transparenz bei der Forschung mit Drittmitteln statuiert. Gemäß § 71a Abs. 1 HG NRW informiert das Rektorat die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben, die aus Mitteln Dritter finanziert werden. Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten gelten die §§ 9 und 10 IFG NRW entsprechend (§ 71a Abs. 2 HG NRW); eine Information findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht (§ 71a Abs. 3 Satz 1 HG NRW). Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat sich damit auch in der neuesten gesetzgeberischen Entwicklung dagegen entschieden, universitäre Forschungs-, Entwicklungs- und Lehrvorhaben mit subjektiv-rechtlich ausgestalteten Informationszugangsansprüchen Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zu konfrontieren. Vielmehr hat der Gesetzgeber es bei einer bloßen (objektiv-rechtlichen) Informationsverpflichtung der Hochschule belassen, die im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Schutzmechanismen ähnlich den im Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgesehenen unterliegt.
67Vgl. insoweit die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung LT-Drs 16/5410, S. 375.
682. Eine restriktive Lesart des § 2 Abs. 3 IFG NRW, wie sie der Kläger befürwortet, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
69a) Dies gilt zunächst mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
70Soweit neben den Kernbereich der Forschungs- und Lehrfreiheit ein Sektor unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten gestellt wird, genießt auch dieser den umfassenden Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; er ist nicht vom Schutzbereich des Grundrechts ausgenommen. Dies hat zur Konsequenz, dass auch diesbezüglich das allgemeine Eingriffs- und verfassungsrechtliche Rechtfertigungsregime gilt. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt gegen jegliche Eingriffe in die Autonomie von Wissenschaft und Hochschulen. Der Staat muss die Wissenschaftsfreiheit ggf. auch vor Störungen durch Dritte schützen.
71Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 134 ff., und vom 7. Oktober 1980 - 1 BvR 1289/78 -, BVerfGE 55, 37 = NJW 1981, 741 = juris Rn. 117; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 142 und 145; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 35 ff.
72Bei der Umsetzung dieses grundrechtlichen Auftrags hat er einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1995 - 1 BvR 1379/94, 1 BvR 1413/94 -, BVerfGE 93, 85 = DVBl. 1995, 1076 = juris Rn. 38, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 90; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 146; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 47; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 42 ff.
74Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass einer Tangierung der Wissenschaftsfreiheit in einzelnen Fällen der Drittmittelforschung nur durch Eröffnung eines subjektiven Informationsanspruchs für jedermann begegnet werden kann. Vielmehr ist es angesichts der grundgesetzlichen Wertentscheidung, die der Autonomie von Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und ggf. auch privaten Dritten einen hohen Stellenwert beimisst, nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 3 IFG NRW Forschung und Lehre gegenüber allgemeinen Informationszugangsansprüchen immunisiert, indem er die Bereichsausnahme mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG parallelisiert hat.
75Ähnlich argumentieren das VG Mainz, Beschluss vom 7. September 2009 - 3 L 762/09.MZ -, juris Rn. 4 (zu § 2 IFG Rh.-Pf.); sowie das VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 21 (zu § 6 Satz 1 IFG).
76b) § 2 Abs. 3 IFG NRW verstößt weder abstrakt noch in dieser konkretisierenden Auslegung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem zufolge jeder das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
77§ 2 Abs. 3 IFG NRW greift schon nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ein.
78Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ergibt sich kein verfassungsunmittelbares Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein. Hoheitliche Beeinträchtigungen dieses Zugangs sind Grundrechtseingriffe. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Geeignet als Informationsquellen sind alle Träger von Informationen, darunter auch Ereignisse und Vorgänge. Geschützt ist daher nicht nur die Unterrichtung aus der Informationsquelle, sondern auch die Informationsaufnahme an einer Quelle. Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Das Grundrecht umfasst allerdings ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund (einfach-)rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
79Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 -, BVerfGE 103, 44 = DVBl 2001, 456 = juris Rn. 55 f.; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2012 - 5 B 1463/11 -, DVBl. 2012, 1113 = juris Rn. 26; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 24 f. und 28; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 244; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl 2010, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 50; Bethge, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 59a ff.
80Ausgehend davon ist ein Eingriff durch § 2 Abs. 3 IFG NRW in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG zu verneinen. § 2 Abs. 3 IFG NRW nimmt amtliche Informationen im Bereich von Forschung und Lehre gerade von der allgemeinen Zugänglichkeit aus. Einen Anspruch, den Informationszugang auch auf diesen Typ von Informationen auszudehnen, verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht.
81Vgl. dazu auch VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 27 (im Hinblick auf § 6 Satz 1 IFG); genauso für die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2014 - OVG 12 B 14.12 -, NVwZ-RR 2015, 123 = juris Rn. 25.
82c) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht nicht im Widerspruch zu dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG.
83Auch die Öffentlichkeit der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesse ist Bestandteil des demokratischen Prinzips. Als Kontrollinstrument staatlicher Machtausübung ist sie zugleich ein rechtsstaatliches Anliegen. Das Öffentlichkeitsgebot gilt abgeschwächt auch für die Exekutive. Insbesondere ist die Regierung verpflichtet, der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darzulegen und zu erläutern. Daher ist die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Konkrete Publizitätspflichten vermag das Demokratieprinzip aber weder für die Regierung noch für die Verwaltung zu begründen.
84Vgl. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06, 2 BvE 2/06, 2 BvE 3/06, 2 BvE 4/06 -, BVerfGE 118, 277 = NVwZ 2007, 916 = juris Rn. 270, Beschluss vom 23. Februar 1983 - 2 BvR 1765/82 -, BVerfGE 63, 230 = NJW 1983, 1105 = juris Rn. 53; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rn. 11 ff., jeweils m.w.N.
85Aus diesem Grund gebietet das Demokratieprinzip dem Gesetzgeber nicht, den Informationszugang auch hinsichtlich des Bereichs von Forschung und Lehre einzuführen. Ein solcher ist auch nicht zwingend vonnöten, um die im demokratischen Gemeinwesen notwendige politische Publizität herzustellen. Eine substantielle öffentliche Diskussion über und eine effektive öffentliche Kontrolle von Forschungsvorhaben - einschließlich unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten -, die gleichzeitig das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG respektiert, kann auch ohne einen korrespondierenden Informationszugangsanspruch durch das Informationsfreiheitsgesetz NRW stattfinden. Diskussionen über die Richtung und die Möglichkeitsbedingungen von Forschung und Lehre können im öffentlichen, d. h. auch parlamentarischen Raum geführt werden. Auch auf diese Weise erscheint das Verhältnis zwischen einer politisch-rechtlichen Einflussnahme auf Forschung und Lehre einerseits und deren verfassungsrechtlich garantierter Autonomie andererseits als vertretbar austariert.
86d) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang.
87Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber danach nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf.
88Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 -, BVerfGE 133, 377 = DVBl. 2013, 909 = juris Rn. 86, und vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 -, NVwZ 2012, 1535 = juris Rn. 41 ff., jeweils m.w.N.
89Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Im Übrigen hängt das Maß der Bindung u. a. davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.
90Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1 = NJW 2013, 1418 = juris Rn. 45, m.w.N.
91Zieht man diese Grundsätze heran, scheidet die Annahme aus, dass § 2 Abs. 3 IFG NRW dem Gleichheitssatz zuwiderläuft.
92Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Personen und Sachverhalte. § 2 Abs. 3 IFG NRW behandelt alle von ihm betroffenen Normadressaten gleich. Wie die informationsfreiheitsrechtliche Rechtslage im Bund oder in anderen Bundesländern ist, ist für diese Bewertung unerheblich. Dies sind andere Normgeber mit anderen Normadressaten. Wird der Landesgesetzgeber - wie hier - innerhalb seiner Gesetzgebungskompetenz tätig, können sich die davon Betroffenen zur Begründung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf abweichende Regelungen im Bund und in anderen Ländern berufen.
93Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 = NVwZ 2003, 720 = juris Rn. 48, m.w.N.
94Dass der Gesetzgeber sich mit § 2 Abs. 3 IFG NRW für das Modell der Bereichsausnahme - und anders als etwa bei der vom Kläger angeführten Landesverteidigung gegen eine Ausgestaltung als nachgelagerter Ablehnungsgrund, der in §§ 6 ff. IFG NRW eingegliedert wäre - entschieden hat, liegt innerhalb seines oben erwähnten weiten Gestaltungsspielraums und ist ebenfalls mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenkenfrei.
953. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung der Grundgesetzkonformität von § 2 Abs. 3 IFG NRW bedarf es somit nicht.
96Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG).
97Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Vorlagebeschluss im Einzelnen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 - 1 BvL 7/11 -, juris Rn. 9, und vom 2. Mai 2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1 = NJW 2012, 2176 = juris Rn. 66 ff., jeweils m.w.N.
98Danach kommt eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW aus den genannten Gründen verfassungsgemäß ist.
99III. Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthalten, ist insofern zudem die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW gerechtfertigt.
100Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
101Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
102Vgl. OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 115, und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zu § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
103Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle oder der betroffene Dritte, auf den sich die begehrte amtliche Information bezieht, konkret und substantiiert deutlich machen, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
104Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 119; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
105Diese Voraussetzungen sind im konkreten Fall gegeben. Namentlich haben die Beigeladene in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 30. Juni 2009 sowie im Zuge des gerichtlichen Verfahrens die Beklagte mit ihrem den Vertragsinhalt konkretisierenden Schriftsatz vom 17. August 2015 hinreichend konkret dargelegt, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart würde, wenn der Kläger den streitbefangenen Informationszugang erhielte. Die Beigeladene und die Beigeladenen haben damit auch hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass der Beigeladenen durch die Gewährung des Informationszugangs ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
106Nach dem plausiblen Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen enthält der Rahmenvertrag Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, weil er die Forschungskooperation der Beigeladenen mit der Beklagten, ihre Ziele und die exakte Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele - insbesondere in den Abschnitten 1 und 2 der Vereinbarung - detailliert beschreibt. Daraus lassen sich für Wettbewerber Rückschlüsse auf Marktstrategien und aktuelle sowie zukünftige Forschungsprojekte der Beigeladenen im pharmazeutischen Bereich ziehen. Es ließe sich ferner anhand der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen - etwa in den Abschnitten 4 und 5 des Vertragswerks zur finanziellen Kompensation, zur Verwendung der Forschungsergebnisse und der Nutzungsrechte - erkennen, unter welchen Bedingungen die Beigeladene augenscheinlich bereit ist, die Geschäftsbeziehung einer Forschungskooperation mit einer Universität einzugehen.
107Es ist im Weiteren nachvollziehbar, dass der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstünde, wenn der Rahmenvertrag im Detail publik würde. Dadurch würde sich ihre Marktsituation in der Pharma-Branche absehbar nachhaltig verschlechtern. Konkurrenten der Beigeladenen würden durch eine Kenntnis der Vertragsklauseln in die Lage versetzt, die erkennbaren Marktstrategien der Beigeladenen zu durchkreuzen oder ihr beim Abschluss von Forschungskooperationen zuvorzukommen, indem sie bessere Vertragsbedingungen anböten als die Beigeladene. Würde der Beigeladenen der Wettbewerb um besonders qualifizierte (universitäre) Kooperationspartner erschwert, würde ihre Forschungsarbeit, ihre Innovationsfähigkeit und damit ihre Marktbeständigkeit Schaden nehmen.
108Es ist auch überzeugend, dass eine bloße Schwärzung einzelner Zahlenangaben im Rahmenvertrag diesen Schadenseintritt nicht verhindern könnte. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten können Schlussfolgerungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen und strategischen (Forschungs‑)Überlegungen der Beigeladenen gezogen werden.
109Der Ablehnungsgrund des § 8 Satz 1 IFG NRW ist nicht gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW ausgeschlossen.
110Nach dieser Vorschrift gilt § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre.
111Das Interesse der Allgemeinheit ist entsprechend dem Zweck des Gesetzes ‑ interessierten Personen Zugang zu einer bestimmten amtlichen Information zu verschaffen - anhand des Kreises der von einem Verwaltungshandeln im weitesten Sinne Betroffenen zu bestimmen.
112Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Juli 2004 - 26 K 4163/03 -, juris Rn. 26; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 910.
113Ist ein Interesse der Allgemeinheit festzustellen und der zu erwartende wirtschaftliche Schaden geringfügig, fällt die Abwägung regelmäßig zugunsten der Informationsfreiheit aus. Ob ein Schaden geringfügig ist, ist jedoch im Lichte des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu beurteilen, unter dessen Schutz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen. Dieser verfassungsrechtliche Schutz indiziert wiederum, dass die Geringfügigkeit eines wirtschaftlichen Schadens grundsätzlich nur ausnahmsweise anzunehmen ist und ein Informationszugang demgegenüber nur in Frage kommt, wenn er zum Schutz eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit erforderlich ist.
114Vgl. OVG S.-H., Beschluss vom 22. Juni 2005 - 4 LB 30/04 -, juris Rn. 62 (zu § 11 IFG S.-H.); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 912 ff.
115Vorliegend ist dies nicht der Fall.
116Die Beklagte und die Beigeladene haben - wie ausgeführt - verdeutlicht, dass sich die Marktposition der Beigeladenen im Pharma-Bereich im Falle einer Offenlegung des Rahmenvertrags - in seiner unteilbaren Gesamtheit - erheblich verschlechtern kann. Dies ist keine geringfügige Schadensposition, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Beigeladenen nicht zuletzt von einer innovativen und qualifizierten Forschungsarbeit abhängt. Dagegen fallen keine eindeutig überwiegenden Allgemeininteressen ins Gewicht. Der Rahmenvertrag betrifft nur die Forschungszusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Eigene Interessen Dritter werden durch ihn nicht unmittelbar berührt. Außerdem informieren die Angaben, welche die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und in ihrem Schriftsatz vom 17. August 2015 zu dem Vertragsinhalt gemacht haben, so eingehend über diesen, dass schon auf dieser Grundlage eine substantielle Debatte über Forschungspartnerschaften von Universitäten und Pharmaunternehmen oder darüber, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtreten darf, stattfinden kann.
117IV. Um zu dieser Überzeugung zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten (dazu 1.) noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu 2.).
1181. Wie die Pressesprecherin der Beklagten den Vertragsinhalt in einem Pressegespräch eingestuft hat, ist für dessen informationsfreiheitsrechtliche Qualifizierung ohne Belang. Abgesehen davon hat die Pressesprecherin in dem von dem Kläger vorgelegten Zeitungsartikel vom 21. November 2012 lediglich kundgetan, sie sehe keine kritischen Vertragsinhalte, die „einer Veröffentlichung nach entsprechendem Richterspruch“ entgegenstünden. Damit ist letztlich nur erklärt, die Beklagte werde sich nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens im Falle ihres Unterliegens rechtskonform verhalten.
1192. Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und ‑würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
120Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
121Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation fordert es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auf, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
122Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
123Gemessen daran ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - ausführlichen - Vortrags der Beklagten und der Beigeladenen zu der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG und zu dem Ausschlussgrund des § 8 IFG NRW lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Bestimmungen eingreifen und einem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegenstehen. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Rahmenvereinbarung vom 26. März 2008 - zuletzt mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. August 2015 - genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt zu dem beschriebenen Ergebnis.
124V. Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen unter II. 1. b), wonach diese Bestimmung lediglich einen objektiven Informationsauftrag an die Hochschule enthält, nicht aber ein subjektives, anspruchsförmiges Informationsrecht.
125Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
126Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
127Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der beklagten Universität eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Am 18. November 2008 beantragte der Kläger, der Geschäftsführer des Vereins Coordination gegen C.-Gefahren e. V. ist, bei der Beklagten, den Kooperationsvertrag ihrer Universitätsklinik mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 offenzulegen. Die Beklagte sollte dazu im Einzelnen formulierte Fragen - wie z. B. „Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?“ oder „Wie sind die Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - beantworten. Es solle öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie die Beigeladene abtreten dürfe.
4Mit Schreiben vom 30. März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Informationsanspruch bestehe mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Die Kooperationsvereinbarung mit der Beigeladenen falle in den Bereich von Forschung und Lehre, der vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen sei. Da die Kooperationsvereinbarung mediale Beachtung gefunden habe, sei die Beklagte jedoch bereit, nach Rücksprache mit der federführenden Medizinischen Fakultät eine detaillierte Auskunft zu erteilen. Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Klinikum der Beklagten und der Beigeladenen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine „präferierte Partnerschaft“ im Bereich der Forschung und Entwicklung innovativer Therapien diene der bundesweiten, vom Wissenschaftsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formulierten Zielsetzung, durch „Entwicklungspartnerschaften“ oder „strategische Allianzen“ die deutsche Hochschulmedizin und die international ins Hintertreffen geratene klinische Forschung wieder nachhaltig zu stärken. Zugleich werde die Unabhängigkeit der öffentlichen universitären und der privaten wirtschaftlichen Forschungsinteressen voneinander sichergestellt. „Bevorzugte Partnerschaft“ bedeute in dieser Rahmenvereinbarung, dass man auf Seiten des Unternehmens bei der anstehenden klinischen Testung neuer Substanzen und umgekehrt auf der Seite des Universitätsklinikums bei der Verfolgung neuer aus der Grundlagenwissenschaft stammender Entwicklungsvorhaben möglicherweise therapeutisch wirksamer Substanzen immer zuerst prüfe, ob sich die hierfür erforderlichen Forschungsarbeiten erfolgversprechend in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner durchführen ließen, bevor andere sich anbietende Kooperationsbeziehungen für die Verwirklichung der Projekte gesucht und eingegangen würden. Inhaltlich solle sich die Kooperation nach dem derzeitigen Stand der beidseitigen klinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Als neue partnerschaftlich konzipierte und organisierte Struktur schließe das Kooperationsabkommen ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ mit ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten, so dass auch für diesen Bestandteil der Kooperation die Unabhängigkeit von rein wirtschaftlichen Interessen sichergestellt sei. Nach alledem sei gewährleistet, dass die Entscheidungen über die Aufnahme von innovativen Vorhaben oder Dissertationsprojekten frei nach den jeweiligen Entwicklungsperspektiven erfolgten. Sie würden weder direkt noch indirekt durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst. Die Vereinbarung enthalte keinerlei Bedingungen, die der für Drittmittelforschung üblichen Publikationsverpflichtung gemäß § 71 HG NRW entgegenstünden. Aus der Rahmenvereinbarung ergäben sich keine Einschränkungen des freien akademischen Austauschs im Allgemeinen und der Publikationsfreiheit im Besonderen. Publikationsentscheidungen, die den Gegenstand und die Ergebnisse der Zusammenarbeit beträfen, würden nach Beratung im Lenkungsausschuss herbeigeführt. Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich sämtlicher schutzrechtsfähiger und nicht schutzrechtsfähiger Ergebnisse richte sich nach der Sponsoreneigenschaft i.S.v. § 4 Abs. 24 AMG. Sollten gemeinsame Entwicklungserfolge zur Vermarktung von patentrechtlich geschützten Produkten aufgrund von Patenten führen, die im Rahmen der Kooperationsvereinbarung angemeldet und erteilt worden seien, erhielten die jeweils Beteiligten ab Vermarktungsbeginn und für die Laufzeit der betreffenden Patente eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben den Arbeitnehmererfindergesetzes. Der Umgang mit Informationen aus der Forschungs- und Entwicklungskooperation unterliege Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten, die beide Partner wechselseitig eingegangen seien. Industrielle Drittmittel für die Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente würden in der Regel nur dann in Anspruch genommen, wenn die betreffenden klinischen Studien mit den Zielsetzungen der fünf an der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der Beklagten etablierten und von unabhängigen wissenschaftlichen Expertenkommissionen fortlaufend evaluierten Forschungsschwerpunkten übereinstimmten. Dafür sorge die Zielvereinbarung der Beklagten mit dem zuständigen Landesministerium. Auftragsforschung außerhalb der Zielgebiete würde Nachteile bei der leistungsorientierten Mittelvergabe des Landeszuschusses und vielen anderen Strukturierungsmaßnahmen der Medizinischen Fakultät mit sich bringen. Die Einwerbung öffentlicher Drittmittel vor allem von Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Kommission stelle ein ungleich höherwertigeres Gütekriterium für die leistungsorientierte Mittelvergabe dar. Schließlich überprüfe die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät jedes klinische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vor seiner Einleitung. Die juristische Seite des Abschlusses aller Verträge überprüfe das Rektorat der Beklagten.
5Unter dem 30. Juni 2009 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der Rahmenvertrag aus ihrer Sicht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalte. Bei einer Veröffentlichung der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen würde der Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmen um kooperierende Kliniken sowie der Wettbewerb unter den Kliniken um derartige Kooperationen beeinträchtigt. Gerade im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsverträge seien die in Rede stehenden Vertragsregelungen wichtige Elemente der Zusammenarbeit. Zudem eröffne eine detaillierte Veröffentlichung der Forschungskooperation, ihrer Ziele und der exakten Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele Wettbewerbern Hinweise auf mögliche künftige Forschungs- und Geschäftsfelder. Dadurch entstünden der Beigeladenen Wettbewerbsnachteile. Um diese zu vermeiden, seien Verschwiegenheitsklauseln in Bezug auf alle Informationen im Zusammenhang mit der Kooperation Vertragsbestandteil.
6Nachdem der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Mai 2009 und vom 15. Juli 2010 - u. a. gestützt auf eine Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW vom 16. Juni 2010 - an seinem Informationsbegehren festhielt, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht einschlägig sei und etliche Fragen trotz der Antwort der Beklagten vom 30. März 2009 offengeblieben seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 20. August 2010 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bestehe nicht. Da das klägerische Begehren den Bereich von Forschung und Lehre betreffe, sei das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW unanwendbar. Diese Regelung wolle sicherstellen, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingreife. Dieses schütze auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, die sich nicht auf bestimmte Forschungs- und Lehrvorhaben bezögen. In diesem Bereich müsse die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Universitäten vor äußerem Druck - etwa durch unkontrollierte Informationsverbreitung - geschützt werden. Auch der in Rede stehende Vertrag behandle unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Sein Regelungsgehalt - sachliche und organisatorische Beiträge zur Findung und Durchführung von Einzelprojekten, Aufbau eines Graduiertenkollegs, finanzielle Kompensation einzelner Leistungen, Umgang mit Ergebnissen und Verteilung der Nutzungsrechte, Vertraulichkeit, Exklusivität der Kooperation in den Einzelprojekten, Verfahren bei der wissenschaftlichen Veröffentlichung aus Einzelprojekten, Haftung, Laufzeit, vertragstechnische Formalia - entspreche demjenigen jedes anderen Drittmittelvertrags. Unabhängig davon schütze Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die Universität im wissenschaftlichen Wettbewerb. Würde das Informationsfreiheitsgesetz NRW für diesen Rahmenvertrag gelten und einen Auskunftsanspruch gewähren, könnten Wettbewerber die genaue Positionierung der Beklagten erfahren, ohne selbst ihre Positionierung öffentlich machen zu müssen. Sie könnten ihr eigenes Verhalten im wissenschaftlichen Wettbewerb um Forschungsgelder darauf einstellen und damit ihre Position einseitig stärken. Dies könnten die Zugangsbeschränkungen der §§ 8, 9 IFG NRW allein nicht wirksam verhindern.
7Der Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
8Der Kläger hat am 8. Mai 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, ihm stehe der geltend gemachte Informationszugangsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW als Privatperson zu, auch wenn er Geschäftsführer eines konzernkritischen Vereins sei. § 2 Abs. 3 IFG NRW schließe die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorliegend nicht aus. Die Rahmenvereinbarung sei keine Forschung im engeren Sinn. Sie enthalte ausschließlich organisatorische Regelungen für zukünftige und derzeit noch nicht konkret festgelegte Forschungsprojekte. Nicht unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie z. B. die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, die Koordinierung wissenschaftlicher Arbeit, die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben, d. h. insbesondere die haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, sowie die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen seien nicht von dem Informationsfreiheitsgesetz NRW ausgenommen. Der Freiraum wissenschaftlicher Einrichtungen vor staatlicher Einflussnahme sei insoweit durch §§ 6 ff. IFG NRW hinreichend geschützt. Abgesehen davon behandle die Rahmenvereinbarung keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Der Rahmenvertrag berühre die Forschung nicht unmittelbar. Er bestimme nur in allgemeiner Form, wie zukünftig neue Forschungsfelder ausgewählt und neue Forschungsvorhaben nachfolgend organisatorisch umgesetzt würden. Sobald sich ein Forschungsvorhaben hinreichend konkretisiert habe, müssten die Einzelheiten des jeweiligen Vorhabens also erst noch in einer weiteren gesonderten Vereinbarung ausgehandelt werden. Die Forschungsplanung beginne nicht bereits mit der Schaffung eines allgemeinen Regelungsgerüsts für noch nicht benannte Forschungsprojekte, sondern allenfalls mit der Konkretisierung einzelner Forschungsthemen und -projekte. Es würden auch keine Forschungsstrategien offengelegt. Eine andere Betrachtungsweise würde dem Grundrecht auf freien Informationszugang aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem Willkürverbot der Art. 3 Abs. 1 GG einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG nicht gerecht. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei demgemäß zumindest verfassungskonform auszulegen, wobei diese Möglichkeit in Anbetracht der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben als letztlich nicht gegeben erscheine. Dies gelte gerade auch in dem hier betroffenen Bereich der Forschung und Lehre an Hochschulen, in dem eine weitestgehende Transparenz herzustellen sei. Eine Beschränkung des Informationszugangs gemäß dem voraussetzungslosen § 4 Abs. 1 IFG NRW auf die klassische staatliche Eingriffsverwaltung gebe es nicht. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setze daher auch § 2 Abs. 3 IFG NRW eine Gefahr der Beeinträchtigung öffentlicher Belange bzw. einen mehr als geringfügigen Schaden voraus, der dem Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs nach einer umfassenden Güterabwägung ähnlich der in § 8 Satz 3 IFG NRW vorgesehenen vorgehe. Diese Gefährdungslage sei konkret darzulegen, weil andernfalls die Begründungslast für Informationszugangsansprüche gesetzeswidrig umgekehrt würde. Ausnahmen vom Informationszugang seien ohnehin eng zu interpretieren. § 2 Abs. 3 IFG NRW verletze auch deshalb ohne sachlichen Grund das Regel-Ausnahme-Prinzip. Abstrakte Auswirkungen auf Forschung und Lehre, wie sie von der Beklagten eingewandt würden, füllten § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht aus. Weder aus den Landtagsprotokollen noch aus dem Gesetzestext ließen sich Hinweise darauf entnehmen, dass im Gesetzgebungsverfahren Überlegungen dazu angestellt worden seien, von welcher Art die Gefährdungen für Forschung und Lehre durch einen Informationszugang sein dürften und warum man solchen Gefährdungen ausschließlich und speziell mit der gesetzlichen Ausnahme einer absoluten Geheimhaltung gerecht zu werden versuche, anstatt dem ansonsten im Informationsfreiheitsgesetz NRW geregelten Prinzip eines freien und voraussetzungslosen Informationszugangs den Vorrang zu geben. Die Informationsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip forderten eine umfassende Publizität staatlichen Handelns. Dem komme § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach. Er sei in mehrerlei Hinsicht unverhältnismäßig. Bei alledem sei zu berücksichtigen, wie sich die Hochschullandschaft allgemein in Richtung einer zunehmenden Ökonomisierung verändere. Eine „Flucht ins Privatrecht“ dürfe den gesetzlichen Informationsanspruch nicht aushebeln. Dies zeige auch der Blick auf die Rechtslage in Bundesländern, die in Bezug auf Hochschulen einen unbeschränkten Informationszugang eröffneten. Auch dies erfordere eine verfassungsrechtliche Überprüfung von § 2 Abs. 3 IFG NRW. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass den besonderen Gefahren, die im Zusammenhang mit dem Reformkonzept der sog. unternehmerischen Hochschule sowie der damit verbundenen industrienahen Forschung auf der Grundlage von geheimen Kooperationsverträgen drohten, nur dadurch wirksam begegnet werden könne, dass man zwecks hinreichender Kontrolle auch in diesem durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich von Gesetzes wegen und ganz allgemein mehr Transparenz und Öffentlichkeit verlange. Es werde deswegen beantragt, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 2 Abs. 3 IFG NRW mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ein Verweigerungsrecht nach § 8 IFG NRW bestehe ebenfalls nicht. Die Beigeladene habe nicht substantiiert dargelegt, woraus sich eine Beeinträchtigung im Wettbewerb pharmazeutischer Unternehmen ergäbe, wenn die Rahmenvereinbarung öffentlich gemacht würde. Die einzelnen Forschungs- und Geschäftsfelder müssten aufgrund der Rahmenvereinbarung erst noch durch eine Kommission ausgehandelt werden. Es sei nach erfolgtem Vertragsschluss kaum denkbar, inwieweit mögliche Konkurrenten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung der begehrten Informationen ziehen könnten und der Beigeladenen dadurch ein messbarer Schaden entstehe. Ein hinreichender Schutz der Beigeladenen könne insoweit durch die Schwärzung einzelner Passagen gewährt werden. Demgegenüber habe der Kläger sein überwiegendes Interesse an dem Informationszugang dargetan. Er habe darauf hingewiesen, dass die European Medicines Agency mehr unabhängige Pharma-Forschung fordere, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werde. Da die Beklagte nun eine Kooperation mit der Industrie begonnen habe, müsse öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte sie an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abgetreten habe. Um die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags abschließend zu klären, müsse ggf. ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eingeleitet werden.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 IFG NRW sei einschlägig und schließe einen Informationszugangsanspruch des Klägers aus. Das Gesetz verwende bewusst eine weite Formulierung, um eine Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung zu vermeiden. § 2 Abs. 3 IFG NRW gehe über den Regelungsgehalt der §§ 6 ff. IFG NRW hinaus. Würden nicht auch die unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten von § 2 Abs. 3 IFG NRW umfasst, wäre er überflüssig, weil der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG außerhalb der unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erst recht den Ausnahmetatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zuzuordnen wäre. Die §§ 6 ff. IFG genügten allerdings nicht einmal zur Vermeidung eines Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Rahmenvertrag beziehe sich auf Forschung und Lehre bzw. auf unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Dies sei im Schreiben vom 30. März 2009 und im Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 umfangreich ausgeführt worden. Darauf werde Bezug genommen. Namentlich sei Forschungsplanung die Planung wissenschaftlicher Vorhaben. Diese sei wesentlicher Gegenstand der Rahmenvereinbarung. An der Unmittelbarkeit dieser Regelungen fehle es nicht. Die Rahmenvereinbarung sei verbindlich. Sie steuere unmittelbar die Auswahl und Vorbereitung von Forschungsvorhaben. Dies sei bei typisierender und wertender Betrachtung unmittelbar wissenschaftsrelevant. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG beeinflussten die Auslegung von § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Überdies sei systematisch zwischen der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW und den Ausschlusstatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zu unterscheiden. Das Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefährdung könne in § 2 Abs. 3 IFG NRW ebenso wenig hineingelesen werden wie eine Interessenabwägung. Die abweichende Rechtslage in anderen Bundesländern bzw. im Bund sei dafür irrelevant. Dass eine Offenbarung des Rahmenvertrags gleichbedeutend mit einer Offenlage von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW wäre und ihr dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, habe die Beigeladene hinreichend konkret dargelegt. Der Rahmenvertrag verhalte sich umfangreich zu Vergütungen, finanziellen Beteiligungen und zur Nutzung von Forschungsergebnissen. Durch das Bekanntwerden dieser Informationen würde der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Regelungen ihren Konkurrenten nicht bekannt würden, um die Exklusivität der Rahmenvereinbarung zu sichern. Diese werde deswegen durch eine besondere Geheimhaltungsvereinbarung ergänzt.
15Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hat vorgetragen, der Kläger sei schon nicht i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW antragsbefugt. Er werde von dem Verein, dessen Geschäftsführer er sei, lediglich mit seinem Informationsbegehren vorgeschoben. Das Informationsbegehren sei auch unbegründet. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sei nach § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht eröffnet. Dieser wolle bereits Gefährdungen der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung vorbeugen. Diese ließen sich über die Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW nicht ebenso effektiv und nachhaltig vermeiden. Nur so könne der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rechnung getragen werden. Eine Differenzierung zwischen Forschung und Lehre sowie unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten habe keine Stütze im Gesetz. Dies bestätige der Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Es sei auf die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit durch die Hochschule nicht zugeschnitten, welche keine klassischen staatlichen Aufgaben wahrnehme. Die Rahmenvereinbarung betreffe Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Der Forschungsbegriff sei weit zu verstehen. Den durch ihn vermittelten Schutz genieße die gesamte praktische Durchführung eines Forschungsprojekts, die Organisation und Planung der Forschung sowie die Auftrags- und Industrieforschung. Der Schutz erstrecke sich auch auf die administrativ notwendige Akzessorietät zu Forschung und Lehre und somit auch auf den Rahmenvertrag. Dieser gebe den Rahmen für die Forschungskooperation der Vertragsparteien verbindlich vor. Er berühre die Forschung unmittelbar, indem er allgemeingültige forschungsrelevante Rahmenbedingungen aufstelle. Die Kooperationspartner zögen nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen für eine Vielzahl von Projekten bedeutsame Fragen gleichsam vor die Klammer. Ohne eine solche Rahmenvereinbarung sei eine Forschungskooperation der Beklagten mit Dritten rechtlich gar nicht möglich. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei eine Bereichsausnahme. Diese sei nicht verfassungskonform erweiternd auszulegen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG hätten auf seine Anwendung keinen Einfluss. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag sei schon keine allgemein zugängliche Quelle. Andere informationsfreiheitsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer bzw. des Bundes seien für diese Frage unergiebig. § 2 Abs. 3 IFG NRW biete auch keinen Raum für eine umfassende Güterabwägung. Hilfsweise werde die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW geltend gemacht. Bei einer Offenbarung der Rahmenvereinbarung würden die Konkurrenten der Beigeladenen in die Lage versetzt, die einzelnen Kautelen der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen genau zu studieren. Sie würden dadurch Kenntnis von wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen erhalten. Dies hätte unmittelbare negative Konsequenzen für deren Situation am Markt und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten entsprechend stärken. Dies gelte umso mehr, als die Rahmenvereinbarung die Bedingungen für eine Vielzahl künftiger Forschungsprojekte festlegen solle. Außerdem gebe es keinen Marktstandard für derartige Kooperationsverträge. Diese seien immer Gegenstand intensiver Verhandlungen. Würde der streitige Rahmenvertrag öffentlich, wüsste die gesamte Branche, zu welchen Bedingungen die Beklagte und die Beigeladene Forschungskooperationen eingingen. Beide Vertragsparteien hätten darunter auf Jahre hinaus zu leiden. Diese Informationen könnten von Wettbewerbern dazu genutzt werden, um zu Lasten der Beigeladenen bei künftigen Kooperationen mit Hochschulen bessere Angebote vorzulegen und die Beigeladene somit im Wettbewerb um besonders qualifizierte Kooperationspartner auszustechen. Umgekehrt würden potentielle Partner der Beigeladenen in die Lage versetzt, mindestens ein Angebot zu verlangen, das den mit der Beklagten vereinbarten Rahmenbedingungen entspreche. Auch dies würde die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen nachteilig beeinflussen. Besonders die Regelungen über die Kompensation ließen Rückschlüsse darauf zu, welchen finanziellen Wert die Beigeladene der Kooperation mit der Beklagten beimesse. Angaben darüber könnten signifikant nachteilige Auswirkungen auf die Beigeladene haben. Denn Informationen über Forschungsausgaben seien höchst sensibel. Sie erlaubten konkrete Schlussfolgerungen auf die konkreten Aktivitäten der Betroffenen. Es sei davon auszugehen, dass Wettbewerber diese Erkenntnisse im eigenen Interesse verwerten würden. Dasselbe gelte für die Klauseln des Rahmenvertrags über die Verwertung und Veröffentlichung, die Ziele der Zusammenarbeit und die Haftung. Nach alledem würde der Beigeladenen durch den Informationszugang ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil sich ihre Situation am Markt erheblich verschlechtern würde. Die bloße Schwärzung der Zahlenangaben im Rahmenvertrag könne diesen Schadenseintritt nicht verhindern. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten könnten Erkenntnisse über die wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen gewonnen werden.
18Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW darauf, dass ihm die Beklagte den Inhalt der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen zur Verfügung stelle. Die Beklagte sei bei Abschluss der Rahmenvereinbarung zumindest weitgehend im Bereich der Forschung tätig geworden. Daher gelte das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Diese Vorschrift, die nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen sei, beziehe sich auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasse auch vorbereitende und begleitende Tätigkeiten, die einen wesentlichen Teil des Forschungsprozesses darstellten. Dazu zählten die Forschungsplanung und das Einwerben von Drittmitteln, die dem einzelnen Wissenschaftler die Durchführung konkreter Forschungsvorhaben ermöglichten. Dieser Bereich sei vorliegend betroffen. Soweit der Rahmenvertrag Regelungen enthalte, die ausschließlich die wirtschaftliche Verwertung etwaiger Forschungsergebnisse beträfen, könne der Antrag auf Informationszugang nach § 8 IFG NRW abgelehnt werden.
19Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
20Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Berufung gegen das ihm am 13. Dezember 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt. Um den Inhalt der Rahmenvereinbarung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO aufzuklären, hätte das Verwaltungsgericht ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchführen müssen. Nur so könne der Vertragsgegenstand rechtlich bewertet werden. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte sich im Hinblick auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags widersprüchlich verhalten habe. So habe eine Pressesprecherin der Beklagten in einem Zeitungsinterview am 21. November 2012 erklärt, der Rahmenvertrag enthalte keine geheimhaltungspflichtigen („kritischen“) Informationen. Das Verwaltungsgericht habe in der Konsequenz auch die materielle Rechtslage unzutreffend beurteilt. Es hätte sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 IFG NRW auseinandersetzen müssen. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW diene wie die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer und des Bundes dazu, dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG umfassend Rechnung zu tragen. Daran müsse sich die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW messen lassen. Die Freiheit von Forschung und Lehre werde in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet. Sie könne aber aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht eingeschränkt werden. Dazu müsse allgemein eine Abwägung aller Einzelfallumstände erfolgen, wobei insbesondere Grad und Schwere der jeweils festzustellenden Grundrechtsbeeinträchtigung den Ausschlag gäben. Dabei sei auch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, zumal sich die Drittmittelfinanzierung immer weiter ausweite. Es sei nicht nachvollziehbar, warum durch die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW eine vergleichbare Geheimhaltungspflicht sowie eine darauf beruhende Begrenzung des Anspruchs auf voraussetzungslosen Informationszugang Gültigkeit haben solle wie bei anderen verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Belangen z. B. der Landesverteidigung, des Verfassungsschutzes und der öffentlichen Ordnung nach § 6 IFG NRW. Der Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen verstoße seinerseits gegen Art. 5 Abs. 3 GG, weil die insoweit eingebundenen Wissenschaftler mit hoher Wahrscheinlichkeit Regeln unterworfen würden, die ihnen die für ihre Tätigkeit elementare Freiheit der Bewertung der erzielten Forschungsergebnisse ebenso entzögen wie die Freiheit der Methodenwahl und der Publikation. Einer derartigen Gefahr lasse sich nur durch ein Mehr an Transparenz begegnen. Im Interesse eines Mindestmaßes an Sicherheit und zur Vereinheitlichung der Gesetzeslage erscheine es als unverzichtbar, für die Informationsverweigerung generell die Darlegung einer konkreten Gefährdung für das betreffende Schutzgut zu verlangen. Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen. Allgemeine Verweise auf eine angebliche Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung reichten nicht aus. § 2 Abs. 3 IFG NRW verstoße weiterhin gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei ohne jede nachvollziehbare Begründung und damit willkürlich von einer Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch den freien Informationszugang ausgegangen worden. Ein Geheimnisschutz im Wege der Ausschlusstatbestände der §§ 6 ff. IFG NRW habe ohne Weiteres ausgereicht. Auch ansonsten sei § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht verhältnismäßig. Dies gebiete eine Vorlage der Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Schließlich greife der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW nach wie vor nicht ein.
22Der Kläger beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der gerügte Verfahrensfehler liege nicht vor. Der Pressebericht vom 21. November 2012, auf den der Kläger verweise, enthalte keine zutreffende Wiedergabe der Erklärung der Pressesprecherin der Beklagten. Dass die Offenlegung des Rahmenvertrags dem Kläger Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zugänglich machen würde, habe das Verwaltungsgericht auf der Grundlage u. a. der Beschreibungen der Beklagten erkennen können. Im Einzelnen lasse sich der Inhalt der Rahmenvereinbarung wie folgt umschreiben: Die Präambel beschreibe in allgemeiner Form die auf die Herstellung einer präferierten Partnerschaft gerichteten Zielsetzung. Abschnitt 1 benenne als Gegenstand der Vereinbarung die Kooperation bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben insbesondere auf beispielhaft bezeichneten medizinischen Gebieten sowie die Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung junger Wissenschaftler. Außerdem werde das „Steering Committee“ geregelt, dessen Mitglieder in einem Anhang namentlich bezeichnet seien und dass für bestimmte Entscheidungen zuständig sei. Abschnitt 2 regle Einzelheiten der Durchführung der Zusammenarbeit. Dazu gehörten die Gründung des Graduiertenkollegs und die Bestimmung, dass die Beklagte den „Liaison Officer“ benenne und welche Aufgaben diesem oblägen. Abschnitt 3 verhalte sich zur Information der Beigeladenen über den Fortgang der Zusammenarbeit, insbesondere die laufenden Einzelprojekte. Abschnitt 4 normiere die finanzielle Kompensation der Zusammenarbeit durch die Beigeladene. Abschnitt 5 treffe Regelungen zu der Verwendung der Forschungsergebnisse und zu den Nutzungsrechten. Abschnitt 6 beziehe sich unter Verweis auf eine als Anlage beigefügte Geheimhaltungsvereinbarung auf die Geheimhaltungspflichten. Abschnitt 7 regle in einem Satz die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bei einer Zusammenarbeit mit Dritten über vereinbarte Einzelprojekte, wenn dadurch Interessenkollisionen entstehen könnten. Abschnitt 8 betreffe die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Abschnitt 9 regle Haftung und Garantie, Abschnitt 10 Laufzeit und Kündigung der Vereinbarung, Abschnitt 11 enthalte sonstige Bestimmungen wie z.B. die Anwendung deutschen Rechts und die Schriftformklausel. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei verfassungsgemäß. Aus dem Demokratieprinzip ergebe sich keine Verpflichtung des Staates zur Offenlegung von Verwaltungsvorgängen. Bei der Gestaltung gesetzlicher Regelungen habe der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Ein Verfassungsverstoß folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 2 Abs. 3 IFG NRW bewirke keinen Grundrechtseingriff, sondern schütze im Gegenteil das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Erwägungen des Klägers zur Transparenz als verbindlichem Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft seien rechtspolitischer Natur. Zu § 8 IFG NRW trage die Berufung nichts vor, was der Entscheidung des Verwaltungsgerichts widerspreche. Ergänzend werde auf § 71a HG NRW hingewiesen. Dieser enthalte eine abschließende Normierung der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Forschungen der Hochschule mit Drittmitteln. Seine spezifisch auf die Hochschule bezogenen Regelungen trügen dem Ausschluss der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 IFG NRW Rechnung.
27Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, die Verfahrensrüge greife nicht durch. Wie die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zutreffend ausgeführt habe, habe das Verwaltungsgericht nicht gegen §§ 86 Abs. 1, 99 Abs. 2 VwGO verstoßen. Das vom Kläger behauptete Prinzip des freien Informationszugangs gebe es nicht. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG begründe keine Pflicht des Gesetzgebers, einen allgemeinen Zugang zu Behördenakten zu ermöglichen. Der Kläger könne sich nicht auf § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen. Diese Vorschriften schützten die Beklagte. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe im Übrigen gerade durch § 2 Abs. 3 IFG NRW den Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung Genüge getan. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht Gleiches ungleich behandelt. Im föderalen Bundesstaat seien abweichende Rechtslagen unbedenklich, soweit der jeweilige Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz tätig werde. Es bleibe auch dabei, dass der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW vorliege.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
34Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
35Zwar ist der Kläger grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt (dazu I.). Allerdings ist das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht anwendbar. Die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen fällt in den Bereich von Forschung und Lehre i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht (dazu II.). Einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung enthalten zudem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Dies rechtfertigt die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers insoweit auch gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu III.). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu IV.). Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten (dazu V.).
36I. Der Kläger ist grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Der Kläger ist eine natürliche Person im Sinne dieser Bestimmung. Er wird trotz seiner Eigenschaft als Geschäftsführer eines Vereins, welcher der Beigeladenen kritisch gegenübersteht, als solche tätig. Der Kläger handelt bei der Verfolgung seines Informationsbegehrens im eigenen Namen und nicht nur als Vertreter bzw. Organwalter des Vereins.
39Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, juris Rn. 1 (hinsichtlich eines Insolvenzverwalters); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 384 f.
40Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von dem Verein lediglich vorgeschoben wird und an den begehrten Informationen keinerlei persönliches Interesse hat. Von einem Rechtsmissbrauch kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.
41Vgl. zu diesem Problemkreis VG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2014 - 26 K 3308/14 -, juris Rn. 12 ff.; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 403 ff.
42II. Allerdings ist der Anspruch des Klägers nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht begründet, weil die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW den Bereich von Forschung und Lehre betrifft. Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten aus der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum (dazu 1.). § 2 Abs. 3 IFG NRW ist sowohl abstrakt als auch in dieser Interpretation verfassungsgemäß (dazu 2.). Einer Vorlage der Bestimmung an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung ihrer Grundgesetzkonformität bedarf es somit nicht (dazu 3.).
431. a) Gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW gilt das Informationsfreiheitsgesetz NRW für Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen nur, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.
44Diese Bereichsausnahme greift im Hinblick auf die Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs ein.
45Mit den Begriffen Forschung und Lehre bezieht sich § 2 Abs. 3 IFG NRW auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Durch den Zugang zu amtlichen Informationen soll es insbesondere nicht dazu kommen, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
46Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 286.
47Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe. Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Diesem Freiheitsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient. Den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung stellen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe dar. Zur Sicherung dieses Bereichs gewährleistet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs.
48Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 143, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89 = NJW 2009, 2190 = juris Rn. 40, und vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 136, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 98.
49Forschung i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist als Unterfall von Wissenschaft jede geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Grundrechtlich geschützte Forschung ist auch die Zweck-, Auftrags- oder Ressortforschung, wenn die Tätigkeit nach den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und mit wissenschaftlichen Methoden ausgeführt wird. Für den Grundrechtsschutz ist gleichgültig, wer die Vertragspartner einer Auftragsforschung sind, also wer den Auftrag erteilt (Staat, Private) und wo geforscht wird (Universität, außeruniversitäre staatliche Einrichtung, private Einrichtung).
50Vgl. BAG, Urteil vom 19. März 2008 - 7 AZR 1100/06 -, BAGE 126, 211 = NZA 2009, 84 = juris Rn. 34 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 137; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 355 und 361; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 19 ff.
51Die Forschungsfreiheit umfasst die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung. Daraus ergibt sich zum einen, dass auch im Bereich der Teilhabe am öffentlichen Wissenschaftsbetrieb jedenfalls der oben umschriebene Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung grundsätzlich der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleiben muss. Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwächst aus der Wertentscheidung aber zum anderen auch ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen. Wäre dies nicht der Fall, so würde die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung weitgehend beraubt. Diese Befugnis des einzelnen Grundrechtsträgers, gegenüber der öffentlichen Gewalt die Beachtung der wertentscheidenden Grundsatznorm durchsetzen zu können, gehört zum Inhalt des Individualgrundrechts, dessen Wirkungskraft dadurch verstärkt wird. Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert adäquate organisationsrechtliche Vorkehrungen.
52Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 97 f. und 110.
53Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist deshalb auch im Bereich derjenigen Angelegenheiten, die als „wissenschaftsrelevant“ angesehen werden müssen, d. h. die Forschung und Lehre unmittelbar berühren, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG begrenzt. Gleichermaßen geschützt sind mit anderen Worten alle Aktivtäten der Forschung mit allen vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten. Dazu zählen insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, d. h. die Forschungsplanung, das Aufstellen von Lehrprogrammen und die Planung des Lehrangebotes, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, also das Abstimmen der Forschungsvorhaben und der Lehrangebote aufeinander, die Harmonisierung der Lehraufgaben mit den Forschungsvorhaben, ferner die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen, insbesondere ihre haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen. Schließlich sind hierher auch die Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter zu rechnen.
54Vgl. BVerfG, Urteile vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 240, und vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 115; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 138; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 370 f.; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 25.
55Dies zugrunde gelegt, ist die streitige Rahmenvereinbarung insgesamt dem Bereich von Forschung und Lehre im Verständnis des § 2 Abs. 3 IFG NRW zuzurechnen. Sie ist in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG einbezogen, der mit der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW deckungsgleich ist.
56Der Rahmenvertrag regelt Forschungs- und Lehrangelegenheiten jedenfalls in Gestalt von unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Dies geht aus der hinreichend konkreten Schilderung des Vertragsinhalts durch die Beklagte namentlich in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und präzisiert durch ihren Schriftsatz vom 17. August 2015 hervor. Darin hat die Beklagte zum Regelungsgehalt Folgendes ausgeführt: Das Kooperationsabkommen betreffe zum einen im Wesentlichen die Organisation und die Auswahl von pharmazeutischen Forschungsvorhaben, die Strukturbedingungen von deren Finanzierung sowie die Verwertung von deren Ergebnissen. Im Einzelnen solle sich die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Zum anderen schließe der Kontrakt ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten. Auch diese wissenschaftsbezogene Organisationsentscheidung stellt Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dar.
57Dass die Auswahl der einzelnen Forschungsprojekte auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung erst später erfolgt, ist für die Qualifizierung als unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheit und damit die Anwendung des § 2 Abs. 3 IFG NRW unerheblich. Ungeachtet dieses Umstands stellt der Vertrag verbindlich strukturell die Weichen für das Ob und das Wie der Durchführung von Forschungsprojekten und damit für die Gewinnung von Forschungsergebnissen einschließlich deren nachfolgender Verwertung innerhalb der vereinbarten Forschungspartnerschaft. Von derartigen organisatorischen Grundentscheidungen ist der Erfolg jeder Forschungsarbeit im universitären Bereich oder an außeruniversitären Forschungsinstituten abhängig oder wird von ihr doch erheblich beeinflusst. Ihr Bezug zu Forschung und Lehre ist unmittelbar.
58Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung für sich gesehen keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten betreffen (etwa Laufzeit, Kündigungsfrist), unterfallen sie trotzdem der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW, weil die Beklagte mit dem Vertragswerk insgesamt im Bereich Forschung und Lehre tätig wird. Eine isolierte Einordnung dieser Nebenregelungen wird dem Gesamtzweck der Vereinbarung nicht gerecht.
59b) Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten jenseits des Kernbereichs des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum.
60Anders Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 298 ff.
61Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 IFG NRW unterscheidet nicht zwischen dem Kernbereich und Randbereichen von Forschung und Lehre. Auch die Gesetzesbegründung differenziert mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach verschiedenen Graden der Schutzwürdigkeit von grundrechtlich geschützten wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrvorhaben. Der Gesetzgeber hat die Norm - wie schon angesprochen - unumschränkt damit begründet, dass der Informationszugang nicht dazu führen soll, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
62Vgl. nochmals die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
63Darin kommt die bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer dem Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgelagerten Bereichsausnahme und zulasten eines in das System des Informationsfreiheitsgesetzes NRW integrierten Ausschlussgrundes gemäß §§ 6 ff. IFG NRW zum Ausdruck. Diese Konstruktion des § 2 Abs. 3 IFG NRW gepaart mit seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Gesetz versperrt Interpretationsansätze, die ihn einem der Ablehnungsgründe der §§ 6 ff. IFG NRW angleichen oder nach dem Vorbild des § 8 Satz 3 IFG NRW contra legem um eine Abwägungsklausel anreichern wollen. Die generelle Beobachtung, dass informationsfreiheitsrechtliche Ausnahmetatbestände regelmäßig eng zu verstehen sind,
64vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 - juris Rn. 85, und vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52,
65ändert an diesem speziellen Befund nichts.
66Die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer informationsfreiheitsrechtlichen Bereichsausnahme wird zusätzlich durch den durch Art. 1 des Hochschulzukunftsgesetzes NRW vom 16. September 2014 (GV. NRW. S. 547) in das Hochschulgesetz NRW neu eingefügten § 71a HG NRW unterstrichen, der Regelungen zur Transparenz bei der Forschung mit Drittmitteln statuiert. Gemäß § 71a Abs. 1 HG NRW informiert das Rektorat die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben, die aus Mitteln Dritter finanziert werden. Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten gelten die §§ 9 und 10 IFG NRW entsprechend (§ 71a Abs. 2 HG NRW); eine Information findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht (§ 71a Abs. 3 Satz 1 HG NRW). Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat sich damit auch in der neuesten gesetzgeberischen Entwicklung dagegen entschieden, universitäre Forschungs-, Entwicklungs- und Lehrvorhaben mit subjektiv-rechtlich ausgestalteten Informationszugangsansprüchen Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zu konfrontieren. Vielmehr hat der Gesetzgeber es bei einer bloßen (objektiv-rechtlichen) Informationsverpflichtung der Hochschule belassen, die im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Schutzmechanismen ähnlich den im Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgesehenen unterliegt.
67Vgl. insoweit die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung LT-Drs 16/5410, S. 375.
682. Eine restriktive Lesart des § 2 Abs. 3 IFG NRW, wie sie der Kläger befürwortet, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
69a) Dies gilt zunächst mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
70Soweit neben den Kernbereich der Forschungs- und Lehrfreiheit ein Sektor unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten gestellt wird, genießt auch dieser den umfassenden Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; er ist nicht vom Schutzbereich des Grundrechts ausgenommen. Dies hat zur Konsequenz, dass auch diesbezüglich das allgemeine Eingriffs- und verfassungsrechtliche Rechtfertigungsregime gilt. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt gegen jegliche Eingriffe in die Autonomie von Wissenschaft und Hochschulen. Der Staat muss die Wissenschaftsfreiheit ggf. auch vor Störungen durch Dritte schützen.
71Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 134 ff., und vom 7. Oktober 1980 - 1 BvR 1289/78 -, BVerfGE 55, 37 = NJW 1981, 741 = juris Rn. 117; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 142 und 145; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 35 ff.
72Bei der Umsetzung dieses grundrechtlichen Auftrags hat er einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1995 - 1 BvR 1379/94, 1 BvR 1413/94 -, BVerfGE 93, 85 = DVBl. 1995, 1076 = juris Rn. 38, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 90; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 146; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 47; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 42 ff.
74Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass einer Tangierung der Wissenschaftsfreiheit in einzelnen Fällen der Drittmittelforschung nur durch Eröffnung eines subjektiven Informationsanspruchs für jedermann begegnet werden kann. Vielmehr ist es angesichts der grundgesetzlichen Wertentscheidung, die der Autonomie von Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und ggf. auch privaten Dritten einen hohen Stellenwert beimisst, nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 3 IFG NRW Forschung und Lehre gegenüber allgemeinen Informationszugangsansprüchen immunisiert, indem er die Bereichsausnahme mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG parallelisiert hat.
75Ähnlich argumentieren das VG Mainz, Beschluss vom 7. September 2009 - 3 L 762/09.MZ -, juris Rn. 4 (zu § 2 IFG Rh.-Pf.); sowie das VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 21 (zu § 6 Satz 1 IFG).
76b) § 2 Abs. 3 IFG NRW verstößt weder abstrakt noch in dieser konkretisierenden Auslegung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem zufolge jeder das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
77§ 2 Abs. 3 IFG NRW greift schon nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ein.
78Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ergibt sich kein verfassungsunmittelbares Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein. Hoheitliche Beeinträchtigungen dieses Zugangs sind Grundrechtseingriffe. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Geeignet als Informationsquellen sind alle Träger von Informationen, darunter auch Ereignisse und Vorgänge. Geschützt ist daher nicht nur die Unterrichtung aus der Informationsquelle, sondern auch die Informationsaufnahme an einer Quelle. Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Das Grundrecht umfasst allerdings ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund (einfach-)rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
79Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 -, BVerfGE 103, 44 = DVBl 2001, 456 = juris Rn. 55 f.; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2012 - 5 B 1463/11 -, DVBl. 2012, 1113 = juris Rn. 26; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 24 f. und 28; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 244; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl 2010, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 50; Bethge, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 59a ff.
80Ausgehend davon ist ein Eingriff durch § 2 Abs. 3 IFG NRW in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG zu verneinen. § 2 Abs. 3 IFG NRW nimmt amtliche Informationen im Bereich von Forschung und Lehre gerade von der allgemeinen Zugänglichkeit aus. Einen Anspruch, den Informationszugang auch auf diesen Typ von Informationen auszudehnen, verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht.
81Vgl. dazu auch VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 27 (im Hinblick auf § 6 Satz 1 IFG); genauso für die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2014 - OVG 12 B 14.12 -, NVwZ-RR 2015, 123 = juris Rn. 25.
82c) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht nicht im Widerspruch zu dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG.
83Auch die Öffentlichkeit der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesse ist Bestandteil des demokratischen Prinzips. Als Kontrollinstrument staatlicher Machtausübung ist sie zugleich ein rechtsstaatliches Anliegen. Das Öffentlichkeitsgebot gilt abgeschwächt auch für die Exekutive. Insbesondere ist die Regierung verpflichtet, der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darzulegen und zu erläutern. Daher ist die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Konkrete Publizitätspflichten vermag das Demokratieprinzip aber weder für die Regierung noch für die Verwaltung zu begründen.
84Vgl. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06, 2 BvE 2/06, 2 BvE 3/06, 2 BvE 4/06 -, BVerfGE 118, 277 = NVwZ 2007, 916 = juris Rn. 270, Beschluss vom 23. Februar 1983 - 2 BvR 1765/82 -, BVerfGE 63, 230 = NJW 1983, 1105 = juris Rn. 53; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rn. 11 ff., jeweils m.w.N.
85Aus diesem Grund gebietet das Demokratieprinzip dem Gesetzgeber nicht, den Informationszugang auch hinsichtlich des Bereichs von Forschung und Lehre einzuführen. Ein solcher ist auch nicht zwingend vonnöten, um die im demokratischen Gemeinwesen notwendige politische Publizität herzustellen. Eine substantielle öffentliche Diskussion über und eine effektive öffentliche Kontrolle von Forschungsvorhaben - einschließlich unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten -, die gleichzeitig das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG respektiert, kann auch ohne einen korrespondierenden Informationszugangsanspruch durch das Informationsfreiheitsgesetz NRW stattfinden. Diskussionen über die Richtung und die Möglichkeitsbedingungen von Forschung und Lehre können im öffentlichen, d. h. auch parlamentarischen Raum geführt werden. Auch auf diese Weise erscheint das Verhältnis zwischen einer politisch-rechtlichen Einflussnahme auf Forschung und Lehre einerseits und deren verfassungsrechtlich garantierter Autonomie andererseits als vertretbar austariert.
86d) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang.
87Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber danach nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf.
88Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 -, BVerfGE 133, 377 = DVBl. 2013, 909 = juris Rn. 86, und vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 -, NVwZ 2012, 1535 = juris Rn. 41 ff., jeweils m.w.N.
89Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Im Übrigen hängt das Maß der Bindung u. a. davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.
90Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1 = NJW 2013, 1418 = juris Rn. 45, m.w.N.
91Zieht man diese Grundsätze heran, scheidet die Annahme aus, dass § 2 Abs. 3 IFG NRW dem Gleichheitssatz zuwiderläuft.
92Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Personen und Sachverhalte. § 2 Abs. 3 IFG NRW behandelt alle von ihm betroffenen Normadressaten gleich. Wie die informationsfreiheitsrechtliche Rechtslage im Bund oder in anderen Bundesländern ist, ist für diese Bewertung unerheblich. Dies sind andere Normgeber mit anderen Normadressaten. Wird der Landesgesetzgeber - wie hier - innerhalb seiner Gesetzgebungskompetenz tätig, können sich die davon Betroffenen zur Begründung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf abweichende Regelungen im Bund und in anderen Ländern berufen.
93Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 = NVwZ 2003, 720 = juris Rn. 48, m.w.N.
94Dass der Gesetzgeber sich mit § 2 Abs. 3 IFG NRW für das Modell der Bereichsausnahme - und anders als etwa bei der vom Kläger angeführten Landesverteidigung gegen eine Ausgestaltung als nachgelagerter Ablehnungsgrund, der in §§ 6 ff. IFG NRW eingegliedert wäre - entschieden hat, liegt innerhalb seines oben erwähnten weiten Gestaltungsspielraums und ist ebenfalls mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenkenfrei.
953. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung der Grundgesetzkonformität von § 2 Abs. 3 IFG NRW bedarf es somit nicht.
96Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG).
97Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Vorlagebeschluss im Einzelnen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 - 1 BvL 7/11 -, juris Rn. 9, und vom 2. Mai 2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1 = NJW 2012, 2176 = juris Rn. 66 ff., jeweils m.w.N.
98Danach kommt eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW aus den genannten Gründen verfassungsgemäß ist.
99III. Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthalten, ist insofern zudem die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW gerechtfertigt.
100Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
101Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
102Vgl. OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 115, und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zu § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
103Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle oder der betroffene Dritte, auf den sich die begehrte amtliche Information bezieht, konkret und substantiiert deutlich machen, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
104Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 119; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
105Diese Voraussetzungen sind im konkreten Fall gegeben. Namentlich haben die Beigeladene in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 30. Juni 2009 sowie im Zuge des gerichtlichen Verfahrens die Beklagte mit ihrem den Vertragsinhalt konkretisierenden Schriftsatz vom 17. August 2015 hinreichend konkret dargelegt, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart würde, wenn der Kläger den streitbefangenen Informationszugang erhielte. Die Beigeladene und die Beigeladenen haben damit auch hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass der Beigeladenen durch die Gewährung des Informationszugangs ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
106Nach dem plausiblen Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen enthält der Rahmenvertrag Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, weil er die Forschungskooperation der Beigeladenen mit der Beklagten, ihre Ziele und die exakte Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele - insbesondere in den Abschnitten 1 und 2 der Vereinbarung - detailliert beschreibt. Daraus lassen sich für Wettbewerber Rückschlüsse auf Marktstrategien und aktuelle sowie zukünftige Forschungsprojekte der Beigeladenen im pharmazeutischen Bereich ziehen. Es ließe sich ferner anhand der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen - etwa in den Abschnitten 4 und 5 des Vertragswerks zur finanziellen Kompensation, zur Verwendung der Forschungsergebnisse und der Nutzungsrechte - erkennen, unter welchen Bedingungen die Beigeladene augenscheinlich bereit ist, die Geschäftsbeziehung einer Forschungskooperation mit einer Universität einzugehen.
107Es ist im Weiteren nachvollziehbar, dass der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstünde, wenn der Rahmenvertrag im Detail publik würde. Dadurch würde sich ihre Marktsituation in der Pharma-Branche absehbar nachhaltig verschlechtern. Konkurrenten der Beigeladenen würden durch eine Kenntnis der Vertragsklauseln in die Lage versetzt, die erkennbaren Marktstrategien der Beigeladenen zu durchkreuzen oder ihr beim Abschluss von Forschungskooperationen zuvorzukommen, indem sie bessere Vertragsbedingungen anböten als die Beigeladene. Würde der Beigeladenen der Wettbewerb um besonders qualifizierte (universitäre) Kooperationspartner erschwert, würde ihre Forschungsarbeit, ihre Innovationsfähigkeit und damit ihre Marktbeständigkeit Schaden nehmen.
108Es ist auch überzeugend, dass eine bloße Schwärzung einzelner Zahlenangaben im Rahmenvertrag diesen Schadenseintritt nicht verhindern könnte. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten können Schlussfolgerungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen und strategischen (Forschungs‑)Überlegungen der Beigeladenen gezogen werden.
109Der Ablehnungsgrund des § 8 Satz 1 IFG NRW ist nicht gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW ausgeschlossen.
110Nach dieser Vorschrift gilt § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre.
111Das Interesse der Allgemeinheit ist entsprechend dem Zweck des Gesetzes ‑ interessierten Personen Zugang zu einer bestimmten amtlichen Information zu verschaffen - anhand des Kreises der von einem Verwaltungshandeln im weitesten Sinne Betroffenen zu bestimmen.
112Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Juli 2004 - 26 K 4163/03 -, juris Rn. 26; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 910.
113Ist ein Interesse der Allgemeinheit festzustellen und der zu erwartende wirtschaftliche Schaden geringfügig, fällt die Abwägung regelmäßig zugunsten der Informationsfreiheit aus. Ob ein Schaden geringfügig ist, ist jedoch im Lichte des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu beurteilen, unter dessen Schutz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen. Dieser verfassungsrechtliche Schutz indiziert wiederum, dass die Geringfügigkeit eines wirtschaftlichen Schadens grundsätzlich nur ausnahmsweise anzunehmen ist und ein Informationszugang demgegenüber nur in Frage kommt, wenn er zum Schutz eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit erforderlich ist.
114Vgl. OVG S.-H., Beschluss vom 22. Juni 2005 - 4 LB 30/04 -, juris Rn. 62 (zu § 11 IFG S.-H.); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 912 ff.
115Vorliegend ist dies nicht der Fall.
116Die Beklagte und die Beigeladene haben - wie ausgeführt - verdeutlicht, dass sich die Marktposition der Beigeladenen im Pharma-Bereich im Falle einer Offenlegung des Rahmenvertrags - in seiner unteilbaren Gesamtheit - erheblich verschlechtern kann. Dies ist keine geringfügige Schadensposition, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Beigeladenen nicht zuletzt von einer innovativen und qualifizierten Forschungsarbeit abhängt. Dagegen fallen keine eindeutig überwiegenden Allgemeininteressen ins Gewicht. Der Rahmenvertrag betrifft nur die Forschungszusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Eigene Interessen Dritter werden durch ihn nicht unmittelbar berührt. Außerdem informieren die Angaben, welche die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und in ihrem Schriftsatz vom 17. August 2015 zu dem Vertragsinhalt gemacht haben, so eingehend über diesen, dass schon auf dieser Grundlage eine substantielle Debatte über Forschungspartnerschaften von Universitäten und Pharmaunternehmen oder darüber, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtreten darf, stattfinden kann.
117IV. Um zu dieser Überzeugung zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten (dazu 1.) noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu 2.).
1181. Wie die Pressesprecherin der Beklagten den Vertragsinhalt in einem Pressegespräch eingestuft hat, ist für dessen informationsfreiheitsrechtliche Qualifizierung ohne Belang. Abgesehen davon hat die Pressesprecherin in dem von dem Kläger vorgelegten Zeitungsartikel vom 21. November 2012 lediglich kundgetan, sie sehe keine kritischen Vertragsinhalte, die „einer Veröffentlichung nach entsprechendem Richterspruch“ entgegenstünden. Damit ist letztlich nur erklärt, die Beklagte werde sich nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens im Falle ihres Unterliegens rechtskonform verhalten.
1192. Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und ‑würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
120Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
121Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation fordert es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auf, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
122Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
123Gemessen daran ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - ausführlichen - Vortrags der Beklagten und der Beigeladenen zu der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG und zu dem Ausschlussgrund des § 8 IFG NRW lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Bestimmungen eingreifen und einem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegenstehen. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Rahmenvereinbarung vom 26. März 2008 - zuletzt mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. August 2015 - genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt zu dem beschriebenen Ergebnis.
124V. Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen unter II. 1. b), wonach diese Bestimmung lediglich einen objektiven Informationsauftrag an die Hochschule enthält, nicht aber ein subjektives, anspruchsförmiges Informationsrecht.
125Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
126Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
127Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tatbestand
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-
Im Streit ist der Umfang des Presseauskunftsrechts in Bezug auf die Namen von Personen, die an einem strafgerichtlichen Verfahren mitgewirkt haben.
- 2
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Der Kläger ist Redakteur der juristischen Fachzeitschrift „Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht“ (ANA-ZAR). Er wurde durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010 auf ein Strafurteil des Amtsgerichts Nürtingen - Jugendschöffengericht - vom 2. Juli 2009 aufmerksam, mit dem ein afghanischer Staatsangehöriger zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. In den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010, das die Ausweisung des Verurteilten betraf, war das Strafurteil als rechtsfehlerhaft bezeichnet worden.
- 3
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Der Kläger bat den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen um Übersendung einer Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 zwecks Publikation in den ANA-ZAR. Er erhielt eine anonymisierte Urteilsabschrift. Mitgeteilt wurde ihm später der Name der Berufsrichterin. Mit Schreiben vom 25. Mai 2010 lehnte der Direktor des Amtsgerichts das Ersuchen des Klägers ab, ihm eine hinsichtlich der Personen, die berufsmäßig am Verfahren mitgewirkt haben, nicht anonymisierte Urteilsabschrift zu übersenden. Sinngemäß hieß es in dem Schreiben, die Belange der Schöffen, des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und des Verteidigers seien bei Abwägung gegen die Belange der Presse als vorrangig einzustufen. Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Präsident des Landgerichts Stuttgart wertete diesen als Dienstaufsichtsbeschwerde und teilte dem Kläger mit, er sehe keine Veranlassung für Maßnahmen der Dienstaufsicht.
- 4
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Der Kläger hat daraufhin Klage mit dem Begehren erhoben, unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 den Beklagten zu verpflichten, durch Übersendung einer nur hinsichtlich des Verurteilten anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Verweis auf vorrangige schutzwürdige private Interessen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) dieser Personen abgewiesen.
- 5
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Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat er mitgeteilt, das Strafurteil vom 2. Juli 2009 in den ANA-ZAR 2010, 32 unter Erwähnung des Namens der Berufsrichterin und des Verteidigers besprochen zu haben. Den Namen des Verteidigers habe er anderweitig erfahren. Hinsichtlich der Auskunft über den Namen der Berufsrichterin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat daraufhin vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und festzustellen, dass die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 rechtswidrig war, soweit keine Auskunft über den Namen des Verteidigers erteilt worden ist, sowie den Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 zu verpflichten, dem Kläger durch Übersendung einer - mit Ausnahme der Angaben zum Verurteilten, zur Berufsrichterin und zum Verteidiger - nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren.
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Im Umfang der Erledigungserklärung der Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt und das erstinstanzliche Urteil für unwirksam erklärt. Er hat ferner den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren mitwirkenden Schöffen zu erteilen, und die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 insoweit aufgehoben. Die Klage im Übrigen hat er abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt:
- 7
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Die Klage sei hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers unbegründet. Der Auskunftserteilung hätten schutzwürdige private Interessen des Verteidigers (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) entgegengestanden, die das Informationsinteresse des Klägers überwogen hätten. Bei Anwendung von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG bedürfe es der grundrechtlichen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffener. Das Gewicht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verteidigers werde in der vorliegenden Konstellation durch den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (§ 169 GVG) gemindert. Ein Verteidiger müsse sich grundsätzlich auf die Beobachtung seines beruflichen Verhaltens und eine in der Öffentlichkeit verbreitete Kritik unter Namensnennung einstellen. Das Informationsinteresse des Klägers habe im Ausgangspunkt ein erhebliches Gewicht, da es eine Frage betreffe - ob nämlich der im Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren habe -, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehe. Es sei zudem nicht mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen gewesen, dass die namentliche Benennung des Verteidigers in einer Veröffentlichung des Klägers eine unzulässige Pranger- oder Stigmatisierungswirkung erzeugt hätte. Dem Informationsinteresse des Klägers sei jedoch durch die Übersendung der anonymisierten Urteilsabschrift sowie die Nennung des Namens der Berufsrichterin bereits ganz überwiegend nachgekommen worden. Der Kläger habe so den Kern der die Öffentlichkeit angehenden Frage, ob der Verurteilte unangemessen hart bestraft worden sei, in der Fachzeitschrift hinreichend erörtern können. Der Name des Verteidigers sei für das Verständnis des Falls nicht wesentlich gewesen. Dieser trage unmittelbar keine Verantwortung für das Strafurteil. Das Informationsinteresse des Klägers sei daher als sehr gering und folglich nachrangig gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Verteidigers einzustufen.
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Die Klage sei begründet, soweit der Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren beteiligten Schöffen verlange. Die Namen der Schöffen hätten im Unterschied zum Namen des Verteidigers eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung des Verurteilten. Die Schöffen verantworteten das Urteil in gleicher Weise wie ein Berufsrichter.
- 9
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Die Klage sei im Hinblick auf die begehrte Auskunft über die Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unbegründet. Insoweit würden, wie im Fall des Verteidigers, überwiegende schutzwürdige Interessen in Gestalt der Persönlichkeitsrechte dieser Personen der Auskunftserteilung entgegenstehen. Auch ihre Namen besäßen keinen eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung. Staatsanwalt und Urkundsbeamtin trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil.
- 10
-
Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil, soweit hiermit seiner Klage nicht stattgegeben worden ist. Sein bereits in der Vorinstanz anhängig gemachtes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Hinblick auf die unterbliebene Auskunftserteilung zum Namen des Verteidigers verfolgt der Kläger unverändert weiter. Nachdem das Amtsgericht Nürtingen dem Kläger mit Schreiben vom 20. März 2014 eine vollständig ungeschwärzte Ablichtung des Strafurteils vom 2. Juli 2009 übermittelt hatte, hat er auch hinsichtlich der Auskunftserteilung zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren durch ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ersetzt.
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Der Kläger trägt in der Sache im Wesentlichen vor, die Presse müsse keine Gründe für ein Verlangen angeben, Informationen zu einem ihr bekannt gewordenen Strafverfahren zu erhalten. Ohne Kenntnis der Namen der am Verfahren Beteiligten seien bestimmte weitergehende Recherchen nicht möglich. Der Verwaltungsgerichtshof gehe fehl, wenn er dem Verteidiger und dem Staatsanwalt eine Mitverantwortung für den Verfahrensausgang abspreche. Das Gewicht ihres Persönlichkeitsrechts sei durch die Öffentlichkeit der Verhandlung erheblich gemindert.
- 12
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen sei verpflichtet gewesen, ihm durch Überlassung einer insoweit ungeschwärzten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts zu erteilen, die an dem betreffenden Strafverfahren mitgewirkt haben. In Bezug auf die verweigerte Auskunft über den Namen der mitwirkenden Urkundsbeamtin ist die Revision unbegründet. Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
- 14
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1. Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil im Hinblick auf die Auskunftsansprüche zu allen drei genannten Personen. Unschädlich ist, dass der Kläger in der Revisionsbegründung vom 2. Januar 2014 den Auskunftsanspruch hinsichtlich des Verteidigers nicht in dem dort formulierten Antrag aufgeführt hat. In den weiteren Ausführungen der Revisionsbegründung hat er hinreichend deutlich gemacht, das Berufungsurteil auch im Hinblick auf die Verneinung eines Auskunftsanspruchs zum Namen des Verteidigers für fehlerhaft zu halten und daher angreifen zu wollen; bereits bei Einlegung der Revision hatte er angegeben, das Berufungsurteil zur revisionsgerichtlichen Überprüfung stellen zu wollen, „soweit der Klage nicht stattgegeben wurde“ (Schriftsatz vom 24. Oktober 2013). Damit ist den aus § 139 Abs. 3 VwGO folgenden Anforderungen an die Bestimmung des Revisionsgegenstandes innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Genüge getan (vgl. Urteil vom 27. August 2008 - BVerwG 6 C 32.07 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn. 19). Der Revisionsbegründung kann ferner entnommen werden, dass es dem Kläger nicht nur um die Auskunftserteilung als solche geht, sondern auch um ihre spezifische Modalität in Gestalt der Überlassung einer nicht anonymisierten Urteilsabschrift.
- 15
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2. Die Klage ist mit dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren, das nunmehr die Auskunftsansprüche zu den Namen aller drei Personen einschließt, zulässig.
- 16
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a. Der Beklagte hat während des Revisionsverfahrens den Klageanspruch nicht anerkannt. Die Übermittlung einer ungeschwärzten Ablichtung der ersten Seite des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mit Schreiben des Amtsgerichts Nürtingen an den Kläger vom 20. März 2014 erfüllt nicht die Anforderungen an ein Anerkenntnis im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO.
- 17
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b. Der Rechtsstreit ist nicht im Nachgang zu der genannten Übermittlung aufgrund übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache beendet worden. Zwar sind dahingehende Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 18. Juni 2014 sowie im Schriftsatz des Klägers vom 14. Juli 2014 enthalten. Aus dem letztgenannten Schriftsatz ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es dem Kläger in Wahrheit nicht um eine Beendigung des Rechtsstreits gegangen ist, sondern er - nachdem durch die Übermittlung ein erledigendes Ereignis eingetreten war - die Absicht gefasst hat, nunmehr die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der früheren Auskunftsverweigerung zu erwirken. Der Übergang zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO schließt es aus, gleichzeitig eine Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO abzugeben (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1981 - BVerwG 8 C 39.80 - Buchholz 448.0 § 9 WPflG Nr. 7 S. 2). Da hinsichtlich des wahren Willens des Klägers kein Zweifel besteht, kann sein auf eine Erledigungserklärung weisendes Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 14. Juli 2014 als unbeachtlich gewertet werden.
- 18
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c. Die im Revisionsverfahren auch hinsichtlich der Auskunft zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin erfolgte Umstellung der Klage auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist statthaft. Da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, handelt es sich hierbei nicht um eine im Revisionsverfahren unzulässige (§ 142 Abs. 1 VwGO) Klageänderung (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO; vgl. etwa Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <19 f.> = Buchholz 406.252 § 7 UIG Nr. 1 S. 3). Das entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse liegt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr vor. Es besteht die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen in künftigen vergleichbaren Fällen ein Auskunftsbegehren des Klägers abschlägig bescheiden wird. An der Gefahr einer Wiederholung fehlt es entgegen dem Beklagten nicht deshalb, weil der Entscheidung über entsprechende Auskunftsbegehren stets eine am Einzelfall orientierte Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse der Presse und dem Persönlichkeitsrecht betroffener Personen voraus zu gehen hat. Eine solche Abwägung folgt, auch wenn sie Gegebenheiten des Einzelfalls einbezieht, bestimmten abstrakten Kriterien. Es ist denkbar, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen zukünftig gerade aufgrund der Kriterien, auf die er sich im vorliegenden Fall gestützt hat, dem Kläger eine Auskunft über die Namen von Personen verwehrt, die an Gerichtsverfahren mitwirken.
- 19
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3. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts begründet. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht in Gestalt der Pressefreiheit des Klägers gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (§ 137 Abs. 1 VwGO). Dass sich das Berufungsurteil insoweit aus anderen Gründen als richtig darstellen könnte (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist für den Senat nicht ersichtlich.
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a. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung, schutzwürdige private Interessen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG hätten der Auskunftserteilung entgegen gestanden, mit der Annahme begründet, dass die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte dieser Personen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unter den vorliegend gegebenen Umständen das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Auskunftsinteresse des Klägers überwogen hätten. Insoweit beruht seine Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG auf einer bestimmten Gewichtung und Abwägung revisiblen Rechts. Ein Instanzgericht wendet revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden sieht (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 160 S. 96).
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b. Mit der genannten Annahme hat der Verwaltungsgerichtshof die in Rede stehenden grundrechtlichen Positionen fehlerhaft abgewogen. Die Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts standen der Auskunftserteilung an den Kläger nicht entgegen, da dessen Auskunftsinteresse unter den gegebenen Umständen Vorrang zukam.
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aa. Dem vom Kläger verfolgten Auskunftsinteresse kam im vorliegenden Fall hohes Gewicht bei.
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(1) Das Auskunftsbegehren unterfiel dem Schutzbereich der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Der Schutz der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Der publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist besonderes Gewicht beizulegen. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen. Das gilt auch im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren. Die Pressefreiheit umschließt auch das Recht der im Pressewesen tätigen Personen, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1994 - 1 BvR 1595, 1606/92 - BVerfGE 91, 125 <134>). Auch die Recherche über Gerichtsverfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet, ist von der Pressefreiheit umfasst.
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(2) Das Auskunftsinteresse hatte unter den gegebenen Umständen hohes Gewicht.
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Die Pressefreiheit ist grundrechtlich im Hinblick darauf besonders geschützt, dass eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte Presse ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für eine Demokratie unentbehrlich ist (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <174>; Beschluss vom 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283 <296>). Der Presse kommt neben einer Informationsfunktion insbesondere auch eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 - DVBl 2009, 1166 Rn. 62; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 = Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 12). Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über ein gerichtliches Strafverfahren recherchiert. In diesem Verfahren wird staatliche Gewalt - überdies in besonders einschneidender Weise - ausgeübt. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt (vgl. zu dieser Abstufung BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, 269 <283>; Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <391>).
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Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse in Bezug auf Gerichtsverfahren erstreckt sich auch auf Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem Gerichtsverfahren mitwirken. Sie erschöpft sich nicht in der Berichterstattung zu sachlichen Verfahrensinhalten.
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(3) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine Gerichtsverhandlung bezog, an der er selbst nicht als Zuschauer teilgenommen hatte. Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse greift gleichermaßen bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter beigewohnt hat, wie bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter nicht beigewohnt hat. Sie greift auch in Bezug auf Verfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet.
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(4) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war ferner nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine frühere Gerichtsverhandlung bezog. Zum Zeitpunkt der Anfrage des Klägers lag der Erlass des Strafurteils weniger als ein Jahr zurück und war daher weiterhin von aktuellem Interesse.
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bb. Die Persönlichkeitsrechte eines Verteidigers und eines Staatsanwalts, nach deren Namen die Presse wegen ihrer Verfahrensmitwirkung fragt, sind infolge des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen in ihrem grundrechtlichen Gewicht gemindert.
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Der einfachgesetzlich in § 169 Satz 1 GVG normierte Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen besitzt als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 622/99 - BVerfGE 103, 44 <63>). Die Verfassung setzt damit als Regelfall voraus, dass die Mitwirkung des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft bei einer Gerichtsverhandlung unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet und so ihre Namen öffentlich bekannt werden können.
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Der Gesetzgeber ist zwar befugt, die Öffentlichkeit auf die im Raum der Verhandlung Anwesenden zu beschränken; von dieser Befugnis hat er in § 169 Satz 1 GVG Gebrauch gemacht. Eine derart beschränkte Öffentlichkeit genügt dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 65 f.). Wie anderen Personen ist aber auch Pressevertretern der Zugang zum Gerichtssaal eröffnet. Pressevertreter können so an Gerichtsverhandlungen teilnehmen und anschließend über sie berichten. Hierin wird berücksichtigt, dass Informationen in erster Linie über die Presse an die Öffentlichkeit vermittelt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 66). Ohne diese mediale Vermittlungsmöglichkeit würde der Kontroll- und Informationszweck des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatzes unzureichend umgesetzt werden. Bürger, die nicht selbst an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen, sind auf Presseberichterstattung angewiesen, um sich ein Bild von der Verhandlung machen und das Verfahren würdigen zu können. Die Zugänglichkeit der Gerichtsverhandlung gerade für Pressevertreter ist daher verfassungsrechtlich von besonderem Gewicht. Wenn die Verfassung voraussetzt, dass die Mitwirkung des Verteidigers sowie des Staatsanwalts bei einer Gerichtsverhandlung regelmäßig unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, rechnet sie ein, dass es sich hierbei potentiell um eine Medienöffentlichkeit handelt, d.h. die Namen der genannten Personen auch Vertretern der Presse bekannt werden können.
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Die Möglichkeit des (presse-)öffentlichen Bekanntwerdens der namentlichen Identität von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege in Gerichtsverhandlungen mitwirken, wird von der Verfassung nicht lediglich als tatsächliche Konsequenz des Öffentlichkeitsgrundsatzes bloß hingenommen, sondern sie entspricht der normativen Stoßrichtung dieses Grundsatzes. Das Bedürfnis, die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen, erstreckt sich auch auf die Identität der hieran mitwirkenden nichtrichterlichen, aber in weitem Umfang unabhängig handelnden Funktionsträger. Die Öffentlichkeit der Verhandlung soll unter anderem auch die Möglichkeit eröffnen, personelle Zurechnungszusammenhänge deutlich zu machen und so persönliche Verantwortlichkeiten zu markieren. Die mitwirkenden Funktionsträger sollen für die Art und Weise der Mitwirkung öffentlich einstehen.
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Hieraus erschließt sich, dass das Gewicht der Persönlichkeitsrechte mitwirkender Verteidiger oder Staatsanwälte nicht nach dem Zeitpunkt variieren kann, zu dem ein Auskunftsbegehren gestellt wird, das auf die Kenntnis ihrer namentlichen Identität gerichtet ist. Fragt ein Pressevertreter erst nach Abschluss einer Gerichtsverhandlung, an der er selbst nicht teilgenommen hat, nach den Namen des mitwirkenden Verteidigers bzw. des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, ist das Gewicht ihrer Persönlichkeitsrechte nicht höher einzustufen als in dem Fall, dass ein Pressevertreter ihre Namen aufgrund eigener Sitzungsteilnahme erfährt. Das rechtsstaatliche Bedürfnis, persönliche Verantwortlichkeiten für Akte der dritten Gewalt transparent zu machen, besteht im einen wie im anderen Fall gleichermaßen. Es kommt konsequenterweise auch nicht darauf an, ob im Einzelfall überhaupt eine Verhandlung bzw. eine öffentliche Verhandlung stattfindet. Die dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz innewohnende Wertung, amtliche Funktionsträger in gerichtlichen Verfahren hätten ebenso wie mitwirkende nichtamtliche Organe der Rechtspflege für ihre Mitwirkung öffentlich einzustehen, gilt unabhängig davon, welche Regelungen die Prozessordnungen über die Möglichkeit von Entscheidungen im schriftlichen Verfahren oder über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen.
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cc. Aus dem Vorstehenden folgt als Ergebnis, dass in einer Konstellation wie der Vorliegenden die Persönlichkeitsrechte von Staatsanwälten und Verteidigern das publizistische Informations- und Verbreitungsinteresse regelmäßig nicht überwiegen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich von Streitfällen entschieden, in denen die Zulässigkeit der Erstellung und Verbreitung von Bild- und Tonaufnahmen vor und nach gerichtlichen Verhandlungen oder in Sitzungspausen in Frage stand. Es hat hierbei ausgesprochen, dass Richter, Verteidiger und Staatsanwälte kraft des ihnen übertragenen Amtes bzw. ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege anlässlich ihrer Teilnahme an Gerichtsverhandlungen im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen und ein berechtigtes Interesse dieser Personen, nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren regelmäßig nicht anzunehmen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Juli 2000 - 1 BvQ 17/00 - DVBl 2000, 1778 <1779> und vom 7. Juni 2007 - 1 BvR 1438/07 - NJW-RR 2007, 1416; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 620/07 - BVerfGE 119, 309 <323 f.>; Kammerbeschluss vom 30. März 2012 - 1 BvR 711/12 - NJW 2012, 2178 <2179>). Diese auf das Recht am eigenen Bild bezogene Rechtsprechung kann auf den Fall, dass das Recht am eigenen Namen betroffen ist, übertragen werden.
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Etwaigen persönlichkeitsrechtlichen Risiken sind die genannten Personen hierdurch nicht schutzlos ausgesetzt. Die Rechtsordnung gibt ihnen Instrumente an die Hand, um sich gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Seiten der Presse angemessen zur Wehr setzen zu können. Die Offenbarung ihres Namens an die Presse entbindet diese nicht davon, beim weiteren Umgang mit der erlangten Information ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren. Auch öffentliche Amtsträger sind - auch hinsichtlich ihrer Amtstätigkeit - in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts einbezogen (vgl. Urteil vom 23. Juni 2004 - BVerwG 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <125 f.> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 49 S. 89).
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dd. Ein Vorrang der Persönlichkeitsrechte von mitwirkenden Verteidigern und Staatsanwälten gegenüber dem Informationsinteresse der Presse ist bei Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen, sofern diese Personen erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter zu befürchten haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 a.a.O. S. 324; Kammerbeschluss vom 21. Juli 2000 a.a.O.). Für solche Befürchtungen bestand nach dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt jedoch kein Grund. Dies gilt auch für die - hier maßgebliche - Erkenntnislage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts über das Auskunftsersuchen des Klägers.
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ee. Der Verwaltungsgerichtshof durfte dem Auskunftsinteresse des Klägers nicht aufgrund der Erwägung Nachrang gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Verteidigers und des Staatsanwalts einräumen, diese trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil vom 2. Juli 2009, so dass die Kenntnis ihrer Namen für das Verständnis des Falles nicht bedeutsam gewesen sei.
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(1) Mit dieser Erwägung lässt sich zum einen nicht begründen, dass das grundrechtliche Gewicht der Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts höher als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen wäre. Zwar ist ihre Verantwortung für Verlauf und Ausgang des gerichtlichen Verfahrens nicht dieselbe wie bei Mitgliedern des gerichtlichen Spruchkörpers. Jedoch verfügen Verteidiger und Staatsanwalt über eigene Verfahrensrechte und haben hierüber substantiellen Einfluss auf die gerichtliche Wahrheits- und Entscheidungsfindung. Die Informations- und Kontrollzwecke des Öffentlichkeitsgrundsatzes greifen aus diesem Grund auch ihnen gegenüber.
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(2) Die genannte Erwägung rechtfertigt zum anderen nicht, das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers geringer als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen.
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Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse wäre es nicht vereinbar, wenn die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhinge. Die Presse muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>; Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). Diese Maßgaben, die sich als Gebot staatlicher Inhaltsneutralität verstehen lassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 a.a.O. S. 506), sind nicht nur für das Stadium der Publikation, sondern auch für das vorgelagerte Stadium der Recherche von Belang. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Staatlichen Stellen dürfen sich keine Möglichkeiten bieten, über den Informationswert bestimmter Gegebenheiten mit zu entscheiden und auf diese Weise mittelbar auf den Publikationsinhalt Einfluss zu nehmen. Dem Einwand fehlender Eignung einer Information für die Aufbereitung eines bestimmten Themas steht darüber hinaus entgegen, dass die Bedeutung einer Information vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden kann. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen werden staatliche Stellen grundsätzlich nicht gerecht, wenn sie das grundrechtliche Gewicht eines von der Presse geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig machen. Sie würden hiermit auf einen Maßstab zugreifen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ihnen, sondern der Presse überantwortet.
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Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Presse im Rahmen der Recherche zu Gerichtsverfahren auch solche personenbezogenen Informationen herausverlangen dürfte, denen selbst bei Anlegung eines großzügigen, den besonderen Funktionsbedürfnissen und Arbeitsweisen der Presse vollauf Rechnung tragenden Maßstabs jede erkennbare materielle Bedeutung im Zusammenhang mit dem verlautbarten Thema der Recherche bzw. der ins Auge gefassten Berichterstattung abgeht. Das Auskunftsinteresse der Presse genießt keinen Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht eines an einem Gerichtsverfahren mitwirkenden nichtrichterlichen Funktionsträgers, wenn es speziell in Bezug auf diese Person im Dunkeln bleibt und so die Vermutung naheliegen muss, das Informationsverlangen erfolge insoweit „ins Blaue“ hinein oder besitze jedenfalls keinen ernsthaften sachlichen Hintergrund. Verweigert eine staatliche Stelle aus diesen Gründen die Herausgabe einer personenbezogenen Information und erläutert die Presse daraufhin nicht zumindest ansatzweise die von ihr zugrunde gelegte Einschätzung des Werts dieser Information für ihre Recherche bzw. die ins Auge gefasste Berichterstattung, muss die staatliche Stelle davon ausgehen, dass dem Informationsverlangen ein ernsthafter Hintergrund fehlt, und ist sie daher ausnahmsweise nicht zur Informationsherausgabe verpflichtet.
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Richtet sich wie hier das Informationsverlangen darauf, bei Überlassung einer Urteilsabschrift zu Publikationszwecken auch die Namen des mitwirkenden Verteidigers und des mitwirkenden Staatsanwalts zu erfahren, kann in Anbetracht der dargelegten Stellung dieser Personen im Rahmen des Gerichtsverfahrens indes schon den äußeren Umständen nach nicht davon ausgegangen werden, das Verlangen erfolge „ins Blaue“ hinein oder ihm fehle ein ernsthafter sachlicher Hintergrund. Der Kläger war folglich insoweit nicht gehalten, gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts nähere Erläuterungen vorzunehmen.
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(3) Keiner Erörterung bedarf im vorliegenden Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang der Presse bei Auskunftsverlangen gegenüber staatlichen Stellen, die sich auf nicht frei zugängliche Informationen beziehen, vorgelagert die Spezifizierung des von ihr anvisierten Recherche- bzw. Publikationsthemas obliegt, um die staatliche Stelle überhaupt erst in den Stand zu versetzen, eine Abwägung mit etwaigen entgegenstehenden Rechtspositionen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts angegeben, es gehe ihm um eine mögliche Publikation in einer juristischen Fachzeitschrift. Zu hierüber hinausgehenden Angaben war er nicht gehalten.
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c. Der Kläger besaß einen Anspruch darauf, dass ihm die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts im Wege der Überlassung einer hinsichtlich dieser Personen nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mitgeteilt werden. Insoweit genügt der Hinweis auf das Berufungsurteil, mit dem der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 LPresseG hinsichtlich der Namen der mitwirkenden Schöffen der Verpflichtungsklage des Klägers stattgegeben hat. Diese Entscheidung ist mangels entgegenstehender Hinweise in den Entscheidungsgründen so zu verstehen, dass sie - entsprechend dem ausdrücklich hierauf abzielenden Klagebegehren - den Beklagten zur Nennung der Namen der Schöffen speziell im Wege der Urteilsüberlassung verpflichtet hat. Für den Anspruch auf Auskunft über den Namen von Verteidiger und Staatsanwalt kann im Hinblick auf diese Modalität der Auskunftserteilung landesrechtlich nichts anderes gelten.
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4. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen der Urkundsbeamtin unbegründet. Ihr Persönlichkeitsrecht überwog im vorliegenden Fall das Auskunftsinteresse des Klägers. Insoweit verstößt das Berufungsurteil im Ergebnis nicht gegen revisibles Recht.
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Es kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Urkundsbeamtin eine vergleichsweise untergeordnete Funktion im Rahmen der gerichtlichen Wahrheits- und Entscheidungsfindung zukommt. Jedenfalls musste für den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen hinsichtlich ihrer Person im Dunkeln bleiben, welches Informationsinteresse der Kläger mit seinem Auskunftsverlangen verfolgte. Weder im Rahmen eines bloßen Urteilsabdrucks, noch im Rahmen einer Urteilsbesprechung entspricht es auch nur annähernd einer geläufigen journalistischen Praxis, auf die Person des Urkundsbeamten einzugehen oder gar dessen Namen zu publizieren. Der Verdacht, dass insoweit dem Auskunftsverlangen des Klägers ein ernsthafter sachlicher Hintergrund fehlte, lag daher nahe. Ausgehend von den oben dargelegten Maßstäben hätte es bei dieser Sachlage dem Kläger oblegen, sein Auskunftsinteresse zumindest ansatzweise zu substantiieren, nachdem ihm von Seiten des Amtsgerichtsdirektors die Einschätzung mitgeteilt worden war, der Name der Urkundsbeamtin sei „ohne Belang“. Zu diesem Schritt hat sich der Kläger jedoch nicht bereitgefunden.
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5. Kein anderes Ergebnis ergibt sich im Lichte sonstiger Vorschriften.
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a. Dies gilt zum einen für § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO, sofern man diese Vorschrift hier überhaupt für anwendbar halten sollte. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO sind Auskünfte zu erteilen, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 2 StPO sind sie zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Bei Anwendung dieser Maßgaben gelangt man jeweils zu den gleichen Erwägungen, wie sie vorstehend ausgeführt worden sind.
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b. Für einen Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG bestand schon in Anbetracht der abschließenden, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigenden gesetzlichen Regelungen in § 4 LPresseG kein Raum.
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c. Der Senat hat in einem Urteil vom 26. Februar 1997 - BVerwG 6 C 3.96 - (BVerwGE 104, 105 ff. = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 155) aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährleistungspflicht, dem Demokratiegebot sowie dem Grundsatz der Gewaltenteilung einen Verfassungsauftrag aller Gerichte hergeleitet, die Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 108 f. bzw. 8 f.). Hierzu seien zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses auf einer ersten Stufe herausgabefähige, insbesondere anonymisierte und neutralisierte Fassungen der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen herzustellen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 111 f. bzw. 10 f.). Für das vorliegende Verfahren kann dieses Urteil außer Betracht bleiben. Die danach bestehende verfassungsunmittelbare Herausgabepflicht reicht nicht weiter als die Herausgabepflicht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 LPresseG, die gegenüber jener Anwendungsvorrang genießt. Auf der anderen Seite hat der Senat mit diesem Urteil ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen wollen, es sei unter jeglichen Umständen verfassungsrechtlich geboten, Gerichtsentscheidungen Dritten, insbesondere auch Pressevertretern, ausschließlich bei Anonymisierung sämtlicher am Gerichtsverfahren mitwirkenden Personen zugänglich zu machen.
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6. Das im Berufungsurteil hervorgehobene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 14. November 2002 in der Sache „Wirtschafts-Trend“ Zeitschriften-Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich - Nr. 62746/00 - (Slg. 2002-X, 281 ff.) steht nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung. Zu entscheiden war dort über einen Pressebericht zu einem Abschiebungsversuch, der mit dem Tod des Abzuschiebenden endete. In dem Pressebericht waren Details aus strafrechtlichen Vorermittlungen gegen drei die Abschiebung begleitende Polizeibeamte sowie der Name eines dieser Beamten veröffentlicht worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil das Persönlichkeitsrecht des namentlich erwähnten Polizeibeamten höher gewichtet als das Auskunftsinteresse der Presse und es hiervon ausgehend für vereinbar mit Art. 10 EMRK gehalten, dass das Presseunternehmen zur Schadensersatzleistung gegenüber dem Polizeibeamten verurteilt worden war. Er hat sich hierbei mit auf die Erwägung gestützt, die Offenlegung des Namens des Polizeibeamten hätte keinen zusätzlichen Informationswert von derartigem Gewicht gehabt, dass er das Interesse dieses Beamten an der Nichtoffenlegung seiner Identität überwogen hätte („The disclosure of his full name did not add anything of public interest to the information already given in the article that could have outweighed the interests of the person concerned in non-disclosure of his identity“). Der Gerichtshof hat sich allerdings zusätzlich auf weitere Erwägungen gestützt, insbesondere darauf, dass sich die strafrechtlichen Vorermittlungen noch in einem frühen Stadium befunden hatten und dass das Privatleben des benannten Polizeibeamten durch die Veröffentlichung tatsächlich beeinträchtigt worden war. Der im hier zu entscheidenden Fall zentrale Gesichtspunkt, dass das Persönlichkeitsrecht von Verteidigern und Staatsanwälten, die an gerichtlichen Verhandlungen mitwirken, infolge des Öffentlichkeitsgrundsatzes in seinem Gewicht gemindert ist, konnte in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall nicht zum Tragen kommen. Mit Rücksicht auf diese Umstände ist die genannte Erwägung des Gerichtshofs zum fehlenden Informationswert des offengelegten Namens des Polizeibeamten auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
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7. Die Kostenentscheidung, in die der rechtskräftig gewordene Teil der vorinstanzlichen Kostenentscheidung einzubeziehen ist, beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.