Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0427.9A248.14.0A
bei uns veröffentlicht am27.04.2016

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 8.042,30 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Vorauszahlungsbescheid der Beklagten.

2

Sie ist Eigentümerin des 3.356 qm großen Grundstücks Dorfstr. xx (Flur x, Flurstück xx, Gemarkung Klein Niendorf), das von der Dorfstraße über einen privaten Stichweg erreichbar und mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut ist.

3

Die Stadtvertretung der Beklagten beschloss im Juli 2008 die umfassende Erneuerung der Dorfstraße in dem Bereich zwischen der Einmündung des Kühneweges und dem Hamdorfer Weg. Fahrbahn und Gehwege sollten dabei mit einem frostsicheren tragfähigen Unterbau versehen werden. Die Gehwege sollten z.T. verbreitert werden und Betonpflaster erhalten. Die Planung sah darüber hinaus die Erneuerung der Straßenbeleuchtung mit 11 statt vorher 6 Leuchten sowie die Verlängerung des Regenwasserkanals um 130 m vor. Die Sickerschächte sollten durch neue, an den Regenwasserkanal angeschlossene Straßenabläufe ersetzt werden.

4

Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2013 begonnen.

5

Die Beklagte entschied sich für die Erhebung von Vorauszahlungen in Höhe von 80% des voraussichtlichen Straßenbaubeitrages. Bei der Berechnung ging sie von einem beitragsfähigen Aufwand von voraussichtlich knapp 660.000,00 € aus und stufte die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße ein, so dass der Anliegeranteil bei der Fahrbahn 60% und bei den übrigen Teileinrichtungen 70% betrug.

6

Mit Bescheid vom 12.07.2013 zog sie die Klägerin für ihr Grundstück zu einer Vorauszahlung in Höhe von 8.057,70 € heran. Dabei ging sie davon aus, dass die 1.753,50 qm große Grundstücksfläche zwischen der der Dorfstraße zugewandten Grenze und der Tiefenbegrenzungslinie von 50 m bebaubar und aufgrund der vorhandenen zwei Vollgeschosse mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen sei, so dass sich hierfür eine gewichtete Fläche von 2.279,55 qm ergab. Die hinter der Tiefenbegrenzungslinie liegende Fläche von 1.602,50 qm multiplizierte sie mit dem Faktor 0,05, so dass 80,13 qm zu addieren waren und die beitragsfähige Fläche insgesamt 2.359,68 qm betrug.

7

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, ihr Grundstück habe keinen Vorteil von der Maßnahme, da es nicht an dem betroffenen Teilstück zwischen Hamdorfer Weg und Kühneweg liege. Ferner wendete sie sich gegen die Flächenberechnung für ihr Grundstück. Tatsächlich stünden als Bauland nur 815 qm zur Verfügung. Die Restfläche innerhalb der Tiefenbegrenzung sei nach der Ausbaubeitragssatzung als nicht bebaubar mit dem Faktor 0,3 zu bewerten. Eine Fläche von ca. 527 qm im vorderen Bereich sei als Überweg zu dem auf dem rückwärtigen Bereich befindlichen Regenwassergraben freizuhalten. Weitere 130 qm an der rückwärtigen Grundstücksgrenze gehörten zu einem Regenwassergraben. Für diese Flächen sei sie nicht bereit, einen Beitrag zu leisten. Die beitragsfähige Fläche betrage insgesamt nur 1.328,38 qm, nämlich (815 x 1,3 =) 1.059,50 qm Bauland, (657,3 x 0,3 =) 197,19 qm unbebaubare Fläche und (1.422,7 x 0,05 =) 71,69 qm Außenbereichsfläche. Daraus ergebe sich ein Beitrag von nur 5.670,01 €.

8

In der Folgezeit wurde zum gleichzeitig verhandelten Verfahren 9 A 214/14 ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (9 B 39/13), dem die Kammer mit Beschluss vom 06.01.2014 mit der Begründung stattgab, die Erhebung einer Vorausleistung sei nicht mehr zulässig. Vorausleistungen dürften nur bis zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erhoben werden, dies sei die Abnahme der Bauarbeiten. Abzustellen sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung. Da nach dem unwidersprochenen Vortrag in einem Parallelverfahren die Abnahme der Bauarbeiten inzwischen erfolgt und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden, über den Widerspruch aber noch nicht entschieden sei, sei die Erhebung von Vorausleistungen nicht mehr zulässig.

9

Das OVG Schleswig hat diesen Beschluss mit Beschluss vom 22.04.2014 (4 MB 2/14) geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nur hinsichtlich eines geringen Teilbetrages angeordnet. Die Erhebung einer Vorausleistung sei weiter zulässig, da entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden sei; es fehlten die Fertigstellung und Abnahme der Straßenbeleuchtung. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden überwiegend keine ernstlichen Zweifel. Das Abrechnungsgebiet sei von der Beklagten voraussichtlich im Wesentlichen zutreffend bestimmt worden. Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Grundstück Flurstück xx in die Abrechnung einbezogen werden müsse. Der Eigentümer des Anliegergrundstückes sei rechtlich zwar verpflichtet, eine Überwegung durch den von dem unmittelbaren Hinterliegergrundstück stammenden Verkehr zu dulden, nicht jedoch auch den vom weiteren Grundstück Flurstück xx stammenden Verkehr. Andererseits erscheine nicht ausgeschlossen, dass auch ein zunächst von diesem Flurstück stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls von dem Überwegungsrecht mit erfasst sei. Die Beantwortung dieser Frage hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung ab und auch davon, welche Funktion die Wegeparzelle aus den Flurstücken xx, xx und xx habe.

10

Die Beklagte wies danach den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 28.08.2014 zurück und führte zur Begründung aus, ihr Grundstück sei im beitragsrechtlichen Sinne bevorteilt, da es an der ausgebauten Einrichtung anliege. Auch die Beitragsfläche sei richtig berechnet. Die Tiefenbegrenzungslinie diene dazu, den bebaubaren Bereich vom grundsätzlich nicht bebaubaren Außenbereich abzugrenzen. Dass dabei auch Flächen als Bauland erfasst würden, die tatsächlich nicht bebaubar seien, sei Folge dieser Vereinfachung. Dies gelte auch für die vom Wegerecht erfasste Fläche und sei auch sachgerecht, da - außer bei Kerngebietsgrundstücken - die überbaubare Fläche eines Grundstücks immer geringer sei als die bebaubare Fläche. Da der Regenwassergraben nur eine Teilfläche des Grundstücks bedecke, schließe dies die Nutzung der Fläche nicht aus, die damit berücksichtigt werden müsste.

11

Dagegen hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft. Eine Tiefenbegrenzungslinie sei nur wirksam, wenn die Grundstücke im Gebiet der abzurechnenden Einrichtung typischerweise bis zu dieser Linie im Innenbereich lägen. Das sei im Abrechnungsgebiet gerade nicht der Fall. Die pauschalierte Tiefenbegrenzungslinie führe dazu, dass diverse Flächen beitragsrechtlich als Bauland herangezogen würden, obwohl sie nach § 34 BauGB nicht bebaubar seien. Im Übrigen sei nach der Satzung die Fläche bis zu einer Linie von 50 m zu berücksichtigen; dies impliziere, dass es sich um eine Höchstgrenze handele, die nicht „ausgereizt“ werden müsse.

12

Die Klägerin beantragt,

13

den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2014 insoweit aufzuheben, als eine Vorauszahlung von mehr als 4.500,00 € festgesetzt worden ist.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung führt sie aus, das Grundstück der Klägerin sei beitragspflichtig, da es über die Zufahrt an die Einrichtung angrenze. Die Bestimmungen der Satzung zur Tiefenbegrenzung seien rechtmäßig. Die Bestimmung des Abstandes liege im Ermessen des Satzungsgebers. Hier entspreche der gewählte Abstand von 50 m der typischen Tiefe der baulichen Nutzung im Gemeindegebiet, auf das maßgeblich abzustellen sei. Die Nutzungsfläche sei richtig ermittelt. Es sei unbeachtlich, wenn von den 1.753,50 qm Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzung nur 815 qm baulich nutzbar seien. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründe eine Vermutung dafür, dass das jeweilige Grundstück bis zur Tiefenbegrenzungslinie Baulandqualität besitze. Diese Vermutung sei nur dann widerlegt, wenn das Grundstück über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus tatsächlich bebaut oder gewerblich genutzt sei. Auch das Wegerecht lasse die Vermutungswirkung der Tiefenbegrenzungsregelung nicht entfallen. Ein Abweichen von dem festgelegten Abstand von 50 m komme nicht in Betracht, der Gemeinde komme insoweit kein Spielraum zu. Auch die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie liegende Grabenfläche sei mit dem Faktor 0,05 zu berücksichtigen, da die Nutzung dieser Flächen nicht ausgeschlossen sei.

17

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge auch zum gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren 9 A 214/14 und dem Verfahren 9 B 39/13 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit darin ein Ausbaubeitrag von mehr als 8.042,30 € festgesetzt ist; insoweit sind sie aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.

20

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide noch gültigen Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 12.11.1996 i.d.F. der 4. Nachtragssatzung vom 24.04.2013 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -). Danach erhebt die Beklagte für die Herstellung, den Ausbau und den Umbau sowie die Erneuerung von Einrichtungen der in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge für Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung Vorteile zuwachsen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 11 Abs. 1 ABS können Vorauszahlungen bis zu 80% der Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangt werden, sobald mit der Ausführung eines Vorhabens begonnen wird.

21

Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorauszahlung lagen vor. Die Bescheide ergingen nach Beginn der Baumaßnahmen. Weitere Voraussetzung für die Erhebung einer Vorauszahlung ist, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, denn von diesem Zeitpunkt an ist nur noch der Erlass eines endgültigen Bescheides zulässig (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Jan. 2016, § 8 Rn. 367; Böttcher in Thiem/Böttcher, KAG, Stand Nov. 2015, § 8 Rn. 1077 jeweils m.w.N.). Die sachliche Beitragspflicht entsteht grundsätzlich mit der Abnahme der im Bauprogramm vorgesehenen Maßnahmen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides war noch keine der vorgesehenen Maßnahmen abgenommen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 waren zwar die eigentlichen Bauarbeiten abgenommen, nicht aber - wie die Beklagte im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat - die im Bauprogramm ebenfalls vorgesehene Straßenbeleuchtung. Darüber hinaus war bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides und der Fertigstellung der Straßenbeleuchtung das Bauprogramm am 01.07.2014 aufgrund der Einigung der Beteiligten über den Erwerb des Grundstücksstreifens nochmals dahingehend geändert worden, dass Gehweg im Bereich des Grundstücks des Klägers doch ausgebaut werden sollte. Damit war die sachliche Beitragspflicht auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht entstanden. Auf die im Eilverfahren in der Sache 9 B 38/13 erörterte Frage, ob auf diesen Zeitpunkt oder aber den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides abzustellen ist, kommt es daher nicht an. Die Kammer hat sich zwischenzeitlich im Übrigen in einem Eilverfahren der Auffassung des OVG angeschlossen, wonach die Entstehung der Beitragspflicht während des Vorverfahrens unschädlich ist (Beschluss vom 26.01.2016 - 9 B 20/15 -; vgl. nunmehr auch Habermann a.a.O. Rn. 367).

22

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die abgerechneten Maßnahmen eine beitragspflichtige Erneuerung und z.T. auch eine beitragspflichtige Verbesserung darstellten; dass öffentliche Einrichtung die Dorfstraße zwischen der Ziegelstraße (B 432) und der Einmündung in den Hamdorfer Weg ist und dass die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße einzustufen ist. Bedenken gegen diese Annahmen bestehen nicht; das Gleiche gilt für die Schätzung des voraussichtlichen Aufwandes.

23

Das Grundstück der Klägerin ist durch diese Maßnahmen bevorteilt, auch wenn es nicht an dem ausgebauten Teilstück anliegt. Denn von einer beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilt sind grundsätzlich alle Grundstücke, die zu der ausgebauten Einrichtung in einer räumlich engen Beziehung stehen, d.h. die anliegenden Grundstücke und die Hinterliegergrundstücke (OVG Schleswig, Urteil vom 28.10.1997 -, Die Gemeinde 1998 S. 98). Dazu gehört das durch eine Zufahrt zur Dorfstraße erschlossene Grundstück der Klägerin.

24

Entgegen der im Parallelverfahren 9 A 214/14 und dem dazugehörigen Eilverfahren geäußerten Ansicht ist auch das Abrechnungsgebiet richtig gebildet.

25

Die Anlieger der Straße Wischhof waren nicht einzubeziehen, denn diese Straße stellt sich als eigenständige Einrichtung und nicht nur als unselbständiges „Anhängsel“ der Dorfstraße dar.

26

Nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG Schleswig besteht die im Ausbaubeitragsrecht erforderliche enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße auch bei solchen Grundstücken, die an einer - von der ausgebauten Straße abzweigenden - Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke „erschließt“, die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in „zweiter Baureihe“ liegen, so dass sich der Eindruck der Zugehörigkeit dieser Grundstücke zum Abrechnungsgebiet aufdrängt. Anders verhält es sich wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu „Hinterliegern“ hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt (vgl. z.B. OVG Schleswig, Urteil vom 30.04.2003 - 2 LB 118/01 - juris, und Beschluss vom 14.12.2007 - OVG 2 LA 23/07 -). Die Straße Wischhof ist ca. 160 m lang und erschließt außer den Eckgrundstücken noch ca. 10 weitere Grundstücke, so dass nach diesem Maßstab ein Zufahrtscharakter nicht mehr angenommen werden kann.

27

Zu Recht hat die Beklagte das Grundstück xx nicht in die Abrechnung mit einbezogen.

28

Eine vorteilsbegründende qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße kann auch für ein Hinterliegergrundstück, also für ein Grundstück, das von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt wird, bestehen. Dies ist der Fall, wenn vom Hinterliegergrundstück aus Zugang zur Straße über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden kann. Dies erfordert in der Regel eine dingliche Sicherung der Überwegung etwa durch eine Grunddienstbarkeit. Sind der Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks identisch, reicht es aus, dass entweder tatsächlich ein Zugang über das Anliegergrundstück besteht oder aber die Grundstücke einheitlich genutzt werden, insbesondere weil die Grundstücksgrenze überbaut ist oder die Grundstücke einheitlich z.B. gewerblich oder als Wohngrundstück mit Gartenland genutzt werden (Habermann a.a.O. Rn. 184, 186 f. m.w.N.).

29

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine dingliche Sicherung des Zugangs besteht nur für das unmittelbar an das Anliegergrundstück angrenzende Grundstück Flst. xx; zugunsten dieses Grundstücks ist auf dem Anliegergrundstück Flst. xx ein Wegerecht eingetragen. Auf das noch dahinterliegende Flst. xx erstreckt sich das Wegerecht nicht. Das OVG hat es im Eilverfahren für nicht ausgeschlossen gehalten, dass auch ein zunächst vom Flurstück xx stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls vom Überwegungsrecht über das Flurstück xx miterfasst sei. Die Beantwortung dieser Fragen hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung statt. Für eine entsprechende tatsächliche Übung gibt es jedoch in der Örtlichkeit keine Anhaltspunkte. Eine irgendwie geartete wegemäßige Verbindung zwischen dem Flurstück xx und dem Flurstück xx ist nicht erkennbar. Vielmehr ist der Bereich an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken dicht mit Brombeeren, Sträuchern etc. bewachsen, so dass tatsächlich eine Überwegung derzeit kaum möglich sein dürfte. Das Flurstück xx wird ausschließlich von Südosten, d.h. von der Moltkestraße her erschlossen (vgl. auch den Luftbildausdruck von „bing“ Bl. 79 GA 9 A 214/14 sowie den Lageplan mit Luftbild Bl. 94 GA 9 A 214/14).

30

Ein rechtlich gesicherter Zugang kann entgegen der Ansicht des Klägers im Parallelverfahren auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Grundstücke Flst. xx und xx demselben Eigentümer gehören. Die Eigentümeridentität allein reicht wie oben dargelegt nicht aus. Zusätzliche Umstände, die die Vorteilslage für das Hinterliegergrundstück begründen, fehlen hier jedoch. Weder besteht zwischen den beiden Grundstücken tatsächlich eine Zufahrt oder ein Zugang noch werden sie einheitlich genutzt.

31

Auch die zwischen den Beteiligten hauptsächlich streitige Berechnung der Beitragsfläche des Grundstücks der Klägerin ist nicht zu beanstanden.

32

Die Beklagte hat den Bereich des Grundstücks bis zur Tiefenbegrenzungslinie von 50 m zu Recht insgesamt als bebaubar angesehen und entsprechend der Geschossigkeit des Wohnhauses mit dem Faktor 1,3 bewertet.

33

Bedenken gegen die - übliche - Tiefenbegrenzung von 50 m sind nicht ersichtlich (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 18.11.2015 - 4 O 49/15 -; Habermann a.a.O. Rn. 231). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, diese Tiefe entspreche nicht der Ortsüblichkeit im Abrechnungsgebiet, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil auf die Verhältnisse im Gemeindegebiet abzustellen ist (Böttcher a.a.O. Rn. 593a). Dazu hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, diese Tiefe der baulichen Nutzung sei im Gemeindegebiet ortsüblich. Zweifel daran sind gerade auch im Hinblick auf den vorgelegten Verteilungsplan nicht ersichtlich, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Tiefe der baulichen Nutzung auch die „bauakzessorische Nutzung“, d.h. Hausgärten, Garagen etc. erfasst.

34

Entgegen der Ansicht der Klägerin und der von ihr zitierten Rechtsprechung ist die Tiefenbegrenzungsregelung hier auch nicht deshalb unwirksam, weil im Abrechnungsgebiet jedenfalls z.T. auch Grundstücke vorhanden sind, die im „zentralen Innenbereich“ liegen und bei denen sich die Frage der Abgrenzung zwischen baurechtlichem Innenbereich und Außenbereich nicht stellt (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 05.06.2014 - AN 3 K 13.01226 -, juris). Nach der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 4 KAG ist in Schleswig-Holstein eine Tiefenbegrenzungsregelung nicht nur in baulichen Randbereichen, sondern auch in innerörtlichen Kernzonen zulässig (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 231 und Böttcher a.a.O. Rn. 592a jeweils m.w.N.).

35

Aufgrund der damit wirksamen Tiefenbegrenzungsregelung ist es entgegen der Ansicht der Klägerin unerheblich, dass die Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie voll als bebaubar berücksichtigt wird, obwohl sie baurechtlich teilweise dem Außenbereich zuzuordnen sein dürfte. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründet die beitragsrechtliche Vermutung dafür, dass die Grundstücke des Innenbereichs bis zur festgesetzten Grenze erschlossen sind, d.h. Baulandqualität besitzen. Sie ist nur widerlegt, wenn über die Tiefengrenze hinaus Bebauung oder gewerbliche Nutzung vorhanden ist. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Tiefenbegrenzungsregelung, unter Bezugnahme auf Besonderheiten im Einzelfall nur eine geringere Fläche als die anhand der Tiefenbegrenzung ermittelte zu berücksichtigen, denn die Tiefenbegrenzung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität gerade ausschließen, dass in jedem Einzelfall überprüft werden muss, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt (OVG Schleswig, Urteil vom 19.05.2010 - 2 KN 2/09 - , juris). Daher ist die Vermutung insoweit nicht durch eine Einzelfallprüfung widerlegbar. Eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung findet deshalb auch Anwendung, wenn im Einzelfall der Außenbereich bereits diesseits der durch diese Bestimmung begründeten Grenze beginnt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II Rn. 411 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.09.1995 - 9 L 6639/93 - , juris). Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verlangt nicht eine Berücksichtigung aller Besonderheiten eines Einzelfalls, sondern lässt eine typisierende Verteilungsregelung zu, um zu gewährleisten, dass das Heranziehungsverfahren praktikabel und überschaubar bleibt (Habermann a.a.O. Rn. 217 m.w.N.; Böttcher a.a.O. Rn. 1003).

36

Die Funktion der Tiefenbegrenzungsregelung als Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu, hier im Einzelfall aufgrund der Formulierung „bis zu einer im Abstand von 50 m verlaufenden Linie“ auch eine geringere Tiefe anzunehmen. Nach § 6 Abs. 2 a) ABSwird die Fläche bis zu dieser Linie berücksichtigt, eine Abweichung ist danach nicht zulässig und widerspräche Sinn und Zweck der Regelung.

37

Die Fläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie ist auch insoweit als bebaubar zu berücksichtigen, als darauf ein Wegerecht des Zweckverbandes lastet. Solche Flächen sind in die Verteilung mit einzubeziehen (Habermann a.a.O. Rn. 348). Sie beeinflussen zwar den Standort baulicher Anlagen, ändern aber nichts an der Eigenschaft als bebaubare Fläche. Baugrundstücke können außer in Kerngebieten generell nicht in vollem Umfang bebaut werden (OVG Schleswig, Urteil vom 08.07.2015, - 4 LB 15/14 -, juris Rn. 65 zu einem freizuhaltenden Gewässerrandstreifen).

38

Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie gelegene Fläche ist nach § 6 Abs. 2 ABS mit dem Faktor 0,05 berücksichtigt. Dies ist auch insoweit gerechtfertigt, als sich darauf an der rückwärtigen Grenze ein Entwässerungsgraben befindet; auch eine solche Fläche ist nicht jeglicher Nutzung entzogen (vgl. auch OVG Schleswig, Beschluss vom 07.04.2016 - 2 LA 8/16 - zur Einbeziehung eines Regenrückhaltebeckens mit dem Faktor 0,03).

39

Die Berechnung der Beklagten ist nur hinsichtlich des insgesamt 5376 qm unbebauten Grundstücks Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. xx) zu korrigieren, das die Beklagte hinsichtlich der vor der Tiefenbegrenzungslinie liegenden Grundstücksfläche (645 qm) als eingeschossig bebaubar angesehen hat. Es handelt sich um ein Eckgrundstück, das gleichzeitig an die Straße Glindenberg angrenzt und im vorderen Bereich an der Dorfstraße nur ca. 13 - 14 m breit ist. Östlich benachbart liegt das zweigeschossig bebaute Grundstück Dorfstraße xx; das auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Glindenberg liegende Gebäude ist ebenfalls zweigeschossig. Im rückwärtigen südlichen Bereich wird das Flurstück xx deutlich breiter und grenzt an das eingeschossig bebaute Grundstück Dorfstr. xx an, dessen Zufahrt zum Glindenberg über das Flurstück xx führt. Dieses Grundstück sowie die Grundstücke Glindenberg Nr. xx und xx hat die Beklagte als die maßgeblichen Grundstücke in der näheren Umgebung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS angesehen und dies damit begründet, dass der vordere Grundstücksteil für eine Bebauung zu schmal und daher auf den rückwärtigen Grundstücksteil abzustellen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

40

Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ABS wird für die Ermittlung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung die nach § 6 ermittelte Grundstücksflächeohne die mit dem Faktor 0,05 berücksichtigten Flächen mit den sich aus Abs. 2 Nr. 1 aus der Zahl der Vollgeschosse ergebenden Faktoren vervielfacht. Daher ist der rückwärtige Bereich jenseits der Tiefenbegrenzungslinie, dessen Fläche mit dem Faktor 0,05 vervielfacht wurde, hier außer Betracht zu lassen. Maßgeblich ist auf die bebaubare vordere Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie abzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese nicht bebaubar wäre; bei einer Breite von mindestens 13 m verblieben bei Berücksichtigung der Grenzabstände für ein Gebäude noch 7 m; dies reicht aus. Bezogen auf diesen Grundstücksteil sind in der näheren Umgebung überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Der Begriff der „näheren Umgebung“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ist in gleicher Weise auszulegen wie in § 34 BauGB, da sich die Bemessung des Vorteils an der zulässigen Bebauung orientiert (vgl. Böttcher a.a.O. Rn. 648). Für den vorderen Grundstücksteil sind prägend die jeweils zweigeschossigen Gebäude links und rechts. Es kann offen bleiben, ob auch das rückwärtig gelegene Gebäude Dorfstr. xx zur „näheren Umgebung“ zu zählen ist, denn auch in diesem Fall sind überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Die eingeschossigen Grundstücke Glindenberg xx und xx prägen den vorderen Grundstücksbereich nicht mehr.

41

Daher sind die 645 qm vor der Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen, so dass für das Grundstück (645 x 1,3 =) 838,50 qm zuzüglich 237 qm nicht baulich nutzbarer Fläche und damit insgesamt 1075,50 qm und nicht wie von der Beklagten angenommen 882 qm zu berücksichtigen sind. Die Gesamtbeitragsfläche im Abrechnungsgebiet vergrößert sich dadurch um 193,50 qm auf 101.215,17 qm; der Beitragssatz verringert sich von 4,268431 €/qm auf 4,260271 €/qm. Damit ergibt sich für das Grundstück der Klägerin ein voraussichtlicher Beitrag von (2359,68 qm x 4,260271 =) 10.052,88 €, wovon 80% und damit 8.042,30 € als Vorausleistung zu zahlen sind.

42

Die Klage war daher nur in Höhe des Differenzbetrages von 15,40 € stattzugeben; im Übrigen ist sie unbegründet.

43

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin insgesamt auferlegt, da sie nur in sehr geringem Umfang obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14

Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Referenzen - Urteile

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 248/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2016 - 9 A 214/14

bei uns veröffentlicht am 27.04.2016

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 18.997,40 € festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 26. Jan. 2016 - 9 B 20/15

bei uns veröffentlicht am 26.01.2016

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 30.04.2015 wird hinsichtlich der drei Grundstücke 1) Lindenstraße xx, Flur xx, Flst. xx in Höhe von 4.379,70 €, 2) Lindenstraße xx, Flur xx, Flst.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 08. Juli 2015 - 4 LB 15/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2015

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 2013 geändert: Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2011 wird

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 07. Jan. 2014 - 9 B 39/13

bei uns veröffentlicht am 07.01.2014

Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2013 wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Der Streitwert wird auf 4.758,

Referenzen

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 18.997,40 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Vorauszahlungsbescheid der Beklagten.

2

Er ist Eigentümer mehrerer Grundstücke an der Dorfstraße in Bad S.; u.a. des 10.457 m² großen Grundstücks Flur x, Flurstück xx, Gemarkung …, das als Pferdekoppel genutzt wird.

3

Die Stadtvertretung der Beklagten beschloss im Juli 2008 die umfassende Erneuerung der Dorfstraße in dem Bereich zwischen der Einmündung des Kühneweges und dem Hamdorfer Weg. Fahrbahn und Gehwege sollten dabei mit einem frostsicheren tragfähigen Unterbau versehen werden. Die Gehwege sollten z.T. verbreitert werden und Betonpflaster erhalten. Die Planung sah darüber hinaus die Erneuerung der Straßenbeleuchtung mit 11 statt vorher 6 Leuchten sowie die Verlängerung des Regenwasserkanals um 130 m vor. Die Sickerschächte sollten durch neue, an den Regenwasserkanal angeschlossene Straßenabläufe ersetzt werden.

4

Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2013 begonnen.

5

Die Beklagte entschied sich für die Erhebung von Vorauszahlungen in Höhe von 80% des voraussichtlichen Straßenbaubeitrages. Bei der Berechnung ging sie von einem beitragsfähigen Aufwand von voraussichtlich knapp 660.000,00 € aus und stufte die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße ein, so dass der Anliegeranteil bei der Fahrbahn 60% und bei den übrigen Teileinrichtungen 70% betrug.

6

Mit Bescheid vom 12.07.2013 zog sie den Kläger für das hier streitige Grundstück zu einer Vorauszahlung in Höhe von 19.033,78 € heran.

7

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (9 B 39/13). Zur Begründung beanstandete er zunächst die für sein Grundstück ermittelte beitragsfähige Fläche. Die Flächenermittlung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil ein Grundstücksstreifen entlang der Straße erfasst werde, der nach der Ausbauplanung als Gehweg vorgesehen sei. Der Grunderwerb sei noch nicht durchgeführt. Damit seien ca. 200 m² aus der Veranlagung auszusondern.

8

Die Beklagte gehe auch zu Unrecht davon aus, dass das Grundstück bis zu der von ihr angenommenen Tiefenbegrenzungslinie von 50 m Baulandqualität im Sinne des § 34 BauGB besitze. Das Grundstück gehöre vielmehr vollumfänglich zum Außenbereich; es handele sich um eine sogenannte Außenbereichsinsel im Innenbereich. Das Grundstück selbst sei nicht Bestandteil des Bebauungszusammenhanges, da es nicht die Qualität einer sogenannten „Baulücke“ besitze. Dafür sei der Abstand zwischen den westlich und östlich anschließenden Gebäuden an der Dorfstraße mit ca. 90 m zu groß. Zwar seien für die maximale Ausdehnung einer Baulücke keine festen Zahlenwerte bestimmbar, es werde jedoch regelmäßig davon ausgegangen, dass in einem Wohngebiet bis zu einem Abstand von ca. 60 m eine Baulücke angenommen werden könne. Selbst wenn man jedoch von einer Baulücke ausgehen sollte, wäre allenfalls der innerhalb der Bauflucht liegende Bereich des Grundstückes mit dem Faktor 1 zu bewerten, nicht jedoch der zwischen der rückwärtigen Grenze der Bauflucht und der Tiefenbegrenzungslinie liegende Teil.

9

Darüber hinaus sei die zugrundegelegte Abrechnungsfläche insgesamt zu klein, da auch die Anlieger der Straße Wischhof hätten mit einbezogen werden müssen. Nach der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich bei diesem Straßenzug nicht um ein selbständiges Element des Straßennetzes.

10

Ferner sei das Grundstück Flurstück xx, das im Bebauungsplan als private Grünfläche festgesetzt sei, in die Verteilungsfläche einzubeziehen. Es handele sich um ein beitragspflichtiges Hinterliegergrundstück. Zugunsten des unmittelbaren Hinterliegergrundstücks (Flurstück xx) sei auf dem Anliegergrundstück (Flurstück xx, Dorfstraße xx) ein Wegerecht eingetragen. Das unmittelbare Hinterliegergrundstück und das Flurstück xx gehörten dem gleichen Eigentümer, so dass dieser von der Dorfstraße aus zunächst über das Anliegergrundstück aufgrund seines Wegerechtes zum Flurstück xx und von da aus aufgrund der Eigentümeridentität auf das dahinterliegende Flurstück xx rechtlich gesichert gelangen könne.

11

Ferner seien weitere Grundstücke mit einer zu geringen Beitragsfläche berücksichtigt worden. Das Grundstück Dorfstraße xx (Gaststätte XY) und das südlich davon liegende unbebaute Grundstück Flurstück xx seien fehlerhaft mit nur einem Vollgeschoss und damit dem Faktor 1,0 berücksichtigt worden. Tatsächlich weise der XY zwei Vollgeschosse auf; dies präge dann auch das Flurstück xx. Auch das unbebaute Flurstück xx auf der Südseite der Dorfstraße habe mit dem Faktor 1,3 berücksichtigt werden müssen, da es aufgrund der Bebauung auf den Nachbargrundstücken zweigeschossig bebaubar sei.

12

Die Beklagte trat dem entgegen und führte aus, das Grundstück des Klägers sei richtig veranlagt. Die Fläche für den Gehweg sei nicht abzuziehen, da das Bauprogramm insoweit bereits vor Beginn der Baumaßnahmen wirksam geändert worden sei. Da es ihr nicht gelungen sei, sich mit dem Kläger über einen Erwerb der Grundstücksfläche zu einigen, habe die Stadtvertretung am 11.12.2012 beschlossen, den nördlichen Gehweg an dieser Stelle nicht zu errichten, sondern stattdessen eine weitere Querungshilfe zu bauen. Sie sei allerdings weiterhin an einem Erwerb der Grundstücksfläche und dem Bau des Gehweges interessiert.

13

Das Grundstück liege ferner jedenfalls in seinem vorderen Bereich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles nach § 34 BauGB; diese Auffassung vertrete nach einem Vermerk vom 24.10.2013 auch die zuständige Baubehörde des Kreises Segeberg. Es gelte daher bis zu der nach der Ausbaubeitragssatzung zu berücksichtigenden Tiefenbegrenzungslinie von 50 m als Bauland. Diese Fläche sei mit dem Faktor 1,0 zu vervielfachen, da in der näheren Umgebung überwiegend eingeschossige Gebäude vorhanden seien. Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie liegende Fläche sei mit dem Faktor 0,05 zu berücksichtigen.

14

Das Grundstück xx sei zu Recht nicht berücksichtigt worden. Es könne von der Dorfstraße her nicht in rechtlich zulässiger Weise betreten werden. Ein Wegerecht gelte immer nur für das Grundstück, für das es eingetragen sei. Eine Nutzung für weitere Grundstücke sei rechtswidrig. Das gelte auch dann, wenn diese Grundstücke im Eigentum derselben Person stünden wie das berechtigte Grundstück. Der Eigentümer der beiden hinterliegenden Grundstücke dürfe daher sein Wegerecht über das Anliegergrundstück nur nutzen, um auf das begünstigte Grundstück Flurstück xx zu kommen, nicht aber auf das Grundstück xx.

15

Die Grundstücke am Wischhof seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil der Wischhof nicht zur Einrichtung Dorfstraße gehöre. Die ca. 160 m lange Straße vermittele nicht den Eindruck, dass es sich lediglich um eine unselbständige Zufahrt zu vereinzelten Hinterliegergrundstücken handele.

16

Das Grundstück Dorfstraße xx (XY) sei zu Recht mit nur einem Vollgeschoss berücksichtigt worden, bei dem darüber liegenden Geschoss handele es sich um ein Staffelgeschoss.

17

Die unbebauten Grundstücke Flurstücke xx und xx seien zu Recht mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt worden, da die Grundstücke der näheren Umgebung überwiegend mit nur einem Vollgeschoss bebaut seien.

18

Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.01.2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruches angeordnet und zur Begründung ausgeführt, die Erhebung einer Vorausleistung sei nicht mehr zulässig. Vorausleistungen dürften nur bis zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erhoben werden, dies sei die Abnahme der Bauarbeiten. Abzustellen sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung. Da nach dem unwidersprochenen Vortrag in einem Parallelverfahren die Abnahme der Bauarbeiten inzwischen erfolgt und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden, über den Widerspruch aber noch nicht entschieden sei, sei die Erhebung von Vorausleistungen nicht mehr zulässig.

19

Das OVG Schleswig hat diesen Beschluss mit Beschluss vom 22.04.2014 (4 MB 2/14) geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nur insoweit angeordnet, als eine Vorauszahlung von mehr 18.954,37 € festgesetzt worden war. Die Erhebung einer Vorausleistung sei weiter zulässig, da entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden sei; es fehlten die Fertigstellung und Abnahme der Straßenbeleuchtung. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden überwiegend keine ernstlichen Zweifel. Das Abrechnungsgebiet sei von der Beklagten voraussichtlich im Wesentlichen zutreffend bestimmt worden. Die Grundstücke am Wischhof seien nicht mit einzubeziehen, da der Charakter dieser Straße bei einer Länge von ca. 160 m und deutlich mehr als 10 erschlossenen Grundstücke über den einer gemeinsamen Grundstückszufahrt hinausgehe. Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Grundstück Flurstück xx in die Abrechnung einbezogen werden müsse. Der Eigentümer des Anliegergrundstückes sei rechtlich zwar verpflichtet, eine Überwegung durch den von dem unmittelbaren Hinterliegergrundstück stammenden Verkehr zu dulden, nicht jedoch auch den vom weiteren Grundstück Flurstück xx stammenden Verkehr. Andererseits erscheine nicht ausgeschlossen, dass auch ein zunächst von diesem Flurstück stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls von dem Überwegungsrecht mit erfasst sei. Die Beantwortung dieser Frage hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung ab und auch davon, welche Funktion die Wegeparzelle aus den Flurstücken xx, xx und xx habe. Die Annahme des Klägers, die Fläche seines Grundstückes sei um einen Streifen mit einer Fläche von ca. 200 m² für den geplanten Gehweg zu verringern, sei unzutreffend, da die Antragsgegnerin ihre Ausbauplanung inzwischen geändert habe. Die Beklagte habe die Grundstücksfläche auch zu Recht bis zur Tiefenbegrenzung als einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil gemäß § 34 BauGB angesehen. Aus dem Lageplan sei zu ersehen, dass das Grundstück im Bereich seiner Angrenzung an die Dorfstraße die Breite einer Baulücke nicht überschreite. Die umgebenen bebauten Anliegergrundstücke verhielten sich in etwa in ähnlicher Breite. Auf die jenseits der Tiefengrenze gelegene Teilfläche habe die bauplanungsrechtliche Einstufung des vorderen Grundstücksteils keinen Einfluss.

20

Die Miteinbeziehung des Flurstücks xx in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke führe nach der eingeholten Vergleichsberechnung zu einer Minderung der festgesetzten Beitragshöhe von 19.033,78 € auf 18.954,37 €.

21

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 31.07.2014 in vollem Umfang zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des OVG und hielt daran fest, dass das Flurstück xx nicht mit einzubeziehen sei. Das Grundstück werde nicht von der Dorfstraße aus, sondern ausschließlich von Süden her erschlossen.

22

Daraufhin hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen Vortrag im Eilverfahren ergänzt und vertieft. Ergänzend führt er aus, die Beklagte habe inzwischen den Grundstücksstreifen erworben und unter dessen Einbeziehung ihr Bauprogramm erneut geändert und die Straße unter Inanspruchnahme dieses Streifens inzwischen auch hergestellt, ohne dass diese Fläche im Rahmen der Veranlagung ausgesondert worden wäre. Die Einschätzung des OVG, dass es sich bei seinem Grundstück um eine „Baulücke“ handele, widerspreche den Verhältnissen vor Ort. Auch wenn man eine Bebauung entlang der Straße für zulässig halte, dürfe doch der dahinterliegende Bereich insgesamt nur mit dem Faktor 0,05 bewertet werden. Insoweit handele es sich eindeutig um eine Außenbereichsfläche. Daher sei die Vermutung der Tiefenbegrenzungsregelung, dass die Fläche bis zu 50 m als bebaubar gelte, widerlegt. Eine Widerlegung der Vermutung müsse möglich sein, da anderenfalls der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verletzt sei.

23

Auf die von ihm gerügte zu niedrige Veranlagung dreier Grundstücke sei das OVG nicht eingegangen. An dem Vortrag dazu werde festgehalten.

24

Der Kläger beantragt,

25

den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 aufzuheben.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im Eilverfahren und im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, es sei beabsichtigt, die auf das klägerische Grundstück entfallene Vorauszahlung nach Abzug der verkauften Teilfläche neu zu ermitteln, sobald die amtliche Vermessung erfolgt sei. Allerdings hätten weder der Verkauf noch der Eigentumswechsel an der Teilfläche Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides. Ein Wechsel im Eigentum wirke sich regelmäßig nicht aus, da die Vorauszahlung bei Erhebung des endgültigen Betrages gegenüber dem Schuldner des endgültigen Betrages zu verrechnen sei.

29

Zur Geschossigkeit des Grundstückes Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 70) sei zu ergänzen, dass der der Straße zugewandte nördliche Grundstücksteil als Zuwegung zu dem Gebäude mit der postalischen Anschrift Dorfstraße xx genutzt werde und für eine Bebauung mit einem Gebäude zu schmal sei. Ein Gebäude dürfe, wenn überhaupt, vermutlich nur auf dem rückwärtigen südlichen Teil des Grundstücks errichtet werden. An dieser Stelle werde der Bebauungszusammenhang aber von den Gebäuden auf den Grundstücken Dorfstraße xx, Glindenberg xx und Glindenberg xx geprägt. Diese seien alle nur mit einem Vollgeschoss bebaut.

30

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge auch zum Verfahren 9 B 39/13 und dem gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren 9 A 248/14 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit darin ein Ausbaubeitrag von mehr als 18.997,40 € festgesetzt ist; insoweit sind sie aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.

33

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide noch gültigen Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 12.11.1996 i.d.F. der 4. Nachtragssatzung vom 24.04.2013 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -). Danach erhebt die Beklagte für die Herstellung, den Ausbau und den Umbau sowie die Erneuerung von Einrichtungen der in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge für Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung Vorteile zuwachsen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 11 Abs. 1 ABS können Vorauszahlungen bis zu 80% der Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangt werden, sobald mit der Ausführung eines Vorhabens begonnen wird.

34

Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorauszahlung lagen vor. Die Bescheide ergingen nach Beginn der Baumaßnahmen. Weitere Voraussetzung für die Erhebung einer Vorauszahlung ist, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, denn von diesem Zeitpunkt an ist nur noch der Erlass eines endgültigen Bescheides zulässig (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Jan. 2016, § 8 Rn. 367; Böttcher in Thiem/Böttcher, KAG, Stand Nov. 2015, § 8 Rn. 1077 jeweils m.w.N.). Die sachliche Beitragspflicht entsteht grundsätzlich mit der Abnahme der im Bauprogramm vorgesehenen Maßnahmen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides war noch keine der vorgesehenen Maßnahmen abgenommen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 waren zwar die eigentlichen Bauarbeiten abgenommen, nicht aber - wie die Beklagte im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat - die im Bauprogramm ebenfalls vorgesehene Straßenbeleuchtung. Darüber hinaus war bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides und der Fertigstellung der Straßenbeleuchtung das Bauprogramm am 01.07.2014 aufgrund der Einigung der Beteiligten über den Erwerb des Grundstücksstreifens nochmals dahingehend geändert worden, dass Gehweg im Bereich des Grundstücks des Klägers doch ausgebaut werden sollte. Damit war die sachliche Beitragspflicht auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht entstanden. Auf die im Eilverfahren erörterte Frage, ob auf diesen Zeitpunkt oder aber den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides abzustellen ist, kommt es daher nicht an. Die Kammer hat sich zwischenzeitlich im Übrigen in einem Eilverfahren der Auffassung des OVG angeschlossen, wonach die Entstehung der Beitragspflicht während des Vorverfahrens unschädlich ist (Beschluss vom 26.01.2016 - 9 B 20/15 -; vgl. nunmehr auch Habermann a.a.O. Rn. 367).

35

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die abgerechneten Maßnahmen eine beitragspflichtige Erneuerung und z.T. auch eine beitragspflichtige Verbesserung darstellten; dass öffentliche Einrichtung die Dorfstraße zwischen der Ziegelstraße (B 432) und der Einmündung in den Hamdorfer Weg ist und dass die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße einzustufen ist. Bedenken gegen diese Annahmen bestehen nicht; das Gleiche gilt für die Schätzung des voraussichtlichen Aufwandes.

36

Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein streitigen Beitragsfläche ergibt sich nur eine geringfügige Änderung.

37

Die Beklagte hat zunächst das Abrechnungsgebiet richtig gewählt. Die Anlieger der Straße Wischhof waren nicht einzubeziehen, denn diese Straße stellt sich als eigenständige Einrichtung und nicht nur als unselbständiges „Anhängsel“ der Dorfstraße dar.

38

Nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG Schleswig besteht die im Ausbaubeitragsrecht erforderliche enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße auch bei solchen Grundstücken, die an einer - von der ausgebauten Straße abzweigenden - Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke „erschließt“, die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in „zweiter Baureihe“ liegen, so dass sich der Eindruck der Zugehörigkeit dieser Grundstücke zum Abrechnungsgebiet aufdrängt. Anders verhält es sich wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu „Hinterliegern“ hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt (vgl. z.B. OVG Schleswig, Urteil vom 30.04.2003 - 2 LB 118/01 - juris, und Beschluss vom 14.12.2007 - OVG 2 LA 23/07 -). Die Straße Wischhof ist ca. 160 m lang und erschließt außer den Eckgrundstücken noch ca. 10 weitere Grundstücke, so dass nach diesem Maßstab ein Zufahrtscharakter nicht mehr angenommen werden kann.

39

Zu Recht hat die Beklagte das Grundstück xx nicht in die Abrechnung mit einbezogen.

40

Eine vorteilsbegründende qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße kann auch für ein Hinterliegergrundstück, also für ein Grundstück, das von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt wird, bestehen. Dies ist der Fall, wenn vom Hinterliegergrundstück aus Zugang zur Straße über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden kann. Dies erfordert in der Regel eine dingliche Sicherung der Überwegung etwa durch eine Grunddienstbarkeit. Sind der Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks identisch, reicht es aus, dass entweder tatsächlich ein Zugang über das Anliegergrundstück besteht oder aber die Grundstücke einheitlich genutzt werden, insbesondere weil die Grundstücksgrenze überbaut ist oder die Grundstücke einheitlich z.B. gewerblich oder als Wohngrundstück mit Gartenland genutzt werden (Habermann a.a.O. Rn. 184, 186 f. m.w.N.).

41

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine dingliche Sicherung des Zugangs besteht nur für das unmittelbar an das Anliegergrundstück angrenzende Grundstück Flst. xx; zugunsten dieses Grundstücks ist auf dem Anliegergrundstück Flst. xx ein Wegerecht eingetragen. Auf das noch dahinterliegende Flst. xx erstreckt sich das Wegerecht nicht. Das OVG hat es im Eilverfahren für nicht ausgeschlossen gehalten, dass auch ein zunächst vom Flurstück xx stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls vom Überwegungsrecht über das Flurstück xx miterfasst sei. Die Beantwortung dieser Fragen hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung statt. Für eine entsprechende tatsächliche Übung gibt es jedoch in der Örtlichkeit keine Anhaltspunkte. Eine irgendwie geartete wegemäßige Verbindung zwischen dem Flurstück xx und dem Flurstück xx ist nicht erkennbar. Vielmehr ist der Bereich an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken dicht mit Brombeeren, Sträuchern etc. bewachsen, so dass tatsächlich eine Überwegung derzeit kaum möglich sein dürfte. Das Flurstück xx wird ausschließlich von Südosten, d.h. von der Moltkestraße her erschlossen (vgl. auch den Luftbildausdruck von „bing“ Bl. 79 Gerichtsakte sowie den Lageplan mit Luftbild Bl. 94).

42

Ein rechtlich gesicherter Zugang kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Grundstücke Flst. xx und xx demselben Eigentümer gehören. Die Eigentümeridentität allein reicht wie oben dargelegt nicht aus. Zusätzliche Umstände, die die Vorteilslage für das Hinterliegergrundstück begründen, fehlen hier jedoch. Weder besteht zwischen den beiden Grundstücken tatsächlich eine Zufahrt oder ein Zugang noch werden sie einheitlich genutzt.

43

Bei der Berechnung der für die Grundstücke im Abrechnungsgebiet jeweils zu berücksichtigenden gewichteten Fläche hat die Beklagte das Grundstück des Klägers zu Recht mit insgesamt 5.574 qm veranlagt, wovon auf die Fläche innerhalb der Tiefenbegrenzung 5317 qm und auf die Fläche jenseits davon 257 qm entfallen.

44

Der Vorauszahlungsbescheid ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig (geworden), weil zwischenzeitlich der Streifen an der Grenze des streitigen Grundstücks von der Beklagten erworben wurde und - wie mit der nochmaligen Änderung des Bauprogramms am 01.07.2014 geplant - als Gehweg hergestellt wurde. Für die tatsächlichen Verhältnisse ist hier - spätestens - auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen. Die Höhe des im Vorausleistungsbescheid festgesetzten Beitrages beruht auch hinsichtlich der Verteilungsfläche auf einer auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung ausgerichteten Prognose (BVerwG, Urteil vom 05.05.2015 - 9 C 14/14 - , juris), für die zunächst die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides maßgeblich sind. Dieser Prognose ist immanent, dass sich sowohl hinsichtlich der Kosten als auch hinsichtlich der Flächen bis zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht Veränderungen ergeben können, z.B. aufgrund baulicher Veränderungen auf einzelnen Grundstücken oder anderer Überplanung. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheides stand der Grundstücksstreifen noch im Eigentum des Klägers und das Bauprogramm war noch nicht geändert, so dass die Prognose nicht zu beanstanden ist. Es kann hier offen bleiben, ob Änderungen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, d.h. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen sind (so Kammer, Urteil der Einzelrichterin vom 05.12.2012 - 9 A 94/10 - und Driehaus, § 21 Rn. 33, BayVGH, Urteil vom 01.03.2012 - 20 B 11.1723 - juris). Denn auch bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 stand der Grundstücksstreifen noch im Eigentum des Klägers und war damit nicht selbst Erschließungsanlage. Zwar legte das am 01.07.2014 geänderte Bauprogramm den Ausbau des Gehweges wieder fest; dies war aber anders als eine Ausweisung im Bebauungsplan für den Kläger nicht verbindlich. Er konnte nach wie vor den Grundstücksstreifen behalten und in die Baufläche einbeziehen. Die jetzige Situation zur Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist nicht mehr maßgeblich. Denn das für die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes entscheidende materielle Recht spricht dafür, Veränderungen in der Verteilungsfläche oder im Aufwand nur bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen, nicht aber darüber hinaus. Dies würde dem Charakter des Vorauszahlungsbescheides als vorläufiger Schätzung zuwiderlaufen und wäre auch kaum praktikabel.

45

Die Beklagte ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass es sich um ein nach § 34 Abs. 1 BauGB bebaubares Grundstück handelt und hat die Fläche bis zur Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1 und die dahinterliegende Fläche mit dem Faktor 0,05 in die Berechnung eingestellt.

46

Wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und damit die Grenze zwischen dem Innen - und dem Außenbereich verläuft, lässt sich nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung auf Grund einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts. Bei dieser Wertung und Bewertung kann nur eine komplexe, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigende Betrachtungsweise im Einzelfall zu einer sachgerechten Entscheidung führen. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtungsweise der „Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei lässt sich nichts Allgemeingültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe eines solchen unbebauten Grundstücks auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Zwar findet die Möglichkeit, eine den Bebauungszusammenhang wahrende Baulücke anzunehmen, auch in dessen Größe eine obere Grenze, jedoch lässt sich eine absolute Zahl als Grenzwert insoweit nicht angeben. Für die Beurteilung, ob eine unbebaute Freifläche selbst einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt, kommt es darauf an, ob sie durch die vorhandene Bebauung in irgendeiner Weise geprägt wird. Ist eine solche Prägung nicht vorhanden, so fehlt die innere Rechtfertigung für die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.12.1972 – 4 C 6.71 -, BVerwGE 41, 227; Urteil vom 14.11.1991 – 4 C 1.91 -, BRS 52 Nr. 146; OVG Schleswig, Urteil vom 22.05.2003 - 1 LB 18/02 -).

47

Unter Anwendung dieser Grundsätze nimmt das Grundstück des Klägers nach der Auswertung der vorliegenden Luftbilder und Karten sowie nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung an dem Bebauungszusammenhang zwischen der Bebauung auf den angrenzenden Grundstücken teil, wobei auch die Bebauung auf der anderen Straßenseite zu berücksichtigen ist.

48

Der Abstand zwischen der Bebauung zu beiden Seiten des klägerischen Grundstücks ist nicht so groß, dass der Eindruck eines Bebauungszusammenhanges unterbrochen würde. Abzustellen ist nicht auf den Abstand zwischen den Grundstücksgrenzen bzw. darauf, in welcher Länge das Grundstück an die Dorfstraße angrenzt, sondern auf die Bebauung einschließlich der bauakzessorischen Nutzung, soweit diese der Hauptanlage ohne weiteres erkennbar zugeordnet ist (BVerwG, Urteil vom 17.06.1993 - 4 C 17/91 -, juris). Hier beträgt die Entfernung in der Luftlinie zwischen der östlichen Ecke des insgesamt baulich bzw. bauakzessorisch mit Garage und Hausgarten genutzten Grundstücks Dorfstr. xx und der nordwestlichen Ecke des Gebäudes auf dem Grundstück Dorfstr. xx ca. 65 m. Legt man die Größe der angrenzenden Baugrundstücke zugrunde, könnten zwei weitere Baugrundstücke entstehen, deren Bebaubarkeit unproblematisch aus der Bebauung der prägenden Nachbargrundstücke hergeleitet werden könnte. Der Eindruck einer größeren Baulücke kann allenfalls deshalb entstehen, weil sich an die Grünfläche auf dem Grundstück des Klägers im Kurvenbereich östlich eine ebenfalls unbebaute Fläche auf dem Grundstück Flurstück xx anschließt und dadurch zunächst der Abstand zwischen der Bebauung entlang der Straße größer wirkt. Diese unterbricht den Bebauungszusammenhang jedoch nicht, da es sich um einen Teich (früher Feuerlöschteich) mit Uferbewuchs handelt. Solche Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z.B. stehendes oder fließendes Gewässer) einer Bebauung entzogen sind, können Bestandteil des Bebauungszusammenhanges sein (BVerwG Urt. v. 30.05.2015 - 4 C 5/14 - ; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 24). Dies ist nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung hier der Fall. Insgesamt wird das Grundstück des Klägers im vorderen Bereich an der Dorfstraße durch die angrenzende Bebauung und die Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite so geprägt, dass kein Planungserfordernis besteht und es sich damit nicht um eine „Außenbereichsinsel im Innenbereich“ handelt. Diese Wertung entspricht der des zuständigen Kreises im Vermerk vom 24.10.2013 mit Lageplan (Gerichtsakte 9 B 39/13 Bl. 56 f.).

49

Auf die Frage, wieweit das Grundstück im rückwärtigen Bereich bebaubar ist, kommt es nicht an. Die Beklagte hat den Bereich des Grundstücks bis zur Tiefenbegrenzungslinie von 50 m zu Recht mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt, obwohl diese Fläche jedenfalls teilweise dem Außenbereich zuzurechnen ist. Dies entspricht § 6 Abs. 2 a) i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 a) ABS. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht nur die Fläche innerhalb der „Bauflucht“ mit dem Faktor 1,0 zu berücksichtigen. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründet die beitragsrechtliche Vermutung dafür, dass die Grundstücke des Innenbereichs bis zur festgesetzten Grenze erschlossen sind, d.h. Baulandqualität besitzen. Sie ist nur widerlegt, wenn über die Tiefengrenze hinaus Bebauung oder gewerbliche Nutzung vorhanden ist. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Tiefenbegrenzungsregelung, unter Bezugnahme auf Besonderheiten im Einzelfall nur eine geringere Fläche als die anhand der Tiefenbegrenzung ermittelte zu berücksichtigen, denn die Tiefenbegrenzung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität gerade ausschließen, dass in jedem Einzelfall überprüft werden muss, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt (OVG Schleswig, Urteil vom 19.05.2010 - 2 KN 2/09 - , juris). Daher ist die Vermutung insoweit nicht durch eine Einzelfallprüfung widerlegbar. Eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung findet deshalb auch Anwendung, wenn im Einzelfall der Außenbereich bereits diesseits der durch diese Bestimmung begründeten Grenze beginnt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II Rn. 411 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.09.1995 - 9 L 6639/93 - , juris). Der vom Kläger dagegen angeführte Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verlangt nicht eine Berücksichtigung aller Besonderheiten eines Einzelfalls, sondern lässt eine typisierende Verteilungsregelung zu, um zu gewährleisten, dass das Heranziehungsverfahren praktikabel und überschaubar bleibt (Habermann a.a.O. Rn. 217 m.w.N.; Böttcher a.a.O. Rn. 1003).

50

Bedenken gegen die - übliche - Tiefenbegrenzung von 50 m sind nicht ersichtlich (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 18.11.2015 - 4 O 49/15 -; Habermann a.a.O. Rn. 231); die Beklagte hat dazu vorgetragen, diese Tiefe der baulichen Nutzung sei im Gemeindegebiet - darauf ist abzustellen - ortsüblich.

51

Zweifel daran sind auch im Hinblick auf den vorgelegten Verteilungsplan nicht ersichtlich.

52

Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie gelegene Fläche ist nach § 6 Abs. 2 ABS mit dem Faktor 0,05 berücksichtigt.

53

Die Beklagte hat zu Recht das Grundstück Dorfstr. xx (Flst. xx - Verteilungsplan Nr. 35) mit einem Vollgeschoss in die Berechnung eingestellt, auf dem sich die Gaststätte XY befindet. Der älteste Teil des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1907; das Gebäude wurde dann in der Folgezeit kontinuierlich durch Anbauten erweitert, insbesondere um einen Saal und eine Kegelbahn. Die einzelnen Gebäudeteile weisen unterschiedliche Geschossigkeiten auf, zweigeschossig sind nur die beiden östlichen Gebäudeteile (vgl. Bl. 58 ff. Gerichtsakte 9 B 39/13). Insoweit handelt es sich jedoch nicht um ein Vollgeschoss i.S.d. § 7 Abs. 12 Satz 2 ABS, wonach nur Vollgeschosse nach den landesrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Landesbauordnung (LBO) sind Vollgeschosse oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Dies ist hier nicht der Fall, denn das Dachgeschoss im östlichen Gebäudeteil erstreckt sich nur über ca. ein Viertel des darunterliegenden Erdgeschosses des gesamten Gebäudes. Hierzu zählen auch der Saal und die Kegelbahn, denn es handelt sich um ein einheitliches Gebäude, auch wenn es aufgrund der Baugeschichte unterschiedliche Gebäudeteile aufweist. Damit stellt das Dachgeschoss nur ein Staffelgeschoss i.S.d. § 2 Abs. 6 LBO und kein Vollgeschoss i.S.d § 2 Abs. 7 LBO und der Ausbaubeitragssatzung dar.

54

Dies wirkt sich auch auf das davorliegende unbebaute Grundstück Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 34) aus, das als Vorplatz für die Gaststätte genutzt wird. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ergibt sich bei Grundstücken, die von einem Bebauungsplan nicht erfasst sind, die Zahl der Vollgeschosse bei unbebauten aber bebaubaren Grundstücken aus der Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Da sowohl der XY als auch das Nachbargebäude eingeschossig sind, ist auch das Flurstück xx entsprechend zu berücksichtigen.

55

Zu ändern ist die Berechnung nur hinsichtlich des insgesamt 5376 qm unbebauten Grundstücks Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 70), das die Beklagte hinsichtlich der vor der Tiefenbegrenzungslinie liegenden Grundstücksfläche (645 qm) als eingeschossig bebaubar angesehen hat. Es handelt sich um ein Eckgrundstück, das gleichzeitig an die Straße Glindenberg angrenzt und im vorderen Bereich an der Dorfstraße nur ca. 13 - 14 m breit ist. Östlich benachbart liegt das zweigeschossig bebaute Grundstück Dorfstraße xx; das auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Glindenberg liegende Gebäude ist ebenfalls zweigeschossig. Im rückwärtigen südlichen Bereich wird das Flurstück xx deutlich breiter und grenzt an das eingeschossig bebaute Grundstück Dorfstr. xx an, dessen Zufahrt zum Glindenberg über das Flurstück xx führt. Dieses Grundstück sowie die Grundstücke Glindenberg Nr. xx und xx hat die Beklagte als die maßgeblichen Grundstücke in der näheren Umgebung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS angesehen und dies damit begründet, dass der vordere Grundstücksteil für eine Bebauung zu schmal und daher auf den rückwärtigen Grundstücksteil abzustellen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

56

Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ABS wird für die Ermittlung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung die nach § 6 ermittelte Grundstücksflächeohne die mit dem Faktor 0,05 berücksichtigten Flächen mit den sich aus Abs. 2 Nr. 1 aus der Zahl der Vollgeschosse ergebenden Faktoren vervielfacht. Daher ist der rückwärtige Bereich jenseits der Tiefenbegrenzungslinie, dessen Fläche mit dem Faktor 0,05 vervielfacht wurde, hier außer Betracht zu lassen. Maßgeblich ist auf die bebaubare vordere Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie abzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese nicht bebaubar wäre; bei einer Breite von mindestens 13 m verblieben bei Berücksichtigung der Grenzabstände für ein Gebäude noch 7 m; dies reicht aus. Bezogen auf diesen Grundstücksteil sind in der näheren Umgebung überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Der Begriff der „näheren Umgebung“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ist in gleicher Weise auszulegen wie in § 34 BauGB, da sich die Bemessung des Vorteils an der zulässigen Bebauung orientiert (vgl. Böttcher a.a.O. Rn. 648). Für den vorderen Grundstücksteil sind prägend die jeweils zweigeschossigen Gebäude links und rechts. Es kann offen bleiben, ob auch das rückwärtig gelegene Gebäude Dorfstr. xx zur „näheren Umgebung“ zu zählen ist, denn auch in diesem Fall sind überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Die eingeschossigen Grundstücke Glindenberg xx und xx prägen den vorderen Grundstücksbereich nicht mehr.

57

Daher sind die 645 qm vor der Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen, so dass für das Grundstück (645 x 1,3 =) 838,50 qm zuzüglich 237 qm nicht baulich nutzbarer Fläche und damit insgesamt 1075,50 qm und nicht wie von der Beklagten angenommen 882 qm zu berücksichtigen sind. Die Gesamtbeitragsfläche im Abrechnungsgebiet vergrößert sich dadurch um 193,50 qm auf 101.215,17 qm; der Beitragssatz verringert sich von 4,268431 €/qm auf 4,260271 €/qm. Damit ergibt sich für das Grundstück des Klägers ein voraussichtlicher Beitrag von (5574 qm x 4,260271 =) 23.746,75 €, wovon 80% und damit 18.997,40 € als Vorausleistung zu zahlen sind.

58

Die Klage war daher nur in Höhe des Differenzbetrages von 36,38 € stattzugeben; im Übrigen ist sie unbegründet.

59

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger insgesamt auferlegt, da er nur in sehr geringem Umfang obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2013 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 4.758,44 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 und 6 VwGO zulässig; er ist auch begründet.

2

Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer schon dann, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg (vgl. zuletzt OVG Schleswig, Beschluss vom 16.10.2013 - 4 MB 53/13 -).

3

Dies ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Erhebung einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag noch zulässig ist.

4

Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG können auf Beiträge angemessene Vorauszahlungen gefordert werden, sobald mit der Ausführung der Maßnahme begonnen wird. Zweck der Vorauszahlung ist die Vorfinanzierung von Ausbaumaßnahmen. Daraus folgt, dass die Erhebung von Vorauszahlungen nur bis zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für eine Maßnahme zulässig ist, denn danach ist die Gemeinde gehalten, endgültige Beiträge zu erheben (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Dez. 2012, § 8 Rn. 367; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 M 34/03 - und VGH München, Urteil vom 01.03.2012 - 20 B 11.1723 -, beide juris). Im vorliegenden Fall war die sachliche Beitragspflicht zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 12. Juli 2013 noch nicht entstanden. Nach dem Vortrag des Antragstellers in einem Parallelverfahren, dem die Antragsgegnerin nicht entgegen getreten ist, ist dies inzwischen jedoch mit Abschluss und Abnahme der vorgesehenen Bauarbeiten in der Dorfstraße der Fall. Dieser Umstand wird bei der noch ausstehenden Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen sein, denn entgegen der im Parallelverfahren geäußerten Ansicht der Antragsgegnerin ist für die Frage der Rechtmäßigkeit auch eines Vorauszahlungsbescheides auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (Habermann a.a.O. Rn. 372, 85). Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid sind eine einheitliche Verwaltungsentscheidung; nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gibt der Widerspruchsbescheid dem Bescheid die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Gestalt. Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sind deshalb bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheides bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen (VGH München a.a.O.; VG Greifswald, Urteil vom 26.07.2012 - 3 A 229/09 -, juris; vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 S 29.10 - und OVG Koblenz, Urteil vom 19.03.2009 - 6 A 10750/08 -, beide juris, zur Höhe des einzubeziehenden Aufwandes). Es ist nicht ersichtlich, warum dies beim Vorauszahlungsbescheid anders sein sollte. Das OVG Weimar (Hinweisbeschluss vom 01.08.2000 - 4 VO 711/99 -; ihm ohne weitere Begründung folgend OVG Greifswald, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 M 34/03 -, beide juris) verweist zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf den engen Zusammenhang zwischen Vorausleistungsbescheid und endgültigem Bescheid. Es sei sinnwidrig, den Vorauszahlungsbescheid aufzuheben, wenn die Behörde andererseits verpflichtet sei, umgehend einen Beitragsbescheid zu erlassen. Insoweit sei die Situation ähnlich gelagert wie in dem Fall, in dem die Beitragspflicht bei Erlass eines endgültigen Bescheids noch nicht bestanden habe, aber im Laufe des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens gegen den Beitragsbescheid entstehe. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass sich Vorauszahlungsbescheid und endgültiger Bescheid hinsichtlich der Voraussetzungen und der Folgen wesentlich unterscheiden. Ein Vorauszahlungsbescheid kann daher auch nicht als endgültiger Bescheid aufrechterhalten werden (vgl. im Einzelnen Habermann a.a.O. Rn. 84, 77).

5

Auch eine Umdeutung des Vorauszahlungsbescheides in einen endgültigen Beitragsbescheid ist unzulässig. Mit der Umdeutung wird dem Bescheid rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe ein anderer Regelungsgehalt beigemessen, d.h. der ursprüngliche Vorauszahlungsbescheid würde als endgültiger Bescheid qualifiziert. Eine solche Umdeutung ist nach § 11 Abs. 1 KAG i.V.m. § 115a Abs. 2 LVwG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Es erscheint schon fraglich, ob der Erlass eines endgültigen Bescheides der Absicht der Antragsgegnerin entspräche. Zweck eines Vorausleistungsbescheides ist die Vorfinanzierung einer Maßnahme, für die Schätzungen ausreichen, während der endgültige Bescheid die abschließende „centgenaue“ Abrechnung zum Ziel hat. Für die hier in Rede stehende Maßnahme dürften zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch keine Schlussrechnungen vorliegen, die eine endgültige Abrechnung ermöglichen würden. Jedenfalls sind die Rechtswirkungen eines endgültigen Beitragsbescheides für die Betroffenen regelmäßig ungünstiger als die eines Vorausleistungsbescheides. Der Vorausleistungsbescheid regelt die Zahlungspflicht für den Adressaten nicht endgültig. Nach Erlass des endgültigen Bescheides ist die gezahlte Summe zu verrechnen, Überzahlungen sind zu erstatten. Dies ist für den Grundstückseigentümer nicht selten Anlass, trotz rechtlicher Bedenken den Vorausleistungsbescheid bestandskräftig werden zu lassen und zunächst die endgültige Veranlagung abzuwarten. Darüber hinaus hat die nachträgliche Qualifizierung als endgültiger Bescheid zur Folge, dass rückwirkend auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides die persönliche Beitragspflicht entsteht, die grundsätzlich eine Nachveranlagungsmöglichkeit wegen nicht ausgeschöpfter Beitragsanteile auch im Fall des Eigentümerwechsels ermöglicht. Dies ist bei einem Vorauszahlungsbescheid nicht der Fall (Habermann a.a.O., Rn. 96). Stellt somit der endgültige Beitragsbescheid wegen der abschließenden Regelung der Zahlungspflicht und der persönlichen Beitragspflicht eine stärkere Belastung des Beitragspflichtigen dar als ein Vorausleistungsbescheid, scheidet dessen Umdeutung in einen endgültigen Bescheid aus (OVG Koblenz, Urteil vom 01.04.2003 - 6 A 10778/02 - juris, auch VGH München a.a.O.; anders Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. § 21 Rn. 27 m.w.N.).

6

Nach den o.g. Maßstäben bestehen deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides, so dass die aufschiebende Wirkung des dagegen eingelegten Widerspruchs anzuordnen war.

7

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin gem. § 154 Abs. 1 VwGO.

8

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für den vorläufigen Rechtsschutz in Abgabensachen ein Viertel des Wertes der Hauptsache zugrundelegt.


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 30.04.2015 wird hinsichtlich der drei Grundstücke

1) Lindenstraße xx, Flur xx, Flst. xx in Höhe von 4.379,70 €,

2) Lindenstraße xx, Flur xx, Flst. xx in Höhe von 848,99 €

3) Lindenstr. xx, Flur xx, Flst. xx, in Höhe von 265,93 €.

angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 84 % und der Antragsgegner zu 16 %.

Der Streitwert wird auf 8.378,60 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin ist Eigentümerin von zehn bebauten Grundstücken in der amtsangehörigen Gemeinde B..., die durch den Straßenverlauf Hochstraße/Kockstraße/Königsberger Straße/Lindenstraße erschlossen werden. Hinsichtlich des Verlaufes dieser Straßen wird auf den Auszug der Fachdatenkarte vom 06.08.2015 verwiesen. In diesen Straßen stehen zahlreiche Einzel- und Doppelhäuser, die zu Wohnzwecken genutzt werden.

2

Die Gemeinde B... plante im Gemeindegebiet umfassende Straßensanierungen. Davon war auch der Straßenverlauf Hochstraße/Kockstraße/Königsberger Straße/Lindenstraße betroffen. Die Fahrbahn, die in den Jahren 1950-1960 gebaut bzw. asphaltiert worden war, sollte nach dem Bauprogramm von zuvor 3,1 m nunmehr eine einheitliche Breite von 3,5 m erhalten. Der Gesamtaufbau der Fahrbahn wurde von 48 cm auf 61 cm verstärkt, welche zudem erstmals mit Bordsteinen aus Beton zu den Banketten abgegrenzt werden sollte. Geh- und Radwege sind weiterhin nicht vorhanden.

3

Darüber hinaus sollten in den Straßen z.T. die Regenwasser- bzw. Schmutzwasserkanäle saniert werden.

4

Die Antragsgegnerin kalkulierte nach einer beschränkten Ausschreibung die dafür aufzuwendenden Kosten und veranlagte die Klägerin nach Beginn der Bauarbeiten mit zehn Bescheiden vom 30.04.2015 zu folgenden Vorauszahlungen in Höhe von 40 % der geschätzten endgültigen Ausbaubeiträge:

5
        

Grundstücke

geschätzter Ausbaubeitrag

Vorauszahlungen (40 %)

1)    

Flur xx, Flst. xx
Kochstraße xx

11.072,78 €

4.429,11 €

2)    

Flur xx, Flst. xx
Friesenstraße xx

17.642,89 €

7.057,16 €

3)    

Flur xx, Flst. xx
Königsberger Straße xx

7.990,15 €

3.196,06 €

4)    

Flur xx, Flst. xx
Lindenstraße x

9.284,96 €

3.713,99 €

5)    

Flur xx, Flst. xx
Königsberger Straße xx

7.991,27 €

3.196,51 €

6)    

Flur xx, Flst. xx
Königsberger Straße xx

8.035,63 €

3.214,25 €

7)    

Flur xx, Flst. xx
Königsberger Straße xx

8.031,70 €

3.212,68 €

8)    

Flur xx, Flst. xx
Lindenstraße xx

10.949,25 €

4.379,70 €

9)    

Flur xx, Flst. xx
Lindenstraße xx

2.122,47 €

848,99 €

10)     

Flur xx, Flst. xx
Lindenstraße xx/ Hinterliegergrundstück

664,82 €

265,93 €

                          

33.514,38 €

6

Die Antragstellerin legte dagegen am 12.05.2015 Widerspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Diesen lehnte der Antragsgegner am 13.07.2015 ab. Über die Widersprüche ist bisher nicht entschieden worden.

7

Die Antragstellerin hat am 28.07.2015 vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

8

Sie macht geltend, dass die Veranlagung rechtswidrig sei, denn der Beklagte habe das Abrechnungsgebiet nicht so weit ziehen dürfen. Voraussetzung für die Bildung eines einheitlichen Abrechnungsgebietes für verschiedene selbständige öffentliche Einrichtungen sei, dass die Einrichtungen in einer derartigen Beziehung zueinander stünden, dass eine der Einrichtungen ihre Funktion nur im Zusammenwirken mit der anderen in vollem Umfang zu erfüllen geeignet sei. Diese Voraussetzung erfüllten die zu einem Abrechnungsgebiet zusammengefassten Straßen aber nicht. Die vier Straßen bildeten bei natürlicher Betrachtungsweise keine gemeinsame öffentliche Einrichtung. Die querende Friesenstraße stelle eine Zäsur dar und trenne die Kockstraße diesseits- und jenseits der Friesenstraße. Auch die Hochstraße stelle eine eigenständige öffentliche Einrichtung dar, da die Anbindung an das übrige Straßennetz der Gemeinde auch über andere Straßen möglich sei. Auch seine an der Lindenstraße belegenen Grundstücke seien wegen des zu weiten Abrechnungsgebietes nicht beitragspflichtig. Soweit das Grundstück Lindenstraße xx veranlagt worden sei, so liege dieses nicht an dem Straßenzug, sondern könne nur als Hinterliegergrundstück herangezogen worden sein, ohne dass erkennbar sei, dass es über eine rechtlich und tatsächlich gesicherte Zuwegung über das Anliegergrundstück verfüge.

9

Die beschränkte Ausschreibung habe zu einer Verletzung des Grundsatzes der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Kosten geführt, die nicht mehr ortsüblich und angemessen seien. Hinsichtlich der Berechnung der Beitragshöhe hätten nicht nur die Kosten für die Erneuerung des Schmutzwasserkanals heraus gerechnet werden müssen, sondern es hätte auch eine fiktive Kostenersparnis durch die gemeinsame Durchführung der Maßnahme berücksichtigt werden müssen.

10

Schließlich sei während des vorläufigen Eilrechtsschutzverfahrens das zuvor von der Stadtvertretung beschlossene Bauprogramm vom 07.08.2014, und damit das Abrechnungsgebiet, geändert worden. Nunmehr bildeten nach dem Beschluss des Antragsgegners der Straßenzug Hochstraße/Kockstraße/Königsberger Straße/Lindenstraße ein Abrechnungsgebiet, ohne die davon abzweigenden Stichstraßen Königsberger Straße und Lindenstraße, die zwei eigene selbständige öffentliche Einrichtungen bildeten. Doch auch die nachträgliche Änderung des Bauprogrammes ändere nichts an der Rechtswidrigkeit der Bescheide, zumal der Antragsgegner eine die Grundsätze des Verböserungsverbotes beachtende Neuberechnung nicht vorgenommen habe.

11

Grund für die Straßensanierungen sei eine von dem Antragsgegner verschleppte bzw. unterlassene Unterhaltung, so dass eine Verteilung der Kosten auf die Anlieger unzulässig sei.

12

Da die Zusammenfassung von vier Straßen zu einem Abrechnungsgebiet rechtswidrig sei, hätten ihre Grundstücke auch keinen beitragsrelevanten Vorteil durch die Baumaßnahmen. Eine bloße farbig abgesetzte Markierung der Fahrbahn und die Vornahme bestimmter baulicher Gestaltungen im Kurvenbereich des Straßenverlaufes seien ohne besonderes Gewicht.

13

Die Antragstellerin beantragt,

14

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 11.05.2015 gegen die Festsetzungs- und Heranziehungsbescheide vom 30.04.2015 betreffend folgende Grundstücke in B... der Flur xx - Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx; Flurstück xx und Flurstück xx anzuordnen.

15

Der Antragsteller beantragt,

16

den Antrag abzulehnen.

17

Er macht geltend, der Straßenzug, der vier unterschiedliche Namen trage, werde nach Abschluss der Baumaßnahmen eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden. Der Kurvenverlauf, der durch farbige Markierungen gestaltet werden soll, werde dann den Straßenverlauf kenntlich machen, so dass der Eindruck entstehen werde, dass man in einer öffentlichen Einrichtung bleibe, wenn man dem Straßenverlauf folgte. Durch die Änderung des Bauprogramms sei verdeutlicht worden, dass die von der öffentlichen Einrichtung abzweigenden Stichstraßen von der Königsberger Straße und der Lindenstraße eigenständige öffentliche Einrichtungen darstellten. Man habe auch die drei Grundstücke der Antragstellerin mit den Flurstücksnummern xx, xx und xx nicht als Hinterliegergrundstücke des Grundstücks mit der Flurstücksnummer xx in die Verteilung einbezogen, sondern weil man zum Zeitpunkt der Veranlagung noch davon ausgegangen sei, dass auch die Anlieger dieser Stichstraßen als Anhängsel des Hauptzuges in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen seien. Erst im Laufe des Verfahrens habe man sich entschieden, das Abrechnungsgebiet zu unterteilen und auch das Bauprogramm zu ändern mit der Folge, dass nunmehr aus einem Abrechnungsgebiet drei entstanden seien. Aber auch nach Abänderung des Abrechnungsgebietes erreichten die Vorauszahlungen gegenüber der Antragstellerin keine Überfinanzierung. Das Hinterliegergrundstück mit der Flurstücksnummer xx sei einbezogen worden, weil es nur über das ebenfalls der Antragstellerin gehörende Anliegergrundstück xx erschlossen werde, denn es grenze sonst nur an einen ehemaligen Bahndamm, über den das Grundstück nur fußläufig erreichbar sei. Das Grundstück werde auch einheitlich mit dem Anliegergrundstück genutzt.

18

Der Ausbau des Straßenzuges sei nach Ablauf der Nutzungsdauer auch erforderlich gewesen und der Gesamtzustand der Straße sei schlecht gewesen. Nach rund 50 Jahren sei eine komplette Erneuerung unumgänglich gewesen. Mit dem Straßenausbau sei der Straßenkörper erneuert und dem heutigen Ausbaustandard angepasst worden. Die vier Straßen bildeten eine einheitliche öffentliche Einrichtung, in der sich der Straßenverlauf auch im Kurvenverlauf durch eine farbig abgesetzte Pflasterung fortsetze.

19

Soweit zeitgleich mit den Bauarbeiten auch der Schmutzwasserkanal erneuert worden sei, seien diese Kosten heraus gerechnet worden. Dieses ergebe sich bereits aus den angefochtenen Bescheiden. Diese Kosten würden dann dem Wasserverband Nord in Rechnung gestellt werden.

20

Die Baumaßnahme im Straßenzug Hochstraße/Kockstraße/Königsberger Straße und Lindenstraße sei am 23.07.2015 abgenommen worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

22

Der Antrag ist gem. § 80 Abs. 5 und 6 VwGO nach Ablehnung des Aussetzungsantrages und auch im Übrigen zulässig, er ist aber nur hinsichtlich der Festsetzung von Vorauszahlungen für drei Grundstücke begründet.

23

Obwohl die Bauarbeiten nach Auskunft des Antragsgegners am 23.07.2015 abgenommen worden sind und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden ist (vgl. OVG Schleswig, U.v. 13.02.2008 - 2 LB 42/07 -, juris) hält das Gericht die Erhebung von Vorauszahlungen zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin für zulässig. Denn zum Zeitpunkt der Festsetzung der Vorauszahlungen am 31.10.2014 war die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden. Auf diesen Zeitpunkt kommt es nach der Rechtsprechung des OVG Schleswig (B. v. 22.04.2014 - 4 MB 4/14 -) aber an, denn die Frage, wann ein Vorauszahlungsbescheid erlassen werden darf, bestimmt sich nach dem materiellen Ausbaubeitragsrecht und nicht nach den Bestimmungen des Verwaltungsprozessrechts. Das Gericht hält im Hinblick auf diese Rechtsprechung an der gegenteiligen Auffassung im Beschluss vom 06.01.2014  - 9 B 38/13 -, dass es auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankomme, nicht mehr fest.

24

Es bestehen nur hinsichtlich der unter den Nummern 8-10 in der Liste aufgeführten Grundstücke ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide gem. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO, aber nicht hinsichtlich der anderen sieben Grundstücke.

25

Anspruchsgrundlage für die Heranziehung zu Vorauszahlungen auf Ausbaubeiträge ist § 8 Abs. 1 und 4 S. 4 KAG i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt B... vom 07.07.2005 i.d.F. der 7. Nachtragssatzung vom 25.06.2014 (im Folgenden ABS). Danach werden für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung von vorhandenen Ortsstraßen Beiträge von den Grundstückseigentümern erhoben, denen dadurch Vorteile erbracht werden. Gem. § 10 ABS können angemessene Vorauszahlungen verlangt werden, sobald mit der Ausführung der Maßnahme begonnen wird.

26

Voraussetzung für die Erhebung von Vorauszahlungen auf Ausbaubeiträge ist, dass das Grundstück an der ausgebauten öffentlichen Einrichtung anliegt. Als öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG ist regelmäßig die im Gemeindegebiet verlaufende Straße in ihrer gesamten Ausdehnung zu verstehen. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG ist, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer etwa wechselnden Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. die Straßenführung, Straßenbreite und  -länge, Straßenausstattung, Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie auf vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (OVG Schleswig, std. Rspr., vgl. U. v. 21.10.2009  - 2 LB 15/09 -; U. v. 27.01.2009 - 2 LB 53/08 -; U. v. 06.11.2013 - 4 LB 16/12-; B. v. 06.11.2008 - 2 LA 27/08 -; U. v. 27.10.1997 - 2 L 281/95 -, Die Gemeinde 1998, 98 = DVBl. 1998, 719 = NordÖR 1998, 88 = SchlHA 1998, 141; B. v. 29.10.2007  - 2 MB 20/07 - und vom 20.08.2003 - 2 MB 80/03 -; Habermann, in Habermann/Arndt, Kommentar zum KAG, § 8, Rn. 131 ff.). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (vgl. U. v. 25.06.2003  - 2 LB 55/02 -, Die Gemeinde 2003, 268). Diese entsteht in der Regel mit Abnahme der Bauarbeiten (vgl. U. v. 13.02.2008 - 2 LB 42/07 -, SchlHA 2008, 323). Nach dieser Definition hat das Gericht keine ernstlichen Zweifel daran, dass sich nach Verwirklichung des Bauprogramms der Straßenzug, bestehend aus der Hochstraße/Kockstraße/Königsberger Straße und Lindenstraße, als eine öffentliche Einrichtung darstellt.

27

Der Antragsgegner hat durch Vorlage der Bauzeichnungen glaubhaft gemacht, dass durch bautechnische Gestaltungselemente der einheitliche Verlauf des Straßenzuges optisch unterstrichen werden soll. Von diesen Plänen ist bei der Überprüfung von festgesetzten Vorauszahlungen auf Ausbaubeiträge auszugehen. Endgültig kann bei natürlicher Betrachtungsweise die Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung erst nach Abschluss der Bauarbeiten bei der Erhebung von endgültigen Ausbaubeiträgen beurteilt werden. Dabei ist es zulässig, im Rahmen von Bauarbeiten durch die Verwendung von optischen Gestaltungselementen wie Verschwenkungen oder durch farblich abgesetzte Baumaterialien die Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung im Vergleich zum früheren Zustand zu verändern. Die Kreuzung mit der Friesenstraße allein dürfte keine Zäsur darstellen. Einer Kreuzung kommt regelmäßig keine trennende Wirkung zu, wenn sich zwei Straßen, die nach ihrer Funktion im Straßenbetz im Wesentlichen gleichartig sind, kreuzen und sich jenseits der Kreuzung nicht verändern (vgl. OVG Schleswig, U. v. 05.03.2015 - 4 LB 4/14 -, juris, Rdnr 53). So dürfte der Fall hier liegen. Sowohl die Friesenstraße als auch die Kockstraße sind Anliegerstraßen und setzen sich nach der Kreuzung fort, ohne dass dieser eine trennende Wirkung zukommt.

28

Allerdings sind die in der Liste unter Nr. 8-10 aufgeführten Grundstücke nicht Anlieger der ausgebauten öffentlichen Einrichtung. Denn diese drei Grundstücke grenzen nicht an die öffentliche Einrichtung des ausgebauten Hauptzuges, sondern an die ebenfalls ausgebaute Stichstraße Lindenstraße, die als selbständige öffentliche Einrichtung zu verstehen ist. Dabei ist es unerheblich, dass der Antragsgegner für die Stichstraßen Lindenstraße und Königsbergerstraße zunächst mit dem Hauptzug im August 2014 ein einheitliches Bauprogramm beschlossen und dieses erst am 20.07.2015 in drei unterschiedliche Baumaßnahmen aufgeteilt hat. Denn es kommt nicht auf ein einheitliches Bauprogramm an, sondern darauf, wie sich nach Abschluss der Bauarbeiten bei natürlicher Betrachtungsweise die Ausdehnung einer öffentlichen Einrichtung beurteilt.

29

Nach der schleswig-holsteinischen Rechtsprechung stellt sich im Ausbaubeitragsrecht eine Stichstraße regelmäßig als eine selbständige öffentliche Einrichtung dar, es sei denn, diese habe lediglich den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken, d.h. wenn sie Grundstücke erschließt, die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, gleichsam in zweiter Baureihe liegen, so dass sich der Eindruck der Zugehörigkeit dieser Grundstücke zum Abrechnungsgebiet geradezu aufdrängt (vgl. OVG Schleswig, U.v. 30.04.2003 - 2 LB 118/02 - juris, Kurztext). Die Stichstraße von der Lindenstraße erschließt hier aber mehr als eine zweite Baureihe, denn auf der östlichen Straßenseite werden sechs Grundstücke erschlossen. Die Anlieger der Stichstraße sind daher nicht Anlieger des Hauptzuges und können grundsätzlich nicht zu Beiträgen herangezogen werden.

30

Die drei unter der Nr. 8-10 in der Liste aufgeführten Grundstücke in der Stichstraße Lindenstraße sind von der Antragsgegnerin auch nicht als Hinterliegergrundstücke in die Verteilung einbezogen worden, so dass diese nicht beitragspflichtig sind. Soweit der Antragsgegner aber die Auffassung zu vertreten scheint, dass trotz der Heranziehung von drei Grundstücken der Antragstellerin, die nicht an der öffentlichen Einrichtung anliegen, keine Überfinanzierung einträte, so übersieht er dabei, dass es auf die Beitragspflicht jedes konkreten Grundstücks ankommt und nicht auf die Gesamt-Vorauszahlung eines Grundstückseigentümers mit mehreren Grundstücken an der öffentlichen Einrichtung. Für ein nicht beitragspflichtiges Grundstück können deshalb keine Vorauszahlungen erhoben werden.

31

Die in der Liste unter den Nummern 1-7 aufgeführten Grundstücke der Antragstellerin grenzen aber an die ausgebaute Einrichtung und sind daher beitragspflichtig.

32

Der Beitragstatbestand der Erneuerung liegt vor, wenn die erneuerte Teileinrichtung trotz durchgeführter Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten nicht mehr voll funktionsfähig, also abgängig war und deshalb Erneuerungsbedarf bestand. Die übliche Nutzungsdauer einer asphaltierten Fahrbahn beträgt in der Regel 20-25 Jahre, die hier fast um das Doppelte abgelaufen war. Darüber hinaus belegen die vorgelegten Fotos, dass die Fahrbahn abgängig war, so dass eine Erneuerung zulässig ist. Hier liegt aber auch der Beitragstatbestand des verbessernden Ausbaus vor, der dann anzunehmen ist, wenn sich eine Teileinrichtung der Straße durch den Ausbau in ihrem bisherigen Zustand verbessert hat (vgl. Habermann, aaO, § 8 Rdnr 152). Aus der Gegenüberstellung des ursprünglichen mit dem geplanten Ausbauzustand (Anlage AG 2, Bl. 6 der Beiakte A) ergibt sich, dass die Fahrbahn von zuvor ca 3,10 m auf einheitlich 3,5 m verbreitet worden ist. Darüber hinaus ist auch der Straßenaufbau verbessert worden, weil dieser von 48 auf 61 cm verstärkt worden ist. Damit wird auch der Beitragstatbestand der Verbesserung erfüllt, ohne dass es auf den von der Antragstellerin behaupteten Reparaturstau ankommt.

33

Die Behauptung der Antragstellerin, dass durch die beschränkte Ausschreibung überhöhte Preise zugrunde gelegt worden seien, teilt das Gericht nicht. Gem. § 12 Abs. 2 VOB/A sind beschränkte Ausschreibungen nach einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb zulässig, wenn bestimmte Vorgaben eingehalten werden. Ob die beschränkte Ausschreibung zu beanstanden ist, wäre im Hauptsacheverfahren zu überprüfen. Wenn Aufträge unter Verstoß gegen das Vergaberecht erteilt werden, sind darauf zurückzuführende Mehrkosten unnötiger und nicht notwendiger Aufwand (vgl. OVG Schleswig, U.v. 26.05.1999, Die Gemeinde 1999, 185). Das Gericht hat keine Hinweise auf Mehrkosten, die durch die Art der Ausschreibung entstanden sein könnten.

34

Soweit die Antragstellerin rügt, dass fiktive Kostenersparnisse hätten berücksichtigt werden müssen, da dem Wasserverband durch die zeitgleiche Bauausführung Kosten erspart worden seien, so folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Eine durchzuführende schätzungsweise Veranschlagung fiktiver Kosten und eine nach dem Verhältnis der durch die Baumaßnahmen betroffenen Flächen von Kanal und Straße zu bemessende Aufteilung einer geschätzten Ersparnis würde ohne Not und rechtliche Veranlassung einen Fremdkörper in die Grundsätze der straßenausbaubeitragsrechtlichen Aufwandsermittlung einführen, der mit erheblichem Aufwand sowie gesteigerter Fehleranfälligkeit und Rechtsunsicherheit für die Gemeinden verbunden wäre (vgl. OVG Schleswig, U. v. 10.08.2012 - 4 LB 3/12 -). Im Übrigen hat der Antragsgegner in den angegriffenen Bescheiden angegeben, dass die Kosten, die durch den Bau an dem Schmutzwasserkanal entstanden sind, nicht auf die Beitragspflichtigen umgelegt werden.

35

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für die Erhebung von Vorauszahlungen vor, weil auch schon zum Zeitpunkt der Bescheide mit den Ausführungen gem. § 8 Abs. 4 S. 4 KAG, § 10 ABS begonnen worden war. Hier hat der Antragsgegner Vorauszahlungen in Höhe von 40 % des geschätzten endgültigen Beitrages festgesetzt. Das Gericht hat keine Zweifel an der Angemessenheit in dieser Höhe.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

37

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für den vorläufigen Rechtsschutz in Abgabensachen ein Viertel des Wertes in der Hauptsache zugrunde legt.


Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 18.997,40 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Vorauszahlungsbescheid der Beklagten.

2

Er ist Eigentümer mehrerer Grundstücke an der Dorfstraße in Bad S.; u.a. des 10.457 m² großen Grundstücks Flur x, Flurstück xx, Gemarkung …, das als Pferdekoppel genutzt wird.

3

Die Stadtvertretung der Beklagten beschloss im Juli 2008 die umfassende Erneuerung der Dorfstraße in dem Bereich zwischen der Einmündung des Kühneweges und dem Hamdorfer Weg. Fahrbahn und Gehwege sollten dabei mit einem frostsicheren tragfähigen Unterbau versehen werden. Die Gehwege sollten z.T. verbreitert werden und Betonpflaster erhalten. Die Planung sah darüber hinaus die Erneuerung der Straßenbeleuchtung mit 11 statt vorher 6 Leuchten sowie die Verlängerung des Regenwasserkanals um 130 m vor. Die Sickerschächte sollten durch neue, an den Regenwasserkanal angeschlossene Straßenabläufe ersetzt werden.

4

Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2013 begonnen.

5

Die Beklagte entschied sich für die Erhebung von Vorauszahlungen in Höhe von 80% des voraussichtlichen Straßenbaubeitrages. Bei der Berechnung ging sie von einem beitragsfähigen Aufwand von voraussichtlich knapp 660.000,00 € aus und stufte die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße ein, so dass der Anliegeranteil bei der Fahrbahn 60% und bei den übrigen Teileinrichtungen 70% betrug.

6

Mit Bescheid vom 12.07.2013 zog sie den Kläger für das hier streitige Grundstück zu einer Vorauszahlung in Höhe von 19.033,78 € heran.

7

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (9 B 39/13). Zur Begründung beanstandete er zunächst die für sein Grundstück ermittelte beitragsfähige Fläche. Die Flächenermittlung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil ein Grundstücksstreifen entlang der Straße erfasst werde, der nach der Ausbauplanung als Gehweg vorgesehen sei. Der Grunderwerb sei noch nicht durchgeführt. Damit seien ca. 200 m² aus der Veranlagung auszusondern.

8

Die Beklagte gehe auch zu Unrecht davon aus, dass das Grundstück bis zu der von ihr angenommenen Tiefenbegrenzungslinie von 50 m Baulandqualität im Sinne des § 34 BauGB besitze. Das Grundstück gehöre vielmehr vollumfänglich zum Außenbereich; es handele sich um eine sogenannte Außenbereichsinsel im Innenbereich. Das Grundstück selbst sei nicht Bestandteil des Bebauungszusammenhanges, da es nicht die Qualität einer sogenannten „Baulücke“ besitze. Dafür sei der Abstand zwischen den westlich und östlich anschließenden Gebäuden an der Dorfstraße mit ca. 90 m zu groß. Zwar seien für die maximale Ausdehnung einer Baulücke keine festen Zahlenwerte bestimmbar, es werde jedoch regelmäßig davon ausgegangen, dass in einem Wohngebiet bis zu einem Abstand von ca. 60 m eine Baulücke angenommen werden könne. Selbst wenn man jedoch von einer Baulücke ausgehen sollte, wäre allenfalls der innerhalb der Bauflucht liegende Bereich des Grundstückes mit dem Faktor 1 zu bewerten, nicht jedoch der zwischen der rückwärtigen Grenze der Bauflucht und der Tiefenbegrenzungslinie liegende Teil.

9

Darüber hinaus sei die zugrundegelegte Abrechnungsfläche insgesamt zu klein, da auch die Anlieger der Straße Wischhof hätten mit einbezogen werden müssen. Nach der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise handele es sich bei diesem Straßenzug nicht um ein selbständiges Element des Straßennetzes.

10

Ferner sei das Grundstück Flurstück xx, das im Bebauungsplan als private Grünfläche festgesetzt sei, in die Verteilungsfläche einzubeziehen. Es handele sich um ein beitragspflichtiges Hinterliegergrundstück. Zugunsten des unmittelbaren Hinterliegergrundstücks (Flurstück xx) sei auf dem Anliegergrundstück (Flurstück xx, Dorfstraße xx) ein Wegerecht eingetragen. Das unmittelbare Hinterliegergrundstück und das Flurstück xx gehörten dem gleichen Eigentümer, so dass dieser von der Dorfstraße aus zunächst über das Anliegergrundstück aufgrund seines Wegerechtes zum Flurstück xx und von da aus aufgrund der Eigentümeridentität auf das dahinterliegende Flurstück xx rechtlich gesichert gelangen könne.

11

Ferner seien weitere Grundstücke mit einer zu geringen Beitragsfläche berücksichtigt worden. Das Grundstück Dorfstraße xx (Gaststätte XY) und das südlich davon liegende unbebaute Grundstück Flurstück xx seien fehlerhaft mit nur einem Vollgeschoss und damit dem Faktor 1,0 berücksichtigt worden. Tatsächlich weise der XY zwei Vollgeschosse auf; dies präge dann auch das Flurstück xx. Auch das unbebaute Flurstück xx auf der Südseite der Dorfstraße habe mit dem Faktor 1,3 berücksichtigt werden müssen, da es aufgrund der Bebauung auf den Nachbargrundstücken zweigeschossig bebaubar sei.

12

Die Beklagte trat dem entgegen und führte aus, das Grundstück des Klägers sei richtig veranlagt. Die Fläche für den Gehweg sei nicht abzuziehen, da das Bauprogramm insoweit bereits vor Beginn der Baumaßnahmen wirksam geändert worden sei. Da es ihr nicht gelungen sei, sich mit dem Kläger über einen Erwerb der Grundstücksfläche zu einigen, habe die Stadtvertretung am 11.12.2012 beschlossen, den nördlichen Gehweg an dieser Stelle nicht zu errichten, sondern stattdessen eine weitere Querungshilfe zu bauen. Sie sei allerdings weiterhin an einem Erwerb der Grundstücksfläche und dem Bau des Gehweges interessiert.

13

Das Grundstück liege ferner jedenfalls in seinem vorderen Bereich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles nach § 34 BauGB; diese Auffassung vertrete nach einem Vermerk vom 24.10.2013 auch die zuständige Baubehörde des Kreises Segeberg. Es gelte daher bis zu der nach der Ausbaubeitragssatzung zu berücksichtigenden Tiefenbegrenzungslinie von 50 m als Bauland. Diese Fläche sei mit dem Faktor 1,0 zu vervielfachen, da in der näheren Umgebung überwiegend eingeschossige Gebäude vorhanden seien. Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie liegende Fläche sei mit dem Faktor 0,05 zu berücksichtigen.

14

Das Grundstück xx sei zu Recht nicht berücksichtigt worden. Es könne von der Dorfstraße her nicht in rechtlich zulässiger Weise betreten werden. Ein Wegerecht gelte immer nur für das Grundstück, für das es eingetragen sei. Eine Nutzung für weitere Grundstücke sei rechtswidrig. Das gelte auch dann, wenn diese Grundstücke im Eigentum derselben Person stünden wie das berechtigte Grundstück. Der Eigentümer der beiden hinterliegenden Grundstücke dürfe daher sein Wegerecht über das Anliegergrundstück nur nutzen, um auf das begünstigte Grundstück Flurstück xx zu kommen, nicht aber auf das Grundstück xx.

15

Die Grundstücke am Wischhof seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil der Wischhof nicht zur Einrichtung Dorfstraße gehöre. Die ca. 160 m lange Straße vermittele nicht den Eindruck, dass es sich lediglich um eine unselbständige Zufahrt zu vereinzelten Hinterliegergrundstücken handele.

16

Das Grundstück Dorfstraße xx (XY) sei zu Recht mit nur einem Vollgeschoss berücksichtigt worden, bei dem darüber liegenden Geschoss handele es sich um ein Staffelgeschoss.

17

Die unbebauten Grundstücke Flurstücke xx und xx seien zu Recht mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt worden, da die Grundstücke der näheren Umgebung überwiegend mit nur einem Vollgeschoss bebaut seien.

18

Die Kammer hat mit Beschluss vom 06.01.2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruches angeordnet und zur Begründung ausgeführt, die Erhebung einer Vorausleistung sei nicht mehr zulässig. Vorausleistungen dürften nur bis zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erhoben werden, dies sei die Abnahme der Bauarbeiten. Abzustellen sei dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung. Da nach dem unwidersprochenen Vortrag in einem Parallelverfahren die Abnahme der Bauarbeiten inzwischen erfolgt und damit die sachliche Beitragspflicht entstanden, über den Widerspruch aber noch nicht entschieden sei, sei die Erhebung von Vorausleistungen nicht mehr zulässig.

19

Das OVG Schleswig hat diesen Beschluss mit Beschluss vom 22.04.2014 (4 MB 2/14) geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nur insoweit angeordnet, als eine Vorauszahlung von mehr 18.954,37 € festgesetzt worden war. Die Erhebung einer Vorausleistung sei weiter zulässig, da entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden sei; es fehlten die Fertigstellung und Abnahme der Straßenbeleuchtung. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen. Gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden überwiegend keine ernstlichen Zweifel. Das Abrechnungsgebiet sei von der Beklagten voraussichtlich im Wesentlichen zutreffend bestimmt worden. Die Grundstücke am Wischhof seien nicht mit einzubeziehen, da der Charakter dieser Straße bei einer Länge von ca. 160 m und deutlich mehr als 10 erschlossenen Grundstücke über den einer gemeinsamen Grundstückszufahrt hinausgehe. Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Grundstück Flurstück xx in die Abrechnung einbezogen werden müsse. Der Eigentümer des Anliegergrundstückes sei rechtlich zwar verpflichtet, eine Überwegung durch den von dem unmittelbaren Hinterliegergrundstück stammenden Verkehr zu dulden, nicht jedoch auch den vom weiteren Grundstück Flurstück xx stammenden Verkehr. Andererseits erscheine nicht ausgeschlossen, dass auch ein zunächst von diesem Flurstück stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls von dem Überwegungsrecht mit erfasst sei. Die Beantwortung dieser Frage hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung ab und auch davon, welche Funktion die Wegeparzelle aus den Flurstücken xx, xx und xx habe. Die Annahme des Klägers, die Fläche seines Grundstückes sei um einen Streifen mit einer Fläche von ca. 200 m² für den geplanten Gehweg zu verringern, sei unzutreffend, da die Antragsgegnerin ihre Ausbauplanung inzwischen geändert habe. Die Beklagte habe die Grundstücksfläche auch zu Recht bis zur Tiefenbegrenzung als einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil gemäß § 34 BauGB angesehen. Aus dem Lageplan sei zu ersehen, dass das Grundstück im Bereich seiner Angrenzung an die Dorfstraße die Breite einer Baulücke nicht überschreite. Die umgebenen bebauten Anliegergrundstücke verhielten sich in etwa in ähnlicher Breite. Auf die jenseits der Tiefengrenze gelegene Teilfläche habe die bauplanungsrechtliche Einstufung des vorderen Grundstücksteils keinen Einfluss.

20

Die Miteinbeziehung des Flurstücks xx in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke führe nach der eingeholten Vergleichsberechnung zu einer Minderung der festgesetzten Beitragshöhe von 19.033,78 € auf 18.954,37 €.

21

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 31.07.2014 in vollem Umfang zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des OVG und hielt daran fest, dass das Flurstück xx nicht mit einzubeziehen sei. Das Grundstück werde nicht von der Dorfstraße aus, sondern ausschließlich von Süden her erschlossen.

22

Daraufhin hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen Vortrag im Eilverfahren ergänzt und vertieft. Ergänzend führt er aus, die Beklagte habe inzwischen den Grundstücksstreifen erworben und unter dessen Einbeziehung ihr Bauprogramm erneut geändert und die Straße unter Inanspruchnahme dieses Streifens inzwischen auch hergestellt, ohne dass diese Fläche im Rahmen der Veranlagung ausgesondert worden wäre. Die Einschätzung des OVG, dass es sich bei seinem Grundstück um eine „Baulücke“ handele, widerspreche den Verhältnissen vor Ort. Auch wenn man eine Bebauung entlang der Straße für zulässig halte, dürfe doch der dahinterliegende Bereich insgesamt nur mit dem Faktor 0,05 bewertet werden. Insoweit handele es sich eindeutig um eine Außenbereichsfläche. Daher sei die Vermutung der Tiefenbegrenzungsregelung, dass die Fläche bis zu 50 m als bebaubar gelte, widerlegt. Eine Widerlegung der Vermutung müsse möglich sein, da anderenfalls der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verletzt sei.

23

Auf die von ihm gerügte zu niedrige Veranlagung dreier Grundstücke sei das OVG nicht eingegangen. An dem Vortrag dazu werde festgehalten.

24

Der Kläger beantragt,

25

den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2014 aufzuheben.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im Eilverfahren und im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, es sei beabsichtigt, die auf das klägerische Grundstück entfallene Vorauszahlung nach Abzug der verkauften Teilfläche neu zu ermitteln, sobald die amtliche Vermessung erfolgt sei. Allerdings hätten weder der Verkauf noch der Eigentumswechsel an der Teilfläche Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides. Ein Wechsel im Eigentum wirke sich regelmäßig nicht aus, da die Vorauszahlung bei Erhebung des endgültigen Betrages gegenüber dem Schuldner des endgültigen Betrages zu verrechnen sei.

29

Zur Geschossigkeit des Grundstückes Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 70) sei zu ergänzen, dass der der Straße zugewandte nördliche Grundstücksteil als Zuwegung zu dem Gebäude mit der postalischen Anschrift Dorfstraße xx genutzt werde und für eine Bebauung mit einem Gebäude zu schmal sei. Ein Gebäude dürfe, wenn überhaupt, vermutlich nur auf dem rückwärtigen südlichen Teil des Grundstücks errichtet werden. An dieser Stelle werde der Bebauungszusammenhang aber von den Gebäuden auf den Grundstücken Dorfstraße xx, Glindenberg xx und Glindenberg xx geprägt. Diese seien alle nur mit einem Vollgeschoss bebaut.

30

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge auch zum Verfahren 9 B 39/13 und dem gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren 9 A 248/14 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit darin ein Ausbaubeitrag von mehr als 18.997,40 € festgesetzt ist; insoweit sind sie aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.

33

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide noch gültigen Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 12.11.1996 i.d.F. der 4. Nachtragssatzung vom 24.04.2013 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -). Danach erhebt die Beklagte für die Herstellung, den Ausbau und den Umbau sowie die Erneuerung von Einrichtungen der in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Beiträge für Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung Vorteile zuwachsen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG i.V.m. § 11 Abs. 1 ABS können Vorauszahlungen bis zu 80% der Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangt werden, sobald mit der Ausführung eines Vorhabens begonnen wird.

34

Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorauszahlung lagen vor. Die Bescheide ergingen nach Beginn der Baumaßnahmen. Weitere Voraussetzung für die Erhebung einer Vorauszahlung ist, dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, denn von diesem Zeitpunkt an ist nur noch der Erlass eines endgültigen Bescheides zulässig (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Jan. 2016, § 8 Rn. 367; Böttcher in Thiem/Böttcher, KAG, Stand Nov. 2015, § 8 Rn. 1077 jeweils m.w.N.). Die sachliche Beitragspflicht entsteht grundsätzlich mit der Abnahme der im Bauprogramm vorgesehenen Maßnahmen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides war noch keine der vorgesehenen Maßnahmen abgenommen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 waren zwar die eigentlichen Bauarbeiten abgenommen, nicht aber - wie die Beklagte im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat - die im Bauprogramm ebenfalls vorgesehene Straßenbeleuchtung. Darüber hinaus war bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides und der Fertigstellung der Straßenbeleuchtung das Bauprogramm am 01.07.2014 aufgrund der Einigung der Beteiligten über den Erwerb des Grundstücksstreifens nochmals dahingehend geändert worden, dass Gehweg im Bereich des Grundstücks des Klägers doch ausgebaut werden sollte. Damit war die sachliche Beitragspflicht auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht entstanden. Auf die im Eilverfahren erörterte Frage, ob auf diesen Zeitpunkt oder aber den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides abzustellen ist, kommt es daher nicht an. Die Kammer hat sich zwischenzeitlich im Übrigen in einem Eilverfahren der Auffassung des OVG angeschlossen, wonach die Entstehung der Beitragspflicht während des Vorverfahrens unschädlich ist (Beschluss vom 26.01.2016 - 9 B 20/15 -; vgl. nunmehr auch Habermann a.a.O. Rn. 367).

35

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die abgerechneten Maßnahmen eine beitragspflichtige Erneuerung und z.T. auch eine beitragspflichtige Verbesserung darstellten; dass öffentliche Einrichtung die Dorfstraße zwischen der Ziegelstraße (B 432) und der Einmündung in den Hamdorfer Weg ist und dass die Dorfstraße als Haupterschließungsstraße einzustufen ist. Bedenken gegen diese Annahmen bestehen nicht; das Gleiche gilt für die Schätzung des voraussichtlichen Aufwandes.

36

Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein streitigen Beitragsfläche ergibt sich nur eine geringfügige Änderung.

37

Die Beklagte hat zunächst das Abrechnungsgebiet richtig gewählt. Die Anlieger der Straße Wischhof waren nicht einzubeziehen, denn diese Straße stellt sich als eigenständige Einrichtung und nicht nur als unselbständiges „Anhängsel“ der Dorfstraße dar.

38

Nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG Schleswig besteht die im Ausbaubeitragsrecht erforderliche enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße auch bei solchen Grundstücken, die an einer - von der ausgebauten Straße abzweigenden - Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke „erschließt“, die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in „zweiter Baureihe“ liegen, so dass sich der Eindruck der Zugehörigkeit dieser Grundstücke zum Abrechnungsgebiet aufdrängt. Anders verhält es sich wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu „Hinterliegern“ hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt (vgl. z.B. OVG Schleswig, Urteil vom 30.04.2003 - 2 LB 118/01 - juris, und Beschluss vom 14.12.2007 - OVG 2 LA 23/07 -). Die Straße Wischhof ist ca. 160 m lang und erschließt außer den Eckgrundstücken noch ca. 10 weitere Grundstücke, so dass nach diesem Maßstab ein Zufahrtscharakter nicht mehr angenommen werden kann.

39

Zu Recht hat die Beklagte das Grundstück xx nicht in die Abrechnung mit einbezogen.

40

Eine vorteilsbegründende qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße kann auch für ein Hinterliegergrundstück, also für ein Grundstück, das von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt wird, bestehen. Dies ist der Fall, wenn vom Hinterliegergrundstück aus Zugang zur Straße über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden kann. Dies erfordert in der Regel eine dingliche Sicherung der Überwegung etwa durch eine Grunddienstbarkeit. Sind der Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks identisch, reicht es aus, dass entweder tatsächlich ein Zugang über das Anliegergrundstück besteht oder aber die Grundstücke einheitlich genutzt werden, insbesondere weil die Grundstücksgrenze überbaut ist oder die Grundstücke einheitlich z.B. gewerblich oder als Wohngrundstück mit Gartenland genutzt werden (Habermann a.a.O. Rn. 184, 186 f. m.w.N.).

41

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine dingliche Sicherung des Zugangs besteht nur für das unmittelbar an das Anliegergrundstück angrenzende Grundstück Flst. xx; zugunsten dieses Grundstücks ist auf dem Anliegergrundstück Flst. xx ein Wegerecht eingetragen. Auf das noch dahinterliegende Flst. xx erstreckt sich das Wegerecht nicht. Das OVG hat es im Eilverfahren für nicht ausgeschlossen gehalten, dass auch ein zunächst vom Flurstück xx stammender und dann über das Flurstück xx weitergeführter Verkehr ebenfalls vom Überwegungsrecht über das Flurstück xx miterfasst sei. Die Beantwortung dieser Fragen hänge von der in der Vergangenheit getätigten tatsächlichen Übung statt. Für eine entsprechende tatsächliche Übung gibt es jedoch in der Örtlichkeit keine Anhaltspunkte. Eine irgendwie geartete wegemäßige Verbindung zwischen dem Flurstück xx und dem Flurstück xx ist nicht erkennbar. Vielmehr ist der Bereich an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken dicht mit Brombeeren, Sträuchern etc. bewachsen, so dass tatsächlich eine Überwegung derzeit kaum möglich sein dürfte. Das Flurstück xx wird ausschließlich von Südosten, d.h. von der Moltkestraße her erschlossen (vgl. auch den Luftbildausdruck von „bing“ Bl. 79 Gerichtsakte sowie den Lageplan mit Luftbild Bl. 94).

42

Ein rechtlich gesicherter Zugang kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Grundstücke Flst. xx und xx demselben Eigentümer gehören. Die Eigentümeridentität allein reicht wie oben dargelegt nicht aus. Zusätzliche Umstände, die die Vorteilslage für das Hinterliegergrundstück begründen, fehlen hier jedoch. Weder besteht zwischen den beiden Grundstücken tatsächlich eine Zufahrt oder ein Zugang noch werden sie einheitlich genutzt.

43

Bei der Berechnung der für die Grundstücke im Abrechnungsgebiet jeweils zu berücksichtigenden gewichteten Fläche hat die Beklagte das Grundstück des Klägers zu Recht mit insgesamt 5.574 qm veranlagt, wovon auf die Fläche innerhalb der Tiefenbegrenzung 5317 qm und auf die Fläche jenseits davon 257 qm entfallen.

44

Der Vorauszahlungsbescheid ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig (geworden), weil zwischenzeitlich der Streifen an der Grenze des streitigen Grundstücks von der Beklagten erworben wurde und - wie mit der nochmaligen Änderung des Bauprogramms am 01.07.2014 geplant - als Gehweg hergestellt wurde. Für die tatsächlichen Verhältnisse ist hier - spätestens - auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen. Die Höhe des im Vorausleistungsbescheid festgesetzten Beitrages beruht auch hinsichtlich der Verteilungsfläche auf einer auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung ausgerichteten Prognose (BVerwG, Urteil vom 05.05.2015 - 9 C 14/14 - , juris), für die zunächst die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides maßgeblich sind. Dieser Prognose ist immanent, dass sich sowohl hinsichtlich der Kosten als auch hinsichtlich der Flächen bis zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht Veränderungen ergeben können, z.B. aufgrund baulicher Veränderungen auf einzelnen Grundstücken oder anderer Überplanung. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheides stand der Grundstücksstreifen noch im Eigentum des Klägers und das Bauprogramm war noch nicht geändert, so dass die Prognose nicht zu beanstanden ist. Es kann hier offen bleiben, ob Änderungen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, d.h. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen sind (so Kammer, Urteil der Einzelrichterin vom 05.12.2012 - 9 A 94/10 - und Driehaus, § 21 Rn. 33, BayVGH, Urteil vom 01.03.2012 - 20 B 11.1723 - juris). Denn auch bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 31.07.2014 stand der Grundstücksstreifen noch im Eigentum des Klägers und war damit nicht selbst Erschließungsanlage. Zwar legte das am 01.07.2014 geänderte Bauprogramm den Ausbau des Gehweges wieder fest; dies war aber anders als eine Ausweisung im Bebauungsplan für den Kläger nicht verbindlich. Er konnte nach wie vor den Grundstücksstreifen behalten und in die Baufläche einbeziehen. Die jetzige Situation zur Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist nicht mehr maßgeblich. Denn das für die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes entscheidende materielle Recht spricht dafür, Veränderungen in der Verteilungsfläche oder im Aufwand nur bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen, nicht aber darüber hinaus. Dies würde dem Charakter des Vorauszahlungsbescheides als vorläufiger Schätzung zuwiderlaufen und wäre auch kaum praktikabel.

45

Die Beklagte ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass es sich um ein nach § 34 Abs. 1 BauGB bebaubares Grundstück handelt und hat die Fläche bis zur Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1 und die dahinterliegende Fläche mit dem Faktor 0,05 in die Berechnung eingestellt.

46

Wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und damit die Grenze zwischen dem Innen - und dem Außenbereich verläuft, lässt sich nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung auf Grund einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts. Bei dieser Wertung und Bewertung kann nur eine komplexe, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigende Betrachtungsweise im Einzelfall zu einer sachgerechten Entscheidung führen. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtungsweise der „Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei lässt sich nichts Allgemeingültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe eines solchen unbebauten Grundstücks auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Zwar findet die Möglichkeit, eine den Bebauungszusammenhang wahrende Baulücke anzunehmen, auch in dessen Größe eine obere Grenze, jedoch lässt sich eine absolute Zahl als Grenzwert insoweit nicht angeben. Für die Beurteilung, ob eine unbebaute Freifläche selbst einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt, kommt es darauf an, ob sie durch die vorhandene Bebauung in irgendeiner Weise geprägt wird. Ist eine solche Prägung nicht vorhanden, so fehlt die innere Rechtfertigung für die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.12.1972 – 4 C 6.71 -, BVerwGE 41, 227; Urteil vom 14.11.1991 – 4 C 1.91 -, BRS 52 Nr. 146; OVG Schleswig, Urteil vom 22.05.2003 - 1 LB 18/02 -).

47

Unter Anwendung dieser Grundsätze nimmt das Grundstück des Klägers nach der Auswertung der vorliegenden Luftbilder und Karten sowie nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung an dem Bebauungszusammenhang zwischen der Bebauung auf den angrenzenden Grundstücken teil, wobei auch die Bebauung auf der anderen Straßenseite zu berücksichtigen ist.

48

Der Abstand zwischen der Bebauung zu beiden Seiten des klägerischen Grundstücks ist nicht so groß, dass der Eindruck eines Bebauungszusammenhanges unterbrochen würde. Abzustellen ist nicht auf den Abstand zwischen den Grundstücksgrenzen bzw. darauf, in welcher Länge das Grundstück an die Dorfstraße angrenzt, sondern auf die Bebauung einschließlich der bauakzessorischen Nutzung, soweit diese der Hauptanlage ohne weiteres erkennbar zugeordnet ist (BVerwG, Urteil vom 17.06.1993 - 4 C 17/91 -, juris). Hier beträgt die Entfernung in der Luftlinie zwischen der östlichen Ecke des insgesamt baulich bzw. bauakzessorisch mit Garage und Hausgarten genutzten Grundstücks Dorfstr. xx und der nordwestlichen Ecke des Gebäudes auf dem Grundstück Dorfstr. xx ca. 65 m. Legt man die Größe der angrenzenden Baugrundstücke zugrunde, könnten zwei weitere Baugrundstücke entstehen, deren Bebaubarkeit unproblematisch aus der Bebauung der prägenden Nachbargrundstücke hergeleitet werden könnte. Der Eindruck einer größeren Baulücke kann allenfalls deshalb entstehen, weil sich an die Grünfläche auf dem Grundstück des Klägers im Kurvenbereich östlich eine ebenfalls unbebaute Fläche auf dem Grundstück Flurstück xx anschließt und dadurch zunächst der Abstand zwischen der Bebauung entlang der Straße größer wirkt. Diese unterbricht den Bebauungszusammenhang jedoch nicht, da es sich um einen Teich (früher Feuerlöschteich) mit Uferbewuchs handelt. Solche Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z.B. stehendes oder fließendes Gewässer) einer Bebauung entzogen sind, können Bestandteil des Bebauungszusammenhanges sein (BVerwG Urt. v. 30.05.2015 - 4 C 5/14 - ; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 24). Dies ist nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung hier der Fall. Insgesamt wird das Grundstück des Klägers im vorderen Bereich an der Dorfstraße durch die angrenzende Bebauung und die Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite so geprägt, dass kein Planungserfordernis besteht und es sich damit nicht um eine „Außenbereichsinsel im Innenbereich“ handelt. Diese Wertung entspricht der des zuständigen Kreises im Vermerk vom 24.10.2013 mit Lageplan (Gerichtsakte 9 B 39/13 Bl. 56 f.).

49

Auf die Frage, wieweit das Grundstück im rückwärtigen Bereich bebaubar ist, kommt es nicht an. Die Beklagte hat den Bereich des Grundstücks bis zur Tiefenbegrenzungslinie von 50 m zu Recht mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt, obwohl diese Fläche jedenfalls teilweise dem Außenbereich zuzurechnen ist. Dies entspricht § 6 Abs. 2 a) i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 a) ABS. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht nur die Fläche innerhalb der „Bauflucht“ mit dem Faktor 1,0 zu berücksichtigen. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründet die beitragsrechtliche Vermutung dafür, dass die Grundstücke des Innenbereichs bis zur festgesetzten Grenze erschlossen sind, d.h. Baulandqualität besitzen. Sie ist nur widerlegt, wenn über die Tiefengrenze hinaus Bebauung oder gewerbliche Nutzung vorhanden ist. Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Tiefenbegrenzungsregelung, unter Bezugnahme auf Besonderheiten im Einzelfall nur eine geringere Fläche als die anhand der Tiefenbegrenzung ermittelte zu berücksichtigen, denn die Tiefenbegrenzung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität gerade ausschließen, dass in jedem Einzelfall überprüft werden muss, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt (OVG Schleswig, Urteil vom 19.05.2010 - 2 KN 2/09 - , juris). Daher ist die Vermutung insoweit nicht durch eine Einzelfallprüfung widerlegbar. Eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung findet deshalb auch Anwendung, wenn im Einzelfall der Außenbereich bereits diesseits der durch diese Bestimmung begründeten Grenze beginnt (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II Rn. 411 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.09.1995 - 9 L 6639/93 - , juris). Der vom Kläger dagegen angeführte Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verlangt nicht eine Berücksichtigung aller Besonderheiten eines Einzelfalls, sondern lässt eine typisierende Verteilungsregelung zu, um zu gewährleisten, dass das Heranziehungsverfahren praktikabel und überschaubar bleibt (Habermann a.a.O. Rn. 217 m.w.N.; Böttcher a.a.O. Rn. 1003).

50

Bedenken gegen die - übliche - Tiefenbegrenzung von 50 m sind nicht ersichtlich (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 18.11.2015 - 4 O 49/15 -; Habermann a.a.O. Rn. 231); die Beklagte hat dazu vorgetragen, diese Tiefe der baulichen Nutzung sei im Gemeindegebiet - darauf ist abzustellen - ortsüblich.

51

Zweifel daran sind auch im Hinblick auf den vorgelegten Verteilungsplan nicht ersichtlich.

52

Die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie gelegene Fläche ist nach § 6 Abs. 2 ABS mit dem Faktor 0,05 berücksichtigt.

53

Die Beklagte hat zu Recht das Grundstück Dorfstr. xx (Flst. xx - Verteilungsplan Nr. 35) mit einem Vollgeschoss in die Berechnung eingestellt, auf dem sich die Gaststätte XY befindet. Der älteste Teil des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1907; das Gebäude wurde dann in der Folgezeit kontinuierlich durch Anbauten erweitert, insbesondere um einen Saal und eine Kegelbahn. Die einzelnen Gebäudeteile weisen unterschiedliche Geschossigkeiten auf, zweigeschossig sind nur die beiden östlichen Gebäudeteile (vgl. Bl. 58 ff. Gerichtsakte 9 B 39/13). Insoweit handelt es sich jedoch nicht um ein Vollgeschoss i.S.d. § 7 Abs. 12 Satz 2 ABS, wonach nur Vollgeschosse nach den landesrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Landesbauordnung (LBO) sind Vollgeschosse oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Dies ist hier nicht der Fall, denn das Dachgeschoss im östlichen Gebäudeteil erstreckt sich nur über ca. ein Viertel des darunterliegenden Erdgeschosses des gesamten Gebäudes. Hierzu zählen auch der Saal und die Kegelbahn, denn es handelt sich um ein einheitliches Gebäude, auch wenn es aufgrund der Baugeschichte unterschiedliche Gebäudeteile aufweist. Damit stellt das Dachgeschoss nur ein Staffelgeschoss i.S.d. § 2 Abs. 6 LBO und kein Vollgeschoss i.S.d § 2 Abs. 7 LBO und der Ausbaubeitragssatzung dar.

54

Dies wirkt sich auch auf das davorliegende unbebaute Grundstück Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 34) aus, das als Vorplatz für die Gaststätte genutzt wird. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ergibt sich bei Grundstücken, die von einem Bebauungsplan nicht erfasst sind, die Zahl der Vollgeschosse bei unbebauten aber bebaubaren Grundstücken aus der Zahl der auf den Grundstücken der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Da sowohl der XY als auch das Nachbargebäude eingeschossig sind, ist auch das Flurstück xx entsprechend zu berücksichtigen.

55

Zu ändern ist die Berechnung nur hinsichtlich des insgesamt 5376 qm unbebauten Grundstücks Flurstück xx (Verteilungsplan Nr. 70), das die Beklagte hinsichtlich der vor der Tiefenbegrenzungslinie liegenden Grundstücksfläche (645 qm) als eingeschossig bebaubar angesehen hat. Es handelt sich um ein Eckgrundstück, das gleichzeitig an die Straße Glindenberg angrenzt und im vorderen Bereich an der Dorfstraße nur ca. 13 - 14 m breit ist. Östlich benachbart liegt das zweigeschossig bebaute Grundstück Dorfstraße xx; das auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Glindenberg liegende Gebäude ist ebenfalls zweigeschossig. Im rückwärtigen südlichen Bereich wird das Flurstück xx deutlich breiter und grenzt an das eingeschossig bebaute Grundstück Dorfstr. xx an, dessen Zufahrt zum Glindenberg über das Flurstück xx führt. Dieses Grundstück sowie die Grundstücke Glindenberg Nr. xx und xx hat die Beklagte als die maßgeblichen Grundstücke in der näheren Umgebung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS angesehen und dies damit begründet, dass der vordere Grundstücksteil für eine Bebauung zu schmal und daher auf den rückwärtigen Grundstücksteil abzustellen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen.

56

Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ABS wird für die Ermittlung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung die nach § 6 ermittelte Grundstücksflächeohne die mit dem Faktor 0,05 berücksichtigten Flächen mit den sich aus Abs. 2 Nr. 1 aus der Zahl der Vollgeschosse ergebenden Faktoren vervielfacht. Daher ist der rückwärtige Bereich jenseits der Tiefenbegrenzungslinie, dessen Fläche mit dem Faktor 0,05 vervielfacht wurde, hier außer Betracht zu lassen. Maßgeblich ist auf die bebaubare vordere Grundstücksfläche innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie abzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese nicht bebaubar wäre; bei einer Breite von mindestens 13 m verblieben bei Berücksichtigung der Grenzabstände für ein Gebäude noch 7 m; dies reicht aus. Bezogen auf diesen Grundstücksteil sind in der näheren Umgebung überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Der Begriff der „näheren Umgebung“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 c) ABS ist in gleicher Weise auszulegen wie in § 34 BauGB, da sich die Bemessung des Vorteils an der zulässigen Bebauung orientiert (vgl. Böttcher a.a.O. Rn. 648). Für den vorderen Grundstücksteil sind prägend die jeweils zweigeschossigen Gebäude links und rechts. Es kann offen bleiben, ob auch das rückwärtig gelegene Gebäude Dorfstr. xx zur „näheren Umgebung“ zu zählen ist, denn auch in diesem Fall sind überwiegend zwei Vollgeschosse vorhanden. Die eingeschossigen Grundstücke Glindenberg xx und xx prägen den vorderen Grundstücksbereich nicht mehr.

57

Daher sind die 645 qm vor der Tiefenbegrenzungslinie mit dem Faktor 1,3 zu vervielfachen, so dass für das Grundstück (645 x 1,3 =) 838,50 qm zuzüglich 237 qm nicht baulich nutzbarer Fläche und damit insgesamt 1075,50 qm und nicht wie von der Beklagten angenommen 882 qm zu berücksichtigen sind. Die Gesamtbeitragsfläche im Abrechnungsgebiet vergrößert sich dadurch um 193,50 qm auf 101.215,17 qm; der Beitragssatz verringert sich von 4,268431 €/qm auf 4,260271 €/qm. Damit ergibt sich für das Grundstück des Klägers ein voraussichtlicher Beitrag von (5574 qm x 4,260271 =) 23.746,75 €, wovon 80% und damit 18.997,40 € als Vorausleistung zu zahlen sind.

58

Die Klage war daher nur in Höhe des Differenzbetrages von 36,38 € stattzugeben; im Übrigen ist sie unbegründet.

59

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger insgesamt auferlegt, da er nur in sehr geringem Umfang obsiegt hat (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 2013 geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2011 wird aufgehoben, soweit ein Ausbaubeitrag von mehr als 52.374,45 Euro festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Mit Bescheid vom 6. April 2011 zog die Beklagte den Kläger als „Eigentümer des in der Gemeinde Scharbeutz, Gemarkung A-Stadt, Flur 2, Flurstück 275/9, A-Straße, Campingplatz, A-Stadt liegenden Grundstückes“ wegen des Ausbaus der Strandallee zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 67.641,78 Euro heran.

3

Das Flurstück 275/9 ist eine 27.070 qm große Teilfläche eines unter Nr. 3 des Grundbuchs von Haffkrug-A-Stadt, Blatt 4683, gebuchten Grundstücks von insgesamt 28.919 qm Größe. Das Flurstück wird zusammen mit weiteren Flurstücken anderer Grundstücke, die teilweise im Eigentum Dritter stehen, als Campingplatz genutzt. Nießbraucher sind der Vater des Klägers und dessen Ehefrau. Die Zufahrt zum Campingplatz verläuft über das direkt an der Strandallee gelegene, ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Flurstück 115, auf dem sich ein Imbissbetrieb, ein Lagerraum und Parkplätze befinden, anschließend über das im Eigentum des Vaters des Klägers stehende Flurstück 120/19 und quert (u.a.) ein Flurstück des ehemaligen Verlaufs des Baches „Gösebeek“, das im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein steht.

4

Den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2011 als unbegründet zurück.

5

Der Kläger hat am 17. Oktober 2011 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:

6

Der Ausbau der Strandallee vermittle dem Flurstück 275/9 keinen Vorteil, weil es an der erforderlichen qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit fehle. Bei dem Flurstück 275/9 handele es sich um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, das nicht über einen rechtlich gesicherten Zugang zur ausgebauten Straße verfüge. Die Zufahrt über das Grundstück (Flurstück 120/19) seines Vaters sei nicht dinglich gesichert.

7

Die Beklagte gehe bereits im Ansatz unzutreffend davon aus, dass sein Vater als Eigentümer des hinterliegenden Flurstücks 120/19 in Form eines Notwegerechts über eine ausreichend gesicherte Zufahrt zur ausgebauten Straße „Strandallee“ über sein an der Strandallee gelegenes Flurstück 115 verfüge. Die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 917 BGB lägen nicht vor. Zum einen bestehe eine Zugangsmöglichkeit über die nördlich an das Grundstück 120/19 angrenzende Privatstraße „Strandwiese“, die ebenfalls im Eigentum seines Vaters stehe. Auf die tatsächliche Nutzung der Zugangsmöglichkeit komme es nicht an. Zum anderen fehle es an einem erforderlichen Duldungsverlangen seines Vaters an ihn als Eigentümer des Flurstücks 115.

8

Zudem sei die Berechnung des Beitrags fehlerhaft beziehungsweise ohne Grundlage in der Satzung. Von der tatsächlichen Grundstücksfläche seien die Flächen in Abzug zu bringen, die nicht als Campingplatz genutzt werden dürften. Dies gelte zum einen für den westlichen Teil des Grundstücks, der als geschütztes Biotop nach § 15 Landesnaturschutzgesetz jeglicher Nutzung entzogen sei und zum anderen für die Fläche, die er nach einem Planfeststellungsbeschluss des Kreises Ostholstein als Gewässerschutzstreifen der Gösebeek und der Heidebeek freizuhalten habe. Die Regelungen in der Satzung über die Anzahl der anzusetzenden Vollgeschosse in § 6 Abs. 3 der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten seien sämtlich nicht einschlägig, sodass die Satzung keine Grundlage für die Veranlagung seines Grundstücks sein könne. Der rechnerische Ansatz eines Vervielfältigers von 1,0 sei überhöht. Grundstücke, die nur in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt werden könnten, seien wegen ihrer regelmäßigen Großflächigkeit allenfalls mit der Hälfte, besser nur mit einem Viertel des für eingeschossige Bebauung vorgesehenen Nutzungsfaktors in die Aufwandsverteilung einzustellen. Der Ansatz eines Artzuschlages sei unangemessen und finde in der Satzung ebenfalls keine Grundlage.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2011 aufzuheben.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Flurstück 115 des Klägers, auf dem die ausschließliche Zufahrt und der ausschließliche Zugang zum einheitlich genutzten Campingplatz gelegen sei, grenze unmittelbar an die ausgebaute Strandallee an. Das sich daran nordwestlich direkt anschließende Grundstück des Vaters des Klägers (Flurstück 120/19) besitze als Hinterliegergrundstück über das vorgelagerte Anliegergrundstück (Flurstück 115) eine Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz (zur ausgebauten Strandallee) in Form eines Notwegerechts nach Maßgabe des §917 BGB. Das Notwegerecht sei schon dann gegeben, wenn eine zweite Zufahrtsmöglichkeit (hier über die Privatstraße Strandwiese) tatsächlich nicht genutzt werde. Im Übrigen erfordere die Auswahl zwischen zwei Wegerechten beziehungsweise Anschlussmöglichkeiten eine Abwägung zwischen den Interessen an der geringsten Belastung und der größten Effektivität der jeweiligen Verbindung. Danach sei eindeutig ein Notwegerecht über das Anliegergrundstück (Flurstück 115) mit der tatsächlich vorhandenen Zufahrt beziehungsweise dem tatsächlich vorhandenen Zugang zum gesamten Campingplatzgelände gegeben. Wenn für das Grundstück des Vaters (Flurstück 120/19) ein Notwegerecht über das Flurstück 115 des Klägers gegeben sei, dann sei auch für den Kläger entsprechend im Hinblick auf seine Hinterliegergrundstücke (u.a. das Flurstück 275/9), für die es keine andere Erschließungsmöglichkeit gebe, ein Notwegerecht gemäß §917 BGB über das Flurstück des Vaters 120/19 einzuräumen. Ein tatsächlich und unter Umständen möglicher Zugang oder eine Zufahrt über die Privatstraße Strandwiese sei in diesem Zusammenhang rechtlich bedeutungslos, weil insgesamt für die Hinterliegergrundstücke des Klägers tatsächlich keine grundbuchrechtlichen dinglichen Sicherungen für eine dauerhafte Inanspruchnahme der Privatstraße bestellt worden seien.

14

Eine Flächenbegrenzung des Grundstücks sei rechtlich nicht geboten. Ausnutzungsbehinderungen, wie die hier vom Kläger angeführten öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, hätten keinen Einfluss auf den Umfang der erschlossenen Grundstücksfläche.

15

Die maßgebliche Ausbaubeitragssatzung treffe in § 6 Abs. 3 Ziffer 3 a, c und d für das Flurstück 275/9 auch eine Vollgeschossregelung.

16

Die vom Kläger angenommene eingeschränkte (bauliche) Nutzbarkeit des Grundstücks führe nicht zur Anwendung eines niedrigeren Nutzungsfaktors. Grundstücke, bei denen es sich im Regelfall um Unterfälle einer Grünflächennutzung und nicht einer baulichen Nutzung handele, seien mit besonderen Nutzungsfaktoren belegt (hier 0,7 der Grundstücksfläche).

17

Auch für Grundstücke in anderen Gebieten als Kern-, Gewerbe-, Industrie- oder sonstigen Sondergebieten (§11 BauNVO), die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden, sei ein Artzuschlag zu erheben. Die gewerbliche Nutzung des Campingplatzes könne nicht bestritten werden.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. September 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

19

Bei den durchgeführten Straßenbauarbeiten handele es sich um (beitragsfähige) Erneuerungs- beziehungsweise verbessernde Ausbaumaßnahmen. An der durch die Beklagte angenommenen Begrenzung der ausgebauten Einrichtung bestünden keine rechtlichen Bedenken.

20

Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid fehlerhaft davon ausgehe, dass das veranlagte Grundstück allein aus dem Flurstück 275/9 bestehe, werde der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

21

Bei Eigentümerverschiedenheit von Anlieger- und Hinterliegergrundstück sei der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks grundsätzlich nur dann beitragspflichtig, wenn er dauerhaft berechtigt sei, die ausgebaute Straße über das Vorderliegergrundstück zu betreten. Auch ein Notwegerecht sei eine ausreichende Sicherung.

22

Das Flurstück 275/9 könne von der Strandallee aus über mehrere im Eigentum des Klägers stehende Flurstücke sowie das im Eigentum seines Vaters stehende Flurstück 120/19 erreicht werden. Tatsächlich erfolge seit vielen Jahren auf diese Art die Zuwegung zum Flurstück 275/9. Ob darüber hinaus ein weiteres im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein stehendes Flurstück genutzt werde, könne dahinstehen, da sich hinsichtlich dieses Flurstücks rechtlich nichts anderes als hinsichtlich des Flurstücks 120/19 ergeben würde.

23

Eine dingliche Sicherung des Zugangsrechts zu dem Flurstück 275/9 über das Flurstück 120/19 bestehe nicht. Auch ein Notwegerecht im Sinne des §917 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe nicht. Es fehle an dem nach §917 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzten Duldungsverlangen. Allein in der tatsächlichen Nutzung des Flurstücks 120/19 als Zufahrtsgrundstück könne ein Duldungsverlangen nicht gesehen werden.

24

Trotz des fehlenden Notwegerechts sei das Grundstück des Klägers zu den Grundstücken zu zählen, denen durch den Ausbau der Straße Strandallee ein (beitragsrechtlich relevanter) Vorteil erwachse. Als eine Art „letzter Korrekturansatz“ - dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht unähnlich - gebiete die schutzwürdige Erwartung der anderen Beitragspflichtigen es billigerweise, auch das Flurstück 275/9 mit einem Beitrag zu belasten. Das Flurstück werde zusammen mit anderen Flurstücken einheitlich als Campingplatz genutzt, dessen Zufahrt von der Strandallee aus erfolge. Eine erkennbare Abgrenzung der verschiedenen Grundstücke bestehe nicht. Zudem habe es der Kläger in der Hand, durch die Äußerung des Verlangens ein Notwegerecht entstehen zu lassen und damit auch einen rechtlich gesicherten Zugang zu dem Flurstück 275/9.

25

Der angefochtene Bescheid sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die tatsächliche Größe des Flurstücks von 27.070 qm ergebe sich aus der Eintragung im Grundbuch. Das Grundstück liege im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 61, der unter anderem für das Flurstück 275/9 „Sondergebiet Camping“ im Sinne des § 10 Abs. 1 BauNVO ausweise. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten sei die Fläche in vollem Umfang (Vervielfältiger 1,0) zu berücksichtigen. Anstelle dieses Vervielfältigers werde die Grundstücksfläche bei einem Campingplatz mit einem Vervielfältiger von 0,7 berücksichtigt (§ 6 Abs. 2 Ziffer 4 Buchstabe e) der Satzung). Gegen diese Regelung bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die vom Kläger angeführten Ausnutzungsbehinderungen hätten keinen Einfluss auf den Umfang der erschlossenen beziehungsweise bevorteilten Grundstücksfläche. Entsprechendes gelte für Beschränkungen, die auf einem Planfeststellungsbeschluss beruhten.

26

Der Auffassung des Klägers, die Beklagte hätte einen niedrigeren Nutzungsfaktor als 1,0 berücksichtigen müssen, sei nicht zu folgen.

27

Auch der Artzuschlag von 30 % nach § 6 Abs. 4 der Straßenausbaubeitragssatzung sei nicht zu beanstanden.

28

Der Senat hat auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 2. April 2014 die Berufung zugelassen.

29

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus:

30

Das Verwaltungsgericht erkenne, dass das veranlagte Hinterliegergrundstück nicht nur durch das im Eigentum des Klägers stehende Anliegergrundstück (Flurstück 115), sondern darüber hinaus in östlicher Richtung durch weitere in fremdem Eigentum stehende Hinterliegergrundstücke des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein sowie dasjenige seines Vaters (Flurstück 120/19) von der ausgebauten Straße abgeschnitten sei, ohne über eine - die sachliche Beitragspflicht begründende - dinglich gesicherte Zugangsmöglichkeit zu verfügen. Es teile auch die Auffassung des Klägers, dass ein Notwegerecht nicht bestehe. Gleichwohl bejahe es die Beitragspflicht im Hinblick auf die schutzwürdige Erwartung der übrigen Beitragspflichtigen als „letzten Korrekturansatz“. Diese Einschätzung erweise sich als rechtlich nicht haltbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei (im Erschließungsbeitragsrecht) der Aspekt der schutzwürdigen Erwartung anderer Beitragspflichtiger nur im Rahmen des die sogenannte Verteilungsphase bestimmenden § 131 Abs. 1 BauGB relevant. Für eine Übertragung dieses Gedankens auf § 133 Abs. 1 BauGB, der die sogenannte Heranziehungsphase betreffe, bestehe kein sachlicher Grund, weil es hier nicht um die „gerechte“ Verteilung des Aufwandes auf die Grundstückseigentümer gehe. Im Rahmen der Heranziehung könne nicht die Erwartung anderer Beitragspflichtiger enttäuscht sein, sondern nur die der Gemeinde, weil der auf das im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB nicht erschlossene Hinterliegergrundstück entfallende Anteil am beitragsfähigen Aufwand letztlich zu ihren Lasten gehe. Entsprechendes müsste auch im Straßenausbaubeitragsrecht gelten.

31

Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen zur Bemessung des Beitrages. Er trägt ergänzend vor:

32

§ 6 Abs. 2 Ziffer 4 der Straßenausbaubeitragssatzung hebe ausdrücklich auf die zulässige Nutzung des Grundstücks ab. Flächen, die der Nutzung als Campingplatz entzogen seien, seien deshalb in Abzug zu bringen.

33

Ungeachtet dessen lege das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde. Das Grundstück des Klägers liege nicht im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Der Bebauungsplan Nr. 61 befinde sich in der Aufstellung und sei weit davon entfernt, auch nur den Stand nach § 33 BauGB erreicht zu haben. Das Grundstück liege im Außenbereich, was zur Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 Ziffer 3 Satz 2 der Straßenausbaubeitragssatzung führe. Demzufolge sei die Campingplatzfläche gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) der Straßenausbaubeitragssatzung mit dem modifizierten Vervielfältiger 0,4 zu berücksichtigen, die übrige Fläche dagegen nur mit dem Vervielfältiger 0,05.

34

Da das veranlagte Grundstück im Außenbereich gelegen sei, könne ein Artzuschlag nur gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz der Straßenausbaubeitragssatzung in Betracht kommen, wonach auch bei Grundstücken „in anderen Gebieten, die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden", ein Artzuschlag zu berücksichtigen sei. Das Satzungsrecht verlange eine Belegenheit „in einem anderen Gebiet", das heiße in einem faktischen (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB) oder planerisch festgesetzten (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO) Baugebiet. Hierzu gehöre der Außenbereich nicht.

35

Der Kläger beantragt,

36

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 06.04.20111 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2011 aufzuheben.

37

Die Beklagte beantragt,

38

die Berufung zurückzuweisen.

39

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Notwegerecht. Es käme allein darauf an, dass dem Kläger als Hinterlieger gegenüber seinen Vorderliegern ein Notwegeanspruch als Erweiterung des Inhalts seines Grundstückseigentums bestehe. Dies sei hier der Fall. Der Kläger, aber auch sein Vater und der Wasser- und Bodenverband Ostholstein und damit sämtliche Grundstückseigentümer des Campingplatzgeländes würden in gleicher Weise von einer Anfahrmöglichkeit ihrer Grundstücke abgeschnitten. Sie hätten allerdings faktisch durch die gemeinsame Mitbenutzung der jeweils einem anderen gehörenden Flächen eine Anfahr- und Zugangsmöglichkeit schon langjährig geschaffen. Im Übrigen bestehe auch Eigentümeridentität im Hinblick auf das im Eigentum des Klägers stehende, unmittelbar an die Strandallee angrenzende Flurstück 115. Jedenfalls sei im vorliegenden Fall ein Überwegungsrecht als Gewohnheitsrecht entstanden. Letztlich bedürfe es für die Annahme eines Notwegerechts auch nicht eines ausdrücklichen Duldungsverlangens des Notwegeberechtigten, da das konkludente Verlangen etwa durch die tatsächliche Nutzung der Grundstücke ausreichend sei.

40

Entgegen der Ansicht des Klägers komme es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Bebauungsplan Nr. 61 der Beklagten rechtskräftig sei. Es würden die Flächenregelungen nach § 6 Abs. 2 Ziffer 2 Ausbaubeitragssatzung (unbeplanter Innenbereich) greifen. Der vom Kläger herangezogene § 6 Abs. 2 Nr. 3 Ausbaubeitragssatzung (Außenbereich) führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich hier insgesamt tatsächlich um einen gewerblich genutzten Campingplatz handele, für den die Sonderregelung nach § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) Ausbaubeitragssatzung maßgeblich sei.

41

Der vom Verwaltungsgericht zum Nutzungsmaß herangezogene § 6 Abs. 3 Ziffer 1 a) Ausbaubeitragssatzung sei im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 Nr. 3 a) und c) Ausbaubeitragssatzung zu sehen. Danach sei zutreffend von einem Vollgeschoss ausgegangen worden.

42

Bei Campingplätzen, die anders als Grünflächennutzungen den Platz insgesamt zur baulichen Anlage machten, sei keine weitere Flächenreduzierung geboten, sie seien schon bei der Fläche durch den Faktor 0,7 begünstigt.

43

Das Grundstück des Klägers liege in einem Sondergebiet, das gewerblich und baulich genutzt werde. Damit unterfalle es auch der Regelung nach § 6 Abs. 4 Ausbaubeitragssatzung.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingegangenen Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung ist teilweise - wie aus dem Tenor ersichtlich - begründet, weil eine Teilfläche des veranlagten Flurstücks 275/9 in einem Landschaftsschutzgebiet gelegen ist.

46

Der angefochtene Beitragsbescheid vom 6. April 2011 ist nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil der Bescheid sich nur auf eine Teilfläche des klägerischen Grundstücks, das Flurstück 275/9, bezieht. Zwar gilt im Straßenausbaubeitragsrecht der grundbuchrechtliche Grundstücksbegriff, mit der Folge, dass sämtliche Flurstücke, die unter einer Nummer im Grundbuch gebucht sind, der Beitragsveranlagung unterliegen, sodass die Veranlagung nur einer Teilfläche fehlerhaft ist und zwar auch dann, wenn Teilflächen bei der Beitragsbemessung, weil sie jedweder Nutzung entzogen sind, ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben. Der Kläger wird durch diese fehlerhafte Heranziehung jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Beitragsbescheid, der sich nur auf ein Flurstück von mehreren Flurstücken des Buchgrundstücks bezieht, genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 108 Abs. 1 LVwG, weil für den Betroffenen zweifelsfrei ersichtlich ist, dass er für eine bestimmte Grundstücksteilfläche einen Beitrag leisten soll. Die öffentliche Last, die nach § 8 Abs. 7 KAG auf dem Grundstück ruht, erstreckt sich, auch wenn nur eine Teilfläche veranlagt wird, auf das Gesamtgrundstück. Dies folgt schon daraus, dass die öffentliche Last von dem Zeitpunkt an auf dem Grundstück ruht, in dem die sachliche Beitragspflicht entsteht (BVerwG, Urt. v. 22.02.1985 - 1 C 107.83 -, DVBl. 1985, 624). Die Fehlerhaftigkeit des Beitragsbescheides, mit dessen Erlass die persönliche Beitragspflicht entsteht, wirkt sich daher auch insoweit nicht aus.

47

Rechtsgrundlage des Heranziehungsbescheides vom 6. April 2011 ist §8 KAG in Verbindung mit der maßgeblichen Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 23. November 2005 (ABS).

48

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG sind unter anderem von Grundstückseigentümern Straßenausbaubeiträge zu erheben, denen unter anderem durch die Erneuerung oder den Ausbau einer Straße in dieser Eigenschaft Vorteile erwachsen.

49

Die von der Beklagten in den Jahren 2005 bis 2007 durchgeführten Straßenbaumaßnahmen an der Strandallee sind, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, beitragsfähige Erneuerungsmaßnahmen beziehungsweise ein verbessernder Ausbau im Sinne des § 8 Abs. 1 KAG. Dies wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Auch die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes steht außer Streit. Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine fehlerhafte Aufwandsermittlung sprechen könnten.

50

Das Grundstück des Klägers, das im wesentlichen aus dem veranlagten Flurstück 275/9 besteht, ist durch die Straßenausbaumaßnahme bevorteilt, sodass der Kläger als Eigentümer dieses Grundstück zu Recht zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen wurde.

51

Das Grundstück des Klägers ist ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, das über eine Zufahrt, die über (weitere) eigene Flächen des Klägers und über Grundstücke des Vaters des Klägers sowie des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein verläuft, an die Strandallee angebunden ist. Da die Zufahrt über die Fremdgrundstücke nicht dinglich gesichert ist und Eigentümeridentität nur im Hinblick auf das unmittelbar an die Strandallee grenzende ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Flurstück 115 besteht, scheidet - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - die Annahme einer dauerhaften Bevorteilung des veranlagten Grundstücks durch die Straßenbaumaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Eigentümeridentität sowie der dinglichen Sicherung des Zugangsrechts aus.

52

Ausreichend für die dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und damit die Vorteilslage ist aber ein Notwegerecht im Sinne des §917 BGB beziehungsweise ein Notwegeanspruch.

53

Der Senat hat sich bisher mit der Frage der ausreichenden dauerhaften Inanspruchmöglichkeit einer Straße von einem Hinterliegergrundstück aus wegen Bestehens eines Notwegerechts nicht auseinandergesetzt, folgt aber der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urt. v. 24.09.1986 - 9 A 153/83 -, KSTZ 1987, 115), dass ein Notwegerecht zur Sicherung der Zugangsmöglichkeit ausreichend ist.

54

Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer von den Nachbarn gemäß § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Duldungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das veranlagte Grundstück ist Teil eines sogenannten gefangenen Grundstücks, das über keine (unmittelbare) Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz verfügt. Zur ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks bedarf es der Verbindung zum öffentlichen Wegenetz über die vorgelagerten Grundstücke des Vaters des Klägers und des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein. Der Umstand, dass das veranlagte Grundstück durch mehrere Fremdgrundstücke von dem öffentlichen Wegenetz getrennt ist, steht der Annahme eines Notwegerechts nicht entgegen. Wie schon der Wortlaut der Regelung des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB deutlich macht, kann der Eigentümer eines gefangenen Grundstücks vonden Nachbarn (plural) die Hebung des Mangels der Verbindung zum öffentlichen Weg verlangen. Die Regelung soll die ordnungsgemäße Benutzung des gefangenen Grundstücks gewährleisten. Dies gilt auch für ein gefangenes Grundstück, das nur über mehrere Fremdgrundstücke eine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz erhalten kann.

55

Die erstinstanzlich erörterte Frage, ob der Vater des Klägers als Eigentümer des vorgelagerten Flurstücks 120/19 gegenüber dem Kläger als Eigentümer des an die Strandallee angrenzenden Flurstücks 115 einen Notwegeanspruch hat, obwohl dieses Flurstück an die Privatstraße „Strandwiese“ angrenzt, die nach der Darstellung der Beklagten im Widerspruchsbescheid nur im Einmündungsbereich in die Strandallee eine öffentliche Straße ist, ist unerheblich. Sie kann nur für die Frage der Verbindung des veranlagten Grundstücks zum öffentlichen Wegenetz Bedeutung gewinnen. Nach §917 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Richtung des Notweges und der Umfang des Benutzungsrechts erforderlichenfalls durch Urteil zu bestimmen. Eine Querung des im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes stehenden Grundstücks ist unabhängig davon erforderlich, ob die Verbindung des gefangenen Grundstücks an das öffentliche Wegenetz im weiteren Verlauf direkt zur Strandallee oder zunächst über die Straße Strandwiese, die auch nach Darstellung der Beklagten jedenfalls im Einmündungsbereich zur Strandallee eine öffentliche Straße ist, zur Strandallee genommen wird. Der Campingplatz, der auch auf dem trennenden Grundstück des Vaters des Klägers (Flurstück 120/19) betrieben wird, verfügt tatsächlich seit längerer Zeit über eine Zufahrt direkt über das weitere Grundstück des Klägers (Flurstück 115), zur Strandallee. Bei mehreren möglichen Verbindungen hat eine Abwägung zwischen dem Interesse an geringster Belastung durch den Notweg und dem Interesse an größter Effektivität des Notweges zu erfolgen. Der Kläger und sein Vater haben sich für eine Anbindung direkt zur Strandallee entschieden. Auch objektiv erscheint diese Verbindung als die weniger belastende und jedenfalls effektivere, zumal in den Campingplatz auch das direkt an der Strandallee gelegene Grundstück des Klägers, für das sich die Frage eines Notwegerechts im Hinblick auf das veranlagte Flurstück nicht stellt, eingebunden ist.

56

Das Verwaltungsgericht hat das Bestehen eines Notwegerechts verneint, weil es an dem in § 917 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Duldungsverlangen des Klägers gegenüber seinem Vater fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 19.04.1985 - V ZR 152/83 -, BGHZ 94, 160) ist das Verlangen des Eigentümers nach § 917 Abs. 1 BGB Tatbestandsmerkmal für das Entstehen einer Duldungspflicht. Das Duldungsverlangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Wie jede Willenserklärung kann auch das Duldungsverlangen konkludent abgegeben werden (siehe OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.07.2002 - 4 O 10/02 -, BauR 2003, 935). Davon ist hier auszugehen. Ob in der bloßen Nutzung einer Zufahrt über Jahre ein schlüssiges Verlangen gesehen werden kann (so Säcker in Münchner Kommentar, 6. Aufl., 2013, §917 Rn. 19), mag dahinstehen. Vorliegend betreibt der Kläger seinen Campingplatz auch auf dem Grundstück eines Vaters, der zudem Nießbraucher des veranlagten Grundstücks ist. Es liegt mithin nicht nur eine tatsächliche Nutzung des Grundstücks als Zufahrt zum veranlagten Grundstück vor, sondern eine einvernehmliche Nutzung der Grundstücke als Campingplatz einschließlich der erforderlichen Zufahrt zur Strandallee. Diese einvernehmliche Nutzung der Grundstücke ersetzt das Duldungsverlangen und geht darüber hinaus. Entsprechendes gilt für das Grundstück des Wasser- und Bodenverbandes. Auch insoweit ist von einer einvernehmlichen Nutzung der Grundstücke auszugehen. Der Wasser- und Bodenverband benötigt den Zugang über die Grundstücke des Klägers und seines Vaters zur Gewässerunterhaltung.

57

Selbst wenn man dem nicht folgt, ist das veranlagte Grundstück beitragspflichtig. Beitragsrechtlich ist ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis der Inanspruchnahme einer Straße nur von Bedeutung, wenn der Fortbestand des Hindernisses nicht allein vom Willen des Grundstückseigentümers abhängig ist (OVG Schleswig, Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 20/07 -, SchlHA 2008, 63). Der Kläger kann, sofern nicht bereits konkludent geschehen, die Duldung der Nutzung der Grundstücke seines Vaters und des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein als Verbindung des veranlagten Grundstücks zur Strandallee jederzeit verlangen. Einer Zustimmung zur Nutzung bedarf es nicht. Bereits der Notwegeanspruch sichert mithin die Rechtsposition des Klägers über eine nur schuldrechtlich vereinbarte zeitweilige Gestattung der Überwegung beziehungsweise bloße Duldung hinaus (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29.10.2003 - 2 L 32/02 -, Juris) und gewährleistet eine dauerhafte Sicherung der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Straße. Ob der Grundstückseigentümer von der Möglichkeit der Inanspruchnahme Gebrauch macht, ist grundsätzlich beitragsrechtlich irrelevant. Die Geltendmachung eines Notwegeanspruches ist deshalb für die Entstehung sachlicher Beitragspflichten für ein gefangenes Hinterliegergrundstück nicht Voraussetzung.

58

Auf die Frage der Anwendung des sogenannten „letzten Korrekturansatzes", wenn die übrigen Beitragspflichtigen schutzwürdig die Einbeziehung eines nicht erschlossenen Grundstücks erwarten können, kommt es nach alledem nicht an. Angemerkt sei nur, dass das Straßenausbaubeitragsrecht eine Unterscheidung des Erschlossenseins im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB und § 133 Abs. 1 BauGB nicht kennt. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist daher insoweit nicht anwendbar. Aber auch für das Straßenausbaubeitragsrecht gilt, dass ein Grundstückseigentümer nur zu einem Beitrag herangezogen werden kann, wenn sein Grundstück von einer Straßenbaumaßnahme bevorteilt ist. Ob die übrigen Beitragspflichtigen von der Gemeinde erwarten können, dass sie ein nicht bevorteiltes Grundstück in die Aufwandsverteilung einbezieht, ist für die Beitragspflichtigkeit des Grundstückseigentümers ohne Belang.

59

Der angefochtene Beitragsbescheid ist teilweise rechtswidrig, weil die westliche Teilfläche des veranlagten Flurstücks 275/9 im Landschaftsschutzgebiete liegt.

60

Nach § 6 Abs. 4 Ziffer 4 Buchstabe j) ABS sind Flächen für den Naturschutz und die Landespflege nur mit dem Faktor 0,02 bei der Beitragsbemessung in Ansatz zu bringen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Teilflächen eines Buchgrundstücks handelt. Im Straßenausbaubeitragsrecht sind Flächen, je nachdem, ob es sich um Grundstücke im beplanten oder unbeplanten Innenbereich, im Außenbereich oder Flächen, die nur in besonderer Weise genutzt werden können oder genutzt werden, handelt, nach dem Maß der Nutzung zu gewichten. Dem tragen die Regelungen des § 6 Abs. 2 Ziffer 1 - 4 sowie Abs. 3 ABS Rechnung.

61

Die Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS ist eine Spezialregelung für die dort angegebenen Nutzungen. Sie geht den übrigen Regelungen zum Flächenansatz nach § 6 Abs. 2 Ziffer 1 - 3 ABS vor. Nach § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS finden anstelle der in Ziffer 1 - 3 geregelten Vervielfältiger zur Gewichtung der Flächen die Vervielfältiger der nachstehenden Tabelle (Buchstaben a -1) Anwendung. Ob § 6 Abs. 3 ABS, der eine (weitere) Gewichtung der nach Abs. 2 ermittelten Grundstücksfläche nach der Zahl der Vollgeschosse vorschreibt, und damit nach dem Wortlaut auch § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS in Bezug nimmt, nach Sinn und Zweck der Maßstabsregelung überhaupt auf Flächen, die unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführt sind, Anwendung finden kann, mag im vorliegenden Fall dahinstehen. Soweit in § 6 Abs. 3 ABS keine weitere Gewichtung der unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführten Flächen vorgesehen ist, weil sie weder baulich, gewerblich oder industriell genutzt werden können, scheidet die Anwendung der Vorschrift aus. Für Grundstücke oder Grundstücksteilflächen, die nur mit einem Vollgeschoss bebaut werden können oder bebaut sind oder auf denen keine Bebauung zulässig ist, die aber gewerblich oder industriell genutzt werden können, ist ein Vervielfältiger von 1,0 vorgesehen. Zumindest rechnerisch ergibt sich daher für die unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführten Flächen keine Veränderung. Nur wenn ausnahmsweise eine unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführte Fläche mit mehr als einem Vollgeschoss bebaut werden kann oder bebaut ist, stellt sich die Frage einer weiteren Gewichtung nach § 6 Abs. 3 ABS. Da ein solcher Fall im Abrechnungsgebiet nicht vorliegt, bedarf dies keiner Erörterung.

62

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf eine Kommentarstelle (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, § 8, Rn. 268) meint, das veranlagte Flurstück dürfe allenfalls mit der Hälfte, besser nur mit einem Viertel des für eingeschossige Bebauung vorgesehenen Nutzungsfaktors in die Aufwandsverteilung eingestellt werden, übersieht er, dass sich diese Ausführungen auf bestimmte Grundstücke beziehen, die nur in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt werden können. Dazu zählt das als Campingplatz gewerblich genutzte Grundstück des Klägers nicht.

63

Die in § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS geregelten Vervielfältiger von 0,7 für Campingplätze und 0,02 für Flächen des Naturschutzes und der Landespflege sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Vervielfältiger von 0,02 für Flächen des Naturschutzes und der Landespflege berücksichtigt, dass die Inanspruchnahme der Straße von derartigen Flächen aus noch geringer ist als die Inanspruchnahme von Flächen der Land- und Forstwirtschaft aus. Der Vervielfältiger steht auch zu den übrigen Vervielfältigern, insbesondere denen für baulich oder gewerblich genutzte Grundstücke, in einem ausgewogenen Verhältnis. Der Vervielfältiger für Campingplätze von 0,7 berücksichtigt die intensive Inanspruchnahme der Straße während der Saison, die über die Inanspruchnahme von Wohngrundstücken aus regelmäßig deutlich hinausgeht, sowie die geringere Inanspruchnahme außerhalb der Saison.

64

Die durch Kreisverordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Pönitzer Seenplatte und Haffwiesen" im Kreis Ostholstein vom 26. Februar 2003 zum Landschaftsschutzgebiet erklärte Teilfläche des veranlagten Flurstücks unterfällt auch der Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer4 Buchstabe j) ABS. Nach dem hier maßgeblichen § 18 LNatSchG vom 6. März 2007 kann die Untere Naturschutzbehörde durch Verordnung Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur- und Landschaft zur Erhaltung des Naturhaushalts wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder wegen ihrer besonderen Bedeutung für die naturverträgliche Erholung erforderlich ist, zu Landschaftsschutzgebieten erklären. Danach steht für den Senat außer Zweifel, dass die Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 j) ABS, nach der Flächen für den Naturschutz und die Landespflege besonders zu gewichten sind, gerade und in erster Linie ausgewiesene Landschaftschutzgebiete erfasst. Der Anwendung der Regelung steht nicht entgegen, dass der Kläger nach Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der der Kläger entgegengetreten ist, die im Landschaftsschutzgebiet gelegene Teilfläche tatsächlich ebenfalls als Stellplatzfläche nutzt. Selbst wenn das der Fall sein sollte, führt diese widerrechtliche Nutzung (siehe § 4 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung) nicht zur Beitragspflicht, weil sie jederzeit unterbunden werden kann. Soweit sich aus dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schreiben des Planungsbüros Ostholstein vom 16. März 2015 ergibt, dass eine Befreiung von dem Verbot der Landschaftsschutzgebietsverordnung für den Campingplatz des Klägers seitens der Beklagten im Hinblick auf die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 61 angestrebt wird, ist dies unbeachtlich, weil maßgeblich für die Beitragsveranlagung und -Bemessung die rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht sind.

65

Ein Flächenabzug wegen des freizuhaltenden Gewässerrandstreifens zur Gewässerunterhaltung der Gösebeek und der Heidebeek kommt nicht in Betracht. Insoweit ist den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu folgen, dass auch Baugrundstücke - außer in Kerngebieten - nicht in vollem Umfang überbaut werden können und Abstandsgebote einzuhalten sind. Zudem sind die Randstreifen nicht jeglicher Nutzung durch Campinggäste entzogen. Stellplätze an Gewässerrandstreifen sind wegen ihrer bevorzugten Lage vielmehr regelmäßig besonders attraktiv. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, auch die Gewässerrandstreifen dienten ebenfalls dem Naturschutz, ist dem entgegenzuhalten, dass sie nicht unter Naturschutz stehen, sondern der Gewässerunterhaltung dienen. Die Gewässerunterhaltung als solche mag noch unter demn Begriff Naturschutz zu subsumieren sein, ändert aber nichts daran, dass Randstreifen selbst keine Flächen im Sinne des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS für den Naturschutz und die Landespflege sind.

66

Schließlich ist auch der Artzuschlag gemäß § 6 Abs. 4 ABS nicht zu beanstanden.

67

Die Regelung ist auslegungsbedürftig. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative ABS werden für Grundstücke in Kern-, Gewerbe-, Industriegebieten oder sonstigen Sondergebieten (§11 BauNVO) die nach Abs. 3 ermittelten Flächen um 30 % erhöht. Ob darunter auch Grundstücke fallen, die in einem unbeplanten entsprechend genutzten Gebiet (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB) liegen, wird nicht ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift ist aber entsprechend zu verstehen. Insoweit handelt es sich um einen gebietsbezogenen Artzuschlag, der von dem des grundstücksbezogenen Artzuschlages zu unterscheiden ist. Der grundstücksbezogene Artzuschlag ist in der 2. Alternative des § 6 Abs. 4 Satz 1 ABS zu sehen. Danach werden auch Grundstücke in anderen Gebieten, die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden, mit einem Artzuschlag belegt. Der Relativsatz „die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden“ bezieht sich nicht auf Gebiete, sondern Grundstücke. Dies folgt aus § 6 Abs. 4 Satz 2 ABS, der die Voraussetzung für ein „Überwiegen“ im Sinne des Abs. 1 der gewerblichen Nutzung bei Grundstücken (und nicht in Gebieten) regelt. Jedenfalls dieser grundstücksbezogenen Artzuschlagsregelung unterfällt das zweifelsfrei ausschließlich gewerblich genutzte Campingplatzgrundstück des Klägers, soweit es nicht im Landschaftsschutzgebiet gelegen ist, auch wenn es sich - wie der Kläger meint - um ein Außenbereichsgrundstück handelt, weil der Bebauungsplan Nr. 61 der Beklagten sich noch in Aufstellung befindet und auch noch keine Planreife im Sinne des § 33 BauGB erreicht ist.

68

Auch wenn man der Auffassung folgt, dass § 6 Abs. 3 ABS schon keine Anwendung auf Flächen der besonderen Nutzung gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS (siehe oben) findet, steht der Anwendung der Artzuschlagsregelung nicht entgegen, dass diese sich auf die nach Abs. 3 ermittelten Flächen bezieht. Die Flächenermittlung nach Abs. 3 bezieht sich ihrerseits auf die ermittelte Grundstücksfläche nach Abs. 2, ist mithin keine isolierte Regelung, sodass im Falle der Nichtanwendbarkeit des Abs. 3 die Artzuschlagsregelung dahingehend zu verstehen ist, dass dann die nach Abs. 2 ermittelte Fläche um den Artzuschlag zu erhöhen ist. Der Anwendung des Artzuschlages lässt sich im vorliegenden Fall nicht entgegenhalten, die Nutzungsart als Campingplatz sei schon unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) ABS berücksichtigt. Die Gewichtung der Grundstücksfläche nach dem Maß der Nutzung in Abs. 2 ist von der nach der Art der Nutzung in Abs. 4 generell zu unterscheiden. Auch wenn man die Gewichtung nach Maß und Art insgesamt betrachtet, führt dies noch zu einer Reduzierung der anzusetzenden Beitragsfläche gegenüber der tatsächlichen Fläche und somit zu keiner unverhältnismäßigen Beitragsbelastung.

69

Nach alledem ist der streitgegenständliche Beitragsbescheid rechtswidrig, soweit ein höherer Beitrag als 52.374,45 Euro festgesetzt und vom Kläger verlangt wird. Insoweit wird auf die Vergleichsberechnung der Beklagten, überreicht mit Schriftsatz vom 7. Juli 2015, Bezug genommen. Die Vergleichsberechnung ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen erstellt worden und rechnerisch nicht zu beanstanden.

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

71

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.