Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Feb. 2021 - 1 K 9602/18

erstmalig veröffentlicht: 08.01.2024, letzte Fassung: 13.01.2024

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Verwaltungsgericht Stuttgart

Beteiligte Anwälte

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Zusammenfassung des Autors

In einem Urteil vom 18.02.2021 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart festgestellt, dass bestimmte polizeiliche Maßnahmen gegen Herrn Alassa M. in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen rechtswidrig waren. Dazu gehören Personenfeststellung, Betreten und Durchsuchen des Zimmers, Durchsuchen der Person sowie Festsetzen unter Anlegen von Einmal-Handschließen am 03.05.2018. Ebenso wurde das Einbehalten des Geldbeutels am 20.06.2018 im Rahmen der Abschiebung als rechtswidrig eingestuft. Die vollständigen Urteilsgründe liegen vor, und das Gericht hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen. Die Beteiligten haben einen Monat Zeit, um Berufung einzulegen, nach Zustellung des Urteils.

Mittlerweile hat das Bundesverwaltungsgericht sich zur Sache geäußert. Lesen Sie das Urteil bei Ra.de.

Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin  

Verwaltungsgericht Stuttgart

IM NAMEN DES VOLKES

 

Urteil vom 18.02.2021

Az.: 1 K 9602/18

 

1. Zimmer in einer Erstaufnahmeeinrichtung sind regelmäßig keine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG, wenn das hierfür erforderliche Mindestmaß an räumlicher Privatsphäre aufgrund der konkreten Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses nicht gegeben ist.

2. Art. 13 Abs. 1 GG schützt eine vorhandene räumliche Privatsphäre, gewährt aber keinen Anspruch auf ein Minimum an räumlicher Privatheit.

3. Polizeiliche Maßnahmen in einem Zimmer in einer Erstaufnahmeeinrichtung sind mit einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbunden, der zur Nachtzeit in der Intensität einem Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG nahe kommt.

4. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht kann eine Abschiebung zur Nachtzeit rechtfertigen, wenn verbindliche Vorgaben ausländischer Behörden diese andernfalls vereiteln würden.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die durch den Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes gegenüber dem Kläger in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen am 03.05.2018 durchgeführte Personenfeststellung, das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers, das Durchsuchen des Klägers und das Festsetzen des Klägers unter Anlegen von Einmal-Handschließen rechtswidrig gewesen sind.

Es wird festgestellt, dass das Einbehalten des Geldbeutels durch den Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes am 20.06.2018 im Rahmen der Abschiebung des Klägers rechtswidrig gewesen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/4, der Beklagte zu 3/4.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihm gegenüber im Rahmen einer Razzia in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am 03.05.2018 sowie im Rahmen seiner Abschiebung nach Italien am 20.06.2018 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben am ... geboren und kamerunischer Staatsangehöriger. Er war aufgrund seines laufenden Asylverfahrens seit Dezember 2017 der LEA in Ellwangen zugewiesen. Seine Muttersprache ist Englisch und Französisch. Er reiste am 08.12.2017 nach vorherigem Aufenthalt in Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am selben Tag ein Asylgesuch äußerte. Mit Bescheid vom 14.03.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Klägers als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Die Abschiebungsanordnung wurde am 28.03.2018 bestandskräftig.

Der Razzia vom 03.05.2018 ging eine gescheiterte Abschiebung eines togolesischen Asylbewerbers aus der LEA in der Nacht vom 30.04.2018 auf den 01.05.2018 voraus. Nach den Stellungnahmen der bei dieser Abschiebung eingesetzten Polizeibeamten PHK M. und PHM B. sei der Abzuschiebende zunächst friedlich von seiner Unterkunft zu den Streifenfahrzeugen begleitet worden, ehe die Situation eskaliert sei. Während sich der Abzuschiebende bis zum Anlegen der Handschellen kooperativ gezeigt habe, habe sich eine zunehmende Anzahl von Schwarzafrikanern mit drohenden und aggressiven Gebärden um die Streifenwagen versammelt. Um einer Eskalation zuvorzukommen, habe man den Abzuschiebenden in die Menge entlassen und sich zurückgezogen. Trotz weiterer Unterstützungsstreifen habe man sich nicht in der Lage gesehen, weitere polizeiliche Maßnahmen durchzuführen. Vielmehr habe man sich aufgrund der Drohungen des extrem aggressiven und gewaltbereiten Mobs, die ein Vertreter der Security-Firma der LEA überbracht habe, dazu entschlossen, den Schlüssel für die Handschellen des Abzuschiebenden dem Security-Mitarbeiter mitzugeben. Über diesen Security-Mitarbeiter hätten die Schwarzafrikaner zudem ausrichten lassen, dass keiner von ihnen mehr abgeschoben werde. Es sei verlautbart worden, dass falls die Polizei noch einmal auftauchen sollte, dies nicht so glimpflich für die Polizisten ablaufen würde. An der eigentlichen Befreiung des Abzuschiebenden seien ungefähr 50-100 Schwarzafrikaner beteiligt gewesen.

Mit E-Mail vom 02.05.2018 teilte das Regierungspräsidium Stuttgart dem Polizeipräsidium Aalen mit, dass derzeit ein nicht akzeptabler Zustand in der LEA festzustellen sei. Rückführungen könnten aktuell nicht durchgeführt werden. Es sei in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai zu einer deutlich verzögerten Einfahrt eines Rettungswagens gekommen, da auf Anweisung der Polizei erst ausreichend Kräfte zur Verfügung stehen sollten. Es bestehe die Gefahr, dass die Bewohner stark verunsichert würden und ein Teil der Bewohner den notwendigen Anweisungen und Maßnahmen von Seiten des Regierungspräsidiums nicht mehr Folge leiste. Es gebe Anhaltspunkte, dass von einem Teil der Bewohner weitere Aktionen, wie z.B. eine Demonstration in der Innenstadt von Ellwangen, geplant würden. Ferner bestehe die Vermutung, dass sich eine größere Gruppe von Bewohnern nicht in den ihnen zugewiesenen Unterkunftsräumen aufhalte. Notwendige Querverlegungen würden verweigert. Es werde daher bei der Durchsetzung des Hausrechts um Unterstützung gebeten. Für erforderliche Maßnahmen innerhalb der LEA erteile man als Betreiber der Einrichtung die notwendigen Vollmachten, insbesondere für das Aufsuchen der Bewohner in den jeweiligen Zimmern und soweit erforderlich auch in weiteren Räumen.

Der Kläger war zur Durchführung seines Asylverfahren der LEA in Ellwangen zugewiesen und dort im Gebäude 92 in Zimmer ... mit drei weiteren Kamerunern untergebracht. Ausweislich der Abfrageergebnisse des polizeilichen LAGEBILD-Land lagen für den Kläger und zwei weitere Zimmermitbewohner keine Delikte vor. Bei einem Zimmermitbewohner war ein Ladendiebstahl vermerkt. Für denselben Zimmermitbewohner und den Kläger war in einer internen Liste seitens der LEA vermerkt, dass diese am 16.04.2018 als Täter in eine "Kantinenrandale" verwickelt gewesen seien. Von allen Bewohnern der LEA lagen digitalisierte Fingerabdrücke vor. Der Zutritt zur LEA war über ein Chipkartensystem geregelt.

Zur Vorbereitung der Razzia erstellte das Polizeipräsidium Aalen ein Lagebild. Auf dieser Grundlage erörterte das Referat Recht und Datenschutz des Polizeipräsidiums Aalen in einem internen Papier vom 02.05.2018 die Rechtslage. Darin kam es zu der rechtlichen Bewertung, dass die Räumlichkeiten der LEA, in denen zurzeit schwarzafrikanische Asylbewerber untergebracht seien, aufgrund der Sicherheitslage als gefährliche oder verrufene Orte im Sinn des § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG einzustufen seien. Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG könne die Polizei die Identität von jeder Person feststellen, die sie an einem solchen Ort antreffe. Eine Störereigenschaft nach §§ 6, 7 PolG sei hierfür nicht erforderlich. Unterkünfte von Frauen und Kindern seien ebenso wie Unterkünfte, in denen keine schwarzafrikanischen Asylbewerber untergebracht seien, von den polizeilichen Maßnahmen auszunehmen. Bei der LEA handele es sich um eine Gemeinschaftsunterkunft, deren Zimmer bzw. Schlafstätten als Wohnung anzusehen seien. Diese dürften nur unter den Voraussetzungen des § 31 PolG betreten und durchsucht werden. Inhaber einer Wohnung sei, wer rechtmäßig die tatsächliche Gewalt über die Räumlichkeit ausübe. Dies sei bei Gemeinschaftsunterkünften die Unterkunftsleitung, mithin das Regierungspräsidium Stuttgart. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe sich mit dem Betreten der Zimmer einverstanden erklärt. Die Einholung einer richterlichen Anordnung sei zum Betreten daher nicht erforderlich. Eine Durchsuchung der Zimmer sei jedoch nur möglich, wenn sich im Zuge des Einsatzgeschehens die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 PolG ergäben und Gefahr im Verzug bestehe. Ansonsten sei vorab eine richterliche Durchsuchungsanordnung einzuholen.

Nach dem Einsatzbefehl mit Stand vom 02.05.2018 lautete der Auftrag der für das Gebäude 92 eingeteilten Beweis- und Festnahmehundertschaft, die Personalien festzustellen bzw. zu erheben, die Bewohner in den Zimmern festzusetzen und bei Verdacht von Straftaten sie an den Einsatzabschnitt Folgemaßnahmen zu übergeben.

Am 03.05.2018 führte das Polizeipräsidium Aalen die geplante Razzia mit mehreren Hundert Polizeibeamten durch. Ausweislich des Einsatzprotokolls wurde vor Beginn der polizeilichen Maßnahmen in der LEA die Entscheidung getroffen, dass der Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart nach den Vorgesprächen auch die erforderlichen Durchsuchungsmaßnahmen umfasse. Laut Einsatzprotokoll wurde um 05:19 Uhr die Zugriffsfreigabe erteilt. Bereits um 05:30 Uhr war die Lage in allen Gebäuden statisch.

Für das Zimmer ... waren drei Polizeibeamte eingeteilt. Der Einsatz wurde mittels eines polizeilichen Laufzettels dokumentiert. Danach erfolgte die "Freiheitsentziehung" des Klägers um 06:03 Uhr, seine Personalien wurden festgestellt und er wurde von dem Polizeibeamten PM M. durchsucht. Um 06:50 Uhr wurde er von dem Polizeibeamten PK B. entlassen. Der Polizeibeamte PK B. gab Mitte 2019 eine dienstliche Äußerung zum Sachverhalt am 03.05.2018 ab. Darin führte er aus, er sei mit zwei anderen Kollegen für das Zimmer des Klägers eingeteilt gewesen. Die Tür habe sich ohne Anwendung von Technik oder Gewalt durch Betätigung der Türklinke öffnen lassen. Seine beiden Kollegen hätten sich mit den Worten "Polizei" und "Police" als Polizeibeamte zu erkennen gegeben. Zudem sei die getragene Körperschutzausstattung vorne und hinten mit dem Schriftzug "POLIZEI" versehen gewesen. Man habe die beiden Bewohner des Zimmers mit Einmal-Handschließen geschlossen und sie vor dem Zimmer auf den Boden gesetzt. Einer der beiden Bewohner habe über Knieschmerzen geklagt und sich deshalb auf einen Stuhl setzen können. Der Name dieser Person sei ihm nicht bekannt. Das Zimmer sei durchsucht worden. Dabei sei ein Teppichmesser im Schrank gefunden worden, das später aber als nicht relevant eingestuft worden sei. Über eine Beschädigung bzw. Zerstörung eines Mobiltelefons sei ihm nichts bekannt. Ebenso könne er nicht bestätigen, dass einem Bewohner ein Mobiltelefon zuvor entrissen worden sei. Solche Beschädigungen hätte man dokumentiert und weiter kommuniziert. Die Maßnahme sei gegen 06:50 Uhr beendet worden. Die Handschließen seien entfernt worden und die Personen hätten sich frei in der Unterkunft bewegen können. Das Teppichmesser sei, nachdem es zu Eigensicherungsgründen während der Durchsuchung nicht mehr relevant gewesen sei, im Zimmer des Bewohners belassen worden.

Bereits am 26.04.2018 hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Polizeipräsidium Aalen den Vollstreckungsauftrag zur Abschiebung des Klägers am 20.06.2018 über den Flughafen Frankfurt nach Italien erteilt. Auf dieser Grundlage sei die Polizei dazu ermächtigt, zur Durchführung dieser Maßnahme unmittelbaren Zwang gegen den Kläger anzuwenden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe erteilte weiterhin gemäß § 9 LVwVG die Erlaubnis zur Vollstreckung während der Nachtzeit. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Abschiebung vorab nicht angekündigt worden sei.

Das Polizeirevier Ellwangen forderte daraufhin für die Abschiebung des Klägers einen Zug einer Beweis- und Festnahmeeinheit, zwei Polizeihundeführer und sechs Beamte an. Zusammen mit vier Beamten des Polizeireviers Ellwangen sollten diese die Abschiebung durchführen. Zeitgleich mit der Abschiebung des Klägers sollte eine weitere Abschiebung eines nigerianischen Asylbewerbers aus der LEA nach Italien erfolgen.

Am 20.06.2018 wurde der Kläger aus der LEA mit Zwischenstopps im Polizeirevier Ellwangen, Crailsheim und Weinsberg über den Flughafen Frankfurt nach Mailand abgeschoben.

Laut den im Anschluss an die Abschiebung gefertigten Anzeigen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sei der Kläger in seinem Zimmer in der LEA angetroffen worden, von wo er zunächst freiwillig unter Mitnahme seines Gepäcks vor das Gebäude 92 mitgegangen sei. Dort habe er sich geweigert, in das bereitstehende Transportfahrzeug einzusteigen. Wiederholten Aufforderungen, ins Fahrzeug zu steigen, habe er keine Folge geleistet, weshalb die bereitstehenden Beamten versucht hätten, ihn ins Fahrzeug zu setzen. Dagegen habe er sich massiv zur Wehr gesetzt, weshalb er zunächst zu Boden gebracht, geschlossen und dann ins Fahrzeug gesetzt haben müsse. Während des Transports zur Dienststelle habe er sich wörtlich auf Englisch geäußert: "I will come back soon as an Assassin and kill somebody." Durch die Widerstandshandlungen seien weder die eingesetzten Polizeibeamten verletzt worden, noch seien dienstliche Gegenstände beschädigt worden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Ellwangen vom 19.06.2020 - ... - wurde der Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in 5 tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt. Gegenstand dieser Verurteilung war die körperliche Auseinandersetzung vor dem Transportfahrzeug in der LEA. Das Amtsgericht legte der Verurteilung folgenden Sachverhalt zugrunde:

"Zum Zwecke seiner Abschiebung betraten am 20.06.2018 gegen 04:00 Uhr fünf Polizeibeamte das Gebäude 92 der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen und klopften am Zimmer ..., worauf ein Mitbewohner des Angeklagten diese hereinriefen. Daraufhin stellten die Zeugen PKA E. und POK W. fest, dass sich der Angeklagte nicht in seinem Zimmer ... befand, worauf sie bei den sanitären Anlagen nach dem Angeklagten schauen wollten. Noch auf dem Weg dorthin auf dem Flur kam ihnen der Angeklagte entgegen, der daraufhin von POK W. nach seinem Namen gefragt wurde und sodann, als sich der Angeklagte zu erkennen gab, gebeten wurde, in sein Zimmer zu gehen und dort seine Sachen zu packen, jedoch nicht mehr als 25 Kilogramm Gepäck mitzunehmen, da seine Abschiebung nach Italien erfolge. Sodann gingen der Angeklagte und beide Polizeibeamte in das Zimmer des Angeklagten, wo der Angeklagte den Beamten auf deren Aufforderung seine ID-Karte übergab. Hierbei erklärten beide Beamte dem Angeklagten sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch, dass er nunmehr nach Italien abgeschoben wird. Hierbei trugen beide Polizeibeamte ihre Polizeiuniform und waren demzufolge für Jedermann leicht als Polizeibeamte erkennbar.

Nachdem der Angeklagte über eine Dauer von ca. 10 bis 15 Minuten gepackt hatte, verließ er in Begleitung der beiden Polizeibeamten sein Zimmer, das im ersten Stock des Gebäudes 92 lag, und lief mit nunmehr insgesamt vier Polizeibeamten vor das Gebäude, wo er in ein Polizeifahrzeug verbracht werden sollte. Plötzlich lehnte der Angeklagte das Ansinnen der Polizeibeamten ab, ins Polizeifahrzeug zu steigen, sperrte sich hiergegen massiv, indem er sich kraftvoll gegen das Polizeifahrzeug lehnte und dadurch verhinderte, dass er in das Polizeifahrzeug gebracht werden konnte, weshalb er geschlossen werden sollte. Da sich der Angeklagte hiergegen sträubte, indem er seine Hände nach vorne verschränkte und er sich gegen sämtliche Haltegriffe der Polizeibeamten wendete, indem er sich immer wieder abwendete und die Polizeibeamten zur Seite drückte, wurde er schließlich am Polizeifahrzeug durch insgesamt fünf Polizeibeamte, den Zeugen E., W., D., K. und B. mit vereinten Kräften zu Boden gebracht, wo er schließlich geschlossen werden konnte. Daraufhin wurde der Angeklagte von den Polizeibeamten ins Fahrzeug gelegt und zum Polizeirevier Ellwangen gebracht. In der Folgezeit kam der Angeklagte schließlich über das Polizeirevier in Crailsheim nach Weinsberg und sodann nach Frankfurt auf den Flughafen, wo er nach Italien ausgeflogen wurde."

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Ellwangen hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Verfahren ist beim Landgericht Ellwangen anhängig.

Bereits am 25.09.2018 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Er führt aus, der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet. Streitgegenstand seien Maßnahmen nach dem Polizeigesetz. Eine abdrängende Sonderzuweisung liege nicht vor. Speziell der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach §§ 23 Abs. 1, 25 EGGVG sei nicht gegeben, weil die Polizei vorliegend nicht zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten tätig geworden sei. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, weil sich die polizeilichen Maßnahmen im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt hätten. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liege unter verschiedenen Gesichtspunkten vor. Es bestünde eine konkrete Wiederholungsgefahr. Erforderlich sei hierfür eine im Wesentlichen vergleichbare, keineswegs aber identische Situation. Er habe zudem ein Rehabilitierungsinteresse, da über das Vorgehen umfassend auch unter dessen Namensnennung - diskriminierend - berichtet worden sei. Zuletzt liege ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor, so in die Grundrechte nach Art. 1, 2, 5, 13 und 16a GG.

Die Klagen seien auch begründet. Die Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes am 03.05.2018 seien rechtswidrig gewesen und verletzten ihn in seinen Rechten. Der Anlass für das Vorgehen der Polizei am 03.05.2018, dass sich aufgrund der Vorkommnisse in der Nacht vom 30.04. auf den 01.05.2018 ein rechtsfreier Raum entwickeln würde, sei bereits unwahr. In der Nacht vom 30.04. auf den 01.05.2018 habe ein Mitbewohner aus Togo nach Italien abgeschoben werden sollen. Er, der Kläger, habe mitorganisiert, dass sich die Flüchtlinge versammeln und sie hätten die Polizei gefragt, warum sie den Togolesen gegen seinen Willen abschieben wollten und er menschenunwürdigen Umständen überlassen werden solle. An dem Protest seien viele Flüchtlinge beteiligt gewesen, darunter auch viele, die nicht aus Afrika stammen. Die Polizei habe dem Abzuschiebenden bereits Handschellen angelegt gehabt. Aufgrund des Protests seien sie dann aber gegangen. Es sei zu keinerlei Gewalttätigkeiten oder Drohungen gegenüber der Polizei gekommen. Von ihrer Seite aus sei alles friedlich gewesen. Dieser Protest sei durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt gewesen. Als Reaktion auf diesen Protest habe die Polizei dann die "Strafaktion" vom 03.05.2018 durchgeführt. Die Maßnahmen am 03.05.2018 seien ohne Rechtsgrundlage und ohne richterliche Anordnung erfolgt. Sie seien willkürlich und in krassem Maße unverhältnismäßig. Gefahr im Verzug oder eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe unter keinem Gesichtspunkt vorgelegen. Die Bewohner der LEA würden streng kontrolliert und verfügten über eine Chipkarte, die beim Verlassen und Betreten der Einrichtung die Personen jeweils erfasse. Von daher sei bekannt gewesen, wer sich in der LEA aufhalte und wer nicht. In sein Zimmer sei ohne Gerichtsbeschluss eingedrungen worden und unter Androhung von Zwangsmaßnahmen eine Personenfeststellung durchgeführt worden, obwohl er dem Leiter der LEA und anderen Behördenvertretern namentlich bekannt gewesen sei. Die Polizeibeamten hätten sich nicht als solche zu erkennen gegeben. Dies sei ihm erst nach einiger Zeit klar geworden. Er habe sich mit seinem Mitbewohner auf den Boden setzen müssen. Seine Hände seien mit Handschellen gefesselt worden, die tief in die Handgelenke eingeschnitten hätten. Sein Körper und seine Kleidung seien ebenso wie das gesamte Zimmer einschließlich aller vorhandenen persönlichen Gegenstände, Dokumente und Schriftstücke durchsucht worden. Dies habe deutlich über eine Stunde gedauert. In dieser Zeit habe er mit gefesselten Armen auf dem Boden sitzen müssen. Eine Begründung oder Erklärung für diese Polizeiaktion sei ihm seitens der Polizeikräfte nicht abgegeben worden. Es habe sich bei seinem Zimmer um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 GG gehandelt. Die Wohnungseigenschaft werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Zimmer nicht abschließbar gewesen seien und jederzeit vom Sicherheitspersonal betreten werden konnten. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Zimmer den Personen exklusiv zugewiesen seien und sich in diesen im Wesentlichen das Privatleben der Geflüchteten abspiele, diese dort insbesondere auch ihre Schlafstätte hätten. Die Maßnahme am 03.05.2018 sei eine Durchsuchung gewesen. Bereits das Betreten des Zimmers mit dem Ziel der Personenkontrolle sie als Durchsuchung zu werten. Nach § 31 Abs. 5 PolG sei eine Durchsuchung ohne richterliche Anordnung nur bei Gefahr im Verzug erlaubt. Gefahr im Verzug habe erkennbar nicht vorgelegen. Eine akute Gefahr sei von den Bewohnern der LEA nicht ausgegangen.

Auch die Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes am 20.06.2018 seien rechtswidrig gewesen und hätten ihn in seinen Rechten verletzt. Er sei zum Zeitpunkt seiner Abschiebung davon ausgegangen, dass keine konkrete Gefahr einer Abschiebung für ihn bestehe, da seit mehreren Wochen keine Abschiebungen mehr vorgenommen worden seien. Er habe mit einem weiteren Flüchtling aus Kamerun in einem Zimmer gewohnt. Zum Zeitpunkt, als die Polizei das Gebäude betreten habe, habe er sich auf der Toilette befunden. Die Polizei habe die Räumlichkeiten mit mindestens zehn Polizisten betreten. Darunter seien zivile, aber auch uniformierte Polizisten gewesen. Die uniformierten Polizisten gehörten seiner Ansicht nach Sondereinsatzeinheiten an. Als er die Toilette verlassen habe, habe er die Polizisten gesehen und diese angesprochen, was sie denn wollten. Sie hätten ihn nach seinem Ausweis befragt und nach Feststellung der Personalien hätten sie ihm gesagt, er werde nach Italien abgeschoben. Sein Ausweis sei ihm weggenommen worden und man habe ihm mitgeteilt, er könne höchstens 20 kg mitnehmen. Er habe ihnen gesagt, dass er zu einem Gespräch bereit sei, dass er aber kein Krimineller sei und auch nicht wie ein Krimineller behandelt werden wolle. Er habe ein Recht auf seine Unterlagen. Die Polizisten hätten erwidert, er solle den Mund halten und sie nicht belehren, was sie zu tun oder zu lassen haben. Das Betreten des Zimmers zum Zwecke der Abschiebung sei nicht durch § 6 LVwVG gedeckt. Danach sei der Vollstreckungsbeamte befugt, das Besitztum des Pflichtigen zu betreten und zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordere. Eine Durchsuchung von Wohnungen sei aber gegen den Willen des Pflichtigen nur auf Anordnung des zuständigen Verwaltungsgerichts möglich. Hier liege eine Durchsuchung vor, weil man das Zimmer betreten habe, um beispielsweise nach seinen Identitätspapieren zu suchen. Erforderlich sei daher eine richterliche Anordnung gewesen, die nicht vorgelegen habe. Die Beschlagnahme des Ausweises und des Geldbeutels sei gegen seinen ausdrücklichen Willen geschehen. Draußen vor dem Gebäude sei die Polizei aggressiv gegen ihn vorgegangen. Er sei gewaltsam zu Boden geworfen worden. Seine Arme seien mit großer Gewalt nach hinten gedreht worden. Dadurch habe er Verletzungen im Schultergelenk erlitten, an denen er bis heute leide. Mit nach hinten gebundenen Armen seien ihm Handschellen angelegt worden, die stark in die Haut eingeschnitten hätten. Ihm sei keine ärztliche Versorgung gewährt worden. Er sei mit dem Gesicht nach unten auf den Boden eines größeren Polizeifahrzeugs gelegt und so transportiert worden. In Ellwangen sei er in eine Zelle verbracht worden. Man habe ihm dann Hand- und Fußschellen angelegt, die durch eine Kette verbunden gewesen seien. Er habe hierfür keinen Anlass gegeben. Er habe verlangt, zu erfahren, was ihm eigentlich vorgeworfen werde. Es sei jedoch nicht mit ihm gesprochen worden. Anschließend sei er nach Crailsheim gebracht worden. Dort seien ihm wieder neue Handschellen angelegt worden. Diese seien besonders eng angelegt worden, sodass sich die Verletzung an den Handgelenken noch verstärkt habe. Er sei dann zum Flughafen in Frankfurt gebracht worden. Dort seien ihm die Handschellen abgenommen worden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er alleine ohne Polizeibegleitung fliegen könne, wenn er keinen Widerstand leiste. Motiv der Abschiebung sei nicht der Vollzug der Dublin III-Verordnung gewesen, sondern den berechtigten Protest der Flüchtlinge zu ersticken und ihren anerkannten Organisator mundtot zu machen. Das Vorgehen sei materiell rechtswidrig, insbesondere unverhältnismäßig gewesen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass

1. die durch den Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes gegenüber dem Kläger in der Landeserstaufnahmerichtung in Ellwangen am 03.05.2018 durchgeführte Personenfeststellung, das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers, das Durchsuchen des Klägers und das Festsetzen des Klägers unter Anlegen von Einmal-Handschließen rechtswidrig gewesen sind,

2. die durch den Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes gegenüber dem Kläger am 20.06.2018 im Rahmen seiner Abschiebung durchgeführten Maßnahmen (das Betreten des klägerischen Zimmers, die Durchsuchung des Klägers, das Einbehalten des Geldbeutels, der Einsatz körperlicher Gewalt, der liegende Transport, die zeitweise Fesselung mit Hand- und Fußschellen) rechtswidrig gewesen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, dass Anlass des Polizeieinsatzes am 03.05.2018 die Bitte des Regierungspräsidiums Stuttgart gewesen sei, wieder geordnete Verhältnisse in der LEA herzustellen. Die gescheiterte Abschiebung am 30.04.2018 habe zu erheblicher Unruhe und Verunsicherung bei den Bewohnern und den Beschäftigten der LEA geführt. Bei der Lagebewertung durch das Polizeipräsidium Aalen habe sich zudem herausgestellt, dass eine Reihe von Bewohnern der LEA bereits durch die Begehung von Straftaten aufgefallen seien und es Anhaltspunkte gegeben habe, dass sich diese dort auch zu Straftaten verabreden würden. Deshalb sei beschlossen worden, durch einen Polizeieinsatz die Belegung von drei Gebäuden, in denen ausschließlich alleinreisende Männer untergebracht gewesen seien, mittels eines Personenfeststellungsverfahrens zu überprüfen. Insgesamt seien 292 Personen überprüft worden. Das Zimmer des Klägers sei zeitgleich mit allen anderen Zimmer um kurz nach 05:25 Uhr betreten worden. Seine Personalien seien festgestellt worden. Die beiden Bewohner des Zimmers seien mit Einmal-Handschließen geschlossen worden. Anschließend sei das Zimmer auf Grund einer individuell abweichenden lageangepassten Interpretation des Einsatzbefehls durchsucht worden. Der Kläger habe keinen Widerstand geleistet und sei auch nicht verletzt worden.

Das Verfahren hinterlasse den Eindruck, es handle sich primär um ein politisch motiviertes Vorgehen. Die Klage sei bereits unzulässig. Es fehle an einem berechtigten Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Die Wiederholung der konkreten Belegungssituation und der polizeilichen Lage in der LEA sei unwahrscheinlich. Weiter bestehe auch kein Rehabilitierungsinteresse. Eine Stigmatisierung, die das Ansehen des Klägers nachhaltig und noch in der Gegenwart fortdauernd herabgesetzt hätte, sei durch die polizeiliche Personenfeststellung nicht erfolgt. Der Kläger habe vielmehr selbst durch die Organisation einer öffentlichen Versammlung sowie durch das Geben von Interviews die Öffentlichkeit gesucht. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Namensnennung des Klägers durch den Beklagten gegenüber der Öffentlichkeit erfolgt. Zuletzt sei nicht näher begründet worden, inwieweit die dem Kläger gegenüber erfolgte Personenfeststellung einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstelle.

Darüber hinaus sei der Einsatz auch rechtmäßig gewesen und habe den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die Personalien des Klägers seien auf der Grundlage des § 26 PolG festgestellt worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG hätten vorgelegen. Auf Basis der durchgeführten polizeilichen Lagebewertung seien die Räumlichkeiten, in denen alleinreisende männliche Asylbewerber untergebracht gewesen seien, als sogenannter gefährlicher oder verrufener Ort im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG einzustufen gewesen. Es sei die Annahme gerechtfertigt gewesen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schäden an den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu erwarten gewesen wären, wenn nicht eingegriffen worden wäre. An solchen "gefährlichen" Orten ermögliche § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG Personenfeststellungen von allen an diesem Ort aufhältigen Personen. Eine polizeiliche Auswertung habe ergeben, dass in der Zeit vom 01.01.2017 bis zum April 2018 verschiedenste Ermittlungsverfahren durchgeführt worden seien, darunter seien Verfahren wegen sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch von Kindern, Delikte der gefährlichen Körperverletzung, Bedrohungen, Diebstähle, Urkundenfälschungen, mittelbare Falschbeurkundungen, wegen des sich Verschaffens von amtlichen Ausweisen, Hehlerei, Brandstiftungsdelikte, unerlaubte Einreisen, wegen sonstigem unerlaubtem Aufenthalt, wegen Erschleichen von Aufenthaltstiteln sowie unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln und allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gewesen. Mit Stand vom 30.04.2018 seien in der LEA Ellwangen 327 Asylbewerber (inklusive Frauen und Kinder) aus Afrika gemeldet gewesen, von denen 50 wegen verschiedenster strafrechtlicher Delikte auffällig gewesen seien. Im Hinblick auf die häufig unsichere Bleibeperspektive der in der LEA untergebrachten Personen habe man Fälschungsdelikte zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln zu befürchten gehabt. Weiterhin habe man aufgrund der Drohungen am 30.04.2018 damit rechnen müssen, dass bei zukünftigen Abschiebungen Gewalt angewendet werde. Auch habe die Unterwanderung der bestehenden Hausordnung durch Fehlbelegungen seitens der Bewohner zu der Befürchtung Anlass gegeben, dass aus einzelnen Gruppierungen weitere Straftaten geplant und begangen werden sollten. Die Personenfeststellung sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig gewesen. Zwar treffe es zu, dass sich die Bewohner beim Zutritt zur LEA mit einem Chip ausweisen müssten. Es sei aber nicht auszuschließen gewesen, dass sich Bewohner in anderen als den ihnen zugewiesenen Räumen aufhielten und dass sich Personen durch Überklettern der Zäune oder durch Missbrauch des Zutrittssystems unberechtigt Zutritt verschafften. Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen sei diese Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen.

Auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 3 PolG habe die Polizei den Kläger auch durchsuchen können. Es sei zudem zum Zwecke der Durchführung der Personenfeststellung das Zimmer betreten worden. Das Betreten sei auf Grundlage des § 31 Abs. 1 PolG zulässig gewesen. Es habe eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der LEA als staatliche Einrichtung, die Durchsetzung der staatlichen Ausreisepflicht und die Garantie des staatlichen Gewaltmonopols bestanden. Vorsorglich sei außerdem die Zustimmung der Hausleitung für die Durchführung des Polizeieinsatzes eingeholt worden. Das Nutzungsrecht an einem Zimmer in der LEA sei durch die Hausordnung stark reglementiert. Die Zimmer seien nicht abschließbar und gemäß der Hausordnung dürfe der Sicherheitsdienst die Zimmer jederzeit betreten. Die Privatsphäre sei mithin erheblich eingeschränkt. Im vorliegenden Fall habe eine wirksame Einwilligung zum Betreten durch die Hausleitung der Einrichtung vorgelegen, die das Hausrecht ausübe. Die Durchsuchung des Zimmers des Klägers sei auf Grund einer individuell abweichenden lageangepassten Interpretation des Einsatzbefehls erfolgt.

Auch die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Abschiebung des Klägers am 20.06.2018 seien rechtmäßig erfolgt. Die Polizei habe nach § 60 Abs. 5 PolG Vollzugshilfe geleistet. Zunächst sei klarzustellen, dass die Abschiebung nicht willkürlich gewesen sei bzw. davon geleitet, den Organisator der Ellwanger Flüchtlingsproteste mundtot zu machen. Der Vollstreckungsauftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe sei bereits am 26.04.2018 ergangen. Eine Verhaftung des Klägers habe nicht stattgefunden. Vielmehr sei unmittelbarer Zwang im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung gemäß § 52 PolG angewendet worden. Das Zimmer des Klägers sei nicht durchsucht worden. Das bloße Öffnen der (unverschlossenen) Tür zur Nachschau stelle keine Durchsuchung dar. Das Betreten zum Zwecke der Abschiebung bedürfe keiner vorherigen richterlichen Anordnung. Eine Durchsuchung sei zudem gar nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger auf dem Gang angetroffen worden sei. Das Betretensrecht für die in Vollzugshilfe tätigen Polizisten ergebe sich aus § 52 Abs. 5 PolG i.V.m. § 6 Abs. 1 LVwVG, ohne dass es einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfe. Die Vollstreckung der Abschiebung sei des Weiteren keine Freiheitsentziehung, sondern eine Freiheitsbeschränkung, die nicht unter den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG falle. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei zudem verhältnismäßig gewesen. Sie sei erst angewendet worden, nachdem der Kläger seine freiwillige Mitwirkung beendet und erheblichen Widerstand geleistet habe. Das Anbringen der Hand- und Fußschellen sei sowohl aus Eigensicherungsgründen der Polizeibeamten erforderlich gewesen, als auch um weitere Gefährdungen durch und für den Kläger während des Transports im Polizeifahrzeug zu vermeiden. Weil der Kläger zunächst jede Mitwirkung verweigert habe, sei es nicht möglich gewesen, ihn während der ersten Fahrt sitzend zu transportieren. Aufgrund des Vorbringens des Klägers habe man die Staatsanwaltschaft Ellwangen informiert. Diese habe gemäß § 152 Abs. 2 StPO mit Verfügung vom 03.01.2019 von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die an der Abschiebung beteiligten Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt abgesehen.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., M., E., B., W., F., S. und F. Soweit der Kläger ursprünglich noch schriftsätzlich geltend gemacht hatte, ihm sei verboten worden, einen Anwalt zu konsultieren, sein Handy sei zerstört worden und er sei während des liegenden Transports mit Stiefeln getreten worden, hat er dies nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mehr aufrechterhalten bzw. von entsprechenden Anträgen abgesehen. Der Kläger stellte in der mündlichen Verhandlung einen unbedingten Beweisantrag, der durch begründeten Beschluss abgelehnt wurde. Für den Inhalt der Begründung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten des Polizeipräsidiums Aalen, die Ausländerakte des Klägers und die Gerichtsakte des Strafverfahrens des Klägers vor dem Amts- bzw. Landgericht Ellwangen (Az. ...) verwiesen.

Gründe
I.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.

Streitgegenstand der Klagen sind Maßnahmen nach dem Polizeigesetz bzw. Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, mithin Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Art. Eine abdrängende Sonderzuweisung liegt nicht vor. Der Rechtsweg zu den Strafgerichten nach § 23 Abs. 1 EGGVG ist nicht gegeben, weil die Polizeibeamten vorliegend nicht als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten tätig geworden sind. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete der Polizei ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 16). Ergibt sich nach diesen Kriterien keine eindeutige Zuordnung zu einer repressiven oder präventiven Zielrichtung, kommt eine Verweisung von einem angerufenen Verwaltungsgericht jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Maßnahme bei verständiger Würdigung aus der Perspektive des Betroffenen zumindest auch präventiv-polizeiliche Zwecke verfolgt und auf eine präventiv-polizeiliche Ermächtigungsgrundlage gestützt sein kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.08.2014 - 5 E 375/14 -, juris Rn. 7).

Die polizeilichen Maßnahmen im Rahmen der Razzia am 03.05.2018 dienten nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten der präventiven Gefahrenabwehr. Einzelne Maßnahmen wie die Durchsuchung hatten dabei einen doppelfunktionalen Charakter. Sie diente auch repressiven Zwecken. Der Schwerpunkt des polizeilichen Handels war allerdings präventiv. Der gefahrenabwehrrechtliche Charakter der Maßnahmen wird nicht durch die Aussagen der eingesetzten Polizeibeamten in Frage gestellt. Der Zeuge PK B. gab an, Ziel der Durchsuchung sei es gewesen, Tat- und Beweismittel der vorangegangen Gefangenbefreiung einige Tage zuvor aufzufinden. Der Zeuge POM M. ergänzte, dass zudem nach Ausweisdokumenten und selbstgebastelten Schlag- und Hiebwerkzeugen gesucht werden sollte. Die Aussagen machen deutlich, dass bei Gelegenheit der Razzia auf Grundlage des Polizeigesetzes auch strafprozessuale Maßnahmen im Zusammenhang mit der gescheiterten Abschiebung durchgeführt werden sollten. Dies deckt sich mit der internen Bewertung der Rechtslage durch das Polizeipräsidium Aalen zur Vorbereitung des Einsatzes. Auch die Durchsuchung hatte nicht allein eine repressive Zielrichtung. Denn die Suche nach Ausweisdokumenten und Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen diente der Gefahrenabwehr.

Die streitgegenständlichen Maßnahmen während der Abschiebung am 20.06.2018 sind solche der Verwaltungsvollstreckung. Die Polizei wurde insoweit im Wege der Vollzugshilfe tätig.

II.

Die Klagen sind als im Wege der Klagehäufung nach § 44 VwGO erhobene (Fortsetzungs-)Feststellungsklagen zulässig (1.) und teilweise begründet (2.).

1. a) Die Klagen sind als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.

Bei den streitgegenständlichen Maßnahmen im Rahmen der Razzia am 03.05.2018 handelt es sich um polizeiliche Standardmaßnahmen, die sich erledigt haben, weil sie sich nach ihrem Vollzug inhaltlich erschöpft haben und keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten. Die einzelnen durchgeführten Maßnahmen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Die Rechtsnatur der einzelnen Standardmaßnahmen ist umstritten (Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, § 5 Rn. 126). Während die Personenfeststellung nach § 26 PolG ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 17), lässt sich dies bei sog. realisierenden Standardmaßnahmen wie beispielsweise dem Betreten und der Durchsuchung von Wohnungen nach § 31 Abs. 1 bis 3 PolG nur für den konkreten Einzelfall bestimmen (Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, § 5 Rn. 130 ff.). Da eine Erledigung aber in jedem Fall vor Eintritt der Bestandskraft eingetreten ist, kann die Verwaltungsaktqualität der einzelnen Maßnahmen dahinstehen. Denn für die in einer solchen Konstellation statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage gelten keine spezielleren Voraussetzungen als für die allgemeine Feststellungsklage (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, juris Rn. 22; OVG Hamburg, Urteil vom 18.08.2020 - 4 Bf 160/19 -, juris Rn. 25). Die Berechtigung des Polizeivollzugsdienstes zur Durchführung der polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger, denen keine Verwaltungsaktqualität zukommt, stellt jedenfalls ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.

Bei den Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Abschiebung am 20.06.2018 handelt es sich neben Vollzugshandlungen wie dem Betreten des Zimmers des Klägers überwiegend um die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist ihrer Rechtsnatur nach ein Realakt (VG Stuttgart, Urteil vom 18.11.2015 - 5 K 1265/14 -, juris Rn. 21; Stelkens, in: Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG, § 35 Rn. 93 m.w.N.). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erledigt sich, sobald sie vollzogen ist. Das Feststellungsbegehren ist insoweit mit der Feststellungsklage zu verfolgen. Geht man für einzelne Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Abschiebung von einer Verwaltungsaktqualität aus, so haben sich diese jedenfalls durch den Vollzug ebenfalls erledigt. Für dieses Begehren ist wiederum die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die konkrete Klageart für einzelne Maßnahmen kann abermals dahinstehen (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 18.08.2020 - 4 Bf 160/19 -, juris Rn. 25).

b) Die Durchführung eines Vorverfahrens hinsichtlich der Maßnahmen mit Verwaltungsaktqualität war nicht erforderlich, da ein Widerspruchsverfahren seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 18, und vom 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 34).

c) Die Klagen wurden rechtzeitig erhoben. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist bei vorprozessualer Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (vgl. Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, Stand: Juli 2020, VwGO, § 74 Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 35). Gleiches gilt für die Feststellungsklage, für die grundsätzlich keine Klagefrist gilt (Schenke, in: Kopp/Schenke, 26. Aufl. 2020, VwGO, § 43 Rn. 1).

d) Der Kläger hat ferner auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Die diesbezüglichen Anforderungen bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechen jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urteile vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 und vom 28.03.2012 - 6 C 12.11 -, BVerwGE 143, 74, <76 Rn. 15>; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 20, und vom 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 36). Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Nach dem Wegfall der mit den polizeilichen Maßnahmen verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (VG Stuttgart, Urteil vom 11.04.2019 - 1 K 2888/18 -, juris Rn. 22). Zur Konkretisierung des berechtigten Interesses greift die Rechtsprechung auf Fallgruppen zurück.

Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse aufgrund einer Wiederholungsgefahr. Für die Annahme eines (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses müsste der Kläger hinreichend bestimmten Anlass haben, mit einer Wiederholungsgefahr zu rechnen. Eine konkrete Wiederholungsgefahr in dem genannten Sinne setzt voraus, dass die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleiche oder gleichartige Maßnahme zu erwarten ist (st. Rspr., BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 21). Die Annahme einer Wiederholungsgefahr verlangt die konkret absehbare Möglichkeit einer Realisierung in naher Zukunft (BVerwG, Urteil vom 14.01.2019 - 3 B 48.18 -, juris Rn. 9). Die Wiederholungsgefahr muss zudem grundsätzlich gerade im Verhältnis der Beteiligten des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens bestehen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.02.2014 - 12 A 2838/12 -, juris Rn. 5). Eine ansatzweise vergleichbare Lebenssituation wie zum Zeitpunkt der Razzia bzw. Abschiebung, die eine Wiederholungsgefahr begründen könnte, besteht nicht. Der Kläger lebt seit geraumer Zeit nach seiner erneuten Einreise nach Deutschland nicht mehr in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung. Auch eine Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens ist ausgeschlossen. Der Kläger durchläuft zwischenzeitlich ein reguläres Asylverfahren. Die konkreten polizeilichen Vollzugsmaßnahmen im Rahmen der Abschiebung waren zudem situationsgebunden. Insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Anwendung von unmittelbarem Zwang kann allein für den konkreten Einzelfall beurteilt werden.

Auch ein Präjudizinteresse besteht nicht, weil sich die polizeilichen Maßnahmen bereits vor Klageerhebung erledigt haben und der Kläger nicht "um die Früchte des Prozesses" gebracht wird. Mögliche Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche sind direkt bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit einzuklagen (BVerwG, Beschluss vom 09.05.1989 - 1 B 166.88 -, juris Rn. 4).

Für die im Rahmen der Razzia am 03.05.2018 gegenüber dem Kläger getroffenen Maßnahmen besteht jedoch ein Rehabilitierungsinteresse. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden war und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 20; BVerwG, Beschluss vom 09.08.1990 - 1 B 94.90 -, NVwZ 1991, 270). Ein berechtigtes Rehabilitierungsinteresse besteht nur dann, wenn von der angegriffenen Maßnahme gegenüber dem Betroffenen eine stigmatisierende Wirkung ausgeht, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch andauert und der durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit wirksam begegnet werden kann (BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20.12 -, juris Rn. 15 f.; Riese, in: Schoch/Schneider, Stand: Juli 2020, VwGO, § 113 Rn. 137). Die einzelnen polizeilichen Maßnahmen griffen in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und möglicherweise in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG ein und waren Teil einer umfangreichen öffentlichen Berichterstattung unter teilweise voller Namensnennung des Klägers. Für den Fall der Rechtswidrigkeit einzelner Maßnahmen hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse, dass dies gerichtlich festgestellt wird, um ihn zu rehabilitieren. Dies gilt für jede einzelne gegenüber dem Kläger getroffene polizeiliche Maßnahme, da die Razzia in ihrer Gesamtheit Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung war und ist. Eine Aufteilung der einzelnen Maßnahmen in solche mit und ohne diskriminierenden Charakter wäre lebensfremd. Die öffentliche Berichterstattung dauert auch bis zum heutigen Tag an. Rechtlich unerheblich ist, dass sich der Kläger im Nachgang zu der Razzia auch selbst öffentlich dazu geäußert und gezielt den Kontakt zur Presse gesucht bzw. entsprechende Interviewanfragen angenommen hat. Denn das große Medieninteresse bestand unabhängig von den Äußerungen des Klägers. Als Betroffenem stand es ihm frei, seine Sicht der Dinge auch über die Medien darzulegen.

Die polizeilichen Maßnahmen zur Vollstreckung der Abschiebungsanordnung am 20.06.2018 gingen mit Grundrechtseingriffen einher, die sich typischerweise kurzfristig erledigen. Das im Einzelnen umstrittene Feststellungsinteresse wegen eines sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffs bedarf eines in tatsächlicher Hinsicht überholten Grundrechtseingriffs. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt trotz fehlender aktueller Beschwer eine gerichtliche Kontrolle in der Hauptsache, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung im Klageverfahren kaum mehr erlangen kann (BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; Riese, in: Schoch/Schneider, Stand: Juli 2020, VwGO, § 113 Rn. 141). Dahinstehen kann, ob die Intensität des Grundrechtseingriffs schwerwiegend sein muss oder allein eine Verletzung ohne Rechtsschutzmöglichkeiten aufgrund kurzfristiger Erledigung ausreicht. In der Vergangenheit wurde für die Bejahung eines berechtigten Interesses meist ein tiefgreifender, sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff gefordert (so zuletzt auch BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020 - 2 BvR 1333/17 -, BVerfGE 153, 1 ; BVerwG, Urteil vom 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 13 ff.). Nach einer anderen Auffassung ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse indes nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt (vgl. VG Stuttgart, Urteile vom 22.10.2015 - 1 K 5060/13 -, juris Rn. 14, und vom 11.04.2019 - 1 K 2888/18 -, juris Rn. 22; VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris; Sächsisches OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris, Rn. 29; ebenso Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 145). Die Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Abschiebung waren von hinreichender grundrechtsbelastender Wirkung. Sie griffen in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und möglicherweise in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG ein. Dabei ist für die Intensität der Grundrechtseingriffe auf die Abschiebung als einheitlichen Vorgang abzustellen. Eine künstliche Aufspaltung des Lebenssachverhalts würde der Grundrechtsbetroffenheit der Abschiebung im vorliegenden Fall nicht gerecht. Der Abschiebevorgang stellt sich hier für den Abzuschiebenden gerade aufgrund der kumulativen Wirkung unterschiedlicher Grundrechtseingriffe als besonders belastend dar. Es handelt sich bei den polizeilichen Vollzugsmaßnahmen zudem um sich typischerweise - d.h. ihrer Eigenart entsprechend - kurzfristig erledigende Maßnahmen, ohne dass sie einer Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten.

2. Die Klagen sind teilweise begründet. Die polizeilichen Maßnahmen im Rahmen der Razzia am 03.05.2018 waren rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog bzw. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Durchführung der Abschiebung des Klägers am 20.06.2018 war mit Ausnahme des zeitweisen Einbehaltens des Geldbeutels des Klägers rechtmäßig.

Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit der erledigten Verwaltungsakte bzw. polizeilichen Maßnahmen ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (Bayerischer VGH, Urteil vom 10.07.2018 - 10 B 17.1996 -, juris Rn. 23; Riese, in: Schoch/Schneider, Stand: Juli 2020, VwGO, § 113 Rn. 152). Abzustellen ist demnach nach der umfassenden Novellierung auf das alte Polizeigesetz vom 13.01.1992 in der Fassung vom 28.11.2017 (im Folgenden: PolG) und nicht auf das am 17.01.2021 in Kraft getretene neue Polizeigesetz vom 06.10.2020.

a) Das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers, das Durchsuchen des Klägers, die Personenfeststellung und das Festsetzen des Klägers unter Anlegen von Einmal-Handschließen im Rahmen der Razzia am 03.05.2018 waren rechtswidrig. Das Zimmer des Klägers in der Landeserstaufnahmeeinrichtung ist zwar keine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG (aa). Auch lagen die Tatbestandsvoraussetzungen für das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers, das Durchsuchen des Klägers sowie die Personenfeststellung vor (bb). Der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war jedoch zur Nachtzeit nicht angemessen (cc). Das Festsetzen des Klägers unter Anlegen von Einmal-Handschließen war mangels rechtmäßiger Personenfeststellung ebenfalls rechtswidrig (dd).

aa) Das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers ist nicht am Maßstab des § 31 PolG zu messen. Denn bei dem Zimmer des Klägers handelt es sich nicht um eine Wohnung im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 PolG.

Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist die grundrechtliche Wertung von Art. 13 Abs. 1 GG heranzuziehen. Der Begriff der Wohnung ist insoweit identisch (Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, § 5 Rn. 203). Art. 13 GG schützt die räumliche Privatsphäre (BVerfG, Beschluss vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 -, BVerfGE 32, 54 ). Aufgrund des engen Zusammenhangs mit der Menschenwürdegarantie (BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 u.a. -, BVerfGE 120, 274 ) ist der Begriff der Wohnung weit auszulegen. In den Tatbestand der Wohnung fallen alle privaten Wohnzwecken gewidmeten Räumlichkeiten, in denen der Mensch das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (BVerfG, Beschlüsse vom 09.08.2018 - 2 BvR 1684/18 -, juris Rn. 29, und vom 18.09.2008 - 2 BvR 683/08 -, juris Rn. 14). Er umfasst zur Gewährleistung einer räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben ungestört entfalten kann, alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Wirkens gemacht sind (BTDrucks. 15/4533 S. 11; BVerfGE 89, 1, 12; BGH, Urteil vom 10.08.2005 - 1 StR 140/05 -, juris Rn. 17). Maßgeblich ist dabei die nach außen erkennbare Willensbetätigung desjenigen, der einem Raum kraft "Widmung" den Schutz der Privatheit verschafft (Hermes, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 13 Rn. 17). Für die Beurteilung, ob eine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG vorliegt, ist maßgeblich auf den Status quo (vor etwaigen Eingriffen) abzustellen. Art. 13 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch eines jeden Menschen auf einen Mindeststandard an wohnlicher Privatheit, sondern schützt vor Eingriffen in eine vorhandene räumliche Privatsphäre (Papier, in: Maunz/Dürig, GG, August 2020, Art. 13 Rn. 1 u. 6; Kühne, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 13 Rn. 9). Entscheidend ist mithin die konkret rechtlich und tatsächlich vorgefundene Situation (Zölls, ZAR 2018, 56, 58).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist das Zimmer des Klägers nicht als Wohnung zu qualifizieren. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass die einzelnen Zimmer bzw. die jeweiligen Betten den einzelnen Nutzern individuell zugewiesen werden. Sie sind zugleich Rückzugsort und Schlafstätte für die Nutzer. Der Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt sich zudem unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht die Einstufung des Zimmers in der LEA als Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG. Denn die konkrete Ausgestaltung der Unterbringung in der LEA in Ellwangen lässt es nicht zu, von einer ausreichend vorhandenen räumlichen Privatsphäre zu sprechen, deren Schutz Art. 13 Abs. 1 GG bezweckt.

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) wird für die Dauer der Erstaufnahme ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis begründet. Zur Ausgestaltung dieses Nutzungsverhältnisses erlässt das zuständige Regierungspräsidium eine Nutzungsordnung und trifft die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FlüAG). Die zum Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahmen gültige Hausordnung sah umfangreiche Einschränkungen der Nutzung der einzelnen Zimmer und des generellen Aufenthalts in der LEA in Ellwangen vor. Im Rahmen des Hausrechts bestand die Möglichkeit, Zimmer zuzuweisen, Verlegungen innerhalb des Geländes vorzunehmen und Zimmerkontrollen durchzuführen (§ 2 b). Innerhalb der LEA waren jederzeitige Ausweiskontrollen möglich (§ 2 c), Haustierhaltung (§ 3 e) und freiwillige Wechsel der Zimmer und Schlafplätze (§ 5 c) waren genauso wie Waffen und gefährliche Gegenstände nicht erlaubt (§ 5 d). Rauchen, Feuer und offenes Licht (z.B. brennende Kerzen) in den Zimmern (§ 5 e), Kochen auf den Zimmern (§ 5 h) sowie der Besitz und Konsum von Alkohol waren verboten (§ 5 g). Bei Gefahr in Verzug und auf Anforderung des Personals von EHC (Betreiberfirma der LEA) war ein Betreten des Zimmers zu dulden (§ 5 n). Besuch war nur nach Genehmigung und nur zwischen 9 Uhr und 18 Uhr erlaubt (§ 6 c und g). Auch Fotografien innerhalb der Gebäude waren nur mit Genehmigung der Einrichtungsleitung erlaubt (§ 6 f).

Neben diesen äußerst restriktiven Einschränkungen waren die einzelnen Zimmer nicht abschließbar. Der Kläger konnte das Zimmer nur gemeinsam mit anderen ihm fremden und verpflichtend zugewiesenen Asylbewerbern nutzen. Anders als in einer Gemeinschaftsunterkunft (dazu OVG Bremen, Beschluss vom 30.09.2019 - 2 S 262/19 -, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urteil vom 18.08.2020 - 4 Bf 160/19 -, juris Rn. 32) hatte der Kläger keinen exklusiven Rückzugsraum, über den er weitestgehend frei verfügen konnte.

Auch wenn der Kläger selbstverständlich nicht inhaftiert war, beruhte sein Aufenthalt in der LEA nicht auf seiner eigenen freiwilligen, sondern auf einer behördlichen Entscheidung. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung ließ dem Kläger in dem ihm zugewiesenen Zimmer aufgrund der Hausordnung aus Ordnungs- und Sicherheitszwecken keine ansatzweise qualitativ bemerkenswerte Privatsphäre (anders für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, vgl. VG Hamburg, Urteil vom 15.02.2019 - 9 K 1669/18 -, juris Rn. 34). Einer derartigen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses steht auch Art. 13 Abs. 1 GG nicht entgegen. Denn Art. 13 Abs. 1 GG schützt eine gegebene räumliche Privatsphäre, gewährt darauf aber keinen Anspruch (dies verkennt Zölls, ZAR 2018, 56, 57). Dies zeigt auch ein Vergleich mit Hafträumen. Bei einem Haftraum handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich nicht um eine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG, da von dessen Zuweisung als persönlicher und vom allgemeinen Anstaltsbereich abgegrenzter Lebensbereich das Hausrecht der Anstalt unberührt bleibt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.05.1996 - 2 BvR 727/94 -, juris Rn. 13).

Vergleichbares gilt auch für Unterkunftsräume eines Soldaten oder Polizeibeamten (BGH, Urteil vom 10.08.2005 - 1 StR 140/05 -, juris Rn. 18). Nicht von Bedeutung ist insoweit, dass es diesen Personengruppen anders als Asylbewerbern in den meisten Fällen frei steht, außerhalb der Unterkunft eine Wohnung zu beziehen. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert keinen Anspruch auf ein Minimum an räumlicher Privatsphäre. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Ausgestaltung dieser besonderen staatlichen Unterbringungsformen, sei es in Haftanstalten, Kasernen oder Landeserstaufnahmeeinrichtungen, aus anderen Gründen von vornherein verfassungswidrig ist. Das Zusammenleben unter den jeweils besonderen Bedingungen bedarf den Ordnungs- und Sicherheitszwecken der Unterbringung geschuldet spezieller Regeln. Für die Landeserstaufnahmeeinrichtungen ergibt sich dies daraus, dass einerseits Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen mit verschiedenen Religionen auf engem Raum zusammenleben und andererseits die ungestörte Einleitung und Durchführung des Asylverfahrens gewährleistet werden muss.

Pauschal nicht vergleichbar sind hingegen Obdachlosenunterkünfte (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 20.10.2005 - Au 6 S 05.773 -, juris Rn. 23) und Krankenzimmer in einer Rehaklinik trotz Betretungsrechten des Krankenhauspersonals (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2005 - 1 StR 140/05 -, juris Rn. 16 ff.), die regelmäßig als geschützte Wohnungen angesehen werden. Entscheidend ist auch hier der konkret rechtlich und tatsächlich vorgefundene Raum an Privatsphäre. Obdachlosenunterkünfte, die den Bewohnern abschließbare Räume zur wohnlichen Einrichtung überlassen, dürften typischerweise vom Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG erfasst sein. Anderes dürfte gelten, sofern in Obdachlosenunterkünften nur für die Nacht eine Schlafstätte bereitgestellt wird, die morgens wieder geräumt werden muss. Die Besonderheit von Krankenzimmern ist, dass die Betretungsrechte allein dem gesundheitlichen Wohl des Patienten dienen, der sich im Fall einer Rehaklinik zudem freiwillig zu seiner eigenen Genesung in die Obhut des Pflegepersonals begibt.

Von untergeordneter Bedeutung ist die zeitliche Dauer der Unterbringung (Engler, ZAR 2019, 322, 325). Der Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG knüpft nicht an ein Zeitmoment an. Er besteht unabhängig davon, wie lange die räumliche Privatsphäre bereits oder noch andauert. Irrelevant ist daher, wie viele Wochen oder Monate einzelne Asylbewerber in der LEA untergebracht sind.

Rechtlich nicht erheblich ist zuletzt, dass § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG zum Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen die Pflicht statuiert, in der zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu "wohnen". Denn der Begriff des "Wohnens" wird in der gesamten Rechtsordnung in vielfältiger Weise ohne einheitliches Verständnis verwendet. Ob beim Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB oder dem Wohnen im Sinne des Bauplanungsrechts, die Begrifflichkeit des Wohnens ist mit der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG nicht zwingend identisch.

bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers, das Durchsuchen des Klägers sowie die Personenfeststellung lagen vor.

Ermächtigungsgrundlage für die Personenfeststellung ist § 26 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 PolG. Danach kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, wenn sie an einem Ort angetroffen wird, an dem erfahrungsgemäß Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 PolG bzw. § 30 Nr. 4 PolG kann die Polizei eine Person bzw. eine Sache durchsuchen, wenn sie sich an einem der in § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten Orte aufhält bzw. befindet. Unbewegliche Sachen wie ein Gebäude sind von § 30 PolG umfasst, soweit es sich nicht um Wohnungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG, § 31 PolG handelt (Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, § 5 Rn. 196). Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften bestehen keine Bedenken (VG Freiburg, Urteil vom 04.04.2019 - 10 K 3092/18 -, juris Rn. 38 f.).

Die polizeilichen Maßnahmen waren formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).

Bei dem Gebäude 92 in der LEA Ellwangen, in dem der Kläger untergebracht war, handelte es sich um einen sog. "gefährlichen Ort" im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 PolG. Die Annahme eines Kriminalitätsschwerpunktes setzt einen besonderen örtlichen Gefahrenschwerpunkt voraus. Dazu muss sich die Kriminalitätsbelastung des Ortes deutlich von der anderer Orte abheben. Zudem muss die Annahme gerechtfertigt sein, dass dort auch in Zukunft weiterhin Straftaten begangen werden. Ob die Voraussetzungen für die Qualifizierung einer Örtlichkeit als Kriminalitätsschwerpunkt vorliegen, hat die zuständige Behörde auf der Grundlage einer ortsbezogenen Lagebeurteilung zu ermitteln. Ihr steht dabei kein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, juris Leitsatz). Die Regelung knüpft nicht an eine bloß abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Orte an, sondern begrenzt die Kontrollen auf Orte, für die tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie von den in der Vorschrift genannten Personen maßgeblich frequentiert werden. Es muss sich um Orte handeln, für die in diesem Sinne konkrete Erkenntnisse der Polizei vorliegen. Das gilt auch für die nähere Bestimmung der jeweils tatsächlichen Durchführung einer Kontrolle. Diese ist nicht etwa beliebig im weiteren Umfeld dieser Orte erlaubt, sondern nur dort, wo die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tatsächlich unmittelbar erfüllt sind (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2018 - 1 BvR 142/15 -, juris Rn. 120; VG Freiburg, Urteil vom 04.04.2019 - 10 K 3092/18 -, juris Rn. 41). Die einzige personenbezogene Voraussetzung der Identitätsfeststellung bzw. Durchsuchung ist der Aufenthalt an einem so definierten gefährlichen Ort (Enders, in: BeckOK PolR BW, 21. Ed. 01.01.2021, § 26 Rn. 35).

Nach diesen Maßgaben war das Gebäude 92 in der LEA Ellwangen ein gefährlicher Ort im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 PolG, an dem Personen Straftaten verabredeten, vorbereiteten oder verübten und dies prognostisch auch weiterhin zu erwarten war. Das polizeiliche Lagebild rechtfertigte die Qualifizierung der Örtlichkeit als Kriminalitätsschwerpunkt. In der LEA Ellwangen waren zum 30.04.2018 327 Asylbewerber (inklusive Frauen und Kinder) aus Afrika gemeldet, von denen 50 wegen unerlaubter Einreise nach dem AufenthG, Diebstahlsdelikten, (gefährlicher) Körperverletzung, sexuellem Missbrauch von Kindern, Hausfriedensbruch oder Ladendiebstahl auffällig wurden. Davon wurden sieben Delikte (3 x Körperverletzung, Sachbeschädigung, fahrlässige Brandstiftung, Beleidigung auf sexueller Grundlage, Diebstahl aus Zimmer) direkt in der LEA und zwei weitere Delikte in einer anderen Flüchtlingsunterkunft begangen. Im zurückliegenden Jahr vor der Razzia wurden zudem eine Vielzahl von weiteren Ermittlungsverfahren mit Bezug zur LEA Ellwangen durchgeführt, darunter Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls, Hehlerei, Urkundenfälschung, Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, Beleidigung, Brandstiftung, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie nach dem BtMG. Bei der Beurteilung unberücksichtigt bleiben solche Verfahren, die aufgrund ihrer Tatmodalitäten nicht erneut in der LEA begangen werden konnten, wie beispielsweise eine unerlaubte Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Diese Delikte waren aus gefahrenabwehrrechtlicher Perspektive für die Einstufung der LEA als gefährlicher Ort irrelevant. Auch nach Abzug dieser Verfahren verbleibt jedoch eine deutlich erhöhte Kriminalitätsbelastung mit direktem Bezug zur LEA. Dazu kommt das nach der gescheiterten Abschiebung eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Gefangenenbefreiung nach § 120 StGB, das wohl zutreffender als Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB hätte geführt werden müssen. Aufgrund der häufig unsicheren Bleibeperspektive der in der LEA untergebrachten Personen und der hohen Anzahl an Straftaten und Ermittlungsverfahren war im fraglichen Zeitraum die Prognose gerechtfertigt, dass aus einzelnen Gruppierungen weitere Straftaten geplant und begangen werden. Die Beschränkung auf Unterkunftsgebäude, die mit alleinreisenden Männern belegt waren, grenzte den gefährlichen Ort auf die relevanten Gebäude innerhalb der LEA ein. Denn die vorgenannten Delikte wurden fast ausschließlich von Männern begangen.

cc) Der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war nicht verhältnismäßig, weil er jedenfalls zur Nachtzeit nicht angemessen war.

Die einzelnen Maßnahmen stehen im Ermessen der Polizei. Sie müssen deshalb insbesondere verhältnismäßig sein. Die Maßnahmen dienten dem legitimen Ziel der Gefahrenabwehr. Es kann dahinstehen, ob speziell die Personenfeststellung nicht geeignet war, weil der Zutritt zur LEA über ein Chipkartensystem organisiert wurde und deshalb den Behörden grundsätzlich bekannt war, wer sich in der LEA aufhielt. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, Beschluss vom 10.04.1997 - 2 BvL 45/92 -, juris Rn. 61). Zwar spricht wenig für die nicht belegte Behauptung des Beklagten, dass sich Personen durch Überklettern der Zäune oder durch Missbrauch des Zutrittssystems unberechtigt Zutritt zum Gelände der LEA verschafft haben, um hier Straftaten zu begehen oder zu verabreden. Anders stellt es sich aber dar, wenn man darauf abstellt, dass mit der Personenfeststellung des Klägers überprüft werden sollte, ob es sich bei ihm um die gleiche Person handelt, von der laut Belegungsplan das Zimmer genutzt wird. Die Personenfeststellung beugt in diesem Fall der Gefahr vor, dass sich die anwesenden Personen weiteren polizeilichen Maßnahmen wie der Durchsuchung widersetzen, weil sie bei einer Flucht keine Identifizierung befürchten müssten. Auch wird bei eventuellen Funden von strafrechtlicher Relevanz verhindert, dass sich die Anwesenden einer Strafverfolgung entziehen bzw. sich einzelne Funde nicht ohne weiteres über die Zimmerbelegung zuordnen lassen. Es handelt sich insoweit um eine Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge. Nicht durchdringen kann der Kläger, soweit er darauf abstellt, die Maßnahme sei ungeeignet gewesen, weil er als eines der Gesichter der Flüchtlinge den Behörden bekannt gewesen sei. Selbst wenn einzelne Verantwortliche den Kläger persönlich kannten, handelt es sich bei ihm nicht um eine Person der Zeitgeschichte, die den handelnden Polizeibeamten hätte bekannt sein müssen.

Unabhängig von der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahmen waren diese jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Grundsätzlich ist insbesondere die bloße Personenfeststellung nur mit einem geringfügigen Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen verbunden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, juris Rn. 31 m.w.N.). Im vorliegenden Fall stellt die konkrete Durchführung zusammen mit dem Betreten und Durchsuchen des Zimmers des Klägers sowie dem Durchsuchen seiner Person zur Nachtzeit allerdings einen beachtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Es handelt sich bei dem Zimmer, in dem die Maßnahmen durchgeführt wurde, zwar nicht um eine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG, es dient aber der vorübergehenden Unterbringung von Asylbewerbern und stellt für diese Schlafstätte und Rückzugsort dar. Bei der Gewichtung der Eingriffsintensität ist die unverkennbare Nähe zwischen dem Schutz der räumlichen Privatsphäre aus Art. 13 Abs. 1 GG und der aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Gewährleistung des Persönlichkeitsschutzes (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, August 2020, Art. 13 Rn. 1; Engler, ZAR 2019, 322, 324) besonders zu berücksichtigen.

Entscheidend ist dabei, dass die Maßnahmen bereits ab 5:19 Uhr begonnen wurden und damit in der besonders geschützten Nachtzeit durchgeführt wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt als Nachtzeit bei Wohnungsdurchsuchungen ganzjährig in Deutschland einheitlich der Zeitraum von 21 Uhr bis 6 Uhr (BVerfG, Beschluss vom 12.03.2019 - 2 BvR 675/14 -, juris Rn. 58 ff.; anders noch § 31 Abs. 4 PolG). Nächtliche Durchsuchungen sind von Verfassungs wegen nur ausnahmsweise zulässig, weil eine Wohnungsdurchsuchung während dieser Zeit ungleich stärker in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift als zur Tageszeit. Stellt bereits die Durchsuchung der Wohnung bei Tage einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Wohnungsinhabers dar, sind bei einer nächtlichen Wohnungsdurchsuchung zusätzlich die Nachtruhe und die damit verbundene besondere Privatsphäre betroffen (BVerfG, Beschluss vom 12.03.2019 - 2 BvR 675/14 -, juris Rn. 61). Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er das Betreten von Wohnungen während der Nachtzeit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 PolG nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr oder schweren Lebensgefahr für einzelne Personen erlaubt.

Diese Wertung ist auf den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu übertragen, der aufgrund der konkreten Gegebenheiten einem Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG sehr nahe kommt. Zur berücksichtigen ist dabei, dass der Kläger im Zimmer, das ihm als Schlafstätte zugewiesen war, trotz der ansonsten umfangreichen Nutzungseinschränkungen damit rechnen durfte, während der Nachtruhe nicht gestört zu werden. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch vor 6 Uhr im Zimmer des Klägers war folglich von einigem Gewicht, dem kein ansatzweise ähnlich hohes verfassungsrechtliches Schutzgut gegenüber stand. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 2 PolG, wonach erst ein erkennbares Missverhältnis des durch die polizeiliche Maßnahme herbeigeführten Nachteils zu dem beabsichtigten Erfolg zur Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme führt. Die getroffenen Maßnahmen dienten nicht der Abwehr einer gemeinen Gefahr, Lebensgefahr oder schweren Gesundheitsgefahr. Die Gefahrenprognose verlangte nicht, dass ohne weiteres Abwarten noch in den Nachtstunden gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Die Straftaten, die die Einstufung als Kriminalitätsschwerpunkt rechtfertigten, lagen allesamt Tage, Wochen oder sogar Monate zurück. Es handelte sich zudem überwiegend um Straftaten, die keine Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB sind. Es ist nicht ersichtlich, warum die Maßnahmen nicht erst nach 6 Uhr hätten durchgeführt werden können, ohne dass deren Zweck dadurch wesentlich vereitelt worden wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Verabredung bzw. Begehung von Straftaten gerade in den Nachtstunden stattfanden, wurden weder dargelegt noch sind solche ersichtlich. Es war auch nicht zu erwarten, dass viele Asylbewerber nach 6 Uhr nicht mehr in ihren Zimmern hätten angetroffen werden können. Denn für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, darf nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden.

Rechtlich nicht relevant ist, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Nachtzeit bei Wohnungsdurchsuchungen erst 2019 und damit nach den hier streitgegenständlichen Vorkommnissen erging. Auch der Gesetzgeber reagierte erst 2020 mit der Neufassung in § 36 Abs. 4 PolG n.F., in dem er die Nachtzeit einheitlich für die Stunden von 21 Uhr bis 6 Uhr festsetzte. Dies erklärt zwar, warum die Polizeiführung mit Verweis auf § 31 Abs. 4 PolG noch davon ausging, die Nachtzeit dauere in den Sommermonaten lediglich von 21 Uhr bis 4 Uhr an. Es ändert aber nichts daran, dass sich der Schutz der Nachtzeit von Verfassungs wegen geboten bereits 2018 auch auf die Zeit von 4 Uhr bis 6 Uhr morgens erstreckte (BVerfG, Beschluss vom 12.03.2019 - 2 BvR 675/14 -, juris Rn. 66). Die davon abweichende Regelung des § 31 Abs. 4 PolG war seit geraumer Zeit verfassungswidrig, wenn auch nicht durch das Bundesverfassungsgericht mangels Vorlage für nichtig erklärt, und ist deshalb für die hier vorzunehmende Abwägung nicht von Bedeutung.

dd) Das Festsetzen des Klägers außerhalb seines Zimmers unter Anlegen von Einmal-Handschließen war rechtswidrig. Nach § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG kann die Polizei zum Zwecke der Personenfeststellung den Betroffenen festhalten. Es kann dahinstehen, ob der Kläger hierfür für die Dauer von über einer Stunde mit Einmal-Handschließen geschlossen werden durfte. Denn aufgrund der rechtswidrigen Personenfeststellung war auch das zu diesem Zwecke erfolgte Festsetzen des Klägers rechtswidrig.

b) Die Durchführung der Abschiebung des Klägers am 20.06.2018 war mit Ausnahme des zeitweisen Einbehaltens des Geldbeutels des Klägers rechtmäßig. Zu überprüfen waren allein die konkret angegriffenen Maßnahmen der Art und Weise der Durchführung der Vollzugshilfe nach § 60 Abs. 5 PolG. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung ist hingegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

aa) Rechtsgrundlage für das Handeln der Polizei waren die Vorschriften des LVwVG i.V.m. den §§ 49 ff. PolG. Die Durchführung der Abschiebung erfolgloser Asylbewerber richtet sich nach den allgemeinen Regeln (Dollinger; in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 58 AufenthG Rn. 3). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs richtet sich nach den §§ 50 ff. PolG, vgl. § 49 Abs. 2 PolG. Der handelnde Polizeivollzugsdienst war für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß § 51 PolG zuständig.

Die Maßnahmen der Polizei konnten hingegen nicht auf die spezialgesetzliche Grundlage des § 58 Abs. 5 oder Abs. 6 AufenthG gestützt werden, da diese erst mit dem am 21.08.2019 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zur besseren Durchführung der Ausreisepflicht (vom 15.08.2019, BGBl. I S. 1294) und damit nach der streitgegenständlichen Maßnahme am 20.06.2018 in das Gesetz eingefügt wurden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist jedoch das tatsächliche Handeln der Polizei, da dies der Zeitpunkt ist, für den die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme begehrt wird.

bb) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 2 LVwVG) waren erfüllt. Mit der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 2 Satz 4 AsylG des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lag ein wirksamer, vollstreckungsfähiger und vollstreckbarer Verwaltungsakt im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Nr. 1 LVwVG vor.

Eine Anordnung des Verwaltungsgerichts nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG war nicht erforderlich, weil es sich bei dem Zimmer des Klägers nicht um eine Wohnung im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 LVwVG handelt, die mit dem Wohnungsbegriff des Art. 13 Abs. 1 GG identisch ist (vgl. II. 2. a) aa)).

Die Polizei durfte auch zur Nachtzeit vollstrecken. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 LVwVG darf der Vollstreckungsbeamte zur Nachtzeit nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde vollstrecken. Dabei kann dahinstehen, ob die Regelung des § 9 Abs. 2 LVwVG verfassungswidrig ist, weil darin für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September entgegen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 12.03.2019 - 2 BvR 675/14 -, juris Rn. 58 ff.) als Nachtzeit die Stunden von 21 Uhr bis 4 Uhr definiert werden. Auch bei einer Nachtzeit bis 6 Uhr morgens durfte die Polizei im vorliegenden Fall bereits kurz nach 4 Uhr vollstrecken, weil ihr vom Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Vollstreckungsbehörde mit Schreiben vom 26.04.2018 die Erlaubnis zur Vollstreckung während der Nachtzeit erteilt wurde.

Diese Erlaubnis erfüllte auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 LVwVG. Danach darf die Erlaubnis nur erteilt werden, soweit dies der Zweck der Vollstreckung erfordert. Dies ist dann der Fall, wenn die Vollstreckung sonst nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich wäre. Als Ausnahmeregelung sind bei der Prüfung grundsätzlich strenge Anforderungen an das Vorliegen solcher Erfordernisse zu stellen. Diese besonderen Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Durchführung der Ergreifung des Klägers zum Zwecke seiner Abschiebung am 20.06.2018 im Wege des unmittelbaren Zwangs wäre gefährdet gewesen, hätte die Polizei nicht bereits kurz nach 4 Uhr mit der Vollstreckung beginnen dürfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 11.04.2018 die Überstellungsmodalitäten mit (Bl. 155 der Ausländerakte). Danach konnte eine Überstellung des Klägers aufgrund der Vorgaben der italienischen Behörden nur über den Luftweg mit der Maßgabe erfolgen, dass die Ankunft am italienischen Zielflughafen montags bis freitags zwischen 8 Uhr und 14 Uhr erfolgt. Der für den Kläger gebuchte Flug war planmäßig von Frankfurt um 10:50 Uhr vorgesehen mit einer Ankunftszeit um 12:00 Uhr in Mailand-Linate. Es handelte sich mithin um einen Flug, der gegen Ende des von Seiten der italienischen Behörden vorgegebenen Ankunftszeitraums landen sollte, dabei aber einen angemessenen Zeitpuffer für mögliche Verspätungen vorsah. Ausgehend von diesem zweckmäßig ausgewählten Flug durfte die Polizei bereits kurz nach 4 Uhr mit der Vollstreckung beginnen, um den Kläger rechtzeitig zum Flughafen Frankfurt verbringen zu können. Unter Berücksichtigung eines gewissen Sicherheitszuschlags erscheint es plausibel, dass der Kläger inklusive der Übergaben in Ellwangen, Crailsheim und Weinsberg kurz nach 4 Uhr aufgesucht werden musste, um die Abschiebung am selben Tag nicht zu gefährden. Dabei ist zudem in Rechnung zu stellen, dass dem Kläger noch die Möglichkeit gegeben werden musste, seine Sachen zu packen.

cc) Die einzelnen Maßnahmen im Rahmen der Abschiebung waren geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

Die Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs ist ausdrücklich in § 52 Abs. 1 PolG geregelt. Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Satz 2). Das angewandte Mittel muss zudem nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der Betroffenen angemessen sein (Satz 3).

Der Verhältnismäßigkeit der Abschiebung steht nicht entgegen, dass die Polizeibeamten den Kläger um kurz nach 4 Uhr in seinem Zimmer aufgesucht bzw. ihn dorthin begleitet haben (1). Die weiteren streitgegenständlichen Maßnahmen (die Durchsuchung des Klägers, der Einsatz körperlicher Gewalt, der liegende Transport des Klägers und seine zeitweise Fesselung mit Hand- und Fußschellen) waren ebenfalls verhältnismäßig (2). Zuletzt war die Abschiebung auch nicht aufgrund des polizeilichen Kräfteansatzes in Gänze unverhältnismäßig (3).

(1) Anders als im Rahmen der Razzia war der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch das Betreten des Zimmers des Klägers während der Abschiebung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne, unabhängig davon, ob das Betreten zugleich eine Durchsuchung im rechtlichen Sinne darstellt (so wohl zutreffend bei Vorliegen einer Wohnung, vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 18.08.2020 - 4 Bf 160/19 -, juris Rn. 33 ff.). Zwar handelte es sich bei dem Aufsuchen bzw. Begleiten des Klägers in seinem Zimmer zur Nachtzeit um einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von einigem Gewicht. Dieser Eingriff war aber zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gerechtfertigt. Der Verteidigung der Rechtsordnung kommt ein bedeutsames Gewicht zu, da eine negative Vorbildwirkung anderweitig das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Befriedungsmacht des Staates erschüttern könnte. Auch der Gesetzgeber sieht daher einfachgesetzlich nunmehr in § 58 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausdrücklich Durchsuchungen von Wohnungen zur Nachtzeit vor, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck der Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Wertung lässt sich auf den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht übertragen. Das Recht des Klägers auf Wahrung seiner Privatsphäre und auf ungestörte Nachtruhe vermag sich auch unter Berücksichtigung des gebotenen strengen Maßstabs nicht gegenüber dem Interesse des Beklagten an einer zeitnahen Abschiebung des Klägers durchzusetzen. Im Rahmen der Abwägung der betroffenen Schutzgüter ist zu berücksichtigen, dass es der Ausreisepflichtige selbst in der Hand hat, die Anwendung von Zwangsmitteln abzuwenden, indem er seiner gesetzlichen Ausreisepflicht freiwillig nachkommt. Demgegenüber kann der Beklagte nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden, die Durchsetzung der Ausreisepflicht vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im Wege unmittelbaren Zwangs so zu planen, dass eine nächtliche Störung der Privatsphäre von vornherein ausscheidet. Denn er ist bei der Planung und Durchführung der Abschiebung nicht frei. Vielmehr geben die erforderliche Abstimmung mit weiteren an der Abschiebung beteiligten Behörden und nicht zuletzt das Angewiesensein auf für eine Flugabschiebung zur Verfügung stehende Flüge und Flugzeiten die Parameter der Abschiebung vor (OVG Bremen, Beschluss vom 30.11.2019 - 2 S 262/19 -, juris Rn. 22). Dies gilt besonders für die Abstimmung mit den italienischen Behörden, auf deren Vorgaben der Beklagte keinen Einfluss hat. Die Wertung des § 58 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wonach die Organisation der Abschiebung keine Durchsuchung zur Nachtzeit rechtfertigt, findet deshalb zumindest auf verbindliche Vorgaben anderer Staaten keine Anwendung (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2020 - 5 V 3671/20 -, Rn. 15 ff.). Ein alternativer Aufgriff des Abzuschiebenden am Tag zuvor vor Beginn der Nachtzeit würde allein schon wegen der Dauer des damit verbundenen Freiheitsentzugs wesentlich intensiver in die Rechte des Ausreisepflichtigen eingreifen.

(2) Die Durchsuchung des Klägers, der Einsatz körperlicher Gewalt, der liegende Transport des Klägers und seine zeitweise Fesselung mit Hand- und Fußschellen waren verhältnismäßig.

Die dabei erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs diente dem legitimen Ziel, den Aufenthalt des vollziehbar aus dem Bundesgebiet ausreisepflichtigen Klägers zu beenden. Diesem übergeordneten legitimen Ziel folgend gewährleistete die Durchsuchung des Klägers und seine zeitweise Fesselung mit Hand- und Fußschellen die Eigensicherung der eingesetzten Polizeibeamten. Die einzelnen Maßnahmen waren jeweils geeignet, den gewünschten Erfolg zu fördern. Mildere, gleich geeignete Mittel waren aus der Perspektive ex ante nicht ersichtlich. Die Abschiebung war nur durch den Einsatz körperlicher Gewalt der Polizeibeamten zu erreichen, nachdem sich der Kläger weigerte, in das Transportfahrzeug einzusteigen, und auch auf mehrfache Ansprache nicht reagierte. Der Kläger wurde mehrfach aufgefordert, in das bereitstehende Transportfahrzeug einzusteigen. Auch nachdem ihm die Anwendung unmittelbarem Zwangs angedroht worden war, verweigerte er jegliche Mitwirkung. Der Kläger war nicht berechtigt, sich der Vollstreckung zu widersetzen, auch wenn ihm rechtswidrig sein Geldbeutel vorenthalten wurde. Die bestehende Ausreisepflicht und deren Vollstreckung blieben hiervon unberührt. Aus ex ante-Sicht war weiterhin die zeitweise Fesselung mit Hand- und Fußschellen erforderlich. Nach der vorangegangenen Widerstandshandlung war nicht ausgeschlossen, dass sich der Kläger auf den weiteren Fahrtabschnitten erneut auch unter Einsatz seiner Füße der weiteren Abschiebung widersetzt. Durch die ergänzende Fußfessel konnte verhindert werden, dass zu erwartende Widerstandshandlungen mit körperlicher Gewalt hätten gebrochen werden müssen. Nachdem der Kläger sich auf den ersten beiden Transportabschnitten ruhig verhielt, wurden ihm für den letzten Transportabschnitt die Fußfesseln gelöst, weil diese zur Eigensicherung nicht mehr erforderlich waren. Zuletzt ist auch der liegende Transport nicht zu beanstanden. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Kläger für einen kurzen Moment weggetreten war oder dies nur vortäuschte. Seine Atmung war zu jeder Zeit überprüfbar vorhanden. Die vorangegangene Auseinandersetzung gab keinen Anlass, von einer ansatzweise schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahr für den Kläger auszugehen. Nach kürzester Zeit war der Kläger im Transportfahrzeug auch bereits wieder ansprechbar. Ohne die Mitwirkung des Klägers war ein Transport in sitzender Position nicht möglich. Aufgrund des kurzen Fahrtwegs bis zum Polizeirevier Ellwangen konnte davon abgesehen werden, den Kläger zwischendurch in eine sitzende Position zu bringen. Es war nach dem vorausgegangenen Widerstand nicht auszuschließen, dass der Kläger erneut den hierzu erforderlichen Anweisungen der Polizeibeamten nicht Folge leisten würde.

Die Maßnahmen, speziell die konkrete Anwendung unmittelbaren Zwangs, standen auch nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel. Das zu Boden Bringen des jungen, männlichen Klägers war nach seiner wiederholten verbalen und körperlichen Weigerung, in das Transportfahrzeug einzusteigen, nicht unangemessen, um ihn zu schließen und ihn in das Transportfahrzeug zu verbringen. Der Kläger wurde zudem nicht öffentlich in Hand- und Fußschellen vorgeführt. Die Maßnahme diente allein der Eigensicherung der Beamten. Die Fußfesseln wurden dem Kläger abgelegt, sobald nicht mehr mit Widerstandshandlungen auch unter Einsatz seiner Füße gerechnet werden musste. Ebenso wurde der Kläger mit Ausnahme des ersten kurzen Transportabschnitts nur sitzend transportiert, nachdem er sich insoweit wieder kooperativ gezeigt hatte.

(3) Die Abschiebung war zuletzt auch nicht aufgrund des polizeilichen Kräfteansatzes in Gänze unverhältnismäßig. Eine "überfallartige" Vorgehensweise in Gestalt einer Großrazzia, die bei einem unbeteiligten Beobachter der Szene den Eindruck erwecken könnte, dass der Kläger in schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen hätte, kann im Einzelfall zur Unverhältnismäßigkeit einer Abschiebung führen (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 24.09.2003 - 11 VG 5161/2002 -, Rn. 28 u. 48 ff.).

Am 20.06.2018 sollte außer dem Kläger noch ein weiterer Bewohner der LEA Ellwangen abgeschoben werden. Zur Abholung der Abzuschiebenden in den Gebäuden 92 und 95 waren insgesamt zehn Beamte vorgesehen. Diese bildeten zwei Trupps, welche zeitgleich die betreffenden Zimmer kontrollierten. Zur Aufklärung und lageorientierten Intervention bei Störaktionen durch Bewohner der LEA waren daneben zwei Polizeihundeführer beteiligt, die sich aber außerhalb der Gebäude aufhielten. Im Hintergrund wurde zudem ein Zug einer Beweis- und Festnahmeeinheit verdeckt im Nahbereich vorgehalten, um ebenfalls lageorientiert bei Störaktionen durch Bewohner der LEA intervenieren zu können und den Rückzug der Kräfte und den Transport der Abzuschiebenden sichern zu können. Diese Beweis- und Festnahmeeinheit kam nicht zum Einsatz.

Es ist nicht ersichtlich, dass mit einem geringeren Kräfteansatz die Abschiebung aus ex ante-Sicht vernünftigerweise ebenso gut hätte durchgeführt wurden. Die eingeplanten Kräfte standen auch nicht außer Verhältnis zum Zweck, den Aufenthalt des vollziehbar aus dem Bundesgebiet ausreisepflichtigen Klägers zu beenden. Die Kräfteanzahl je Abzuschiebenden war erforderlich, um bei entsprechendem Widerstand die Abschiebung durchsetzen zu können. Dies zeigte nicht zuletzt das Vorkommnis während der Abschiebung, als sich der Kläger weigerte in das Polizeifahrzeug einzusteigen. Um einen erwachsenen Mann gegen seinen Willen, z.B. in ein Fahrzeug zu verbringen, bedarf es mehrerer Polizeibeamter. Dass darüber hinaus zwei Polizeihundeführer vorgehalten wurden, um auf eventuelle Störungen durch andere Bewohner reagieren zu können, war angesichts der vorangegangenen, gescheiterten Abschiebung ebenfalls angezeigt. Gleiches gilt für den Zug einer Beweis- und Festnahmeeinheit, der zudem verdeckt vorgehalten wurde und so gerade nicht eskalierend und martialisch in Erscheinung trat. Der Einsatz der Polizeihundeführer und des Zugs einer Beweis- und Festnahmeeinheit galt nicht dem Kläger, sondern den Begleitumständen, dass nach den vorangegangenen Vorkommnissen eine erneute Solidarisierung anderer Bewohner mit dem Kläger nicht ausgeschlossen werden konnte.

dd) Das zweitweise Einbehalten des Geldbeutels war hingegen nach Überprüfung der darin enthaltenen Barmittel nicht vom Vollstreckungsauftrag umfasst und daher rechtswidrig. Anders als bei den Identitätspapieren bestand kein Anlass, den Geldbeutel zunächst noch weiter einzubehalten und ihn erst später wieder auszuhändigen. Dies bestätigt auch die Aussage des Zeugen POK W., der auf die Frage nach einem rechtlichen Grund für das Einbehalten des Geldbeutels antwortete, dass dieser theoretisch hätte zurückgegeben werden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das zeitweise Einbehalten des Geldbeutels bleibt entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO bei der Kostenquotelung außer Betracht.

IV.

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage, ob ein Zimmer in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung als Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG zu qualifizieren ist, kann in einer Vielzahl von Verfahren von Relevanz sein und ist bisher obergerichtlich nicht abschließend geklärt.

Beschluss vom 18. Februar 2021

Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 39 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs 2013 auf 20.000,- EUR festgesetzt. Nach Auffassung der Kammer ist für die Personenfeststellung inkl. der körperlichen Durchsuchung, das Betreten und Durchsuchen des klägerischen Zimmers sowie das Festsetzen des Klägers unter Anlegen von Einmal-Handschließen jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Die Maßnahmen im Rahmen der Durchführung der Abschiebung sind bei der Streitwertfestsetzung als Ganzes ebenfalls mit dem Auffangstreitwert zu berücksichtigen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Feb. 2021 - 1 K 9602/18

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 61 Erwerbstätigkeit


(1) Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, darf der Ausländer keine Erwerbstätigkeit ausüben. Abweichend von Satz 1 ist dem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung zu erlauben, wenn 1. das Asylverfahren nicht innerhalb

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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Feb. 2014 - 12 A 2838/12

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 06. Nov. 2013 - 1 S 1640/12

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 - 3 K 1817/11 - geändert.Es wird festgestellt, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Dez. 2010 - 1 S 338/10

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Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden

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(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs,
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178,
3.
einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
4.
eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226),
5.
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
6.
einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255),
7.
ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder
8.
ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
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Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
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Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
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Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
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d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
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Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. März 2014 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.


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Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
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Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
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1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
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2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
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3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
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4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
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5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
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1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
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c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
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Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
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Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
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Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
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d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
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Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
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e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
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f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
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2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
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Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
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Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
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Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
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Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
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Beschluss vom 14. Dezember 2010
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Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis und die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes rechtswidrig waren.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen am so genannten „Schwarzen Donnerstag“.
Am 30. September 2010 fand im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart ein Polizeieinsatz statt mit dem Ziel, für den 1. Oktober 2010 vorgesehene Baumfällarbeiten zu ermöglichen. Die Baumfällarbeiten sollten zur Realisierung des Projekts „Stuttgart 21“ erfolgen. Im Rahmen dieses Projekts soll der Bahnknoten Stuttgart umgebaut werden. Vorhabenträgerin ist die DB Projekt Bau GmbH. Das Projekt war und ist in der Öffentlichkeit umstritten. Der Polizeivollzugsdienst setzte am 30. September 2010 zur Durchsetzung der von ihm ausgesprochenen Aufforderungen, bestimmte Bereiche des Schlossgartens zu verlassen, nicht zuletzt Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer gegen die Projektgegner ein.
Der im Jahr 1944 geborene Kläger wurde am 30. September 2010 ungefähr zwischen 13:30 Uhr und 13:50 Uhr von dem Strahl eines Wasserwerfers mehrmals, insbesondere auch im Gesicht getroffen. Das Bild des aus den Augen blutenden Klägers ging durch zahlreiche Medien. Er hat infolge des Treffers den weit überwiegenden Teil seiner Sehkraft eingebüßt.
Der Kläger hat am 28. Oktober 2010 Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der am 30. September 2010 erfolgten polizeilichen Maßnahmen (Platzverweis sowie Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs).
Der Kläger trägt zur Begründung der Klage im Wesentlichen vor: Er habe am 30. September 2010 in einer Gruppe demonstrierender Schüler gestanden. Er habe gesehen, wie Polizeibeamte Gitter von Lastwagen heruntergehoben hätten, um Teile des Mittleren Schlossgartens abzusperren. Die Jugendlichen seien von den Polizisten mit körperlicher Gewalt und Stößen beiseite gedrängt worden. Zwischenzeitlich hätten die Polizeibeamten auch Wasserwerfer gegen die Schülergruppe eingesetzt, in der er sich befunden habe. Zunächst hätten die Polizeibeamten den Strahl der Wasserwerfer über die Jugendlichen hinweg gerichtet, schräg nach oben. Anschließend sei der Wasserstrahl abgesenkt worden und habe nun in Richtung der Demonstranten gezielt. Die Wasserwerferfahrzeuge seien langsam vorwärts gefahren. Auf diese Art seien die Jugendlichen zurückgedrängt worden. Viele von ihnen seien über Bänke und herumstehende Biertische gestürzt, etliche seien am Boden gelegen. Er habe wild in Richtung der Wasserwerfer gestikuliert. Er habe vergeblich gehofft, die Polizeibeamten würden ihm wegen seines Alters mehr Respekt entgegenbringen als den Jugendlichen. Er habe geirrt. Als er dies eingesehen habe, sei er zurück in Richtung Biergarten gewichen. Dies sei allerdings nicht gelungen, da er von allen Seiten von Versammlungsteilnehmern bedrängt worden sei. Nun seien die Wasserwerfer auf die Gruppe um ihn direkt ausgerichtet worden. Dabei sei er gewahr geworden, dass sich die Intensität des Wasserstrahls erheblich verstärkt gehabt hätte. Er habe sich kaum auf den Beinen halten können. Um ihn herum seien Jugendliche wild übereinander gestürzt. Als er wieder vergeblich versucht habe, durch Gestikulieren die Beamten zum Einhalten zu bewegen, habe ihn ein Wasserstrahl direkt ins Gesicht getroffen. Er sei gestürzt und habe das Bewusstsein verloren. Dritte hätten ihn aus der Gefahrenzone herausgeholt. Es sei richtig, dass er es gewesen sei, welcher die aus Presseberichten und Videomitschnitten bekannte Kastanie in Richtung Wasserwerfer geworfen habe. Dies sei allerdings nicht der Auslöser der Eskalation gewesen, sondern eine Reaktion aus Verzweiflung. Er habe auf diese Art und Weise - allerdings erfolglos - versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Er sei davon ausgegangen, er könne die Beamten zum Einhalten bewegen.
Der Kläger führt weiterhin aus, die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen müssten sich am Versammlungsrecht messen. Die Zusammenkunft der protestierenden Menschen im Schlossgarten sei zumindest als Spontanversammlung einzuordnen. Der Platzverweis sei rechtswidrig, da keine wirksame Anordnung der Auflösung der Versammlung vorgelegen habe. Die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung führe zur Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen. Der Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray sei darüber hinaus unverhältnismäßig. Er sei nicht erforderlich gewesen; es sei nicht nachvollziehbar, dass die Räumung des Schlossgartens nicht auch durch das Wegtragen der Demonstranten hätte erledigt werden können. Der Einsatz sei dem Verhalten der Versammlungsteilnehmer auch nicht angemessen gewesen. Das gezielte Ausrichten des Wasserstrahls auf einzelne Personen sei angesichts der fehlenden Gefahrenlage völlig überzogen gewesen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten ihm gegenüber angeordnete Platzverweis und die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes rechtswidrig waren.
Das beklagte Land beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Das beklagte Land trägt unter anderem vor, der Kläger sei mehrfach von Polizeibeamten persönlich angesprochen worden, die ihn wiederholt aufgefordert hätten, sich zu entfernen. Der Kläger habe mehrfach unbedrängt gestanden und hätte die Möglichkeit gehabt, sich zu entfernen. Er habe den Einwirkungsbereich des Wasserwerfers regelrecht aufgesucht.
12 
Das beklagte Land führt weiterhin aus, die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten sei keine Versammlung gewesen. Es habe zwar Elemente der Meinungsäußerung und kollektiven Meinungskundgebung gegeben. Diese Elemente träten allerdings hinter den eigentlichen Zweck der Ansammlung zurück, die Vorbereitung und Durchführung der Baumfällarbeiten im Schlossgarten zu verhindern. Die Ansammlung sei weiterhin nicht friedlich gewesen. Die Behinderung der Arbeit der Polizei reiche als Grund für einen Platzverweis aus. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs hätten vorgelegen. Der Einsatz der Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sei erforderlich gewesen. Einfache körperliche Gewalt, also bloßes Abdrängen oder Wegtragen, sei angesichts der Vielzahl der Blockierer, die den Platzverweisen nicht nachgekommen seien, nicht gleich geeignet gewesen, den Einsatzzweck zu erfüllen. Der Einsatz der Wasserwerfer sei in ein insgesamt verhältnismäßiges und abgestuftes Konzept eingebunden gewesen. Auch die konkrete Führung des Wasserstrahls sei verhältnismäßig gewesen. Bei der Steuerung werde selbstverständlich versucht, Personen nicht im Bereich des Kopfes zu treffen, im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Zieleinrichtung und die Breite des Wasserstrahls könnten in Ausnahmefällen auch Treffer im Bereich des Kopfes vorkommen. Sie seien ein unvermeidbares, mit dem Einsatz eines Wasserwerfers verbundenes Verletzungsrisiko. Die Verletzungen des Klägers seien eine bedauerliche und nicht bezweckte Folge des Polizeieinsatzes. Sie wären aber durch rechtstreues Verhalten vermeidbar gewesen.
13 
Mit Beschluss vom 10. Januar 2012 wurde das Verfahren ausgesetzt. Die Aufhebung der Aussetzung erfolgte mit Beschluss vom 13. Juni 2014.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die gewechselten Schriftsätze und die von der Kammer beigezogenen Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
16 
I. Die Klage ist zulässig.
17 
1. a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs richtet, als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.
18 
Dem Kläger gegenüber wurde sowohl ein Platzverweis ausgesprochen als auch unmittelbarer Zwang angedroht. Denn der Kläger wurde mehrfach, nicht zuletzt auch persönlich aufgefordert, den Bereich vor dem Wasserwerfer zu räumen; zum maßgeblichen Zeitpunkt kündigten die Polizeivollzugsbeamten aus dem Wasserwerfer heraus auch wiederholt den Einsatz von Wasser gegenüber den Blockierenden an.
19 
Sowohl bei dem Platzverweis als auch bei der Androhung unmittelbaren Zwangs handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG, der sich - infolge Zeitablaufs - vorprozessual erledigt hat. Im Fall vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer angeschlossen hat (Urteil vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 20), von der Statthaftigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [207] = juris Rn. 20; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
20 
b) Soweit sich die Klage gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes gegen den Kläger richtet, ist sie als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
21 
Nach Auffassung der Kammer ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes kein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 767; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 49 Rn. 60; a.A. Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 2. Kap. Rn. 392). Denn bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ergeht gegenüber den Betroffenen keine Regelung. „Hilfskonstruktionen“ dergestalt, in der Anwendung zugleich eine Duldungsanordnung zu sehen (vgl. dazu Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 35 Rn. 49), mögen angezeigt gewesen sein zu Zeiten, in denen das Vorliegen eines Verwaltungsakts rechtswegeröffnend war. Unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung bedarf es ihrer nicht mehr.
22 
Die Berechtigung des Polizeivollzugsdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes dem Kläger gegenüber im Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 stellt vielmehr ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.
23 
2. Der Kläger hat auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsinteresse.
24 
Die Zulässigkeit sowohl der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch der Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 43 Abs. 1 VwGO). Die diesbezüglichen Anforderungen stimmen weitestgehend überein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
25 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse (Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 36). Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann.
26 
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich bereits aus dem Gesichtspunkt einer - möglicherweise - schweren Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit.
27 
Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist; derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 37).
28 
Nach Auffassung der Kammer steht den vorgenannten Fällen gleich, wenn der Staat - vorliegend der Polizeivollzugsdienst - einer Menschenansammlung von vornherein den Schutz des Art. 8 GG abspricht und gegen sie mit dem Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts vorgeht. In diesem Fall wird die Versammlungsfreiheit, sollte sich die Einschätzung als fehlerhaft erweisen, ebenso schwer, wenn nicht gar noch schwerer beeinträchtigt als im Fall eines Versammlungsverbots oder einer Versammlungsauflösung.
29 
Dass die Menschenansammlung im Stuttgarter Schlossgarten, in der sich der Kläger befand, als verfassungsrechtlich geschützte Versammlung einzuordnen ist, ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Der Polizeivollzugsdienst ist gegen diese Ansammlung unter Anordnung eines Platzverweises und sodann unter Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgegangen. Auf eine Versammlungsauflösung oder sonstige auf Versammlungsrecht gestützte Maßnahmen hat er ausweislich des Vorbringens des beklagten Landes bewusst verzichtet.
30 
Der Kläger hat darüber hinaus als Person, die durch den Einsatz des Wasserwerfers erhebliche Verletzungen erlitten hat, auch ein aus Gründen der Rehabilitierung rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Gegenstand des Verfahrens bildenden polizeilichen Maßnahmen.
31 
3. Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt im - vorliegend gegebenen - Fall der Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts weder die Erhebung eines Widerspruchs noch die Einhaltung einer Frist voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [206 und 209] = juris Rn. 19 und 22). Eine Verwirkung des Klagerechts steht außer Frage.
32 
II. Die Klage ist auch begründet.
33 
1. Der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte ihn in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
34 
a) Als Rechtsgrundlage für den dem Kläger gegenüber angeordneten Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 22. November 2008 in das Polizeigesetz eingefügt wurde (vgl. GBl BW 2008, S. 390), kann die Polizei (vgl. zur Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes § 60 Abs. 3 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.
35 
b) Der Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG steht die so genannte Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
36 
aa) Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich nach dem Versammlungsgesetz (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 18, und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [115] = juris Rn. 43). Dieses Gesetz geht in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen für einen polizeilichen Zugriff auf Versammlungsteilnehmer. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, scheidet aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsgesetzlichen Regelungen aus. Für Beschränkungen der Versammlungsteilnahme stehen der Polizei lediglich die abschließend versammlungsgesetzlich geregelten teilnehmerbezogenen Maßnahmen zu Gebote, für die im Interesse des wirksamen Grundrechtsschutzes strengere Anforderungen bestehen als für ein polizeirechtliches Einschreiten allgemein. Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sind rechtswidrig, solange nicht die Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [114] = juris Rn. 40).
37 
bb) Das beklagte Land geht nach Auffassung der Kammer zu Unrecht davon aus, dass die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 keine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung war.
38 
(1) Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 32 m.w.N.). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.
39 
Art. 8 GG schützt allerdings nicht die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001
 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 44; vgl. auch BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [374] = juris Rn. 35).
40 
Zu differenzieren ist also zwischen so genannten Verhinderungsblockaden und so genannten demonstrativen Blockaden (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 25; auch Rusteberg, NJW 2011, 2999).
41 
Für die rechtliche Einordnung der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 ist insbesondere darauf abzustellen, ob die beabsichtigte Verhinderung der anstehenden Baumfällarbeiten Selbstzweck war oder ein einem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/06 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 42).
42 
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich bei der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 entgegen der Auffassung des beklagten Landes um keine so genannte Verhinderungsblockade.
43 
Allerdings zielte das Verhalten der anwesenden Personen darauf, das Absperren der Fläche zur Ermöglichung von Baumfällarbeiten und der Errichtung des so genannten Grundwassermanagements zu verhindern. Bei der Verhinderung der Baumfällarbeiten und der Errichtung des Grundwassermanagements handelte es sich indes nach Auffassung der Kammer lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des von der Deutschen Bahn geplanten und seitens staatlicher Ebenen unterstützten Umbaus des Bahnknotens Stuttgart (vgl. das Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 26). Dementsprechend war aus dem Kreis der anwesenden Personen vielfach die Formulierung „Oben bleiben“ und damit einer der wesentlichen Slogans der Projektgegner zu hören. Häufig zeigten die Personen eines der wesentlichen Symbole der Projektgegner, das einem Ortsausfahrtsschild nachempfundene Schild mit den durchgestrichenen Worten „Stuttgart 21“. Zahlreiche der Zusammengekommenen stammten auch aus dem Kreis der Teilnehmer der für den 30. September 2010 angemeldeten „Schülerdemonstration“, die unter das Motto „Lieber mehr Bildungsausgaben statt Prestigebahnhof“ gestellt worden war. Die Erwartung, allein durch die Verhinderung der Baumfällarbeiten am 1. Oktober 2010 das Projekt „Stuttgart 21“ zu Fall zu bringen, kann den Blockierern sowie den weiter Anwesenden nicht unterstellt werden. Sie wäre allenfalls ein „symbolischer Sieg“ gewesen. Ziel der Projektgegner war allerdings und ist es auch heute noch, dass die am Projekt Beteiligten dieses dauerhaft aufgeben oder dass jedenfalls einzelne Beteiligte sich aus ihm zurückziehen. Ein derartiger „Erfolg“ wäre nur zu erzielen gewesen, wenn die Aktion - zumindest im Zusammenspiel mit den anderen Aktionen gegen das Projekt - in einer Weise auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, die letztlich zu einem Umdenken der am Projekt Beteiligten oder zu einem Austausch der politisch Verantwortlichen führt. Nicht zuletzt infolge der Ereignisse am 30. September 2010 kam es sodann auch zu dem - allerdings letztlich erfolglos gebliebenen - Schlichtungsverfahren. Insgesamt war die beabsichtigte Verhinderung der Baumfällarbeiten nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen dienendes Mittel. Der Versammlungscharakter entfällt im Übrigen auch nicht aus dem Grund, dass der Anfahrtsweg der Polizeifahrzeuge im Schlossgarten auch durch vor Ort vorgefundenes Baumaterial sowie durch aus dem Biergarten entwendete Bierbänke blockiert wurde. Das Entfernen der Gegenstände stellte den Polizeivollzugsdienst vor keine nennenswerte Herausforderung.
44 
(3) Der Schutz des Versammlungsgrundrechts entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit.
45 
Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE104, 92 [105 f.] = juris Rn. 47; [Kammer-] Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt oder in Kauf genommen.
46 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 war nicht unfriedlich; eine kollektive Unfriedlichkeit lässt sich entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht feststellen.
47 
Jedenfalls eine nennenswerte Anzahl von aggressiven Ausschreitungen aus der Versammlung heraus gegen Polizeibeamte lässt sich nicht feststellen. Insoweit ohne Bedeutung ist, ob das Verhalten der Blockierer strafrechtlich als Gewalt im Sinne von § 240 StGB einzuordnen ist. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [106] = juris Rn. 49). Ebenfalls nicht abgestellt werden kann darauf, dass sich Versammelte gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs wehrten und dabei eventuell Polizeibeamte verletzten; denn hierbei handelt es sich um keine Unfriedlichkeit aus der Versammlung heraus. Vorfälle, die zur Annahme der Unfriedlichkeit führen könnten, blieben - ausweislich des der Kammer zur Verfügung stehenden Videomaterials - vereinzelt, wie das Abdrängen von Polizeibeamten, das Auslassen von Luft aus einem Reifen, der Einsatz von Pyrotechnik, das Besprühen von Polizeibeamten mit Pfefferspray oder auch das Werfen von Kastanien und Wasserflaschen. Angesichts der Vielzahl der Teilnehmer an der Versammlung und deren Dauer hätte eine weitaus größere Zahl derartiger Vorfälle stattfinden müssen, um die Annahme der Unfriedlichkeit zu rechtfertigen. Dass solche Vorfälle auch nicht im Sinne der Versammelten waren, lässt sich schon anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Filmausschnitts illustrieren, in dem zu sehen ist, dass Blockierende der Person, die den geworfenen Feuerwerkskörper austrat, Beifall spendeten.
48 
(4) Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Dennoch merkt die Kammer an, dass sie davon ausgeht, dass die Versammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 eine so genannte Spontanversammlung und nicht die Fortsetzung der für diesen Tag angemeldeten Schülerdemonstration war.
49 
Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften über die Anmeldepflicht nach § 14 VersG sind allerdings auf so genannte Spontanversammlungen nicht anwendbar, soweit der mit ihnen verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschriften nicht erreicht werden könnte (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 16 m.w.N.).
50 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 bildete sich nicht zuletzt infolge der Auslösung des so genannten Parkschützeralarms im Zeitraum zwischen 10:15 Uhr und 10:30 Uhr. Infolge der Auslösung des Parkschützeralarms löste sich nach Einschätzung der Kammer die angemeldete Schülerdemonstration, die zu diesem Zeitpunkt in der Lautenschlagerstraße stattfand, faktisch selbst auf. Es bestand jedenfalls keine Identität zwischen der angemeldeten Schülerdemonstration und der Versammlung im Mittleren Schlossgarten. Ausweislich der Anmeldung sollte die Schülerdemonstration nach der Auftaktkundgebung in der Lautenschlagerstraße ab ungefähr 10 Uhr durch die Stuttgarter Innenstadt bis auf die Höhe der Eberhardstraße ziehen und erst gegen ungefähr 12 Uhr im Mittleren Schlossgarten ankommen. Freilich verließen große Teile der Teilnehmer die Kundgebung in der Lautenschlagerstraße in Richtung Schlossgarten. Zu einem Aufzug kam es deshalb gar nicht mehr.
51 
(5) Der Schutz des Art. 8 GG endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Eine - ausschließlich aufgrund ausdrücklicher Erklärung mögliche - Auflösung der Versammlung im Mittleren Schlossgarten erfolgte weder durch den Polizeivollzugsdienst noch durch die - grundsätzlich sachlich und örtlich zuständige - Landeshauptstadt Stuttgart (vgl. § 1 Abs. 1 und § 2 Satz 1 VersGZuVO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 3 PolG, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 LVG, § 131 Abs. 1 GemO).
52 
c) Die Fragen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Platzverweis vorlagen und ob das durch § 27a Abs. 1 PolG der Polizei eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, braucht die Kammer nach Vorstehendem nicht zu beantworten.
53 
2. Die Androhung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Kläger waren ebenfalls rechtswidrig und verletzten ihn in seinen Rechten.
54 
a) Die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen ergibt sich bereits aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises als der zu vollstreckenden Verfügung.
55 
Die Rechtmäßigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs (vgl. § 52 Abs. 2 PolG) und dessen Anwendung setzt jedenfalls in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation voraus, dass die zu vollstreckende Grundverfügung rechtmäßig war.
56 
Erledigt sich ein Verwaltungsakt - wie hier der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis - vor der gerichtlichen Entscheidung, lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997 - BVerwG 5 C 1.96 -, BVerwGE 105, 370 [373] = juris Rn. 11, vgl. auch Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 [4] = juris Rn. 17). Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997, a.a.O.).
57 
Legt man im vorliegenden Zusammenhang die Rechtslage zugrunde, die ohne Geltung des rechtswidrigen Platzverweises bestand, so fehlte es bereits an einer zu vollstreckenden Verfügung.
58 
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fordert in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit auf sie aufbauender Vollstreckungsmaßnahmen außer Betracht zu bleiben hat. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten entfällt. Die Adressaten des Platzverweises hätten diesem also aus Rechtsgründen Folge leisten müssen. Zu dem Fall der gleichzeitigen Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen die Grundverfügung und gegen Vollstreckungsmaßnahmen verhält sich die Vorschrift hingegen nicht. Dementsprechend wird § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO im Fall des gerichtlichen Vorgehens gegen einen Kostenbescheid wegen der Vollstreckung einer zwischenzeitlich erledigten Grundverfügung auch nicht so verstanden, dass die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Verfügung außer Betracht bleibt (vgl. bereits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299 [303]; Urteil der Kammer vom 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14 -, noch nicht veröffentlicht).
59 
Darüber hinaus verbietet nach Auffassung der Kammer auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs als auf allgemeines Polizeirecht gestützte Vollstreckungsmaßnahmen. Zu den vor Auflösung einer Versammlung bzw. vor Ausschluss eines Teilnehmers unzulässigen Maßnahmen (s. oben 1. b) gehören neben Platzverweisen insbesondere auch zu deren Vollstreckung getroffene Maßnahmen. Denn mit der Vollstreckung wird eigenständig in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [107] = juris Rn. 51). Im vorliegenden Fall wurde eine Versammlung „faktisch“ durch Einsatz einer auf das Polizeigesetz gestützten Maßnahme, nämlich des unmittelbaren Zwangs in Form eines Wasserwerfereinsatzes „aufgelöst“.
60 
b) Die Kammer hat im Übrigen ganz erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs dem Kläger gegenüber. Mangels Erheblichkeit sieht sie allerdings von einer abschließenden Festlegung ab.
61 
Eine gesetzliche Regelung zur Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs findet sich in § 52 Abs. 1 PolG. Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Satz 2). Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Satz 4).
62 
Ob die Anwendung verhältnismäßig war, ist aus der so genannten ex-ante-Sicht zu beurteilen (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 523, 528). Es ist dementsprechend nicht darauf abzustellen, welche Folgen tatsächlich eingetreten sind, sondern darauf, mit welchen Folgen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs in der gewählten Form zu rechnen war.
63 
Nach Auffassung der Kammer ist insbesondere zweifelhaft, ob die Wasserstöße, nicht zuletzt derjenige, der dem Kläger seine Augenverletzung zugefügt hat, angemessen waren. Nach Auskunft des beklagten Landes, die durch das Betrachten des vorhandenen Videomaterials bestätigt wird, verfügten die am 30. September 2010 eingesetzten Wasserwerfer über keine Zielvorrichtung. Bei Abgabe der Wasserstöße in die dicht stehende Menschenansammlung war es dementsprechend sehr wahrscheinlich, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden. Nach dem Eindruck, den die Kammer aus dem vorhandenen Material gewonnen hat, wäre es eher Zufall gewesen, wenn bei dem teilweise sehr massiven Einsatz der Wasserwerfer niemand im Gesicht getroffen worden wäre. Dementsprechend sieht die Polizeidienstvorschrift 122 „Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen“ (Ausgabe 2003), an die die Kammer zwar nicht gebunden ist, die sie jedoch als Auslegungshilfe heranzieht, vor, dass Wasserstöße als intensivste Form des Wasserwerfereinsatzes die Begehung oder Fortsetzung von Straftaten verhindern, das Vordringen von Störern verhindern oder Gewalttäter zum Zurückweichen zwingen sollen; bei Wasserstößen ist darauf zu achten, dass Köpfe nicht getroffen werden (Nr. 5.1.3). Keiner der genannten, restriktiv auszulegenden Fälle dürfte am 30. September 2010 vorgelegen haben. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden, hätten wohl jedenfalls die Wasserstöße zur Vermeidung der Unangemessenheit der Anwendung unmittelbaren Zwangs unterbleiben müssen.
64 
c) Ob den Kläger ein Mitverschulden an seinen Verletzungen trifft, wie es das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 (18 KLs 5 Js 94858/10) angenommen hat (vgl. den dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Abdruck, S. 9), ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ohne Bedeutung.
65 
III. Die Verpflichtung des beklagten Landes, die Kosten des Verfahrens zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen, ist die Berufung gegen dieses Urteil nicht durch das Verwaltungsgericht zuzulassen.

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
16 
I. Die Klage ist zulässig.
17 
1. a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs richtet, als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.
18 
Dem Kläger gegenüber wurde sowohl ein Platzverweis ausgesprochen als auch unmittelbarer Zwang angedroht. Denn der Kläger wurde mehrfach, nicht zuletzt auch persönlich aufgefordert, den Bereich vor dem Wasserwerfer zu räumen; zum maßgeblichen Zeitpunkt kündigten die Polizeivollzugsbeamten aus dem Wasserwerfer heraus auch wiederholt den Einsatz von Wasser gegenüber den Blockierenden an.
19 
Sowohl bei dem Platzverweis als auch bei der Androhung unmittelbaren Zwangs handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG, der sich - infolge Zeitablaufs - vorprozessual erledigt hat. Im Fall vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer angeschlossen hat (Urteil vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 20), von der Statthaftigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [207] = juris Rn. 20; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
20 
b) Soweit sich die Klage gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes gegen den Kläger richtet, ist sie als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
21 
Nach Auffassung der Kammer ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes kein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 767; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 49 Rn. 60; a.A. Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 2. Kap. Rn. 392). Denn bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ergeht gegenüber den Betroffenen keine Regelung. „Hilfskonstruktionen“ dergestalt, in der Anwendung zugleich eine Duldungsanordnung zu sehen (vgl. dazu Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 35 Rn. 49), mögen angezeigt gewesen sein zu Zeiten, in denen das Vorliegen eines Verwaltungsakts rechtswegeröffnend war. Unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung bedarf es ihrer nicht mehr.
22 
Die Berechtigung des Polizeivollzugsdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes dem Kläger gegenüber im Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 stellt vielmehr ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.
23 
2. Der Kläger hat auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsinteresse.
24 
Die Zulässigkeit sowohl der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch der Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 43 Abs. 1 VwGO). Die diesbezüglichen Anforderungen stimmen weitestgehend überein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
25 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse (Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 36). Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann.
26 
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich bereits aus dem Gesichtspunkt einer - möglicherweise - schweren Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit.
27 
Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist; derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 37).
28 
Nach Auffassung der Kammer steht den vorgenannten Fällen gleich, wenn der Staat - vorliegend der Polizeivollzugsdienst - einer Menschenansammlung von vornherein den Schutz des Art. 8 GG abspricht und gegen sie mit dem Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts vorgeht. In diesem Fall wird die Versammlungsfreiheit, sollte sich die Einschätzung als fehlerhaft erweisen, ebenso schwer, wenn nicht gar noch schwerer beeinträchtigt als im Fall eines Versammlungsverbots oder einer Versammlungsauflösung.
29 
Dass die Menschenansammlung im Stuttgarter Schlossgarten, in der sich der Kläger befand, als verfassungsrechtlich geschützte Versammlung einzuordnen ist, ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Der Polizeivollzugsdienst ist gegen diese Ansammlung unter Anordnung eines Platzverweises und sodann unter Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgegangen. Auf eine Versammlungsauflösung oder sonstige auf Versammlungsrecht gestützte Maßnahmen hat er ausweislich des Vorbringens des beklagten Landes bewusst verzichtet.
30 
Der Kläger hat darüber hinaus als Person, die durch den Einsatz des Wasserwerfers erhebliche Verletzungen erlitten hat, auch ein aus Gründen der Rehabilitierung rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Gegenstand des Verfahrens bildenden polizeilichen Maßnahmen.
31 
3. Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt im - vorliegend gegebenen - Fall der Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts weder die Erhebung eines Widerspruchs noch die Einhaltung einer Frist voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [206 und 209] = juris Rn. 19 und 22). Eine Verwirkung des Klagerechts steht außer Frage.
32 
II. Die Klage ist auch begründet.
33 
1. Der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte ihn in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
34 
a) Als Rechtsgrundlage für den dem Kläger gegenüber angeordneten Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 22. November 2008 in das Polizeigesetz eingefügt wurde (vgl. GBl BW 2008, S. 390), kann die Polizei (vgl. zur Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes § 60 Abs. 3 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.
35 
b) Der Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG steht die so genannte Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
36 
aa) Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich nach dem Versammlungsgesetz (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 18, und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [115] = juris Rn. 43). Dieses Gesetz geht in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen für einen polizeilichen Zugriff auf Versammlungsteilnehmer. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, scheidet aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsgesetzlichen Regelungen aus. Für Beschränkungen der Versammlungsteilnahme stehen der Polizei lediglich die abschließend versammlungsgesetzlich geregelten teilnehmerbezogenen Maßnahmen zu Gebote, für die im Interesse des wirksamen Grundrechtsschutzes strengere Anforderungen bestehen als für ein polizeirechtliches Einschreiten allgemein. Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sind rechtswidrig, solange nicht die Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [114] = juris Rn. 40).
37 
bb) Das beklagte Land geht nach Auffassung der Kammer zu Unrecht davon aus, dass die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 keine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung war.
38 
(1) Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 32 m.w.N.). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.
39 
Art. 8 GG schützt allerdings nicht die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001
 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 44; vgl. auch BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [374] = juris Rn. 35).
40 
Zu differenzieren ist also zwischen so genannten Verhinderungsblockaden und so genannten demonstrativen Blockaden (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 25; auch Rusteberg, NJW 2011, 2999).
41 
Für die rechtliche Einordnung der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 ist insbesondere darauf abzustellen, ob die beabsichtigte Verhinderung der anstehenden Baumfällarbeiten Selbstzweck war oder ein einem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/06 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 42).
42 
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich bei der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 entgegen der Auffassung des beklagten Landes um keine so genannte Verhinderungsblockade.
43 
Allerdings zielte das Verhalten der anwesenden Personen darauf, das Absperren der Fläche zur Ermöglichung von Baumfällarbeiten und der Errichtung des so genannten Grundwassermanagements zu verhindern. Bei der Verhinderung der Baumfällarbeiten und der Errichtung des Grundwassermanagements handelte es sich indes nach Auffassung der Kammer lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des von der Deutschen Bahn geplanten und seitens staatlicher Ebenen unterstützten Umbaus des Bahnknotens Stuttgart (vgl. das Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 26). Dementsprechend war aus dem Kreis der anwesenden Personen vielfach die Formulierung „Oben bleiben“ und damit einer der wesentlichen Slogans der Projektgegner zu hören. Häufig zeigten die Personen eines der wesentlichen Symbole der Projektgegner, das einem Ortsausfahrtsschild nachempfundene Schild mit den durchgestrichenen Worten „Stuttgart 21“. Zahlreiche der Zusammengekommenen stammten auch aus dem Kreis der Teilnehmer der für den 30. September 2010 angemeldeten „Schülerdemonstration“, die unter das Motto „Lieber mehr Bildungsausgaben statt Prestigebahnhof“ gestellt worden war. Die Erwartung, allein durch die Verhinderung der Baumfällarbeiten am 1. Oktober 2010 das Projekt „Stuttgart 21“ zu Fall zu bringen, kann den Blockierern sowie den weiter Anwesenden nicht unterstellt werden. Sie wäre allenfalls ein „symbolischer Sieg“ gewesen. Ziel der Projektgegner war allerdings und ist es auch heute noch, dass die am Projekt Beteiligten dieses dauerhaft aufgeben oder dass jedenfalls einzelne Beteiligte sich aus ihm zurückziehen. Ein derartiger „Erfolg“ wäre nur zu erzielen gewesen, wenn die Aktion - zumindest im Zusammenspiel mit den anderen Aktionen gegen das Projekt - in einer Weise auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, die letztlich zu einem Umdenken der am Projekt Beteiligten oder zu einem Austausch der politisch Verantwortlichen führt. Nicht zuletzt infolge der Ereignisse am 30. September 2010 kam es sodann auch zu dem - allerdings letztlich erfolglos gebliebenen - Schlichtungsverfahren. Insgesamt war die beabsichtigte Verhinderung der Baumfällarbeiten nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen dienendes Mittel. Der Versammlungscharakter entfällt im Übrigen auch nicht aus dem Grund, dass der Anfahrtsweg der Polizeifahrzeuge im Schlossgarten auch durch vor Ort vorgefundenes Baumaterial sowie durch aus dem Biergarten entwendete Bierbänke blockiert wurde. Das Entfernen der Gegenstände stellte den Polizeivollzugsdienst vor keine nennenswerte Herausforderung.
44 
(3) Der Schutz des Versammlungsgrundrechts entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit.
45 
Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE104, 92 [105 f.] = juris Rn. 47; [Kammer-] Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt oder in Kauf genommen.
46 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 war nicht unfriedlich; eine kollektive Unfriedlichkeit lässt sich entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht feststellen.
47 
Jedenfalls eine nennenswerte Anzahl von aggressiven Ausschreitungen aus der Versammlung heraus gegen Polizeibeamte lässt sich nicht feststellen. Insoweit ohne Bedeutung ist, ob das Verhalten der Blockierer strafrechtlich als Gewalt im Sinne von § 240 StGB einzuordnen ist. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [106] = juris Rn. 49). Ebenfalls nicht abgestellt werden kann darauf, dass sich Versammelte gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs wehrten und dabei eventuell Polizeibeamte verletzten; denn hierbei handelt es sich um keine Unfriedlichkeit aus der Versammlung heraus. Vorfälle, die zur Annahme der Unfriedlichkeit führen könnten, blieben - ausweislich des der Kammer zur Verfügung stehenden Videomaterials - vereinzelt, wie das Abdrängen von Polizeibeamten, das Auslassen von Luft aus einem Reifen, der Einsatz von Pyrotechnik, das Besprühen von Polizeibeamten mit Pfefferspray oder auch das Werfen von Kastanien und Wasserflaschen. Angesichts der Vielzahl der Teilnehmer an der Versammlung und deren Dauer hätte eine weitaus größere Zahl derartiger Vorfälle stattfinden müssen, um die Annahme der Unfriedlichkeit zu rechtfertigen. Dass solche Vorfälle auch nicht im Sinne der Versammelten waren, lässt sich schon anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Filmausschnitts illustrieren, in dem zu sehen ist, dass Blockierende der Person, die den geworfenen Feuerwerkskörper austrat, Beifall spendeten.
48 
(4) Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Dennoch merkt die Kammer an, dass sie davon ausgeht, dass die Versammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 eine so genannte Spontanversammlung und nicht die Fortsetzung der für diesen Tag angemeldeten Schülerdemonstration war.
49 
Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften über die Anmeldepflicht nach § 14 VersG sind allerdings auf so genannte Spontanversammlungen nicht anwendbar, soweit der mit ihnen verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschriften nicht erreicht werden könnte (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 16 m.w.N.).
50 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 bildete sich nicht zuletzt infolge der Auslösung des so genannten Parkschützeralarms im Zeitraum zwischen 10:15 Uhr und 10:30 Uhr. Infolge der Auslösung des Parkschützeralarms löste sich nach Einschätzung der Kammer die angemeldete Schülerdemonstration, die zu diesem Zeitpunkt in der Lautenschlagerstraße stattfand, faktisch selbst auf. Es bestand jedenfalls keine Identität zwischen der angemeldeten Schülerdemonstration und der Versammlung im Mittleren Schlossgarten. Ausweislich der Anmeldung sollte die Schülerdemonstration nach der Auftaktkundgebung in der Lautenschlagerstraße ab ungefähr 10 Uhr durch die Stuttgarter Innenstadt bis auf die Höhe der Eberhardstraße ziehen und erst gegen ungefähr 12 Uhr im Mittleren Schlossgarten ankommen. Freilich verließen große Teile der Teilnehmer die Kundgebung in der Lautenschlagerstraße in Richtung Schlossgarten. Zu einem Aufzug kam es deshalb gar nicht mehr.
51 
(5) Der Schutz des Art. 8 GG endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Eine - ausschließlich aufgrund ausdrücklicher Erklärung mögliche - Auflösung der Versammlung im Mittleren Schlossgarten erfolgte weder durch den Polizeivollzugsdienst noch durch die - grundsätzlich sachlich und örtlich zuständige - Landeshauptstadt Stuttgart (vgl. § 1 Abs. 1 und § 2 Satz 1 VersGZuVO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 3 PolG, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 LVG, § 131 Abs. 1 GemO).
52 
c) Die Fragen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Platzverweis vorlagen und ob das durch § 27a Abs. 1 PolG der Polizei eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, braucht die Kammer nach Vorstehendem nicht zu beantworten.
53 
2. Die Androhung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Kläger waren ebenfalls rechtswidrig und verletzten ihn in seinen Rechten.
54 
a) Die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen ergibt sich bereits aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises als der zu vollstreckenden Verfügung.
55 
Die Rechtmäßigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs (vgl. § 52 Abs. 2 PolG) und dessen Anwendung setzt jedenfalls in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation voraus, dass die zu vollstreckende Grundverfügung rechtmäßig war.
56 
Erledigt sich ein Verwaltungsakt - wie hier der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis - vor der gerichtlichen Entscheidung, lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997 - BVerwG 5 C 1.96 -, BVerwGE 105, 370 [373] = juris Rn. 11, vgl. auch Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 [4] = juris Rn. 17). Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997, a.a.O.).
57 
Legt man im vorliegenden Zusammenhang die Rechtslage zugrunde, die ohne Geltung des rechtswidrigen Platzverweises bestand, so fehlte es bereits an einer zu vollstreckenden Verfügung.
58 
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fordert in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit auf sie aufbauender Vollstreckungsmaßnahmen außer Betracht zu bleiben hat. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten entfällt. Die Adressaten des Platzverweises hätten diesem also aus Rechtsgründen Folge leisten müssen. Zu dem Fall der gleichzeitigen Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen die Grundverfügung und gegen Vollstreckungsmaßnahmen verhält sich die Vorschrift hingegen nicht. Dementsprechend wird § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO im Fall des gerichtlichen Vorgehens gegen einen Kostenbescheid wegen der Vollstreckung einer zwischenzeitlich erledigten Grundverfügung auch nicht so verstanden, dass die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Verfügung außer Betracht bleibt (vgl. bereits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299 [303]; Urteil der Kammer vom 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14 -, noch nicht veröffentlicht).
59 
Darüber hinaus verbietet nach Auffassung der Kammer auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs als auf allgemeines Polizeirecht gestützte Vollstreckungsmaßnahmen. Zu den vor Auflösung einer Versammlung bzw. vor Ausschluss eines Teilnehmers unzulässigen Maßnahmen (s. oben 1. b) gehören neben Platzverweisen insbesondere auch zu deren Vollstreckung getroffene Maßnahmen. Denn mit der Vollstreckung wird eigenständig in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [107] = juris Rn. 51). Im vorliegenden Fall wurde eine Versammlung „faktisch“ durch Einsatz einer auf das Polizeigesetz gestützten Maßnahme, nämlich des unmittelbaren Zwangs in Form eines Wasserwerfereinsatzes „aufgelöst“.
60 
b) Die Kammer hat im Übrigen ganz erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs dem Kläger gegenüber. Mangels Erheblichkeit sieht sie allerdings von einer abschließenden Festlegung ab.
61 
Eine gesetzliche Regelung zur Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs findet sich in § 52 Abs. 1 PolG. Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Satz 2). Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Satz 4).
62 
Ob die Anwendung verhältnismäßig war, ist aus der so genannten ex-ante-Sicht zu beurteilen (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 523, 528). Es ist dementsprechend nicht darauf abzustellen, welche Folgen tatsächlich eingetreten sind, sondern darauf, mit welchen Folgen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs in der gewählten Form zu rechnen war.
63 
Nach Auffassung der Kammer ist insbesondere zweifelhaft, ob die Wasserstöße, nicht zuletzt derjenige, der dem Kläger seine Augenverletzung zugefügt hat, angemessen waren. Nach Auskunft des beklagten Landes, die durch das Betrachten des vorhandenen Videomaterials bestätigt wird, verfügten die am 30. September 2010 eingesetzten Wasserwerfer über keine Zielvorrichtung. Bei Abgabe der Wasserstöße in die dicht stehende Menschenansammlung war es dementsprechend sehr wahrscheinlich, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden. Nach dem Eindruck, den die Kammer aus dem vorhandenen Material gewonnen hat, wäre es eher Zufall gewesen, wenn bei dem teilweise sehr massiven Einsatz der Wasserwerfer niemand im Gesicht getroffen worden wäre. Dementsprechend sieht die Polizeidienstvorschrift 122 „Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen“ (Ausgabe 2003), an die die Kammer zwar nicht gebunden ist, die sie jedoch als Auslegungshilfe heranzieht, vor, dass Wasserstöße als intensivste Form des Wasserwerfereinsatzes die Begehung oder Fortsetzung von Straftaten verhindern, das Vordringen von Störern verhindern oder Gewalttäter zum Zurückweichen zwingen sollen; bei Wasserstößen ist darauf zu achten, dass Köpfe nicht getroffen werden (Nr. 5.1.3). Keiner der genannten, restriktiv auszulegenden Fälle dürfte am 30. September 2010 vorgelegen haben. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden, hätten wohl jedenfalls die Wasserstöße zur Vermeidung der Unangemessenheit der Anwendung unmittelbaren Zwangs unterbleiben müssen.
64 
c) Ob den Kläger ein Mitverschulden an seinen Verletzungen trifft, wie es das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 (18 KLs 5 Js 94858/10) angenommen hat (vgl. den dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Abdruck, S. 9), ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ohne Bedeutung.
65 
III. Die Verpflichtung des beklagten Landes, die Kosten des Verfahrens zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen, ist die Berufung gegen dieses Urteil nicht durch das Verwaltungsgericht zuzulassen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 - 3 K 1817/11 - geändert.

Es wird festgestellt, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Allgemeinverfügung erlassenen Versammlungsverbots zur Sicherung eines Castortransports.
Mit einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG und § 35 Satz 2 LVwVfG gestützten Allgemeinverfügung vom 08.02.2011 untersagte die Beklagte - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 15.02.2011, 0.00 Uhr bis zum 16.02.2011, 24.00 Uhr (I. der Verfügung). Der räumliche Geltungsbereich des Versammlungsverbots wurde in den Anlagen 1 und 2 zur Allgemeinverfügung festgelegt (II. der Verfügung). Er umfasste einen Korridor von jeweils 50 m Breite beidseits der Gleise entlang der Schienentransportstrecke des beabsichtigten Transports von HAW-Glaskokillen in Castor-Behältern sowie im Einzelnen bezeichnete Straßen und Straßenabschnitte einschließlich der dazwischen liegenden Flächen auf dem Gebiet der Beklagten. Nach III. der Verfügung wurden in diesem Bereich auch Sitzblockaden, andere Blockaden des HAW-Transports oder das Bereiten jedweder sonstiger Hindernisse verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I oder III wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang angedroht (IV. der Verfügung). Unter VI. wurde bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
Die Allgemeinverfügung wurde am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe ohne Begründung bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne.
In der Begründung wurde ausgeführt, der Beklagten lägen für den Zeitraum des Castortransports durch das Stadtgebiet bislang lediglich zwei Anmeldungen für Mahnwachen vor. Es sei jedoch mit weiteren Demonstrationen zu rechnen. Trotz diverser bundesweiter Demonstrationsaufrufe verschiedener Organisationen sei es der Versammlungsbehörde nicht möglich, an Verantwortliche im Sinn von § 14 Abs. 2 VersammlG Einzelverfügungen zu adressieren, da keine Anmeldung im Sinn von § 14 Abs. 1 VersammlG erfolgt sei. Aus diesem Grund bleibe nur die gewählte Form der Allgemeinverfügung. Die Gefahrenprognose stütze sich auf Erfahrungen bei vergangenen Atomtransporten und auf aktuelle Aufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen im Internet. Fünf Vorfälle aus den Jahren 2004 - 2010 wurden ausdrücklich angeführt:
Am 07.11.2004 habe sich anlässlich eines Castortransports eine Gruppe von 20 - 25 Personen im Bereich Mannheim-Friedrichsfeld/Schwetzingen auf den Weg Richtung Gleisanlage gemacht. Es seien Platzverweise ausgesprochen und sechs Personen in Gewahrsam genommen worden. Nach den Gesamtumständen habe die Personengruppe die Gleise blockieren wollen.
Anlässlich eines Castortransports am 11.11.2006 habe ein Zug in Höhe Büchig (Stutensee) halten müssen, da im weiteren Streckenverlauf ein verdächtigtes Päckchen auf der Gleisanlage gelegen habe sowie in dessen Nähe ein Transparent „Stoppt den Castor“ über die Gleise gespannt worden sei. Kurze Zeit später habe der Zug wegen eines mit Holzstücken gefüllten Eimers auf den Schienen halten müssen. Fast zeitgleich hätten in Mannheim (Ansiedlung Alteichwald) fünf Personen aus einer sechsköpfigen Gruppe in Gewahrsam genommen werden müssen, nachdem sie einen Platzverweis nicht befolgt hatten. Ihre Absicht dürfe eine Gleisblockade gewesen sein. Zwischen Hockenheim und Oftersheim hätten sich ca. 30 Personen mit Fackeln im Gleisbereich zu Blockadezwecken versammelt. Nach Versammlungsauflösung seien Platzverweise erteilt worden. Zehn Personen seien in Gewahrsam genommen worden, da sie den Platzverweisen nicht nachgekommen seien. Die Zugfahrt sei um eine Stunde verzögert worden.
Bei einem Castortransport am 08./09.11.2008 hätten sich zwischen Berg und Neuburg (Rheinland-Pfalz) 11 Personen versammelt, von denen sich drei Personen mit einem Kunststoffrohr und Schnellzement an die Gleise gekettet hätten. Das Lösen der Blockade habe sich so schwierig und aufwendig gestaltet, dass die Weiterfahrt des Zuges sich um 14 Stunden verzögert habe. Nahezu zeitgleich seien drei einschlägig bekannte Personen der Anti-Atom-Szene mit mitgeführten faltbaren gelben Tonnen angetroffen worden. Den Personen seien Platzverweise erteilt worden, wobei eine Person nach vorangegangener Widerstandshandlung vorübergehend in Gewahrsam genommen worden sei. Aufgrund des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs (planmäßig hätte der Zug kurze Zeit später den Bahnhof Karlsruhe-Mühlburg passieren sollen) sei zu vermuten, dass die Personen ebenfalls eine Blockadeaktion beabsichtigt hätten. Im weiteren Verlauf habe der Zug erneut für ca. 25 Minuten halten müssen, nachdem die Bundespolizei metallische Geräusche im Schienenbereich wahrgenommen habe und eine Leuchtrakete in den Himmel abgeschossen worden sei.
Am 06.11.2010 hätten sich anlässlich eines Castortransports im Bereich Lauterbourg (Frankreich) zwei bekannte Aktivisten aus Heidelberg an den Gleisen festgekettet. Im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) hätten gleichzeitig bis zu 1.000 Demonstranten die Transportstrecke blockiert. Der Zug sei umgeleitet worden. Im weiteren Verlauf sei eine Brücke, die der Zug überfahren sollte, blockiert worden. Die rechtswidrige Versammlung sei aufgelöst worden. 11 Personen hätten von der Brücke weggetragen werden müssen. Dabei sei es zu Widerstandshandlungen gegen Polizeikräfte der Bundespolizei gekommen. Es seien drei Personen festgenommen worden. Nachdem die Zugumleitung bekannt geworden sei, sei es im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe zu einer Versammlung von ca. 250–300 Personen gekommen, darunter auch ca. 20 Autonome der Anti-Atom-Szene. Die Personen hätten versucht, durch Überrennen eine Polizeiabsperrung zu überwinden, um auf der Gleisanlage eine Blockade zu errichten. Dieses Vorhaben habe nur durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung unmittelbaren Zwangs verhindert werden können. Es sei zu vier Widerstandshandlungen sowie zu einer Beleidigung zum Nachteil der Einsatzkräfte gekommen. Vermutlich aus Protest gegen die Eingriffsmaßnahmen der Polizei gegenüber den Straftätern habe sich in der Folge ein spontaner Aufzug (ca. 80 – 100 Personen) vom Hauptbahnhof in Richtung Polizeipräsidium Karlsruhe bewegt und „Lasst sie frei“ skandiert.
Ein Transport am 15.12.2010 sei störungsfrei verlaufen, nachdem die Einsatzleitung in Frankreich kurzfristig eine Streckenänderung verfügt habe.
10 
Zu den Protest- und Blockadeaufrufen im Internet hieß es u.a.:
11 
Auf der Internetseite www.nachttanzblockade.de werde mit den Worten „Mach mit, bleib wach, besetze, blockiere!“, „Wir stoppen mit einer Gleisbesetzung den Castor“ und „Teig mischen? Beton mischen? Mitmischen!“ ausdrücklich zu Blockaden aufgerufen. Die Blockade solle „in Karlsruhe-Neureut, wenn der Castor rollt“ stattfinden. Unter der Rubrik „Mitmischen“ erscheine eine Checkliste, welche Gegenstände zur Blockadeaktion mitgebracht werden sollten, u.a.
12 
- Werkzeug zum Reparieren von Zäunen, Straßen etc.,
- dichte Plastiktüte zum Verpacken Tränengas verseuchter Klamotten,
- Augenspülflasche mit klarem Wasser,
- Medikamente für mehrere Tage,
- Sitzkissen,
- keine Schminke und Fettcreme (bindet Tränengas).
13 
Das Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand-Neckarwestheim rufe auf http://neckarwestheim.antiatom.net gemeinsam mit den Südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen dazu auf, „gegen die Atommüllverschiebung von Karlsruhe nach Lubmin am Transporttag (16.02.2011) entlang den Straßenbahnschienen in Karlsruhe zu demonstrieren und Aktionen entlang der gesamten Transportstrecke durchzuführen.
14 
Auf der Seite www.lubmin-nixda.de werde zur regen Teilnahme an bundesweiten Demonstrationen am 12.02.2011 entlang der möglichen Transportstrecken und zum „Widerstand im ganzen Land gegen diesen Castortransport, denn Atommüll geht uns alle an!“ aufgerufen. Für die darauffolgenden Tage (15.-18.02.2011) werde dazu aufgerufen, sich am Protest zu beteiligen: „Organisiert bei Euch an der Strecke Widerstand und stoppt den Castor am Tag X“.
15 
Die „Linksjugend (Solid) Karlsruhe“ rufe auf der Internetseite http://solidka.wordpress.com/castor zur Transportblockade auf. Neben einem eigenen Flyer werde auf die Internetseite der Nachttanzblockade verwiesen.
16 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kam die Beklagte zu dem Schluss, dass im Zusammenhang mit dem am 15./16.02.2011 stattfindenden Castortransport mit massiven Störungen des Zuglaufs durch Blockadeaktionen bzw. Einwirkungen auf den Schienenstrang oder den Transportzug selbst gerechnet werden müsse. Wie viele Personen sich an den Protesten beteiligen werden, sei nicht absehbar. Vor dem Hintergrund der zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung von Atomanlagen sowie der Zwischen- und Endlagerproblematik sei jedoch von einem erheblichen Mobilisierungsgrad auszugehen. Unmittelbaren lokalen Bezug entfalte zudem der Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg. Dass lediglich zwei Mahnwachen angemeldet worden seien, im Internet jedoch aktiv zu Protesten aufgerufen werde, lasse auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der Veranstalter schließen.
17 
Die Allgemeinverfügung sei das mildeste Mittel, welches in Anbetracht der Gefahrenprognose die Transportsicherung noch mit hinreichender Sicherheit gewährleiste. Der räumliche Geltungsbereich müsse in der Breite so gestaltet sein, dass das Durchsickern von Demonstranten zur Transportstrecke sowie das Erreichen des Zuges mit Wurfgeschossen nicht möglich sei. In zeitlicher Hinsicht bedürfe es aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit eines ausreichenden Zeitpuffers, um etwaige Transportverzögerungen aufzufangen.
18 
Am 14.02.2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung und beantragte gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.02.2011 (- 3 K 394/11 - juris) ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - zurück. Der Widerspruch wurde nicht mehr beschieden.
19 
Am 05.07.2011 erhob der Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger bei zukünftigen Transporten von radioaktivem Müll durch Karlsruhe Versammlungen zur zeitnahen Information der betroffenen Bevölkerung über die mit dem Atommülltransport auf S-Bahn-Gleisen quer durch Wohngebiete einhergehende Gefährdung durchführen könne. Vielmehr sei zu befürchten, dass er auch künftig keine Versammlungen mit öffentlicher Messung der von Atommülltransporten ausgehenden Strahlung direkt am vorbeifahrenden Zug mit Castoren durchführen könne, da damit zu rechnen sei, dass die Beklagte dies erneut durch vergleichbare Allgemeinverfügungen zu verhindern suche. Die Allgemeinverfügung sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, da sie nicht an die Bürgerinnen und Bürger ausgehändigt und ohne Begründung veröffentlicht worden sei. Dies habe die Rechtsschutzmöglichkeiten unzulässig eingeschränkt. Die Allgemeinverfügung sei in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unverhältnismäßig gewesen. Sie habe die Versammlungsfreiheit für einen Zeitraum von 48 Stunden in einem großen Gebiet quer durch Karlsruhe, darunter u. a. am Bahnhofsplatz, für Versammlungen aller Art und unabhängig vom Thema, außer Kraft gesetzt. Der von der Allgemeinverfügung betroffene Personenkreis sei viel zu unbestimmt gewesen, weshalb bereits die Anreise per Stadtbahn zur Dauermahnwache einen Verstoß dargestellt habe. Die Gefahrenprognose sei nicht auf vergleichbare Sachverhalte gestützt worden. Schließlich habe kein polizeilicher Notstand vorgelegen. Die Polizeikräfte hätten ausgereicht, um etwaige rechtswidrige Versammlungen aufzulösen.
20 
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - entgegen.
21 
Mit Urteil vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. In formeller Hinsicht bestünden keine Bedenken gegen die Allgemeinverfügung. Ihr Erlass und die öffentliche Bekanntmachung seien gerechtfertigt gewesen. Da bei dem Castortransport mit einer Mehrzahl lose verbundener Veranstalter und einzelner Demonstranten-gruppen ohne besondere innere Struktur habe gerechnet werden müssen, sei es nicht möglich gewesen, jedem einzelnen Teilnehmer oder Veranstalter gegenüber eine Einzelverfügung bekannt zu geben. Dies rechtfertige ein allgemeines Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung. Einer öffentlichen Bekanntmachung auch der Begründung habe es nicht bedurft. Die Allgemeinverfügung sei auch in der Sache nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG im Zeitpunkt ihres Erlasses vorgelegen hätten. Es habe eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Die Beklagte habe in der Allgemeinverfügung zu Recht angenommen, dass die Erfahrung mit zurückliegenden Castortransporten die Annahme rechtfertige, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere durch Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffe in den Bahnverkehr - bestanden habe. Ferner seien zahlreiche Indizien, insbesondere Internetaufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen, aufgeführt, die auch bei dem seinerzeit bevorstehenden Transport für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Rechtsgüterverletzungen gesprochen hätten. Hervorzuheben seien die zahlreichen Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite www.nachttanzblockade.de verwiesen hätten. Aus der Gesamtheit der von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien habe sich die konkrete Erwartung ergeben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Blockaden der Schienenstrecke seien von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellten eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar, weil gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung sowie möglicherweise gegen § 315 StGB verstoßen werde. Die von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose habe der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Die Beklagte sei zu Recht von einem polizeilichen Notstand ausgegangen, der es rechtfertige, einschränkend auf die Modalitäten der Versammlungsdurchführung einzuwirken, um den polizeilichen Schutzauftrag umfassend und wirksam erfüllen zu können. Ohne den Erlass der Allgemeinverfügung hätte der konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht hinreichend begegnet werden können. Die Beklagte und die Polizei hätten es personalmäßig nicht gewährleisten können, in jedem Einzelfall eine individuelle Gefahrenprognose für alle angemeldeten, vor allem aber auch alle unangemeldeten Versammlungen zu treffen. Die Regelungen der Allgemeinverfügung seien auch verhältnismäßig gewesen. Dass der Korridor, in dem Versammlungen verboten gewesen seien, 50 m beidseits der Transportstrecke sowie angrenzende Gebiete erfasst habe, sei nicht zu beanstanden. In der Allgemeinverfügung sei dieser Abstand nachvollziehbar mit dem Wurf von Gegenständen sowie der Gefahr des „Durchsickerns“ von Demonstranten begründet worden. Mit dieser Begründung hätten auch an die Transportstrecke angrenzende Straßen und die dazwischen liegenden Bereiche sowie der stark frequentierte und damit schwer zu kontrollierende Bahnhofsvorplatz in die Allgemeinverfügung aufgenommen werden dürfen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen sei, dass auch friedliche Versammlungen dazu genutzt würden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen. In zeitlicher Hinsicht sei das Versammlungsverbot gut nachzuvollziehen, da ein Zeitpuffer eingeplant werden müsse.
22 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 09.08.2012 - 1 S 210/12 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.
23 
Der Kläger beantragt,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - zu ändern und festzustellen, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.
25 
Die Beklagte beantragt,
26 
die Berufung zurückzuweisen.
27 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
28 
Mit der Ladung zum Termin wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgelegten Akten nur eingeschränkt eine zuverlässige Überprüfung der in der Allgemeinverfügung getroffenen Gefahrprognose erlaubten. Üblicherweise werde die Gefahrprognose aufgrund einer polizeilichen Lageeinschätzung getroffen. Eine solche sei dem Senat nicht vorgelegt worden. Eine Überprüfung der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands sei ohne Kenntnis der Zahl der damals voraussichtlich benötigten und der tatsächlich zur Verfügung stehenden Polizeibeamten kaum möglich.
29 
Die Beklagte teilte darauf mit Schriftsatz vom 19.09.2013 mit, dass ihr keine weiteren Akten vorlägen, die nachgereicht werden könnten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Vertreter der Beklagten, dass es keine polizeiliche Lageeinschätzung gegeben habe, wenn eine solche in den vorgelegten Akten nicht enthalten sei. Der Versammlungsbehörde seien aber wohl Informationen der Polizei „zugespielt worden“. Er erklärte weiter, dass der Beklagten ex ante bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
30 
Dem Senat liegen die von der Beklagten vorgelegten Akten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 - 3 K 1817/11 - geändert.

Es wird festgestellt, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Allgemeinverfügung erlassenen Versammlungsverbots zur Sicherung eines Castortransports.
Mit einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG und § 35 Satz 2 LVwVfG gestützten Allgemeinverfügung vom 08.02.2011 untersagte die Beklagte - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 15.02.2011, 0.00 Uhr bis zum 16.02.2011, 24.00 Uhr (I. der Verfügung). Der räumliche Geltungsbereich des Versammlungsverbots wurde in den Anlagen 1 und 2 zur Allgemeinverfügung festgelegt (II. der Verfügung). Er umfasste einen Korridor von jeweils 50 m Breite beidseits der Gleise entlang der Schienentransportstrecke des beabsichtigten Transports von HAW-Glaskokillen in Castor-Behältern sowie im Einzelnen bezeichnete Straßen und Straßenabschnitte einschließlich der dazwischen liegenden Flächen auf dem Gebiet der Beklagten. Nach III. der Verfügung wurden in diesem Bereich auch Sitzblockaden, andere Blockaden des HAW-Transports oder das Bereiten jedweder sonstiger Hindernisse verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I oder III wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang angedroht (IV. der Verfügung). Unter VI. wurde bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
Die Allgemeinverfügung wurde am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe ohne Begründung bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne.
In der Begründung wurde ausgeführt, der Beklagten lägen für den Zeitraum des Castortransports durch das Stadtgebiet bislang lediglich zwei Anmeldungen für Mahnwachen vor. Es sei jedoch mit weiteren Demonstrationen zu rechnen. Trotz diverser bundesweiter Demonstrationsaufrufe verschiedener Organisationen sei es der Versammlungsbehörde nicht möglich, an Verantwortliche im Sinn von § 14 Abs. 2 VersammlG Einzelverfügungen zu adressieren, da keine Anmeldung im Sinn von § 14 Abs. 1 VersammlG erfolgt sei. Aus diesem Grund bleibe nur die gewählte Form der Allgemeinverfügung. Die Gefahrenprognose stütze sich auf Erfahrungen bei vergangenen Atomtransporten und auf aktuelle Aufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen im Internet. Fünf Vorfälle aus den Jahren 2004 - 2010 wurden ausdrücklich angeführt:
Am 07.11.2004 habe sich anlässlich eines Castortransports eine Gruppe von 20 - 25 Personen im Bereich Mannheim-Friedrichsfeld/Schwetzingen auf den Weg Richtung Gleisanlage gemacht. Es seien Platzverweise ausgesprochen und sechs Personen in Gewahrsam genommen worden. Nach den Gesamtumständen habe die Personengruppe die Gleise blockieren wollen.
Anlässlich eines Castortransports am 11.11.2006 habe ein Zug in Höhe Büchig (Stutensee) halten müssen, da im weiteren Streckenverlauf ein verdächtigtes Päckchen auf der Gleisanlage gelegen habe sowie in dessen Nähe ein Transparent „Stoppt den Castor“ über die Gleise gespannt worden sei. Kurze Zeit später habe der Zug wegen eines mit Holzstücken gefüllten Eimers auf den Schienen halten müssen. Fast zeitgleich hätten in Mannheim (Ansiedlung Alteichwald) fünf Personen aus einer sechsköpfigen Gruppe in Gewahrsam genommen werden müssen, nachdem sie einen Platzverweis nicht befolgt hatten. Ihre Absicht dürfe eine Gleisblockade gewesen sein. Zwischen Hockenheim und Oftersheim hätten sich ca. 30 Personen mit Fackeln im Gleisbereich zu Blockadezwecken versammelt. Nach Versammlungsauflösung seien Platzverweise erteilt worden. Zehn Personen seien in Gewahrsam genommen worden, da sie den Platzverweisen nicht nachgekommen seien. Die Zugfahrt sei um eine Stunde verzögert worden.
Bei einem Castortransport am 08./09.11.2008 hätten sich zwischen Berg und Neuburg (Rheinland-Pfalz) 11 Personen versammelt, von denen sich drei Personen mit einem Kunststoffrohr und Schnellzement an die Gleise gekettet hätten. Das Lösen der Blockade habe sich so schwierig und aufwendig gestaltet, dass die Weiterfahrt des Zuges sich um 14 Stunden verzögert habe. Nahezu zeitgleich seien drei einschlägig bekannte Personen der Anti-Atom-Szene mit mitgeführten faltbaren gelben Tonnen angetroffen worden. Den Personen seien Platzverweise erteilt worden, wobei eine Person nach vorangegangener Widerstandshandlung vorübergehend in Gewahrsam genommen worden sei. Aufgrund des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs (planmäßig hätte der Zug kurze Zeit später den Bahnhof Karlsruhe-Mühlburg passieren sollen) sei zu vermuten, dass die Personen ebenfalls eine Blockadeaktion beabsichtigt hätten. Im weiteren Verlauf habe der Zug erneut für ca. 25 Minuten halten müssen, nachdem die Bundespolizei metallische Geräusche im Schienenbereich wahrgenommen habe und eine Leuchtrakete in den Himmel abgeschossen worden sei.
Am 06.11.2010 hätten sich anlässlich eines Castortransports im Bereich Lauterbourg (Frankreich) zwei bekannte Aktivisten aus Heidelberg an den Gleisen festgekettet. Im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) hätten gleichzeitig bis zu 1.000 Demonstranten die Transportstrecke blockiert. Der Zug sei umgeleitet worden. Im weiteren Verlauf sei eine Brücke, die der Zug überfahren sollte, blockiert worden. Die rechtswidrige Versammlung sei aufgelöst worden. 11 Personen hätten von der Brücke weggetragen werden müssen. Dabei sei es zu Widerstandshandlungen gegen Polizeikräfte der Bundespolizei gekommen. Es seien drei Personen festgenommen worden. Nachdem die Zugumleitung bekannt geworden sei, sei es im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe zu einer Versammlung von ca. 250–300 Personen gekommen, darunter auch ca. 20 Autonome der Anti-Atom-Szene. Die Personen hätten versucht, durch Überrennen eine Polizeiabsperrung zu überwinden, um auf der Gleisanlage eine Blockade zu errichten. Dieses Vorhaben habe nur durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung unmittelbaren Zwangs verhindert werden können. Es sei zu vier Widerstandshandlungen sowie zu einer Beleidigung zum Nachteil der Einsatzkräfte gekommen. Vermutlich aus Protest gegen die Eingriffsmaßnahmen der Polizei gegenüber den Straftätern habe sich in der Folge ein spontaner Aufzug (ca. 80 – 100 Personen) vom Hauptbahnhof in Richtung Polizeipräsidium Karlsruhe bewegt und „Lasst sie frei“ skandiert.
Ein Transport am 15.12.2010 sei störungsfrei verlaufen, nachdem die Einsatzleitung in Frankreich kurzfristig eine Streckenänderung verfügt habe.
10 
Zu den Protest- und Blockadeaufrufen im Internet hieß es u.a.:
11 
Auf der Internetseite www.nachttanzblockade.de werde mit den Worten „Mach mit, bleib wach, besetze, blockiere!“, „Wir stoppen mit einer Gleisbesetzung den Castor“ und „Teig mischen? Beton mischen? Mitmischen!“ ausdrücklich zu Blockaden aufgerufen. Die Blockade solle „in Karlsruhe-Neureut, wenn der Castor rollt“ stattfinden. Unter der Rubrik „Mitmischen“ erscheine eine Checkliste, welche Gegenstände zur Blockadeaktion mitgebracht werden sollten, u.a.
12 
- Werkzeug zum Reparieren von Zäunen, Straßen etc.,
- dichte Plastiktüte zum Verpacken Tränengas verseuchter Klamotten,
- Augenspülflasche mit klarem Wasser,
- Medikamente für mehrere Tage,
- Sitzkissen,
- keine Schminke und Fettcreme (bindet Tränengas).
13 
Das Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand-Neckarwestheim rufe auf http://neckarwestheim.antiatom.net gemeinsam mit den Südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen dazu auf, „gegen die Atommüllverschiebung von Karlsruhe nach Lubmin am Transporttag (16.02.2011) entlang den Straßenbahnschienen in Karlsruhe zu demonstrieren und Aktionen entlang der gesamten Transportstrecke durchzuführen.
14 
Auf der Seite www.lubmin-nixda.de werde zur regen Teilnahme an bundesweiten Demonstrationen am 12.02.2011 entlang der möglichen Transportstrecken und zum „Widerstand im ganzen Land gegen diesen Castortransport, denn Atommüll geht uns alle an!“ aufgerufen. Für die darauffolgenden Tage (15.-18.02.2011) werde dazu aufgerufen, sich am Protest zu beteiligen: „Organisiert bei Euch an der Strecke Widerstand und stoppt den Castor am Tag X“.
15 
Die „Linksjugend (Solid) Karlsruhe“ rufe auf der Internetseite http://solidka.wordpress.com/castor zur Transportblockade auf. Neben einem eigenen Flyer werde auf die Internetseite der Nachttanzblockade verwiesen.
16 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kam die Beklagte zu dem Schluss, dass im Zusammenhang mit dem am 15./16.02.2011 stattfindenden Castortransport mit massiven Störungen des Zuglaufs durch Blockadeaktionen bzw. Einwirkungen auf den Schienenstrang oder den Transportzug selbst gerechnet werden müsse. Wie viele Personen sich an den Protesten beteiligen werden, sei nicht absehbar. Vor dem Hintergrund der zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung von Atomanlagen sowie der Zwischen- und Endlagerproblematik sei jedoch von einem erheblichen Mobilisierungsgrad auszugehen. Unmittelbaren lokalen Bezug entfalte zudem der Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg. Dass lediglich zwei Mahnwachen angemeldet worden seien, im Internet jedoch aktiv zu Protesten aufgerufen werde, lasse auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der Veranstalter schließen.
17 
Die Allgemeinverfügung sei das mildeste Mittel, welches in Anbetracht der Gefahrenprognose die Transportsicherung noch mit hinreichender Sicherheit gewährleiste. Der räumliche Geltungsbereich müsse in der Breite so gestaltet sein, dass das Durchsickern von Demonstranten zur Transportstrecke sowie das Erreichen des Zuges mit Wurfgeschossen nicht möglich sei. In zeitlicher Hinsicht bedürfe es aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit eines ausreichenden Zeitpuffers, um etwaige Transportverzögerungen aufzufangen.
18 
Am 14.02.2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung und beantragte gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.02.2011 (- 3 K 394/11 - juris) ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - zurück. Der Widerspruch wurde nicht mehr beschieden.
19 
Am 05.07.2011 erhob der Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger bei zukünftigen Transporten von radioaktivem Müll durch Karlsruhe Versammlungen zur zeitnahen Information der betroffenen Bevölkerung über die mit dem Atommülltransport auf S-Bahn-Gleisen quer durch Wohngebiete einhergehende Gefährdung durchführen könne. Vielmehr sei zu befürchten, dass er auch künftig keine Versammlungen mit öffentlicher Messung der von Atommülltransporten ausgehenden Strahlung direkt am vorbeifahrenden Zug mit Castoren durchführen könne, da damit zu rechnen sei, dass die Beklagte dies erneut durch vergleichbare Allgemeinverfügungen zu verhindern suche. Die Allgemeinverfügung sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, da sie nicht an die Bürgerinnen und Bürger ausgehändigt und ohne Begründung veröffentlicht worden sei. Dies habe die Rechtsschutzmöglichkeiten unzulässig eingeschränkt. Die Allgemeinverfügung sei in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unverhältnismäßig gewesen. Sie habe die Versammlungsfreiheit für einen Zeitraum von 48 Stunden in einem großen Gebiet quer durch Karlsruhe, darunter u. a. am Bahnhofsplatz, für Versammlungen aller Art und unabhängig vom Thema, außer Kraft gesetzt. Der von der Allgemeinverfügung betroffene Personenkreis sei viel zu unbestimmt gewesen, weshalb bereits die Anreise per Stadtbahn zur Dauermahnwache einen Verstoß dargestellt habe. Die Gefahrenprognose sei nicht auf vergleichbare Sachverhalte gestützt worden. Schließlich habe kein polizeilicher Notstand vorgelegen. Die Polizeikräfte hätten ausgereicht, um etwaige rechtswidrige Versammlungen aufzulösen.
20 
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - entgegen.
21 
Mit Urteil vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. In formeller Hinsicht bestünden keine Bedenken gegen die Allgemeinverfügung. Ihr Erlass und die öffentliche Bekanntmachung seien gerechtfertigt gewesen. Da bei dem Castortransport mit einer Mehrzahl lose verbundener Veranstalter und einzelner Demonstranten-gruppen ohne besondere innere Struktur habe gerechnet werden müssen, sei es nicht möglich gewesen, jedem einzelnen Teilnehmer oder Veranstalter gegenüber eine Einzelverfügung bekannt zu geben. Dies rechtfertige ein allgemeines Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung. Einer öffentlichen Bekanntmachung auch der Begründung habe es nicht bedurft. Die Allgemeinverfügung sei auch in der Sache nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG im Zeitpunkt ihres Erlasses vorgelegen hätten. Es habe eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Die Beklagte habe in der Allgemeinverfügung zu Recht angenommen, dass die Erfahrung mit zurückliegenden Castortransporten die Annahme rechtfertige, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere durch Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffe in den Bahnverkehr - bestanden habe. Ferner seien zahlreiche Indizien, insbesondere Internetaufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen, aufgeführt, die auch bei dem seinerzeit bevorstehenden Transport für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Rechtsgüterverletzungen gesprochen hätten. Hervorzuheben seien die zahlreichen Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite www.nachttanzblockade.de verwiesen hätten. Aus der Gesamtheit der von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien habe sich die konkrete Erwartung ergeben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Blockaden der Schienenstrecke seien von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellten eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar, weil gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung sowie möglicherweise gegen § 315 StGB verstoßen werde. Die von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose habe der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Die Beklagte sei zu Recht von einem polizeilichen Notstand ausgegangen, der es rechtfertige, einschränkend auf die Modalitäten der Versammlungsdurchführung einzuwirken, um den polizeilichen Schutzauftrag umfassend und wirksam erfüllen zu können. Ohne den Erlass der Allgemeinverfügung hätte der konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht hinreichend begegnet werden können. Die Beklagte und die Polizei hätten es personalmäßig nicht gewährleisten können, in jedem Einzelfall eine individuelle Gefahrenprognose für alle angemeldeten, vor allem aber auch alle unangemeldeten Versammlungen zu treffen. Die Regelungen der Allgemeinverfügung seien auch verhältnismäßig gewesen. Dass der Korridor, in dem Versammlungen verboten gewesen seien, 50 m beidseits der Transportstrecke sowie angrenzende Gebiete erfasst habe, sei nicht zu beanstanden. In der Allgemeinverfügung sei dieser Abstand nachvollziehbar mit dem Wurf von Gegenständen sowie der Gefahr des „Durchsickerns“ von Demonstranten begründet worden. Mit dieser Begründung hätten auch an die Transportstrecke angrenzende Straßen und die dazwischen liegenden Bereiche sowie der stark frequentierte und damit schwer zu kontrollierende Bahnhofsvorplatz in die Allgemeinverfügung aufgenommen werden dürfen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen sei, dass auch friedliche Versammlungen dazu genutzt würden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen. In zeitlicher Hinsicht sei das Versammlungsverbot gut nachzuvollziehen, da ein Zeitpuffer eingeplant werden müsse.
22 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 09.08.2012 - 1 S 210/12 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.
23 
Der Kläger beantragt,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - zu ändern und festzustellen, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.
25 
Die Beklagte beantragt,
26 
die Berufung zurückzuweisen.
27 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
28 
Mit der Ladung zum Termin wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgelegten Akten nur eingeschränkt eine zuverlässige Überprüfung der in der Allgemeinverfügung getroffenen Gefahrprognose erlaubten. Üblicherweise werde die Gefahrprognose aufgrund einer polizeilichen Lageeinschätzung getroffen. Eine solche sei dem Senat nicht vorgelegt worden. Eine Überprüfung der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands sei ohne Kenntnis der Zahl der damals voraussichtlich benötigten und der tatsächlich zur Verfügung stehenden Polizeibeamten kaum möglich.
29 
Die Beklagte teilte darauf mit Schriftsatz vom 19.09.2013 mit, dass ihr keine weiteren Akten vorlägen, die nachgereicht werden könnten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Vertreter der Beklagten, dass es keine polizeiliche Lageeinschätzung gegeben habe, wenn eine solche in den vorgelegten Akten nicht enthalten sei. Der Versammlungsbehörde seien aber wohl Informationen der Polizei „zugespielt worden“. Er erklärte weiter, dass der Beklagten ex ante bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
30 
Dem Senat liegen die von der Beklagten vorgelegten Akten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 - 3 K 1817/11 - geändert.

Es wird festgestellt, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Allgemeinverfügung erlassenen Versammlungsverbots zur Sicherung eines Castortransports.
Mit einer auf § 15 Abs. 1 VersammlG und § 35 Satz 2 LVwVfG gestützten Allgemeinverfügung vom 08.02.2011 untersagte die Beklagte - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 15.02.2011, 0.00 Uhr bis zum 16.02.2011, 24.00 Uhr (I. der Verfügung). Der räumliche Geltungsbereich des Versammlungsverbots wurde in den Anlagen 1 und 2 zur Allgemeinverfügung festgelegt (II. der Verfügung). Er umfasste einen Korridor von jeweils 50 m Breite beidseits der Gleise entlang der Schienentransportstrecke des beabsichtigten Transports von HAW-Glaskokillen in Castor-Behältern sowie im Einzelnen bezeichnete Straßen und Straßenabschnitte einschließlich der dazwischen liegenden Flächen auf dem Gebiet der Beklagten. Nach III. der Verfügung wurden in diesem Bereich auch Sitzblockaden, andere Blockaden des HAW-Transports oder das Bereiten jedweder sonstiger Hindernisse verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I oder III wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang angedroht (IV. der Verfügung). Unter VI. wurde bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
Die Allgemeinverfügung wurde am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe ohne Begründung bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne.
In der Begründung wurde ausgeführt, der Beklagten lägen für den Zeitraum des Castortransports durch das Stadtgebiet bislang lediglich zwei Anmeldungen für Mahnwachen vor. Es sei jedoch mit weiteren Demonstrationen zu rechnen. Trotz diverser bundesweiter Demonstrationsaufrufe verschiedener Organisationen sei es der Versammlungsbehörde nicht möglich, an Verantwortliche im Sinn von § 14 Abs. 2 VersammlG Einzelverfügungen zu adressieren, da keine Anmeldung im Sinn von § 14 Abs. 1 VersammlG erfolgt sei. Aus diesem Grund bleibe nur die gewählte Form der Allgemeinverfügung. Die Gefahrenprognose stütze sich auf Erfahrungen bei vergangenen Atomtransporten und auf aktuelle Aufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen im Internet. Fünf Vorfälle aus den Jahren 2004 - 2010 wurden ausdrücklich angeführt:
Am 07.11.2004 habe sich anlässlich eines Castortransports eine Gruppe von 20 - 25 Personen im Bereich Mannheim-Friedrichsfeld/Schwetzingen auf den Weg Richtung Gleisanlage gemacht. Es seien Platzverweise ausgesprochen und sechs Personen in Gewahrsam genommen worden. Nach den Gesamtumständen habe die Personengruppe die Gleise blockieren wollen.
Anlässlich eines Castortransports am 11.11.2006 habe ein Zug in Höhe Büchig (Stutensee) halten müssen, da im weiteren Streckenverlauf ein verdächtigtes Päckchen auf der Gleisanlage gelegen habe sowie in dessen Nähe ein Transparent „Stoppt den Castor“ über die Gleise gespannt worden sei. Kurze Zeit später habe der Zug wegen eines mit Holzstücken gefüllten Eimers auf den Schienen halten müssen. Fast zeitgleich hätten in Mannheim (Ansiedlung Alteichwald) fünf Personen aus einer sechsköpfigen Gruppe in Gewahrsam genommen werden müssen, nachdem sie einen Platzverweis nicht befolgt hatten. Ihre Absicht dürfe eine Gleisblockade gewesen sein. Zwischen Hockenheim und Oftersheim hätten sich ca. 30 Personen mit Fackeln im Gleisbereich zu Blockadezwecken versammelt. Nach Versammlungsauflösung seien Platzverweise erteilt worden. Zehn Personen seien in Gewahrsam genommen worden, da sie den Platzverweisen nicht nachgekommen seien. Die Zugfahrt sei um eine Stunde verzögert worden.
Bei einem Castortransport am 08./09.11.2008 hätten sich zwischen Berg und Neuburg (Rheinland-Pfalz) 11 Personen versammelt, von denen sich drei Personen mit einem Kunststoffrohr und Schnellzement an die Gleise gekettet hätten. Das Lösen der Blockade habe sich so schwierig und aufwendig gestaltet, dass die Weiterfahrt des Zuges sich um 14 Stunden verzögert habe. Nahezu zeitgleich seien drei einschlägig bekannte Personen der Anti-Atom-Szene mit mitgeführten faltbaren gelben Tonnen angetroffen worden. Den Personen seien Platzverweise erteilt worden, wobei eine Person nach vorangegangener Widerstandshandlung vorübergehend in Gewahrsam genommen worden sei. Aufgrund des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs (planmäßig hätte der Zug kurze Zeit später den Bahnhof Karlsruhe-Mühlburg passieren sollen) sei zu vermuten, dass die Personen ebenfalls eine Blockadeaktion beabsichtigt hätten. Im weiteren Verlauf habe der Zug erneut für ca. 25 Minuten halten müssen, nachdem die Bundespolizei metallische Geräusche im Schienenbereich wahrgenommen habe und eine Leuchtrakete in den Himmel abgeschossen worden sei.
Am 06.11.2010 hätten sich anlässlich eines Castortransports im Bereich Lauterbourg (Frankreich) zwei bekannte Aktivisten aus Heidelberg an den Gleisen festgekettet. Im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) hätten gleichzeitig bis zu 1.000 Demonstranten die Transportstrecke blockiert. Der Zug sei umgeleitet worden. Im weiteren Verlauf sei eine Brücke, die der Zug überfahren sollte, blockiert worden. Die rechtswidrige Versammlung sei aufgelöst worden. 11 Personen hätten von der Brücke weggetragen werden müssen. Dabei sei es zu Widerstandshandlungen gegen Polizeikräfte der Bundespolizei gekommen. Es seien drei Personen festgenommen worden. Nachdem die Zugumleitung bekannt geworden sei, sei es im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe zu einer Versammlung von ca. 250–300 Personen gekommen, darunter auch ca. 20 Autonome der Anti-Atom-Szene. Die Personen hätten versucht, durch Überrennen eine Polizeiabsperrung zu überwinden, um auf der Gleisanlage eine Blockade zu errichten. Dieses Vorhaben habe nur durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung unmittelbaren Zwangs verhindert werden können. Es sei zu vier Widerstandshandlungen sowie zu einer Beleidigung zum Nachteil der Einsatzkräfte gekommen. Vermutlich aus Protest gegen die Eingriffsmaßnahmen der Polizei gegenüber den Straftätern habe sich in der Folge ein spontaner Aufzug (ca. 80 – 100 Personen) vom Hauptbahnhof in Richtung Polizeipräsidium Karlsruhe bewegt und „Lasst sie frei“ skandiert.
Ein Transport am 15.12.2010 sei störungsfrei verlaufen, nachdem die Einsatzleitung in Frankreich kurzfristig eine Streckenänderung verfügt habe.
10 
Zu den Protest- und Blockadeaufrufen im Internet hieß es u.a.:
11 
Auf der Internetseite www.nachttanzblockade.de werde mit den Worten „Mach mit, bleib wach, besetze, blockiere!“, „Wir stoppen mit einer Gleisbesetzung den Castor“ und „Teig mischen? Beton mischen? Mitmischen!“ ausdrücklich zu Blockaden aufgerufen. Die Blockade solle „in Karlsruhe-Neureut, wenn der Castor rollt“ stattfinden. Unter der Rubrik „Mitmischen“ erscheine eine Checkliste, welche Gegenstände zur Blockadeaktion mitgebracht werden sollten, u.a.
12 
- Werkzeug zum Reparieren von Zäunen, Straßen etc.,
- dichte Plastiktüte zum Verpacken Tränengas verseuchter Klamotten,
- Augenspülflasche mit klarem Wasser,
- Medikamente für mehrere Tage,
- Sitzkissen,
- keine Schminke und Fettcreme (bindet Tränengas).
13 
Das Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand-Neckarwestheim rufe auf http://neckarwestheim.antiatom.net gemeinsam mit den Südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen dazu auf, „gegen die Atommüllverschiebung von Karlsruhe nach Lubmin am Transporttag (16.02.2011) entlang den Straßenbahnschienen in Karlsruhe zu demonstrieren und Aktionen entlang der gesamten Transportstrecke durchzuführen.
14 
Auf der Seite www.lubmin-nixda.de werde zur regen Teilnahme an bundesweiten Demonstrationen am 12.02.2011 entlang der möglichen Transportstrecken und zum „Widerstand im ganzen Land gegen diesen Castortransport, denn Atommüll geht uns alle an!“ aufgerufen. Für die darauffolgenden Tage (15.-18.02.2011) werde dazu aufgerufen, sich am Protest zu beteiligen: „Organisiert bei Euch an der Strecke Widerstand und stoppt den Castor am Tag X“.
15 
Die „Linksjugend (Solid) Karlsruhe“ rufe auf der Internetseite http://solidka.wordpress.com/castor zur Transportblockade auf. Neben einem eigenen Flyer werde auf die Internetseite der Nachttanzblockade verwiesen.
16 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kam die Beklagte zu dem Schluss, dass im Zusammenhang mit dem am 15./16.02.2011 stattfindenden Castortransport mit massiven Störungen des Zuglaufs durch Blockadeaktionen bzw. Einwirkungen auf den Schienenstrang oder den Transportzug selbst gerechnet werden müsse. Wie viele Personen sich an den Protesten beteiligen werden, sei nicht absehbar. Vor dem Hintergrund der zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung von Atomanlagen sowie der Zwischen- und Endlagerproblematik sei jedoch von einem erheblichen Mobilisierungsgrad auszugehen. Unmittelbaren lokalen Bezug entfalte zudem der Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg. Dass lediglich zwei Mahnwachen angemeldet worden seien, im Internet jedoch aktiv zu Protesten aufgerufen werde, lasse auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der Veranstalter schließen.
17 
Die Allgemeinverfügung sei das mildeste Mittel, welches in Anbetracht der Gefahrenprognose die Transportsicherung noch mit hinreichender Sicherheit gewährleiste. Der räumliche Geltungsbereich müsse in der Breite so gestaltet sein, dass das Durchsickern von Demonstranten zur Transportstrecke sowie das Erreichen des Zuges mit Wurfgeschossen nicht möglich sei. In zeitlicher Hinsicht bedürfe es aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit eines ausreichenden Zeitpuffers, um etwaige Transportverzögerungen aufzufangen.
18 
Am 14.02.2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung und beantragte gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.02.2011 (- 3 K 394/11 - juris) ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - zurück. Der Widerspruch wurde nicht mehr beschieden.
19 
Am 05.07.2011 erhob der Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Es sei nicht sichergestellt, dass der Kläger bei zukünftigen Transporten von radioaktivem Müll durch Karlsruhe Versammlungen zur zeitnahen Information der betroffenen Bevölkerung über die mit dem Atommülltransport auf S-Bahn-Gleisen quer durch Wohngebiete einhergehende Gefährdung durchführen könne. Vielmehr sei zu befürchten, dass er auch künftig keine Versammlungen mit öffentlicher Messung der von Atommülltransporten ausgehenden Strahlung direkt am vorbeifahrenden Zug mit Castoren durchführen könne, da damit zu rechnen sei, dass die Beklagte dies erneut durch vergleichbare Allgemeinverfügungen zu verhindern suche. Die Allgemeinverfügung sei nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, da sie nicht an die Bürgerinnen und Bürger ausgehändigt und ohne Begründung veröffentlicht worden sei. Dies habe die Rechtsschutzmöglichkeiten unzulässig eingeschränkt. Die Allgemeinverfügung sei in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unverhältnismäßig gewesen. Sie habe die Versammlungsfreiheit für einen Zeitraum von 48 Stunden in einem großen Gebiet quer durch Karlsruhe, darunter u. a. am Bahnhofsplatz, für Versammlungen aller Art und unabhängig vom Thema, außer Kraft gesetzt. Der von der Allgemeinverfügung betroffene Personenkreis sei viel zu unbestimmt gewesen, weshalb bereits die Anreise per Stadtbahn zur Dauermahnwache einen Verstoß dargestellt habe. Die Gefahrenprognose sei nicht auf vergleichbare Sachverhalte gestützt worden. Schließlich habe kein polizeilicher Notstand vorgelegen. Die Polizeikräfte hätten ausgereicht, um etwaige rechtswidrige Versammlungen aufzulösen.
20 
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 15.02.2011 - 1 S 361/11 - entgegen.
21 
Mit Urteil vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. In formeller Hinsicht bestünden keine Bedenken gegen die Allgemeinverfügung. Ihr Erlass und die öffentliche Bekanntmachung seien gerechtfertigt gewesen. Da bei dem Castortransport mit einer Mehrzahl lose verbundener Veranstalter und einzelner Demonstranten-gruppen ohne besondere innere Struktur habe gerechnet werden müssen, sei es nicht möglich gewesen, jedem einzelnen Teilnehmer oder Veranstalter gegenüber eine Einzelverfügung bekannt zu geben. Dies rechtfertige ein allgemeines Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung. Einer öffentlichen Bekanntmachung auch der Begründung habe es nicht bedurft. Die Allgemeinverfügung sei auch in der Sache nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG im Zeitpunkt ihres Erlasses vorgelegen hätten. Es habe eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Die Beklagte habe in der Allgemeinverfügung zu Recht angenommen, dass die Erfahrung mit zurückliegenden Castortransporten die Annahme rechtfertige, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere durch Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffe in den Bahnverkehr - bestanden habe. Ferner seien zahlreiche Indizien, insbesondere Internetaufrufe zu Protest- und Blockadeaktionen, aufgeführt, die auch bei dem seinerzeit bevorstehenden Transport für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Rechtsgüterverletzungen gesprochen hätten. Hervorzuheben seien die zahlreichen Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite www.nachttanzblockade.de verwiesen hätten. Aus der Gesamtheit der von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien habe sich die konkrete Erwartung ergeben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Blockaden der Schienenstrecke seien von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellten eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar, weil gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung sowie möglicherweise gegen § 315 StGB verstoßen werde. Die von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose habe der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Die Beklagte sei zu Recht von einem polizeilichen Notstand ausgegangen, der es rechtfertige, einschränkend auf die Modalitäten der Versammlungsdurchführung einzuwirken, um den polizeilichen Schutzauftrag umfassend und wirksam erfüllen zu können. Ohne den Erlass der Allgemeinverfügung hätte der konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht hinreichend begegnet werden können. Die Beklagte und die Polizei hätten es personalmäßig nicht gewährleisten können, in jedem Einzelfall eine individuelle Gefahrenprognose für alle angemeldeten, vor allem aber auch alle unangemeldeten Versammlungen zu treffen. Die Regelungen der Allgemeinverfügung seien auch verhältnismäßig gewesen. Dass der Korridor, in dem Versammlungen verboten gewesen seien, 50 m beidseits der Transportstrecke sowie angrenzende Gebiete erfasst habe, sei nicht zu beanstanden. In der Allgemeinverfügung sei dieser Abstand nachvollziehbar mit dem Wurf von Gegenständen sowie der Gefahr des „Durchsickerns“ von Demonstranten begründet worden. Mit dieser Begründung hätten auch an die Transportstrecke angrenzende Straßen und die dazwischen liegenden Bereiche sowie der stark frequentierte und damit schwer zu kontrollierende Bahnhofsvorplatz in die Allgemeinverfügung aufgenommen werden dürfen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen sei, dass auch friedliche Versammlungen dazu genutzt würden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen. In zeitlicher Hinsicht sei das Versammlungsverbot gut nachzuvollziehen, da ein Zeitpuffer eingeplant werden müsse.
22 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 09.08.2012 - 1 S 210/12 - zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.
23 
Der Kläger beantragt,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24.11.2011 - 3 K 1817/11 - zu ändern und festzustellen, dass das Versammlungsverbot (Ziffern I. und II.) und die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung (Ziffer IV.) in der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 08.02.2011 rechtswidrig waren.
25 
Die Beklagte beantragt,
26 
die Berufung zurückzuweisen.
27 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
28 
Mit der Ladung zum Termin wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgelegten Akten nur eingeschränkt eine zuverlässige Überprüfung der in der Allgemeinverfügung getroffenen Gefahrprognose erlaubten. Üblicherweise werde die Gefahrprognose aufgrund einer polizeilichen Lageeinschätzung getroffen. Eine solche sei dem Senat nicht vorgelegt worden. Eine Überprüfung der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands sei ohne Kenntnis der Zahl der damals voraussichtlich benötigten und der tatsächlich zur Verfügung stehenden Polizeibeamten kaum möglich.
29 
Die Beklagte teilte darauf mit Schriftsatz vom 19.09.2013 mit, dass ihr keine weiteren Akten vorlägen, die nachgereicht werden könnten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Vertreter der Beklagten, dass es keine polizeiliche Lageeinschätzung gegeben habe, wenn eine solche in den vorgelegten Akten nicht enthalten sei. Der Versammlungsbehörde seien aber wohl Informationen der Polizei „zugespielt worden“. Er erklärte weiter, dass der Beklagten ex ante bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
30 
Dem Senat liegen die von der Beklagten vorgelegten Akten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
31 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die im Berufungsverfahren erfolgte Beschränkung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar; sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig.
II.
32 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Klage gegen das Versammlungsverbot ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (1.) und begründet (2.).
33 
1. a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot handelte es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG). Anlass der Allgemeinverfügung war der beabsichtigte Castortransport. Da es sich um einen einzelnen und konkret erkennbaren Lebenssachverhalt handelte, nahm der Umstand, dass sich das Versammlungsverbot auf eine Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern ausgewirkt hat, der Allgemeinverfügung nicht den Charakter eines einzelfallbezogenen Verwaltungsakts (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008,987). Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier - bereits vor Klageerhebung, findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 <190>; Senatsurteile vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - VBlBW 2011, 155, vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61 und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473, jeweils m.w.N.).
34 
b) Die Durchführung des mit Einlegung des Widerspruchs eingeleiteten Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O. m.w.N.).
35 
c) Die sogenannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier bei einer Klageerhebung binnen Jahresfrist nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <208 f.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
36 
d) Ferner ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung des erledigten Verwaltungsakts erforderlich; die diesbezüglichen Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O. und Urt. v. 28.03.2012 - 6 C 12.11 - BVerwGE 143, 74 <76> Rn. 15; Senatsurteile vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
37 
Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sind die Besonderheiten der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht jedoch dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.). Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt dabei zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Betroffenen voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - a.a.O. S.90; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.02.2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405).
38 
Danach ist hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Ein Versammlungsverbot in Gestalt einer Allgemeinverfügung stellt stets eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit dar. Da der Protest der Atomkraftgegner sich nicht nur gegen den Betrieb von Atomkraftwerken an sich richtet, sondern auch gegen den Umgang mit den radioaktiven Abfallprodukten, werden Castortransporte und andere Transporte radioaktiver Abfallprodukte trotz des inzwischen beschlossenen Atomausstiegs auch in Zukunft Anlass zu Versammlungen und auch zu nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckten Protestaktionen wie etwa Blockaden der Transportstrecke bieten. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, auch anlässlich künftiger Atommülltransporte durch Karlsruhe Versammlungen unmittelbar an der Transportstrecke veranstalten zu wollen. Es ist zu erwarten, dass die Beklagte, die an ihrer Rechtsauffassung festhält, zur Sicherung solcher Transporte wiederum der streitgegenständlichen Verfügung vergleichbare Allgemeinverfügungen erlassen wird. Sie hat nicht zu erkennen gegeben, von diesem Instrument künftig in vergleichbaren Situationen keinen Gebrauch mehr machen zu wollen.
39 
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das streitgegenständliche Versammlungsverbot in der Form einer Allgemeinverfügung war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war die Allgemeinverfügung formell rechtmäßig (a)) und hinreichend bestimmt (b)). Es spricht auch vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG für den Erlass versammlungsbeschränkender Maßnahmen vorgelegen haben (c)). Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands gegeben waren (d)).
40 
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Allgemeinverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben.
41 
Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG darf eine Allgemeinverfügung auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Rede stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 41 Rn. 46). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Aufgrund der Aufrufe im Internet zu verschiedenen Formen des Protestes, die nicht mit entsprechenden Anmeldungen von Versammlungen korrespondierten, war es nicht möglich, jedem einzelnen potentiellen Veranstalter oder Teilnehmer die Allgemeinverfügung oder gar eine Einzelverfügung bekannt zu geben.
42 
Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG wird die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde mit der Bekanntgabe des verfügenden Teils der Allgemeinverfügung am 11.02.2011 im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe erfüllt. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass die vollständige Begründung während der Öffnungszeiten beim Ordnungs- und Bürgeramt der Beklagten eingesehen werden könne. Abweichend von § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt, wurde gemäß Satz 4 dieser Vorschrift bestimmt, dass die Allgemeinverfügung ab dem der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben gilt.
43 
Für einen Verstoß dieser Bekanntgabevorschriften oder ihrer Handhabung im Einzelfall gegen höherrangiges Recht ist nichts ersichtlich. Der Umstand, dass es dem Kläger möglich war, bereits am 14.02.2011 Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen und um Eilrechtsschutz nachzusuchen, belegt, dass die Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht unzumutbar erschwert wurden.
44 
b) Die Allgemeinverfügung war sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Adressatenkreises hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG).
45 
Für die inhaltliche Bestimmtheit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
46 
Daran gemessen war die Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt. Durch die Angabe des § 15 Abs. 1 VersammlG als Rechtsgrundlage und die Verwendung der auch im Versammlungsgesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der Versammlung unter freiem Himmel und des Aufzugs war hinreichend klar, welche Verhaltensweisen von dem Versammlungsverbot erfasst sind. Der Versammlungsbegriff ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend konturiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 [Fuckparade 2001]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 [Blockadeaktion]; Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 [Love Parade]). Eine Versammlung ist danach die örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Individuelle Meinungsbekundungen etwa durch das Tragen von Ansteckern und auch die Anreise zu einer Versammlung wurden danach von der Allgemeinverfügung nicht erfasst. Gleiches gilt für öffentliche Messungen der Radioaktivität, soweit sie nicht mit einer kollektiven Meinungskundgabe einhergehen.
47 
Einer konkreten Bezeichnung des Adressatenkreises der Allgemeinverfügung bedurfte es nicht, da dieser sich ohne weiteres aus dem Regelungsinhalt des Versammlungsverbots ergab. Adressat war danach jede Person, die innerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug teilnehmen wollte. Der Adressatenkreis war damit - wie dies für eine personenbezogene Allgemeinverfügung kennzeichnend ist - nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Dem entsprechend wurde die Anwendung von unmittelbarem Zwang unter IV. der Verfügung „den Versammlungsteilnehmern“ angedroht. Eine weitere Konkretisierung des Adressatenkreises war nicht möglich, da die Allgemeinverfügung auf eine unbestimmte Vielzahl von Versammlungen und von Versammlungsteilnehmern zielte.
48 
c) Es spricht vieles dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG vorgelegen haben.
49 
aa) Versammlungsbeschränkende Maßnahmen dürfen nach § 15 Abs. 1 VersammlG nur ergriffen werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen, deren Beschränkung für Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich zulässig ist. Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315 [Brokdorf II]). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834; Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - DVBl 2008, 987 m.w.N.).
50 
bb) Hier bereitet die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersammlG Schwierigkeiten, weil in den von der Beklagten vorgelegten Akten nicht dokumentiert ist, welche Erkenntnisse ihr bei Erlass der Allgemeinverfügung zur Verfügung standen und die Beklagte hierzu auch keine verbindlichen Angaben machen konnte. Aus den in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten Erkenntnissen kann nur indirekt darauf geschlossen werden, dass diese auf entsprechenden Informationen seitens der Polizei - etwa auf einer polizeilichen Lageeinschätzung - beruhen.
51 
cc) Sieht man über diese Unsicherheiten hinweg, so erweist sich die auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Gefahrenprognose jedoch im Grundsatz als tragfähig. Es waren erkennbare Umstände, d.h. Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gegeben, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründeten. Die in der Begründung angeführten Erfahrungen aus zurückliegenden Castortransporten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass auch bei dem streitgegenständlichen Castortransport eine hohe Gefahr der Verletzung elementarer Rechtsgüter - insbesondere Blockaden von Abschnitten der Transportstrecke und Eingriffen in den Bahnverkehr - bestand. Dafür sprachen auch die ebenfalls in der Begründung angeführten Blockadeaufrufe im Internet, die größtenteils auf die Webseite „www.nachttanzblockade.de“ verwiesen. In einer Gesamtschau dürften die von der Beklagten in der Allgemeinverfügung aufgeführten Indizien die Prognose gerechtfertigt haben, dass durch verschiedene Aktionen die Transportstrecke blockiert werden sollte. Derartige Blockadeaktionen auf der Schienenstrecke sind von vornherein nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt und stellen eine nicht hinzunehmende Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Denn eine Sitzblockade auf den Schienen einer dem öffentlichen Eisenbahnverkehr dienenden Schienenstrecke stellt zumindest einen Verstoß gegen § 62 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung - EBO - dar und kann darüber hinaus auch als Transportgefährdung gemäß § 315 StGB strafbar sein. Der Verstoß gegen die EBO und gegen § 315 StGB durch derartige Blockaden ist nicht durch das Versammlungsrecht gerechtfertigt (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.03.1998 - 1 BvR 2165/96 - juris). Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstwie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - BVerfGE 104, 92; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl., § 15 Rn. 195 f.; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 <259 f.>; Nds. OVG, Urt. v. 29.05.2008 - 11 LC 138/06 - a.a.O.).
52 
Die Gefahr von Blockadeaktionen dürfte ebenso wie die Gefahr des Werfens von Gegenständen auf die Transportstrecke versammlungsbeschränkende Maßnahmen in einem Korridor entlang der Strecke grundsätzlich gerechtfertigt haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger selbst Rechtsverletzungen in der Vergangenheit zu verantworten hatte oder nicht. Es ist auch nicht entscheidend, ob von den angemeldeten Versammlungen in Karlsruhe-Neureut voraussichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging. Denn die Allgemeinverfügung betraf nicht nur den Kläger, sondern alle Demonstrationsteilnehmer, d.h. eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten/Versammlungsteilnehmer. Es kommt deshalb auf eine Gesamtbetrachtung an, d.h. ob aus dem Kreis aller Teilnehmer von Demonstrationen und sonstigen "Aktionen" entlang der Transportstrecke eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Hier spricht vieles dafür, dass die Prognose gerechtfertigt war, dass sich aus zunächst friedlichen Versammlungen rechtswidrige Blockadeaktionen entwickeln und weitere Straftaten wie etwa Gefährdungen des Schienenverkehrs begangen werden. Auch die Befürchtung, dass friedliche Versammlungen genutzt werden, um an die Transportstrecke zu gelangen und aus dem Schutz der Versammlung heraus zu Verhinderungsblockaden und anderen rechtswidrigen Aktionen überzugehen, dürfte gerechtfertigt gewesen sein.
53 
d) Letztlich kann der Senat dies aber offenlassen, weil die zu erwartenden Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit jedenfalls nicht den Erlass eines räumlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen, wie die Beklagte es in Gestalt der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung erlassen hat, gerechtfertigt haben. Denn ein solches Versammlungsverbot darf nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erlassen werden und mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Notstand gegeben war.
54 
aa) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein vollständiges Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet war, wäre sie nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorgelegen hätten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 f.; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 m.w.N.). Denn insoweit wurde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Veranstaltern und Versammlungsteilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hatten, sich an durch Art. 8 GG nicht gedeckten Verhinderungsblockaden oder anderen rechtswidrigen Aktionen, etwa Beschädigungen der Gleisanlagen, zu beteiligen.
55 
bb) Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstands setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 16; Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 41 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., Kap. D Rn. 138 ff.). Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschl. v. 26.03.2001 - 1 BvQ 15/01 - NJW 2001, 1411 <1412> u. v. 26.06.2007 - 1 BvR 1418/07 - NVwZ-RR 2007, 641 <642> m.w.N.). Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - a.a.O. S. 360 ff., vgl. auch Beschl. v. 18.08.2000 - 1 BvQ 23/00 - NJW 2000, 3053 und BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 991 <992>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz des Castortransports nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht dabei nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstands liegt bei der Versammlungsbehörde (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
56 
cc) Daran gemessen kann hier nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorlagen. Zwar stellt die Begleitung eines Castortransports angesichts der regelmäßig langen Transportstrecke (hier von Karlsruhe nach Lubmin) und der großen Zahl angemeldeter und unangemeldeter Versammlungen und sonstiger "Aktionsformen" mit zum Teil vielen, aber teilweise auch wenigen Teilnehmern, die gerade deshalb (bei unangemeldeten Veranstaltungen) entlang der langen Strecke schwer zu "orten" und polizeilich zu begleiten sind, eine außergewöhnlich komplexe polizeiliche Aufgabe dar. Allein dies vermag jedoch noch keinen polizeilichen Notstand zu begründen. Zu berücksichtigen ist, dass die Mobilisierung der Castor-Gegner, von denen Störungen der öffentlichen Sicherheit zu erwarten sind, entlang der langen Transportstrecke regional höchst unterschiedlich ist. Zu Situationen, die die Annahme eines polizeilichen Notstands rechtfertigten, kam es in der Vergangenheit vor allem im Wendland. Bei den von der Beklagten der Gefahrprognose zugrunde gelegten Vorfällen konnten Störungen überwiegend durch ein gezieltes Vorgehen gegen die Störer (Platzverweise, Ingewahrsam-nahmen) beseitigt werden, ohne dass es zu nennenswerten Verzögerungen des jeweiligen Castortransports gekommen wäre. Lediglich bei dem Transport am 06.11.2010, als im Bereich Berg (Rheinland-Pfalz) bis zu 1.000 Demonstranten gleichzeitig die Transportstrecke blockierten, spricht einiges dafür, dass dort die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands vorgelegen haben könnten. Als es nach Bekanntwerden der Zugumleitung in der Folge zu einer Spontanversammlung von ca. 250 - 300 Personen im Bereich des Hauptbahnhofs Karlsruhe kam, die versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überrennen und auf den Gleisanlagen eine Blockade zu errichten, war die Polizei jedoch in der Lage, dies durch den Einsatz starker Kräfte der Bundes- und Landespolizei unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zu verhindern. Da die Beklagte bereits nicht dargelegt hat, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castortransports in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung standen und wie viel Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein präventives allgemeines Versammlungsverbot Störungen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit dem Castortransport zu verhindern, muss vorliegend eine Beweislastentscheidung getroffen werden. Ansatzpunkte für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben, nachdem der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass der Beklagten bei Erlass der Allgemeinverfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.
57 
e) Erweist sich das Versammlungsverbot als rechtswidrig, so gilt dies auch für die darauf bezogene Zwangsmittelandrohung.
III.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
60 
Beschluss vom 6. November 2013
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.


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Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg durchgeführte Identitätsfeststellung und der anschließend erfolgte Datenabgleich rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch die Bundespolizei vorgenommenen Identitätsfeststellung und des anschließend erfolgten Datenabgleichs.
Der 1985 in Kabul geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger afghanischer Abstammung. Am 19.11.2013 befand er sich im Rahmen einer Geschäftsreise in der 1. Klasse des ICE 377 von Berlin nach Freiburg. Im Waggon befanden sich weitere sechs bis sieben Personen. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Baden-Baden und Offenburg wurde der Kläger gegen 22:30 Uhr von drei Beamten der Bundespolizei angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Der Kläger zeigte seinen deutschen Personalausweis vor und händigte diesen Polizeikommissar H. aus. Sodann äußerte er gegenüber den Beamten, dass die Personalienfeststellung in dieser Form rechtswidrig sei, und forderte die Beamten zur Herausgabe ihrer Namen bzw. Dienstnummern auf. Polizeikommissar H. führte anhand des Personalausweises des Klägers einen Datenabgleich durch und teilte dem Kläger anschließend die Dienststellen und -nummern der drei Polizeibeamten mit. Weitere Personen wurden in dem Waggon nicht kontrolliert. Die Beamten verließen nach der Feststellung der Personalien des Klägers den Bereich der 1. Klasse.
Der Kläger hat am 18.12.2013 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personalienfeststellung begehrt. Er trägt vor, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart zulässig. Er sei trotz Erledigung des Verwaltungsakts klagebefugt, da durch die Personalienfeststellung in seine allgemeine Handlungsfreiheit und in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen worden sei. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus seinem Rehabilitationsinteresse, aus der bestehenden Wiederholungsgefahr und schließlich auch aus nachhaltiger Grundrechtsbetroffenheit. Die Personalienfeststellung sei ferner materiell rechtswidrig erfolgt. Die von der Beklagten angeführte Ermächtigungsgrundlage, § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, verstoße gegen Europarecht. Sie sei nach den Grundsätzen des sogenannten Melki-Urteils des Europäischen Gerichtshofs nicht mit den Art. 20, 21 der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex) vereinbar. Die einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG sei den gleichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Zudem lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG nicht vor. Hinweise auf eine migrationsrechtswidrige Nutzung des kontrollierten ICE 377 seien nicht ersichtlich. Auch sei der Zug von Berlin nach Basel gefahren; bei einer Kontrolle zwischen Baden-Baden und Offenburg habe daher schon begrifflich keine „unerlaubte Einreise“ in das Bundesgebiet - wie von § 22 Abs. 1a BPolG vorausgesetzt -, sondern allenfalls eine Ausreise stattfinden können. Die Maßnahmen der Identitätskontrolle und des folgenden Datenabgleichs seien ferner rechtswidrig, weil die Beklagte die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten habe. Eine Identitätsfeststellung, die sich am Kriterium der Hautfarbe orientiere, verstoße gegen Art. 3 Abs. 3 GG und auch gegen völkerrechtliche Grundsätze, insbesondere gegen Art. 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und gegen Art. 14, Art. 8 Abs. 1 Var. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg durchgeführte Identitätsfeststellung und der anschließend erfolgte Datenabgleich rechtswidrig gewesen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die beim Kläger durchgeführte Personalienfeststellung sei nicht rechtswidrig gewesen. Der Bundespolizei obliege gemäß § 2 Abs. 1 BPolG der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebiets. Der Grenzschutz umfasse u.a. gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Abwehr von Gefahren, welche die Sicherheit der Grenze beeinträchtigten. Die Kompetenz sei dabei auf den effektiven Schutz der Grenzregionen zugeschnitten, die aufgrund der Grenznähe einem erhöhten Risiko grenzüberschreitender Kriminalität ausgesetzt seien und daher als besonderer Gefahrenraum angesehen werden müssten. Die Norm knüpfe dabei nicht an die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG an und ermögliche somit polizeiliche Eingriffsmaßnahmen, die nicht unmittelbar aus Anlass des Grenzübertritts erfolgten. Die Einstufung erfolge unabhängig davon, ob es sich um den Grenzraum einer Außen- oder Binnengrenze handle. Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung könne die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zur Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Die Norm setze hierbei keine konkrete Polizeigefahr voraus. Sie trage insoweit einem Vorsorgekonzept Rechnung und erlaube eine erhebliche polizeiliche Kontrolldichte im Grenzgebiet, was durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Speicherung „kompensiert“ werden könne. Der Zug habe sich auf der Fahrt von Baden-Baden nach Offenburg und damit im 30 km-Grenzbereich befunden. Die Bundespolizeiinspektion Offenburg habe den gesetzlichen Auftrag, unerlaubte Einreisen zu unterbinden. Da in der Vergangenheit immer wieder unerlaubt eingereiste Personen in den Zügen festgestellt worden seien, sei eine Personenkontrolle aufgrund der Lageerkenntnisse angebracht und erforderlich gewesen. Die Bundespolizeiinspektion Offenburg stelle im Grenzgebiet zu Frankreich monatlich durchschnittlich 70 unerlaubt eingereiste Personen fest. Im ICE 377 seien am 19.11.2013 zehn bis 15 Personen - sowohl europäischer als auch nicht europäischer Herkunft - fahndungsmäßig überprüft worden. Der Abgleich der personenbezogenen Daten des Klägers sei rechtmäßig gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG erfolgt. Da die Kontrolle keine Anhaltspunkte für eine Polizeigefahr ergeben habe, seien die Personalien des Klägers nicht gespeichert worden. Die Maßnahmen der gesamten Zugkontrolle seien nicht dokumentiert worden. Dazu habe kein Anlass bestanden, da die gesamte Kontrolle keine Treffer ergeben habe. Für die Auswahl der kontrollierten Reisenden seien mehrere Kriterien maßgeblich. Zunächst sei das Lagebild der Bundespolizeiinspektion Offenburg zu berücksichtigen. Ferner seien polizeiliche Erfahrungen sowie das Gesamterscheinungsbild (Alter, mitgeführte Gegenstände, Kleidung, Verhalten) miteinzubeziehen. Die ethnische Erscheinung stelle kein Auswahlkriterium dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

10 
Die zulässige Klage ist begründet.
11 
Die Klage ist als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung gerichtete - Fortsetzungsfeststellungsklage und als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gerichtete - Feststellungsklage zulässig.
12 
Die Klage ist, soweit sie auf die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Identitätsfeststellung des Klägers durch die Aufforderung zur Vorlage des Ausweises durch Beamte der Bundespolizei gerichtet ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 ff., und vom 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, BVerwGE 131, 216 ff.).
13 
Bei dem im Anschluss an die Identitätsfeststellung erfolgten Datenabgleich handelt es sich mangels Regelung hingegen nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine tatsächliche Maßnahme. Denn ein Datenabgleich ist lediglich die Prüfung und Feststellung, ob zu einer bestimmten Person Speicherungen in bestimmten Dateien vorliegen (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 1). Insoweit ist die Klage indes als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, da ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis auch die hier in Streit stehende Befugnis eines Hoheitsträgers zum Erlass eines den Bürger belastenden Realakts umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2013 - 7 A 10816/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn. 11).
14 
Dem Kläger steht vorliegend ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite. Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 129). Sowohl die Identitätsfeststellung als auch der sich anschließende Datenabgleich stellen sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - kurzfristig erledigende polizeiliche Maßnahmen dar, die in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen haben. Da sich kurzfristig erledigende Maßnahmen ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris). Unter Berücksichtigung der Umstände der Maßnahmen kann dem Kläger vorliegend ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen nicht abgesprochen werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Feststellungsbegehren polizeiliche Maßnahmen in grundrechtlich geschützten Bereichen zum Gegenstand haben, das Feststellungsinteresse und damit die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des polizeilichen Handelns zu verneinen, würde einen rechtsfreien Raum eröffnen, der mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren wäre (vgl. VG Köln, Urteil vom 13.06.2013 - 20 K 4683/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn 145 m.w.N.). Ob der sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriff auch tiefgreifend war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde in der Vergangenheit für die Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses meist ein tiefgreifender, sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff gefordert. Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der die Kammer sich anschließt, ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse indes nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20.12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38.12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39.12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist danach in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsakts zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015, a.a.O., mit Verweis auf VG Freiburg, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 145). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich ein rechtliches Interesse des Klägers außerdem aus einer Wiederholungsgefahr und aus dem geltend gemachten Rehabilitationsinteresse ergibt.
15 
Die Klage ist auch begründet.
16 
Die am 19.11.2013 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen stellen sich als rechtswidrig dar und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
17 
Die Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizei war rechtswidrig. Die Beklagte hat diese Maßnahme auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt. Danach kann die Bundespolizei die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG feststellen.
18 
Die Beklagte konnte die Maßnahme der Personalienfeststellung bereits deswegen nicht wirksam auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stützen, weil diese nicht unionsrechtskonform ist und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat die sich bei der Einführung derartiger Kontrollen im Grenzgebiet zu anderen Schengenstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Schengener Grenzkodex ergebenden Anforderungen nicht beachtet.
19 
Die Art. 20 und 21 VO (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (im Folgenden: VO (EG) Nr. 562/2006; ABl G, Nr. L 105, 1) stehen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entgegen. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stattfindenden Identitätsfeststellungen stellen Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats dar, die unter Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 fallen, da sie nicht „an den Grenzen“ oder in dem Moment, in dem die Grenze überschritten wird, durchgeführt werden, sondern innerhalb des Hoheitsgebiets (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 22.06.2010 - C-188/10 und C-189/10 [Melki und Abdeli] -, Slg. 2010, I-5667). Gemäß Art. 72 AEUV berührt dessen Titel V zwar nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Insoweit bestimmt auch Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts berührt, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.
20 
Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006 („Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“) lautet:
21 
Die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen berührt nicht:
22 
a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
23 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
24 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
25 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
26 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
27 
Bei einer ausschließlich am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung wäre eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG wohl möglich. Zwar dienen die in dieser Befugnisnorm vorgesehenen Kontrollen auch der Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise und haben damit dasselbe Ziel wie Grenzkontrollen, sie werden jedoch in der Praxis lediglich stichprobenartig in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet (vgl. zum Kontrollumfang BT-Drs. 18/4149, 4 f.).
28 
Nach der vom Europäischen Gerichtshof im sogenannten Melki-Urteil im Jahr 2010 vorgenommenen Auslegung, welche er im Jahr 2012 bestätigt und konkretisiert hat (vgl. Urteil vom 19.07.2012 - C-278/12 PPU [Adil] -, juris), genügt jedoch eine bestimmte Zielsetzung oder faktische Ausgestaltung für die Vereinbarkeit der nationalen, grenznahen Kontrollbefugnisse mit der europarechtlich vorgegebenen Freiheit von Personenkontrollen an den Binnengrenzen gerade nicht. Vielmehr muss das in Art. 21 lit. a Satz 1 VO (EG) Nr. 562/2006 formulierte Postulat, die Ausübung nationaler Kontrollbefugnisse dürfe nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, sich nach der Lesart des Europäischen Gerichtshofs zwingend aus normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse hinsichtlich Intensität und Häufigkeit der Kontrollen ergeben. Danach stehen Art. 67 AEUV und Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 einer nationalen Ermächtigungsgrundlage entgegen, wenn diese nicht selbst durch konkrete Vorgaben hinreichend sicherstellt, dass ihre Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74). Der Europäische Gerichtshof begründet die hohen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit. Gerade eine nationale Regelung, die einerseits auf Identitätsfeststellungen im Grenzgebiet beschränkt sei, andererseits verdachtsunabhängige Kontrollen vorsehe, müsse „den erforderlichen Rahmen für die […] eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das [die Behörden] bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74).
29 
Nach diesen Maßgaben verstößt die nationale Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gegen Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006. Die Ermächtigungsgrundlage enthält nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderten normativen Einschränkungen, die gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Insbesondere findet keine Beschränkung der Befugnis hinsichtlich der Intensität und Häufigkeit der Kontrollen statt. Vielmehr kann jede Person im Grenzgebiet jederzeit anlassunabhängig Adressat der polizeilichen Identitätsfeststellung sein (vgl. zur Verfassungskonformität dieser Eingriffsvoraussetzungen Kastner, VerwArch 2001, 216 <240 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 357). Die einzige Tatbestandsvoraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ist das Antreffen einer Person im Grenzgebiet. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder ein Gefahrverdacht wird auf Tatbestandsebene hingegen nicht vorausgesetzt. Auch eine Einschränkung des Adressatenkreises dahingehend, dass diese nach allgemeinen Zurechnungskriterien ordnungsrechtlich als Störer verantwortlich sein müssten, sieht § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nicht vor (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <221>). Im Ergebnis steht es - aufgrund der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage - den Beamten der Bundespolizei frei, ob sie lediglich stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet durchführen oder im Gegenteil eine den Grenz(übertritts)kontrollen i.S.d. Art. 2 Nrn. 9 bis 11 VO (EG) Nr. 562/2006 angenäherte Verwaltungspraxis etablieren. Da weder auf Tatbestands- noch auf Ermessensebene vom Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen wurden, um § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entsprechend den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Bestimmtheitserfordernissen auszugestalten, ist die Vorschrift mit dem Schengener Grenzkodex unvereinbar (so auch Trennt, DÖV 2012, 216<218 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 387 f; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 5; a. A. für die inhaltlich ähnlich ausgestaltete landesrechtliche Befugnisnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG: Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <10 ff.>).
30 
Die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG konkretisierende Verwaltungsvorschriften liegen dem Gericht nicht vor. Selbst wenn es solche geben sollte, wären sie nach den im „Melki-Urteil“ formulierten Grundsätzen zur normativen Einschränkung der Befugnisnorm nicht ausreichend (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>; a. A. Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>, zu § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG). Denn nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs muss die nationale, zu Kontrollmaßnahmen ermächtigende Vorschrift selbst „den erforderlichen Rahmen für diese Befugnis“ vorgeben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 75). Auch die englische und die französische Sprachfassung streiten für die Auslegung, dass die Befugnisnorm selbst die normativen Einschränkungen beinhalten muss (vgl. Wortlaut der französischen Fassung «[…] que l’article 67, paragraphe 2, TFUE ainsi que les articles 20 et 21 du règlement n° 562/2006 s’opposent à une législation nationale conférant aux autorités de police de l’État membre concerné la compétence de contrôler,[…], sans prévoir l’encadrement nécessaire de cette compétence garantissant que l’exercice pratique de ladite compétence ne puisse pas revêtir un effet équivalent à celui des vérifications aux frontières.»). Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache „TA-Luft“ (Urteil vom 30.05.1991 - C-361/88 -, Slg 1991, I-2567), wonach Verwaltungsvorschriften grundsätzlich ungeeignet sind, der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Umsetzung von EU-Richtlinien zu genügen, stützt diesen Befund. Denn der Gedanke, dass Verwaltungsvorschriften mangels Außenwirkung von Betroffenen nicht unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden können und überdies den betroffenen Bürgern häufig nicht bekannt seien, lässt sich vorliegend dahingehend fruchtbar machen, dass Verwaltungsvorschriften per se weniger Rechtssicherheit gewährleisten als formelle Gesetze (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>).
31 
Aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts darf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im vorliegenden Kollisionsfall nicht herangezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führt die Unvereinbarkeit einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht nicht zur Nichtigkeit der nationalen Vorschrift. Stattdessen ist das nationale Gericht in dieser Situation verpflichtet, die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen (vgl. EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - 6/64 [Costa/E.N.E.L.] -, Slg 10, 1251, vom 22.10.1998 - C-10/97 bis C-22/97 -, Slg 1998, 630, und vom 19.01.2010 - C-555/07 [Kücükdeveci] -, Slg 2010, I-365).
32 
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist das Gericht darauf hin, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch künftig in Ausnahmesituationen als Ermächtigungsgrundlage für verdachtsunabhängige Personenkontrollen herangezogen werden kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex und im Einklang mit dessen Vorgaben vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der betreffenden Binnengrenze einführt. Dies war zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Personenkontrolle im November 2013 indes nicht der Fall.
33 
Die Beklagte kann die Maßnahme der Identitätsfeststellung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen. Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage kommt zwar auch bei Ermessensentscheidungen ausnahmsweise in Betracht, sofern die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen übertragbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Gericht die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 9 C 53.97 -, BVerwGE 108, 30 ff.). Auf die vorliegend einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG kann die vorgenommene Identitätsfeststellung nicht gestützt werden. Denn die Vorschrift dürfte - ebenso wie Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG - mit den Art. 20, 21 VO (EG) Nr. 562/2006 unvereinbar sein. Zudem liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG, der die Identitätsfeststellung als Annexkompetenz zur Befragung zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe ausgestaltet (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7), nicht vor.
34 
Ob die Identitätsfeststellung ferner rechtswidrig ist, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorlagen, kann nach den obigen Ausführungen im Ergebnis offen bleiben. Auch die Frage, ob die Beklagte ihr Ermessen bei der Identitätsfeststellung fehlerhaft ausgeübt und somit gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen hat, bedarf nach den obigen Ausführungen keiner Entscheidung.
35 
Die sich an die Identitätsfeststellung anschließende Maßnahme des Datenabgleichs ist ebenfalls rechtswidrig erfolgt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG kann die Bundespolizei die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Danach können alle personenbezogenen Daten, die der Bundespolizei auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind, mit dem Datenbestand abgeglichen werden (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12). Da die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers - wie ausgeführt - auf rechtswidrige Weise erlangt hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG nicht vor.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Klärung der für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage hat - über ihre Bedeutung für den zu entscheidenden konkreten Fall hinaus - wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung sowie für die Fortbildung des Rechts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 132 Rn. 9). Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wurden im Jahr 2013 2.321.243 und im Jahr 2014 2.313.750 Identitätskontrollen auf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt (vgl. BT-Drs. 18/4149, 4 f.). Die Unvereinbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit den Art. 20, 21 des Schengener Grenzkodex wird vorliegend erstmals verwaltungsgerichtlich festgestellt. Auch die Europäische Kommission ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens mit Fragen zur Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 Nr. 3 des BPolG mit der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 an die Bundesregierung herangetreten. Die Bundesregierung geht demgegenüber nach wie vor davon aus, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit europäischem Recht vereinbar ist und Kontrollintensität und -häufigkeit für den Binnengrenzbereich in Deutschland rechtlich hinreichend konkret normiert sind; sie erklärte im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 17.12.2014, dass sie in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission stehe und den Zweifeln an der Unionsrechtskonformität der Polizeikontrollen im Grenzbereich durch untergesetzliche Maßnahmen begegnen wolle (vgl. BT-Drs. 18/4149, 1 f.).
38 
Beschluss vom 22. Oktober 2015
39 
Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf
40 
10.000 EUR
41 
festgesetzt.

Gründe

10 
Die zulässige Klage ist begründet.
11 
Die Klage ist als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung gerichtete - Fortsetzungsfeststellungsklage und als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gerichtete - Feststellungsklage zulässig.
12 
Die Klage ist, soweit sie auf die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Identitätsfeststellung des Klägers durch die Aufforderung zur Vorlage des Ausweises durch Beamte der Bundespolizei gerichtet ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 ff., und vom 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, BVerwGE 131, 216 ff.).
13 
Bei dem im Anschluss an die Identitätsfeststellung erfolgten Datenabgleich handelt es sich mangels Regelung hingegen nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine tatsächliche Maßnahme. Denn ein Datenabgleich ist lediglich die Prüfung und Feststellung, ob zu einer bestimmten Person Speicherungen in bestimmten Dateien vorliegen (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 1). Insoweit ist die Klage indes als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, da ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis auch die hier in Streit stehende Befugnis eines Hoheitsträgers zum Erlass eines den Bürger belastenden Realakts umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2013 - 7 A 10816/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn. 11).
14 
Dem Kläger steht vorliegend ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite. Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 129). Sowohl die Identitätsfeststellung als auch der sich anschließende Datenabgleich stellen sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - kurzfristig erledigende polizeiliche Maßnahmen dar, die in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen haben. Da sich kurzfristig erledigende Maßnahmen ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris). Unter Berücksichtigung der Umstände der Maßnahmen kann dem Kläger vorliegend ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen nicht abgesprochen werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Feststellungsbegehren polizeiliche Maßnahmen in grundrechtlich geschützten Bereichen zum Gegenstand haben, das Feststellungsinteresse und damit die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des polizeilichen Handelns zu verneinen, würde einen rechtsfreien Raum eröffnen, der mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren wäre (vgl. VG Köln, Urteil vom 13.06.2013 - 20 K 4683/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn 145 m.w.N.). Ob der sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriff auch tiefgreifend war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde in der Vergangenheit für die Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses meist ein tiefgreifender, sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff gefordert. Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der die Kammer sich anschließt, ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse indes nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20.12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38.12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39.12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist danach in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsakts zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015, a.a.O., mit Verweis auf VG Freiburg, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 145). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich ein rechtliches Interesse des Klägers außerdem aus einer Wiederholungsgefahr und aus dem geltend gemachten Rehabilitationsinteresse ergibt.
15 
Die Klage ist auch begründet.
16 
Die am 19.11.2013 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen stellen sich als rechtswidrig dar und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
17 
Die Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizei war rechtswidrig. Die Beklagte hat diese Maßnahme auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt. Danach kann die Bundespolizei die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG feststellen.
18 
Die Beklagte konnte die Maßnahme der Personalienfeststellung bereits deswegen nicht wirksam auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stützen, weil diese nicht unionsrechtskonform ist und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat die sich bei der Einführung derartiger Kontrollen im Grenzgebiet zu anderen Schengenstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Schengener Grenzkodex ergebenden Anforderungen nicht beachtet.
19 
Die Art. 20 und 21 VO (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (im Folgenden: VO (EG) Nr. 562/2006; ABl G, Nr. L 105, 1) stehen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entgegen. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stattfindenden Identitätsfeststellungen stellen Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats dar, die unter Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 fallen, da sie nicht „an den Grenzen“ oder in dem Moment, in dem die Grenze überschritten wird, durchgeführt werden, sondern innerhalb des Hoheitsgebiets (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 22.06.2010 - C-188/10 und C-189/10 [Melki und Abdeli] -, Slg. 2010, I-5667). Gemäß Art. 72 AEUV berührt dessen Titel V zwar nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Insoweit bestimmt auch Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts berührt, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.
20 
Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006 („Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“) lautet:
21 
Die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen berührt nicht:
22 
a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
23 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
24 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
25 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
26 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
27 
Bei einer ausschließlich am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung wäre eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG wohl möglich. Zwar dienen die in dieser Befugnisnorm vorgesehenen Kontrollen auch der Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise und haben damit dasselbe Ziel wie Grenzkontrollen, sie werden jedoch in der Praxis lediglich stichprobenartig in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet (vgl. zum Kontrollumfang BT-Drs. 18/4149, 4 f.).
28 
Nach der vom Europäischen Gerichtshof im sogenannten Melki-Urteil im Jahr 2010 vorgenommenen Auslegung, welche er im Jahr 2012 bestätigt und konkretisiert hat (vgl. Urteil vom 19.07.2012 - C-278/12 PPU [Adil] -, juris), genügt jedoch eine bestimmte Zielsetzung oder faktische Ausgestaltung für die Vereinbarkeit der nationalen, grenznahen Kontrollbefugnisse mit der europarechtlich vorgegebenen Freiheit von Personenkontrollen an den Binnengrenzen gerade nicht. Vielmehr muss das in Art. 21 lit. a Satz 1 VO (EG) Nr. 562/2006 formulierte Postulat, die Ausübung nationaler Kontrollbefugnisse dürfe nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, sich nach der Lesart des Europäischen Gerichtshofs zwingend aus normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse hinsichtlich Intensität und Häufigkeit der Kontrollen ergeben. Danach stehen Art. 67 AEUV und Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 einer nationalen Ermächtigungsgrundlage entgegen, wenn diese nicht selbst durch konkrete Vorgaben hinreichend sicherstellt, dass ihre Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74). Der Europäische Gerichtshof begründet die hohen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit. Gerade eine nationale Regelung, die einerseits auf Identitätsfeststellungen im Grenzgebiet beschränkt sei, andererseits verdachtsunabhängige Kontrollen vorsehe, müsse „den erforderlichen Rahmen für die […] eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das [die Behörden] bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74).
29 
Nach diesen Maßgaben verstößt die nationale Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gegen Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006. Die Ermächtigungsgrundlage enthält nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderten normativen Einschränkungen, die gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Insbesondere findet keine Beschränkung der Befugnis hinsichtlich der Intensität und Häufigkeit der Kontrollen statt. Vielmehr kann jede Person im Grenzgebiet jederzeit anlassunabhängig Adressat der polizeilichen Identitätsfeststellung sein (vgl. zur Verfassungskonformität dieser Eingriffsvoraussetzungen Kastner, VerwArch 2001, 216 <240 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 357). Die einzige Tatbestandsvoraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ist das Antreffen einer Person im Grenzgebiet. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder ein Gefahrverdacht wird auf Tatbestandsebene hingegen nicht vorausgesetzt. Auch eine Einschränkung des Adressatenkreises dahingehend, dass diese nach allgemeinen Zurechnungskriterien ordnungsrechtlich als Störer verantwortlich sein müssten, sieht § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nicht vor (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <221>). Im Ergebnis steht es - aufgrund der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage - den Beamten der Bundespolizei frei, ob sie lediglich stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet durchführen oder im Gegenteil eine den Grenz(übertritts)kontrollen i.S.d. Art. 2 Nrn. 9 bis 11 VO (EG) Nr. 562/2006 angenäherte Verwaltungspraxis etablieren. Da weder auf Tatbestands- noch auf Ermessensebene vom Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen wurden, um § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entsprechend den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Bestimmtheitserfordernissen auszugestalten, ist die Vorschrift mit dem Schengener Grenzkodex unvereinbar (so auch Trennt, DÖV 2012, 216<218 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 387 f; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 5; a. A. für die inhaltlich ähnlich ausgestaltete landesrechtliche Befugnisnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG: Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <10 ff.>).
30 
Die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG konkretisierende Verwaltungsvorschriften liegen dem Gericht nicht vor. Selbst wenn es solche geben sollte, wären sie nach den im „Melki-Urteil“ formulierten Grundsätzen zur normativen Einschränkung der Befugnisnorm nicht ausreichend (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>; a. A. Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>, zu § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG). Denn nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs muss die nationale, zu Kontrollmaßnahmen ermächtigende Vorschrift selbst „den erforderlichen Rahmen für diese Befugnis“ vorgeben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 75). Auch die englische und die französische Sprachfassung streiten für die Auslegung, dass die Befugnisnorm selbst die normativen Einschränkungen beinhalten muss (vgl. Wortlaut der französischen Fassung «[…] que l’article 67, paragraphe 2, TFUE ainsi que les articles 20 et 21 du règlement n° 562/2006 s’opposent à une législation nationale conférant aux autorités de police de l’État membre concerné la compétence de contrôler,[…], sans prévoir l’encadrement nécessaire de cette compétence garantissant que l’exercice pratique de ladite compétence ne puisse pas revêtir un effet équivalent à celui des vérifications aux frontières.»). Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache „TA-Luft“ (Urteil vom 30.05.1991 - C-361/88 -, Slg 1991, I-2567), wonach Verwaltungsvorschriften grundsätzlich ungeeignet sind, der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Umsetzung von EU-Richtlinien zu genügen, stützt diesen Befund. Denn der Gedanke, dass Verwaltungsvorschriften mangels Außenwirkung von Betroffenen nicht unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden können und überdies den betroffenen Bürgern häufig nicht bekannt seien, lässt sich vorliegend dahingehend fruchtbar machen, dass Verwaltungsvorschriften per se weniger Rechtssicherheit gewährleisten als formelle Gesetze (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>).
31 
Aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts darf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im vorliegenden Kollisionsfall nicht herangezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führt die Unvereinbarkeit einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht nicht zur Nichtigkeit der nationalen Vorschrift. Stattdessen ist das nationale Gericht in dieser Situation verpflichtet, die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen (vgl. EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - 6/64 [Costa/E.N.E.L.] -, Slg 10, 1251, vom 22.10.1998 - C-10/97 bis C-22/97 -, Slg 1998, 630, und vom 19.01.2010 - C-555/07 [Kücükdeveci] -, Slg 2010, I-365).
32 
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist das Gericht darauf hin, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch künftig in Ausnahmesituationen als Ermächtigungsgrundlage für verdachtsunabhängige Personenkontrollen herangezogen werden kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex und im Einklang mit dessen Vorgaben vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der betreffenden Binnengrenze einführt. Dies war zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Personenkontrolle im November 2013 indes nicht der Fall.
33 
Die Beklagte kann die Maßnahme der Identitätsfeststellung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen. Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage kommt zwar auch bei Ermessensentscheidungen ausnahmsweise in Betracht, sofern die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen übertragbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Gericht die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 9 C 53.97 -, BVerwGE 108, 30 ff.). Auf die vorliegend einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG kann die vorgenommene Identitätsfeststellung nicht gestützt werden. Denn die Vorschrift dürfte - ebenso wie Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG - mit den Art. 20, 21 VO (EG) Nr. 562/2006 unvereinbar sein. Zudem liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG, der die Identitätsfeststellung als Annexkompetenz zur Befragung zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe ausgestaltet (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7), nicht vor.
34 
Ob die Identitätsfeststellung ferner rechtswidrig ist, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorlagen, kann nach den obigen Ausführungen im Ergebnis offen bleiben. Auch die Frage, ob die Beklagte ihr Ermessen bei der Identitätsfeststellung fehlerhaft ausgeübt und somit gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen hat, bedarf nach den obigen Ausführungen keiner Entscheidung.
35 
Die sich an die Identitätsfeststellung anschließende Maßnahme des Datenabgleichs ist ebenfalls rechtswidrig erfolgt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG kann die Bundespolizei die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Danach können alle personenbezogenen Daten, die der Bundespolizei auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind, mit dem Datenbestand abgeglichen werden (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12). Da die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers - wie ausgeführt - auf rechtswidrige Weise erlangt hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG nicht vor.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Klärung der für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage hat - über ihre Bedeutung für den zu entscheidenden konkreten Fall hinaus - wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung sowie für die Fortbildung des Rechts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 132 Rn. 9). Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wurden im Jahr 2013 2.321.243 und im Jahr 2014 2.313.750 Identitätskontrollen auf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt (vgl. BT-Drs. 18/4149, 4 f.). Die Unvereinbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit den Art. 20, 21 des Schengener Grenzkodex wird vorliegend erstmals verwaltungsgerichtlich festgestellt. Auch die Europäische Kommission ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens mit Fragen zur Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 Nr. 3 des BPolG mit der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 an die Bundesregierung herangetreten. Die Bundesregierung geht demgegenüber nach wie vor davon aus, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit europäischem Recht vereinbar ist und Kontrollintensität und -häufigkeit für den Binnengrenzbereich in Deutschland rechtlich hinreichend konkret normiert sind; sie erklärte im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 17.12.2014, dass sie in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission stehe und den Zweifeln an der Unionsrechtskonformität der Polizeikontrollen im Grenzbereich durch untergesetzliche Maßnahmen begegnen wolle (vgl. BT-Drs. 18/4149, 1 f.).
38 
Beschluss vom 22. Oktober 2015
39 
Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf
40 
10.000 EUR
41 
festgesetzt.

Tenor

Die Verfügungen Nummer IV. in den Bescheiden der Beklagten vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das mit Bescheiden vom 19.08.2014 und vom 19.09.2014 angeordnete Aufenthalts- und Betretungsverbot (jeweils Verfügung Nummer I.1 in den genannten Bescheiden) und die Meldeauflagen (jeweils Verfügungen Nummer I.2) einschließlich deren Konkretisierung durch den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2014 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen Meldeauflagen sowie Betretungs- und Aufenthaltsverbote im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen.
Das Polizeipräsidium F, Polizeirevier F-Süd, stellte unter dem 23.07.2014 an die Beklagte den Antrag auf Erlass einer Meldeauflage und eines näher bezeichneten Aufenthalts- und Betretungsverbots gegenüber dem Kläger bezüglich Fußballpartien unter Beteiligung der Bundesliga- und der Regionalmannschaft des SC F. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass es anlässlich von Fußballbundesligabegegnungen des SC F bei Heim- und Auswärtsspielen vermehrt zu Gewaltdelikten und anderen Straftaten durch Problemfans u.a. des SC F gekommen sei; ferner gebe es Drittortauseinandersetzungen. Es gebe personenbezogene Erkenntnisse für den Kläger anlässlich von Fußballbegegnungen; so habe er sich am 13.10.2012 an einer Drittortauseinandersetzung beteiligt und werde einer gefährlichen Körperverletzung beschuldigt, wobei das Ermittlungsverfahren noch laufe. Er habe sich nachweislich im Jahr 2012/13 mit einer Gruppierung aus F an Drittortauseinandersetzungen beteiligt und tue dies mutmaßlich nach wie vor. Der Grad an Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Straftatenbegehung sei als hoch zu bezeichnen.
Mit Bescheid vom 30.07.2014 erließ die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. II.) gegenüber dem Kläger ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot; dieses Verbot galt für im Einzelnen aufgeführte Spieltage einer Mannschaft des SC F für Termine zwischen dem 02.08.2014 und dem 20.09.2014 jeweils für den Zeitraum 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr für im Bescheid näher konkretisierte Bereiche im Umfeld des X-Stadions, des Y-Stadions, der Z-Straße sowie von Teilen der Innenstadt und des Stadtteils A (Nr. I.1). Ferner wurde dem Kläger aufgegeben, sich an bestimmten Spieltagen des SC F zu bestimmten Zeiten beim Polizeirevier F-Süd zu melden (Nr. I.2). Unter Nr. III wurde dem Kläger für den Fall, dass er der Anordnung nach Nr. I.1 nicht nachkomme, die Anwendung von unmittelbarem Zwang und für jeden Verstoß gegen die Meldeverpflichtung (Nr. I.2) ein Zwangsgeld von je 500,-- EUR angedroht. Ferner wurde für den Bescheid eine Gebühr i.H.v. 150,-- EUR festgesetzt (Nr. IV.).
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 08.08.2014 Widerspruch ein. Die Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Der Kläger wohne in der B-Straße, die in einem der genannten abgegrenzten Gebiete (Umfeld des X-Stadions) liege, so dass der Kläger für die genannten Tage nicht wisse, wie er nach Hause gelangen solle. Ob das Ermittlungsverfahren wegen einer Drittortauseinandersetzung vom 13.10.2012 die Annahme rechtfertige, dass der Kläger auch im Zusammenhang mit den angeführten Spielen eine Gefahr für Leib und Leben anderer und für Sachwerte darstelle, erscheine recht fragwürdig. Eine nähere Begründung werde nach Akteneinsicht in die Ermittlungsakte St/x…/y… des Polizeipräsidiums F erfolgen, die er hiermit beantrage.
Der Bescheid vom 30.07.2014, in dem, so die Beklagte, irrtümlich einzelne Spieltage falsch benannt worden seien, wurde mit Ausnahme der unter IV. erfolgten Gebührenfestsetzung i.H.v. 150,-- EUR, welche bestehen blieb, durch Bescheid der Beklagten vom 19.08.2014 ersetzt. Die Änderungen im Tenor des Bescheides bezogen sich auf Terminkorrekturen; des Weiteren wurde die Wohnung des Klägers in der B-Straße vom Aufenthaltsverbot herausgenommen. Zur Begründung wurde aufgeführt, dass es nach Angaben des Polizeipräsidiums F anlässlich von Fußballbegegnungen des SC F in der Vergangenheit immer wieder zu Gewaltdelikten und anderen Straftaten u.a. durch Problemfans des SC F und in diesem Zusammenhang mehrfach zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Diese Auseinandersetzungen hätten nicht nur im Bereich des Stadions, sondern auch in der Innenstadt/A stattgefunden. Nach Angaben der PD F sei der Kläger dem Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und dem gewaltbereiten Spektrum der Fußballszene zuzuordnen. Aktuell werde ein Ermittlungsverfahren gegen eine Ultragruppierung mit Beteiligung des Klägers wegen „Drittortauseinandersetzungen“ geführt. Nachweislich habe sich der Kläger 2012/13 mit einer Gruppierung aus F, die sich überwiegend aus Personen der Fer Ultraszene und deren Umfeld zusammensetze, an Drittortauseinandersetzungen beteiligt und tue dies mutmaßlich nach wie vor. Beispielhaft werde auf ein eingeleitetes Strafverfahren wegen eines Vorfalls vom 13.10.2012 in L im Zusammenhang mit einem Fußballspiel wegen gefährlicher Körperverletzung verwiesen, welches für das gewalttätige Verhalten des Klägers spreche. Vom Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen gingen Störungen und Gefahren für die Allgemeinheit aus, die zu unterbinden seien. Durch die vom Kläger begangene Straftat bedrohe er die Rechtsgüter anderer, insbesondere die Gesundheit der Bevölkerung. Das bisher gezeigte Verhalten des Klägers und die mutmaßlich begangene einschlägige Straftat ließen erwarten, dass er weitere gleich gelagerte Straftaten begehen oder zu deren Begehung beitragen werde. Zurückliegende Ermittlungsverfahren und entsprechende Sanktionen hätten keine Verhaltensänderung beim Kläger bewirkt. Die Polizei habe nach §§ 1, 3 PolG diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich erschienen. Aufgrund von § 27a Abs. 2 PolG könne einer Person ein bis zu dreimonatiges Aufenthaltsverbot für ein bestimmtes Gebiet erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu deren Begehung beitragen werde. Um weitere Straftaten des Klägers im Umfeld des SC-F-Stadions, der Innenstadt und Teilen des Stadtteils A zu verhindern, werde dem Kläger das Betreten und der Aufenthalt in dem unter Ziff. I.1. näher definierten Bereich zu den dort genannten Zeiten untersagt. Dieser Bereich beschränke sich auf das Gebiet des üblichen Aufenthalts von Gästefans sowie auf die erfahrungsgemäß genutzten Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs durch diese. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Verfügung sei aufgrund der üblichen Aufenthaltszeiten von Gästefans bei Spielen des SC F festgelegt. Der von dieser Verfügung umfasste Bereich von F beherberge eine Vielzahl an Gaststätten, die durch die Fans der Gastmannschaften während der vergangenen Spiele in F ausgesucht worden seien. Die Anordnung des Aufenthaltsverbots sei hinsichtlich der jeweiligen Dauer unter Abwägung der zu schützenden Rechtsgüter der Allgemeinheit und der Bewegungsfreiheit des Klägers erforderlich und angemessen. Der Kläger habe zwar seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des Aufenthaltsverbots, jedoch sei dieser vom Aufenthalts- und Betretungsverbot ausgenommen. Es sei keine Einrichtung ersichtlich, die er dort zu den Geltungszeiten des Aufenthaltsverbots aufsuchen müsse. Das Aufenthaltsverbot sei ein geeignetes Mittel, um den Kläger vom näher definierten Bereich fernzuhalten. Durch sein Verhalten habe der Kläger gezeigt, dass er sich nicht an geltende Gesetze (z.B. Strafgesetze) halte. Es sei nicht davon auszugehen, dass er ohne weitere Maßnahmen künftig von seinem gewalttätigen und ordnungsstörenden Verhalten ablasse. Die körperliche Unversehrtheit anderer, ein besonders schützenswertes Rechtsgut, habe der Kläger durch sein Verhalten immer wieder bedroht. Es könne nicht hingenommen werden, dass durch das Verhalten einzelner Gefahren für die Allgemeinheit entstünden. Eine andere, den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme, die den gleichen Zweck erfülle, sei nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen sei auch angeordnet worden, dass sich der Kläger zu den unter Ziff. I.2. genannten Zeiten beim Polizeirevier F-Süd melde. Nur so werde verhindert, dass der Kläger bei Auswärtsspielen des SC F an hooligantypischen Auseinandersetzungen teilnehme oder in anderer Weise Straftaten begehe, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Fußballpartie stünden. Die Maßnahme sei geeignet, den Kläger von einer Anreise zum Auswärtsspielort abzuhalten. Sie sei auch angemessen und beeinträchtige den Kläger nicht in unzumutbarer Weise in seiner Bewegungsfreiheit, zumal bei wichtigen Gründen eine Ausnahmemöglichkeit eingeräumt werde. Sie sei auch erforderlich im Hinblick auf die oben geschilderten Gefahren für Leib und Leben Dritter. Eine mildere Maßnahme sei nicht ersichtlich. Zur Durchsetzung der Ziff. I.1. sei die Androhung unmittelbaren Zwangs erforderlich, da die verfügte Maßnahme im Falle der Nichtbeachtung nur auf diese Weise sofort umgesetzt werden könne. Die förmliche Festsetzung eines Zwangsgeldes sei untunlich. Auch zur Durchsetzung der Meldeauflage sei die Androhung eines Zwangsmittels erforderlich. Das Zwangsgeld stelle das mildeste geeignete Mittel dar. Die Höhe des Zwangsgelds sei angemessen.
Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30.07.2014 wurde durch die Beklagte auf diesen Bescheid erstreckt.
Mit Schreiben vom 10.09.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger rechtliches Gehör zu Maßnahmen (Meldeauflagen und Betretungs- und Aufenthaltsverbot) für die Zeitraum zwischen dem 21.09. und 20.12.2014.
Mit Bescheid vom 19.09.2014 erließ die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. II.) gegenüber dem Kläger ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot; dieses Verbot galt für im Einzelnen aufgeführte Spieltage der Bundes- und Regionalligamannschaft des SC F für Termine zwischen dem 27.09.2014 und dem 21.12.2014 jeweils für den Zeitraum 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr für im Bescheid näher konkretisierte Bereiche im Umfeld des X-Stadions, des Y-Stadions, der Z-Straße sowie von Teilen der Innenstadt und des Stadtteils A ausgenommen die Wohnung des Klägers (Nr. I.1). Ferner wurde dem Kläger aufgegeben, sich an bestimmten Spieltagen des SC F zu bestimmten Zeiten beim Polizeirevier F-Süd zu melden (Nr. I.2). Unter Nr. III wurde dem Kläger für den Fall, dass er der Anordnung nach Nr. I.1 nicht nachkomme, die Anwendung von unmittelbarem Zwang und für jeden Verstoß gegen die Meldeverpflichtung (Nr. I.2) ein Zwangsgeld von je 500,-- EUR angedroht. Ferner wurde für den Bescheid eine Gebühr i.H.v. 150,-- EUR festgesetzt (Nr. IV.).
Der Bescheid wurde mit ähnlichen Erwägungen begründet wie der zuvor unter dem 19.08.2014 erlassene. Ergänzend wurde auf Angaben der Polizei verwiesen, denen zufolge der Kläger dem erweiterten Umfeld der Fer Problemfanszene (Drittortszene) zuzurechnen sei. Diese setze sich auf Personen der Fangruppierungen „ABC“ und „DEF“ zusammen. Der Kläger sei zwar keiner Ultragruppierung zuzuordnen, beteilige sich jedoch vorsätzlich und willentlich an geplanten Schlägereien durch Mitglieder der Ultragruppen. So habe er sich am 13.10.2012 zusammen mit 11 weiteren Personen der Fer Problemfanszene und deren Umfeld mit einer Gruppierung aus N zu einer Drittortauseinandersetzung verabredet. Auf einem Waldstück in der Nähe von L (Frankreich) sei es zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen, bei welchen die beiden Gruppierungen gemeinschaftlich gegen die jeweilige andere Gruppierung geschlagen und getreten hätten. Ausweislich des ausgewerteten WhatsApp-Verkehrs habe sich der Kläger an einer weiteren Drittortauseinandersetzung beteiligt. Am 12.04.2013 habe sich der Kläger zusammen mit 9 weiteren Personen mit einer Gruppierung aus H zu einer Drittortauseinandersetzung verabredet. Es sei in der Nähe von T vermutlich zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen. Zu vermuten sei, dass bei Fußballbegegnungen die Konfrontation zu gegnerischen Fans erneut bewusst gesucht werde. Da der Kläger in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Fußballspielen des SC F immer wieder polizeilich in Erscheinung getreten sei und auch in Anwesenheit von Ordnungskräften keine Scheu gehabt habe, Straftaten zu begehen, sei der Grad an Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Straftatenbegehung als hoch zu bezeichnen. Die vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigten die Annahme, dass der Kläger im Zusammenhang mit den aufgeführten Spielen im Innenstadtbereich, im Bereich des Stadionumfelds und der Bahnhöfe eine Gefahr für Leib und Leben anderer und für Sachwerte bei Heim- und Auswärtsspielen darstelle. Von seinem Verhalten im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen gingen Störungen und Gefahren für die Allgemeinheit aus, die zu unterbinden seien. Ferner verwies die Beklagte darauf, dass der Kläger angehört worden sei, sich jedoch nicht geäußert habe. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass, sofern der Kläger den ihm auferlegten Anordnungen nachkomme und er auch ansonsten nicht polizeilich auffällig werde, vorgesehen sei, direkt im Anschluss zunächst keine weiteren Aufenthalts- und Betretungsverbote bzw. Meldeauflagen zu erlassen.
10 
Unter dem 06.10.2014 erließ die Beklagte einen mit „Ergänzungsverfügung“ überschriebenen weiteren Bescheid, durch den der Bescheid vom 19.09.2014 hinsichtlich der am 19.09.2014 noch nicht bekannten konkreten Zeitpunkte dreier Fußballbegegnungen konkretisiert wurde. Der Erlass dieses Bescheides war bereits im Bescheid vom 19.09.2014 angekündigt worden. Dieser Bescheid enthält keine Gebührenfestsetzung.
11 
Der Kläger legte mit Schreiben vom 09.10.2014 seinen gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2014 erhobenen Widerspruch rein fürsorglich und erneut gegen alle in dieser Sache ergangenen und noch ergehenden Bescheide der Stadt F, die auf dem Polizeigesetz Baden-Württemberg basieren, ein und trug erneut vor, dass diese Maßnahmen unverhältnismäßig seien.
12 
Mit Schreiben vom 03.11.2014 wies das Regierungspräsidium F den Kläger darauf hin, dass sich der Widerspruch vom 08.08.2014 durch Zeitablauf erledigt habe. Der Erlass eines Fortsetzungsfeststellungswiderspruchsbescheids sei nicht zulässig, vielmehr sei in diesen Fällen einer während des Laufs des Widerspruchsverfahrens eintretenden Erledigung direkt - ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben. Die Widerspruchsbehörde könne lediglich über die Kosten entscheiden, wobei im Rahmen einer nach § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG gebotenen summarischen Prüfung von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügungen auszugehen sei, so dass insoweit dem Kläger die Kosten aufzuerlegen wären.
13 
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2014, zugestellt am 12.12.2014, wies das Regierungspräsidium F den Widerspruch gegen die Bescheide der Stadt F vom 19.09.2014 und 06.10.2014 zurück. Es sei zwar zulässig Widerspruch erhoben worden, dieser sei aber unbegründet, da die angefochtenen Verfügungen rechtmäßig seien. Die von der Stadt F getroffene, auf den konkreten polizeilichen Erkenntnissen und Ermittlungen beruhende, aktuell bei Verfügungserlass vorgenommene Gefahrenprognose sei nicht zu beanstanden. Es gebe ausreichende und hinreichend sicher festgestellte Tatsachen und Anhaltspunkte, die eine vom Kläger ausgehende polizeirechtliche Gefahr auch aktuell begründen könnten. Dass die Beklagte neben neueren auch ältere Vorfälle in die Gefahrenprognose einbezogen habe, sei nicht zu beanstanden. Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass neben einem konkreten gefahrenabwehrrechtlich relevanten Verhalten auch der Umstand, dass der Kläger zum Personenkreis Gewalttäter Sport zähle, berücksichtigt worden sei. Auch die Berücksichtigung der zulässigen Höchstdauer eines Aufenthalts- und Betretungsverbots führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn die getroffenen Aufenthaltsverbote beträfen nur eine auf die Spieltage beschränkte Mehrzahl von Tagen. Da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestanden habe, habe auch nach Ablauf einer Anordnung für die Dauer von drei Monaten eine erneute Anordnung ergehen können. Für den Widerspruch gegen Gebührenbescheide sei das Regierungspräsidium F nicht zuständig.
14 
Der Kläger hat am 10.01.2015 Klage erhoben. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Ersetzung der fehlerhaften Verfügung vom 30.07.2014 durch Verfügung vom 19.08.2014 eine (Teil-)Rücknahme der ersten Verfügung sei. Akteneinsicht sei erst zu spät gewährt worden. Wie wichtig diese sei, zeige sich daran, dass nach Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Auch der Widerspruch gegen eine Verfügung betreffend erkennungsdienstliche Maßnahmen habe nach Intervention des Anwalts Erfolg gehabt. Auch in diesem Verfahren hätte der Widerspruch erfolgreich sein können, wenn er auf Grundlage von Akteneinsicht hätte begründet werden können. Die Gefahren, die vom Kläger ausweislich der Verfügungen der Beklagten ausgehen sollten, ließen sich mit den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nicht in Einklang bringen. Die Verwaltungsgebühren, die erhoben worden seien, seien so hoch, dass sie sich angesichts des geringen Verdienstes des Klägers als eine Art Geldstrafe darstellten, die ihn treffe, obwohl die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt habe. Die Stadt F beschuldige den Kläger körperlicher Auseinandersetzungen bei Heim- und Auswärtsspielen. Im Schlussbericht seien als „Erkenntnisse zur Person des Beschuldigten“ lediglich ausgeführt, dass der Kläger als eine der Gewalt nicht abgeneigte Person eingestuft werde, die sich in den Jahren 2012/13 mit einer Fer Gruppierung nachweislich an zwei Drittortauseinandersetzungen beteiligt und seine Beteiligung an einer dritten Drittortauseinandersetzung angekündigt habe. Die beschriebenen Gefahren gingen von ihm nicht aus. Das habe sein Rechtsanwalt auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgeführt. Es sei ferner zu überlegen, was der Grenzwert von drei Monaten, den § 27a PolG fixiere, beschreibe. Hinsichtlich der Zeitspanne seien die drei Monate überschritten, denn es gehe um einen Zeitraum von vier Monaten, innerhalb dessen der Kläger mit 45 Tagen an seine Verpflichtungen zu denken und diese einzuhalten gehabt habe. Es bleibe auch zu überlegen, ob die Interessenabwägung korrekt, konkret und angemessen sei. Es sei zu fragen, welche Chancen jemand, der ins Visier der Polizei geraten sei, überhaupt habe. Ein Widerspruchsbescheid könne schon allein dann rechtswidrig sein, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf Grundlage von § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe. Die Ausführungen der Beklagten zum fehlenden Fortsetzungsfeststellungsinteresse überzeugten nicht. Es gebe schon eine Wiederholungsgefahr, man könne außerdem wohl von einem Rehabilitationsinteresse ausgehen. Es werde versichert, dass der Kläger weder Mitglied der Fangemeinde des SC F noch ein Hooligan sei. Zwischenzeitlich stünden alle Fußballfans unter Generalverdacht. Es müsse aber eine Balance gefunden werden zwischen den Rechten des Einzelnen und dem Anspruch der Gesellschaft auf öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Verfügungen seien überzogen und unverhältnismäßig gewesen.
15 
Der Kläger beantragt,
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Verfügungen Nummer IV. in den Bescheiden der Beklagten vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 aufzuheben sowie festzustellen, dass das mit Bescheiden vom 19.08.2014 und vom 19.09.2014 angeordnete Aufenthalts- und Betretungsverbot (jeweils Verfügung Nummer I.1 in den genannten Bescheiden) und die Meldeauflagen (jeweils Verfügung Nummer I.2) einschließlich deren Konkretisierung durch den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2014 rechtswidrig waren,
17 
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Die Klage sei bereits unzulässig. Denn es bestehe kein für die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliches Feststellungsinteresse. Insbesondere bestehe keine Wiederholungsgefahr, da die Beklagte eindeutig erklärt habe, keine weiteren Betretungs- und Aufenthaltsverbote gegen den Kläger zu erlassen, wenn er sich an die Verfügung halte. Art. 19 Abs. 4 GG begründe hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Denn eine typischerweise kurzfristige Erledigung liege in der vorliegenden Konstellation erkennbar nicht vor. Auch könne sich die Position des Klägers durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit erkennbar nicht verbessern. Der Kläger könne auch kein Rehabilitationsinteresse für sich beanspruchen. Er habe selbst kein Feststellungsinteresse behauptet. Die Klage sei auch unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG lägen vor. Jedenfalls die Zugehörigkeit zur Hooligan-Szene könne als Gefahr für die öffentliche Sicherheit angesehen werden, selbst wenn der Betreffende bislang nicht einschlägig vorbestraft sei. Die vom Betreffenden ausgehende Gefahr bestehe bereits darin, dass er durch die zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu der entsprechenden Szene die Gewaltbereitschaft dieser Personen fördere und für diejenigen, die persönlich Gewalt anwendeten, zumindest eine psychologische Stütze darstelle. Eines eigenen Tatbeitrags bedürfe es insoweit nicht. Daher sei auch beim Kläger die Beklagte zu Recht von einer entsprechend vorliegenden Gefahr und somit von der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 PolG ausgegangen. Denn der Kläger sei mindestens ab Oktober 2012 dem Umfeld der Ultragruppierungen des SC F zuzurechnen. Er habe mindestens an zwei Drittortauseinandersetzungen teilgenommen und habe an weiteren körperlichen Auseinandersetzungen, die dann nicht stattgefunden hätten, teilnehmen wollen. Dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, sei hier unerheblich. Die Verwaltung müsse eine eigene Gefahrenprognose anstellen. Abgesehen davon räume der Kläger selbst ein, an der Drittortauseinandersetzung in Frankreich beteiligt gewesen zu sein. Abgesehen davon rechtfertige bereits seine erwiesene Zugehörigkeit zur Ultraszene die Annahme einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Ultragruppierungen in F seien als äußerst gewalttätig einzustufen. Die Mitgliederzahl werde auf 200 Personen geschätzt. Im Zeitraum der Saison 2009/10 bis zur Saison 2013/14 seien knapp 100 Straftaten im Zusammenhang mit Heimspielen des SC F erfasst worden, die von Angehörigen der Ultra-Szene begangen worden seien. Bei den Straftaten, die von Ultras begangen worden seien und bei denen es sich hauptsächlich um Gewaltdelikte handele, sei eine nahezu jährliche Steigerung mit einem Höhepunkt von 56 Straftaten in der Saison 2013/14 zu erkennen. Die ganz überwiegende Zahl der Straftaten werde im Umfeld der Stadien und in den Innenstädten begangen. Die Zugehörigkeit des Klägers zur Fer Ultraszene zeige seine Gewaltbereitschaft und seine Bereitschaft, auch an Straftaten im Umfeld der Fer Stadien und in der Fer Innenstadt teilzunehmen. Allein die Tatsache, dass der Kläger strafrechtlich bislang nur außerhalb von F in Erscheinung getreten sei, mache die Maßnahme nicht rechtswidrig. Vielmehr genüge seine Zugehörigkeit zur Ultra-Szene, die die begangenen Straftaten bereits fördere. Der Kläger sei auch in der bundesweiten polizeilichen Datenbank „Gewalttäter Sport“ registriert, was nur erfolge, wenn der Betreffende eindeutig dem gewalttätigen Umfeld zuzurechnen sei und auch selbst an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen sei bzw. unterstützend teilgenommen habe. Darüber sei aktenkundig, dass der Kläger selbst Straftaten begangen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet habe. Die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot hätten damit vorgelegen. Die Regelungen seien auch im Übrigen rechtmäßig gewesen. Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote seien durch die konkrete Gefahr, dass weiterhin hochrangige Rechtsgüter bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zu Schaden kommen könnten, gerechtfertigt. Auch der räumliche und zeitliche Umfang der Verfügung sei erforderlich. Der räumliche Umfang habe sich an den Erfahrungen der Polizei aufgrund der vergangenen Vorfälle und Straftaten orientiert. Gerade die Innenstadt sei häufig Tatort von Diebstahls- und Raubdelikten wie auch von Körperverletzungen zum Nachteil von Gästefans gewesen. Der Hauptbahnhof sei als An- und Abreisepunkt mit aufzunehmen gewesen. Im Bereich des X-Stadions seien sowohl die Haltestellenpunkte als auch das X-Stadion und das Y-Stadion erfasst gewesen seien. Die Wohnadresse sowie der direkte Hin- und Rückweg zur Wohnadresse seien von den Verfügungen ausdrücklich ausgenommen gewesen. Das Aufenthaltsverbot sei geeignet gewesen, die Gefährdungslage zu unterbinden. Der Deutsche Städtetag habe aufgrund der zunehmenden Gewalttaten von Problemfans bei oder im zeitlichen / räumlichen Umfeld von Fußballspielen Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote ausdrücklich befürwortet. Diese Maßnahmen seien geeignet, Gewalttaten zu unterbinden oder das Risiko solcher zu minimieren. Dass diese Maßnahmen geeignet seien, habe eindrücklich die aktuelle Statistik der Hinrunde 2014/15 ergeben, in der es lediglich drei Straftaten, begangen von Angehörigen der Ultraszene, gegeben habe. Die szenekundigen Beamten hätten feststellen können, dass sich durch die Abwesenheit der wichtigsten Führungspersonen der Ultragruppierungen die Stimmung bei den Ultras und auch deren Verhalten, was die Gewaltbereitschaft angehe, deutlich beruhigt habe. Andere, weniger einschneidende Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Unverhältnismäßig würden diese Maßnahmen auch nicht dadurch, dass die bisher belegten Straftaten, an denen der Kläger beteiligt gewesen sei, an einem Drittort stattgefunden hätten. Denn wie erläutert sei die konkrete Beteiligung an Straftaten gerade nicht erforderlich, um eine konkrete Gefahrenlage anzunehmen. Die Teilnahme an den gefährlichen Körperverletzungen bzw. die Zugehörigkeit zum Umfeld der Fer Ultraszene zeige hinreichend klar, dass der Kläger eine entsprechende Gewaltbereitschaft aufweise. Durch die aktive Unterstützung von Aktionen dieser Gruppierung fördere er auch solche Straftaten, an denen er nicht selbst beteiligt sei. Die Voraussetzungen einer konkreten Gefahr lägen selbst dann vor, wenn dem Kläger nicht hätte bewusst gewesen sein sollen, dass es sich bei seiner konkreten Beteiligung tatsächlich um eine Straftat gehandelt habe. Die zulässige Höchstdauer nach § 27a Abs. 2 PolG sei nicht überschritten worden. Dass zunächst eine Verfügung mit Datum vom 30.07.2014 und dann erneut eine Verfügung mit Datum vom 19.09.2014 erlassen worden sei, sei unschädlich. Liege eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt vor, könne nach Ablauf einer Anordnung für die Dauer von drei Monaten eine erneute Anordnung gemäß § 27a PolG ergehen. Zu berücksichtigen sei, dass es sich jeweils um tag- und uhrzeitgenau konkretisierte Aufenthaltsverbote handele. Zur Ermittlung der nach § 27a Abs. 2 PolG zu berücksichtigenden maximal zulässigen Gesamtdauer der Verfügung wären daher nur die jeweils einzeln genannten Spieltage zu berücksichtigen, da an den übrigen Tagen kein Aufenthaltsverbot gelte. Auch die gegenüber dem Kläger erteilte Meldeauflage sei rechtmäßig, sie stütze sich auf §§ 1, 3 PolG. Sie sei auch verhältnismäßig, insbesondere geeignet, die Anreise zu Auswärtsspielen des SC F unmöglich zu machen. Mildere, ebenso effektive Maßnahmen seien nicht ersichtlich.
21 
In dem gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung anlässlich von zwei Drittortauseinandersetzungen im Jahr 2012 wurde mit Verfügung vom 15.01.2015 gemäß § 45 Abs. 1 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen.
22 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F (jew. 1 Heft) vorgelegen. Ferner hat die Strafakte der Staatsanwaltschaft F im Verfahren aaa Js bbbbb/cc vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die im Wege objektiver Klagehäufung (§ 44 VwGO) erhobenen Klagen sind zulässig.
24 
1. Soweit sich der Kläger gegen die Gebührenfestsetzungen in den Bescheiden vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 (dort jeweils unter Nr. IV) wendet, sind die Klagen als Anfechtungsklagen zulässig.
25 
Im Hinblick auf den Bescheid vom 30.07.2014 hat das Regierungspräsidium F das vom Kläger durch Widerspruch vom 08.08.2014 eingeleitete Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 03.11.2014 formlos eingestellt. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Gebührenfestsetzung (Nr. IV) ist als Untätigkeitsklage gemäß §§ 40, 42, 75 VwGO zulässig. Auch die Klage gegen Nr. IV im Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 ist gemäß §§ 40, 42, 75 VwGO zulässig, nachdem die Stadt, die insoweit selbst Widerspruchsbehörde gewesen wäre, keinen Widerspruchsbescheid erlassen hat.
26 
2. Der Antrag des Klägers, festzustellen, dass das mit Bescheiden vom 19.08.2014 und vom 19.09.2014 angeordnete Aufenthalts- und Betretungsverbot (jeweils Verfügung Nummer I.1 in den genannten Bescheiden) und die Meldeauflagen (jeweils Verfügung Nummer I.2) einschließlich deren Konkretisierung durch den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2014 rechtswidrig waren, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
27 
2.1 Die hier streitgegenständlichen Regelungen (Betretens- und Aufenthaltsverbote bzw. Meldeauflagen) bezogen sich auf das Jahr 2014 und haben sich daher zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2 LVwVfG). Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt vorher (nach Klagerhebung, aber vor gerichtlicher Entscheidung) durch Rücknahme oder auf andere Weise, etwa durch Zeitablauf, erledigt hat, wie es beim Bescheid vom 19.09.2014 der Fall ist, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier der Verwaltungsakt vom 19.08.2014 - bereits vor Klageerhebung, findet auf die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16/09 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris; Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, juris).
28 
2.2 Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklagen steht nicht der Ablauf von Rechtsmittelfristen entgegen.
29 
2.2.1 Gegen den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2014, der dem Kläger am 20.08.2014 zugegangen ist, hat er zwar keinen Widerspruch eingelegt, mutmaßlich aufgrund der Anmerkung der Beklagten in diesem Bescheid, der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30.07.2014 werde „auch auf diese Verfügung angewendet“. Daran, ob eine derartige Erstreckung rechtlich möglich ist, hat die Kammer Zweifel. Denn zum einen ist ein Widerspruch vor Ergehen des betreffenden Verwaltungsaktes nicht zulässig und verwandelt sich auch nicht nachträglich in einen zulässigen Widerspruch (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 68 Rn. 2; Beschluss der Kammer vom 06.08.2015 - 4 K 1382/15 -), und zum anderen unterliegt es allein der Dispositionsbefugnis des Bürgers, ob er gegen einen (erneuten) Bescheid Widerspruch einlegen will oder nicht; dies muss umso mehr gelten, wenn, wie hier, der den ursprünglichen Bescheid ersetzende Bescheid mit ersterem nicht inhaltlich identisch ist, sondern von jenem substantiell (hier etwa im Hinblick auf die Herausnahme der Wohnanschrift des Klägers vom Aufenthalts- und Betretungsverbot) abweicht. Auch hat die Kammer mit Blick auf die nicht allein datumsmäßigen Änderungen im Bescheid vom 19.08.2014 gegenüber dem zu ersetzenden Bescheid vom 30.07.2014 Zweifel daran, ob die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich und sogleich die Erhebung einer Anfechtungsklage möglich gewesen wäre (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 68 Rn. 23).
30 
Ob der Kläger rechtswirksam Widerspruch eingelegt hat, Erledigung durch Zeitablauf somit während des bereits laufenden Widerspruchsverfahren eingetreten ist, oder ob es an einem rechtswirksamen Widerspruch fehlt, und wenn ja, ob dieser entbehrlich gewesen ist, kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn Erledigung des am 19.08.2014 erlassenen Verwaltungsaktes ist am Samstag, dem 20.09.2014 und damit während der gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO bis zum Montag, dem 22.09.2014, laufenden Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO eingetreten. In allen genannten Konstellationen bedürfte es jedenfalls nach dem 20.09.2014 der Einleitung bzw. (weiteren) Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht mehr, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr erfüllen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, m.w.N.). Stattdessen stand mit Ablauf des 20.09.2014 dem Kläger die nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage offen. Diese ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung begrenzt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris; Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, juris). Für eine Verwirkung aber ist im Hinblick auf die weniger als vier Monate nach Erledigung und etwa zwei Monate nach Mitteilung des Regierungspräsidiums F, dass ein Widerspruchsbescheid nach Erledigung nicht mehr ergehe, nichts ersichtlich.
31 
2.2.2 Im Hinblick auf die Bescheide der Beklagten vom 19.09.2014 und 06.10.2014 wurde der fristgerecht eingelegte Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F vom 08.12.2014, zugestellt am 12.12.2014, zurückgewiesen. Erledigung trat am 22.12.2014, 22:00 Uhr ein, somit während der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO. Da die Klage am 10.01.2015 und damit binnen Monatsfrist erhoben wurde, bestehen auch insoweit keine Bedenken an der Zulässigkeit der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage.
32 
2.4 Der Kläger kann ferner bezüglich aller mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffenen Verwaltungsakte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für sich reklamieren.
33 
Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat.
34 
2.3.1 Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich vorliegend aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass der Betroffene die Möglichkeit erhält, die Rechtmäßigkeit ihn belastender Eingriffsmaßnahmen nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen zu lassen. Handelt es sich daher um Maßnahmen, die sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. RSpr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 04.02.2014 - 10 B 10.2913 -, juris; OVG Saarland, Urteil vom 26.11.2013 - 3 A 106/12 -, juris).
35 
Das polizeirechtliche, auf § 27a Abs. 2 PolG BW gestützte Betretungs- und Aufenthaltsverbot, das zeitlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken ist und die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten darf (vgl. § 27a Abs. 2 Sätze 2, 3 PolG), und dessen gerichtlicher Überprüfung zudem ein Widerspruchsverfahren vorgeschaltet ist, gehört zu den sich typischerweise vor der Möglichkeit der Erlangung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Hauptsacheverfahren erledigenden Maßnahmen; aufgrund welcher Einschätzung die Beklagte zu dem Ergebnis gelangt ist, eine typischerweise kurzfristige Erledigung liege „in der vorliegenden Konstellation erkennbar nicht vor“, erschließt sich für die Kammer nicht. Gleiches gilt für die regelmäßig als Annex zu Betretungs- und Aufenthaltsverboten erlassenen, auf §§ 1, 3 PolG BW gestützten Meldeauflagen.
36 
Art. 19 Abs. 4 GG wurde bei der Frage, inwieweit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vorliegt, in der Vergangenheit häufig im Zusammenhang mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, insbesondere solcher, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat, fruchtbar gemacht (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung). Insoweit kann aber dahinstehen, inwieweit ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot den grundrechtsrelevanten Bereich der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 24.09.2014 - 5 K 659/14.F -, juris; a.A. Bayer. VGH, Beschluss vom 09.06.2006 - 24 CS 06.1521 -, juris) bzw. das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 GG (VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012 - 5 K 1236/11 -, juris; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 27a Rn. 10; Siegel, NJW 2013, 1035) berührt und deshalb bereits einen hinreichend tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt. Denn nach Auffassung der Kammer ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Urteilen aus dem Jahr 2013 (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38/12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39/12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. „Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten.“ Dass das Bundesverwaltungsgericht aus diesem Befund nicht explizit den Schluss gezogen hat, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe ungeachtet der Schwere des Eingriffs allein aufgrund typischerweise kurzfristiger Erledigung des Verwaltungsakts, war dem Umstand geschuldet, dass in den dort zu entscheidenden Fallkonstellationen gerade kein sich typischerweise kurzfristig erledigender Verwaltungsakt vorlag mit der Folge, dass dort, da die „Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht [gebietet], ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern“, das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Ergebnis abzulehnen war. Nimmt man jedoch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4 GG ernst, so ist im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsaktes zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (so bereits VG F, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächs. OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 113 Rn. 145, m.w.N.; Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, § 113 VwGO Rn. 110; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 282 f.; a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2015 - 22 K 5865/13 -, juris, in dem zwar festgestellt wird, die Anforderungen an das Gewicht des Grundrechtseingriffs dürften nicht überspannt werden, andererseits aber eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG allein als nicht gewichtig genug eingestuft wird, um ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen).
37 
2.3.2 Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse daneben wegen eines Rehabilitierungsinteresses des Klägers zu bejahen ist. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, juris).
38 
Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten beruhen vom maßgebenden Empfängerhorizont aus auf dem Vorwurf, der Kläger gehöre zum Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und habe sich bei Drittortschlägereien strafbar gemacht. Es spricht einiges dafür, dass dieser doppelte Vorwurf der Beklagten und die daraus resultierende Stigmatisierung des Klägers als einem für seine Umwelt in bestimmten Situationen gefährlichen, sich in strafwürdiger Weise gewalttätig verhaltenden Menschen, der sich aufgrund seines Verhaltens an einer relevanten Zahl von Wochenenden über Stunden hinweg nicht im Innenstadtbereich seines Wohnorts aufhalten darf, sich als gegenüber dem Kläger diskriminierend und seinen grundrechtlichen Ehrschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigend darstellt (so etwa VG Stuttgart, Urteil vom 14.09.2009 - 5 K 2929/08 -, juris). Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben.
III.
39 
Die Klagen sind ferner vollumfänglich begründet.
40 
1. Die Begründetheit der gegen die Verfügungen Nummer IV. in den Bescheiden der Beklagten vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 - Gebührenfestsetzungen von jeweils 150,-- EUR - ergibt sich bereits daraus, dass eine Gebühr, die für eine rechtswidrige Amtshandlung erhoben wird, deren Schicksal teilt und selbst als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Die in den Bescheiden vom 30.07.2014 und vom 19.09.2015 erlassenen Betretungs- und Aufenthaltsverbote sowie Meldeauflagen aber erweisen sich, wie sich aus den Ausführungen unter 2. ergibt, als rechtswidrig. Auch die Gebührenfestsetzungen sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
41 
2. Auch die Fortsetzungsfeststellungsklagen sind begründet. Denn die Bescheide vom 30.07.2014, 19.08.2014 und 19.09.2014 in Gestalt der Konkretisierung durch den Bescheid vom 06.10.2014 waren rechtswidrig.
42 
2.1 Der Bescheid der Beklagten vom 30.07.2014 ist bereits wegen eines Anhörungsmangels formal rechtswidrig gewesen.
43 
2.1.1 Nach § 28 Abs. 1 LVwVfG ist einem Beteiligten vorbehaltlich der Ausnahmen in § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift.
44 
Eine Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Erlass des Bescheides vom 30.07.2014 hat nicht stattgefunden. Dafür, dass Ausnahmegründe i.S.d. § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG gegeben wären, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, gibt es vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar erhielt die Beklagte erst durch Schreiben des Polizeipräsidiums F vom 23.07.2014 davon Kenntnis, dass es über den Kläger personenbezogene Kenntnisse gibt, wonach er sich an körperlichen Auseinandersetzungen außerhalb von Fußballbegegnungen beteilige und die Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Straftatenbegehung als hoch zu bezeichnen sei, weshalb Antrag auf Erteilung einer Meldeauflage sowie eines Aufenthalts- und Betretungsverbots für Begegnungen ab dem 02.08.2014 gestellt werde. Dennoch blieb der Beklagten ungefähr eine Woche bis zum geplanten Erlass der beantragten Auflagen und Verbote vor der ersten anstehenden Begegnung. Auch wenn die Beklagte in diesem Zeitraum eine Verbotsverfügung nicht lediglich formulieren, sondern zunächst auch die Akten sichten und ggf. durch Rückfragen bei der Polizei den Sachverhalt aufklären musste, kann die Kammer nicht erkennen, dass sie den Kläger nicht vom beabsichtigten Erlass eines Bescheides beispielsweise fernmündlich hätten informieren und ihm Gelegenheit etwa zu einer persönlichen Vorsprache binnen einer eng bemessenen Frist hätte geben können. Dass durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust eingetreten wäre, der im Sinne von § 28 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge gehabt hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät gekommen wäre, um ihren Zweck zu erreichen, kann die Kammer - zumal auch nichts dafür vorgetragen ist, dass der Zweck der Aufenthalts- und Betretungsverbote nicht hätte erreicht werden können, wenn diese erst ab der zweiten Begegnung gegolten hätten - nicht erkennen. Eine Anhörung wäre daher tunlich gewesen.
45 
Die Kammer sieht sich vor dem Hintergrund, dass in Sachverhaltskonstellationen wie den vorliegenden nach dem Eindruck der Kammer die Beklagte fast regelhaft auf eine Anhörung zu verzichten scheint, zu dem Hinweis veranlasst, dass die gesetzlichen, in § 28 Abs. 1 LVwVfG verankerten Anhörungsrechte mitnichten ein relatives, auch nachträglich gewährbares Recht darstellen, sie vielmehr - ungeachtet der Heilungsmöglichkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG - grundsätzlich als zwingendes Recht ausgestaltet sind, hinter dem das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) steht.
46 
2.1.2 Der Anhörungsmangel ist vorliegend auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen § 28 LVwVfG unbeachtlich, wenn der die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Abs. 2) nachgeholt wird. Eine Heilung in diesem Sinne tritt allerdings nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2010 - 3 C 14/09 -, juris). Das setzt voraus, dass der Beteiligte - nachträglich - eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 26, m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 45 Rn. 76, m.w.N.). Die Heilung ist ausgeschlossen, wenn die nachgeholte Verfahrenshandlung ihre rechtsstaatlich gebotene Funktion nicht mehr erfüllen kann (Hess. VGH, Urteil vom 06.05.2015 - 6 A 493/14 -, juris).
47 
Gemessen daran ist eine Heilung hier nicht erfolgt. Eine Heilung des Anhörungsfehlers wäre nur bis zum 17.08.2014 möglich gewesen, da sich die Aufenthalts- und Betretungsverbote bzw. Meldeauflagen zu diesem Zeitpunkt durch Zeitablauf erledigten und eine Nachholung der Anhörung nach Erledigung eines Verwaltungsaktes nicht mehr in Betracht kommt (Ziekow, VwVfG, 3. Aufl., § 45 Rn. 14; Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl., § 45 Rn. 43; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 45 Rn. 76). Bis zu diesem Zeitpunkt aber war eine Heilung nicht erfolgt.
48 
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine unterbliebene Anhörung regelmäßig auch dadurch geheilt werden kann, dass der Betroffene auf Grundlage der dem Verwaltungsakt beigefügten Begründung die Möglichkeit hat, im Rahmen der Widerspruchsbegründung zu den im Bescheid verwerteten Tatsachen Stellung zu nehmen und weitere ihm bedeutsam erscheinende Tatsachen vorzutragen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, NVwZ 1983, 284; Stelkens/Bonk/Sachs, VwGO, 7. Aufl., § 45 Rn. 80). Vorliegend hat der Kläger am 08.08.2014 Widerspruch eingelegt. Allerdings führt nicht bereits die Widerspruchseinlegung als solche zu einer Heilung des Verfahrensmangels der Anhörung. Eine Heilung tritt nämlich nicht bereits aufgrund schlichter isolierter Nachholung der fehlerhaften oder versäumten Verfahrenshandlung ein (vgl. zum Folgenden Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 45 Rn. 43, 46; Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl., § 45 Rn. 105; Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 45 Rn. 16 f., 47; jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, NVwZ 1983, 284). Läge in dem Widerspruch bereits die Heilung der von der Erstbehörde unterlassenen Anhörung, liefe § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG weitgehend leer (vgl. dazu Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., Rn. 79), denn eine Überprüfung dieses Verfahrensfehlers erfolgt in aller Regel nur aufgrund eines Widerspruchs, der seinerseits grundsätzlich die Heilung bewirkte, ohne dass die Behörde ihrerseits zu irgendeinem Zeitpunkt die Ausführungen des Betroffenen zur Kenntnis nehmen müsste. Vielmehr bedarf es hierfür insbesondere im Falle einer zunächst unterbliebenen Anhörung im Anschluss an deren Nachholung einer nochmaligen neuen und unvoreingenommenen Überprüfung des ursprünglichen Verwaltungsaktes durch die Behörde anhand etwaigen Vorbringens des Betroffenen sowie aller seit dem Erlass des Verwaltungsaktes zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen der Rechts- oder Sachlage und des Weiteren einer daran anschließenden Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes. Ob das Ergebnis der erneuten Überprüfung dem Betroffenen in einem separaten Schreiben mitgeteilt werden muss oder ob es ausreicht, dass aus den Akten bzw. im Rahmen eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids aus dem Bescheid deutlich wird, dass die Behörde ihre Ausgangsentscheidung kritisch überprüft hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn vorliegend hat die Beklagte ihre Ausgangsentscheidung bis zum 19.08.2014 nicht überprüft und lediglich unter dem 19.08.2014 einen neuen, teilweise inhaltlich abweichenden Bescheid erlassen, der den Bescheid vom 30.07.2014 für die Zukunft ersetzte.
49 
Nachdem folglich eine Heilung gemäß § 45 LVwVfG nicht stattgefunden hat und bei der im Ermessen der Behörde stehenden Verhängung von Aufenthalts- und Betretungsverboten auch kein Fall des § 46 LVwVfG gegeben ist, war der Bescheid vom 30.07.2014, soweit er die genannten Aufenthalts- und Betretungsverbote sowie Meldeauflagen betraf, rechtswidrig.
50 
2.1.3 Abgesehen davon ist der Bescheid auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 PolG nicht vorgelegen haben (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.3.2, die auf diesen Bescheid uneingeschränkt übertragbar sind).
51 
2.2 Auch der Bescheid vom 19.08.2014 ist bereits wegen eines Anhörungsmangels formal rechtswidrig gewesen.
52 
Auch vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.08.2014 hat eine ausdrückliche Anhörung des Klägers durch die Beklagte nicht stattgefunden. Eine Anhörung ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte unter dem 30.07.2014 einen - im Wesentlichen gleich lautenden - Bescheid gegen den Kläger erlassen hatte, vor dessen Erlass sie den Kläger zwar ebenfalls nicht angehört hatte, gegen den dieser jedoch mit Schreiben vom 08.08.2014 Widerspruch eingelegt hat. Denn unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen der Anhörungsmangel betreffend den Bescheid vom 30.07.2014 durch die Widerspruchseinlegung hätte geheilt werden können, ist in der Widerspruchseinlegung jedenfalls keine Anhörung bezüglich eines anderen, im Übrigen, wie insbesondere aus dem Herausnahmen der Wohnanschrift des Klägers vom Aufenthaltsverbot deutlich wird, mit dem Bescheid vom 30.07.2014 nicht identischen Bescheids zu sehen. Davon abgesehen hatte der Kläger seinen Widerspruch vom 08.08.2014 noch nicht vollumfänglich begründet in der berechtigten Erwartung, dies im Laufe des Widerspruchsverfahrens nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten von Polizei und Staatsanwaltschaft tun zu können. Auch hieran wird deutlich, dass hier der Widerspruchseinlegung nicht zugleich die Funktion einer Anhörung eines noch zu erlassenden Verwaltungsaktes zugeschrieben werden kann.
53 
Dafür, dass Ausnahmegründe i.S.d. § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG gegeben wären, gibt es auch hier keine Anhaltspunkte. Nachdem seit dem 08.08.2014 ein Rechtsanwalt mandatiert war, hätte die Beklagte diesem unschwer per Telefax Kenntnis über den beabsichtigten Neuerlass eines Betretungs- und Aufenthaltsverbotes geben und eine - sei es auch kurz bemessene - Frist zur Stellungnahme einräumen können. Dies hätte den Erlass des Bescheides, der erstmals für den 23.08.2014 - hier bezüglich der Herausnahme der Wohnanschrift des Klägers aus dem Regelungsbereich des Aufenthalts- und Betretungsverbots - eine Regelung traf, nicht untunlich verzögert.
54 
Eine Anhörung wäre daher auch vor Erlass des Bescheids vom 19.08.2014 erforderlich gewesen.
55 
Der Anhörungsmangel ist vorliegend auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich. Eine Heilung des Anhörungsfehlers wäre nur bis zum 20.09.2014, 14.00 Uhr, möglich gewesen, da der Bescheid sich zu diesem Zeitpunkt erledigte. Bis zu diesem Zeitpunkt aber war eine Heilung nicht erfolgt. Zwar kann, wie bereits dargelegt, ein Anhörungsmangel dadurch geheilt werden, dass der Betroffene gegen einen Ausgangsbescheid, dessen Begründung sich die wesentlichen Argumente der Behörde entnehmen lassen, Widerspruch einlegt. Der Kläger hat aber - wie gesehen - gegen den Bescheid vom 19.08.2014 keinen Widerspruch eingelegt und sich auch im Übrigen vor Erledigung des Verwaltungsaktes durch Zeitablauf am 20.09.2014 gegenüber der Behörde zur Rechtmäßigkeit dieses Bescheids nicht geäußert. Im Übrigen hätte, wie bereits dargelegt, auch eine Widerspruchseinlegung als solche nicht zu einer Heilung des Verfahrensmangels der Anhörung geführt, da diese jedenfalls eine ergebnisoffene Überprüfung der Ausgangsentscheidung durch die Behörde voraussetzt. An einer - wie auch immer gearteten - Überprüfung der Ausgangsentscheidung durch die Beklagte aber fehlte es bis zum Zeitpunkt der Erledigung.
56 
Nachdem folglich eine Heilung gemäß § 45 LVwVfG nicht stattgefunden hat und bei der im Ermessen der Behörde stehenden Verhängung von Aufenthalts- und Betretungsverboten auch kein Fall des § 46 LVwVfG gegeben ist, war auch der Bescheid vom 19.08.2014 rechtswidrig.
57 
Abgesehen davon ist der Bescheid auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 27a PolG nicht vorgelegen haben (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.3.2, die auf diesen Bescheid uneingeschränkt übertragbar sind).
58 
2.3 Auch der Bescheid vom 19.09.2014, konkretisiert durch Bescheid vom 06.10.2014, ist im Ergebnis rechtswidrig gewesen.
59 
2.3.1 Zwar sind diese Bescheide formell rechtmäßig zustande gekommen. Insbesondere wurde der Kläger im Vorfeld des Erlasses des Bescheids vom 19.09.2014 angehört (vgl. Schreiben vom 10.09.2014), wobei die recht kurze Frist zur Stellungnahme umso weniger Bedenken aufwirft, als es sich hierbei inhaltlich lediglich um die Verlängerung bereits bestehender Verbote bzw. Auflagen handelt. Zwar wurde der Kläger vor Erlass dieses Bescheides nicht separat angehört; bereits mit Schreiben vom 10.09.2014 war der Kläger aber allgemein zum Erlass von Betretungs- und Aufenthaltsverboten sowie Meldeauflagen für den Zeitpunkt 21.09.2014 bis zum 20.12.2014 unter Verweis auf die Begründung im Bescheid vom 19.08.2014 angehört worden. Gegenstand der Anhörung waren folglich auch die mit Bescheid vom 06.10.2014 verhängten Maßnahmen.
60 
2.3.2 Das mit Bescheid vom 19.09.2014 unter Nr. I.1. gegen den Kläger verhängte Aufenthalts- und Betretungsverbot betreffend näher bestimmte Bereiche Fs an einzelnen Tagen im Zeitraum vom 27.09.2014 bis zum 21.12.2014, konkretisiert durch Bescheid vom 06.10.2014, erweist sich jedoch als materiell rechtswidrig.
61 
Das Aufenthalts- und Betretungsverbot ist auf § 27a Abs. 2 PolG gestützt. Nach § 27a Abs. 2 Satz 1 PolG kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen (Satz 2). Es darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten (Satz 3).
62 
Die Beklagte stützt die gegen den Kläger verhängten Aufenthalts- und Betretungsverbote auf Erkenntnisse der Polizei. Danach sei der Kläger dem erweiterten Umfeld der Fer Problemfanszene (Drittortszene) zuzurechnen, die sich aus Personen der „ABC“ und „DEF“ zusammensetze. Auch wenn der Kläger keiner der Gruppen zuzuordnen sei, beteilige er sich vorsätzlich und willentlich an geplanten Schlägereien. In den Jahren 2012/13 habe er sich an zwei Drittortauseinandersetzungen beteiligt; weitere Drittortauseinandersetzungen, an denen der Kläger habe teilnehmen wollen, seien aus verschiedenen Gründen abgesagt worden. Mitglieder der Fer Ultraszene seien an Gewaltdelikten und anderen Straftaten beteiligt gewesen (Zünden von Pyrotechnik im Stadion, körperliche Auseinandersetzungen mit gegnerischen Problemfans im Bereich des Stadions oder der Innenstadt, Beschädigung von Sitzschalen, Widerstand gegen Polizeibeamte etc.). Der Umstand, dass der Kläger sich nachweislich in der Saison 2012/13 an Drittortauseinandersetzungen beteiligt habe, zeige seinen Hang zur Gewalt und dazu, bei Fußballbegegnungen die Konfrontation zu gegnerischen Fans erneut bewusst zu suchen. Es sei, so die Polizei, nicht auszuschließen, dass sich der Betroffene bei Fußballspielen aufhalte und hier eine körperliche Konfrontation mit gegnerischen Fans suche.
63 
Die Beklagte hatte keinen Grund, an der Richtigkeit der schriftlich vorgelegten Erkenntnisse der polizeilichen szenekundigen Beamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooliganszene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über eine umfassende Personenkenntnis und sind in der Lage, Problemfans differenziert zu beurteilen. Für ihre Informationsgewinnung greifen sie auf die Zentrale Informationsstelle Sportveranstaltungen zurück, bei welcher sämtliche Hinweise aus allen Bundesligastandorten zentral gebündelt und von dort wieder an die einzelnen Dienststellen und hier an die szenekundigen Beamten weitergegeben werden. Außerdem stehen sie untereinander in ständigem Kontakt und beobachten die Hooliganszene anlässlich von Fußballspielen. Aus der Bündelung dieser Informationen wird das Erkenntnismaterial gewonnen, das zur Beurteilung der Gefahrenprognose bei präventiven Maßnahmen zu Grunde gelegt wird (VG Minden, Urteil vom 29.06.2005 - 11 K 2952/04 -, juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B 173/06 -, juris; VG München, Urteil vom 25.02.2010 - M 22 K 08.203 -, juris; VG Meiningen, Urteil vom 08.02.2011 - 2 K 453/09 Me -, juris).
64 
Diese polizeiliche Auswertung der Sachlage und Gefahreneinschätzung, die in der mündlichen Verhandlung von Herrn K vom Polizeirevier F-Süd weiter erläutert wurde, rechtfertigt zur Überzeugung der Kammer ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot gegen den Kläger für Bereiche der Innenstadt bzw. um das Stadion herum nicht. Vielmehr fehlte es insoweit im Herbst 2014 an Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger gerade in den vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereichen - und nur hierauf kommt es an - eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen werde, so dass bereits der Tatbestand des § 27a Abs. 2 PolG nicht erfüllt gewesen ist.
65 
Zwar ist die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frage, wann gegen ein Mitglied einer gewaltbereiten Fangruppierung bzw. einer Hooligangruppe ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erlassen werden kann, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, relativ großzügig. So wird zu Recht nicht verlangt, dass dem Betroffenen im Einzelnen eine konkrete Tatbegehung nachgewiesen werden kann (VG Minden, Beschluss vom 02.10.2014 - 11 L 763/14 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 01.07.2009 - 3 L 345/09 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 26.04.2013 - 6 L 170/13 -, juris; VG Hannover, Beschluss vom 21.07.2011 - 10 B 2096/11 -, juris; ); selbst der Nachweis der Zugehörigkeit zum Kernbereich der gewalttätigen Fan- bzw. Hooliganszene wird als nicht erforderlich erachtet (VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B 173/06 -, juris). Begründet wird dies überzeugend damit, dass eine von einem Mitglied einer gewaltbereiten Gruppierung ausgehende Gefahr schon darin besteht, dass dieser durch seine zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu dieser Gruppe die Gewaltbereitschaft fördert und für diejenigen, die persönlich Gewalt anwenden, eine zumindest psychologische Stütze darstellt. Die von Hooligans oder gewaltbereiten Fans etwa einer Ultra-Gruppierung begangenen Straftaten haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird. Die gewaltbereite Szene benötigt ein unterstützendes Umfeld; schon die bloße Anwesenheit von Gleichgesinnten trägt zur Gewaltbereitschaft derjenigen bei, die ihrem Kernbereich zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren.
66 
Andererseits lassen sich Maßnahmen auf Grundlage des § 27a Abs. 2 PolG nicht auf reine Vermutungen stützen; vielmehr müssen aussagekräftige, tatsächliche Hinweise dafür vorliegen, dass der Betreffende nicht nur allgemein, sondern gerade dort, wo das Aufenthaltsverbot gelten soll, eine Straftat verüben wird (VG Stuttgart, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 K 2106/06 -, juris; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 15.07.2014 - 5 K 996/13.NW -, juris; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 27a Rn. 11; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 27a Rn. 10; Siegel, NJW 2013, 1035).
67 
An derartigen aussagekräftigen Hinweisen dafür, dass der Kläger zukünftig in den vom Aufenthalts- und Betretungsverbot erfassten Bereichen eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen würde, aber fehlt es nach Auffassung der Kammer. Wie Herr K vom Polizeirevier F Süd und später auch der szenekundige Beamte M anlässlich seiner Angaben im Verfahren 4 K 3074/14 ausgeführt haben, ist der Kläger nicht deshalb ins Visier der Polizei geraten, weil er bereits in der Vergangenheit im Bereich des Stadions oder der Innenstadt als zur Gewalt neigend oder auch nur als Mitglied einer Ultra-Gruppierung aufgefallen wäre; tatsächlich hat der Kläger, der auch nach Informationen der Polizei keiner Ultra-Gruppierung zuzuordnen war, auch nach eigenen Angaben nur selten eine Fußballbegegnung im Stadion verfolgt. Ein Aufenthalts- und Betretungsverbot wurde gegen ihn letztlich (nur) deshalb verhängt, weil er nachweislich an Drittortauseinandersetzungen mit Fans rivalisierender Vereine teilgenommen hat. So hat er sich am 13.10.2012 an einer Drittortauseinandersetzung mit einer Gruppierung aus Nancy in L in Frankreich und am 12.04.2013 an einer Auseinandersetzung mit einer Gruppierung aus H in der Nähe von T beteiligt und war darüber hinaus ausweislich der im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgten Rekonstruktion eines SMS-Verlaufs auf dem iPhone von R an Planungen hinsichtlich einer geplanten Drittortauseinandersetzung mit einer Gruppierung aus Ulm in der Nähe von Pforzheim im März 2013 sowie einer weiteren Auseinandersetzung gegen München in Friedrichshafen / Bodensee im Mai 2013 beteiligt bzw. wurde insoweit angefragt, sagte aber jeweils ab. Damit hat sich der Kläger mehrfach der (gefährlichen) Körperverletzung schuldig gemacht (vgl. zur Strafbarkeit verabredeter Schlägereien konkurrierender Gruppierungen BGH, Urteil vom 22.01.2015 - 3 StR 233/14 -, juris). Allerdings gab und gibt es für die Polizei keinen Hinweis darauf, dass der Kläger im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Fußballbegegnungen - und damit außerhalb von Drittortauseinandersetzungen, die im gegenseitigen Einverständnis stattfinden und nach gewissen Regeln ablaufen - gegnerische Fans provoziert oder angegangen oder zur Begehung von Straftaten durch andere gewaltbereite Fans in irgendeiner Weise beigetragen hätte. Zwar hat der Polizeibeamte M ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass jemand, der sich bereits außerhalb des Stadions körperlich mit gegnerischen Fans gemessen habe, auch bei kritischen Situationen im Stadionbereich eher die körperliche Auseinandersetzung suche als jemand, der Gewalt für sich vollständig ablehne. Unabhängig davon, ob diese Überlegungen grundsätzlich als konkreter Anhaltspunkt für die Begehung von Straftaten dienen und damit ein Aufenthalts- und Betretungsverbot rechtfertigen können, ist ein solcher Schluss im Zusammenhang mit dem Kläger bereits deshalb unzulässig, weil er auch nach Informationen der Polizei im Vorfeld der Verhängung der Aufenthalts- und Betretungsverbote gerade nicht zum engeren Kreis der Ultra-Fans gehörte und sich auch nur gelegentlich - und wenn, dann offenbar für die Polizei unauffällig - im Stadion aufhielt. Allein aus der Beteiligung an Drittortauseinandersetzungen aber wird lässt sich gerade nicht herleiten, dass der betreffende Fußballfan bewusst auch im engeren oder weiteren Umfeld von Stadien die tätliche Auseinandersetzung mit anderen Fußballfans suchen wird (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 K 2106/06 -, juris, und Urteil vom 14.09.2009 - 5 K 2929/08 -, juris). Auch der Eintrag in die Datei „Gewalttäter Sport“ ist als solcher keine Tatsache, die im Sinne von § 27a Abs. 2 PolG die Annahme der Begehung von Straftaten rechtfertigt, sondern allenfalls ein Hinweis auf das Vorliegen entsprechender Tatsachen; er enthebt die Behörde daher nicht davon, ihre Einschätzung, der Betreffende werde in einem bestimmten Bereich eine Straftat begehen, auf konkret belegbare Ereignisse zu stützen (OVG Bremen, Beschluss vom 10.02.2010 - 1 B 30/10 -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012 - 5 K 1236/11 -, juris; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 15.07.2014 - 5 K 996/13.NW -, juris). Schließlich schätzte auch die Polizei die Lage offenbar nicht so ein, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden hat, der Kläger werde in den vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereichen Straftaten begehen oder zu ihrer Begehung beitragen. Vielmehr ist in den polizeilichen Stellungnahmen zur Person des Klägers lediglich davon die Rede, der Kläger sei dem „erweiterten Umfeld der Fer Problemfanszene (Drittortszene) zuzurechnen“ und es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Betroffene bei Fußballspielen aufhält und hier eine körperliche Konfrontation mit gegnerischen Fans sucht“. Es folgt eine Chronologie der Ereignisse, an denen die Ultragrupperungen „ABC“ und „DEF“ beteiligt waren, jedoch ohne Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an einer der Aktionen beteiligt oder auch nur dabei anwesend war. Allein die abstrakte, von allgemeinen Erfahrungswerten gestützte Möglichkeit, der Kläger könne in Zukunft in Abweichung von seinem bisherigen Verhalten auch im Bereich des Stadions oder der Innenstadt auffällig werden und bei künftigen Spielen dort sicherheitsrelevante Störungen verursachen, aber genügt nicht für die Erfüllung des Tatbestands des § 27a Abs. 2 PolG.
68 
2.3.3 Auch die Meldeauflage in dem Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 ist (Nr. I.2.) als rechtswidrig zu qualifizieren.
69 
Eine Meldeauflage zielt darauf, dass die betreffende Person sich bei einer bestimmten polizeilichen Dienststelle zu einem bestimmten Zeitpunkt „melden“ muss. Im Gegensatz zu einem Aufenthalts- und Betretungsverbot regelt sie unmittelbar nicht das „Wegbleiben“ vom einem bestimmten Ort, sondern das „Hinkommen“ zu einer Polizeidien (Siegel, NJW 2013, 1035). Mangels spezialgesetzlicher Grundlage lässt sich eine derartige Meldeauflage auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) stützen (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 39/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.06.2000 - 1 S 1271/00 -, juris). Voraussetzung für den Erlass einer Meldeauflage ist danach das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei eine objektive ex-ante-Sicht maßgeblich ist. Die Beklagte hat den Erlass der Meldeauflage damit begründet, dass der Kläger von einer Anreise zum Auswärtsspielort des SC F und dadurch von der Teilnahme an hooligantypischen Auseinandersetzungen bei Auswärtsspielen habe abgehalten werden sollen. Damit lässt sich jedoch der Erlass einer Meldeauflage nicht rechtfertigen. Ebenso wenig nämlich wie konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, der Kläger werde im Bereich des Stadions Straftaten begehen, bestand eine hinreichend konkrete Gefahr dafür, dass der Kläger bei Auswärtsspielen am Auswärtsspielort straffällig werden würde. Denn der Kläger war in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt am Auswärtsspielort einer Mannschaft des SC F auffällig geworden; es fehlte darüber hinaus bereits an Anhaltspunkten dafür, dass er sich überhaupt an Auswärtsspieltagen am Auswärtsspielort des SC F aufhalten würde. Aber auch der für eine Eignung der verhängten Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Auswärtsspielen des SC F und Drittortauseinandersetzungen war nicht gegeben. So fand etwa die Auseinandersetzung in T am 12.04.2013 im Zusammenhang mit einem Heimspiel des SC F statt, die Drittortauseinandersetzung bei H am 11.08.2012, an der auch der Kläger im Verfahren 4 K 3074/14 beteiligt war, stand gar nicht im Zusammenhang mit einer Partie der ersten oder zweiten Mannschaft des SC F, und die für den 10.03.2013 geplante Auseinandersetzung gegen U wurde mangels Beteiligung kurzerhand auf den 23.03.2013 verschoben.
70 
2.4 Vor diesem Hintergrund ist auch die Zwangsgeldandrohung betreffend die unter Anordnung des Sofortvollzugs erlassene Meldeauflage rechtswidrig gewesen.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

Gründe

 
I.
23 
Die im Wege objektiver Klagehäufung (§ 44 VwGO) erhobenen Klagen sind zulässig.
24 
1. Soweit sich der Kläger gegen die Gebührenfestsetzungen in den Bescheiden vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 (dort jeweils unter Nr. IV) wendet, sind die Klagen als Anfechtungsklagen zulässig.
25 
Im Hinblick auf den Bescheid vom 30.07.2014 hat das Regierungspräsidium F das vom Kläger durch Widerspruch vom 08.08.2014 eingeleitete Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 03.11.2014 formlos eingestellt. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Gebührenfestsetzung (Nr. IV) ist als Untätigkeitsklage gemäß §§ 40, 42, 75 VwGO zulässig. Auch die Klage gegen Nr. IV im Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 ist gemäß §§ 40, 42, 75 VwGO zulässig, nachdem die Stadt, die insoweit selbst Widerspruchsbehörde gewesen wäre, keinen Widerspruchsbescheid erlassen hat.
26 
2. Der Antrag des Klägers, festzustellen, dass das mit Bescheiden vom 19.08.2014 und vom 19.09.2014 angeordnete Aufenthalts- und Betretungsverbot (jeweils Verfügung Nummer I.1 in den genannten Bescheiden) und die Meldeauflagen (jeweils Verfügung Nummer I.2) einschließlich deren Konkretisierung durch den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2014 rechtswidrig waren, ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
27 
2.1 Die hier streitgegenständlichen Regelungen (Betretens- und Aufenthaltsverbote bzw. Meldeauflagen) bezogen sich auf das Jahr 2014 und haben sich daher zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2 LVwVfG). Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt vorher (nach Klagerhebung, aber vor gerichtlicher Entscheidung) durch Rücknahme oder auf andere Weise, etwa durch Zeitablauf, erledigt hat, wie es beim Bescheid vom 19.09.2014 der Fall ist, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigt sich der Verwaltungsakt - wie hier der Verwaltungsakt vom 19.08.2014 - bereits vor Klageerhebung, findet auf die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16/09 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris; Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, juris).
28 
2.2 Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklagen steht nicht der Ablauf von Rechtsmittelfristen entgegen.
29 
2.2.1 Gegen den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2014, der dem Kläger am 20.08.2014 zugegangen ist, hat er zwar keinen Widerspruch eingelegt, mutmaßlich aufgrund der Anmerkung der Beklagten in diesem Bescheid, der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30.07.2014 werde „auch auf diese Verfügung angewendet“. Daran, ob eine derartige Erstreckung rechtlich möglich ist, hat die Kammer Zweifel. Denn zum einen ist ein Widerspruch vor Ergehen des betreffenden Verwaltungsaktes nicht zulässig und verwandelt sich auch nicht nachträglich in einen zulässigen Widerspruch (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 68 Rn. 2; Beschluss der Kammer vom 06.08.2015 - 4 K 1382/15 -), und zum anderen unterliegt es allein der Dispositionsbefugnis des Bürgers, ob er gegen einen (erneuten) Bescheid Widerspruch einlegen will oder nicht; dies muss umso mehr gelten, wenn, wie hier, der den ursprünglichen Bescheid ersetzende Bescheid mit ersterem nicht inhaltlich identisch ist, sondern von jenem substantiell (hier etwa im Hinblick auf die Herausnahme der Wohnanschrift des Klägers vom Aufenthalts- und Betretungsverbot) abweicht. Auch hat die Kammer mit Blick auf die nicht allein datumsmäßigen Änderungen im Bescheid vom 19.08.2014 gegenüber dem zu ersetzenden Bescheid vom 30.07.2014 Zweifel daran, ob die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich und sogleich die Erhebung einer Anfechtungsklage möglich gewesen wäre (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 68 Rn. 23).
30 
Ob der Kläger rechtswirksam Widerspruch eingelegt hat, Erledigung durch Zeitablauf somit während des bereits laufenden Widerspruchsverfahren eingetreten ist, oder ob es an einem rechtswirksamen Widerspruch fehlt, und wenn ja, ob dieser entbehrlich gewesen ist, kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn Erledigung des am 19.08.2014 erlassenen Verwaltungsaktes ist am Samstag, dem 20.09.2014 und damit während der gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO bis zum Montag, dem 22.09.2014, laufenden Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO eingetreten. In allen genannten Konstellationen bedürfte es jedenfalls nach dem 20.09.2014 der Einleitung bzw. (weiteren) Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht mehr, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr erfüllen könnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, m.w.N.). Stattdessen stand mit Ablauf des 20.09.2014 dem Kläger die nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage offen. Diese ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung begrenzt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris; Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, juris). Für eine Verwirkung aber ist im Hinblick auf die weniger als vier Monate nach Erledigung und etwa zwei Monate nach Mitteilung des Regierungspräsidiums F, dass ein Widerspruchsbescheid nach Erledigung nicht mehr ergehe, nichts ersichtlich.
31 
2.2.2 Im Hinblick auf die Bescheide der Beklagten vom 19.09.2014 und 06.10.2014 wurde der fristgerecht eingelegte Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F vom 08.12.2014, zugestellt am 12.12.2014, zurückgewiesen. Erledigung trat am 22.12.2014, 22:00 Uhr ein, somit während der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO. Da die Klage am 10.01.2015 und damit binnen Monatsfrist erhoben wurde, bestehen auch insoweit keine Bedenken an der Zulässigkeit der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage.
32 
2.4 Der Kläger kann ferner bezüglich aller mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffenen Verwaltungsakte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für sich reklamieren.
33 
Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat.
34 
2.3.1 Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich vorliegend aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, dass der Betroffene die Möglichkeit erhält, die Rechtmäßigkeit ihn belastender Eingriffsmaßnahmen nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen zu lassen. Handelt es sich daher um Maßnahmen, die sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. RSpr., vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 04.02.2014 - 10 B 10.2913 -, juris; OVG Saarland, Urteil vom 26.11.2013 - 3 A 106/12 -, juris).
35 
Das polizeirechtliche, auf § 27a Abs. 2 PolG BW gestützte Betretungs- und Aufenthaltsverbot, das zeitlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken ist und die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten darf (vgl. § 27a Abs. 2 Sätze 2, 3 PolG), und dessen gerichtlicher Überprüfung zudem ein Widerspruchsverfahren vorgeschaltet ist, gehört zu den sich typischerweise vor der Möglichkeit der Erlangung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Hauptsacheverfahren erledigenden Maßnahmen; aufgrund welcher Einschätzung die Beklagte zu dem Ergebnis gelangt ist, eine typischerweise kurzfristige Erledigung liege „in der vorliegenden Konstellation erkennbar nicht vor“, erschließt sich für die Kammer nicht. Gleiches gilt für die regelmäßig als Annex zu Betretungs- und Aufenthaltsverboten erlassenen, auf §§ 1, 3 PolG BW gestützten Meldeauflagen.
36 
Art. 19 Abs. 4 GG wurde bei der Frage, inwieweit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vorliegt, in der Vergangenheit häufig im Zusammenhang mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, insbesondere solcher, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat, fruchtbar gemacht (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung). Insoweit kann aber dahinstehen, inwieweit ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot den grundrechtsrelevanten Bereich der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 24.09.2014 - 5 K 659/14.F -, juris; a.A. Bayer. VGH, Beschluss vom 09.06.2006 - 24 CS 06.1521 -, juris) bzw. das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 11 GG (VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012 - 5 K 1236/11 -, juris; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 27a Rn. 10; Siegel, NJW 2013, 1035) berührt und deshalb bereits einen hinreichend tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt. Denn nach Auffassung der Kammer ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Urteilen aus dem Jahr 2013 (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38/12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39/12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. „Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten.“ Dass das Bundesverwaltungsgericht aus diesem Befund nicht explizit den Schluss gezogen hat, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe ungeachtet der Schwere des Eingriffs allein aufgrund typischerweise kurzfristiger Erledigung des Verwaltungsakts, war dem Umstand geschuldet, dass in den dort zu entscheidenden Fallkonstellationen gerade kein sich typischerweise kurzfristig erledigender Verwaltungsakt vorlag mit der Folge, dass dort, da die „Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht [gebietet], ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern“, das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Ergebnis abzulehnen war. Nimmt man jedoch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4 GG ernst, so ist im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsaktes zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (so bereits VG F, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächs. OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 113 Rn. 145, m.w.N.; Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, § 113 VwGO Rn. 110; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 282 f.; a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2015 - 22 K 5865/13 -, juris, in dem zwar festgestellt wird, die Anforderungen an das Gewicht des Grundrechtseingriffs dürften nicht überspannt werden, andererseits aber eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG allein als nicht gewichtig genug eingestuft wird, um ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen).
37 
2.3.2 Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse daneben wegen eines Rehabilitierungsinteresses des Klägers zu bejahen ist. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, juris).
38 
Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten beruhen vom maßgebenden Empfängerhorizont aus auf dem Vorwurf, der Kläger gehöre zum Personenkreis „Gewalttäter Sport“ und habe sich bei Drittortschlägereien strafbar gemacht. Es spricht einiges dafür, dass dieser doppelte Vorwurf der Beklagten und die daraus resultierende Stigmatisierung des Klägers als einem für seine Umwelt in bestimmten Situationen gefährlichen, sich in strafwürdiger Weise gewalttätig verhaltenden Menschen, der sich aufgrund seines Verhaltens an einer relevanten Zahl von Wochenenden über Stunden hinweg nicht im Innenstadtbereich seines Wohnorts aufhalten darf, sich als gegenüber dem Kläger diskriminierend und seinen grundrechtlichen Ehrschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beeinträchtigend darstellt (so etwa VG Stuttgart, Urteil vom 14.09.2009 - 5 K 2929/08 -, juris). Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben.
III.
39 
Die Klagen sind ferner vollumfänglich begründet.
40 
1. Die Begründetheit der gegen die Verfügungen Nummer IV. in den Bescheiden der Beklagten vom 30.07.2014 und vom 19.09.2014 - Gebührenfestsetzungen von jeweils 150,-- EUR - ergibt sich bereits daraus, dass eine Gebühr, die für eine rechtswidrige Amtshandlung erhoben wird, deren Schicksal teilt und selbst als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Die in den Bescheiden vom 30.07.2014 und vom 19.09.2015 erlassenen Betretungs- und Aufenthaltsverbote sowie Meldeauflagen aber erweisen sich, wie sich aus den Ausführungen unter 2. ergibt, als rechtswidrig. Auch die Gebührenfestsetzungen sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
41 
2. Auch die Fortsetzungsfeststellungsklagen sind begründet. Denn die Bescheide vom 30.07.2014, 19.08.2014 und 19.09.2014 in Gestalt der Konkretisierung durch den Bescheid vom 06.10.2014 waren rechtswidrig.
42 
2.1 Der Bescheid der Beklagten vom 30.07.2014 ist bereits wegen eines Anhörungsmangels formal rechtswidrig gewesen.
43 
2.1.1 Nach § 28 Abs. 1 LVwVfG ist einem Beteiligten vorbehaltlich der Ausnahmen in § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift.
44 
Eine Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Erlass des Bescheides vom 30.07.2014 hat nicht stattgefunden. Dafür, dass Ausnahmegründe i.S.d. § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG gegeben wären, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, gibt es vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar erhielt die Beklagte erst durch Schreiben des Polizeipräsidiums F vom 23.07.2014 davon Kenntnis, dass es über den Kläger personenbezogene Kenntnisse gibt, wonach er sich an körperlichen Auseinandersetzungen außerhalb von Fußballbegegnungen beteilige und die Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Straftatenbegehung als hoch zu bezeichnen sei, weshalb Antrag auf Erteilung einer Meldeauflage sowie eines Aufenthalts- und Betretungsverbots für Begegnungen ab dem 02.08.2014 gestellt werde. Dennoch blieb der Beklagten ungefähr eine Woche bis zum geplanten Erlass der beantragten Auflagen und Verbote vor der ersten anstehenden Begegnung. Auch wenn die Beklagte in diesem Zeitraum eine Verbotsverfügung nicht lediglich formulieren, sondern zunächst auch die Akten sichten und ggf. durch Rückfragen bei der Polizei den Sachverhalt aufklären musste, kann die Kammer nicht erkennen, dass sie den Kläger nicht vom beabsichtigten Erlass eines Bescheides beispielsweise fernmündlich hätten informieren und ihm Gelegenheit etwa zu einer persönlichen Vorsprache binnen einer eng bemessenen Frist hätte geben können. Dass durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust eingetreten wäre, der im Sinne von § 28 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge gehabt hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät gekommen wäre, um ihren Zweck zu erreichen, kann die Kammer - zumal auch nichts dafür vorgetragen ist, dass der Zweck der Aufenthalts- und Betretungsverbote nicht hätte erreicht werden können, wenn diese erst ab der zweiten Begegnung gegolten hätten - nicht erkennen. Eine Anhörung wäre daher tunlich gewesen.
45 
Die Kammer sieht sich vor dem Hintergrund, dass in Sachverhaltskonstellationen wie den vorliegenden nach dem Eindruck der Kammer die Beklagte fast regelhaft auf eine Anhörung zu verzichten scheint, zu dem Hinweis veranlasst, dass die gesetzlichen, in § 28 Abs. 1 LVwVfG verankerten Anhörungsrechte mitnichten ein relatives, auch nachträglich gewährbares Recht darstellen, sie vielmehr - ungeachtet der Heilungsmöglichkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG - grundsätzlich als zwingendes Recht ausgestaltet sind, hinter dem das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) steht.
46 
2.1.2 Der Anhörungsmangel ist vorliegend auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen § 28 LVwVfG unbeachtlich, wenn der die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Abs. 2) nachgeholt wird. Eine Heilung in diesem Sinne tritt allerdings nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2010 - 3 C 14/09 -, juris). Das setzt voraus, dass der Beteiligte - nachträglich - eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 26, m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 45 Rn. 76, m.w.N.). Die Heilung ist ausgeschlossen, wenn die nachgeholte Verfahrenshandlung ihre rechtsstaatlich gebotene Funktion nicht mehr erfüllen kann (Hess. VGH, Urteil vom 06.05.2015 - 6 A 493/14 -, juris).
47 
Gemessen daran ist eine Heilung hier nicht erfolgt. Eine Heilung des Anhörungsfehlers wäre nur bis zum 17.08.2014 möglich gewesen, da sich die Aufenthalts- und Betretungsverbote bzw. Meldeauflagen zu diesem Zeitpunkt durch Zeitablauf erledigten und eine Nachholung der Anhörung nach Erledigung eines Verwaltungsaktes nicht mehr in Betracht kommt (Ziekow, VwVfG, 3. Aufl., § 45 Rn. 14; Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl., § 45 Rn. 43; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 45 Rn. 76). Bis zu diesem Zeitpunkt aber war eine Heilung nicht erfolgt.
48 
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine unterbliebene Anhörung regelmäßig auch dadurch geheilt werden kann, dass der Betroffene auf Grundlage der dem Verwaltungsakt beigefügten Begründung die Möglichkeit hat, im Rahmen der Widerspruchsbegründung zu den im Bescheid verwerteten Tatsachen Stellung zu nehmen und weitere ihm bedeutsam erscheinende Tatsachen vorzutragen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, NVwZ 1983, 284; Stelkens/Bonk/Sachs, VwGO, 7. Aufl., § 45 Rn. 80). Vorliegend hat der Kläger am 08.08.2014 Widerspruch eingelegt. Allerdings führt nicht bereits die Widerspruchseinlegung als solche zu einer Heilung des Verfahrensmangels der Anhörung. Eine Heilung tritt nämlich nicht bereits aufgrund schlichter isolierter Nachholung der fehlerhaften oder versäumten Verfahrenshandlung ein (vgl. zum Folgenden Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 45 Rn. 43, 46; Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl., § 45 Rn. 105; Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl., § 45 Rn. 16 f., 47; jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, NVwZ 1983, 284). Läge in dem Widerspruch bereits die Heilung der von der Erstbehörde unterlassenen Anhörung, liefe § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG weitgehend leer (vgl. dazu Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., Rn. 79), denn eine Überprüfung dieses Verfahrensfehlers erfolgt in aller Regel nur aufgrund eines Widerspruchs, der seinerseits grundsätzlich die Heilung bewirkte, ohne dass die Behörde ihrerseits zu irgendeinem Zeitpunkt die Ausführungen des Betroffenen zur Kenntnis nehmen müsste. Vielmehr bedarf es hierfür insbesondere im Falle einer zunächst unterbliebenen Anhörung im Anschluss an deren Nachholung einer nochmaligen neuen und unvoreingenommenen Überprüfung des ursprünglichen Verwaltungsaktes durch die Behörde anhand etwaigen Vorbringens des Betroffenen sowie aller seit dem Erlass des Verwaltungsaktes zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen der Rechts- oder Sachlage und des Weiteren einer daran anschließenden Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes. Ob das Ergebnis der erneuten Überprüfung dem Betroffenen in einem separaten Schreiben mitgeteilt werden muss oder ob es ausreicht, dass aus den Akten bzw. im Rahmen eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids aus dem Bescheid deutlich wird, dass die Behörde ihre Ausgangsentscheidung kritisch überprüft hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn vorliegend hat die Beklagte ihre Ausgangsentscheidung bis zum 19.08.2014 nicht überprüft und lediglich unter dem 19.08.2014 einen neuen, teilweise inhaltlich abweichenden Bescheid erlassen, der den Bescheid vom 30.07.2014 für die Zukunft ersetzte.
49 
Nachdem folglich eine Heilung gemäß § 45 LVwVfG nicht stattgefunden hat und bei der im Ermessen der Behörde stehenden Verhängung von Aufenthalts- und Betretungsverboten auch kein Fall des § 46 LVwVfG gegeben ist, war der Bescheid vom 30.07.2014, soweit er die genannten Aufenthalts- und Betretungsverbote sowie Meldeauflagen betraf, rechtswidrig.
50 
2.1.3 Abgesehen davon ist der Bescheid auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 27a Abs. 2 PolG nicht vorgelegen haben (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.3.2, die auf diesen Bescheid uneingeschränkt übertragbar sind).
51 
2.2 Auch der Bescheid vom 19.08.2014 ist bereits wegen eines Anhörungsmangels formal rechtswidrig gewesen.
52 
Auch vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.08.2014 hat eine ausdrückliche Anhörung des Klägers durch die Beklagte nicht stattgefunden. Eine Anhörung ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte unter dem 30.07.2014 einen - im Wesentlichen gleich lautenden - Bescheid gegen den Kläger erlassen hatte, vor dessen Erlass sie den Kläger zwar ebenfalls nicht angehört hatte, gegen den dieser jedoch mit Schreiben vom 08.08.2014 Widerspruch eingelegt hat. Denn unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen der Anhörungsmangel betreffend den Bescheid vom 30.07.2014 durch die Widerspruchseinlegung hätte geheilt werden können, ist in der Widerspruchseinlegung jedenfalls keine Anhörung bezüglich eines anderen, im Übrigen, wie insbesondere aus dem Herausnahmen der Wohnanschrift des Klägers vom Aufenthaltsverbot deutlich wird, mit dem Bescheid vom 30.07.2014 nicht identischen Bescheids zu sehen. Davon abgesehen hatte der Kläger seinen Widerspruch vom 08.08.2014 noch nicht vollumfänglich begründet in der berechtigten Erwartung, dies im Laufe des Widerspruchsverfahrens nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten von Polizei und Staatsanwaltschaft tun zu können. Auch hieran wird deutlich, dass hier der Widerspruchseinlegung nicht zugleich die Funktion einer Anhörung eines noch zu erlassenden Verwaltungsaktes zugeschrieben werden kann.
53 
Dafür, dass Ausnahmegründe i.S.d. § 28 Abs. 2, 3 LVwVfG gegeben wären, gibt es auch hier keine Anhaltspunkte. Nachdem seit dem 08.08.2014 ein Rechtsanwalt mandatiert war, hätte die Beklagte diesem unschwer per Telefax Kenntnis über den beabsichtigten Neuerlass eines Betretungs- und Aufenthaltsverbotes geben und eine - sei es auch kurz bemessene - Frist zur Stellungnahme einräumen können. Dies hätte den Erlass des Bescheides, der erstmals für den 23.08.2014 - hier bezüglich der Herausnahme der Wohnanschrift des Klägers aus dem Regelungsbereich des Aufenthalts- und Betretungsverbots - eine Regelung traf, nicht untunlich verzögert.
54 
Eine Anhörung wäre daher auch vor Erlass des Bescheids vom 19.08.2014 erforderlich gewesen.
55 
Der Anhörungsmangel ist vorliegend auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unbeachtlich. Eine Heilung des Anhörungsfehlers wäre nur bis zum 20.09.2014, 14.00 Uhr, möglich gewesen, da der Bescheid sich zu diesem Zeitpunkt erledigte. Bis zu diesem Zeitpunkt aber war eine Heilung nicht erfolgt. Zwar kann, wie bereits dargelegt, ein Anhörungsmangel dadurch geheilt werden, dass der Betroffene gegen einen Ausgangsbescheid, dessen Begründung sich die wesentlichen Argumente der Behörde entnehmen lassen, Widerspruch einlegt. Der Kläger hat aber - wie gesehen - gegen den Bescheid vom 19.08.2014 keinen Widerspruch eingelegt und sich auch im Übrigen vor Erledigung des Verwaltungsaktes durch Zeitablauf am 20.09.2014 gegenüber der Behörde zur Rechtmäßigkeit dieses Bescheids nicht geäußert. Im Übrigen hätte, wie bereits dargelegt, auch eine Widerspruchseinlegung als solche nicht zu einer Heilung des Verfahrensmangels der Anhörung geführt, da diese jedenfalls eine ergebnisoffene Überprüfung der Ausgangsentscheidung durch die Behörde voraussetzt. An einer - wie auch immer gearteten - Überprüfung der Ausgangsentscheidung durch die Beklagte aber fehlte es bis zum Zeitpunkt der Erledigung.
56 
Nachdem folglich eine Heilung gemäß § 45 LVwVfG nicht stattgefunden hat und bei der im Ermessen der Behörde stehenden Verhängung von Aufenthalts- und Betretungsverboten auch kein Fall des § 46 LVwVfG gegeben ist, war auch der Bescheid vom 19.08.2014 rechtswidrig.
57 
Abgesehen davon ist der Bescheid auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 27a PolG nicht vorgelegen haben (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.3.2, die auf diesen Bescheid uneingeschränkt übertragbar sind).
58 
2.3 Auch der Bescheid vom 19.09.2014, konkretisiert durch Bescheid vom 06.10.2014, ist im Ergebnis rechtswidrig gewesen.
59 
2.3.1 Zwar sind diese Bescheide formell rechtmäßig zustande gekommen. Insbesondere wurde der Kläger im Vorfeld des Erlasses des Bescheids vom 19.09.2014 angehört (vgl. Schreiben vom 10.09.2014), wobei die recht kurze Frist zur Stellungnahme umso weniger Bedenken aufwirft, als es sich hierbei inhaltlich lediglich um die Verlängerung bereits bestehender Verbote bzw. Auflagen handelt. Zwar wurde der Kläger vor Erlass dieses Bescheides nicht separat angehört; bereits mit Schreiben vom 10.09.2014 war der Kläger aber allgemein zum Erlass von Betretungs- und Aufenthaltsverboten sowie Meldeauflagen für den Zeitpunkt 21.09.2014 bis zum 20.12.2014 unter Verweis auf die Begründung im Bescheid vom 19.08.2014 angehört worden. Gegenstand der Anhörung waren folglich auch die mit Bescheid vom 06.10.2014 verhängten Maßnahmen.
60 
2.3.2 Das mit Bescheid vom 19.09.2014 unter Nr. I.1. gegen den Kläger verhängte Aufenthalts- und Betretungsverbot betreffend näher bestimmte Bereiche Fs an einzelnen Tagen im Zeitraum vom 27.09.2014 bis zum 21.12.2014, konkretisiert durch Bescheid vom 06.10.2014, erweist sich jedoch als materiell rechtswidrig.
61 
Das Aufenthalts- und Betretungsverbot ist auf § 27a Abs. 2 PolG gestützt. Nach § 27a Abs. 2 Satz 1 PolG kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen (Satz 2). Es darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten (Satz 3).
62 
Die Beklagte stützt die gegen den Kläger verhängten Aufenthalts- und Betretungsverbote auf Erkenntnisse der Polizei. Danach sei der Kläger dem erweiterten Umfeld der Fer Problemfanszene (Drittortszene) zuzurechnen, die sich aus Personen der „ABC“ und „DEF“ zusammensetze. Auch wenn der Kläger keiner der Gruppen zuzuordnen sei, beteilige er sich vorsätzlich und willentlich an geplanten Schlägereien. In den Jahren 2012/13 habe er sich an zwei Drittortauseinandersetzungen beteiligt; weitere Drittortauseinandersetzungen, an denen der Kläger habe teilnehmen wollen, seien aus verschiedenen Gründen abgesagt worden. Mitglieder der Fer Ultraszene seien an Gewaltdelikten und anderen Straftaten beteiligt gewesen (Zünden von Pyrotechnik im Stadion, körperliche Auseinandersetzungen mit gegnerischen Problemfans im Bereich des Stadions oder der Innenstadt, Beschädigung von Sitzschalen, Widerstand gegen Polizeibeamte etc.). Der Umstand, dass der Kläger sich nachweislich in der Saison 2012/13 an Drittortauseinandersetzungen beteiligt habe, zeige seinen Hang zur Gewalt und dazu, bei Fußballbegegnungen die Konfrontation zu gegnerischen Fans erneut bewusst zu suchen. Es sei, so die Polizei, nicht auszuschließen, dass sich der Betroffene bei Fußballspielen aufhalte und hier eine körperliche Konfrontation mit gegnerischen Fans suche.
63 
Die Beklagte hatte keinen Grund, an der Richtigkeit der schriftlich vorgelegten Erkenntnisse der polizeilichen szenekundigen Beamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooliganszene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über eine umfassende Personenkenntnis und sind in der Lage, Problemfans differenziert zu beurteilen. Für ihre Informationsgewinnung greifen sie auf die Zentrale Informationsstelle Sportveranstaltungen zurück, bei welcher sämtliche Hinweise aus allen Bundesligastandorten zentral gebündelt und von dort wieder an die einzelnen Dienststellen und hier an die szenekundigen Beamten weitergegeben werden. Außerdem stehen sie untereinander in ständigem Kontakt und beobachten die Hooliganszene anlässlich von Fußballspielen. Aus der Bündelung dieser Informationen wird das Erkenntnismaterial gewonnen, das zur Beurteilung der Gefahrenprognose bei präventiven Maßnahmen zu Grunde gelegt wird (VG Minden, Urteil vom 29.06.2005 - 11 K 2952/04 -, juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B 173/06 -, juris; VG München, Urteil vom 25.02.2010 - M 22 K 08.203 -, juris; VG Meiningen, Urteil vom 08.02.2011 - 2 K 453/09 Me -, juris).
64 
Diese polizeiliche Auswertung der Sachlage und Gefahreneinschätzung, die in der mündlichen Verhandlung von Herrn K vom Polizeirevier F-Süd weiter erläutert wurde, rechtfertigt zur Überzeugung der Kammer ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot gegen den Kläger für Bereiche der Innenstadt bzw. um das Stadion herum nicht. Vielmehr fehlte es insoweit im Herbst 2014 an Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger gerade in den vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereichen - und nur hierauf kommt es an - eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen werde, so dass bereits der Tatbestand des § 27a Abs. 2 PolG nicht erfüllt gewesen ist.
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Zwar ist die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frage, wann gegen ein Mitglied einer gewaltbereiten Fangruppierung bzw. einer Hooligangruppe ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erlassen werden kann, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, relativ großzügig. So wird zu Recht nicht verlangt, dass dem Betroffenen im Einzelnen eine konkrete Tatbegehung nachgewiesen werden kann (VG Minden, Beschluss vom 02.10.2014 - 11 L 763/14 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 01.07.2009 - 3 L 345/09 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 26.04.2013 - 6 L 170/13 -, juris; VG Hannover, Beschluss vom 21.07.2011 - 10 B 2096/11 -, juris; ); selbst der Nachweis der Zugehörigkeit zum Kernbereich der gewalttätigen Fan- bzw. Hooliganszene wird als nicht erforderlich erachtet (VG Braunschweig, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 B 173/06 -, juris). Begründet wird dies überzeugend damit, dass eine von einem Mitglied einer gewaltbereiten Gruppierung ausgehende Gefahr schon darin besteht, dass dieser durch seine zum Ausdruck gebrachte Zugehörigkeit zu dieser Gruppe die Gewaltbereitschaft fördert und für diejenigen, die persönlich Gewalt anwenden, eine zumindest psychologische Stütze darstellt. Die von Hooligans oder gewaltbereiten Fans etwa einer Ultra-Gruppierung begangenen Straftaten haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird. Die gewaltbereite Szene benötigt ein unterstützendes Umfeld; schon die bloße Anwesenheit von Gleichgesinnten trägt zur Gewaltbereitschaft derjenigen bei, die ihrem Kernbereich zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren.
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Andererseits lassen sich Maßnahmen auf Grundlage des § 27a Abs. 2 PolG nicht auf reine Vermutungen stützen; vielmehr müssen aussagekräftige, tatsächliche Hinweise dafür vorliegen, dass der Betreffende nicht nur allgemein, sondern gerade dort, wo das Aufenthaltsverbot gelten soll, eine Straftat verüben wird (VG Stuttgart, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 K 2106/06 -, juris; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 15.07.2014 - 5 K 996/13.NW -, juris; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 27a Rn. 11; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 27a Rn. 10; Siegel, NJW 2013, 1035).
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An derartigen aussagekräftigen Hinweisen dafür, dass der Kläger zukünftig in den vom Aufenthalts- und Betretungsverbot erfassten Bereichen eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen würde, aber fehlt es nach Auffassung der Kammer. Wie Herr K vom Polizeirevier F Süd und später auch der szenekundige Beamte M anlässlich seiner Angaben im Verfahren 4 K 3074/14 ausgeführt haben, ist der Kläger nicht deshalb ins Visier der Polizei geraten, weil er bereits in der Vergangenheit im Bereich des Stadions oder der Innenstadt als zur Gewalt neigend oder auch nur als Mitglied einer Ultra-Gruppierung aufgefallen wäre; tatsächlich hat der Kläger, der auch nach Informationen der Polizei keiner Ultra-Gruppierung zuzuordnen war, auch nach eigenen Angaben nur selten eine Fußballbegegnung im Stadion verfolgt. Ein Aufenthalts- und Betretungsverbot wurde gegen ihn letztlich (nur) deshalb verhängt, weil er nachweislich an Drittortauseinandersetzungen mit Fans rivalisierender Vereine teilgenommen hat. So hat er sich am 13.10.2012 an einer Drittortauseinandersetzung mit einer Gruppierung aus Nancy in L in Frankreich und am 12.04.2013 an einer Auseinandersetzung mit einer Gruppierung aus H in der Nähe von T beteiligt und war darüber hinaus ausweislich der im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgten Rekonstruktion eines SMS-Verlaufs auf dem iPhone von R an Planungen hinsichtlich einer geplanten Drittortauseinandersetzung mit einer Gruppierung aus Ulm in der Nähe von Pforzheim im März 2013 sowie einer weiteren Auseinandersetzung gegen München in Friedrichshafen / Bodensee im Mai 2013 beteiligt bzw. wurde insoweit angefragt, sagte aber jeweils ab. Damit hat sich der Kläger mehrfach der (gefährlichen) Körperverletzung schuldig gemacht (vgl. zur Strafbarkeit verabredeter Schlägereien konkurrierender Gruppierungen BGH, Urteil vom 22.01.2015 - 3 StR 233/14 -, juris). Allerdings gab und gibt es für die Polizei keinen Hinweis darauf, dass der Kläger im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Fußballbegegnungen - und damit außerhalb von Drittortauseinandersetzungen, die im gegenseitigen Einverständnis stattfinden und nach gewissen Regeln ablaufen - gegnerische Fans provoziert oder angegangen oder zur Begehung von Straftaten durch andere gewaltbereite Fans in irgendeiner Weise beigetragen hätte. Zwar hat der Polizeibeamte M ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass jemand, der sich bereits außerhalb des Stadions körperlich mit gegnerischen Fans gemessen habe, auch bei kritischen Situationen im Stadionbereich eher die körperliche Auseinandersetzung suche als jemand, der Gewalt für sich vollständig ablehne. Unabhängig davon, ob diese Überlegungen grundsätzlich als konkreter Anhaltspunkt für die Begehung von Straftaten dienen und damit ein Aufenthalts- und Betretungsverbot rechtfertigen können, ist ein solcher Schluss im Zusammenhang mit dem Kläger bereits deshalb unzulässig, weil er auch nach Informationen der Polizei im Vorfeld der Verhängung der Aufenthalts- und Betretungsverbote gerade nicht zum engeren Kreis der Ultra-Fans gehörte und sich auch nur gelegentlich - und wenn, dann offenbar für die Polizei unauffällig - im Stadion aufhielt. Allein aus der Beteiligung an Drittortauseinandersetzungen aber wird lässt sich gerade nicht herleiten, dass der betreffende Fußballfan bewusst auch im engeren oder weiteren Umfeld von Stadien die tätliche Auseinandersetzung mit anderen Fußballfans suchen wird (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 K 2106/06 -, juris, und Urteil vom 14.09.2009 - 5 K 2929/08 -, juris). Auch der Eintrag in die Datei „Gewalttäter Sport“ ist als solcher keine Tatsache, die im Sinne von § 27a Abs. 2 PolG die Annahme der Begehung von Straftaten rechtfertigt, sondern allenfalls ein Hinweis auf das Vorliegen entsprechender Tatsachen; er enthebt die Behörde daher nicht davon, ihre Einschätzung, der Betreffende werde in einem bestimmten Bereich eine Straftat begehen, auf konkret belegbare Ereignisse zu stützen (OVG Bremen, Beschluss vom 10.02.2010 - 1 B 30/10 -, juris; VG Hamburg, Urteil vom 02.10.2012 - 5 K 1236/11 -, juris; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 15.07.2014 - 5 K 996/13.NW -, juris). Schließlich schätzte auch die Polizei die Lage offenbar nicht so ein, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden hat, der Kläger werde in den vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereichen Straftaten begehen oder zu ihrer Begehung beitragen. Vielmehr ist in den polizeilichen Stellungnahmen zur Person des Klägers lediglich davon die Rede, der Kläger sei dem „erweiterten Umfeld der Fer Problemfanszene (Drittortszene) zuzurechnen“ und es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Betroffene bei Fußballspielen aufhält und hier eine körperliche Konfrontation mit gegnerischen Fans sucht“. Es folgt eine Chronologie der Ereignisse, an denen die Ultragrupperungen „ABC“ und „DEF“ beteiligt waren, jedoch ohne Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an einer der Aktionen beteiligt oder auch nur dabei anwesend war. Allein die abstrakte, von allgemeinen Erfahrungswerten gestützte Möglichkeit, der Kläger könne in Zukunft in Abweichung von seinem bisherigen Verhalten auch im Bereich des Stadions oder der Innenstadt auffällig werden und bei künftigen Spielen dort sicherheitsrelevante Störungen verursachen, aber genügt nicht für die Erfüllung des Tatbestands des § 27a Abs. 2 PolG.
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2.3.3 Auch die Meldeauflage in dem Bescheid der Beklagten vom 19.09.2014 ist (Nr. I.2.) als rechtswidrig zu qualifizieren.
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Eine Meldeauflage zielt darauf, dass die betreffende Person sich bei einer bestimmten polizeilichen Dienststelle zu einem bestimmten Zeitpunkt „melden“ muss. Im Gegensatz zu einem Aufenthalts- und Betretungsverbot regelt sie unmittelbar nicht das „Wegbleiben“ vom einem bestimmten Ort, sondern das „Hinkommen“ zu einer Polizeidien (Siegel, NJW 2013, 1035). Mangels spezialgesetzlicher Grundlage lässt sich eine derartige Meldeauflage auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) stützen (BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 39/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.06.2000 - 1 S 1271/00 -, juris). Voraussetzung für den Erlass einer Meldeauflage ist danach das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei eine objektive ex-ante-Sicht maßgeblich ist. Die Beklagte hat den Erlass der Meldeauflage damit begründet, dass der Kläger von einer Anreise zum Auswärtsspielort des SC F und dadurch von der Teilnahme an hooligantypischen Auseinandersetzungen bei Auswärtsspielen habe abgehalten werden sollen. Damit lässt sich jedoch der Erlass einer Meldeauflage nicht rechtfertigen. Ebenso wenig nämlich wie konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, der Kläger werde im Bereich des Stadions Straftaten begehen, bestand eine hinreichend konkrete Gefahr dafür, dass der Kläger bei Auswärtsspielen am Auswärtsspielort straffällig werden würde. Denn der Kläger war in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt am Auswärtsspielort einer Mannschaft des SC F auffällig geworden; es fehlte darüber hinaus bereits an Anhaltspunkten dafür, dass er sich überhaupt an Auswärtsspieltagen am Auswärtsspielort des SC F aufhalten würde. Aber auch der für eine Eignung der verhängten Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen Auswärtsspielen des SC F und Drittortauseinandersetzungen war nicht gegeben. So fand etwa die Auseinandersetzung in T am 12.04.2013 im Zusammenhang mit einem Heimspiel des SC F statt, die Drittortauseinandersetzung bei H am 11.08.2012, an der auch der Kläger im Verfahren 4 K 3074/14 beteiligt war, stand gar nicht im Zusammenhang mit einer Partie der ersten oder zweiten Mannschaft des SC F, und die für den 10.03.2013 geplante Auseinandersetzung gegen U wurde mangels Beteiligung kurzerhand auf den 23.03.2013 verschoben.
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2.4 Vor diesem Hintergrund ist auch die Zwangsgeldandrohung betreffend die unter Anordnung des Sofortvollzugs erlassene Meldeauflage rechtswidrig gewesen.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird festgestellt, dass (auch) die Beschränkung Nr. 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „… sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen … untersagt sind … die Parolen ‚Wir sind wieder da!‘“ rechtswidrig war.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung.

Mit Bescheid vom 8. April 2016 erließ der Beklagte für die von der Klägerin zu 1, vertreten durch den Kläger zu 2, beim Landratsamt P. für den 9. April 2016, 13.45 Uhr bis 15.00 Uhr, angezeigte Versammlung mit dem Thema „Kapitalismus zerschlagen – für einen deutschen Sozialismus!“ am Hauptplatz der Stadt P. unter anderem folgende Beschränkung:

„1.6 Verbot von Parolen

In Reden, Sprechchören sowie auf Transparenten, Fahnen, Schildern und Flyern sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen und deren (auch selbsternannten) Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen.

Untersagt sind insbesondere die Parolen „Wir sind wieder da“, „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, „Wir kriegen euch (alle)“, „Zionisten – Mörder und Faschisten“, sowie das sog. Paulchen-Panther-Lied „Wer hat an der Uhr gedreht?“. …“

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit u.a. der Beschränkung 1.6 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da´…“ gerichtete Klage der Kläger vom 4. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht – unter teilweiser Stattgabe der Klage im Übrigen – mit Urteil vom 25. April 2017 abgewiesen. Gesetzliche Grundlage dieser Beschränkung sei Art. 15 Abs. 1 BayVersG. Die Beklagte habe die Beschränkung darauf gestützt, dass das lautstarke Skandieren dieser Parolen einen paramilitärischen Eindruck erwecke. Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung seien mit Blick auf Art. 5 GG und Art. 8 GG verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergebe. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung könne bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Bei den als solchen nicht strafbaren Äußerungen habe die Versammlungsbehörde auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung abstellen dürfen. Der Beklagte habe bei seiner danach erforderlichen Gefahrenprognose auch ohne Einbeziehung der Ereignisse bei den Versammlungen der Klägerin zu 1 am 1. Mai 2016 in Plauen und Saalfeld von einer hinreichenden Gefahr für die öffentliche Ordnung im dargelegten Sinn ausgehen dürfen. Laut Verfassungsschutzbericht 2014 (sowie 2015 und 2016) handle es sich bei der Partei „Der III. Weg“ um eine Partei, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertrete und deren ideologische Ziele wie das Programm der NSDAP auf einem biologischen Volksbegriff basierten. Unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas, des Versammlungsortes, einem zentralen Platz der Stadt P., der Werbung für die Versammlung auf der Internetseite der Partei sowie der Kundgebungsmittel (Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offenes Mikrofon und Abspielen von Musik) habe die Behörde von der Gefahr ausgehen dürfen, dass sich die Versammlung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Daran ändere auch die geringe Anzahl von 20 Teilnehmern der Versammlung nichts, da die genannten Wirkungen unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten (z.B. Verstärker, Mikrofone) auch von einer geringen Anzahl von Teilnehmern ausgehen könnten. Auch ein lautes Skandieren der Parole „Wir sind wieder da!“ könne unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas und der Ziele der Klägerin zu 1 zu der dargestellten Wirkung führen. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Einzelnen bzw. der Öffentlichkeit die Herkunft dieser Parole zur Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland geläufig sei. Soweit die Rechtsprechung diese Parole in Einzelfällen für zulässig gehalten habe, folge die Kammer dem nicht.

Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens seien nicht ersichtlich. Die Behörde habe im Bescheid vom 8. April 2016 zum Ausdruck gebracht, dass sie gesehen habe, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handle, und einzelne Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Gerichtlich überprüfbare Abwägungsfehler lägen nicht vor. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn.

Mit ihrer mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2017 zugelassenen Berufung machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Klage sei auch hinsichtlich der Beschränkung 1.6 im beantragten Umfang begründet. Auch insoweit sei § 15 Abs. 1 VersG (richtig: Art. 15 Abs. 1 BayVersG) keine tragfähige Grundlage, weil diesbezüglich eine unmittelbare, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht vorgelegen habe. Die beanstandete Beschränkung sei zu unbestimmt und damit rechtswidrig, weil bereits unklar sei, was mit „NS-Regime“ gemeint sei und um welche verbotenen Parteien und Vereine es sich dabei handeln solle. Derzeit seien in Deutschland 16 rechtsextreme Organisationen auf Bundesebene und 73 Organisationen auf Landesebene verboten, darunter auch solche, die einen Bezug zum NS-Regime, zum Rechtsextremismus oder überhaupt zur Politik überhaupt nicht erkennen ließen (z.B. „Besseres Hannover“). Bei wörtlichem Verständnis würde jede Billigung einer dieser Vereinigungen einen Verstoß gegen die Auflage bedeuten und eine Auflösung der Versammlung rechtfertigen, obwohl kein Mensch heute diese Organisationen tatsächlich kenne. Dies zeige deutlich, dass die Beschränkung ausufernd, unbestimmt und unklar sei. Zudem stelle die Beschränkung im beanstandeten Umfang ein unzulässiges Verbot einer Meinung dar. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass damit der Inhalt, nicht aber die Art und Weise der Äußerung verboten werde. Rechtsirrig gehe das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass sich die Versammlung ohne die angefochtene Beschränkung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Selbst bei Verwendung sämtlicher der im Übrigen bei Demonstrationen allgemein üblichen Hilfsmittel wie Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offene Mikrofone und Musik könne eine aus 20 Personen bestehende friedliche Versammlung nicht einschüchternd wirken. Auch die Folgerungen des Verwaltungsgerichts aus dem Landesverfassungsschutzbericht 2014 seien angesichts der dort aufgeführten Aktivitäten der Klägerin zu 1 nicht gerechtfertigt. Das Verbot der Parole „Wir sind wieder da!“ sei ebenfalls rechtswidrig. Damit werde ausgedrückt, dass die Klägerin zu 1 trotz Verboten, Beschränkungen und Behinderungen weiter demonstriere und sich von ihren Auftritten in der Öffentlichkeit nicht abhalten lasse. Selbst wenn damit eine Fortführung der NSDAP propagiert werden sollte, liege eine tatbestandsmäßige Gefährdung nicht vor, weil der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Satzes weder bekannt sei und die Parole schon gar nicht dem Nationalsozialismus zugeordnet werde. Demgemäß hätten bereits mehrere Gerichte eine solche Beschränkung für rechtswidrig erklärt (SächsOVG, U.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 –; VG Aachen, U.v. 14.1.2009 – 6 K 374/08 –, bestätigt durch OVG NW, B.v. 13.10.2010 – 5 A 506/09 –).

Rechtsfehlerhaft gehe das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass der Beklagte beim Erlass dieser Beschränkung sein Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe. Unter Nr. II 2. des Bescheids finde sich zwar eine lediglich allgemeine und formelhafte Formulierung bezüglich einer Ermessensausübung, jedoch fehle eine wirkliche Begründung und Subsumtion sowie Abwägung der widerstreitenden Belange. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung komme im Bescheid das Wort „Ermessen“ nicht einmal vor.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird (weiter) festgestellt, dass die Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da!´…“ rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei unbegründet, weil die beanstandete Beschränkung in Nr. 1.6 des Bescheids vom 8. April 2016 rechtmäßig sei und die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erkennbaren Umständen sei die vom Landratsamt P. vorgenommene Gefahrenprognose rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem damals aktuellen Verfassungsschutzbericht 2014 des Bundesministeriums des Innern sei die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ die derzeit prägende neonazistische Partei in Bayern, die ein völkisch-biologistisches Menschen- und Gesellschaftsbild vertrete, das mit dem individuellen Menschenrechtsverständnis des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Die Partei stehe nach dem Verfassungsschutzbericht dem demokratischen Rechtsstaat fundamental ablehnend gegenüber und habe unter anderem das Ziel, eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten zu fördern. Auch dem Verfassungsschutzbericht 2014 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr seien entsprechende Feststellungen zu entnehmen. Die ideologischen Ziele der Partei ergäben sich aus ihrer Satzung sowie aus einem „Zehn-Punkte-Programm“, das auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurückgreife. Auch Antisemitismus sei für die Ideologie der Partei prägend. Zudem sei die Versammlung auf der Internetseite der Klägerin zu 1 damit beworben worden, dass der Zorn und die Wut über das ausbeuterische und völkerfeindliche Unrechtssystem auf die Straße getragen werden sollen. Wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt habe, habe der Beklagte aus der Gesamtschau der erkennbaren Umstände von der Gefahr ausgehen dürfen, dass die Versammlung sich ohne entsprechende Auflage durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifizieren und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtern würde. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auch bei 20 Teilnehmern ein aggressives und provokantes, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer zu befürchten sei.

Zusätzlich seien für die Gefahrenprognose nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG auch sonstige Umstände zu berücksichtigen, die bei Erlass des Bescheides bereits objektiv vorgelegen haben. Schließlich dürften auch Umstände, die erst nach dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses eingetreten bzw. bekannt geworden seien, ergänzend herangezogen werden, soweit diese die getroffene Gefahrenprognose lediglich bestätigten bzw. untermauerten. Demgemäß werde die Begründung des Bescheids hinsichtlich der Gefahrenprognose ergänzt. Die Versammlung habe an einem historisch stark belasteten Ort stattgefunden, der während der Zeit des Nationalsozialismus Schauplatz mehrerer Kundgebungen gewesen sei, 1935 in „A. H. Platz“ umbenannt worden sei und in der Folgezeit zu Propagandazwecken gedient habe. Die Geschichte der Stadt P. sei zudem in besonderer Weise durch die Zeit des Nationalsozialismus belastet. Vor diesem Hintergrund sei die Wahl des Versammlungsortes durch die Kläger besonders problematisch. Hinzu komme, dass die Stadt P. ihre NS-Geschichte derzeit aktiv aufarbeite, sodass sie bei den Bürgern sehr präsent sei. Auch liege in unmittelbarer Nähe des Versammlungsortes das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Das Skandieren von Parolen mit Bezug zum NS-Regime und der Parole „Wir sind wieder da“ durch rechtsextremistische Versammlungsteilnehmer an diesem historisch belasteten Ort sei im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema ohne weiteres geeignet, Erinnerungen an die Schrecken der NS-Zeit wachzurufen und die Bürger einzuschüchtern.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könnten auch die Geschehnisse bei Versammlungen der Klägerin zu 1 in Saalfeld und Plauen im Rahmen der Gefahrenprognose Berücksichtigung finden. Die Versammlung in Saalfeld, bei der es nach Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Thüringer Landeskriminalamts zu Gewalttätigkeiten durch Versammlungsteilnehmer und Gegendemonstranten gekommen sei, habe am 1. Mai 2015 und damit – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – zeitlich vor der hier streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Die Versammlung in Plauen habe am 1. Mai 2016 und damit zeitlich nach der streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Auch die dabei gewonnenen Erkenntnisse, nämlich gewalttätige Ausschreitungen auch gegen polizeiliche Einsatzkräfte, könnten jedoch Berücksichtigung finden, weil sie die bisherige Gefahrenprognose lediglich bestätigten und untermauerten.

Aus der Gesamtschau dieser Gesichtspunkte ergebe sich eine tatbestandsmäßige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Behauptung der Kläger, dass die Parole „Wir sind wieder da“ neutral zu verstehen sei, sei als Schutzbehauptung zurückzuweisen. Von einer Partei wie der Klägerin zu 1 könne diese Parole nur in dem Sinne verstanden werden, dass damit eine Assoziation zur Zeit des Nationalsozialismus hervorgerufen werden solle. Das streitbefangene Verbot richte sich auch nicht gegen den Inhalt der Meinung; vielmehr werde auf die Art und Weise der Äußerungen abgestellt. Die untersagten Parolen hätten selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus. Ihr Skandieren hätte der Versammlung ein militärisches Gepräge verliehen, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke. Nicht überzeugend sei auch der Einwand, dass die Auflage mit Blick auf die Bezeichnung „NSRegime“ zu unbestimmt sei.

Schließlich lägen auch keine Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens durch das Landratsamt vor. Das Landratsamt habe im angegriffenen Bescheid unter Nr. II. 2. auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG Bezug genommen und zum Ausdruck gebracht, dass es von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei. Unter Nr. II. 3.6 des Bescheids habe das Landratsamt darüber hinaus begründet, warum es die streitbefangene Auflage für erforderlich halte. Unter Nr. II. 5. fänden sich Aussagen zur Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die berührten Grundrechte. Weitergehende Ermessenserwägungen seien im Bescheid nicht veranlasst gewesen. Hilfsweise würden die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt; auf die nachgeschobenen Ermessenserwägungen des Beklagten in der Berufungserwiderung vom 15. Januar 2018 (S. 8/9) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Taugliche Rechtsgrundlage für die streitbefangene Beschränkung sei im Übrigen auch Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG. Demgemäß habe das Gericht die beanstandete Auflage auch anhand dieser Rechtsgrundlage zu prüfen. Die Voraussetzungen dieser Befugnisnorm hätten (ebenfalls) vorgelegen. Denn nach den erkennbaren Umständen habe die Gefahr einer Billigung und Verherrlichung der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft bestanden.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs wurden mit den Parteien insbesondere die Fragen einer hinreichend tragfähigen Gefahrenprognose und Ermessensausübung erörtert; auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Juli 2018 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Ihre auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (auch) der Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 (bezüglich der noch streitbefangenen Passage) gerichtete Klage ist begründet, weil diese durch Zeitablauf erledigte versammlungsrechtliche Beschränkung rechtswidrig war und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt wurden (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Demgemäß war das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 insoweit abzuändern und die begehrte Feststellung zu treffen.

1. Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) – hier der durch Zeitablauf erledigten (s. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) versammlungsrechtlichen Beschränkung gemäß Art. 15 BayVersG (zum Rechtscharakter derartiger Maßnahmen vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 33) – ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 113 Rn. 88; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 299; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 152 jeweils m.w.N.; BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 44).

2. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung war die streitbefangene Beschränkung der am 9. April 2016 in P. durchgeführten Versammlung der Kläger rechtswidrig. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 herangezogenen Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG waren nicht erfüllt, weil nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine tragfähige Prognose hinsichtlich einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung nicht vorlagen (2.1.) und ein „Nachschieben“ von Gründen in einer verfahrensrechtlichen Konstellation wie der vorliegenden diesen Mangel nicht zu heilen vermag (2.2.). Zudem lag hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung jedenfalls ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor (2.3.), der durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden konnte (2.4.).

2.1. Die vom Beklagten für diese Beschränkung der Versammlung – Verbot bestimmter Parolen – im zugrunde liegenden Bescheid herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG trägt die angegriffene Verfügung nicht.

Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen (Beschränkungen) keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16). Aufgabe der Gerichte ist es zu prüfen, ob die (von der Versammlungsbehörde) für die Beurteilung der Gefahrenlage herangezogenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Schutzgehalts des Art. 8 GG in nachvollziehbarer Weise auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 1 BvQ 43/08 – juris Rn. 20). Die Frage, ob bei der (allgemein) im Gefahrenabwehrrecht gebotenen ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt der Maßnahme konkrete Tatsachen vorlagen, die die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung begründeten, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung; die darin enthaltenen prognostischen Elemente rechtfertigen keine Kontrollbeschränkung der Gerichte (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.4.2017 – 2 BvR 1754/14 – juris Rn. 46).

Gemessen daran ergeben sich entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts hinreichend tragfähige Gesichtspunkte und Erwägungen für die Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Beschränkung weder unmittelbar aus der Begründung des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 noch (ergänzend) aus den vorgelegten Behördenakten oder sonstigen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bzw. zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 ist vorweg lediglich formelhaft ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Unter Nr. 3.6 dieses Bescheids ist zur streitbefangenen Beschränkung ergänzend ausgeführt, das lautstarke Skandieren der in dieser Beschränkung aufgezählten Parolen erwecke einen paramilitärischen Eindruck, der Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft könne unbefangene Beobachter verängstigen, Versammlungen, die ein solches militantes Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik aufwiesen, liefen dem Friedlichkeitsgebot von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 113 der (Bayerischen) Verfassung zuwider; „Wir sind wieder da!“ sei eine Parole der 1972 im Ausland gegründeten NSDAP/AO.

Konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der angeführten Rechtsgrundlage bei Durchführung gerade der vorliegenden Versammlung ergeben sich daraus aber nicht. Vielmehr fehlt insoweit der erforderliche konkrete Fallbezug. Zum einen wird schon nicht deutlich, ob und gegebenenfalls welche Anhalts- oder Gesichtspunkte die Versammlungsbehörde für ihre Gefahreneinschätzung bzw. -prognose herangezogen hat, zum anderen fehlt aber vor allem jeder nachvollziehbare Bezug zu der konkret geplanten Versammlung. Beides ergibt sich auch nicht aus dem in der Behördenakte (Bl. 32 ff.) befindlichen Vermerk zur Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Versammlung der Kläger am 9. April 2016. Unabhängig davon, dass dieser Vermerk mit Datum 9. April 2016, also einem Tag nach der Erstellung des streitbefangenen Bescheids versehen ist, im ersten Absatz des Vermerks aber noch den nachträglich handschriftlich korrigierten ursprünglichen Termin des „stattgefundenen Kooperationsgesprächs“ (8.4.2016) enthält, was auf eine deutlich frühere Erstellung dieses Vermerks hindeutet, finden sich auch darin lediglich formelhafte Ausführungen: Im Rahmen des Kooperationsgesprächs sei deutlich geworden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG für die Festsetzung von Beschränkungen erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung, seien die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen. Bezüglich des Verbots von Parolen enthält dieser Vermerk unter Nr. 6. lediglich die Bewertung, wie sie praktisch wortgleich in den streitbefangenen Bescheid Eingang gefunden hat. Irgendwelche konkreten tatsächlichen Anhalts- oder Gesichtspunkte für die diesbezügliche Gefahreneinschätzung und der erforderliche nachvollziehbare Bezug zur konkreten Versammlung fehlen auch hier.

Auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebene Erklärung der Vertreter des Beklagten, die Erwägungen zur Gefahrenprognose seien vor allem mündlich im Kooperationsgespräch zur angemeldeten Versammlung am 7. April 2016 erörtert worden, und Anhaltspunkte und Erkenntnismittel seien zudem die Selbstaussage der Klägerin zu 1 über ihre Aktivitäten und Ziele sowie die konkrete Bewerbung dieser Veranstaltung im Internet gewesen, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Weder der Vermerk über dieses Kooperationsgespräch in der Behördenakte (Bl. 27 ff.) noch etwa der ebenfalls bei den Akten befindliche Bericht der KPI Ingolstadt zu den Veranstaltungen der Klägerin zu 1 am Samstag, 9. April 2016, in Bayern enthalten diesbezüglich konkrete tatsächliche Anhaltspunkte oder wenigstens Hinweise darauf. Vielmehr liegt im vorliegenden Fall gerade auch mit Blick auf ein bei der Behördenakte befindliches E-Mail der Regierung von Oberbayern vom 21. April 2016 (Bl. 103) nahe, dass die Versammlungsbehörde eine Auflage aus einem Muster-Bescheid der Regierung in den streitbefangenen Bescheid ohne hinreichend tragfähige Gefährdungsprognose und ohne konkreten Bezug zu der von den Klägern geplanten Veranstaltung und deren Begleitumständen aufgenommen hat.

Für letzteres spricht im Übrigen auch, dass eine im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits durch die Versammlungsbehörde am 20. September 2016 per E-Mail erfolgte konkrete Anfrage, ob zum Zeitpunkt der Gefahreinschätzung vor der Versammlung am 9. April 2016 zu erwarten gewesen sei, dass durch die Art und Weise der Meinungsäußerungen (aggressives und provozierendes Skandieren von Parolen … etc.) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen könnte, und ob bei bisherigen anderen Kundgebungen der Klägerin zu 1 eine solche Art und Weise der Meinungsäußerung schon erfolgt sei, vom zuständigen Beamten der KPI Ingolstadt dahingehend beantwortet wurde, dass bezüglich beider Fragen im Vorfeld keine Erkenntnisse vorlagen, das Skandieren von provozierenden Parolen allerdings im Vorfeld „nie ausgeschlossen werden“ könne (vgl. beiliegende nicht paginierte Prozessakte des Landratsamts).

Auch wenn man – ohne dafür irgendwelche Anhaltspunkte in den Behördenakten zu finden – zu den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG die Erkenntnisse und Bewertungen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und Bayerns über die Klägerin zu 1 in den jeweiligen Verfassungsschutzberichten 2014 zählt und demgemäß für die Gefahrenprognose heranzieht, reicht das allein aus der gebotenen ex-ante-Betrachtung für eine tragfähige Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde nicht aus. Der Beklagte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich nach diesen Erkenntnissen bei der Klägerin zu 1 um eine derzeit prägende neonazistische (Kleinst-)Partei mit völkisch-biologistischem Menschen- und Gesellschaftsbild handelt, deren Ziel unter anderem die Förderung einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten ist. Darüber hinausgehende tragfähige Anhaltspunkte mit hinreichend konkretem Bezug zur geplanten Veranstaltung der Kläger, woraus sich der von der Versammlungsbehörde angenommene bzw. unterstellte Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft, das militante Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik und die paramilitärischen oder sonstigen einschüchternden Begleitumstände der geplanten Versammlung nachvollziehbar ableiten oder folgern ließen, fehlen hier jedoch.

2.2. Ein Nachschieben von Gründen im Verwaltungsprozess im Sinne einer Nachholung oder Ergänzung der materiell-rechtlich relevanten Begründung (zum Begriff vgl. z.B. Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 45 Rn. 34) – hier der Gefahrenprognose gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG – ist entgegen der Auffassung des Beklagten in der vorliegenden Konstellation aus prozessualen Gründen und vor allem Gründen des materiellen Rechts nicht möglich.

In prozessualer Hinsicht spricht dagegen, dass bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) Gegenstand der gerichtlichen Prüfung allein die Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf (hier: Durchführung der Versammlung am 9. April 2016) erledigten, d.h. unwirksam gewordenen, Beschränkung ist. Maßgeblich dabei ist – wie bereits oben ausgeführt – grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage. Die (rückwirkende) Nachbesserung oder sogar Nachholung einer materiell-rechtlich relevanten Begründung nach diesem Zeitpunkt wäre insoweit geradezu systemwidrig, weil nach dem Ende der äußeren und inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts (vgl. dazu Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 43 Rn. 46) Streitgegenstand und Sachlage durch die Behörde noch einseitig beeinflusst werden könnten. Ebenso wenig wie die Heilung eines Verfahrens- oder Formfehlers nach der Erledigung des Verwaltungsakts gemäß Art. 45 BayVwVfG in Betracht kommt, der einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, kann deshalb nach Auffassung des Senats ein Nachschieben von Gründen im oben genannten Sinn im Rahmen der vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) zulässig sein.

Auch materiell-rechtliche Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG lässt mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) Beschränkungen (oder ein Verbot) einer Versammlung nur für den Fall zu, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dadurch ist klargestellt, dass Grundlage der Gefahrenprognose und damit der Entscheidung der Versammlungsbehörde nur zum Zeitpunkt der behördlichen Verfügung erkennbare tatsächliche Anhaltspunkte sein können. Demgemäß kommt es für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose auf die zu diesem Zeitpunkt der Versammlungsbehörde zur Verfügung stehenden Erkenntnisse an (vgl. Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Kommentar, VersammlG § 15 Rn. 60; Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2018, Rn. 149; BayVGH, B.v. 26.11.1992 – 21 B 92.1672 – juris Rn. 34). Danach ist es aber auch mit Blick auf die nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG gebotene Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig, wenn die Versammlungsbehörde die von ihr diesbezüglich zu fordernden Bemühungen um Sachaufklärung (vgl. Dürig-Friedl, a.a.O.; zu den auch bei dem Erlass von Auflagen/Beschränkungen nicht zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17) nicht zum Zeitpunkt ihrer Verfügung, sondern erst nachträglich im Verwaltungsstreitverfahren unternimmt und mit den nachgeschobenen Gründen – selbst bei unveränderter Sachlage – die getroffene Entscheidung nach deren Unwirksamwerden zu rechtfertigen versucht. Dies würde zudem der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) nicht gerecht und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) des Betroffenen zuwiderlaufen.

Selbst wenn man aber entsprechend den in der Rechtsprechung nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gebildeten Grundsätzen neue Gründe für einen Verwaltungsakt – hier die erledigte streitbefangene Beschränkung – dann zuließe, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 m.w.N., allerdings ausdrücklich offen gelassen für den Fall einer rückwirkenden Änderung bei einem endgültig erledigten Dauerverwaltungsakt), würde das an der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beschränkung nichts ändern. Denn ein Nachschieben in diesem Sinne könnte allenfalls eine Ergänzung, Präzisierung oder Vertiefung jedenfalls im Ansatz bereits vorhandener tragender Erwägungen zur Begründung einer unmittelbaren Gefährdung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG, nicht aber die Nachholung einer (nahezu) vollständig fehlenden Gefahrenprognose bedeuten. Wird wie im vorliegenden Fall ursprünglich praktisch nur der Gesetzestext wiederholt und mit formelhaften Ausführungen ohne hinreichenden konkreten Fallbezug ergänzt, kommt ein Nachschieben von Gründen im Sinne der angeführten Rechtsprechung jedenfalls nicht (mehr) in Betracht (vgl. Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 35).

Aus den genannten Gründen ist es – ungeachtet der Frage des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der diesbezüglich erforderlichen Gefahrenprognose – dem Beklagten auch verwehrt, die streitbefangene Beschränkung nunmehr nachträglich (vgl. Nr. 7. der Berufungserwiderung vom 15.1.2018, Bl. 30 ff. der VGH-Akte) auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG als Rechtsgrundlage zu stützen.

2.3. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung lag im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung jedenfalls auch ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor.

Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar.

Ein danach gerichtlich zu beanstandender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde lag im maßgeblichen Zeitpunkt schon deshalb vor, weil die entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (s. Art. 40 BayVwVfG) anzustellende Prüfung bzw. Prognose, ob und in welchem Umfang bei der Durchführung der angemeldeten Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG zu erwarten ist, von der Behörde nicht in der gebotenen Weise durchgeführt bzw. angestellt worden ist; auf die Ausführungen unter 2.1. kann hier Bezug genommen werden.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 (Nr. II. 2.) finden sich zum Ermessen lediglich die formelhaften Ausführungen, „Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG entscheidet die zuständige Behörde über die Festsetzung von beschränkenden Verfügungen nach pflichtgemäßem Ermessen.“ und „Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung sind die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen.“. Unter II. 3.6 wird diesbezüglich lediglich ausgeführt, „Da auch in Musikstücken diese Parolen enthalten sein können, ist eine entsprechende Regelung auch für die ausgestrahlte Musik erforderlich.“

Soweit der Beklagte noch auf umfangreichere Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit unter II. 5. des Bescheids verweist, beziehen sich diese offensichtlich und eindeutig ausschließlich auf die unter Nr. 1.5 des Bescheids verfügte Beschränkung der Kundgebungsmittel; einen auch nur ansatzweisen Bezug zur streitbefangenen Verfügung bezüglich der Parolen vermag der Senat darin nicht zu erkennen. Demgemäß fehlt insoweit auch die im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit erforderliche Güterabwägung.

Nicht durchzugreifen vermag schließlich der Einwand des Beklagten, die Angabe weiterer Einzelheiten und Erwägungen sowohl bezüglich der Gefahrenprognose als auch der darauf beruhenden Ermessensausübung im Ausgangsbescheid sei schon deshalb entbehrlich, weil der beim Kooperationsgespräch anwesende Vertreter der Klägerin zu 1 nach kurzer Erläuterung der beabsichtigten Beschränkungen erklärt habe, „dies sei ihm bekannt, da dies nicht die erste Versammlung des III. Wegs sei“ (vgl. Vermerk über das Kooperationsgespräch am 7.4.2016, Bl. 30 der Behördenakte). Denn daraus konnte weder ein Einverständnis der Klägerin zu 1 mit der streitbefangenen Verfügung noch etwa ein Verzicht auf eine Begründung oder die pflichtgemäße Ermessensentscheidung abgeleitet werden.

2.4. Durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen konnte der gerichtlich zu beanstandende Ermessensfehlgebrauch nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden.

Die Zulässigkeit eines Nachschiebens oder einer Ergänzung von Ermessenserwägungen bestimmt sich nach ganz herrschender Meinung nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht; § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht dagegen allein keine Mängelheilung, sondern bestimmt lediglich, dass einem danach zulässigen Nachholen von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht entgegenstehen (stRspr des BVerwG, vgl. z.B. U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 31; Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 114 Rn. 38; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 45; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 205; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 85 f.; Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1. 4. 2018, § 45 Rn. 35, 37 jeweils m.w.N.).

Nicht abschließend entschieden werden muss im vorliegenden Fall, ob nicht bereits aus prozessualen Gründen eine Ergänzung der Ermessenserwägungen der Versammlungsbehörde in der Situation einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ausscheidet. Zwar geht – soweit ersichtlich – die herrschende Meinung und Rechtsprechung von der Anwendbarkeit des § 114 Satz 2 VwGO auch in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage aus (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2000 – 2 B 98.99 – NVwZ 2000, 1186; Decker in BeckOK VwGO, a.a.O., § 114 Rn. 1; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 114 Rn. 12d; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 34; Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 6). Das dafür angeführte Wortlautargument „hinsichtlich des Verwaltungsakts“ erscheint dem Senat allerdings aus den bereits oben unter 2.2. dargelegten Gründen gerade in der vorliegenden prozessualen Konstellation wenig überzeugend (im Ergebnis so auch OVG NW, B.v. 20.2.2001 – 18 A 1520/92 – NVwZ 2001,1424). Unabhängig davon stellt das im Berufungsverfahren mit Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 2018 vorgenommene Nachschieben von Ermessenserwägungen auch keine bloße „Ergänzung“ im Sinne dieser prozessualen Bestimmung dar, sondern entspricht vielmehr einer erstmaligen Begründung der Ermessensentscheidung.

Einer Ergänzung der Ermessenserwägungen mit heilender Rückwirkung (ex tunc) nach Erledigung des versammlungsrechtlichen Verwaltungsakts (hier: der angefochtenen Beschränkung) stehen jedenfalls die bereits oben angeführten materiell-rechtlichen Gründe entgegen (im Ergebnis so auch OVG NW, a.a.O.; zweifelnd: Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 88; offen gelassen: BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 im Fall eines für einen bereits abgelaufenen Zeitraum erledigten Dauerverwaltungsakts), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug genommen wird.

Auf die weiteren im Verwaltungsstreitverfahren ausführlich erörterten materiellen Fragen insbesondere zur Bestimmtheit der streitbefangenen Beschränkung kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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Ein in einem Krankenzimmer mittels akustischer Wohnraumüberwachung aufgezeichnetes
Selbstgespräch des Angeklagten ist zu dessen Lasten zu Beweiszwecken
unverwertbar, soweit es dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich zuzurechnen ist.
BGH, Urteil vom 10. August 2005 – 1 StR 140/05 – Landgericht München II

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 140/05
vom
10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Mordes schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tatmehrheit mit Besitz einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Revision hat hinsichtlich des Mordes Erfolg mit einer Verfahrensrüge, die ein Verwertungsverbot für die Erkenntnisse aus einer akustischen Wohnraumüberwachung (Selbstgespräch
des Angeklagten) geltend macht. Hinsichtlich der Verurteilung wegen des Waffendelikts ist die Revision unbegründet.

I.


1. Zu dem am 8. Oktober 1998 verübten Mord hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Bruder des Angeklagten hatte im Jahre 1994 mit Erlaubnis des Tatopfers , des Landwirts F. M. , auf dessen Bauernhof in der Nähe des Wohn- und Stallgebäudes eine Holzhütte errichtet, um darin Kraftfahrzeuge zu reparieren. Dort hatte in der Folgezeit der Angeklagte – ohne Erlaubnis des Landwirts – seine „Ranch“ für einen dauerhaften Aufenthalt eingerichtet und ausgebaut. Im Laufe der Zeit hatte er sich mehr und mehr „breit gemacht“. Das missfiel dem Landwirt. Sein Vorhaben, den Angeklagten vom Hof zu weisen, brachte er diesem gegenüber aber erst wenige Tage vor der Tat unmissverständlich zum Ausdruck. Darauf reagierte der Angeklagte mit Wut und Hass; er drohte dem Landwirt erregt mit einem Holzknüppel und rief dabei: „Dich erschlag ich noch!“. Am 8. Oktober betrat der Angeklagte nach Mitternacht das Wohnzimmer, in dem der Landwirt schlief, und erschlug diesen mit einem massiven kantigen Werkzeug. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden.
Die zunächst ergebnislos eingestellten Ermittlungen wurden im Jahre 2003 wieder aufgenommen. Der Angeklagte hatte im Januar 2003 einen Arbeitsunfall erlitten. Anlässlich der Bearbeitung des Arbeitsunfalls fand die Kriminalpolizei im Wohnhaus des Angeklagten einen Schlagstock, der nach der Befragung des Obduzenten als Tatwaffe in Betracht kommen konnte. Im Zuge dieser Ermittlungen erfolgte auch die akustische Wohnraumüberwachung.

2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung geschwiegen und durch Verteidigererklärung die Tat bestritten. Das Landgericht hat sich aufgrund einer Gesamtschau mehrerer Belastungsindizien von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Insbesondere habe der Angeklagte ein Motiv gehabt, Gewaltbereitschaft sei ihm auch nicht wesensfremd und nach der Tat habe er gegenüber der Polizei Täterwissen offenbart. Die Überzeugung des Landgerichts beruht aber auch auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung vorgespielten Aufzeichnung der akustischen Wohnraumüberwachung. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte sich im Zuge der Wiederaufnahme der Ermittlungen „mit einer alternativen Tötungsart des F. M. gedanklich befasst“ habe.

II.


Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Erkenntnisse der akustischen Wohnraumüberwachung hätten nicht verwertet werden dürfen, hat Erfolg.
1. Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

a) Anlässlich der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde neben einer Telekommunikationsüberwachung auch eine auf § 100c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 100d StPO (in der damals geltenden Fassung) gestützte Abhörung und Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen richterlich gestattet. Zielobjekt der Abhörmaßnahmen war das Einzelzimmer des Angeklagten in einer Rehabilitationsklinik, wo er sich zur Behandlung der Folgen des Arbeitsunfalls aufhielt. In seinem Einzelzimmer schlief der Angeklagte und
er hielt sich darin auf, wenn er nicht an Anwendungen, wie z. B. Massagen etc. teilnehmen musste. Die auf vier Wochen befristete Überwachung begann am 27. November 2003; am 17. Dezember 2003 erfolgte die Festnahme des Angeklagten im Klinikzimmer.
b) Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Beweisaufnahme geschlossen und der Staatsanwalt stellte den Antrag, den Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen. Der Instanzverteidiger des Angeklagten beantragte, den Angeklagten freizusprechen und beantragte im Wege des Hilfsbeweisantrages das Abhören der im Rahmen der akustischen Raumüberwachung am 17. Dezember 2003 zwischen 14:15 Uhr und 15:00 Uhr (Zeitpunkt der Festnahme ) aufgezeichneten „Geräusche und Gespräche“. Ziel dieses Antrags war, behauptete verbotene Vernehmungsmethoden der Polizei anlässlich der Festnahme und der daran anschließenden Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten zu belegen. Hierbei handelte es sich der Sache nach um einen Freibeweis.
Nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme wurden am achten Verhandlungstag auf Verfügung des Vorsitzenden Aufzeichnungen der Telekommunikation und der Raumgespräche – nicht nur zu dem beantragten kurzen Zeitraum, sondern Aufzeichnungen von mehreren Tagen – vorgespielt. Dem widersprach der Verteidiger nicht. Die Verschriftung der in der Hauptverhandlung abgespielten Raumgesprächsaufzeichnung gibt über mehrere Tage hinweg aufgezeichnete Geräusche wie „pinkeln“, „Spülung“, „pupsen“, „husten“, „schnarchen“ sowie Selbstgespräche des Angeklagten minuziös wieder.

c) Mit dem am 8. Dezember 2003 aufgezeichneten Selbstgespräch des Angeklagten, welches vom Landgericht – strengbeweislich – als Belastungsindiz gewertet wurde, hat es folgende Bewandtnis:
Gegen 22:35 Uhr rief eine Arbeitskollegin den Angeklagten in dessen Krankenzimmer an; dieses Telefongespräch wurde ebenfalls aufgezeichnet. Die Arbeitskollegin berichtete, sie sei von der Kriminalpolizei über den Angeklagten , insbesondere über sein aggressives Verhalten befragt worden. Die Polizei habe sie auch befragt, ob er seine Hasen selbst geschlachtet habe und ob er Rechts- oder Linkshänder sei. Im Anschluss an dieses Telefongespräch führte der Angeklagte in seinem Krankenzimmer ein erregtes Selbstgespräch. Dabei rief er aus: „Sehr aggressiv, sehr aggressiv, sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen sollen, in Kopf hätt i eam schießen sollen, selber umgebracht … in Kopf hätt i eam schießen sollen.“
Das Landgericht zog aus diesem Selbstgespräch – das Gegenstand der Verfahrensrüge ist – den Schluss, der Angeklagte habe sich Gedanken darüber gemacht, dass er durch das Erschlagen des F. M. den Verdacht auf sich gelenkt habe. Es sei keine andere Erklärung ersichtlich, weshalb er in diesem Moment die Erwägung angestellt habe, ob es nicht besser gewesen wäre, „ihn in den Kopf zu schießen“. Nach Überzeugung des Landgerichts habe sich diese Äußerung auf F. M. bezogen. Eine and ere Person, gegen die sich in diesem Moment nach dem Telefongespräch mit seiner Arbeitskollegin seine darin zum Ausdruck kommende Wut habe richten können, sei nicht ersichtlich.
2. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschluss, mit dem die akustische Wohnraumüberwachung angeordnet wurde, inhaltlich den Anforderungen
des Grundrechts aus Art. 13 GG genügt (vgl. BVerfGE 109, 279, 360). Er kann auch offen lassen, ob die Maßnahme im Hinblick auf die Erhebung absolut geschützter Informationen wenigstens zu unterbrechen war (vgl. BVerfGE 109, 279, 318). Denn nach § 100c Abs. 5 Satz 3 StPO (in der jetzt geltenden Fassung auf Grund des Gesetzes vom 24. Juni 2005, BGBl I S. 1841) durfte das Landgericht das Selbstgespräch nicht – wie geschehen – zu Beweiszwecken verwerten. Das hier geführte Selbstgespräch ist nämlich dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c Abs. 4 StPO). Erkenntnisse über solche Äußerungen unterli egen einem „absoluten Verwertungsverbot“ und dürfen auch im Hauptsacheverfahren nicht verwertet werden (BVerfGE 109, 279, 331). Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit – hier die Aufklärung eines Mordes – können, so das Bundesverfassungsgericht , einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (BVerfGE 109, 279, 313, 314). Das Selbstgespräch des Angeklagten in dem Krankenzimmer ist diesem - durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten - Kernbereich zuzurechnen. Maßgebend dafür ist eine Kumulation mehrerer Umstände. Es handelte sich um ein aufgrund einer staatlichen Überwachungsmaßnahme aufgezeichnetes Selbstgespräch. Dieses Selbstgespräch hatte der Angeklagte in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum geführt. Der Inhalt des Selbstgespräches war in Bezug auf den Tatvorwurf interpretationsbedürftig. Dass das hier geführte Selbstgespräch dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, ergibt sich aus Folgendem:

a) Schon wegen der Art des Raumes, in dem das Selbstgespräch geführt wurde, besteht eine Vermutung, dass der Kernbereich tangiert sein kann. Das vom Angeklagten genutzte Krankenzimmer in einer Rehabilitationsklinik unterfällt dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG, weil ihm – wie einer Privatwohnung – typischerweise die Funktion als Rückzugsbereich der privaten Lebensgestaltung zukommt.
aa) Der Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.) nicht im engen Sinne der Umgangssprache zu verstehen, vielmehr ist er weit auszulegen (vgl. BGHSt 42, 372, 375 f.). Er umfasst zur Gewährleistung einer räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben ungestört entfalten kann, alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Wirkens gemacht sind (BTDrucks. 15/4533 S. 11; BVerfGE 89, 1, 12; Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 13 Rdn. 10 f.; Herdegen in Bonner Kommentar, GG Art. 13 Rdn. 26; Kunig in von Münch GGKommentar Bd. I Art. 13 Rdn. 10; AK-GG Berkemann, 3. Aufl. Art. 13 Rdn. 51 ff.). Maßgeblich ist dabei die nach außen erkennbare Willensbetätigung desjenigen, der einem Raum kraft „Widmung“ den Schutz der Privatheit verschafft (Hermes in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 17).
bb) In der verfassungsrechtlichen Literatur besteht Einigkeit darüber, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG über den alltagssprachlichen Wohnungsbegriff (Haupt- einschließlich Nebenwohnräume) hinaus auch andere Räume schützt, soweit sie als Räume der Freizeit, Räume der Mobilität, kultusbezogene oder der sozialen Beratung zuzuordnen sind und die Privatheit der
Lebensgestaltung ermöglichen, denn deren Schutz soll durch diese Vorschrift umfassend gewährleistet werden (vgl. die Aufstellung bei Berkemann in AK-GG aaO Rdn. 41; Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 10 f.). Dazu zählen etwa Gartenhäuser, Hotelzimmer, Wohnwagen, Wohnmobile, bewohnbare Schiffe , Zelte, Schlafwagenabteile, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume oder ein nicht allgemein zugängliches Vereinsbüro. Demgegenüber werden z. B. Unterkunftsräume eines Soldaten oder Polizeibeamten, Personenkraftwagen (vgl. BGH – Ermittlungsrichter – NStZ 1998, 157) oder Hafträume in einer Justizvollzugsanstalt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2643; BGHSt 44, 138) nicht als Wohnung im Sinne des Art. 13 GG angesehen. cc) Nach diesem Maßstab fallen auch Krankenzimmer unter den Schutzbereich des Art. 13 GG, selbst wenn diese Räumlichkeiten nur zu bestimmten Zwecken der Unterbringung und nur vorübergehend überlassen werden (entgegen Kunig in von Münch GG-Kommentar aaO Rdn. 15 und Cassardt in GG, Umbach/Clemens [Hrsg.], GG-Mitarbeiterkommentar, Bd. 1 Art. 13 Rdn. 33 jeweils unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, NJW 1987, 2958). Zwar mag bei Krankenzimmern wie bei Geschäftsräumen nicht der volle Schutz des Art. 13 GG zugunsten der Wahrung der räumlichen Privatsphäre gelten wie bei der Wohnung im engeren Sinne, weil den Krankenhausärzten und dem übrigen Krankenhauspersonal aufgrund ihres Heil- und Betreuungsauftrages Betretungs-, Überwachungs- und Kontrollbefugnisse zustehen. Diese Rechte heben jedoch den Privatcharakter des Krankenzimmers nicht auf (vgl. für Geschäfts - und Betriebsräume Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 14). Ob etwas anderes gelten könnte, wenn der Patient sich nicht – wie hier – aus einem eigenen Rehabilitationsinteresse in einer Klinik aufhält, sondern auch außerhalb der Anwendungen regelmäßig einer durch medizinische Notwendigkeit oder durch Sicherheitsinteressen begründeten dauerhaften Überwachung be-
darf, mag dahin stehen. Um eine solche Unterbringung handelt es sich vorliegend nicht.
Für die Menschenwürderelevanz der überwachten Äußerungen spricht auch, dass grundsätzlich nur Personen des besonderen von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 53a StPO geschützten Vertrauens Zutritt hatten. Von daher war insbesondere eine Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern zu erwarten.

b) Auch Art und Inhalt der Äußerung des Angeklagten spr echen für den absolut geschützten Kernbereich. Allerdings enthielt das Selbstgespräch – nach der durchaus vertretbaren Ansicht des Landgerichts – Angaben über den Tatvorwurf. „Gespräche“, die Angaben über eine konkret begangene Straftat enthalten (Sozialbezug), gehören ihrem Inhalt nach nicht zum unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279, 319). Auch nach § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO sind sie dem Kernbereich grundsätzlich nicht zuzurechnen.
Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Angeklagte nicht mit anderen kommuniziert, sondern ein Selbstgespräch geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Urteil vom 3. März 2004 bei der Frage eines derartigen Sozialbezuges primär auf die Kommunikation mit anderen Personen, das „Zwiegespräch“, ab (BVerfGE 109, 279, 319, 321).
Das Urteil vom 3. März 2004 nimmt Bezug auf die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. September 1989 (BVerfGE 80, 367). Wegen Stimmengleichheit ließ sich dort nicht feststellen, dass die Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen des Angeklagten zu Beweiszwe-
cken gegen das Grundgesetz verstieß. Maßgeblich für die Verneinung des Verfassungsverstoßes durch vier Richter war, dass der Angeklagte seine Gedanken schriftlich niedergelegt hatte. Damit habe er sie aus dem von ihm beherrschbaren Innenbereich entlassen und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben (BVerfGE 80, 367, 376). Die vier anderen Richter waren hingegen der Ansicht , dass die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen ausschließlich höchstpersönlichen Charakter – wie ein Selbstgespräch – hatten. Die Auseinandersetzung des Angeklagten mit dem eigenen Ich habe ihren höchstpersönlichen Charakter nicht deshalb verloren, weil sie dem Papier anvertraut worden sei.
Trotz des in dem Beschluss vom 14. September 1989 bestehen gebliebenen Dissenses über die strafprozessuale Verwertung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen gehört das Selbstgespräch selbst nach den Maßstäben der die Entscheidung des Zweiten Senats tragenden vier Richter grundsätzlich zum absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Unzweifelhaft will der Betroffene in einem Selbstgespräch einen Lebenssachverhalt geheim halten. Daran ändert auch nichts, dass diesem „im nachhinein und von außen her eine Beziehung zu Allgemeinbelangen herangetragen werden [würde], die [ihm] ursprünglich , also aus sich heraus, nicht eigen war“ (so die vier unterlegenen Richter zu den tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, BVerfGE 80, 367, 382). Das Gespräch mit sich selbst ist gekennzeichnet durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte und hat persönliche Erwartungen, Befürchtungen, Bewertungen , Selbstanweisungen sowie seelisch-körperliche Gefühle und Befindlichkeiten zum Inhalt (Wenninger [Hrsg.], Lexikon der Psychologie, Stichwort „Selbstkommunikation“, Band 4, S. 133). Das Selbstgespräch hat somit ausschließlich höchstpersönlichen Charakter und berührt aus sich heraus nicht die Sphäre anderer oder der Gemeinschaft.


c) Die Anwendung dieser Grundsätze der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die vorliegende Fallgestaltung muss dazu führen, dass ein Selbstgespräch der vorliegenden Art – weil es in keiner Form verdinglicht und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben war – dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnen ist.
Dies ergibt sich auch aus der in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 erfolgten Novellierung in § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO. Diese Bestimmung differenziert zwischen „Gesprächen“ über begangene Straftaten und „Äußerungen“, mittels derer S traftaten begangen werden. Daraus folgt im Gegenschluss, dass „Gespräch“ nur solche Äußerungen – wenigstens im „Zwiegespräch“ – meint, die dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/4533, S. 14) macht das deutlich: „Sofern man dabei den Gedanken des Sozialbezugs entsprechender Äußerungen zugrunde legt …, werd en in der Regel auch Äußerungen eines Beschuldigten, die dieser tätigt, wenn er sich alleine in der überwachten Wohnung aufhält, oder Äußerungen, di e nicht dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden, wie etwa unbewusst artikulierte Äußerungen, dem absolut geschützten Kernber eich unterfallen.“

d) Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob Selbstgespräche, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat beziehen, schlechthin („absolut“, vgl. BVerfGE 109, 279, 332) unverwertbar sind. So mag etwa eine Verwertung ausschließlich zum Zwecke der Gefahrenabwehr in Betracht kommen, wenn das Selbstgespräch eines Kindesentführers Aufschluss darüber ergibt, wo das Kind gefangen gehalten wird. Auch kann es Fallgestaltungen geben, in denen das
Selbstgespräch eindeutig entlastenden Inhalt hat (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.), weshalb auch der Angeklagte ein Interesse an der Verwertung haben kann.
3. Der Umstand, dass das Vorspielen der Aufzeichnungen auf Initiative des Angeklagten erfolgte, führt hier nicht zum Wegfall des Verwertungsverbots.

a) Der Antrag des Angeklagten auf Abspielen der Aufzeichnungen hatte nur den engen Zeitraum der Festnahme am 17. Dezember 2003 zum Gegenstand. Begehrt war auch nur die freibeweisliche Klärung der Behauptung von verbotenen Vernehmungsmethoden. Vorgespielt hat das Landgericht indes auch die Aufzeichnung des Selbstgesprächs vom 8. Dezember 2003. Dieses Selbstgespräch hat es dann aber auch zum Schuldnachweis – strengbeweislich – verwertet.
b) Der Senat hat erwogen, ob der Angeklagte über die Verwertung disponieren kann, etwa in Form der Widerspruchslösung. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die bei der akustischen Wohnraumüberwachung angefallenen Informationen auch Entlastendes enthalten (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.).
So könnte das Selbstgespräch auch ein gewichtiges Entlastungsindiz sein („ich bin unschuldig, aber niemand glaubt mir“) oder jedenfalls den Schuldumfang reduzieren (Nachweis der Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB oder eines Affekts). Dem Angeklagten „zum Schutze seiner Menschenwürde“ zu verbieten, diese Information zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) zu machen und damit jeder richterlichen Würdigung – auch bei
der Anwendung des Zweifelssatzes – zu entziehen, erscheint schwerlich vorstellbar.
Diese Fragen stellen sich – mit erheblicher praktischer Relevanz – auch bei dem eventuell gebotenen Abbruch der Überwachung oder bei der Löschung der Aufzeichnungen. Die Entscheidung, ob die Erkenntnisse belastend oder entlastend sind, wird zu diesem Zeitpunkt nicht stets zuverlässig getroffen werden können. Werden – um dem Angeklagten den möglichen Entlastungsbeweis zu erhalten – die Überwachung nicht abgebrochen oder die Aufzeichnungen nicht sogleich gelöscht, dann führt dies zwangsläufig zur Frage der Disponibilität zugunsten des Angeklagten mit der weiteren Frage, ob der Angeklagte nur eine selektive Verwertung („Rosinentheorie“) verlangen kann.

c) Eines Widerspruchs bedurfte es hier jedoch nicht. Selbst wenn der Angeklagte mit der Möglichkeit rechnen musste, dass die vorgespielten Aufzeichnungen insgesamt auch strengbeweislich verwertet würden, so war für ihn jedoch nicht ohne weiteres erkennbar, dass sich die Aufzeichnungen zu seinen Lasten auswirken würden.
Die dem Verteidiger infolge Akteneinsicht bekannten Gesprächsaufzeichnungen sind ach in der Anklageschrift nicht als klar belastende Beweismittel eingestuft. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis ist ausgeführt, dass die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung keine Hinweise zum Tatgeschehen erbracht haben. Die akustische Raumüberwachung habe ergeben, dass der Angeklagte mit anderen Personen keine relevanten Gespräche geführt habe. Die aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten zeigten innere Anspannung und Wut und hatten generell Gewalt gegen andere Perso-
nen zum Gegenstand "Offensichtlich in Bezug zu den Ermittlungen" stünde zwar das Selbstgespräch des Angeklagten nach einem Telefonat mit einer Arbeitskollegin. Aber auch dieser Bewertung musste der Verteidiger nicht entnehmen , dass der Bezug zu den Ermittlungen auch als Belastungsindiz für die Täterschaft gewertet würde.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat und durch seinen Verteidiger die Tat bestreiten ließ. Damit ist offensichtlich, dass der Angeklagte mit einer strengbeweislichen Verwertung zu seinen Lasten nicht einverstanden war. Jedenfalls bei einer solchen Fallgestaltung bedurfte es keines ausdrücklichen Widerspruchs des Angeklagten gegen die Verwertung.
4. Die Verurteilung wegen Mordes beruht - ausweislich der revisionsrechtlich allein maßgeblichen Urteilsgründe - auf der Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs des Angeklagten. Das Landgericht hat die Äußerungen des Angeklagten sowohl als gleichberechtigtes Einzelindiz in die Beweiswürdigung eingestellt, als dieses auch bei der Gesamtwürdigung noch einmal zur Bildung einer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten herangezogen.
Ob eine Verurteilung des Angeklagten ohne Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs aufgrund der übrigen Beweisanzeichen möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben.
Nack Wahl Boetticher Herr RiBGH Hebenstreit befindet Elf
sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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Ein in einem Krankenzimmer mittels akustischer Wohnraumüberwachung aufgezeichnetes
Selbstgespräch des Angeklagten ist zu dessen Lasten zu Beweiszwecken
unverwertbar, soweit es dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich zuzurechnen ist.
BGH, Urteil vom 10. August 2005 – 1 StR 140/05 – Landgericht München II

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 140/05
vom
10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Mordes schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tatmehrheit mit Besitz einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Revision hat hinsichtlich des Mordes Erfolg mit einer Verfahrensrüge, die ein Verwertungsverbot für die Erkenntnisse aus einer akustischen Wohnraumüberwachung (Selbstgespräch
des Angeklagten) geltend macht. Hinsichtlich der Verurteilung wegen des Waffendelikts ist die Revision unbegründet.

I.


1. Zu dem am 8. Oktober 1998 verübten Mord hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Bruder des Angeklagten hatte im Jahre 1994 mit Erlaubnis des Tatopfers , des Landwirts F. M. , auf dessen Bauernhof in der Nähe des Wohn- und Stallgebäudes eine Holzhütte errichtet, um darin Kraftfahrzeuge zu reparieren. Dort hatte in der Folgezeit der Angeklagte – ohne Erlaubnis des Landwirts – seine „Ranch“ für einen dauerhaften Aufenthalt eingerichtet und ausgebaut. Im Laufe der Zeit hatte er sich mehr und mehr „breit gemacht“. Das missfiel dem Landwirt. Sein Vorhaben, den Angeklagten vom Hof zu weisen, brachte er diesem gegenüber aber erst wenige Tage vor der Tat unmissverständlich zum Ausdruck. Darauf reagierte der Angeklagte mit Wut und Hass; er drohte dem Landwirt erregt mit einem Holzknüppel und rief dabei: „Dich erschlag ich noch!“. Am 8. Oktober betrat der Angeklagte nach Mitternacht das Wohnzimmer, in dem der Landwirt schlief, und erschlug diesen mit einem massiven kantigen Werkzeug. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden.
Die zunächst ergebnislos eingestellten Ermittlungen wurden im Jahre 2003 wieder aufgenommen. Der Angeklagte hatte im Januar 2003 einen Arbeitsunfall erlitten. Anlässlich der Bearbeitung des Arbeitsunfalls fand die Kriminalpolizei im Wohnhaus des Angeklagten einen Schlagstock, der nach der Befragung des Obduzenten als Tatwaffe in Betracht kommen konnte. Im Zuge dieser Ermittlungen erfolgte auch die akustische Wohnraumüberwachung.

2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung geschwiegen und durch Verteidigererklärung die Tat bestritten. Das Landgericht hat sich aufgrund einer Gesamtschau mehrerer Belastungsindizien von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Insbesondere habe der Angeklagte ein Motiv gehabt, Gewaltbereitschaft sei ihm auch nicht wesensfremd und nach der Tat habe er gegenüber der Polizei Täterwissen offenbart. Die Überzeugung des Landgerichts beruht aber auch auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung vorgespielten Aufzeichnung der akustischen Wohnraumüberwachung. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte sich im Zuge der Wiederaufnahme der Ermittlungen „mit einer alternativen Tötungsart des F. M. gedanklich befasst“ habe.

II.


Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Erkenntnisse der akustischen Wohnraumüberwachung hätten nicht verwertet werden dürfen, hat Erfolg.
1. Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

a) Anlässlich der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde neben einer Telekommunikationsüberwachung auch eine auf § 100c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 100d StPO (in der damals geltenden Fassung) gestützte Abhörung und Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen richterlich gestattet. Zielobjekt der Abhörmaßnahmen war das Einzelzimmer des Angeklagten in einer Rehabilitationsklinik, wo er sich zur Behandlung der Folgen des Arbeitsunfalls aufhielt. In seinem Einzelzimmer schlief der Angeklagte und
er hielt sich darin auf, wenn er nicht an Anwendungen, wie z. B. Massagen etc. teilnehmen musste. Die auf vier Wochen befristete Überwachung begann am 27. November 2003; am 17. Dezember 2003 erfolgte die Festnahme des Angeklagten im Klinikzimmer.
b) Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Beweisaufnahme geschlossen und der Staatsanwalt stellte den Antrag, den Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen. Der Instanzverteidiger des Angeklagten beantragte, den Angeklagten freizusprechen und beantragte im Wege des Hilfsbeweisantrages das Abhören der im Rahmen der akustischen Raumüberwachung am 17. Dezember 2003 zwischen 14:15 Uhr und 15:00 Uhr (Zeitpunkt der Festnahme ) aufgezeichneten „Geräusche und Gespräche“. Ziel dieses Antrags war, behauptete verbotene Vernehmungsmethoden der Polizei anlässlich der Festnahme und der daran anschließenden Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten zu belegen. Hierbei handelte es sich der Sache nach um einen Freibeweis.
Nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme wurden am achten Verhandlungstag auf Verfügung des Vorsitzenden Aufzeichnungen der Telekommunikation und der Raumgespräche – nicht nur zu dem beantragten kurzen Zeitraum, sondern Aufzeichnungen von mehreren Tagen – vorgespielt. Dem widersprach der Verteidiger nicht. Die Verschriftung der in der Hauptverhandlung abgespielten Raumgesprächsaufzeichnung gibt über mehrere Tage hinweg aufgezeichnete Geräusche wie „pinkeln“, „Spülung“, „pupsen“, „husten“, „schnarchen“ sowie Selbstgespräche des Angeklagten minuziös wieder.

c) Mit dem am 8. Dezember 2003 aufgezeichneten Selbstgespräch des Angeklagten, welches vom Landgericht – strengbeweislich – als Belastungsindiz gewertet wurde, hat es folgende Bewandtnis:
Gegen 22:35 Uhr rief eine Arbeitskollegin den Angeklagten in dessen Krankenzimmer an; dieses Telefongespräch wurde ebenfalls aufgezeichnet. Die Arbeitskollegin berichtete, sie sei von der Kriminalpolizei über den Angeklagten , insbesondere über sein aggressives Verhalten befragt worden. Die Polizei habe sie auch befragt, ob er seine Hasen selbst geschlachtet habe und ob er Rechts- oder Linkshänder sei. Im Anschluss an dieses Telefongespräch führte der Angeklagte in seinem Krankenzimmer ein erregtes Selbstgespräch. Dabei rief er aus: „Sehr aggressiv, sehr aggressiv, sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen sollen, in Kopf hätt i eam schießen sollen, selber umgebracht … in Kopf hätt i eam schießen sollen.“
Das Landgericht zog aus diesem Selbstgespräch – das Gegenstand der Verfahrensrüge ist – den Schluss, der Angeklagte habe sich Gedanken darüber gemacht, dass er durch das Erschlagen des F. M. den Verdacht auf sich gelenkt habe. Es sei keine andere Erklärung ersichtlich, weshalb er in diesem Moment die Erwägung angestellt habe, ob es nicht besser gewesen wäre, „ihn in den Kopf zu schießen“. Nach Überzeugung des Landgerichts habe sich diese Äußerung auf F. M. bezogen. Eine and ere Person, gegen die sich in diesem Moment nach dem Telefongespräch mit seiner Arbeitskollegin seine darin zum Ausdruck kommende Wut habe richten können, sei nicht ersichtlich.
2. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschluss, mit dem die akustische Wohnraumüberwachung angeordnet wurde, inhaltlich den Anforderungen
des Grundrechts aus Art. 13 GG genügt (vgl. BVerfGE 109, 279, 360). Er kann auch offen lassen, ob die Maßnahme im Hinblick auf die Erhebung absolut geschützter Informationen wenigstens zu unterbrechen war (vgl. BVerfGE 109, 279, 318). Denn nach § 100c Abs. 5 Satz 3 StPO (in der jetzt geltenden Fassung auf Grund des Gesetzes vom 24. Juni 2005, BGBl I S. 1841) durfte das Landgericht das Selbstgespräch nicht – wie geschehen – zu Beweiszwecken verwerten. Das hier geführte Selbstgespräch ist nämlich dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c Abs. 4 StPO). Erkenntnisse über solche Äußerungen unterli egen einem „absoluten Verwertungsverbot“ und dürfen auch im Hauptsacheverfahren nicht verwertet werden (BVerfGE 109, 279, 331). Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit – hier die Aufklärung eines Mordes – können, so das Bundesverfassungsgericht , einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (BVerfGE 109, 279, 313, 314). Das Selbstgespräch des Angeklagten in dem Krankenzimmer ist diesem - durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten - Kernbereich zuzurechnen. Maßgebend dafür ist eine Kumulation mehrerer Umstände. Es handelte sich um ein aufgrund einer staatlichen Überwachungsmaßnahme aufgezeichnetes Selbstgespräch. Dieses Selbstgespräch hatte der Angeklagte in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum geführt. Der Inhalt des Selbstgespräches war in Bezug auf den Tatvorwurf interpretationsbedürftig. Dass das hier geführte Selbstgespräch dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, ergibt sich aus Folgendem:

a) Schon wegen der Art des Raumes, in dem das Selbstgespräch geführt wurde, besteht eine Vermutung, dass der Kernbereich tangiert sein kann. Das vom Angeklagten genutzte Krankenzimmer in einer Rehabilitationsklinik unterfällt dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG, weil ihm – wie einer Privatwohnung – typischerweise die Funktion als Rückzugsbereich der privaten Lebensgestaltung zukommt.
aa) Der Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.) nicht im engen Sinne der Umgangssprache zu verstehen, vielmehr ist er weit auszulegen (vgl. BGHSt 42, 372, 375 f.). Er umfasst zur Gewährleistung einer räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben ungestört entfalten kann, alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Wirkens gemacht sind (BTDrucks. 15/4533 S. 11; BVerfGE 89, 1, 12; Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 13 Rdn. 10 f.; Herdegen in Bonner Kommentar, GG Art. 13 Rdn. 26; Kunig in von Münch GGKommentar Bd. I Art. 13 Rdn. 10; AK-GG Berkemann, 3. Aufl. Art. 13 Rdn. 51 ff.). Maßgeblich ist dabei die nach außen erkennbare Willensbetätigung desjenigen, der einem Raum kraft „Widmung“ den Schutz der Privatheit verschafft (Hermes in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 17).
bb) In der verfassungsrechtlichen Literatur besteht Einigkeit darüber, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG über den alltagssprachlichen Wohnungsbegriff (Haupt- einschließlich Nebenwohnräume) hinaus auch andere Räume schützt, soweit sie als Räume der Freizeit, Räume der Mobilität, kultusbezogene oder der sozialen Beratung zuzuordnen sind und die Privatheit der
Lebensgestaltung ermöglichen, denn deren Schutz soll durch diese Vorschrift umfassend gewährleistet werden (vgl. die Aufstellung bei Berkemann in AK-GG aaO Rdn. 41; Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 10 f.). Dazu zählen etwa Gartenhäuser, Hotelzimmer, Wohnwagen, Wohnmobile, bewohnbare Schiffe , Zelte, Schlafwagenabteile, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume oder ein nicht allgemein zugängliches Vereinsbüro. Demgegenüber werden z. B. Unterkunftsräume eines Soldaten oder Polizeibeamten, Personenkraftwagen (vgl. BGH – Ermittlungsrichter – NStZ 1998, 157) oder Hafträume in einer Justizvollzugsanstalt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2643; BGHSt 44, 138) nicht als Wohnung im Sinne des Art. 13 GG angesehen. cc) Nach diesem Maßstab fallen auch Krankenzimmer unter den Schutzbereich des Art. 13 GG, selbst wenn diese Räumlichkeiten nur zu bestimmten Zwecken der Unterbringung und nur vorübergehend überlassen werden (entgegen Kunig in von Münch GG-Kommentar aaO Rdn. 15 und Cassardt in GG, Umbach/Clemens [Hrsg.], GG-Mitarbeiterkommentar, Bd. 1 Art. 13 Rdn. 33 jeweils unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, NJW 1987, 2958). Zwar mag bei Krankenzimmern wie bei Geschäftsräumen nicht der volle Schutz des Art. 13 GG zugunsten der Wahrung der räumlichen Privatsphäre gelten wie bei der Wohnung im engeren Sinne, weil den Krankenhausärzten und dem übrigen Krankenhauspersonal aufgrund ihres Heil- und Betreuungsauftrages Betretungs-, Überwachungs- und Kontrollbefugnisse zustehen. Diese Rechte heben jedoch den Privatcharakter des Krankenzimmers nicht auf (vgl. für Geschäfts - und Betriebsräume Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 14). Ob etwas anderes gelten könnte, wenn der Patient sich nicht – wie hier – aus einem eigenen Rehabilitationsinteresse in einer Klinik aufhält, sondern auch außerhalb der Anwendungen regelmäßig einer durch medizinische Notwendigkeit oder durch Sicherheitsinteressen begründeten dauerhaften Überwachung be-
darf, mag dahin stehen. Um eine solche Unterbringung handelt es sich vorliegend nicht.
Für die Menschenwürderelevanz der überwachten Äußerungen spricht auch, dass grundsätzlich nur Personen des besonderen von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 53a StPO geschützten Vertrauens Zutritt hatten. Von daher war insbesondere eine Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern zu erwarten.

b) Auch Art und Inhalt der Äußerung des Angeklagten spr echen für den absolut geschützten Kernbereich. Allerdings enthielt das Selbstgespräch – nach der durchaus vertretbaren Ansicht des Landgerichts – Angaben über den Tatvorwurf. „Gespräche“, die Angaben über eine konkret begangene Straftat enthalten (Sozialbezug), gehören ihrem Inhalt nach nicht zum unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279, 319). Auch nach § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO sind sie dem Kernbereich grundsätzlich nicht zuzurechnen.
Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Angeklagte nicht mit anderen kommuniziert, sondern ein Selbstgespräch geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Urteil vom 3. März 2004 bei der Frage eines derartigen Sozialbezuges primär auf die Kommunikation mit anderen Personen, das „Zwiegespräch“, ab (BVerfGE 109, 279, 319, 321).
Das Urteil vom 3. März 2004 nimmt Bezug auf die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. September 1989 (BVerfGE 80, 367). Wegen Stimmengleichheit ließ sich dort nicht feststellen, dass die Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen des Angeklagten zu Beweiszwe-
cken gegen das Grundgesetz verstieß. Maßgeblich für die Verneinung des Verfassungsverstoßes durch vier Richter war, dass der Angeklagte seine Gedanken schriftlich niedergelegt hatte. Damit habe er sie aus dem von ihm beherrschbaren Innenbereich entlassen und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben (BVerfGE 80, 367, 376). Die vier anderen Richter waren hingegen der Ansicht , dass die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen ausschließlich höchstpersönlichen Charakter – wie ein Selbstgespräch – hatten. Die Auseinandersetzung des Angeklagten mit dem eigenen Ich habe ihren höchstpersönlichen Charakter nicht deshalb verloren, weil sie dem Papier anvertraut worden sei.
Trotz des in dem Beschluss vom 14. September 1989 bestehen gebliebenen Dissenses über die strafprozessuale Verwertung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen gehört das Selbstgespräch selbst nach den Maßstäben der die Entscheidung des Zweiten Senats tragenden vier Richter grundsätzlich zum absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Unzweifelhaft will der Betroffene in einem Selbstgespräch einen Lebenssachverhalt geheim halten. Daran ändert auch nichts, dass diesem „im nachhinein und von außen her eine Beziehung zu Allgemeinbelangen herangetragen werden [würde], die [ihm] ursprünglich , also aus sich heraus, nicht eigen war“ (so die vier unterlegenen Richter zu den tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, BVerfGE 80, 367, 382). Das Gespräch mit sich selbst ist gekennzeichnet durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte und hat persönliche Erwartungen, Befürchtungen, Bewertungen , Selbstanweisungen sowie seelisch-körperliche Gefühle und Befindlichkeiten zum Inhalt (Wenninger [Hrsg.], Lexikon der Psychologie, Stichwort „Selbstkommunikation“, Band 4, S. 133). Das Selbstgespräch hat somit ausschließlich höchstpersönlichen Charakter und berührt aus sich heraus nicht die Sphäre anderer oder der Gemeinschaft.


c) Die Anwendung dieser Grundsätze der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die vorliegende Fallgestaltung muss dazu führen, dass ein Selbstgespräch der vorliegenden Art – weil es in keiner Form verdinglicht und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben war – dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnen ist.
Dies ergibt sich auch aus der in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 erfolgten Novellierung in § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO. Diese Bestimmung differenziert zwischen „Gesprächen“ über begangene Straftaten und „Äußerungen“, mittels derer S traftaten begangen werden. Daraus folgt im Gegenschluss, dass „Gespräch“ nur solche Äußerungen – wenigstens im „Zwiegespräch“ – meint, die dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/4533, S. 14) macht das deutlich: „Sofern man dabei den Gedanken des Sozialbezugs entsprechender Äußerungen zugrunde legt …, werd en in der Regel auch Äußerungen eines Beschuldigten, die dieser tätigt, wenn er sich alleine in der überwachten Wohnung aufhält, oder Äußerungen, di e nicht dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden, wie etwa unbewusst artikulierte Äußerungen, dem absolut geschützten Kernber eich unterfallen.“

d) Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob Selbstgespräche, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat beziehen, schlechthin („absolut“, vgl. BVerfGE 109, 279, 332) unverwertbar sind. So mag etwa eine Verwertung ausschließlich zum Zwecke der Gefahrenabwehr in Betracht kommen, wenn das Selbstgespräch eines Kindesentführers Aufschluss darüber ergibt, wo das Kind gefangen gehalten wird. Auch kann es Fallgestaltungen geben, in denen das
Selbstgespräch eindeutig entlastenden Inhalt hat (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.), weshalb auch der Angeklagte ein Interesse an der Verwertung haben kann.
3. Der Umstand, dass das Vorspielen der Aufzeichnungen auf Initiative des Angeklagten erfolgte, führt hier nicht zum Wegfall des Verwertungsverbots.

a) Der Antrag des Angeklagten auf Abspielen der Aufzeichnungen hatte nur den engen Zeitraum der Festnahme am 17. Dezember 2003 zum Gegenstand. Begehrt war auch nur die freibeweisliche Klärung der Behauptung von verbotenen Vernehmungsmethoden. Vorgespielt hat das Landgericht indes auch die Aufzeichnung des Selbstgesprächs vom 8. Dezember 2003. Dieses Selbstgespräch hat es dann aber auch zum Schuldnachweis – strengbeweislich – verwertet.
b) Der Senat hat erwogen, ob der Angeklagte über die Verwertung disponieren kann, etwa in Form der Widerspruchslösung. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die bei der akustischen Wohnraumüberwachung angefallenen Informationen auch Entlastendes enthalten (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.).
So könnte das Selbstgespräch auch ein gewichtiges Entlastungsindiz sein („ich bin unschuldig, aber niemand glaubt mir“) oder jedenfalls den Schuldumfang reduzieren (Nachweis der Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB oder eines Affekts). Dem Angeklagten „zum Schutze seiner Menschenwürde“ zu verbieten, diese Information zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) zu machen und damit jeder richterlichen Würdigung – auch bei
der Anwendung des Zweifelssatzes – zu entziehen, erscheint schwerlich vorstellbar.
Diese Fragen stellen sich – mit erheblicher praktischer Relevanz – auch bei dem eventuell gebotenen Abbruch der Überwachung oder bei der Löschung der Aufzeichnungen. Die Entscheidung, ob die Erkenntnisse belastend oder entlastend sind, wird zu diesem Zeitpunkt nicht stets zuverlässig getroffen werden können. Werden – um dem Angeklagten den möglichen Entlastungsbeweis zu erhalten – die Überwachung nicht abgebrochen oder die Aufzeichnungen nicht sogleich gelöscht, dann führt dies zwangsläufig zur Frage der Disponibilität zugunsten des Angeklagten mit der weiteren Frage, ob der Angeklagte nur eine selektive Verwertung („Rosinentheorie“) verlangen kann.

c) Eines Widerspruchs bedurfte es hier jedoch nicht. Selbst wenn der Angeklagte mit der Möglichkeit rechnen musste, dass die vorgespielten Aufzeichnungen insgesamt auch strengbeweislich verwertet würden, so war für ihn jedoch nicht ohne weiteres erkennbar, dass sich die Aufzeichnungen zu seinen Lasten auswirken würden.
Die dem Verteidiger infolge Akteneinsicht bekannten Gesprächsaufzeichnungen sind ach in der Anklageschrift nicht als klar belastende Beweismittel eingestuft. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis ist ausgeführt, dass die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung keine Hinweise zum Tatgeschehen erbracht haben. Die akustische Raumüberwachung habe ergeben, dass der Angeklagte mit anderen Personen keine relevanten Gespräche geführt habe. Die aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten zeigten innere Anspannung und Wut und hatten generell Gewalt gegen andere Perso-
nen zum Gegenstand "Offensichtlich in Bezug zu den Ermittlungen" stünde zwar das Selbstgespräch des Angeklagten nach einem Telefonat mit einer Arbeitskollegin. Aber auch dieser Bewertung musste der Verteidiger nicht entnehmen , dass der Bezug zu den Ermittlungen auch als Belastungsindiz für die Täterschaft gewertet würde.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat und durch seinen Verteidiger die Tat bestreiten ließ. Damit ist offensichtlich, dass der Angeklagte mit einer strengbeweislichen Verwertung zu seinen Lasten nicht einverstanden war. Jedenfalls bei einer solchen Fallgestaltung bedurfte es keines ausdrücklichen Widerspruchs des Angeklagten gegen die Verwertung.
4. Die Verurteilung wegen Mordes beruht - ausweislich der revisionsrechtlich allein maßgeblichen Urteilsgründe - auf der Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs des Angeklagten. Das Landgericht hat die Äußerungen des Angeklagten sowohl als gleichberechtigtes Einzelindiz in die Beweiswürdigung eingestellt, als dieses auch bei der Gesamtwürdigung noch einmal zur Bildung einer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten herangezogen.
Ob eine Verurteilung des Angeklagten ohne Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs aufgrund der übrigen Beweisanzeichen möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben.
Nack Wahl Boetticher Herr RiBGH Hebenstreit befindet Elf
sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________
Ein in einem Krankenzimmer mittels akustischer Wohnraumüberwachung aufgezeichnetes
Selbstgespräch des Angeklagten ist zu dessen Lasten zu Beweiszwecken
unverwertbar, soweit es dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich zuzurechnen ist.
BGH, Urteil vom 10. August 2005 – 1 StR 140/05 – Landgericht München II

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 140/05
vom
10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen Mordes schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tatmehrheit mit Besitz einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Revision hat hinsichtlich des Mordes Erfolg mit einer Verfahrensrüge, die ein Verwertungsverbot für die Erkenntnisse aus einer akustischen Wohnraumüberwachung (Selbstgespräch
des Angeklagten) geltend macht. Hinsichtlich der Verurteilung wegen des Waffendelikts ist die Revision unbegründet.

I.


1. Zu dem am 8. Oktober 1998 verübten Mord hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Bruder des Angeklagten hatte im Jahre 1994 mit Erlaubnis des Tatopfers , des Landwirts F. M. , auf dessen Bauernhof in der Nähe des Wohn- und Stallgebäudes eine Holzhütte errichtet, um darin Kraftfahrzeuge zu reparieren. Dort hatte in der Folgezeit der Angeklagte – ohne Erlaubnis des Landwirts – seine „Ranch“ für einen dauerhaften Aufenthalt eingerichtet und ausgebaut. Im Laufe der Zeit hatte er sich mehr und mehr „breit gemacht“. Das missfiel dem Landwirt. Sein Vorhaben, den Angeklagten vom Hof zu weisen, brachte er diesem gegenüber aber erst wenige Tage vor der Tat unmissverständlich zum Ausdruck. Darauf reagierte der Angeklagte mit Wut und Hass; er drohte dem Landwirt erregt mit einem Holzknüppel und rief dabei: „Dich erschlag ich noch!“. Am 8. Oktober betrat der Angeklagte nach Mitternacht das Wohnzimmer, in dem der Landwirt schlief, und erschlug diesen mit einem massiven kantigen Werkzeug. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden.
Die zunächst ergebnislos eingestellten Ermittlungen wurden im Jahre 2003 wieder aufgenommen. Der Angeklagte hatte im Januar 2003 einen Arbeitsunfall erlitten. Anlässlich der Bearbeitung des Arbeitsunfalls fand die Kriminalpolizei im Wohnhaus des Angeklagten einen Schlagstock, der nach der Befragung des Obduzenten als Tatwaffe in Betracht kommen konnte. Im Zuge dieser Ermittlungen erfolgte auch die akustische Wohnraumüberwachung.

2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung geschwiegen und durch Verteidigererklärung die Tat bestritten. Das Landgericht hat sich aufgrund einer Gesamtschau mehrerer Belastungsindizien von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Insbesondere habe der Angeklagte ein Motiv gehabt, Gewaltbereitschaft sei ihm auch nicht wesensfremd und nach der Tat habe er gegenüber der Polizei Täterwissen offenbart. Die Überzeugung des Landgerichts beruht aber auch auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung vorgespielten Aufzeichnung der akustischen Wohnraumüberwachung. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte sich im Zuge der Wiederaufnahme der Ermittlungen „mit einer alternativen Tötungsart des F. M. gedanklich befasst“ habe.

II.


Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Erkenntnisse der akustischen Wohnraumüberwachung hätten nicht verwertet werden dürfen, hat Erfolg.
1. Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

a) Anlässlich der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde neben einer Telekommunikationsüberwachung auch eine auf § 100c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 100d StPO (in der damals geltenden Fassung) gestützte Abhörung und Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen richterlich gestattet. Zielobjekt der Abhörmaßnahmen war das Einzelzimmer des Angeklagten in einer Rehabilitationsklinik, wo er sich zur Behandlung der Folgen des Arbeitsunfalls aufhielt. In seinem Einzelzimmer schlief der Angeklagte und
er hielt sich darin auf, wenn er nicht an Anwendungen, wie z. B. Massagen etc. teilnehmen musste. Die auf vier Wochen befristete Überwachung begann am 27. November 2003; am 17. Dezember 2003 erfolgte die Festnahme des Angeklagten im Klinikzimmer.
b) Am fünften Hauptverhandlungstag wurde die Beweisaufnahme geschlossen und der Staatsanwalt stellte den Antrag, den Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen. Der Instanzverteidiger des Angeklagten beantragte, den Angeklagten freizusprechen und beantragte im Wege des Hilfsbeweisantrages das Abhören der im Rahmen der akustischen Raumüberwachung am 17. Dezember 2003 zwischen 14:15 Uhr und 15:00 Uhr (Zeitpunkt der Festnahme ) aufgezeichneten „Geräusche und Gespräche“. Ziel dieses Antrags war, behauptete verbotene Vernehmungsmethoden der Polizei anlässlich der Festnahme und der daran anschließenden Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten zu belegen. Hierbei handelte es sich der Sache nach um einen Freibeweis.
Nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme wurden am achten Verhandlungstag auf Verfügung des Vorsitzenden Aufzeichnungen der Telekommunikation und der Raumgespräche – nicht nur zu dem beantragten kurzen Zeitraum, sondern Aufzeichnungen von mehreren Tagen – vorgespielt. Dem widersprach der Verteidiger nicht. Die Verschriftung der in der Hauptverhandlung abgespielten Raumgesprächsaufzeichnung gibt über mehrere Tage hinweg aufgezeichnete Geräusche wie „pinkeln“, „Spülung“, „pupsen“, „husten“, „schnarchen“ sowie Selbstgespräche des Angeklagten minuziös wieder.

c) Mit dem am 8. Dezember 2003 aufgezeichneten Selbstgespräch des Angeklagten, welches vom Landgericht – strengbeweislich – als Belastungsindiz gewertet wurde, hat es folgende Bewandtnis:
Gegen 22:35 Uhr rief eine Arbeitskollegin den Angeklagten in dessen Krankenzimmer an; dieses Telefongespräch wurde ebenfalls aufgezeichnet. Die Arbeitskollegin berichtete, sie sei von der Kriminalpolizei über den Angeklagten , insbesondere über sein aggressives Verhalten befragt worden. Die Polizei habe sie auch befragt, ob er seine Hasen selbst geschlachtet habe und ob er Rechts- oder Linkshänder sei. Im Anschluss an dieses Telefongespräch führte der Angeklagte in seinem Krankenzimmer ein erregtes Selbstgespräch. Dabei rief er aus: „Sehr aggressiv, sehr aggressiv, sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen sollen, in Kopf hätt i eam schießen sollen, selber umgebracht … in Kopf hätt i eam schießen sollen.“
Das Landgericht zog aus diesem Selbstgespräch – das Gegenstand der Verfahrensrüge ist – den Schluss, der Angeklagte habe sich Gedanken darüber gemacht, dass er durch das Erschlagen des F. M. den Verdacht auf sich gelenkt habe. Es sei keine andere Erklärung ersichtlich, weshalb er in diesem Moment die Erwägung angestellt habe, ob es nicht besser gewesen wäre, „ihn in den Kopf zu schießen“. Nach Überzeugung des Landgerichts habe sich diese Äußerung auf F. M. bezogen. Eine and ere Person, gegen die sich in diesem Moment nach dem Telefongespräch mit seiner Arbeitskollegin seine darin zum Ausdruck kommende Wut habe richten können, sei nicht ersichtlich.
2. Der Senat kann offen lassen, ob der Beschluss, mit dem die akustische Wohnraumüberwachung angeordnet wurde, inhaltlich den Anforderungen
des Grundrechts aus Art. 13 GG genügt (vgl. BVerfGE 109, 279, 360). Er kann auch offen lassen, ob die Maßnahme im Hinblick auf die Erhebung absolut geschützter Informationen wenigstens zu unterbrechen war (vgl. BVerfGE 109, 279, 318). Denn nach § 100c Abs. 5 Satz 3 StPO (in der jetzt geltenden Fassung auf Grund des Gesetzes vom 24. Juni 2005, BGBl I S. 1841) durfte das Landgericht das Selbstgespräch nicht – wie geschehen – zu Beweiszwecken verwerten. Das hier geführte Selbstgespräch ist nämlich dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (§ 100c Abs. 4 StPO). Erkenntnisse über solche Äußerungen unterli egen einem „absoluten Verwertungsverbot“ und dürfen auch im Hauptsacheverfahren nicht verwertet werden (BVerfGE 109, 279, 331). Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit – hier die Aufklärung eines Mordes – können, so das Bundesverfassungsgericht , einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (BVerfGE 109, 279, 313, 314). Das Selbstgespräch des Angeklagten in dem Krankenzimmer ist diesem - durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten - Kernbereich zuzurechnen. Maßgebend dafür ist eine Kumulation mehrerer Umstände. Es handelte sich um ein aufgrund einer staatlichen Überwachungsmaßnahme aufgezeichnetes Selbstgespräch. Dieses Selbstgespräch hatte der Angeklagte in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum geführt. Der Inhalt des Selbstgespräches war in Bezug auf den Tatvorwurf interpretationsbedürftig. Dass das hier geführte Selbstgespräch dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, ergibt sich aus Folgendem:

a) Schon wegen der Art des Raumes, in dem das Selbstgespräch geführt wurde, besteht eine Vermutung, dass der Kernbereich tangiert sein kann. Das vom Angeklagten genutzte Krankenzimmer in einer Rehabilitationsklinik unterfällt dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG, weil ihm – wie einer Privatwohnung – typischerweise die Funktion als Rückzugsbereich der privaten Lebensgestaltung zukommt.
aa) Der Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.) nicht im engen Sinne der Umgangssprache zu verstehen, vielmehr ist er weit auszulegen (vgl. BGHSt 42, 372, 375 f.). Er umfasst zur Gewährleistung einer räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben ungestört entfalten kann, alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Wirkens gemacht sind (BTDrucks. 15/4533 S. 11; BVerfGE 89, 1, 12; Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 13 Rdn. 10 f.; Herdegen in Bonner Kommentar, GG Art. 13 Rdn. 26; Kunig in von Münch GGKommentar Bd. I Art. 13 Rdn. 10; AK-GG Berkemann, 3. Aufl. Art. 13 Rdn. 51 ff.). Maßgeblich ist dabei die nach außen erkennbare Willensbetätigung desjenigen, der einem Raum kraft „Widmung“ den Schutz der Privatheit verschafft (Hermes in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 17).
bb) In der verfassungsrechtlichen Literatur besteht Einigkeit darüber, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG über den alltagssprachlichen Wohnungsbegriff (Haupt- einschließlich Nebenwohnräume) hinaus auch andere Räume schützt, soweit sie als Räume der Freizeit, Räume der Mobilität, kultusbezogene oder der sozialen Beratung zuzuordnen sind und die Privatheit der
Lebensgestaltung ermöglichen, denn deren Schutz soll durch diese Vorschrift umfassend gewährleistet werden (vgl. die Aufstellung bei Berkemann in AK-GG aaO Rdn. 41; Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 10 f.). Dazu zählen etwa Gartenhäuser, Hotelzimmer, Wohnwagen, Wohnmobile, bewohnbare Schiffe , Zelte, Schlafwagenabteile, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume oder ein nicht allgemein zugängliches Vereinsbüro. Demgegenüber werden z. B. Unterkunftsräume eines Soldaten oder Polizeibeamten, Personenkraftwagen (vgl. BGH – Ermittlungsrichter – NStZ 1998, 157) oder Hafträume in einer Justizvollzugsanstalt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2643; BGHSt 44, 138) nicht als Wohnung im Sinne des Art. 13 GG angesehen. cc) Nach diesem Maßstab fallen auch Krankenzimmer unter den Schutzbereich des Art. 13 GG, selbst wenn diese Räumlichkeiten nur zu bestimmten Zwecken der Unterbringung und nur vorübergehend überlassen werden (entgegen Kunig in von Münch GG-Kommentar aaO Rdn. 15 und Cassardt in GG, Umbach/Clemens [Hrsg.], GG-Mitarbeiterkommentar, Bd. 1 Art. 13 Rdn. 33 jeweils unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, NJW 1987, 2958). Zwar mag bei Krankenzimmern wie bei Geschäftsräumen nicht der volle Schutz des Art. 13 GG zugunsten der Wahrung der räumlichen Privatsphäre gelten wie bei der Wohnung im engeren Sinne, weil den Krankenhausärzten und dem übrigen Krankenhauspersonal aufgrund ihres Heil- und Betreuungsauftrages Betretungs-, Überwachungs- und Kontrollbefugnisse zustehen. Diese Rechte heben jedoch den Privatcharakter des Krankenzimmers nicht auf (vgl. für Geschäfts - und Betriebsräume Papier in Maunz/Dürig/Herzog aaO Rdn. 14). Ob etwas anderes gelten könnte, wenn der Patient sich nicht – wie hier – aus einem eigenen Rehabilitationsinteresse in einer Klinik aufhält, sondern auch außerhalb der Anwendungen regelmäßig einer durch medizinische Notwendigkeit oder durch Sicherheitsinteressen begründeten dauerhaften Überwachung be-
darf, mag dahin stehen. Um eine solche Unterbringung handelt es sich vorliegend nicht.
Für die Menschenwürderelevanz der überwachten Äußerungen spricht auch, dass grundsätzlich nur Personen des besonderen von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 53a StPO geschützten Vertrauens Zutritt hatten. Von daher war insbesondere eine Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern zu erwarten.

b) Auch Art und Inhalt der Äußerung des Angeklagten spr echen für den absolut geschützten Kernbereich. Allerdings enthielt das Selbstgespräch – nach der durchaus vertretbaren Ansicht des Landgerichts – Angaben über den Tatvorwurf. „Gespräche“, die Angaben über eine konkret begangene Straftat enthalten (Sozialbezug), gehören ihrem Inhalt nach nicht zum unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279, 319). Auch nach § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO sind sie dem Kernbereich grundsätzlich nicht zuzurechnen.
Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Angeklagte nicht mit anderen kommuniziert, sondern ein Selbstgespräch geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Urteil vom 3. März 2004 bei der Frage eines derartigen Sozialbezuges primär auf die Kommunikation mit anderen Personen, das „Zwiegespräch“, ab (BVerfGE 109, 279, 319, 321).
Das Urteil vom 3. März 2004 nimmt Bezug auf die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. September 1989 (BVerfGE 80, 367). Wegen Stimmengleichheit ließ sich dort nicht feststellen, dass die Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen des Angeklagten zu Beweiszwe-
cken gegen das Grundgesetz verstieß. Maßgeblich für die Verneinung des Verfassungsverstoßes durch vier Richter war, dass der Angeklagte seine Gedanken schriftlich niedergelegt hatte. Damit habe er sie aus dem von ihm beherrschbaren Innenbereich entlassen und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben (BVerfGE 80, 367, 376). Die vier anderen Richter waren hingegen der Ansicht , dass die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen ausschließlich höchstpersönlichen Charakter – wie ein Selbstgespräch – hatten. Die Auseinandersetzung des Angeklagten mit dem eigenen Ich habe ihren höchstpersönlichen Charakter nicht deshalb verloren, weil sie dem Papier anvertraut worden sei.
Trotz des in dem Beschluss vom 14. September 1989 bestehen gebliebenen Dissenses über die strafprozessuale Verwertung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen gehört das Selbstgespräch selbst nach den Maßstäben der die Entscheidung des Zweiten Senats tragenden vier Richter grundsätzlich zum absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Unzweifelhaft will der Betroffene in einem Selbstgespräch einen Lebenssachverhalt geheim halten. Daran ändert auch nichts, dass diesem „im nachhinein und von außen her eine Beziehung zu Allgemeinbelangen herangetragen werden [würde], die [ihm] ursprünglich , also aus sich heraus, nicht eigen war“ (so die vier unterlegenen Richter zu den tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, BVerfGE 80, 367, 382). Das Gespräch mit sich selbst ist gekennzeichnet durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte und hat persönliche Erwartungen, Befürchtungen, Bewertungen , Selbstanweisungen sowie seelisch-körperliche Gefühle und Befindlichkeiten zum Inhalt (Wenninger [Hrsg.], Lexikon der Psychologie, Stichwort „Selbstkommunikation“, Band 4, S. 133). Das Selbstgespräch hat somit ausschließlich höchstpersönlichen Charakter und berührt aus sich heraus nicht die Sphäre anderer oder der Gemeinschaft.


c) Die Anwendung dieser Grundsätze der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die vorliegende Fallgestaltung muss dazu führen, dass ein Selbstgespräch der vorliegenden Art – weil es in keiner Form verdinglicht und der Gefahr eines Zugriffs preisgegeben war – dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnen ist.
Dies ergibt sich auch aus der in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 erfolgten Novellierung in § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO. Diese Bestimmung differenziert zwischen „Gesprächen“ über begangene Straftaten und „Äußerungen“, mittels derer S traftaten begangen werden. Daraus folgt im Gegenschluss, dass „Gespräch“ nur solche Äußerungen – wenigstens im „Zwiegespräch“ – meint, die dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/4533, S. 14) macht das deutlich: „Sofern man dabei den Gedanken des Sozialbezugs entsprechender Äußerungen zugrunde legt …, werd en in der Regel auch Äußerungen eines Beschuldigten, die dieser tätigt, wenn er sich alleine in der überwachten Wohnung aufhält, oder Äußerungen, di e nicht dazu bestimmt sind, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden, wie etwa unbewusst artikulierte Äußerungen, dem absolut geschützten Kernber eich unterfallen.“

d) Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob Selbstgespräche, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat beziehen, schlechthin („absolut“, vgl. BVerfGE 109, 279, 332) unverwertbar sind. So mag etwa eine Verwertung ausschließlich zum Zwecke der Gefahrenabwehr in Betracht kommen, wenn das Selbstgespräch eines Kindesentführers Aufschluss darüber ergibt, wo das Kind gefangen gehalten wird. Auch kann es Fallgestaltungen geben, in denen das
Selbstgespräch eindeutig entlastenden Inhalt hat (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.), weshalb auch der Angeklagte ein Interesse an der Verwertung haben kann.
3. Der Umstand, dass das Vorspielen der Aufzeichnungen auf Initiative des Angeklagten erfolgte, führt hier nicht zum Wegfall des Verwertungsverbots.

a) Der Antrag des Angeklagten auf Abspielen der Aufzeichnungen hatte nur den engen Zeitraum der Festnahme am 17. Dezember 2003 zum Gegenstand. Begehrt war auch nur die freibeweisliche Klärung der Behauptung von verbotenen Vernehmungsmethoden. Vorgespielt hat das Landgericht indes auch die Aufzeichnung des Selbstgesprächs vom 8. Dezember 2003. Dieses Selbstgespräch hat es dann aber auch zum Schuldnachweis – strengbeweislich – verwertet.
b) Der Senat hat erwogen, ob der Angeklagte über die Verwertung disponieren kann, etwa in Form der Widerspruchslösung. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die bei der akustischen Wohnraumüberwachung angefallenen Informationen auch Entlastendes enthalten (vgl. BVerfGE 109, 279, 369 ff.).
So könnte das Selbstgespräch auch ein gewichtiges Entlastungsindiz sein („ich bin unschuldig, aber niemand glaubt mir“) oder jedenfalls den Schuldumfang reduzieren (Nachweis der Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB oder eines Affekts). Dem Angeklagten „zum Schutze seiner Menschenwürde“ zu verbieten, diese Information zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) zu machen und damit jeder richterlichen Würdigung – auch bei
der Anwendung des Zweifelssatzes – zu entziehen, erscheint schwerlich vorstellbar.
Diese Fragen stellen sich – mit erheblicher praktischer Relevanz – auch bei dem eventuell gebotenen Abbruch der Überwachung oder bei der Löschung der Aufzeichnungen. Die Entscheidung, ob die Erkenntnisse belastend oder entlastend sind, wird zu diesem Zeitpunkt nicht stets zuverlässig getroffen werden können. Werden – um dem Angeklagten den möglichen Entlastungsbeweis zu erhalten – die Überwachung nicht abgebrochen oder die Aufzeichnungen nicht sogleich gelöscht, dann führt dies zwangsläufig zur Frage der Disponibilität zugunsten des Angeklagten mit der weiteren Frage, ob der Angeklagte nur eine selektive Verwertung („Rosinentheorie“) verlangen kann.

c) Eines Widerspruchs bedurfte es hier jedoch nicht. Selbst wenn der Angeklagte mit der Möglichkeit rechnen musste, dass die vorgespielten Aufzeichnungen insgesamt auch strengbeweislich verwertet würden, so war für ihn jedoch nicht ohne weiteres erkennbar, dass sich die Aufzeichnungen zu seinen Lasten auswirken würden.
Die dem Verteidiger infolge Akteneinsicht bekannten Gesprächsaufzeichnungen sind ach in der Anklageschrift nicht als klar belastende Beweismittel eingestuft. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis ist ausgeführt, dass die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung keine Hinweise zum Tatgeschehen erbracht haben. Die akustische Raumüberwachung habe ergeben, dass der Angeklagte mit anderen Personen keine relevanten Gespräche geführt habe. Die aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten zeigten innere Anspannung und Wut und hatten generell Gewalt gegen andere Perso-
nen zum Gegenstand "Offensichtlich in Bezug zu den Ermittlungen" stünde zwar das Selbstgespräch des Angeklagten nach einem Telefonat mit einer Arbeitskollegin. Aber auch dieser Bewertung musste der Verteidiger nicht entnehmen , dass der Bezug zu den Ermittlungen auch als Belastungsindiz für die Täterschaft gewertet würde.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat und durch seinen Verteidiger die Tat bestreiten ließ. Damit ist offensichtlich, dass der Angeklagte mit einer strengbeweislichen Verwertung zu seinen Lasten nicht einverstanden war. Jedenfalls bei einer solchen Fallgestaltung bedurfte es keines ausdrücklichen Widerspruchs des Angeklagten gegen die Verwertung.
4. Die Verurteilung wegen Mordes beruht - ausweislich der revisionsrechtlich allein maßgeblichen Urteilsgründe - auf der Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs des Angeklagten. Das Landgericht hat die Äußerungen des Angeklagten sowohl als gleichberechtigtes Einzelindiz in die Beweiswürdigung eingestellt, als dieses auch bei der Gesamtwürdigung noch einmal zur Bildung einer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten herangezogen.
Ob eine Verurteilung des Angeklagten ohne Verwertung des aufgezeichneten Selbstgesprächs aufgrund der übrigen Beweisanzeichen möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben.
Nack Wahl Boetticher Herr RiBGH Hebenstreit befindet Elf
sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Ausländer, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben (§ 14 Abs. 1), sind verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung, längstens jedoch bis zu 18 Monate, bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern längstens jedoch bis zu sechs Monate, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor der Entscheidung des Bundesamtes entfallen. Abweichend von Satz 1 ist der Ausländer verpflichtet, über 18 Monate hinaus in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wenn er

1.
seine Mitwirkungspflichten nach § 15 Absatz 2 Nummer 4 bis 7 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
2.
wiederholt seine Mitwirkungspflicht nach § 15 Absatz 2 Nummer 1 und 3 ohne genügende Entschuldigung verletzt oder die unverschuldet unterbliebene Mitwirkungshandlung nicht unverzüglich nachgeholt hat,
3.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und gegenüber einer für den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde fortgesetzt über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder fortgesetzt falsche Angaben macht oder
4.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und fortgesetzt zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen, insbesondere hinsichtlich der Identifizierung, der Vorlage eines Reisedokuments oder der Passersatzbeschaffung, nicht erfüllt.
Satz 3 findet keine Anwendung bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1a) Abweichend von Absatz 1 sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 29a) verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Satz 1 gilt nicht bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(1b) Die Länder können regeln, dass Ausländer abweichend von Absatz 1 verpflichtet sind, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet oder als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung, längstens jedoch für 24 Monate, zu wohnen. Die §§ 48 bis 50 bleiben unberührt.

(2) Sind Eltern eines minderjährigen ledigen Kindes verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, so kann auch das Kind in der Aufnahmeeinrichtung wohnen, auch wenn es keinen Asylantrag gestellt hat.

(3) Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Ausländer verpflichtet, für die zuständigen Behörden und Gerichte erreichbar zu sein.

(4) Die Aufnahmeeinrichtung weist den Ausländer innerhalb von 15 Tagen nach der Asylantragstellung möglichst schriftlich und in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, auf seine Rechte und Pflichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hin. Die Aufnahmeeinrichtung benennt in dem Hinweis nach Satz 1 auch, wer dem Ausländer Rechtsbeistand gewähren kann und welche Vereinigungen den Ausländer über seine Unterbringung und medizinische Versorgung beraten können.

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

Tenor

1. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) in der Fassung der Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 286) sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 301) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes aufgrund des Verstoßes gegen Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie die Kraftfahrzeugkennzeichenerfassung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsehen.

b) Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 ist in dieser und den nachfolgenden Fassungen mit Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er die Identitätsfeststellung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsieht.

2. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 bis 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 1 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränken,

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen uneingeschränkt für "Durchgangsstraßen ([…] andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr)" vorsehen und

- keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen vorsehen.

b) Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 3 Satz 2 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie die Verarbeitung der Kennzeichen zu weiteren Zwecken nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beschränken.

3. Die unter 2. angeführten Vorschriften bleiben in ihrer Fassung vom 18. Mai 2018 bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Dezember 2019, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

4. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 - BVerwG 6 C 7.13 -, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2012 - 10 BV 09.2641 - und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2009 - M 7 K 08.3052 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

5. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

6. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben je zu gleichen Teilen dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die seinen gegen den Freistaat Bayern gerichteten Antrag abwiesen, automatisierte Kennzeichenkontrollen nach bayerischem Polizeirecht zu unterlassen. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die diesbezüglichen Rechtsgrundlagen selbst.

I.

2

1. In Bayern ist die Polizei dazu ermächtigt, im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung automatisierte Kennzeichenkontrollen durchzuführen. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 wurden solche Kontrollen auf Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie auf Art. 38 Abs. 3 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (BayGVBl S. 397), zuletzt geändert durch Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (BayGVBl S. 286) - im Folgenden: BayPAG -, gestützt. Sie lauteten:

Art. 33

Besondere Mittel der Datenerhebung

(1) …

(2) …2Darüber hinaus kann die Polizei unbeschadet des Art. 30 Abs. 3 Satz 2 durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse in den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfassen. 3Zulässig ist der Abgleich der Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsbeständen, die erstellt wurden

1. über Kraftfahrzeuge oder Kennzeichen, die durch Straftaten oder sonst abhanden gekommen sind,

2. über Personen, die ausgeschrieben sind

a) zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle oder verdeckten Registrierung,

b) aus Gründen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung, Auslieferung oder Überstellung,

c) zum Zweck der Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen,

d) wegen gegen sie veranlasster polizeilicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

4Ein Abgleich mit polizeilichen Dateien, die zur Abwehr von im Einzelfall oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse allgemein bestehenden Gefahren errichtet wurden, ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer solchen Gefahr erforderlich ist und diese Gefahr Anlass für die Kennzeichenerfassung war. 5Die Kennzeichenerfassung darf nicht flächendeckend eingesetzt werden.

(3) - (7) …

Art. 38

Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten

(1) - (2) …

(3) 1Die nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 erfassten Kennzeichen sind nach Durchführung des Datenabgleichs unverzüglich zu löschen. 2Soweit ein Kennzeichen in den abgeglichenen Fahndungsbeständen oder Dateien enthalten und seine Speicherung oder Nutzung im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr oder für Zwecke, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet wurden, erforderlich ist, gelten abweichend hiervon Abs. 1 und 2 sowie die Vorschriften der Strafprozessordnung. 3Außer in den Fällen des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a dürfen Einzelerfassungen nicht zu einem Bewegungsbild verbunden werden.

(4) - (5) …

3

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG verwies als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Maßnahmen der Kennzeichenkontrolle auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lautete:

Art. 13

Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen

1. zur Abwehr einer Gefahr,

2. wenn die Person sich an einem Ort aufhält,

a) von dem auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort

aa) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,

bb) sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, oder

cc) sich Straftäter verbergen, oder

b) an dem Personen der Prostitution nachgehen,

3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind,

4. an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinn von § 100a der Strafprozessordnung (StPO) oder Art. 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 5 oder Ordnungswidrigkeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 1 Nrn. 8 und 9 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) zu verhindern,

5. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen und andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität oder

6. …

(2) - (3) …

4

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG wurde durch eine spätere Gesetzesänderung redaktionell einer Änderung des bayerischen Versammlungsrechts angepasst (Gesetz zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes vom 23. November 2015, BayGVBl S. 410). Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG wurde durch das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG) vom 13. Dezember 2016 (BayGVBl S. 335) und Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 durch das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom 24. Juli 2017 (BayGVBl S. 388) erweitert. Diese Änderungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

5

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG und Art. 38 Abs. 3 BayPAG wurden durch das Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (BayGVBl S. 301) in einem neuen Art. 39 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 bis 3 BayPAG n.F. bei geringfügigen redaktionellen Änderungen im Wesentlichen wortlautidentisch zusammengeführt.

6

2. Nach den fachgerichtlichen Feststellungen zur praktischen Durchführung der Kennzeichenkontrolle setzt die bayerische Polizei sowohl fest installierte als auch mobile Kennzeichenlesegeräte zur automatisierten Kennzeichenkontrolle ein. Die Geräte erfassen das an vorbeifahrenden Fahrzeugen angebrachte Kraftfahrzeugkennzeichen als Bild. Dieses wird mit einem speziellen Programm in einen Datensatz, bestehend aus den Buchstaben und Ziffern des Kennzeichens, umgewandelt. Der Datensatz wird an einen in der Regel am Fahrbahnrand untergebrachten Computer weitergeleitet. Dort wird der Datensatz mit anderen Daten-sätzen abgeglichen, die anderweitig begründeten Fahndungsbeständen entnommen sind. Der Abgleich beruht auf einer für den Einzelfall zweckbezogenen Auswahl der Fahndungsbestände. Die dafür herangezogenen Datensätze werden dabei jeweils bezogen auf die in Frage stehende Kennzeichenkontrolle in einer eigenen Abgleichdatei zusammengeführt.

7

Das im Kennzeichenlesegerät gespeicherte Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens wird nach dem Datenbankabgleich unverzüglich gelöscht. Vom Computer, der zum Datenbankabgleich genutzt wird, wird der Datensatz ebenfalls automatisch und unverzüglich gelöscht, wenn der Datenbankabgleich keinen Treffer ergibt (Nichttrefferfall). Sofern das Programm hingegen einen Treffer meldet, wird das aufgenommene Bild temporär in einer Datenbank auf dem Computer gespeichert und entweder an die Einsatzzentrale übermittelt oder auf dem Computer direkt angezeigt. Polizeibeamte überprüfen visuell, ob das aufgenommene Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens und das im Fahndungsbestand gespeicherte Kraftfahrzeugkennzeichen übereinstimmen. Bestätigt die visuelle Überprüfung die vom Computer gemeldete Übereinstimmung nicht (unechter Trefferfall), gibt ein Polizeibeamter durch Betätigen der Taste "Entfernen" den Befehl, den gesamten Vorgang zu löschen. Sofern die Überprüfung einen Treffer bestätigt (Trefferfall), werden diese Daten gespeichert und gegebenenfalls weitere polizeiliche Maßnahmen in die Wege geleitet. Weder Fahrzeugführer noch Fahrzeughalter werden über die automatisierte Kennzeichenkontrolle informiert.

8

Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Feststellungen betrieb der Freistaat Bayern zum Zeitpunkt der Entscheidung insgesamt 25 automatisierte Kennzeichenerkennungssysteme, davon 22 stationäre Systeme, die insgesamt 30 Fahrspuren abdeckten, und drei mobile Systeme. Die stationären Systeme seien auf zwölf Standorte verteilt und befänden sich insbesondere an Bundesautobahnen. Die mobilen Systeme würden anlassbezogen eingesetzt, beispielsweise bei internationalen Fußballturnieren oder ähnlichen Großereignissen. Der jeweilige Standort werde gemäß jährlich aktualisierter Lageerkenntnisse durch das Landeskriminalamt bestimmt. Die Lagebeurteilung werde im Innenministerium dokumentiert und der Landesbeauftragte für Datenschutz jährlich hierüber informiert. Im Zeitraum Juni bis September 2011 seien monatlich etwa acht Millionen Kennzeichen erfasst worden, von denen 40.000 bis 50.000 Treffermeldungen (Trefferfälle und unechte Trefferfälle) und 500 bis 600 Trefferfälle gewesen seien.

9

Vorwiegender Einsatzzweck der automatisierten Kennzeichenkontrolle ist nach Angaben der Bayerischen Staatsregierung zu diesem Verfahren die Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG. Für einen der anderen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG genannten Zwecke sei die Kennzeichenkontrolle nur vereinzelt eigenständig zum Einsatz gekommen. Allerdings werde die Kennzeichenkontrolle zumeist doppelfunktional für die Zwecke des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG und für den situationsbedingt hinzutretenden jeweils einschlägigen anderen Zweck des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG eingesetzt.

10

Hinsichtlich der Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG hat die Bayerische Staatsregierung mitgeteilt, dass solche Kontrollstellen im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 in insgesamt 28 Fällen von der bayerischen Polizei eingerichtet worden seien, wobei die weit überwiegende Mehrzahl der Verhütung versammlungsrechtlicher Straftaten gedient habe. In diesen Fällen seien bisher noch keine Kennzeichenlesegeräte zum Einsatz gekommen.

II.

11

1. Der Beschwerdeführer, der seinen Hauptwohnsitz in Bayern und einen weiteren Wohnsitz in Österreich hat, ist Halter eines auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs, mit dem er regelmäßig zwischen seinen Wohnsitzen pendelt und auf Bundesautobahnen in Bayern unterwegs ist. Er nimmt ferner an Demonstrationen teil. Im Jahr 2008 beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht, den Freistaat Bayern zu verurteilen, es zu unterlassen, durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme Kennzeichen von Kraftfahrzeugen, die auf den Beschwerdeführer zugelassen sind, zu erfassen und mit polizeilichen Dateien abzugleichen.

12

2. a) Das Verwaltungsgericht hielt die Klage für zulässig, aber unbegründet. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurück.

13

Die Klage sei als allgemeine Unterlassungsklage zulässig. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner zahlreichen Fahrten auf Autobahnen in Bayern mit großer Wahrscheinlichkeit bereits mehrfach von einer Kennzeichenerfassung mit anschließendem Abgleich betroffen gewesen. Sein Begehren sei darauf gerichtet, gleichartige künftige Maßnahmen abzuwehren. Die erforderliche Wiederholungsgefahr liege vor, da der Beschwerdeführer häufig auf Autobahnen in Bayern unterwegs sei. Zudem erfolge die Maßnahme heimlich, so dass er ihr nicht ausweichen könne.

14

Die Klage sei aber unbegründet. Kennzeichenerfassung und -abgleich griffen zwar in den Schutzbereich des Grundrechts des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieser Eingriff beruhe jedoch auf einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage. Bei Heranziehung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe fehle es beim sogenannten Nichttreffer schon an einem Grundrechtseingriff (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Es sei nämlich rechtlich und technisch sichergestellt, dass bei negativem Ergebnis eines unverzüglich nach der Erfassung vorgenommenen Abgleichs die erfassten Kennzeichen anonym blieben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Bezug zum Fahrer, Beifahrer oder Halter des Fahrzeugs herzustellen, gelöscht würden. Zu einem Grundrechtseingriff komme es hingegen, wenn ein erfasstes Kennzeichen gespeichert werde und Grundlage weiterer Maßnahmen werden könne. Das sei nicht nur beim echten Treffer der Fall, sondern bereits beim sogenannten unechten Treffer, wenn sich nur infolge einer fehlerhaften Kennzeichenerfassung beim Abgleich mit dem Fahndungsbestand eine Übereinstimmung ergebe. Der Grundrechtseingriff liege nicht in der Speicherung des Kennzeichens, sondern darin, dass der bearbeitende Polizeibeamte das Kennzeichen ablesen könne, da hierdurch die Anonymität des ansonsten vollständig automatisierten Vorgangs aufgehoben werde.

15

Dieser Grundrechtseingriff finde in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG (in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung) eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Diese Normen seien formell und materiell verfassungskonform. Der Landesgesetzgeber sei für deren Verabschiedung zuständig, denn Zweck der automatisierten Kennzeichenerfassung sei die präventive polizeiliche Tätigkeit der Gefahrenabwehr, die auch die Gefahrenvorsorge umfasse. Auch wenn der praktische Einsatz Ergebnisse bringe, die auch der Strafverfolgung zugutekommen könnten, etwa wenn sie zur Festnahme eines gesuchten Straftäters beitrügen, sei die Maßnahme im Kern präventiv zweckbestimmt und eben nicht der Strafverfolgung zuzuordnen. Kompetenzrechtliche Zweifel bestünden, soweit Art. 38 Abs. 3 Satz 2BayPAG bestimme, dass ein Kennzeichen, das in den abgeglichenen Fahndungsbeständen und Dateien enthalten ist, auch für Zwecke gespeichert oder genutzt werden könne, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet worden seien, und damit auch für Zwecke der Strafverfolgung. Darauf komme es jedoch nicht an. Entweder richte sich die Klage des Beschwerdeführers lediglich gegen die Erfassung und den Datenabgleich, nicht aber gegen die auf einer anderen, zweiten Ebene erfolgende Speicherung oder Nutzung der Daten. Oder eine eventuelle Teilnichtigkeit des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG im Hinblick auf den Strafverfolgungszweck ließe Maßnahmen zum Zwecke der Gefahrenabwehr weiterhin zu.

16

In materieller Hinsicht genüge das Gesetz den Bestimmtheitsanforderungen ebenso wie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Mit dem Ziel der Abwehr von Gefahren verfolgten die Regelungen insbesondere einen legitimen Zweck. Die Eignung der Kennzeichenkontrolle scheitere nicht an der großen Streubreite der Kennzeichenerfassung, da es ausreiche, wenn die Maßnahme nur teilweise Erfolg habe. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers sei die Einführung der Kennzeichenerfassung aufgrund aktueller Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus sowie zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit erforderlich gewesen. Denn der Einsatz von Streifenpolizisten oder die Kontrolle einzelner Kraftfahrzeuge in Form von Stichproben an herkömmlichen Kontrollstellen erreiche nicht die gleiche Effizienz wie die automatisierte Kennzeichenerfassung. Es sei auch erforderlich, die Kennzeichenerfassung verdeckt vorzunehmen, da die betreffenden Personen ansonsten andere Routen wählten. Die Vorschriften zur automatisierten Kennzeichenerfassung würden bei verfassungskonformer Auslegung trotz Bedenken beziehungsweise Zweifeln hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne noch gerecht. Denn bei einer umfassenden Gegenüberstellung der Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Erfassung und den Datenabgleich von Kraftfahrzeugkennzeichen und dem damit verfolgten gesetzlichen Ziel der Gefahrenprävention überwiege das öffentliche Schutzinteresse die grundrechtlich geschützten privaten Belange der betroffenen Bürger.

17

b) Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers zurück. Der Kläger könne sein Begehren in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage zwar zulässig geltend machen, die Klage sei jedoch unbegründet.

18

Die erhobene Unterlassungsklage setze voraus, dass dem Beschwerdeführer durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die automatisierte Kennzeichenerfassung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung drohe. Das sei nicht der Fall. Ausgehend von den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben sei für den Fall des Nichttreffers die Eingriffsqualität von Erfassung und Abgleich eines Kraftfahrzeugkennzeichens zu verneinen (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Erfassung und Abgleich vollzögen sich in dieser Konstellation ohne zeitlichen Verzug in vollständig automatisierter Weise. Es sei ferner gesichert, dass die Daten einer menschlichen Kenntnisnahme unzugänglich blieben. Auch der unechte Treffer sei kein Eingriff. Zwar werde das erfasste Kennzeichen in dieser Konstellation durch den Polizeibeamten, der mit dem visuellen Abgleich betraut sei, zur Kenntnis genommen. Der Polizeibeamte beschränke sich jedoch auf die Vornahme dieses Abgleichs und lösche den Vorgang umgehend, wenn der Abgleich negativ ausfalle. In diesem Stadium sei das behördliche Interesse an den betroffenen Daten nicht bereits derart verdichtet, dass der Inhaber des Kraftfahrzeugkennzeichens in einer Qualität betroffen sei, die einen Grundrechtseingriff bewirke. Das behördliche Interesse sei hier nur ein systembezogenes Korrekturinteresse. Mithilfe des visuellen Abgleichs solle lediglich ausgeschlossen werden, dass aufgrund des unvollkommenen Lesemodus des Systems polizeiliche Maßnahmen zu Kennzeichen eingeleitet würden, die zwar im Fahndungsbestand notiert seien, tatsächlich aber die Erfassungsstelle gar nicht passiert hätten. Es werde lediglich der unvollkommene Lesemodus des Systems korrigiert. Der Inhaber des tatsächlich erfassten Kennzeichens habe insoweit nicht mehr hinzunehmen als eine lediglich kurzzeitige Wahrnehmung der Buchstaben-Zahlen-Kombination durch den Polizeibeamten, der seinerseits nicht über die Befugnis verfüge und auch der Sache nach keinen Anlass habe, eine Abfrage aus dem Fahrzeugregister vorzunehmen. Die Anonymität des Inhabers bleibe in diesen Fällen gewahrt.

19

In einem echten Trefferfall werde hingegen die Eingriffsschwelle überschritten. Habe der abgleichende Polizeibeamte die vom System gegebene Treffermeldung verifiziert, verdichte sich das behördliche Interesse an den Daten. Durch die vorgesehene manuelle Abfrage aus der Fahndungsdatei werde die Identität des Kennzeicheninhabers offenbart. Durch die weiter vorgesehene Speicherung des Vorgangs würden die gewonnenen Daten über Zeitpunkt und Ort der Erfassung für den Staat verfügbar gemacht. Dieser sei hierdurch in die Lage versetzt, weitere Maßnahmen gegen den Betroffenen einleiten zu können. Betroffene seien hierdurch in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität berührt.

20

Im vorliegenden Fall könne es hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers jedoch nach dem damaligen Sachstand nicht zu einem echten Treffer kommen, da nach den vorinstanzlichen Feststellungen sein Kraftfahrzeugkennzeichen nicht im Fahndungsbestand gespeichert sei. Die bloße Eventualität einer künftigen Speicherung müsse außer Betracht bleiben. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch biete keine Handhabe, um behördliches Handeln abzuwehren, dem nur bei künftigem Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände Eingriffsqualität gegenüber dem Beschwerdeführer zukomme.

III.

21

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.

22

Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof hätten den Umfang des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verkannt, da sie bei Nichttrefferfällen keinen Grundrechtseingriff angenommen hätten. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Umfang des Schutzbereichs sogar für unechte Treffer verkannt. Es seien nicht nur die tatsächlich drohenden Nachteile zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass Betroffene der Kennzeichenkontrolle damit rechnen müssten, dass ihr Fahrverhalten aufgezeichnet und nachvollzogen werden könne. Das könne dazu führen, dass sie ihr Bewegungsverhalten anpassten. Es sei nicht erkennbar, was mit den erfassten Daten geschehe. Bei der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden personenbezogene Daten nicht nur ungezielt und allein technikbedingt miterfasst, sondern es sei gerade das Ziel, die Kennzeichen für die staatliche Datenverarbeitung verfügbar zu machen. Die Löschung erfolge nicht unmittelbar nach der Erfassung, sondern erst nach dem Abgleich mit dem Fahndungsbestand. Es bleibe zudem auch nach der Löschung die Information erhalten, dass die abgeglichenen Kennzeichen am Ort der Kennzeichenerfassung nicht festgestellt worden seien, wodurch beispielsweise bestimmte Fluchtrouten ausgeschlossen werden könnten.

23

Die von den Fachgerichten als Rechtsgrundlage für die Kennzeichenkontrolle herangezogenen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG seien formell verfassungswidrig. Es seien Regelungen in einem Bereich, in dem der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG abschließend Gebrauch gemacht habe. Die Maßnahmen dienten zum Teil repressiven Zwecken. Zentraler Zweck der Kennzeichenkontrolle sei das Auffinden von Kraftfahrzeugen oder Kennzeichen, die durch eine Straftat abhandengekommen sind, was dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und damit der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen sei.

24

Es liege ferner ein Verstoß gegen die Gebote der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit vor. Die Normen regelten den Zweck der Kennzeichenkontrolle nicht bereichsspezifisch und präzise. Es bestehe zudem die Gefahr einer laufenden und nicht vorhersehbaren Ausweitung der zum Abgleich herangezogenen Datenbestände, da diese nicht aufgeführt würden. Auch der weitere Umgang mit den erhobenen Daten in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG sei nicht bereichsspezifisch und präzise geregelt. Die Unverhältnismäßigkeit der automatisierten Kennzeichenkontrolle folge aus der hohen Eingriffsintensität, denn sie betreffe eine Vielzahl von Personen, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen diese vorliege, lasse Rückschlüsse auf das Bewegungsverhalten zu und gefährde die Wahrnehmung weiterer Grundrechte wie der Versammlungsfreiheit, während zugleich nur wenige Treffer festgestellt würden, die sich zudem vorwiegend im Bereich der Kraftfahrzeugdiebstähle befänden, die der Alltagskriminalität zuzuordnen seien und keinen Totalabgleich aller Verkehrsteilnehmer rechtfertigen könnten. Die Kennzeichenkontrolle sei ein Präzedenzfall für einen automatisierten Massenabgleich der Bevölkerung mit Fahndungsdatenbanken. Es bestehe auch ein erhebliches Missbrauchspotential hinsichtlich der erhobenen Daten. Die Voraussetzungen für die Kennzeichenkontrolle würden diese Umstände nicht berücksichtigen, da sie auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Identitätsfeststellung verwiesen, deren Eingriffsgewicht geringer sei, da massenhafte Identitätskontrollen - anders als bei der Kennzeichenkontrolle - nicht vorgesehen seien. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG enthalte keine tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Weite des Art. 13 BayPAG im Hinblick auf die Kennzeichenkontrolle ausreichend einschränkten. Unabhängig davon bestünden bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 13 BayPAG. Mittels der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden Verkehrsteilnehmer generell und anlassunabhängig überprüft. Die Kennzeichenkontrolle nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG sei nicht auf erhebliche Gefahren für wichtige Rechtsgüter beschränkt. In den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayPAG könne den an den genannten Orten auftretenden Gefahren nicht mittels der Kennzeichenkontrolle begegnet werden, da im Fahndungsbestand im Wesentlichen nur gestohlene und unversicherte Kraftfahrzeuge enthalten seien. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG überwiege die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit das Interesse an der Verhinderung von Straftaten, die lediglich mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht seien. Im Fall der Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG folge die Unverhältnismäßigkeit unter anderem daraus, dass Kennzeichenkontrollen an Durchgangsstraßen und Verkehrseinrichtungen im gesamten Land zugelassen seien. Die angegriffenen Normen beschränkten zudem den zum Abgleich herangezogenen Datenbestand nicht auf die zur Erreichung des Zwecks der jeweiligen Kontrolle erforderlichen Daten. Des Weiteren binde Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG die Verwendung der erhobenen Daten nicht klar an den Zweck, zu dem sie erhoben wurden. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG liege zudem darin, dass die automatisierte Kennzeichenkontrolle verdeckt erfolge und die Betroffenen hierüber nicht informiert würden.

IV.

25

Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Sie ist der Auffassung, dass die Fälle der Nichttreffer und der unechten Treffer schon keine Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG darstellten. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits grundsätzlich im Hinblick auf Nichttreffer und das Bundesverwaltungsgericht für die angegriffenen Normen im Hinblick auf Nichttreffer und unechte Treffer entschieden. Insbesondere der vollautomatische Abgleichvorgang und die sofortige Löschung der Daten, wenn kein Trefferfall vorliege, schlössen danach einen Grundrechtseingriff aus. In Fällen der unechten Treffer sei mangels einer Halterabfrage die Anonymität des Kraftfahrzeugführers noch nicht aufgehoben. Da nur bei echten Trefferfällen ein Grundrechtseingriff anzunehmen sei, erweise sich die Maßnahme in ihren grundrechtlichen Wirkungen als in hohem Maße treffgenau, so dass ihre Streubreite eng sei. Der Eingriff bei echten Trefferfällen sei von geringer Intensität, da er unter anderem mit dem Kraftfahrzeugkennzeichen ein personenbezogenes Datum betreffe, das für jedermann wahrnehmbar und von geringer Persönlichkeitsrelevanz sei. Zudem erfolge ein Grundrechtseingriff nur, wenn aufgrund der Speicherung des Kennzeichens in den Fahndungsbeständen ein Anlass für eine Überprüfung bestehe. Für die echten Trefferfälle liege mit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG eine formell und materiell verfassungskonforme Rechtsgrundlage vor.

26

Die Kennzeichenkontrolle verfolge mit der Gefahrenabwehr und der Straftatenverhütung in den angegriffenen Normen eindeutig als präventiv ausgestaltete Zwecke. Der Verfolgungsvorsorge würde keinerlei eingriffslegitimierende Wirkung beigemessen. Dass die zum Abgleich herangezogenen Fahndungsbestände auch Ausschreibungen zu repressiven Zwecken enthielten, nehme der Kennzeichenkontrolle nicht die präventive Zweckrichtung, da Ausschreibungen häufig sowohl repressiven wie präventiven Zwecken dienten. Der Ausschreibungsgrund bestimme jedoch nicht den Zugriffszweck. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien ausreichend bestimmt, insbesondere durch den Verweis auf die Voraussetzungen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Aufgrund der Konkretisierung des Begriffs des Fahndungsbestands mittels der Auflistung der Ausschreibungsgründe in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG sei auch der zum Abgleich eröffnete Datenbestand hinreichend konkretisiert. Gleiches gelte für die Verwendungsregelungen in Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

27

Die Regelungen seien insgesamt verhältnismäßig. Sie dienten dem präventiven Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG näher ausdifferenziert und spezifiziert werde. Hierzu sei die Kennzeichenkontrolle geeignet und erforderlich. Sie sei auch angemessen. Der Grundrechtseingriff in Trefferfällen erfolge treffgenau und sei nur von geringer Intensität, wohingegen den verfolgten Zwecken ein hohes verfassungsrechtliches Gewicht zukomme. Auf allen Ebenen der Datenverarbeitung (Kennzeichenerfassung, Kennzeichenabgleich, Verwendung in Trefferfällen) enthielten die angegriffenen Regelungen dem Zweck der Maßnahme angepasste Begrenzungen. Die Bindung der Kennzeichenerfassung an die Voraussetzungen der Identitätsfeststellung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG sei sachgerecht, da die Kennzeichenkontrolle ein Hilfsmittel zur Ermittlung der Identität sei. Ferner finde eine Begrenzung durch das Erfordernis entsprechender Lageerkenntnisse und das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 4 BayPAG statt.

28

Die zum Abgleich herangezogenen Datenbestände würden, soweit dies technisch möglich sei, auf den jeweiligen Einsatzzweck zugeschnitten aus den Fahndungsbeständen erstellt und in einer separaten, für den Einsatzzweck erstellten Abgleichdatei gespeichert. Art. 38 Abs. 3 BayPAG regele in abgestufter Weise die Verwendung in Nichtreffer-, unechten Treffer- und Trefferfällen. In Trefferfällen erfolge eine Verwendung der Daten nur nach einer Erforderlichkeitsprüfung. Zur Erstellung von Bewegungsbildern dürften die Daten nur in speziell geregelten Fällen verwendet werden. Eine nachträgliche Benachrichtigung der von einer Kennzeichenkontrolle Betroffenen sei bei Nichttreffern und unechten Treffern mangels eines Grundrechtseingriffs nicht erforderlich und würde aufgrund der zwingend vorzunehmenden Datenspeicherung für die Benachrichtigung erst - kontraproduktiv - zu einem Grundrechtseingriff führen. In Trefferfällen würden Betroffene zumeist durch sich anschließende polizeiliche Maßnahmen informiert. Zudem bestehe der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 48 BayPAG.

B.

29

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

30

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer zulässigerweise gegen die klageabweisenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, letztinstanzlich des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sein Unterlassungsbegehren gegenüber ihn möglicherweise erfassenden Kennzeichenkontrollen abgewiesen wurde. Mittelbar wendet er sich dabei gegen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie gegen Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

31

Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er macht geltend, durch automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen, denen er als Verkehrsteilnehmer in Bayern ausgesetzt sei, und durch die ihm hiergegen Rechtsschutz verweigernden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Die Frage, ob eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer tatsächlich einen Grundrechtseingriff begründet, ist wesentlicher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und wurde von den Fachgerichten nicht einheitlich beurteilt. Insoweit ist eine Grundrechtsverletzung jedenfalls möglich.

II.

32

Für die Verfassungsbeschwerde ist durch die Änderung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes zum 25. Mai 2018 nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Durch diese Änderung wurde der Regelungsgehalt der angegriffenen Vorschriften nicht verändert. Die Vorschriften wurden lediglich zusammengeführt, an eine andere Stelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes verschoben und redaktionell geringfügig neu gefasst. Da der Beschwerdeführer auch hinsichtlich der nunmehr geltenden Gesetzeslage nicht mit einem Erfolg seines Begehrens im fachgerichtlichen Verfahren rechnen kann, ist sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen (vgl. BVerfGE 56, 363 <379>).

33

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Vorschriften in ihrer alten Fassung, die Grundlage und Prüfungsgegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 waren. Soweit die Befugnisse zur Kennzeichenkontrolle im Rahmen der genannten Gesetzesänderung - wie durch Gesetzesänderungen des Art. 13 Abs. 1 BayPAG zuvor - erweitert wurden, sind diese Änderungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die im Folgenden zugrunde gelegte und zitierte Fassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes bezieht sich dementsprechend auf dessen Stand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

C.

34

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die von ihm mittelbar angegriffenen Vorschriften greifen in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein und genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen zum Teil nicht.

I.

35

In der Durchführung einer Kennzeichenkontrolle zur gezielten Suche nach bestimmten Personen oder Sachen liegt gegenüber dem Beschwerdeführer ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

36

1. Die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle berührt den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

37

a) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben. Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Gefährdung des Persönlichkeitsrechts beginnen. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen. Dadurch können weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können. Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfGE 120, 378 <397 f.> m.w.N.; stRspr).

38

Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfGE 120, 378 <398 f.> m.w.N.; stRspr).

39

Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (vgl. BVerfGE 120, 378 <399>).

40

b) Danach fällt die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Mit ihr werden einzelne, jeweils einem Fahrzeug und über dieses dem jeweiligen Halter zuordenbare Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung mit weiteren Daten abgeglichen. Insoweit handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Kennzeichen sind den jeweiligen Haltern individuell zugeordnet. Mit ihnen lassen sich deren Name, Anschrift sowie weitere Informationen ermitteln. Dass die Kennzeichen öffentlich sichtbar sind, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass sie selbst den Namen des Fahrzeughalters nicht anzeigen. Maßgeblich ist allein, dass sich das Kennzeichen eindeutig einer bestimmten Person zuordnen lässt und damit personenbezogene Informationen vermitteln kann (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>; 118, 168 <184 ff.>; 120, 378 <400 f.>; 128, 1 <42 ff.>; 130, 151 <184>). Die Kennzeichenkontrolle erfasst Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs; diese Informationen können mittels einer Halterabfrage einer bestimmten Person zugeordnet werden.

41

2. Eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer greift in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

42

a) Vorschriften, die zum Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden ermächtigen, begründen in der Regel verschiedene, aufeinander aufbauende Eingriffe. Insbesondere ist insoweit zwischen der Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten zu unterscheiden (BVerfGE 130, 151 <184> m.w.N.; stRspr). Soweit dabei zu einem Datenabgleich ermächtigt wird, bilden die Erfassung und der Abgleich der Daten grundsätzlich je eigene Grundrechtseingriffe.

43

Ein Eingriff liegt insoweit grundsätzlich zunächst in der Erfassung personenbezogener Daten. Sie macht die Daten für die Behörden verfügbar und bildet die Basis für einen nachfolgenden Abgleich mit Suchbegriffen. An der Eingriffsqualität fehlt es lediglich, sofern Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden ausgesondert werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <366>; 115, 320 <343>). Demgegenüber kann auch dann, wenn die Erfassung eines größeren Datenbestands letztlich nur Mittel zum Zweck für eine weitere Verkleinerung der Treffermenge bildet, in der Datenerhebung als solcher bereits ein Eingriff liegen. Maßgeblich ist, ob sich bei einer Gesamtbetrachtung mit Blick auf den durch den Überwachungs- und Verwendungszweck bestimmten Zusammenhang das behördliche Interesse an den betroffenen Daten bereits derart verdichtet hat, dass ein Betroffensein in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität zu bejahen ist (vgl. BVerfGE 115, 320 <343>; 120, 378 <398>).

44

Ein weiterer Eingriff liegt in dem Abgleich der Daten sowie in der folgenden Verwendung der gefilterten Daten.

45

b) Die Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG begründet danach gegenüber dem Beschwerdeführer Grundrechtseingriffe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich als Ergebnis seiner Kontrolle ein Trefferfall ergibt oder nicht. Auch soweit die Kontrolle hinsichtlich des Beschwerdeführers zu einem Nichttreffer führt, liegen in der Erfassung und dem Abgleich seines Kraftfahrzeugkennzeichens Eingriffe in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit dem die Entscheidung des Senats vom 11. März 2008 (BVerfGE 120, 378) entgegensteht, wird daran nicht festgehalten.

46

aa) Eine automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG besteht aus zwei Schritten der Datenverarbeitung, nämlich der Kennzeichenerfassung nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG sowie dem Kennzeichenabgleich nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG. Beide sind unmittelbar aufeinander bezogen: Die Kennzeichenerfassung dient unmittelbar dem Abgleich mit den in der Vorschrift genannten Fahndungsbeständen; in der Verbindung beider sollen Informationen herausgefiltert werden, die für die weitere Aufgabenwahrnehmung der Polizei von Bedeutung sind.

47

bb) Die Erfassung der Kennzeichen und der sich anschließende Abgleich stellen sich in diesem Zusammenhang als Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen dar, deren Kennzeichen in die Kontrolle einbezogen werden.

48

(1) Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Grundrechtseingriff in der Regel nicht anzunehmen ist, wenn personenbezogene Daten Dritter im Rahmen von elektronischen Datenverarbeitungsprozessen nur zufällig am Rande miterfasst werden und unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden gelöscht werden. Wie maßstäblich ausgeführt, ist daran festzuhalten, dass ein Grundrechtseingriff insoweit nur anzunehmen ist, wenn sich das behördliche Interesse an den betroffenen Daten spezifisch verdichtet hat (oben Rn. 43).

49

(2) Unter den Bedingungen der modernen Informationstechnik, die den Abgleich von Kennziffern oder persönlichen Merkmalen mit großen Datenmengen in kürzester Zeit erlauben, ist bei Kontrollvorgängen wie vorliegend der Kennzeichenkontrolle eine solche Verdichtung gegeben. Wenn gezielt mittels Datenabgleich Personen im öffentlichen Raum daraufhin überprüft werden, ob sie oder die von ihnen mitgeführten Sachen polizeilich gesucht werden, besteht an deren Daten auch dann ein verdichtetes behördliches Interesse, wenn diese Daten im Anschluss an die Überprüfung unmittelbar wieder gelöscht werden.

50

Maßgeblich ist hierfür, dass Erfassung und Abgleich der Daten einen Kontrollvorgang begründen, der sich bewusst auf alle in die Kennzeichenkontrolle einbezogenen Personen erstreckt und erstrecken soll. Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gibt ihr als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn. In der ex ante-Perspektive der Behörde, die für die Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle maßgeblich ist, besteht ein spezifisch verdichtetes Interesse daran, die Kennzeichen aller an der Kennzeichenerfassungsanlage vorbeifahrenden oder sonst in die Kontrolle einbezogenen Fahrzeuge zu erfassen, weil es gerade um deren Kontrolle selbst geht. Zu diesem Zweck werden die Daten gezielt erhoben und kommt es auch auf deren Zuordenbarkeit zu den jeweiligen Personen an. Dass deren Auswertung automatisiert erfolgt, stellt dies nicht in Frage; vielmehr werden damit die Kontrollmöglichkeiten der Polizei wesentlich erweitert.

51

Dem steht auch nicht entgegen, dass den Betroffenen im Nichttrefferfall wegen der sofortigen Löschung aller Daten weder Unannehmlichkeiten noch Konsequenzen erwachsen. Denn das ändert nichts daran, dass sie durch die Kennzeichenkontrolle einer staatlichen Maßnahme unterzogen werden, mit der sich ihnen gegenüber ein spezifisches Fahndungsinteresse zur Geltung bringt. Mit ihr werden die Betroffenen daraufhin überprüft, ob sie oder die von ihnen mitgeführten Sachen behördlich gesucht werden. Zugleich wird ihre ungehinderte Weiterfahrt unter den Vorbehalt gestellt, dass Erkenntnisse gegen sie nicht vorliegen. Eine solche Maßnahme ist nicht erst hinsichtlich ihrer Folgen, sondern als solche freiheitsbeeinträchtigend. Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein (vgl. BVerfGE 107, 299 <328>; 115, 320 <354 f.>; 120, 378 <402>; 122, 342 <370 f.>; 125, 260 <335>). Jederzeit an jeder Stelle unbemerkt registriert und darauf überprüft werden zu können, ob man auf irgendeiner Fahndungsliste steht oder sonst in einem Datenbestand erfasst ist, wäre damit unvereinbar. Vielmehr bedürfen solche Maßnahmen vor der Freiheit des Einzelnen eines spezifischen Grundes und sind als Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigungsbedürftig.

52

(3) Indem sich die Kennzeichenkontrolle mit den Kraftfahrzeugkennzeichen auf personenbezogene Daten erstreckt, unterscheidet sie sich von Kontrollen, die gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ohne Erfassung personenbezogener Daten durchgeführt werden und erst im Fall eines Treffers Daten zu einzelnen Personen erfassen. Dies ist etwa bei Geschwindigkeits- oder Rotlichtkontrollen im Straßenverkehr der Fall. Dort wird das Fahrverhalten zunächst ohne Erfassen des Kennzeichens und damit unabhängig von einer persönlichen Zuordenbarkeit der Kraftfahrzeuge kontrolliert. Personenbezogene Daten werden erst dann erhoben, wenn eine Übertretung gemessen und hierdurch ausgelöst ein Lichtbild erstellt wird. Dass dort ein Grundrechtseingriff nur im Trefferfall anzunehmen ist, lässt sich auf die Kennzeichenkontrolle nicht übertragen. Im Übrigen lassen sich Verkehrskontrollen auch deshalb nicht mit Kennzeichenkontrollen vergleichen, weil sie an risikobehaftetes Tun anknüpfen und damit materiell in anderem Umfang gerechtfertigt sind (unten Rn. 94).

53

(4) Wie andere Überwachungsmaßnahmen auch ist die Kennzeichenkontrolle einheitlich und unabhängig davon zu beurteilen, zu welchem Ergebnis sie im Einzelfall führt. Dass die Kontrolle nicht an höchstpersönliche Merkmale wie etwa das Gesicht anknüpft, sondern an öffentliche Kennzeichen, die nur mittelbar auf einige begrenzte Halterdaten hinweisen, und dass nachteilige Folgen für diejenigen, für die kein Treffer angezeigt wird, ausgeschlossen werden können, ist bei der materiellen Gewichtung des Eingriffs im Rahmen einer Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen - ebenso wie umgekehrt die Streuweite der Kontrollmaßnahme, ihre Heimlichkeit sowie Art und Bedeutung der in den Abgleich einbezogenen Datenbestände (unten Rn. 97 f.).

II.

54

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG sind in formeller Hinsicht überwiegend mit der Verfassung vereinbar. Allerdings fehlt es dem Freistaat Bayern an der Gesetzgebungskompetenz, soweit er durch Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze erlaubt und damit Fragen des Grenzschutzes regelt. Im Übrigen steht dem Freistaat Bayern die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen zu.

55

1. Soweit Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze geregelt werden, verstößt Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG gegen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Grenzschutz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG.

56

a) Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG eröffnet Kennzeichenkontrollen - neben anderen Tatbestandsvarianten - zu den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG genannten Zwecken. Ein Einsatzfeld, für das die Kennzeichenkontrollen danach bereitgestellt werden, ist die Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze. Eine solche Befugnis unmittelbar zum Schutz der Bundesgrenze ist jedoch eine Regelung des Grenzschutzes (vgl. BVerfGE 97, 198 <214 und 218>). Hierfür liegt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz beim Bund. Der Freistaat Bayern kann dies nur regeln, wenn und soweit er hierzu nach Art. 71 GG in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt wird.

57

Eine solche Ermächtigung besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 2 Abs. 4 Bundespolizeigesetz (BPolG). Nach dieser Vorschrift richtet sich in Fällen, in denen die Polizei eines Landes im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt, die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht. Hierin liegt schon vom Wortlaut her keine Ermächtigung zur Gesetzgebung, sondern nur eine Entscheidung dazu, welches Recht anwendbar ist, und insoweit der Verweis auf das allgemein geltende Landesrecht. Dass in Abweichung von Art. 73 Abs. 1 GG den Ländern Gesetzgebungsbefugnisse eingeräumt werden sollen, ist aus der Vorschrift nicht ersichtlich - schon der Sache nach nicht, und jedenfalls nicht ausdrücklich, wie Art. 71 GG verlangt. Das bestätigt auch die Gesetzgebungsgeschichte. Danach hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass nach § 2 Abs. 1 und 3 BPolG bestimmte Aufgaben des Grenzschutzes auf Länder übertragen werden, keine Notwendigkeit dafür gesehen, dass die Landespolizei bei der Durchführung der übertragenen Grenzschutzaufgaben das spezifische Grenzschutzrecht des Bundes anwendet. Vielmehr hat er hierfür eine Verweisung auf das auch sonst für die Wahrnehmung allgemeinpolizeilicher Aufgaben geltende Landesrecht als ausreichend erachtet (vgl. Deutscher Bundestag, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses vom 20. Juni 1972, zu BTDrucks VI/3569, S. 5). Somit bestanden aus Sicht des Bundesgesetzgebers kein Anlass und keine Notwendigkeit, die Länder zur Schaffung von spezifischem Grenzschutzrecht zu ermächtigen.

58

b) Keinen kompetenzrechtlichen Bedenken unterliegt im Hinblick auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG hingegen, dass durch Verweis auf die weiteren in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG genannten Zwecke eine Befugnis zu Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität eingeräumt wird. Dass mit solchen Kontrollen Zwecke verfolgt werden, die einen Grenzbezug haben, macht sie nicht ohne weiteres zur Regelung des Grenzschutzes im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Vielmehr handelt es sich um Regelungen zur Gefahrenabwehr, die zwar an die Offenheit der Grenzen und damit einhergehende Gefahren anknüpfen, jedoch nicht unmittelbar dem Schutz der Bundesgrenze dienen. Dies gilt insbesondere auch für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Denn hierunter sind nicht Verstöße speziell gegen Strafvorschriften zum Schutz der Grenze selbst zu verstehen, sondern allgemein Straftaten, die die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Grenzsituation oder Grenznähe, insbesondere die Erschwerungen grenzüberschreitender Fahndung und Strafverfolgung, ausnutzen (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 187 f.).

59

2. Im Übrigen bestehen gegen die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern keine Bedenken. Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Eine die Landeszuständigkeit ausschließende Bundeskompetenz besteht hinsichtlich der weiteren angegriffenen Vorschriften nicht.

60

a) Der Kompetenz der Länder, Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen und Sachen gesetzlich zu regeln, steht nicht die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Straßenverkehrs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG entgegen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG betrifft das Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht und dient allein dem Zweck, die spezifischen Gefahren, Behinderungen und Belästigungen auszuschalten oder wenigstens zu mindern, die mit der Straßennutzung unter den Bedingungen des modernen Verkehrs verbunden sind (vgl. BVerfGE 40, 371 <380>). Darum geht es bei der Kennzeichenkontrolle gemäß Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG nicht. Das Straßenverkehrsgesetz und insbesondere auch die bundesrechtliche Regelung der Straßenverkehrskontrollen in § 36 Abs. 5 StVO stellen folglich die Kompetenz des Freistaates Bayern zum Erlass dieser Vorschrift nicht in Frage.

61

b) Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ("gerichtliches Verfahren") und die auf dieser Grundlage erlassenen Bundesvorschriften zum Strafverfahrensrecht stehen der Gesetzgebungskompetenz gleichfalls nicht entgegen. Eine Sperrwirkung dieser Vorschriften käme nur in Betracht, wenn die angegriffenen Vorschriften als Regelungen des strafgerichtlichen Verfahrens zu beurteilen wären. Das ist nicht der Fall.

62

Maßgeblich für die kompetenzrechtliche Zuordnung der Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und des Art. 38 Abs. 3 BayPAG ist eine Abgrenzung zwischen der dem Bund zugewiesenen Materie der Strafverfolgung und der den Ländern grundsätzlich belassenen Materie der Gefahrenabwehr, für die maßgeblich auf den Zweck der Regelungen abzustellen ist (aa). Danach unterfallen diese nicht der Strafverfolgung, sondern der Gefahrenabwehr (bb).

63

aa) Regelungen zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr liegen oft nahe zusammen und überschneiden sich in ihren Wirkungen. Abzugrenzen sind sie nach dem sich aus der Norm ergebenden Zweck.

64

(1) Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weist dem Bund unter dem Gesichtspunkt des "gerichtlichen Verfahrens" die Kompetenz zur Regelung des Strafverfahrens zu. Dieser hat hiervon insbesondere mit der Strafprozessordnung Gebrauch gemacht. Soweit sich Vorschriften als Regelungen des Strafverfahrens darstellen, kommt eine Kompetenz der Länder nur insoweit in Betracht, als die Regelungen des Bundes hierfür nicht abschließend sind.

65

Demgegenüber liegt die Gesetzgebungskompetenz für die hiermit eng verbundene Materie der Gefahrenabwehr grundsätzlich bei den Ländern. Diesbezüglich können die Länder eigenständig Regelungen treffen. Wie weit dies reicht, bestimmt sich wiederum negativ in Abgrenzung zu den dem Bund zugewiesenen Kompetenzen, vorliegend in Abgrenzung zu der Kompetenz für das Strafverfahren.

66

(2) Ob eine Vorschrift die Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr regelt, richtet sich nach deren Zielsetzung, wie sie sich in objektivierter Sicht aus ihrer Ausgestaltung ergibt.

67

(a) Die Kompetenzmaterie "gerichtliches Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG ist weit zu verstehen. Sie reicht von der Einleitung des Verfahrens bis zur Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung. Umfasst ist das eigentliche gerichtliche und das vorgelagerte behördliche Verfahren, sofern es - wie vom Grundsatz her das in der Strafprozessordnung geregelte polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - mit dem gerichtlichen Verfahren in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang steht (vgl. BVerfGE 30, 1 <29>). Die Kompetenz erstreckt sich auf das Strafverfahrensrecht als das Recht der Aufklärung und Aburteilung von Straftaten, die in der Vergangenheit begangen wurden; hierzu gehören die Ermittlung und Verfolgung von Straftätern einschließlich der Fahndung nach ihnen. Gegenstand der Regelungen ist die repressive Polizeitätigkeit, also diejenige, welche in Reaktion auf den Verdacht der Beteiligung einer Person an einer geschehenen oder unmittelbar bevorstehenden strafbaren Handlung vorgenommen wird (vgl. LVerfG MV, Urteil vom 21. Oktober 1999 - 2/98 -, juris, Rn. 57).

68

Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG fällt auch die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge (vgl. BVerfGE 103, 21 <30>; 113, 348 <370 f.>). Hierzu werden Maßnahmen gerechnet, welche die Ahndung von Straftaten ermöglichen oder erleichtern sollen, die erst in Zukunft erwartet werden. Sie knüpfen nicht an eine bereits begangene Straftat oder einen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO an, sondern zielen auf die Verfolgung noch nicht begangener, sondern in ungewisser Zukunft möglicherweise bevorstehender Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge geschieht mithin in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren (vgl. BVerfGE 113, 348 <370>).

69

(b) Demgegenüber richtet sich die Gefahrenabwehr auf die Beseitigung und Verhinderung von Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Sie ist nicht repressiv-personenbezogen auf die Verfolgung von Straftätern ausgerichtet, sondern präventiv-objektiv unmittelbar auf den Schutz der Integrität der Rechtsordnung und der durch sie geschützten Rechtsgüter. Hierzu gehört auch die Verhinderung von Straftaten (vgl. BVerfGE 100, 313 <394>).

70

Kompetenzrechtlich den Ländern zugewiesen sind auch Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Bei dieser wird der Staat bereits im Vorfeld konkreter Gefahren aktiv, die zwar zum Zeitpunkt des Handelns noch nicht konkret drohen, aber später entstehen können. Durch das polizeiliche Handeln soll entweder das spätere Entstehen einer Gefahr verhindert oder zumindest deren wirksame Bekämpfung ermöglicht werden (so BVerwGE 141, 329 <335 Rn. 29>). Zur Gefahrenvorsorge gehört als Unterfall auch die Verhütung von Straftaten, die noch nicht konkret drohen, die sogenannte Straftatenverhütung. Sie umfasst Maßnahmen, die in einen antizipierten Geschehensablauf eingreifen oder die Entstehungsbedingungen bestimmter Faktoren oder Ursachenketten beeinflussen sollen, sodass sich der Eintritt der Gefahr einer Straftat bereits im Vorfeld verhüten lässt. Wie weit der Gesetzgeber Maßnahmen in dieser Weise in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzungen verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (vgl. BVerfGE 113, 348 <368>).

71

(3) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung liegen oft nahe beieinander. Die Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern können sich insoweit überschneiden.

72

Die repressive Verfolgung von Straftätern dient zwangsläufig auch präventiv dem Schutz der Sicherheit, ebenso wie umgekehrt präventive Maßnahmen zum Schutz der Rechtsordnung und damit zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger die Ergreifung von Straftätern und anschließende repressive Maßnahmen befördern können. Insoweit gehen die Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern Hand in Hand und sind in ihren Wirkungen miteinander eng verwoben. Dabei ist auch möglich, dass Regelungen doppelfunktional ausgerichtet sind und sowohl der Strafverfolgung als auch der Gefahrenabwehr - und entsprechend sowohl der Strafverfolgungsvorsorge als auch der Gefahrenvorsorge - dienen. Für die Abgrenzung maßgeblich ist hier zunächst der Schwerpunkt des verfolgten Zweckes. Bei doppelfunktionalen Maßnahmen, bei denen sich ein eindeutiger Schwerpunkt weder im präventiven noch im repressiven Bereich ausmachen lässt, steht dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum für die Zuordnung zu und können entsprechende Befugnisse unter Umständen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geregelt werden.

73

Der Landesgesetzgeber ist folglich nicht an dem Erlass einer der Gefahrenabwehr dienenden Regelung gehindert, weil diese ihren tatsächlichen Wirkungen nach auch Interessen der Strafverfolgung dient und damit Regelungsbereiche des Bundes berührt. Maßnahmen können vielmehr auch als Landespolizeirecht zulässig sein, wenn sie präventiv und repressiv zugleich wirken. Ein solches Verständnis der Länderkompetenzen im Polizeirecht folgt aus der Entscheidung der Verfassung, die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr trotz ihrer inhaltlichen Nähe kompetenziell unterschiedlich zu behandeln. Wenn danach ähnliche oder auch gleiche Maßnahmen aus verschiedenen, aber sachlich eng zusammenliegenden Gesichtspunkten einerseits vom Bund und andererseits von den Ländern geregelt werden können, kann und muss eine sachliche Überschneidung der Regelungen nicht völlig ausgeschlossen sein. Genauso wie der Bund Maßnahmen zur Strafverfolgung regeln darf, die sich ihrer Wirkung nach zugleich förderlich für die Gefahrenabwehr auswirken, dürfen die Länder Regelungen zur Gefahrenabwehr treffen, die sich zugleich förderlich für die Strafverfolgung auswirken.

74

(4) Das stellt nicht in Frage, dass die Kompetenzen sorgfältig zu unterscheiden sind und die Ausgestaltung der Regelungen strikt von der Zwecksetzung her bestimmt sein muss, für die jeweils die Kompetenz besteht. Für die Beurteilung, ob eine Norm eine verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage hat, kommt es auf eine genaue Bestimmung der ihr bei objektivierter Sicht unterliegenden Zweckrichtung an. Die Schaffung oder selbständige Erweiterung von Eingriffsbefugnissen zur Verfolgung von Zwecken, die durch die jeweilige Kompetenz nicht gedeckt sind, kann durch die inhaltliche Nähe der Regelungsbereiche nicht gerechtfertigt werden.

75

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Normen um Regelungen der Gefahrenabwehr.

76

(1) Die Zweckrichtung der Kennzeichenkontrolle ergibt sich aus dem Verweis des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Danach wird die Kennzeichenerfassung als erster und grundlegender Schritt der Kennzeichenkontrolle nur für die Fälle erlaubt, in denen auch eine Identitätsfeststellung zulässig ist. Mit dem Verweis auf die Identitätsfeststellung wird zugleich auf deren Zwecke verwiesen. Diese haben aber zumindest in ihrem Schwerpunkt alle eine präventive Zielrichtung, nämlich die Unterstützung der Polizei bei ihren Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Polizeigesetz. Genauer sind dies für die Kennzeichenerfassung die Abwehr von bestimmten Gefahren im Einzelfall, die Bekämpfung der Herausbildung und Verfestigung gefährlicher Orte, der Schutz von gefährdeten Orten, die Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen zur Verhinderung schwerer Straftaten oder zum Schutz von Versammlungen sowie die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität oder die Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts mittels der Schleierfahndung. Dass einige dieser Zwecke - wie insbesondere die Kennzeichenkontrolle an gefährlichen Orten oder im Rahmen der Schleierfahndung - bei objektivierter Betrachtung im Ergebnis zugleich die Strafverfolgung befördern, ist nach den oben entwickelten Maßstäben unschädlich.

77

(2) Auf diese präventiven Zwecke ausgerichtet ist auch der sich anschließende Datenabgleich mit den in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG genannten Datenbeständen. Er dient dazu, durch das Auffinden der gesuchten Personen die Erreichung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ergebenden Zwecke zu unterstützen. Dass der Gesetzgeber dabei auch Datenbestände einbezogen hat, die auf strafrechtlichen Ausschreibungen beruhen, ändert nichts daran, dass der diesbezügliche Abgleich den zuvor genannten präventiven Zwecken dient.

78

Anders wäre dies zu beurteilen, wenn die angegriffenen Vorschriften dahingehend verstanden werden müssten, dass mit der Kennzeichenkontrolle neben den sich aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ergebenden Zwecken zugleich eigens und hiervon unabhängig allgemein die Fahndung nach allen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG ausgeschriebenen Personen erstrebt und erlaubt werde. Das Ziel des Aufgreifens strafrechtlich ausgeschriebener Personen (vgl. Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe b BayPAG) gehört zur Strafverfolgung und berechtigt den Landesgesetzgeber jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nicht dazu, hierfür eigene Befugnisse zu schaffen.

79

In diesem Sinne muss und darf die Vorschrift jedoch schon aus materiellen Gründen nicht verstanden werden. Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG erlaubt einen Abgleich nur für die jeweils die Kennzeichenerfassung rechtfertigenden präventiven Zwecke im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG und ist dahin auszulegen, dass jeweils nur solche Datenbestände in den Abgleich einbezogen werden dürfen, die potentiell hierfür geeignet, erforderlich und angemessen sind (unten Rn. 107 ff.). In diesem Verständnis aber handelt es sich um Vorschriften des Gefahrenabwehrrechts. Dass bei deren Anwendung dann als faktische Nebenwirkung auch anderweitig und insbesondere strafrechtlich gesuchte Personen identifiziert werden können, stellt die Zuordnung der Vorschrift zum Gefahrenabwehrrecht nicht in Frage.

80

(3) Kompetenzwidrig ist auch nicht, dass der Gesetzgeber nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG eine Verwendung solch zufällig angefallener Erkenntnisse im Wege der Zweckänderung unabhängig von den Zwecken des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG für die Zwecke öffnet, die den Ausschreibungen zur Fahndung unterliegen. Denn hierin liegt - nach dem Bild der Doppeltür (vgl. BVerfGE 130, 151 <184>; 141, 220 <333 f. Rn. 305>) - lediglich die Öffnung der ersten Tür für die weitere Datennutzung, nicht aber schon die abschließende Ermächtigung zu einer weiteren Nutzung. Für sie ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus dem Sachzusammenhang der Regelungsbefugnis für die präventive Kennzeichenkontrolle und der sich hieraus ergebenden Verantwortung für die datenschutzrechtlichen Anforderungen in Blick auf den weiteren Umgang mit den hierbei gewonnenen Daten (vgl. BVerfGE 125, 260 <314 f.>; 130, 151 <184 und 185 f.>). Die Öffnung der zweiten Tür und damit die letztlich maßgebliche Entscheidung über die nähere Nutzung dieser Erkenntnisse zu weiteren Zwecken bedarf eigener Vorschriften nach Maßgabe der hierfür geltenden Kompetenzen (vgl. BVerfGE 113, 348 <368>; 125, 260 <314 f.>; 130, 151 <185 f.>; 141, 220 <333 f. Rn. 305>). Soweit es um die Nutzung der Erkenntnisse zur Strafverfolgung geht, ist hierfür der Bund zuständig. Entsprechend verweist Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG diesbezüglich auf die Vorschriften der Strafprozessordnung, die selbst nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

III.

81

Die angegriffenen Vorschriften sind bei verfassungskonformer Auslegung auch materiell weithin, aber nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar.

82

Als Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind Ermächtigungen zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Sie müssen danach einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (vgl. BVerfGE 67, 157 <173>; 120, 378 <427>; 141, 220 <265 Rn. 93>; stRspr). Dabei müssen sie insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung zugleich den Grundsätzen der Normenklarheit und Bestimmtheit genügen (vgl. BVerfGE 113, 348 <375 ff.>; 120, 378 <407 f.>; 141, 220 <265 Rn. 94>; stRspr). Diesen Anforderungen genügen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 38 Abs. 3 BayPAG teilweise nicht.

83

1. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 38 Abs. 3 BayPAG dienen legitimen Zwecken.

84

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG eröffnet Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen in Anknüpfung an Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Der Gesetzgeber bestimmt damit die Zwecke der Kontrollen. Sie sollen der Abwehr von Gefahren im Einzelfall, der Eindämmung von Orten, die Rückzugs- und Ausgangspunkt für Kriminalität und Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht sind, und dem Schutz von gefährdeten Orten mit Bedeutung für das Gemeinwesen dienen. Weiter dienen sie - in Unterstützung polizeilicher Kontrollstellen - dem Schutz vor schweren Straftaten und der friedlichen Durchführung von Versammlungen sowie dem Schutz vor grenzüberschreitender Kriminalität oder der Verhinderung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht mittels der Schleierfahndung. Der Gesetzgeber verfolgt hiermit legitime Zwecke. Dies gilt auch für Art. 38 Abs. 3 BayPAG, der neben der zweckbezogenen Nutzung der Informationen eine Öffnung für deren Nutzung zu weiteren Zwecken nach Maßgabe weiterer Vorschriften regelt.

85

2. Die Ermächtigung zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen ist zur Erreichung dieser Zwecke grundsätzlich geeignet.

86

Automatisierte Kennzeichenkontrollen, wie sie durch Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG ermöglicht werden, tragen zu diesen Zwecken bei, indem sie zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen identifizieren. Da sie damit helfen, Personen oder Sachen zu finden, deren Aufgreifen zur Erreichung der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG genannten Zwecke beitragen kann, sind solche Kontrollen hierzu grundsätzlich geeignet. Dass der Abgleich unmittelbar allein Kraftfahrzeugkennzeichen zum Gegenstand hat, damit Trefferfälle nur mittelbar den Fahrzeughalter identifizieren und auch dieser nicht zwangsläufig die gesuchte Person selbst ist, ändert hieran nichts. Denn die Wahrscheinlichkeit, auf diesem Weg auch die zur Erreichung des jeweiligen Zwecks der Kontrolle gesuchten Personen oder Sachen zu finden, wird damit jedenfalls erhöht. Dies genügt, um eine Maßnahme für geeignet zu halten, einen legitimen Zweck zu erreichen (vgl. BVerfGE 67, 157 <175>; 125, 260 <317 f.>; 141, 220 <266 Rn. 97>; stRspr).

87

Die Anforderungen der Geeignetheit müssen freilich auch bei der Ausgestaltung der Kennzeichenkontrolle hinsichtlich der jeweiligen Zwecke im einzelnen beachtet werden. Sie betreffen hierbei insbesondere auch das Verhältnis dieser Zwecke zu den bei dem Abgleich zu berücksichtigenden Fahndungsbeständen (unten Rn. 107 ff.).

88

3. Für die Erreichung dieser Zwecke sind automatisierte Kennzeichenkontrollen auch erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Maßnahmen mit geringerem Eingriffsgewicht diesen Zweck vergleichbar effektiv erreichen.

89

4. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne sind automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nur vereinbar, wenn die Ermächtigung zu den Kontrollen hinreichend begrenzt ist und übergreifende Anforderungen an Kontrolle und Datennutzung beachtet sind (a). Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Vorschriften nicht vollständig (b).

90

a) Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne als Übermaßverbot genügen die Kennzeichenkontrollen nur, wenn der mit ihnen verfolgte Zweck zu dem in ihnen liegenden Eingriffsgewicht nicht außer Verhältnis steht. Erforderlich ist danach, dass die Kontrollen grundsätzlich jeweils durch einen hinreichend konkreten, objektiv bestimmten Grund veranlasst sind (aa) und dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen (bb). Dabei muss sich die gesetzliche Ausgestaltung der Kennzeichenkontrolle in einer Gesamtabwägung der sie kennzeichnenden Umstände als im Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zumutbar und damit verfassungsrechtlich tragfähig erweisen (cc). Im Übrigen gehören zu den Verhältnismäßigkeitsanforderungen übergreifend für alle Einzeltatbestände Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle sowie Regelungen zur Datennutzung und Löschung (dd).

91

aa) Polizeiliche Kontrollen zur gezielten Suche nach Personen oder Sachen im öffentlichen Raum, wie sie Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ermöglichen, setzen als Grundrechtseingriffe grundsätzlich einen objektiv bestimmten und begrenzten Anlass voraus. Der Gesetzgeber hat eine Eingriffsschwelle vorzugeben, durch die das staatliche Handeln an vorhersehbare und kontrollierbare Voraussetzungen gebunden wird (vgl. BVerfGE 141, 220 <271 ff. Rn. 109 ff.> m.w.N.).

92

(1) Allein das allgemeine Interesse, zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen zu identifizieren und aufzugreifen, reicht zur Rechtfertigung solcher Kontrollen noch nicht. Zwar ist ein auch für sich bestehendes legitimes staatliches Interesse anzuerkennen, solche Personen oder Sachen aufzufinden. Dies rechtfertigt jedoch nicht schon für sich die Durchführung beliebiger Kontrollen gegenüber jedermann. Auch wenn die Fahndungsausschreibung auf eigenen Rechtsgrundlagen beruht, besagt das nicht, dass zur Fahndung jede Maßnahme eingesetzt werden darf. Vielmehr bedürfen diese jeweils eines eigenen Anlasses. Die Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar.

93

(2) Verhältnismäßig ist eine Ermächtigung zu einer Kontrolle nur, wenn hierfür ein Anlass bestimmt ist, der das polizeiliche Handeln vorhersehbar und kontrollierbar macht. Insoweit kann der Gesetzgeber etwa auf das Bestehen einzelner Gefahren abstellen. Der Gesetzgeber kann aber auch unabhängig von einer konkreten Gefahr als rechtfertigende Anlässe schon Gefahrenlagen bestimmen, die nur typisiert umschrieben sind. Im Übrigen kann er Kontrollen etwa auch dann erlauben, wenn im Einzelfall oder typischerweise eine spezifisch gesteigerte Wahrscheinlichkeit besteht, gesuchte Personen oder Sachen aufzufinden; in diesem Sinne steht es ihm nach Maßgabe der Kompetenzordnung frei, auch ohne den Bezug auf weitere Zwecke unmittelbar dem öffentlichen Fahndungsinteresse Rechnung zu tragen. Es bedarf jedoch jeweils eines die konkrete Kontrolle rechtfertigenden Grundes, der auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruht und dem staatlichen Handeln nachprüfbare Grenzen setzt.

94

(3) Anlasslose Kontrollen sind damit nicht generell ausgeschlossen. Wenn polizeiliche Kontrollen an ein gefährliches oder risikobehaftetes Tun beziehungsweise an die Beherrschung besonderer Gefahrenquellen anknüpfen, kann schon darin ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügender Grund liegen. Die Rechtfertigung für Kontrollen kann dort bereits an der besonderen Verantwortung der Betroffenen gegenüber der Allgemeinheit anknüpfen und bedarf deshalb eines darüberhinausgehenden Anlasses grundsätzlich nicht. Für automatisierte Kennzeichenkontrollen kommt das etwa in Betracht, wenn mit ihnen Gefahren bekämpft werden, die sich gerade aus dem Betrieb der Kraftfahrzeuge ergeben, etwa die Durchsetzung der Versicherungspflicht durch Kontrollen zum Auffinden unversicherter Fahrzeuge. Die Lage ist insoweit nicht anders als bei zahlreichen anderen, hier nicht streitgegenständlichen Arten polizeilicher Kontrollmaßnahmen wie bei anlasslos stichprobenhaft durchgeführten Straßenverkehrskontrollen oder anlasslosen Kontrollen in weiten Bereichen etwa des Umwelt- oder Wirtschaftsverwaltungsrechts.

95

bb) Zu den Anforderungen des Übermaßverbots gehört es weiter, dass die Kennzeichenkontrollen durch einen im Verhältnis zum Grundrechtseingriff hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz gerechtfertigt sein müssen. Angesichts ihres Eingriffsgewichts müssen automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen danach dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen.

96

(1) Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen oder Sachen sind bei Gesamtsicht Eingriffe von erheblichem Gewicht.

97

Das Eingriffsgewicht mindernd ist einzustellen, dass die Kennzeichenkontrolle im öffentlichen Verkehrsraum stattfindet. Sowohl die Kraftfahrzeugkennzeichen als auch das erfasste Bewegungsverhalten sind ohne weiteres für alle erkennbar. Dabei bezieht sich die Kontrolle allein auf Kennzeichen, nicht aber unmittelbar auf persönliche Merkmale oder Eigenschaften einer Person; der Personenbezug lässt sich nur mittelbar herstellen. Insoweit aber dient das Kennzeichen seiner Zweckbestimmung nach gerade der Identifizierung (vgl. BVerfGE 120, 378 <404>). Bedeutsam ist dabei auch, dass nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG nur Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfasst werden, nicht aber die Personen oder die Kraftfahrzeuge. Zu berücksichtigen ist weiterhin insbesondere, dass die Kontrolle gegenüber der ganz überwiegenden Zahl der Betroffenen mit keinerlei unmittelbar beeinträchtigenden Folgen verbunden ist und keine Spuren hinterlässt. Dass der Datenabgleich in Sekundenschnelle durchgeführt wird und die erfassten Daten im Nichttrefferfall sofort vollständig wieder gelöscht werden, ohne einer Person bekannt zu werden, nimmt dem Eingriff erheblich an Gewicht.

98

Das Eingriffsgewicht erhöhend zeichnen sich solche Kontrollen dadurch aus, dass sie sich schon ihrem Prinzip nach nicht auf Personen beschränken, die objektiv in einer Gefahrenlage verfangen sind, sondern sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen erstrecken, die von vornherein hierzu keinerlei Anlass gegeben haben. Sie können praktisch jede und jeden treffen. Solche Informationserhebungen haben grundsätzlich eine erhöhte Eingriffsintensität. Weiter fällt belastend ins Gewicht, dass die Maßnahmen verdeckt durchgeführt werden. Gerade bei Ermittlungsmaßnahmen mit großer Streubreite wie hier der im öffentlichen Raum stattfindenden seriellen Kontrolle von Personen in großer Zahl zu Fahndungszwecken kann dadurch ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen. Dass die von der Kennzeichenkontrolle erfassten Personen dies außerhalb des Trefferfalls nicht bemerken, hebt das hierin liegende Eingriffsgewicht nicht auf. Denn dadurch entfällt zwar die Lästigkeit solcher Maßnahmen, nicht aber ihr Kontrollcharakter und die darin liegende Beeinträchtigung der individuellen Freiheit, die zugleich die Freiheitlichkeit der Gesellschaft insgesamt betrifft (vgl. BVerfGE 120, 378 <402 f.> m.w.N.).

99

(2) Dem erheblichen Eingriffsgewicht automatisierter Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen entspricht es, dass sie zu ihrer Rechtfertigung jeweils auf Gründe gestützt werden müssen, die dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen. Zu diesen Rechtsgütern zählen zunächst die besonders schutzwürdigen Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Person und der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 120, 274 <328>; 125, 260 <330>; 141, 220 <270 Rn. 108>). Darüber hinaus kommen aber auch Rechtsgüter in Betracht, die unterhalb dieser für besonders eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen geltenden Schwelle liegen wie etwa der Schutz von nicht unerheblichen Sachwerten. Der Gesetzgeber kann diese Schwelle im einzelnen näher konkretisieren und die Kennzeichenkontrolle etwa auch zur Verhinderung hinreichend gewichtiger Delikte zulassen, für deren Bekämpfung eine Kennzeichenkontrolle von besonderer Bedeutung ist, was gewichtige Ordnungswidrigkeiten einschließen kann. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es auf die Ausgestaltung der Ermächtigung insgesamt an. Insoweit bedarf es sowohl einer Würdigung der vom Gesetzgeber bestimmten Zwecke, die sich aus den Bestimmungen für die Kennzeichenerfassung ergeben, als auch des Umfangs und Inhalts der Fahndungsbestände, die der Gesetzgeber für den Datenabgleich vorsieht.

100

cc) Schließlich muss sich die Ausgestaltung solcher Kontrollen unter Berücksichtigung aller sie kennzeichnenden Umstände auch in einer Gesamtabwägung als verhältnismäßig erweisen. Dabei hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Anlässen andererseits, etwa durch Vorgaben zu Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis oder dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren (vgl. BVerfGE 120, 378 <429>). Daraus folgt auch, dass Maßnahmen nicht flächendeckend durchgeführt werden dürfen. Die Anforderungen an eine räumliche Konkretisierung des Anlasses von Kontrollen sind insoweit aber umso geringer, je schwerwiegender und dringlicher die abzuwehrende Gefahr im Einzelfall ist.Ohnehin ist die Verhältnismäßigkeit der Kontrollen nach allgemeinen Grundsätzen im Rahmen der Anwendung sicherzustellen.

101

dd) Im Übrigen folgen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung gewisse übergreifende Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 65, 1 <44 ff.>; 125, 260 <334 ff.>; 141, 220 <282 Rn. 134>; stRspr). Diese bemessen sich im Einzelnen nach dem Eingriffsgewicht der Kennzeichenkontrolle und reichen daher nicht so weit wie für heimliche Überwachungsmaßnahmen, die eine besonders hohe Eingriffsintensität haben. Verfassungsrechtlich geboten sind weiterhin tragfähige Regelungen zur Nutzung der Daten wie zur Datenlöschung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 133, 277 <366 Rn. 206>; 141, 220 <285 Rn. 144>; stRspr).

102

b) Die angegriffenen Vorschriften genügen den vorgenannten Anforderungen in der Ausgestaltung ihrer einzelnen Tatbestände nicht in jeder Hinsicht. Auch ist den übergreifenden Anforderungen nicht vollständig Genüge getan.

103

aa) In der ersten Variante sieht das Gesetz Kennzeichenkontrollen zur Abwehr einer Gefahr vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG). Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit nicht, als die Kontrollen nicht auf einen der Verhältnismäßigkeit genügenden Rechtsgüterschutz beschränkt werden. Im Übrigen ist die Vorschrift bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.

104

(1) Die uneingeschränkte Eröffnung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Geboten ist eine Beschränkung solcher Kontrollen auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht.

105

Der Gesetzgeber eröffnet durch Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG Kennzeichenkontrollen zur Abwehr einer Gefahr. Dies verlangt nach Art. 11 Abs. 1 BayPAG zunächst eine im einzelnen Fall bestehende und somit "konkrete Gefahr" (vgl. BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 119; allgemein zum Begriff der konkreten Gefahr vgl. BVerfGE 115, 320 <364>; 141, 220 <271 Rn. 111>; BVerwGE 116, 347 <351>). Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber stellt so auf die im Sicherheitsrecht übliche Eingriffsschwelle ab und bindet die Kontrollen an einen hinreichend konkreten Anlass (oben Rn. 91). Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die Frage, ob insoweit auch auf eine "drohende" Gefahr (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BayPAG in der Fassung vom 24. Juli 2017) abgestellt werden kann.

106

Allerdings eröffnet die Vorschrift die Möglichkeit von Kennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr und damit allgemein zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In Bezug genommen ist so die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung insgesamt, ohne hinsichtlich der in Frage stehenden Rechtsgüter Gewichtungen vorzunehmen. Dies genügt den dargelegten Anforderungen an einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz nicht. Angesichts des Eingriffsgewichts von automatisierten Kennzeichenkontrollen verlangt das Übermaßverbot, diese auf die Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter von zumindest erheblichem Gewicht zu beschränken. Allein der Verweis auf die Integrität der Rechtsordnung insgesamt, wie er dem Gefahrbegriff der polizeilichen Generalklausel zugrunde liegt, reicht dafür nicht.

107

(2) Die Regelung des Datenabgleichs ist bei verfassungskonformer Auslegung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

108

Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG ermächtigt dazu, die erfassten Kraftfahrzeugkennzeichen mit den in diesen Vorschriften genannten Fahndungsbeständen automatisiert abzugleichen. Dieser Abgleich genügt Verhältnismäßigkeitsanforderungen nur, wenn die einzubeziehenden Fahndungsbestände auf solche ausgeschriebenen Personen und Sachen beschränkt werden, die für den jeweiligen Zweck der Kennzeichenkontrolle Bedeutung haben können. Bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift ist dies jedoch sichergestellt.

109

(a) Die Reichweite des durch Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG eröffneten Datenabgleichs ergibt sich aus der Vorschrift nicht eindeutig. Sie lässt sich aber so auslegen, dass die Abgleichdateien anlassbezogen auszuwählen sind.

110

Allerdings enthält die Vorschrift in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Polizei für den Abgleich eine auf den jeweiligen Zweck der Kennzeichenerfassung bezogene Auswahl der Fahndungsbestände vorzunehmen hat. Daher liegt es nicht fern, die Vorschrift so zu verstehen, dass sie jeweils einen Abgleich mit allen dort genannten Fahndungsbeständen erlaubt (vgl. auch Bayerischer Landtag, Drucks 15/10522, S. 2 f.), wofür auch Satz 4 der Vorschrift spricht. Zwingend ist eine solche Auslegung jedoch nicht. Vielmehr lässt sich Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG auch so verstehen, dass die dort aufgeführten Fahndungsbestände nur den Rahmen der für den Abgleich überhaupt eröffneten Daten bilden. Sie können insoweit als der Datenfundus verstanden werden, aus dem je nach Anlass die zweckbezogen zu bestimmenden Daten nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen sind. Art. 33 Abs. 2 Satz 4 BayPAG, der das für die dort genannten Dateien ausdrücklich vorsieht, ist insoweit nicht als Sonderregelung, sondern als Ausdruck eines die Regelung insgesamt anleitenden Verständnisses zu verstehen. Angesichts dessen, dass zur Durchführung einer Kennzeichenkontrolle aus den Fahndungsbeständen für die praktische Umsetzung jeweils eine eigene Abgleichdatei erstellt werden muss, wird dieses Verständnis durch die tatsächlichen Umstände gestützt. Die Bayerische Staatsregierung hat in ihren Stellungnahmen klargestellt, dass sie Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG dieses Verständnis zugrunde legt.

111

(b) Verfassungsrechtlich ist dieses Verständnis auch geboten. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich, dass Eingriffe in Grundrechte nur insoweit gerechtfertigt sein können, als sie zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet und erforderlich sind. Wenn eine Kennzeichenkontrolle zur Abwehr einer bestimmten Gefahr erlaubt wird, muss auch der Abgleich von diesem Zweck her seine Begrenzung finden. Sollen Fahndungsbestände in den Abgleich einbezogen werden, die mit diesem Zweck nichts zu tun haben, so bedarf dies eines eigenen tragfähigen Grundes. Ohne einen solchen Grund ist ein Abgleich, der Fahndungsbestände einbezieht, die von vornherein zu dem Zweck der Kennzeichenkontrolle nicht beitragen können, unverhältnismäßig. Dass der Gesetzgeber mit Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG die von ihm durch den Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG genau begrenzten Zwecke in dieser Weise unterlaufen und diese Begrenzung zur Durchsetzung eines hiervon abgelösten allgemeinen Fahndungsinteresses konterkarieren wollte, ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen. Die weite Fassung der in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG aufgeführten Fahndungsbestände muss verfassungskonform vielmehr dahin verstanden werden, dass sie in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen Varianten der Kennzeichenkontrolle die zum Abgleich eröffneten Fahndungsbestände insgesamt umschreibt und die Polizei die jeweils relevanten Daten anlassbezogen auszuwählen hat. In diesem Verständnis ist gegen die Reichweite der von Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG erfassten Fahndungsbestände verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

112

(c) Die Regelung genügt auch den Bestimmtheitsanforderungen. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG die zum Abgleich eröffneten Fahndungsbestände nur abstrakt, nicht aber unter Verweis auf konkrete Dateien umschreibt. Hierin liegt weder eine unzulässige dynamische Verweisung, noch widerspricht das dem Bestimmtheitsgebot. Vielmehr hat der Gesetzgeber damit eine hinreichend klare Entscheidung getroffen, deren Gehalt sich durch Auslegung ermitteln lässt und die den Zugriff auf die nicht speziell auf die Kennzeichenkontrolle hin angelegten Fahndungsbestände sachbezogen eingrenzt. Auf ihrer Grundlage darf die nähere Auswahl aus den genannten Fahndungsbeständen den Behörden überlassen werden, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen und unter der Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen haben. Dass ihnen hierbei eine gewisse Einschätzungsprärogative eingeräumt wird, ist verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.

113

(3) Im Übrigen ist die Verhältnismäßigkeit der Kennzeichenkontrolle nach der ersten Variante der Regelung - vorbehaltlich der für alle Varianten geltenden verfahrensmäßigen Anforderungen an eine Dokumentation (unten Rn. 156 f.) - hinreichend gewährleistet.

114

Der Gesetzgeber verlangt, dass für die Durchführung einer solchen Kennzeichenkontrolle entsprechende Lageerkenntnisse vorliegen müssen (vgl. bereits BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 115). Dies unterstreicht die Notwendigkeit belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Kontrollen; für das Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr verstärkt dies freilich nur die Anforderungen, die sich bereits aus dem Gefahrenbegriff ergeben.

115

Zum Schutz vor einer übermäßig weiten Erstreckung der Befugnisse begrenzt der Gesetzgeber die Durchführung solcher Maßnahmen weiter dahingehend, dass sie nicht flächendeckend eingesetzt werden dürfen (Art. 33 Abs. 2 Satz 5 BayPAG). Dieses Merkmal ist zwar nicht sehr bedeutungsscharf und bedarf der Auslegung. Gemeint ist hiermit, dass die Kontrollen nur an einzelnen erfolgversprechenden Stellen, das heißt punktuell örtlich begrenzt durchgeführt werden dürfen, nicht aber zu dem Zweck, kontrollfreie Bewegungen möglichst weiträumig oder gar im gesamten Zuständigkeitsbereich der Behörde auszuschließen. In diesem Sinne grenzt das Merkmal die Durchführung solcher Maßnahmen im Einklang mit dem Übermaßverbot weiter ein und ist als Ergänzung der weiteren Tatbestandsmerkmale auch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

116

Keine Vorgaben enthält die Vorschrift dazu, ob die Kennzeichenerfassung mobil oder statisch und ob sie dauerhaft oder zeitlich begrenzt durchgeführt wird. Damit stellt sie die Entscheidung hierzu in das Ermessen der Polizei. Das ist weder unter Bestimmtheitsgesichtspunkten noch in der Sache zu beanstanden. Das Ermessen ist dabei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben. Für die Abwehr von bestimmten einzelnen Gefahren kommt eine dauerhafte Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle von vornherein nicht in Betracht.

117

bb) Als zweite Variante regelt das Gesetz Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an "gefährlichen Orten" (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG). Bei sachgerechter Auslegung und Anwendung der Bestimmung im Einzelfall ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

118

(1) Die Vorschrift erlaubt die Kennzeichenkontrolle an Orten, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, sich Straftäter verbergen oder Personen der Prostitution nachgehen.

119

Bei verständiger Auslegung der Vorschrift im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestehen gegen die Vorschrift keine durchgreifenden Bedenken. Gerechtfertigt ist diese Vorschrift durch das Ziel, zur Sicherheit an diesen Orten beizutragen, und zu verhindern, dass sie zum schutzbietenden Ausgangspunkt für die Verübung von Straftaten werden. Soweit hierbei auf Orte abgestellt wird, an denen Personen der Prostitution nachgehen, richtet sich dies nicht gegen Prostituierte, sondern auf den Schutz vor mit der Prostitution einhergehender Kriminalität - und damit nicht zuletzt auf den Schutz der Prostituierten selbst. Das Ziel, der Gefahr entgegenzuwirken, dass solche Orte zum Sammelpunkt von Straftätern und Personen ohne Aufenthaltsrecht werden, knüpft - unabhängig von dem Einzelgewicht der Rechtsverstöße - an ein strukturell erhöhtes Gefahrenpotential an und dient damit einem öffentlichen Interesse von erheblichem Gewicht.

120

Die Regelung knüpft dabei nicht an eine bloß abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Orte an, sondern begrenzt die Kontrollen auf Orte, für die tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie von den in der Vorschrift genannten Personen maßgeblich frequentiert werden. Sie enthält damit nicht etwa eine Generalermächtigung für Kennzeichenkontrollen an praktisch allen wichtigen Verkehrsknotenpunkten oder Orten größerer Zusammenkünfte von Menschen. Vielmehr muss es sich um Orte handeln, für die in diesem Sinne konkrete Erkenntnisse der Polizei vorliegen. Das gilt auch für die nähere Bestimmung der jeweils tatsächlichen Durchführung einer Kontrolle. Diese ist nicht etwa beliebig im weiteren Umfeld dieser Orte erlaubt, sondern nur dort, wo die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tatsächlich unmittelbar erfüllt sind. Durch das alle Varianten übergreifende Erfordernis entsprechender Lageerkenntnisse in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG wird das weiter abgesichert. Dabei muss der nach polizeilichen Erkenntnissen gefährliche Ort gerade mit Kraftfahrzeugen aufgesucht werden (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 15/10522, S. 2).

121

(2) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist wiederum auch die Reichweite des nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG eröffneten Datenabgleichs. Die Vorschrift ist dabei auch hier so auszulegen, dass nur solche Fahndungsbestände in den Abgleich einbezogen werden dürfen, die für die Erreichung der sich aus Art. 13 Abs. 1 BayPAG (hier: Nr. 2) ergebenden Zwecke der Kennzeichenerfassung anlassbezogen relevant sein können (oben Rn. 107 ff.). Danach muss die Auswahl der Fahndungsbestände bei Erstellung der Abgleichdatei strikt darauf beschränkt bleiben, solche Personen oder Sachen aufzufinden, hinsichtlich derer jeweils tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie an den betreffenden Orten gerade unter den in der Vorschrift genannten Gesichtspunkten anzutreffen sind. Fahndungsbestände, denen für die Erreichung des in Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG gesetzten Zwecks keine erhebliche Bedeutung zukommt, dürfen in die Abgleichdatei nicht aufgenommen werden.

122

(3) Bei Gesamtabwägung ist damit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG tatbestandlich verfassungsrechtlich tragfähig ausgestaltet. Wägt man das öffentliche Interesse an der Durchführung solcher Kontrollen an den in der Vorschrift genannten Orten mit der Beeinträchtigung der durch die Kennzeichenkontrollen betroffenen Personen unter der Berücksichtigung der weiteren in die Vorschrift eingezogenen Maßgaben, zu denen insbesondere auch das Verbot einer flächendeckenden Überwachung gehört, gegeneinander ab (oben Rn. 100), steht die Durchführung solcher Maßnahmen bei einer Auslegung der Regelung im Lichte der Verfassung nicht außer Verhältnis.

123

cc) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Norm gleichfalls hinsichtlich ihrer dritten Variante, die zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an "gefährdeten Orten" ermächtigt (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG).

124

(1) Die Vorschrift erlaubt Kennzeichenkontrollen in Verkehrs- oder Versorgungsanlagen oder -einrichtungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Amtsgebäuden oder anderen besonders gefährdeten Objekten oder in unmittelbarer Nähe hiervon. Die Begründung des Gesetzesentwurfs nennt als Beispiele Flughäfen, Bahnhöfe, öffentliche Verkehrsmittel, militärische Einrichtungen, Kernkraftwerke oder sonstige gefährdete Objekte wie Konsulate ausländischer Staaten, die auf Grund der aktuellen Gefährdungseinschätzung besonderen Schutzes bedürfen (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 15/2096, S. 16). Sie zielt damit auf einen Schutz sowohl dieser Objekte selbst und ihrer Funktion für das öffentliche Leben sowie der in ihnen befindlichen Personen. Dies sind Schutzgüter von zumindest erheblichem Gewicht.

125

Der Gesetzgeber hat für die Durchführung der Kontrollen auch eine verfassungsrechtlich hinreichende Eingriffsschwelle eingezogen. Erlaubt sind diese nur, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder die Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind. Flankiert ist dies durch das für die Norm insgesamt geltende Erfordernis des Vorliegens entsprechender Lageerkenntnisse aus Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG.

126

(2) Bei dem gebotenen Verständnis als konkretisierungsbedürftiger Rahmen (oben Rn. 107 ff.) ist die Reichweite der Fahndungsbestände des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG auch hier nicht zu beanstanden. Da für die Erstellung der Abgleichdatei aus dem Gesamtumfang dieser Fahndungsbestände im Einzelfall diejenigen ausgewählt werden müssen, die zur Gewährleistung der Sicherheit in oder an den gefährdeten Objekten nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG erheblich sein können, ist sowohl eine hinreichende Begrenzung als auch ihre Ausrichtung auf ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut gewährleistet.

127

(3) Die tatbestandliche Ausgestaltung der Vorschrift ist auch in der Gesamtabwägung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eingebettet in die allgemeinen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG und bei einer Einzelfallanwendung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wie es allgemeinen Grundsätzen entspricht, sind gegen die Vorschrift verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.

128

dd) Als vierte Variante sieht das Gesetz Kennzeichenkontrollen an polizeilichen Kontrollstellen vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG). Bei einer Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts, nach der die Einrichtung solcher Kontrollstellen eine konkrete Gefahr voraussetzt, steht auch diese Bestimmung mit Verfassungsrecht in Einklang.

129

(1) Die Vorschrift eröffnet Kennzeichenkontrollen zur Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen, soweit diese einerseits zur Verhinderung schwerer Straftaten sowie anderseits zur Verhinderung versammlungsrechtlicher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eingerichtet sind. Der Schutz vor diesen Straftaten ebenso wie der Schutz von Versammlungen betrifft Rechtsgüter von erheblichem Gewicht, die die Kennzeichenkontrolle rechtfertigen. Bei verständiger Auslegung der Vorschrift ist die Durchführung der Kennzeichenkontrollen auch auf hinreichend eingegrenzte Anlässe beschränkt.

130

(a) Das Ziel der Kennzeichenkontrollen nach der ersten Alternative der Vorschrift liegt - entsprechend dem Ziel der polizeilichen Kontrollstellen selbst - in der Verhinderung von Straftaten im Sinne des § 100a StPO und damit in dem Schutz vor schweren Straftaten. Damit geht es um Rechtsgüter von zumindest erheblichem Gewicht. Nichts anderes gilt aber auch für die in der Vorschrift genannten versammlungsrechtlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Zwar dienen die insoweit aufgeführten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht alle je für sich dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht, jedoch geht es bei diesen Kontrollen nicht allein um die Verhinderung der einzelnen Delikte, sondern um den Schutz der Versammlungen als solchen. Hierin liegt ein Schutzzweck von erheblichem Gewicht.

131

(b) Die Durchführung solcher Kontrollen ist bei einer verständigen Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts auf hinreichend eingegrenzte Fälle beschränkt.

132

Die Durchführung von automatisierten Kennzeichenkontrollen nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG setzt das Bestehen einer polizeilichen Kontrollstelle voraus und soll sie entlasten. Wann polizeiliche Kontrollstellen ihrerseits eingerichtet werden dürfen, richtet sich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG. Auch dieser regelt die Einrichtung der Kontrollstellen allerdings nicht explizit. Vielmehr setzt er diese dem Wortlaut nach als Grundlage für eine Identitätsfeststellung voraus. Ersichtlich wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Einrichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung in einem Zusammenhang regeln.

133

Angesichts fehlender weiterer Maßgaben ist Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den üblichen Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts auszulegen. Als Befugnis zur Gefahrenabwehr setzt er danach eine im Einzelfall bestehende Gefahr voraus (vgl. Art. 11 Abs. 1 BayPAG), dass Straftaten, wie sie mit der Kontrollstelle verhindert werden sollen, tatsächlich bevorstehen. Angesichts der tatbestandlichen Offenheit der Vorschrift kann nur darin eine verfassungsrechtlich tragfähige Auslegung liegen. Zwar beschränkt die Verfassung die Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen nicht auf Situationen, in denen eine konkrete Gefahr vorliegt. Vielmehr kann der Gesetzgeber Kontrollstellen auch unterhalb dieser Schwelle erlauben, etwa zum Schutz von gefahrenträchtigen Großereignissen oder eingebunden in spezifische polizeiliche Ermittlungsstrategien. Solche Fälle muss er dann aber in hinreichend klarer und begrenzter Form regeln. Soweit er diesbezüglich keine weiteren Maßgaben schafft, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift durch das Erfordernis einer konkreten Gefahr in das allgemeine Sicherheitsrecht eingebunden bleiben sollte und hierdurch ihre verfassungsrechtlich erforderliche Begrenzung erhält. Ein solches Verständnis bringt die Vorschrift auch nicht um ihren Gehalt, sondern fügt sich in die Zielrichtung des Art. 13 Abs. 1 BayPAG insgesamt ein: Dessen primärer Zweck liegt darin, Identitätsfeststellungen unabhängig von einer Störereigenschaft zu ermöglichen; das objektive Vorliegen einer konkreten Gefahr setzt er dabei auch sonst zum Teil voraus (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BayPAG).

134

Bei diesem Verständnis bestehen auch gegen die Ermächtigung zur Durchführung von Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an solchen Stellen in Hinsicht auf das Erfordernis eines hinreichend bestimmten Anlasses keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Kennzeichenkontrolle ist danach nur erlaubt, wenn konkrete Hinweise auf schwere Straftaten oder auf erhebliche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf eine konkrete Versammlung vorliegen und in örtlichem Bezug hierzu eine polizeiliche Kontrollstelle eingerichtet wurde. Hierin liegt ein den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügender Anlass.

135

(c) Die Ermächtigung zu automatisierten Kennzeichenkontrollen an polizeilichen Kontrollstellen zur Verhinderung von versammlungsrechtlichen Straftaten oder zum Schutz von Versammlungen ist auch mit Art. 8 GG vereinbar.

136

Allerdings liegt in der Kennzeichenkontrolle an einer polizeilichen Kontrollstelle, die den Zugang zu einer Versammlung kontrolliert, ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>; 84, 203 <209>; Trurnit, NVwZ 2012, S. 1079 <1080>; Hong, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2015, Kap. B Rn. 54; Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, § 2 Rn. 35). Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Insbesondere genügt er auch in Blick auf den besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach sind solche Kontrollen nicht auf Situationen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu beschränken (a.A. Hong, a.a.O., Rn. 94; Enders, a.a.O., Rn. 35). Die Eingriffsschwelle der unmittelbar bevorstehenden Gefahr wurde von der Rechtsprechung für Verbote und Auflösungen von Versammlungen entwickelt (vgl. BVerfGE 69, 315 <353 f.>). Auf die hier in Frage stehenden Vorfeldkontrollen muss sie nicht übertragen werden. Gegenüber Verboten und Auflösungen haben solche Kontrollen ein geringeres Gewicht, da sie die selbstbestimmte Durchführung der Versammlung als solche nicht beeinträchtigen und diese insbesondere auch schützen. Für die Rechtfertigung von solchen Kontrollen im Vorfeld genügt es daher, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es bezogen auf eine bestimmte Versammlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu versammlungsrechtlichen Straftaten oder den in der Vorschrift genannten Ordnungswidrigkeiten kommen wird. Das aber deckt sich mit der nach Maßgabe einer Wahrscheinlichkeitsprognose zu bestimmenden Frage des Vorliegens einer konkreten Gefahr, wie sie für die Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG maßgeblich ist und damit auch die Voraussetzungen einer entsprechenden Kennzeichenkontrolle bestimmt. Für den Eingriff in Art. 8 GG ist in formeller Hinsicht auch das Zitiergebot beachtet (vgl. Art. 74 BayPAG).

137

(2) Ausgehend von dem oben dargelegten Verständnis des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG ist auch die Reichweite der Fahndungsbestände nicht unverhältnismäßig. Da aus den in der Vorschrift genannten Fahndungsbeständen konkret diejenigen ausgewählt werden müssen, die zum Erreichen des durch die Kontrolle erstrebten Zwecks erheblich sein können, ist sowohl eine hinreichende Begrenzung als auch die Ausrichtung auf den Schutz eines Rechtsguts von zumindest erheblichem Gewicht gewährleistet.

138

(3) Bei dargelegtem Verständnis der Norm ist die tatbestandliche Ausgestaltung auch in der Gesamtsicht verfassungsgemäß. Für die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden allgemeinen Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG kann auf oben verwiesen werden (oben Rn. 113 ff.).

139

ee) Als fünfte Variante sieht die Vorschrift automatisierte Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG). Sie genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig.

140

(1) Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich durch das Ziel gerechtfertigt, als Ausgleich für den Wegfall von Grenzkontrollen einer hierdurch erleichterten Begehung bestimmter Straftaten entgegenzutreten. Erforderlich ist dafür aber eine hieran orientierte konsequente und klare Begrenzung der Zwecke und Orte solcher Kontrollen. Dem genügt die Regelung nicht in jeder Hinsicht.

141

(a) Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG ermächtigt zu Kennzeichenkontrollen im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km, auf Durchgangsstraßen sowie in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs. Erlaubt sind diese bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse zur Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

142

Die Regelung reicht damit weit. Ihr Zweck liegt allgemein in der Bekämpfung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ohne die Kontrollen auf die Verhütung von erheblichen Straftaten oder sonst auf den Schutz von Rechtsgütern von irgendeinem spezifizierten Gewicht zu begrenzen. Auch beschränkt sie die Kontrollen nicht auf objektiv bestimmte Anlässe. Zwar wird für die Kennzeichenkontrolle generell auf entsprechende Lageerkenntnisse verwiesen, jedoch bleibt damit offen, nach welchen Kriterien diese die Kontrollen rechtfertigen sollen. Letztlich handelt es sich um eine Befugnis, die allein final durch eine weit gefasste Zwecksetzung definiert ist. Eine solche Befugnis zu praktisch anlasslosen, nur final angeleiteten Maßnahmen ist - soweit sie nicht an eine spezifische Verantwortlichkeit der Betroffenen anknüpft (oben Rn. 94) - grundsätzlich mit verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Eine Rechtfertigung kommt daher nur unter besonderen Bedingungen in Betracht.

143

(b) Eine solche Rechtfertigung findet die Regelung als Ausgleich für den Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen.

144

Die Schleierfahndung wurde vom Gesetzgeber eingeführt, um den unionsrechtlich bedingten Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen zu kompensieren (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 13/36, S. 4). Für diese war nach innerstaatlichem Recht anerkannt, dass sie ohne weiteren Anlass durchgeführt werden dürfen. Dass der Staat an seinen Grenzen ohne weitere Voraussetzungen Kontrollen vornehmen darf, um zu entscheiden, wer ein- und ausreist, gehört zum überlieferten Instrumentarium zur Sicherung der Territorialhoheit und zur Gewährleistung von Recht und Sicherheit auf dem jeweiligen Staatsgebiet. Wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Unionsrechts die Grenzen öffnet und auf Grenzkontrollen verzichtet, ist es im Grundsatz gerechtfertigt, wenn als Ausgleich hierfür zur Gewährleistung der Sicherheit die allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnisse spezifisch erweitert werden.

145

Dem steht nicht entgegen, dass die Kontrollen nicht auf Grenzgänger begrenzt sind und damit auch Personen betreffen, die die Grenze nicht überschritten haben. Sie sollen und können nur ein die Sicherheit betreffender Ausgleich, nicht aber eine andere Form der Grenzkontrolle sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Unionsrecht, das in Art. 67 Abs. 2, Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a AEUV die Abschaffung der Grenzkontrollen bestimmt (vgl. näher Art. 20 und 21 der Verordnung [EG] Nr. 562/2006 vom 15. März 2006 [Schengener Grenzkodex], ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 1; heute: Art. 22 und 23 der Verordnung [EU] Nr. 2016/399 vom 9. März 2016 [Schengener Grenzkodex], ABl L 77 vom 23. März 2016, S. 1). Der Europäische Gerichtshof hat hierzu wiederholt entschieden, dass verdachtsunabhängige Kontrollen in Grenznähe nicht den Charakter von Grenzkontrollen annehmen dürften (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli, C-188/10 und C-189/10, EU:C:2010:363, Rn. 69 f. und 74 f.; Urteil vom 21. Juni 2017, A., C-9/16, EU:C:2017:483, Rn. 34 ff. und 63). Damit darf ein Ausgleich für den Wegfall der Grenzkontrollen aus Gründen des Unionsrechts nur in Maßnahmen gesucht werden, die nicht speziell auf Grenzgänger beschränkt sind, sondern auch Dritte erfassen können.

146

Das ist nicht unverhältnismäßig. Es liegt in der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die punktuellen Beeinträchtigungen durch anlasslose Kennzeichenkontrollen zur Bekämpfung von durch die Grenzöffnung beförderten Gefahren als durch den in dieser Grenzöffnung liegenden Freiheitsgewinn aufgewogen anzusehen. Diese Grenzöffnung kommt auch allen zugute. Bei Personen im Grenzgebiet ist zudem anzunehmen, dass sie häufiger die Grenze überschreiten werden als Personen im Landesinneren. Dass Personen im Grenzgebiet dann gelegentlich auch in Kontrollen geraten können, wenn sie die Grenze nicht übertreten haben, macht die Maßnahmen ihnen gegenüber nicht unzumutbar im Sinne des Übermaßverbots.

147

(c) Verhältnismäßig sind automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen freilich nur in dem Umfang, in dem sie einen konsequenten Grenzbezug haben und dieser gesetzlich in einer den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Weise gesichert ist. Dem genügt die Regelung weithin, aber nicht vollständig.

148

Nicht zu beanstanden ist insoweit der mit den Kennzeichenkontrollen verfolgte Rechtsgüterschutz. Er hat eine klar grenzbezogene Ausrichtung. Die Kontrollen dienen der Unterbindung von Aufenthaltsverstößen und der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und damit der Bekämpfung von Gefahren, die durch die Grenzöffnung eine besondere Dringlichkeit erfahren. Der Begriff der grenzüberschreitenden Kriminalität ist dabei auch auslegungsfähig und hinreichend bestimmt. Er erfasst diejenige Kriminalität, die die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Grenzsituation oder Grenznähe, insbesondere die Erschwerungen grenzüberschreitender Fahndung und Strafverfolgung, ausnutzt (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 212).

149

Nur zum Teil verfassungsrechtlich tragfähig ist demgegenüber die Bestimmung der Orte, an denen die Kennzeichenkontrollen durchgeführt werden dürfen. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich sicherzustellen, dass nur Orte mit einem klaren Grenzbezug in Betracht kommen. Unklare Regelungen, die dazu führen können, dass sich der Grenzbezug in der Praxis verliert und sich Kontrollen weithin allgemein in das Landesinnere verschieben, sind damit unvereinbar. Unbedenklich ist danach, dass Kennzeichenkontrollen in einem Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km durchgeführt werden dürfen. Keine Bedenken bestehen auch gegen die Ermächtigung zu Kennzeichenkontrollen an öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs. Diese haben ersichtlich einen örtlichen Grenzbezug. Auch handelt es sich hierbei um einen auslegungsfähigen Begriff (vgl. BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 103; ebenso SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 196). Nicht hinreichend bestimmt und begrenzt sind die Kennzeichenkontrollen demgegenüber für Orte, die außerhalb des 30 km-Gürtels vorgenommen werden dürfen. Eine Befugnis zu Kontrollen allgemein auf Durchgangsstraßen im ganzen Land ist mit Bestimmtheitsanforderungen nicht vereinbar und reicht zu weit. Daran ändert die gesetzliche Erläuterung des Begriffs der Durchgangsstraße in der nachfolgenden Klammer nichts: Indem dort nicht nur Bundesautobahnen und Europastraßen, sondern auch "andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr" genannt sind, ist eine hinreichend klare Beschränkung solcher Kontrollen nicht sichergestellt.

150

(2) Auch für diese Tatbestandsvariante ist der Kennzeichenabgleich mit den Datenbeständen der zur Fahndung ausgeschriebenen Personen und Sachen nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG auf den Zweck des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG hin auszurichten. In die Abgleichdatei sind nur solche Fahndungsbestände einzustellen, die für die Verhütung oder Unterbindung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht oder die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität Bedeutung haben können. Wie dargelegt kann und muss Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG in diesem Sinne ausgelegt werden.

151

(3) Vorbehaltlich einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Begrenzung der außerhalb des 30 km-Gürtels liegenden Orte, an denen Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung eingesetzt werden dürfen, ist gegen deren tatbestandliche Ausgestaltung im Übrigen auch bei Gesamtsicht verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Zwar sind die Kontrollmöglichkeiten hier besonders weit und objektiv wenig eingegrenzt. Zum Ausgleich der Öffnung der Grenzen und des Wegfalls der Grenzkontrollen ist das bei einer Abwägung aller sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der allgemeinen Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG, zu denen auch das Verbot einer flächendeckenden Kontrolle gehört (oben Rn. 113 ff.), jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

152

Ins Gewicht fällt hierbei, dass die Schleierfahndung durch die Maßgaben des Unionsrechts rechtsstaatlich weiter abgefedert wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht das Unionsrecht Regelungen wie der Schleierfahndung nur dann nicht entgegen, wenn mit ihnen ein Rechtsrahmen vorgegeben wird, der gewährleistet, dass deren praktische Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Es ist insbesondere dann, wenn Indizien darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, durch Konkretisierungen und Einschränkungen sicherzustellen, dass die praktische Ausübung der Schleierfahndung so eingefasst wird, dass eine gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen vermieden wird. Der Rechtsrahmen muss schließlich hinreichend genau und detailliert sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2017, A., C-9/16, EU:C:2017:483, Rn. 37 ff.). Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung, die das deutsche Recht an diesen Anforderungen zu messen hat, genügen Regelungen wie die angegriffenen Vorschriften diesen unionsrechtlichen Maßgaben nicht und dürfen ohne konkretisierende verbindliche und transparente Regelung zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen in dieser Form nicht angewendet werden; sie bedürfen insoweit der Nachbesserung (vgl. VGH BW, Urteil vom 13. Februar 2018 - 1 S 1468/17 -, juris, Rn. 76 ff. und 86; Urteil vom 13. Februar 2018 - 1 S 1469/17 -, juris, Rn. 38 ff. und 43 - dort zu entsprechenden Fragen nach dem Bundespolizeigesetz). Insoweit wird durch die unionsrechtlichen Maßgaben die Handhabung der Kontrollbefugnisse weiteren Anforderungen unterworfen, die zu deren Verhältnismäßigkeit beitragen.

153

ff) Die angegriffenen Vorschriften genügen im Wesentlichen auch den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden übergreifenden Maßgaben an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist allerdings, dass den Behörden gesetzlich keine Dokumentationspflichten vorgeschrieben sind.

154

(1) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, dass die Kennzeichenkontrollen grundsätzlich verdeckt durchgeführt werden (vgl. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG). Dies ist zur Erreichung der erstrebten Zwecke geeignet und erforderlich und durch sie gerechtfertigt. Anders als für heimliche Überwachungsmaßnahmen von höherer Eingriffsintensität (vgl. BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 105 und 282 f. Rn. 134 ff.>) bedarf es insoweit keiner Benachrichtigungspflicht. Das gilt auch im Trefferfall. Vielmehr reicht es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, wenn die Betroffenen von den Kontrollen nur im Rahmen von ihnen gegenüber ergriffenen Folgemaßnahmen erfahren und deren Rechtmäßigkeit dann fachgerichtlich überprüfen lassen können. Zu berücksichtigen ist ergänzend, dass - auch wenn für die Kennzeichenerfassung in der Praxis wohl nur ausnahmsweise zielführend - darüber hinaus auch der allgemeine datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch besteht (vgl. Art. 48 BayPAG).

155

(2) Eine aufsichtliche Kontrolle ist - wie verfassungsrechtlich geboten (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 67, 157 <185>; 133, 277 <369 f. Rn. 214 f.>; 141, 220 <284 Rn. 141>; stRspr) - vorgesehen. Neben der Fachaufsicht ist eine datenschutzrechtliche Kontrolle durch den Bayerischen Datenschutzbeauftragten gewährleistet (Art. 49 BayPAG i.V.m. Art. 30 BayDSG).

156

(3) Demgegenüber ist mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht vereinbar, dass das Gesetz keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz von automatisierten Kennzeichenkontrollen vorsieht.

157

Maßgeblich ist hierfür, dass die Entscheidungen über die Einrichtung einer solchen Kennzeichenkontrolle - anders als zu begründende Verwaltungsakte - den Betroffenen in keiner Weise mitgeteilt werden und mitgeteilt werden können. Als verdeckte Maßnahmen werden sie überhaupt nur in den Trefferfällen bekannt und auch dann grundsätzlich nicht begründet. In der Regel vollzieht sich die Entscheidung über die Kennzeichenerfassung allein im Inneren der Behörde. Angesichts dieser Umstände kann die Ermächtigung zur Kennzeichenerfassung nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung einer solchen Maßnahme nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert werden (vgl. BVerfGE 133, 277 <370 Rn. 215>; 141, 220 <284 f. Rn. 141>; SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 218 ff.). Das betrifft insbesondere das in allen Tatbestandsvarianten geltende Erfordernis der "entsprechenden Lageerkenntnisse", das erst durch eine behördliche Konkretisierung nähere Konturen erhält, sowie die Auswahl der einbezogenen Fahndungsbestände. Für die Verhältnismäßigkeit ist dies - bezogen auf alle Fälle der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle - von dreifacher Bedeutung: Zum einen rationalisiert und mäßigt es die Entscheidung der Behörde selbst, wenn diese sich über ihre Entscheidungsgrundlagen Rechenschaft ablegen muss. Zum anderen ermöglicht die Dokumentation erst eine aufsichtliche Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten, der in Fällen eingeschränkter individualrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten wie hier gesteigerte Bedeutung zukommt. Schließlich wird damit die verwaltungsgerichtliche Kontrolle erleichtert, wenn solche Maßnahmen bekannt werden.

158

gg) Das Gesetz sieht im Grundsatz auch verfassungsrechtlich tragfähige Regelungen zur Nutzung der Daten wie zur Datenlöschung vor. Nicht hinreichend eingegrenzt ist allerdings die Verwendung der Daten für weitere Zwecke.

159

(1) Art. 33 Abs. 2 BayPAG regelt in Satz 2 die Erhebung der Daten und in den Sätzen 3 und 4 als Regelung zu deren Verwendung die Befugnis, diese im genannten Umfang mit dem Ziel abzugleichen, Aufschlüsse zu den gesuchten Personen oder Sachen in Verfolgung der oben geprüften Zwecke zu erhalten. Dass dieser Abgleich unverzüglich zu erfolgen hat, wird bei verständiger Auslegung der Vorschrift vorausgesetzt und entspricht der Praxis. Kennzeichenerfassung und Kennzeichenabgleich erfolgen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde.

160

Art. 38 Abs. 3 Satz 1 BayPAG stellt des Weiteren sicher, dass die erfassten Kraftfahrzeugkennzeichen nach dem Abgleich unverzüglich zu löschen sind. Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 120, 378 <397, 399>). Von der Löschungsregelung sind auch die unechten Treffer erfasst, sobald geklärt ist, dass es sich insoweit nicht um die ausgeschriebenen Kennzeichen handelt.

161

Dem Zweck der Kennzeichenkontrollen entsprechend hat die Löschung nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG demgegenüber zu unterbleiben, soweit ein Trefferfall vorliegt und die Daten zur Abwehr einer Gefahr benötigt werden. Soweit hierdurch auf die Gefahren verwiesen wird, zu deren Abwehr die Kennzeichenerfassung durchgeführt wird, ergibt sich die Unbedenklichkeit dieser Bestimmung aus der Rechtfertigung der Kennzeichenkontrolle selbst und erfüllt sich hierin ihre Zweckbestimmung. Für die weitere Nutzung der Daten verweist die Vorschrift auf Art. 38 Abs. 1 und 2 BayPAG, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

162

(2) Soweit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG demgegenüber eine Nutzung der Daten über den Zweck der jeweiligen Kennzeichenkontrolle hinaus für weitere Aufgaben erlaubt, liegt hierin eine Zweckänderung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig genügt.

163

Eine solche Zweckänderung liegt jedenfalls darin, dass die Nutzung der Informationen allgemein für alle Zwecke erlaubt wird, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet wurden. Die Polizei soll so auch Zufallserkenntnisse aus den Kennzeichenkontrollen nutzen können, das heißt, sie soll auch in Bezug auf solche Personen oder Sachen Maßnahmen ergreifen können, deren Identifizierung zu dem ursprünglichen Zweck der Kontrolle nichts beiträgt.

164

Gegen eine solche Öffnung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nichts zu erinnern. In ihr liegt ein eigener Eingriff durch die Erweiterung der Datennutzung für neue Zwecke, der gerechtfertigt sein kann und durch die Fahndungszwecke vom Grundsatz her auch gerechtfertigt ist. Dabei steht die Verfassung einer solchen Regelung auch insoweit nicht entgegen, als es sich bei den Fahndungszwecken um solche der Strafverfolgung handelt, die unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Denn es handelt sich hierbei um eine Öffnung, die die Nutzung der Informationen für weitere Zwecke lediglich ermöglicht, nicht aber endgültig regelt; endgültig entscheidet im Rahmen dieser Öffnung dann gegebenenfalls das Bundesrecht über die Nutzung der Daten zu neuen Zwecken (oben Rn. 80).

165

Verfassungsrechtlich setzt eine Zweckänderung jedoch voraus, dass die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben neu auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Ermittlungsmaßnahmen erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 141, 220 <327 f. Rn. 286 f.> m.w.N.; stRspr). Verhältnismäßig ist danach vorliegend eine weitere Nutzung nur, wenn sie dem Schutz von Rechtsgütern dient, die auch die Durchführung einer Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle rechtfertigen könnten. Nach den oben entwickelten Kriterien ist dies grundsätzlich nur zum Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse der Fall (oben Rn. 99), das heißt für das Strafrecht zur Verfolgung von Straftaten von zumindest erheblicher Bedeutung. Da dies für Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG, soweit er eine Nutzung für weitere Zwecke vorsieht, nicht sichergestellt ist, ist die Vorschrift mit der Verfassung insoweit nicht vereinbar.

166

(3) Keinen Einwänden unterliegt demgegenüber Art. 38 Abs. 3 Satz 3 BayPAG, soweit er klarstellt, dass die Einzelerfassungen von Daten nicht mit anderen Daten zu einem Bewegungsbild verbunden werden dürfen, wenn nicht ein Fall des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe a BayPAG gegeben ist. Der Abgleich mit Dateien nach dieser letztgenannten Vorschrift zielt bewusst auf eine längerfristige punktuelle Observation und damit in begrenztem Sinne auch auf die Erstellung eines - begrenzten - Bewegungsbildes. Dies kann unter den insoweit maßgeblichen Voraussetzungen grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 120, 378 <416 ff.>). Art. 38 Abs. 3 Satz 3 BayPAG nimmt insoweit auf die Vorschriften zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle und verdeckten Registrierung lediglich bestätigend Bezug. Diese selbst sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

D.

I.

167

Die angegriffenen Vorschriften sind teilweise für nichtig und im Übrigen für mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären.

168

1. Die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt grundsätzlich zu deren Nichtigkeit. Allerdings kann sich das Bundesverfassungsgericht, wie sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVerfGG ergibt, auch darauf beschränken, eine verfassungswidrige Norm für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären (BVerfGE 109, 190<235>). Es verbleibt dann bei einer bloßen Beanstandung der Verfassungswidrigkeit ohne den Ausspruch der Nichtigkeit. Die Unvereinbarkeitserklärung kann das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich mit der Anordnung einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung verbinden. Dies kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der zu beanstandenden Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 33, 1 <13>; 109, 190 <235 f.>; 141, 220 <351 Rn. 355>; stRspr).

169

2. Danach ist Art. 33 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG insoweit, als dieser zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze ermächtigt, für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären. Da die Vorschrift insoweit gegen Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG verstößt und eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne des Art. 71 GG nicht besteht, kann der Landesgesetzgeber eine solche Regelung im Wege der Nachbesserung nicht herbeiführen. Nach § 78 Satz 2 BVerfGG, der auch im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gilt (vgl. BVerfGE 18, 288 <300>; 133, 377 <423 Rn. 106>; stRspr), wird im Interesse der Rechtsklarheit in demselben Umfang auch die Neufassung nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts [PAG-Neuordnungsgesetz] vom 18. Mai 2018, BayGVBl S. 301) sowie Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG selbst in der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Fassung und den nachfolgenden Fassungen für mit der Verfassung unvereinbar und nichtig erklärt. Die Vorschriften verstoßen gegen Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG und damit, weil es in formeller Hinsicht an der Rechtfertigung des in ihnen liegenden Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fehlt, auch gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

170

3. Nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären ist demgegenüber Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG, soweit er auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG verweist und dabei die automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränkt. Nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären ist Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG auch insoweit, als er auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG verweist und dabei die Kontrollen über die Bundesautobahnen und Europastraßen hinaus auf Durchgangsstraßen, einschließend allgemein Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr, zulässt. Weiterhin gilt dies auch insoweit, als keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz von Kennzeichenkontrollen vorgesehen ist. Für verfassungswidrig zu erklären ist schließlich Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG, soweit er eine Verwendung der Daten für andere Zwecke als die, für die die Kennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG durchgeführt werden kann, erlaubt und dies nicht auf Verarbeitungen beschränkt, die dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen.

171

Im Interesse der Rechtsklarheit sind nach § 78 Satz 2 BVerfGG in demselben Umfang auch die insoweit inhaltlich unveränderten Nachfolgeregelungen der Kennzeichenkontrolle in Art. 39 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 39 Abs. 3 Satz 2 BayPAG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts [PAG-Neuordnungsgesetz] vom 18. Mai 2018, BayGVBl S. 301) lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Die Unvereinbarkeitserklärung wird mit der Anordnung ihrer vorübergehenden Fortgeltung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 verbunden.

172

Insoweit sind diese Vorschriften nicht für nichtig zu erklären. Die Gründe für die Verfassungswidrigkeit betreffen hier nicht den Kern der mit ihnen eingeräumten Befugnisse, sondern nur einzelne Aspekte ihrer rechtsstaatlichen Ausgestaltung. Der Gesetzgeber kann die Vorschriften insoweit ohne weiteres nachbessern und damit den Kern der mit ihnen verfolgten Ziele auf verfassungsmäßige Weise verwirklichen. Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Kennzeichenkontrolle für eine wirksame Gefahrenabwehr beimessen darf, ist unter diesen Umständen deren vorübergehende Fortgeltung eher hinzunehmen als deren Nich-tigerklärung.

173

4. Im Übrigen sind die Vorschriften nach Maßgabe der Gründe verfassungskonform auszulegen.

II.

174

Da die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auf den teilweise verfassungswidrigen Vorschriften beruhen, verletzen sie den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist als letztinstanzliche Entscheidung aufzuheben und zur Entscheidung über die Kosten zurückzuverweisen.

III.

175

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

IV.

176

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Entscheidung, dass Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen auch im Nichttrefferfall einen Grundrechtseingriff begründen (oben Rn. 45 bis 53), mit 5 : 2 Stimmen, sowie daran anschließend hinsichtlich der allgemeinen Ausführungen zum Erfordernis eines konkreten Anlasses für polizeiliche Kontrollen der vorliegenden Art (oben Rn. 91 bis 94) mit 6 : 1 Stimmen, im Übrigen einstimmig ergangen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ist der Täter als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter gehalten, das Entweichen des Gefangenen zu verhindern, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Einem Gefangenen im Sinne der Absätze 1 und 2 steht gleich, wer sonst auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.
Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.
Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.
Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 - zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.
I.
15 
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
16 
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
17 
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
18 
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
19 
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
20 
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II.
21 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
22 
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
23 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
24 
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
25 
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
26 
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
27 
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
28 
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
29 
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
30 
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
31 
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
32 
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
33 
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
34 
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
35 
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
36 
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss vom 14. Dezember 2010
40 
Der Streitwert für den ersten Rechtszug wird - unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - nach §§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt. Nach Auffassung des Senats ist für die Personenfeststellung, die Sistierung, das Anfertigen von Lichtbildern und die körperliche Durchsuchung jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen. Angesichts des Gewichts der Sistierung erscheint es nicht gerechtfertigt, diese bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, darf der Ausländer keine Erwerbstätigkeit ausüben. Abweichend von Satz 1 ist dem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung zu erlauben, wenn

1.
das Asylverfahren nicht innerhalb von neun Monaten nach der Stellung des Asylantrags unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist,
3.
der Ausländer nicht Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates (§ 29a) ist und
4.
der Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet oder als unzulässig abgelehnt wurde, es sei denn das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung des Bundesamtes angeordnet;
Ausländern, die seit mindestens sechs Monaten eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen, kann die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden. Die §§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 und die §§ 41 und 42 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend für Ausländer nach Satz 2.

(2) Im Übrigen kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, gemäß § 4a Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Ein geduldeter oder rechtmäßiger Voraufenthalt wird auf die Wartezeit nach Satz 1 angerechnet. Die §§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 und die §§ 41 und 42 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend. Einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 29a, der nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt hat, darf während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden. Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.