Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Nov. 2015 - 5 K 1265/14

bei uns veröffentlicht am18.11.2015

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis und die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes rechtswidrig waren.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen am so genannten „Schwarzen Donnerstag“.
Am 30. September 2010 fand im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart ein Polizeieinsatz statt mit dem Ziel, für den 1. Oktober 2010 vorgesehene Baumfällarbeiten zu ermöglichen. Die Baumfällarbeiten sollten zur Realisierung des Projekts „Stuttgart 21“ erfolgen. Im Rahmen dieses Projekts soll der Bahnknoten Stuttgart umgebaut werden. Vorhabenträgerin ist die DB Projekt Bau GmbH. Das Projekt war und ist in der Öffentlichkeit umstritten. Der Polizeivollzugsdienst setzte am 30. September 2010 zur Durchsetzung der von ihm ausgesprochenen Aufforderungen, bestimmte Bereiche des Schlossgartens zu verlassen, nicht zuletzt Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer gegen die Projektgegner ein.
Der im Jahr 1944 geborene Kläger wurde am 30. September 2010 ungefähr zwischen 13:30 Uhr und 13:50 Uhr von dem Strahl eines Wasserwerfers mehrmals, insbesondere auch im Gesicht getroffen. Das Bild des aus den Augen blutenden Klägers ging durch zahlreiche Medien. Er hat infolge des Treffers den weit überwiegenden Teil seiner Sehkraft eingebüßt.
Der Kläger hat am 28. Oktober 2010 Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der am 30. September 2010 erfolgten polizeilichen Maßnahmen (Platzverweis sowie Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs).
Der Kläger trägt zur Begründung der Klage im Wesentlichen vor: Er habe am 30. September 2010 in einer Gruppe demonstrierender Schüler gestanden. Er habe gesehen, wie Polizeibeamte Gitter von Lastwagen heruntergehoben hätten, um Teile des Mittleren Schlossgartens abzusperren. Die Jugendlichen seien von den Polizisten mit körperlicher Gewalt und Stößen beiseite gedrängt worden. Zwischenzeitlich hätten die Polizeibeamten auch Wasserwerfer gegen die Schülergruppe eingesetzt, in der er sich befunden habe. Zunächst hätten die Polizeibeamten den Strahl der Wasserwerfer über die Jugendlichen hinweg gerichtet, schräg nach oben. Anschließend sei der Wasserstrahl abgesenkt worden und habe nun in Richtung der Demonstranten gezielt. Die Wasserwerferfahrzeuge seien langsam vorwärts gefahren. Auf diese Art seien die Jugendlichen zurückgedrängt worden. Viele von ihnen seien über Bänke und herumstehende Biertische gestürzt, etliche seien am Boden gelegen. Er habe wild in Richtung der Wasserwerfer gestikuliert. Er habe vergeblich gehofft, die Polizeibeamten würden ihm wegen seines Alters mehr Respekt entgegenbringen als den Jugendlichen. Er habe geirrt. Als er dies eingesehen habe, sei er zurück in Richtung Biergarten gewichen. Dies sei allerdings nicht gelungen, da er von allen Seiten von Versammlungsteilnehmern bedrängt worden sei. Nun seien die Wasserwerfer auf die Gruppe um ihn direkt ausgerichtet worden. Dabei sei er gewahr geworden, dass sich die Intensität des Wasserstrahls erheblich verstärkt gehabt hätte. Er habe sich kaum auf den Beinen halten können. Um ihn herum seien Jugendliche wild übereinander gestürzt. Als er wieder vergeblich versucht habe, durch Gestikulieren die Beamten zum Einhalten zu bewegen, habe ihn ein Wasserstrahl direkt ins Gesicht getroffen. Er sei gestürzt und habe das Bewusstsein verloren. Dritte hätten ihn aus der Gefahrenzone herausgeholt. Es sei richtig, dass er es gewesen sei, welcher die aus Presseberichten und Videomitschnitten bekannte Kastanie in Richtung Wasserwerfer geworfen habe. Dies sei allerdings nicht der Auslöser der Eskalation gewesen, sondern eine Reaktion aus Verzweiflung. Er habe auf diese Art und Weise - allerdings erfolglos - versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Er sei davon ausgegangen, er könne die Beamten zum Einhalten bewegen.
Der Kläger führt weiterhin aus, die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen müssten sich am Versammlungsrecht messen. Die Zusammenkunft der protestierenden Menschen im Schlossgarten sei zumindest als Spontanversammlung einzuordnen. Der Platzverweis sei rechtswidrig, da keine wirksame Anordnung der Auflösung der Versammlung vorgelegen habe. Die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung führe zur Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen. Der Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray sei darüber hinaus unverhältnismäßig. Er sei nicht erforderlich gewesen; es sei nicht nachvollziehbar, dass die Räumung des Schlossgartens nicht auch durch das Wegtragen der Demonstranten hätte erledigt werden können. Der Einsatz sei dem Verhalten der Versammlungsteilnehmer auch nicht angemessen gewesen. Das gezielte Ausrichten des Wasserstrahls auf einzelne Personen sei angesichts der fehlenden Gefahrenlage völlig überzogen gewesen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten ihm gegenüber angeordnete Platzverweis und die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes rechtswidrig waren.
Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das beklagte Land trägt unter anderem vor, der Kläger sei mehrfach von Polizeibeamten persönlich angesprochen worden, die ihn wiederholt aufgefordert hätten, sich zu entfernen. Der Kläger habe mehrfach unbedrängt gestanden und hätte die Möglichkeit gehabt, sich zu entfernen. Er habe den Einwirkungsbereich des Wasserwerfers regelrecht aufgesucht.
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Das beklagte Land führt weiterhin aus, die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten sei keine Versammlung gewesen. Es habe zwar Elemente der Meinungsäußerung und kollektiven Meinungskundgebung gegeben. Diese Elemente träten allerdings hinter den eigentlichen Zweck der Ansammlung zurück, die Vorbereitung und Durchführung der Baumfällarbeiten im Schlossgarten zu verhindern. Die Ansammlung sei weiterhin nicht friedlich gewesen. Die Behinderung der Arbeit der Polizei reiche als Grund für einen Platzverweis aus. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs hätten vorgelegen. Der Einsatz der Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sei erforderlich gewesen. Einfache körperliche Gewalt, also bloßes Abdrängen oder Wegtragen, sei angesichts der Vielzahl der Blockierer, die den Platzverweisen nicht nachgekommen seien, nicht gleich geeignet gewesen, den Einsatzzweck zu erfüllen. Der Einsatz der Wasserwerfer sei in ein insgesamt verhältnismäßiges und abgestuftes Konzept eingebunden gewesen. Auch die konkrete Führung des Wasserstrahls sei verhältnismäßig gewesen. Bei der Steuerung werde selbstverständlich versucht, Personen nicht im Bereich des Kopfes zu treffen, im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Zieleinrichtung und die Breite des Wasserstrahls könnten in Ausnahmefällen auch Treffer im Bereich des Kopfes vorkommen. Sie seien ein unvermeidbares, mit dem Einsatz eines Wasserwerfers verbundenes Verletzungsrisiko. Die Verletzungen des Klägers seien eine bedauerliche und nicht bezweckte Folge des Polizeieinsatzes. Sie wären aber durch rechtstreues Verhalten vermeidbar gewesen.
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Mit Beschluss vom 10. Januar 2012 wurde das Verfahren ausgesetzt. Die Aufhebung der Aussetzung erfolgte mit Beschluss vom 13. Juni 2014.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die gewechselten Schriftsätze und die von der Kammer beigezogenen Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs richtet, als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.
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Dem Kläger gegenüber wurde sowohl ein Platzverweis ausgesprochen als auch unmittelbarer Zwang angedroht. Denn der Kläger wurde mehrfach, nicht zuletzt auch persönlich aufgefordert, den Bereich vor dem Wasserwerfer zu räumen; zum maßgeblichen Zeitpunkt kündigten die Polizeivollzugsbeamten aus dem Wasserwerfer heraus auch wiederholt den Einsatz von Wasser gegenüber den Blockierenden an.
19 
Sowohl bei dem Platzverweis als auch bei der Androhung unmittelbaren Zwangs handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG, der sich - infolge Zeitablaufs - vorprozessual erledigt hat. Im Fall vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer angeschlossen hat (Urteil vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 20), von der Statthaftigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [207] = juris Rn. 20; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
20 
b) Soweit sich die Klage gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes gegen den Kläger richtet, ist sie als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
21 
Nach Auffassung der Kammer ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes kein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 767; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 49 Rn. 60; a.A. Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 2. Kap. Rn. 392). Denn bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ergeht gegenüber den Betroffenen keine Regelung. „Hilfskonstruktionen“ dergestalt, in der Anwendung zugleich eine Duldungsanordnung zu sehen (vgl. dazu Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 35 Rn. 49), mögen angezeigt gewesen sein zu Zeiten, in denen das Vorliegen eines Verwaltungsakts rechtswegeröffnend war. Unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung bedarf es ihrer nicht mehr.
22 
Die Berechtigung des Polizeivollzugsdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes dem Kläger gegenüber im Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 stellt vielmehr ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.
23 
2. Der Kläger hat auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsinteresse.
24 
Die Zulässigkeit sowohl der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch der Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 43 Abs. 1 VwGO). Die diesbezüglichen Anforderungen stimmen weitestgehend überein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
25 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse (Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 36). Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann.
26 
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich bereits aus dem Gesichtspunkt einer - möglicherweise - schweren Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit.
27 
Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist; derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 37).
28 
Nach Auffassung der Kammer steht den vorgenannten Fällen gleich, wenn der Staat - vorliegend der Polizeivollzugsdienst - einer Menschenansammlung von vornherein den Schutz des Art. 8 GG abspricht und gegen sie mit dem Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts vorgeht. In diesem Fall wird die Versammlungsfreiheit, sollte sich die Einschätzung als fehlerhaft erweisen, ebenso schwer, wenn nicht gar noch schwerer beeinträchtigt als im Fall eines Versammlungsverbots oder einer Versammlungsauflösung.
29 
Dass die Menschenansammlung im Stuttgarter Schlossgarten, in der sich der Kläger befand, als verfassungsrechtlich geschützte Versammlung einzuordnen ist, ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Der Polizeivollzugsdienst ist gegen diese Ansammlung unter Anordnung eines Platzverweises und sodann unter Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgegangen. Auf eine Versammlungsauflösung oder sonstige auf Versammlungsrecht gestützte Maßnahmen hat er ausweislich des Vorbringens des beklagten Landes bewusst verzichtet.
30 
Der Kläger hat darüber hinaus als Person, die durch den Einsatz des Wasserwerfers erhebliche Verletzungen erlitten hat, auch ein aus Gründen der Rehabilitierung rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Gegenstand des Verfahrens bildenden polizeilichen Maßnahmen.
31 
3. Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt im - vorliegend gegebenen - Fall der Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts weder die Erhebung eines Widerspruchs noch die Einhaltung einer Frist voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [206 und 209] = juris Rn. 19 und 22). Eine Verwirkung des Klagerechts steht außer Frage.
32 
II. Die Klage ist auch begründet.
33 
1. Der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte ihn in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
34 
a) Als Rechtsgrundlage für den dem Kläger gegenüber angeordneten Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 22. November 2008 in das Polizeigesetz eingefügt wurde (vgl. GBl BW 2008, S. 390), kann die Polizei (vgl. zur Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes § 60 Abs. 3 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.
35 
b) Der Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG steht die so genannte Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
36 
aa) Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich nach dem Versammlungsgesetz (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 18, und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [115] = juris Rn. 43). Dieses Gesetz geht in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen für einen polizeilichen Zugriff auf Versammlungsteilnehmer. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, scheidet aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsgesetzlichen Regelungen aus. Für Beschränkungen der Versammlungsteilnahme stehen der Polizei lediglich die abschließend versammlungsgesetzlich geregelten teilnehmerbezogenen Maßnahmen zu Gebote, für die im Interesse des wirksamen Grundrechtsschutzes strengere Anforderungen bestehen als für ein polizeirechtliches Einschreiten allgemein. Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sind rechtswidrig, solange nicht die Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [114] = juris Rn. 40).
37 
bb) Das beklagte Land geht nach Auffassung der Kammer zu Unrecht davon aus, dass die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 keine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung war.
38 
(1) Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 32 m.w.N.). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.
39 
Art. 8 GG schützt allerdings nicht die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001
 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 44; vgl. auch BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [374] = juris Rn. 35).
40 
Zu differenzieren ist also zwischen so genannten Verhinderungsblockaden und so genannten demonstrativen Blockaden (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 25; auch Rusteberg, NJW 2011, 2999).
41 
Für die rechtliche Einordnung der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 ist insbesondere darauf abzustellen, ob die beabsichtigte Verhinderung der anstehenden Baumfällarbeiten Selbstzweck war oder ein einem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/06 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 42).
42 
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich bei der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 entgegen der Auffassung des beklagten Landes um keine so genannte Verhinderungsblockade.
43 
Allerdings zielte das Verhalten der anwesenden Personen darauf, das Absperren der Fläche zur Ermöglichung von Baumfällarbeiten und der Errichtung des so genannten Grundwassermanagements zu verhindern. Bei der Verhinderung der Baumfällarbeiten und der Errichtung des Grundwassermanagements handelte es sich indes nach Auffassung der Kammer lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des von der Deutschen Bahn geplanten und seitens staatlicher Ebenen unterstützten Umbaus des Bahnknotens Stuttgart (vgl. das Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 26). Dementsprechend war aus dem Kreis der anwesenden Personen vielfach die Formulierung „Oben bleiben“ und damit einer der wesentlichen Slogans der Projektgegner zu hören. Häufig zeigten die Personen eines der wesentlichen Symbole der Projektgegner, das einem Ortsausfahrtsschild nachempfundene Schild mit den durchgestrichenen Worten „Stuttgart 21“. Zahlreiche der Zusammengekommenen stammten auch aus dem Kreis der Teilnehmer der für den 30. September 2010 angemeldeten „Schülerdemonstration“, die unter das Motto „Lieber mehr Bildungsausgaben statt Prestigebahnhof“ gestellt worden war. Die Erwartung, allein durch die Verhinderung der Baumfällarbeiten am 1. Oktober 2010 das Projekt „Stuttgart 21“ zu Fall zu bringen, kann den Blockierern sowie den weiter Anwesenden nicht unterstellt werden. Sie wäre allenfalls ein „symbolischer Sieg“ gewesen. Ziel der Projektgegner war allerdings und ist es auch heute noch, dass die am Projekt Beteiligten dieses dauerhaft aufgeben oder dass jedenfalls einzelne Beteiligte sich aus ihm zurückziehen. Ein derartiger „Erfolg“ wäre nur zu erzielen gewesen, wenn die Aktion - zumindest im Zusammenspiel mit den anderen Aktionen gegen das Projekt - in einer Weise auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, die letztlich zu einem Umdenken der am Projekt Beteiligten oder zu einem Austausch der politisch Verantwortlichen führt. Nicht zuletzt infolge der Ereignisse am 30. September 2010 kam es sodann auch zu dem - allerdings letztlich erfolglos gebliebenen - Schlichtungsverfahren. Insgesamt war die beabsichtigte Verhinderung der Baumfällarbeiten nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen dienendes Mittel. Der Versammlungscharakter entfällt im Übrigen auch nicht aus dem Grund, dass der Anfahrtsweg der Polizeifahrzeuge im Schlossgarten auch durch vor Ort vorgefundenes Baumaterial sowie durch aus dem Biergarten entwendete Bierbänke blockiert wurde. Das Entfernen der Gegenstände stellte den Polizeivollzugsdienst vor keine nennenswerte Herausforderung.
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(3) Der Schutz des Versammlungsgrundrechts entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit.
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Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE104, 92 [105 f.] = juris Rn. 47; [Kammer-] Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt oder in Kauf genommen.
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Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 war nicht unfriedlich; eine kollektive Unfriedlichkeit lässt sich entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht feststellen.
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Jedenfalls eine nennenswerte Anzahl von aggressiven Ausschreitungen aus der Versammlung heraus gegen Polizeibeamte lässt sich nicht feststellen. Insoweit ohne Bedeutung ist, ob das Verhalten der Blockierer strafrechtlich als Gewalt im Sinne von § 240 StGB einzuordnen ist. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [106] = juris Rn. 49). Ebenfalls nicht abgestellt werden kann darauf, dass sich Versammelte gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs wehrten und dabei eventuell Polizeibeamte verletzten; denn hierbei handelt es sich um keine Unfriedlichkeit aus der Versammlung heraus. Vorfälle, die zur Annahme der Unfriedlichkeit führen könnten, blieben - ausweislich des der Kammer zur Verfügung stehenden Videomaterials - vereinzelt, wie das Abdrängen von Polizeibeamten, das Auslassen von Luft aus einem Reifen, der Einsatz von Pyrotechnik, das Besprühen von Polizeibeamten mit Pfefferspray oder auch das Werfen von Kastanien und Wasserflaschen. Angesichts der Vielzahl der Teilnehmer an der Versammlung und deren Dauer hätte eine weitaus größere Zahl derartiger Vorfälle stattfinden müssen, um die Annahme der Unfriedlichkeit zu rechtfertigen. Dass solche Vorfälle auch nicht im Sinne der Versammelten waren, lässt sich schon anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Filmausschnitts illustrieren, in dem zu sehen ist, dass Blockierende der Person, die den geworfenen Feuerwerkskörper austrat, Beifall spendeten.
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(4) Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Dennoch merkt die Kammer an, dass sie davon ausgeht, dass die Versammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 eine so genannte Spontanversammlung und nicht die Fortsetzung der für diesen Tag angemeldeten Schülerdemonstration war.
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Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften über die Anmeldepflicht nach § 14 VersG sind allerdings auf so genannte Spontanversammlungen nicht anwendbar, soweit der mit ihnen verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschriften nicht erreicht werden könnte (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 16 m.w.N.).
50 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 bildete sich nicht zuletzt infolge der Auslösung des so genannten Parkschützeralarms im Zeitraum zwischen 10:15 Uhr und 10:30 Uhr. Infolge der Auslösung des Parkschützeralarms löste sich nach Einschätzung der Kammer die angemeldete Schülerdemonstration, die zu diesem Zeitpunkt in der Lautenschlagerstraße stattfand, faktisch selbst auf. Es bestand jedenfalls keine Identität zwischen der angemeldeten Schülerdemonstration und der Versammlung im Mittleren Schlossgarten. Ausweislich der Anmeldung sollte die Schülerdemonstration nach der Auftaktkundgebung in der Lautenschlagerstraße ab ungefähr 10 Uhr durch die Stuttgarter Innenstadt bis auf die Höhe der Eberhardstraße ziehen und erst gegen ungefähr 12 Uhr im Mittleren Schlossgarten ankommen. Freilich verließen große Teile der Teilnehmer die Kundgebung in der Lautenschlagerstraße in Richtung Schlossgarten. Zu einem Aufzug kam es deshalb gar nicht mehr.
51 
(5) Der Schutz des Art. 8 GG endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Eine - ausschließlich aufgrund ausdrücklicher Erklärung mögliche - Auflösung der Versammlung im Mittleren Schlossgarten erfolgte weder durch den Polizeivollzugsdienst noch durch die - grundsätzlich sachlich und örtlich zuständige - Landeshauptstadt Stuttgart (vgl. § 1 Abs. 1 und § 2 Satz 1 VersGZuVO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 3 PolG, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 LVG, § 131 Abs. 1 GemO).
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c) Die Fragen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Platzverweis vorlagen und ob das durch § 27a Abs. 1 PolG der Polizei eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, braucht die Kammer nach Vorstehendem nicht zu beantworten.
53 
2. Die Androhung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Kläger waren ebenfalls rechtswidrig und verletzten ihn in seinen Rechten.
54 
a) Die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen ergibt sich bereits aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises als der zu vollstreckenden Verfügung.
55 
Die Rechtmäßigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs (vgl. § 52 Abs. 2 PolG) und dessen Anwendung setzt jedenfalls in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation voraus, dass die zu vollstreckende Grundverfügung rechtmäßig war.
56 
Erledigt sich ein Verwaltungsakt - wie hier der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis - vor der gerichtlichen Entscheidung, lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997 - BVerwG 5 C 1.96 -, BVerwGE 105, 370 [373] = juris Rn. 11, vgl. auch Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 [4] = juris Rn. 17). Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997, a.a.O.).
57 
Legt man im vorliegenden Zusammenhang die Rechtslage zugrunde, die ohne Geltung des rechtswidrigen Platzverweises bestand, so fehlte es bereits an einer zu vollstreckenden Verfügung.
58 
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fordert in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit auf sie aufbauender Vollstreckungsmaßnahmen außer Betracht zu bleiben hat. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten entfällt. Die Adressaten des Platzverweises hätten diesem also aus Rechtsgründen Folge leisten müssen. Zu dem Fall der gleichzeitigen Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen die Grundverfügung und gegen Vollstreckungsmaßnahmen verhält sich die Vorschrift hingegen nicht. Dementsprechend wird § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO im Fall des gerichtlichen Vorgehens gegen einen Kostenbescheid wegen der Vollstreckung einer zwischenzeitlich erledigten Grundverfügung auch nicht so verstanden, dass die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Verfügung außer Betracht bleibt (vgl. bereits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299 [303]; Urteil der Kammer vom 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14 -, noch nicht veröffentlicht).
59 
Darüber hinaus verbietet nach Auffassung der Kammer auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs als auf allgemeines Polizeirecht gestützte Vollstreckungsmaßnahmen. Zu den vor Auflösung einer Versammlung bzw. vor Ausschluss eines Teilnehmers unzulässigen Maßnahmen (s. oben 1. b) gehören neben Platzverweisen insbesondere auch zu deren Vollstreckung getroffene Maßnahmen. Denn mit der Vollstreckung wird eigenständig in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [107] = juris Rn. 51). Im vorliegenden Fall wurde eine Versammlung „faktisch“ durch Einsatz einer auf das Polizeigesetz gestützten Maßnahme, nämlich des unmittelbaren Zwangs in Form eines Wasserwerfereinsatzes „aufgelöst“.
60 
b) Die Kammer hat im Übrigen ganz erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs dem Kläger gegenüber. Mangels Erheblichkeit sieht sie allerdings von einer abschließenden Festlegung ab.
61 
Eine gesetzliche Regelung zur Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs findet sich in § 52 Abs. 1 PolG. Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Satz 2). Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Satz 4).
62 
Ob die Anwendung verhältnismäßig war, ist aus der so genannten ex-ante-Sicht zu beurteilen (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 523, 528). Es ist dementsprechend nicht darauf abzustellen, welche Folgen tatsächlich eingetreten sind, sondern darauf, mit welchen Folgen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs in der gewählten Form zu rechnen war.
63 
Nach Auffassung der Kammer ist insbesondere zweifelhaft, ob die Wasserstöße, nicht zuletzt derjenige, der dem Kläger seine Augenverletzung zugefügt hat, angemessen waren. Nach Auskunft des beklagten Landes, die durch das Betrachten des vorhandenen Videomaterials bestätigt wird, verfügten die am 30. September 2010 eingesetzten Wasserwerfer über keine Zielvorrichtung. Bei Abgabe der Wasserstöße in die dicht stehende Menschenansammlung war es dementsprechend sehr wahrscheinlich, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden. Nach dem Eindruck, den die Kammer aus dem vorhandenen Material gewonnen hat, wäre es eher Zufall gewesen, wenn bei dem teilweise sehr massiven Einsatz der Wasserwerfer niemand im Gesicht getroffen worden wäre. Dementsprechend sieht die Polizeidienstvorschrift 122 „Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen“ (Ausgabe 2003), an die die Kammer zwar nicht gebunden ist, die sie jedoch als Auslegungshilfe heranzieht, vor, dass Wasserstöße als intensivste Form des Wasserwerfereinsatzes die Begehung oder Fortsetzung von Straftaten verhindern, das Vordringen von Störern verhindern oder Gewalttäter zum Zurückweichen zwingen sollen; bei Wasserstößen ist darauf zu achten, dass Köpfe nicht getroffen werden (Nr. 5.1.3). Keiner der genannten, restriktiv auszulegenden Fälle dürfte am 30. September 2010 vorgelegen haben. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden, hätten wohl jedenfalls die Wasserstöße zur Vermeidung der Unangemessenheit der Anwendung unmittelbaren Zwangs unterbleiben müssen.
64 
c) Ob den Kläger ein Mitverschulden an seinen Verletzungen trifft, wie es das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 (18 KLs 5 Js 94858/10) angenommen hat (vgl. den dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Abdruck, S. 9), ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ohne Bedeutung.
65 
III. Die Verpflichtung des beklagten Landes, die Kosten des Verfahrens zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen, ist die Berufung gegen dieses Urteil nicht durch das Verwaltungsgericht zuzulassen.

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
16 
I. Die Klage ist zulässig.
17 
1. a) Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Platzverweis und die Androhung unmittelbaren Zwangs richtet, als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.
18 
Dem Kläger gegenüber wurde sowohl ein Platzverweis ausgesprochen als auch unmittelbarer Zwang angedroht. Denn der Kläger wurde mehrfach, nicht zuletzt auch persönlich aufgefordert, den Bereich vor dem Wasserwerfer zu räumen; zum maßgeblichen Zeitpunkt kündigten die Polizeivollzugsbeamten aus dem Wasserwerfer heraus auch wiederholt den Einsatz von Wasser gegenüber den Blockierenden an.
19 
Sowohl bei dem Platzverweis als auch bei der Androhung unmittelbaren Zwangs handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG, der sich - infolge Zeitablaufs - vorprozessual erledigt hat. Im Fall vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, der sich die Kammer angeschlossen hat (Urteil vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 20), von der Statthaftigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [207] = juris Rn. 20; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
20 
b) Soweit sich die Klage gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes gegen den Kläger richtet, ist sie als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
21 
Nach Auffassung der Kammer ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes kein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 767; Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 49 Rn. 60; a.A. Schoch, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 2. Kap. Rn. 392). Denn bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ergeht gegenüber den Betroffenen keine Regelung. „Hilfskonstruktionen“ dergestalt, in der Anwendung zugleich eine Duldungsanordnung zu sehen (vgl. dazu Stuhlfauth, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 35 Rn. 49), mögen angezeigt gewesen sein zu Zeiten, in denen das Vorliegen eines Verwaltungsakts rechtswegeröffnend war. Unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung bedarf es ihrer nicht mehr.
22 
Die Berechtigung des Polizeivollzugsdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes dem Kläger gegenüber im Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 stellt vielmehr ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.
23 
2. Der Kläger hat auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsinteresse.
24 
Die Zulässigkeit sowohl der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch der Feststellungsklage setzt voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 43 Abs. 1 VwGO). Die diesbezüglichen Anforderungen stimmen weitestgehend überein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - 1 S 2901/10 -, juris Rn. 27).
25 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse (Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 36). Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann.
26 
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich bereits aus dem Gesichtspunkt einer - möglicherweise - schweren Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit.
27 
Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist; derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [89] = juris Rn. 37).
28 
Nach Auffassung der Kammer steht den vorgenannten Fällen gleich, wenn der Staat - vorliegend der Polizeivollzugsdienst - einer Menschenansammlung von vornherein den Schutz des Art. 8 GG abspricht und gegen sie mit dem Instrumentarium des allgemeinen Polizeirechts vorgeht. In diesem Fall wird die Versammlungsfreiheit, sollte sich die Einschätzung als fehlerhaft erweisen, ebenso schwer, wenn nicht gar noch schwerer beeinträchtigt als im Fall eines Versammlungsverbots oder einer Versammlungsauflösung.
29 
Dass die Menschenansammlung im Stuttgarter Schlossgarten, in der sich der Kläger befand, als verfassungsrechtlich geschützte Versammlung einzuordnen ist, ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Der Polizeivollzugsdienst ist gegen diese Ansammlung unter Anordnung eines Platzverweises und sodann unter Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs vorgegangen. Auf eine Versammlungsauflösung oder sonstige auf Versammlungsrecht gestützte Maßnahmen hat er ausweislich des Vorbringens des beklagten Landes bewusst verzichtet.
30 
Der Kläger hat darüber hinaus als Person, die durch den Einsatz des Wasserwerfers erhebliche Verletzungen erlitten hat, auch ein aus Gründen der Rehabilitierung rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Gegenstand des Verfahrens bildenden polizeilichen Maßnahmen.
31 
3. Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt im - vorliegend gegebenen - Fall der Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts weder die Erhebung eines Widerspruchs noch die Einhaltung einer Frist voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 [206 und 209] = juris Rn. 19 und 22). Eine Verwirkung des Klagerechts steht außer Frage.
32 
II. Die Klage ist auch begründet.
33 
1. Der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte ihn in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
34 
a) Als Rechtsgrundlage für den dem Kläger gegenüber angeordneten Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 22. November 2008 in das Polizeigesetz eingefügt wurde (vgl. GBl BW 2008, S. 390), kann die Polizei (vgl. zur Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes § 60 Abs. 3 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.
35 
b) Der Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG steht die so genannte Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
36 
aa) Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich nach dem Versammlungsgesetz (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 18, und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [115] = juris Rn. 43). Dieses Gesetz geht in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen für einen polizeilichen Zugriff auf Versammlungsteilnehmer. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, scheidet aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsgesetzlichen Regelungen aus. Für Beschränkungen der Versammlungsteilnahme stehen der Polizei lediglich die abschließend versammlungsgesetzlich geregelten teilnehmerbezogenen Maßnahmen zu Gebote, für die im Interesse des wirksamen Grundrechtsschutzes strengere Anforderungen bestehen als für ein polizeirechtliches Einschreiten allgemein. Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sind rechtswidrig, solange nicht die Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 -, BVerfGK 11, 102 [114] = juris Rn. 40).
37 
bb) Das beklagte Land geht nach Auffassung der Kammer zu Unrecht davon aus, dass die Ansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 keine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung war.
38 
(1) Art. 8 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 32 m.w.N.). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen.
39 
Art. 8 GG schützt allerdings nicht die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001
 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 44; vgl. auch BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [374] = juris Rn. 35).
40 
Zu differenzieren ist also zwischen so genannten Verhinderungsblockaden und so genannten demonstrativen Blockaden (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 25; auch Rusteberg, NJW 2011, 2999).
41 
Für die rechtliche Einordnung der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 ist insbesondere darauf abzustellen, ob die beabsichtigte Verhinderung der anstehenden Baumfällarbeiten Selbstzweck war oder ein einem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/06 -, BVerfGE 104, 92 [105] = juris Rn. 42).
42 
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich bei der Menschenansammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 entgegen der Auffassung des beklagten Landes um keine so genannte Verhinderungsblockade.
43 
Allerdings zielte das Verhalten der anwesenden Personen darauf, das Absperren der Fläche zur Ermöglichung von Baumfällarbeiten und der Errichtung des so genannten Grundwassermanagements zu verhindern. Bei der Verhinderung der Baumfällarbeiten und der Errichtung des Grundwassermanagements handelte es sich indes nach Auffassung der Kammer lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des von der Deutschen Bahn geplanten und seitens staatlicher Ebenen unterstützten Umbaus des Bahnknotens Stuttgart (vgl. das Urteil der Kammer vom 12. Juni 2014 - 5 K 808/11 -, juris Rn. 26). Dementsprechend war aus dem Kreis der anwesenden Personen vielfach die Formulierung „Oben bleiben“ und damit einer der wesentlichen Slogans der Projektgegner zu hören. Häufig zeigten die Personen eines der wesentlichen Symbole der Projektgegner, das einem Ortsausfahrtsschild nachempfundene Schild mit den durchgestrichenen Worten „Stuttgart 21“. Zahlreiche der Zusammengekommenen stammten auch aus dem Kreis der Teilnehmer der für den 30. September 2010 angemeldeten „Schülerdemonstration“, die unter das Motto „Lieber mehr Bildungsausgaben statt Prestigebahnhof“ gestellt worden war. Die Erwartung, allein durch die Verhinderung der Baumfällarbeiten am 1. Oktober 2010 das Projekt „Stuttgart 21“ zu Fall zu bringen, kann den Blockierern sowie den weiter Anwesenden nicht unterstellt werden. Sie wäre allenfalls ein „symbolischer Sieg“ gewesen. Ziel der Projektgegner war allerdings und ist es auch heute noch, dass die am Projekt Beteiligten dieses dauerhaft aufgeben oder dass jedenfalls einzelne Beteiligte sich aus ihm zurückziehen. Ein derartiger „Erfolg“ wäre nur zu erzielen gewesen, wenn die Aktion - zumindest im Zusammenspiel mit den anderen Aktionen gegen das Projekt - in einer Weise auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, die letztlich zu einem Umdenken der am Projekt Beteiligten oder zu einem Austausch der politisch Verantwortlichen führt. Nicht zuletzt infolge der Ereignisse am 30. September 2010 kam es sodann auch zu dem - allerdings letztlich erfolglos gebliebenen - Schlichtungsverfahren. Insgesamt war die beabsichtigte Verhinderung der Baumfällarbeiten nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen dienendes Mittel. Der Versammlungscharakter entfällt im Übrigen auch nicht aus dem Grund, dass der Anfahrtsweg der Polizeifahrzeuge im Schlossgarten auch durch vor Ort vorgefundenes Baumaterial sowie durch aus dem Biergarten entwendete Bierbänke blockiert wurde. Das Entfernen der Gegenstände stellte den Polizeivollzugsdienst vor keine nennenswerte Herausforderung.
44 
(3) Der Schutz des Versammlungsgrundrechts entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit.
45 
Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE104, 92 [105 f.] = juris Rn. 47; [Kammer-] Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt oder in Kauf genommen.
46 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 war nicht unfriedlich; eine kollektive Unfriedlichkeit lässt sich entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht feststellen.
47 
Jedenfalls eine nennenswerte Anzahl von aggressiven Ausschreitungen aus der Versammlung heraus gegen Polizeibeamte lässt sich nicht feststellen. Insoweit ohne Bedeutung ist, ob das Verhalten der Blockierer strafrechtlich als Gewalt im Sinne von § 240 StGB einzuordnen ist. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93 und 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [106] = juris Rn. 49). Ebenfalls nicht abgestellt werden kann darauf, dass sich Versammelte gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs wehrten und dabei eventuell Polizeibeamte verletzten; denn hierbei handelt es sich um keine Unfriedlichkeit aus der Versammlung heraus. Vorfälle, die zur Annahme der Unfriedlichkeit führen könnten, blieben - ausweislich des der Kammer zur Verfügung stehenden Videomaterials - vereinzelt, wie das Abdrängen von Polizeibeamten, das Auslassen von Luft aus einem Reifen, der Einsatz von Pyrotechnik, das Besprühen von Polizeibeamten mit Pfefferspray oder auch das Werfen von Kastanien und Wasserflaschen. Angesichts der Vielzahl der Teilnehmer an der Versammlung und deren Dauer hätte eine weitaus größere Zahl derartiger Vorfälle stattfinden müssen, um die Annahme der Unfriedlichkeit zu rechtfertigen. Dass solche Vorfälle auch nicht im Sinne der Versammelten waren, lässt sich schon anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgeführten Filmausschnitts illustrieren, in dem zu sehen ist, dass Blockierende der Person, die den geworfenen Feuerwerkskörper austrat, Beifall spendeten.
48 
(4) Der Schutz des Art. 8 GG besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Dennoch merkt die Kammer an, dass sie davon ausgeht, dass die Versammlung im Mittleren Schlossgarten am 30. September 2010 eine so genannte Spontanversammlung und nicht die Fortsetzung der für diesen Tag angemeldeten Schülerdemonstration war.
49 
Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften über die Anmeldepflicht nach § 14 VersG sind allerdings auf so genannte Spontanversammlungen nicht anwendbar, soweit der mit ihnen verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschriften nicht erreicht werden könnte (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, BVerfGK 4, 154 [158] = juris Rn. 16 m.w.N.).
50 
Die Versammlung im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30. September 2010 bildete sich nicht zuletzt infolge der Auslösung des so genannten Parkschützeralarms im Zeitraum zwischen 10:15 Uhr und 10:30 Uhr. Infolge der Auslösung des Parkschützeralarms löste sich nach Einschätzung der Kammer die angemeldete Schülerdemonstration, die zu diesem Zeitpunkt in der Lautenschlagerstraße stattfand, faktisch selbst auf. Es bestand jedenfalls keine Identität zwischen der angemeldeten Schülerdemonstration und der Versammlung im Mittleren Schlossgarten. Ausweislich der Anmeldung sollte die Schülerdemonstration nach der Auftaktkundgebung in der Lautenschlagerstraße ab ungefähr 10 Uhr durch die Stuttgarter Innenstadt bis auf die Höhe der Eberhardstraße ziehen und erst gegen ungefähr 12 Uhr im Mittleren Schlossgarten ankommen. Freilich verließen große Teile der Teilnehmer die Kundgebung in der Lautenschlagerstraße in Richtung Schlossgarten. Zu einem Aufzug kam es deshalb gar nicht mehr.
51 
(5) Der Schutz des Art. 8 GG endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, BVerfGK 18, 365 [373] = juris Rn. 33 m.w.W.). Eine - ausschließlich aufgrund ausdrücklicher Erklärung mögliche - Auflösung der Versammlung im Mittleren Schlossgarten erfolgte weder durch den Polizeivollzugsdienst noch durch die - grundsätzlich sachlich und örtlich zuständige - Landeshauptstadt Stuttgart (vgl. § 1 Abs. 1 und § 2 Satz 1 VersGZuVO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 3 PolG, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 LVG, § 131 Abs. 1 GemO).
52 
c) Die Fragen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Platzverweis vorlagen und ob das durch § 27a Abs. 1 PolG der Polizei eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, braucht die Kammer nach Vorstehendem nicht zu beantworten.
53 
2. Die Androhung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Kläger waren ebenfalls rechtswidrig und verletzten ihn in seinen Rechten.
54 
a) Die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen ergibt sich bereits aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises als der zu vollstreckenden Verfügung.
55 
Die Rechtmäßigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs (vgl. § 52 Abs. 2 PolG) und dessen Anwendung setzt jedenfalls in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation voraus, dass die zu vollstreckende Grundverfügung rechtmäßig war.
56 
Erledigt sich ein Verwaltungsakt - wie hier der gegenüber dem Kläger angeordnete Platzverweis - vor der gerichtlichen Entscheidung, lässt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anstelle der Aufhebung durch Urteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Feststellung durch Urteil genügen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, um dem Bürger funktionsgleichen effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegenüber einer Inanspruchnahme aus einem rechtswidrigen Verwaltungsakt zu gewähren, wie er ihn mit einem Aufhebungsurteil nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997 - BVerwG 5 C 1.96 -, BVerwGE 105, 370 [373] = juris Rn. 11, vgl. auch Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 [4] = juris Rn. 17). Kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts rechtlich maßgeblich, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten Verwaltungsaktes besteht (BVerwG, Urteil vom 20. November 1997, a.a.O.).
57 
Legt man im vorliegenden Zusammenhang die Rechtslage zugrunde, die ohne Geltung des rechtswidrigen Platzverweises bestand, so fehlte es bereits an einer zu vollstreckenden Verfügung.
58 
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fordert in der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit auf sie aufbauender Vollstreckungsmaßnahmen außer Betracht zu bleiben hat. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten entfällt. Die Adressaten des Platzverweises hätten diesem also aus Rechtsgründen Folge leisten müssen. Zu dem Fall der gleichzeitigen Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen die Grundverfügung und gegen Vollstreckungsmaßnahmen verhält sich die Vorschrift hingegen nicht. Dementsprechend wird § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO im Fall des gerichtlichen Vorgehens gegen einen Kostenbescheid wegen der Vollstreckung einer zwischenzeitlich erledigten Grundverfügung auch nicht so verstanden, dass die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Verfügung außer Betracht bleibt (vgl. bereits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299 [303]; Urteil der Kammer vom 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14 -, noch nicht veröffentlicht).
59 
Darüber hinaus verbietet nach Auffassung der Kammer auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts die Androhung und Anwendung unmittelbaren Zwangs als auf allgemeines Polizeirecht gestützte Vollstreckungsmaßnahmen. Zu den vor Auflösung einer Versammlung bzw. vor Ausschluss eines Teilnehmers unzulässigen Maßnahmen (s. oben 1. b) gehören neben Platzverweisen insbesondere auch zu deren Vollstreckung getroffene Maßnahmen. Denn mit der Vollstreckung wird eigenständig in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, 92 [107] = juris Rn. 51). Im vorliegenden Fall wurde eine Versammlung „faktisch“ durch Einsatz einer auf das Polizeigesetz gestützten Maßnahme, nämlich des unmittelbaren Zwangs in Form eines Wasserwerfereinsatzes „aufgelöst“.
60 
b) Die Kammer hat im Übrigen ganz erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs dem Kläger gegenüber. Mangels Erheblichkeit sieht sie allerdings von einer abschließenden Festlegung ab.
61 
Eine gesetzliche Regelung zur Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs findet sich in § 52 Abs. 1 PolG. Danach darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint (Satz 1). Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint (Satz 2). Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand der Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Satz 4).
62 
Ob die Anwendung verhältnismäßig war, ist aus der so genannten ex-ante-Sicht zu beurteilen (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 523, 528). Es ist dementsprechend nicht darauf abzustellen, welche Folgen tatsächlich eingetreten sind, sondern darauf, mit welchen Folgen bei Anwendung unmittelbaren Zwangs in der gewählten Form zu rechnen war.
63 
Nach Auffassung der Kammer ist insbesondere zweifelhaft, ob die Wasserstöße, nicht zuletzt derjenige, der dem Kläger seine Augenverletzung zugefügt hat, angemessen waren. Nach Auskunft des beklagten Landes, die durch das Betrachten des vorhandenen Videomaterials bestätigt wird, verfügten die am 30. September 2010 eingesetzten Wasserwerfer über keine Zielvorrichtung. Bei Abgabe der Wasserstöße in die dicht stehende Menschenansammlung war es dementsprechend sehr wahrscheinlich, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden. Nach dem Eindruck, den die Kammer aus dem vorhandenen Material gewonnen hat, wäre es eher Zufall gewesen, wenn bei dem teilweise sehr massiven Einsatz der Wasserwerfer niemand im Gesicht getroffen worden wäre. Dementsprechend sieht die Polizeidienstvorschrift 122 „Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen“ (Ausgabe 2003), an die die Kammer zwar nicht gebunden ist, die sie jedoch als Auslegungshilfe heranzieht, vor, dass Wasserstöße als intensivste Form des Wasserwerfereinsatzes die Begehung oder Fortsetzung von Straftaten verhindern, das Vordringen von Störern verhindern oder Gewalttäter zum Zurückweichen zwingen sollen; bei Wasserstößen ist darauf zu achten, dass Köpfe nicht getroffen werden (Nr. 5.1.3). Keiner der genannten, restriktiv auszulegenden Fälle dürfte am 30. September 2010 vorgelegen haben. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Personen im Gesicht getroffen werden würden, hätten wohl jedenfalls die Wasserstöße zur Vermeidung der Unangemessenheit der Anwendung unmittelbaren Zwangs unterbleiben müssen.
64 
c) Ob den Kläger ein Mitverschulden an seinen Verletzungen trifft, wie es das Landgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2014 (18 KLs 5 Js 94858/10) angenommen hat (vgl. den dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Abdruck, S. 9), ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes ohne Bedeutung.
65 
III. Die Verpflichtung des beklagten Landes, die Kosten des Verfahrens zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen, ist die Berufung gegen dieses Urteil nicht durch das Verwaltungsgericht zuzulassen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Nov. 2015 - 5 K 1265/14

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Nov. 2015 - 5 K 1265/14 zitiert 12 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 35 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Nov. 2015 - 5 K 1265/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 21. Juli 2015 - 5 K 5066/14

bei uns veröffentlicht am 21.07.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich gegen Polizeikosten in Höhe von 180,00 EUR sowie gegen eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR. 2 Am 12./13.12.2013 fand

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 12. Juni 2014 - 5 K 808/11

bei uns veröffentlicht am 12.06.2014

Tenor Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Kläger begehrt die Feststellung
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Nov. 2015 - 5 K 1265/14.

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 18. Feb. 2021 - 1 K 9602/18

bei uns veröffentlicht am 08.01.2024

In einem Urteil vom 18.02.2021 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart festgestellt, dass bestimmte polizeiliche Maßnahmen gegen Herrn Alassa M. in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen rechtswidrig waren. Dazu gehören

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 181/14

bei uns veröffentlicht am 01.12.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils.

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises.
Am 10.01.2011 wurden am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs die Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 nach einer Baupause fortgesetzt. Nach den Feststellungen der Polizei kam es dabei nahezu jeden Morgen ab 7.00 Uhr zu Blockaden der Baustellenzufahrt durch Gegner des Projekts, die stets Megafone und anlassbezogene Transparente mit sich geführt hätten. Auf Grund der Blockaden sei es zu Verzögerungen des Arbeitsbeginns einer Baufirma um jeweils 1 bis 2,5 Stunden gekommen. Dabei hätten die Projektgegner ihr Vorgehen an die polizeiliche Taktik angepasst. So hätten sie die Blockaden ab dem 17.01.2011 jeweils erst beendet, nachdem sie hierzu von der Polizei drei Mal durch Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden seien. Da sich bei den Projektgegnern die Vorstellung verfestigt gehabt habe, dass ihr Verhalten bis zur polizeilichen Ansage nicht zu beanstanden sei, seien die blockierenden Projektgegner am 18. und 24.01.2011 jeweils nur einmal zur Beendigung ihres Tuns aufgefordert worden. Da dies nicht zu einer Beendigung der täglichen Blockaden geführt habe, habe die Polizei ihre Strategie insoweit geändert, als strafbare Handlungen künftig ohne vorherige Aufforderung zum Unterlassen unterbunden und verfolgt werden sollten. Bei dem Polizeieinsatz am 24.01.2011 sei dies den an diesem Tag die Baustellenzufahrt blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden.
Am Morgen des 25.01.2011, einem Dienstag, kamen auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der Baustelle am Nordflügel des Hauptbahnhofs zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr ca. 50 Projektgegner zu einem auch schon in der Vergangenheit so beworbenen Blockadefrühstück am Bauzaun zusammen, darunter auch der Kläger. Die Projektgegner hielten sich im Zufahrtsbereich der Baustelle auf der Fahrbahn, der Fußgängerfurt, dem Fahrbahnteiler, am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg auf. Sie führten zwei Transparente mit sich, eines mit dem Text Kriminalisierung? Einschüchterung? IHR KRIEGT UNS NICHT KLEIN! Unser Protest geht weiter!, das andere mit dem Text Baustopp selber machen! - Wir wi(e)der-setzen uns!. Von einigen Projektgegnern wurde das einem straßenverkehrsrechtlichen Ortsendeschild nachempfundene Schild Stuttgart 21 in die Höhe gehalten. Mindestens eine Person führte ein Megafon mit sich.
Nach den Feststellungen der Polizei wurden von den Projektgegnern kurz vor 7.00 Uhr zunächst drei Fahrzeuge einer Baufirma von der Heilbronner Straße in die Zufahrt zum Baustellenbereich durchgelassen. Dem dritten dieser Fahrzeuge, einem LKW, stellten sich mehrere Projektgegner vor der Einfahrt des Parkplatzes auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sodann jedoch in den Weg, so dass dieser nicht weiterfahren konnte. Ebenso wurde ein Transporter einer Baufirma, der von der Heilbronner Straße auf den Kurt-Georg-Kiesinger Platz einfahren wollte, vor der Fußgängerfurt durch auf der Fahrbahn stehende Projektgegner blockiert. Aufgrund der Blockade des Transporters konnte ein hinter diesem auf der Abbiegespur auf der Heilbronner Straße fahrender LKW ebenfalls nicht auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz einfahren. In der Folge stellten sich mindestens drei Projektgegner auch vor dieses Fahrzeug auf die Fahrbahn. Um 7.20 Uhr wurden die sich auf der Fahrbahn vor den blockierten Fahrzeugen aufhaltenden Projektgegner, unter denen sich auch der Kläger befand und deren Anzahl in den Behördenakten zwischen 30 und 32 schwankt, von Polizeikräften umstellt. Während der Beklagte angibt, dass dabei nur Personen erfasst worden seien, die auf der Fahrbahn gestanden hätten, gibt der Kläger an, dass auch Personen, die gar nicht auf der Straße gestanden hätten, sondern auf dem Gehweg oder auf Verkehrsinseln abseits jeder Blockademöglichkeit, teilweise mit körperlicher Gewalt in den von der Polizei umstellten Bereich gezwungen worden seien. Den von Polizeibeamten umstellten Projektgegnern wurde von der Polizei um 7.37 Uhr über Megafon Folgendes erklärt:
Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Sie haben sich einer Nötigung strafbar gemacht. Wir werden jetzt von ihnen einzeln die Personalien feststellen. Im Anschluss erhalten sie einen Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und für die Straße „Am Schlossgarten“ bis 24.00 Uhr heute Abend. Kommen sie diesem Platzverweis nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ferner behalten wir uns vor, Sie dann im Anschluss in Gewahrsam zu nehmen.
Die von der Polizei umstellten Projektgegner wurden sodann einzeln zu Bearbeitungsmodulen der Polizei geführt, wo gegen sie nach der Identitätsfeststellung jeweils ein Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und die Straße „Am Schloßgarten“ am 25.01.2011 bis 24.00 Uhr ausgesprochen wurde. Lichtbilder wurden nach den Angaben der Polizei nur mit Einverständnis der betroffenen Personen gefertigt. Der Kläger wurde nach der Identitätsfeststellung, der Anfertigung eines Lichtbilds und der Anordnung eines Platzverweises um 8.25 Uhr entlassen. Insgesamt waren die polizeilichen Maßnahmen um ca. 9.15 Uhr abgeschlossen.
Am 04.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass seine Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung sowie der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig waren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Zusammentreffen der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie eine Ingewahrsamnahme oder ein Platzverweis - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 Versammlungsgesetz aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen eine Versammlung richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine Auflösung der Versammlung habe nicht stattgefunden. Weder er noch andere Projektgegner seien vor der Ingewahrsamnahme zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien bereits deshalb rechtswidrig gewesen. Auch habe weder eine Nötigung noch eine versuchte Nötigung vorgelegen. Es habe nämlich keine Sitzblockade stattgefunden. Außerdem komme nach der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Nötigung bei der Blockade von Straßen nur dann in Betracht, wenn über die bloße Anwesenheit einzelner Personen auf der Fahrbahn hinaus ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen werde, welches eine Weiterfahrt verhindere. Es müssten daher durch die Sitzblockade Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert und dadurch der nachfolgende Verkehr blockiert werden. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da vor der Umstellung der Projektgegner durch Polizeikräfte nur noch ein Fahrzeug - und dieses sogar noch ohne Fahrer - auf der Heilbronner Straße gestanden habe. Da damit auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe, hätten die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nicht vorgelegen. Selbst bei Vorliegen einer Sitzblockade sei die Ingewahrsamnahme zudem unverhältnismäßig gewesen. Nach alledem hätten auch weder die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 26 PolG noch für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Form der Anfertigung von Lichtbildern nach
§ 36 PolG noch für die Anordnung eines Platzverweises nach § 27a PolG vorgelegen.
Da die vom Kläger für rechtswidrig gehaltenen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und der Identitätsfeststellung von der Polizei zu Zwecken der Strafverfolgung getroffen wurden, hat das Gericht das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2013 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren (5 K 137/13) mit Beschluss vom 17.01.2013 an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 04.03.2013 - 1 S 314/13 - zurückgewiesen.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist deshalb nur noch die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der am 25.01.2011 ihm gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Aufgrund der Blockade habe gegen die sich auf der Fahrbahn aufhaltenden Projektgegner und damit auch gegen den Kläger der Anfangsverdacht der Nötigung bestanden, da ein hinter einem von Projektgegnern blockierten Transporter fahrender LKW, der ebenfalls auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz habe einfahren wollen, wegen des blockierten Trans-porters ebenfalls habe anhalten müssen. Die Blockierer seien deshalb für Zwecke der Strafverfolgung zur Identitätsfeststellung festgehalten worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien ohne Ankündigung erfolgt, was am Tag zuvor den damals blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden sei. Da es sich bei der Zusammenkunft der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 um eine reine Verhinderungsblockade gehandelt habe, könne sich der Kläger auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG umfasse nämlich nicht auch Ansammlungen, deren Hauptzweck es sei, selbsthilfeähnlich das eigene Vorhaben zu erzwingen bzw. das Missbilligte zu verhindern. Selbst wenn die Blockade als Versammlung einzustufen wäre, würde dies den Anfangsverdacht der Nötigung nicht beseitigen, so dass die Polizei nach § 163 StPO zum Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Die Strafverfolgung sei gegenüber dem Versammlungsrecht auch nicht subsidiär. Der nach § 27a Abs. 1 PolG ausgesprochene Platzverweis sei ebenfalls rechtmäßig, insbesondere entfalte das Versammlungsrecht keine Sperrwirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der vorangegangenen Aktion um eine Versammlung gehandelt habe, so habe diese jedenfalls nicht mehr bestanden, als nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen gegen den Kläger der Platzverweis angeordnet worden sei. Nachdem sich der Kläger an der Blockade am Nordflügel beteiligt gehabt habe, habe auch die konkrete Gefahr bestanden, dass er sich weiteren Nötigungshandlungen anschließt. Der Platzverweis sei auch hinreichend bestimmt gewesen, nachdem er dem Kläger - wie über Lautsprecher angekündigt und auf einem individuellen Festnahmeformular dokumentiert - für den Kurt-Georg-Kiesinger Platz und die Straße „Am Schlossgarten“ bekanntgegeben worden sei.
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Am 04.12.2013 hat der Kläger die Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit der Begründung beantragt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Nötigung am 25.01.2011 noch nicht abgeschlossen sei. Im Einverständnis mit dem Beklagten hat das Gericht sodann mit Beschluss vom 04.12.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangt hatte, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 04.10.2013 nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, hat er das Verfahren am 25.03.2014 wiederangerufen.
16 
In der mündlichen Verhandlung sind zwei vom Beklagten vorgelegte DVD mit am 25.01.2011 von der Polizei gefertigten Video-Aufnahmen durch Projektion an die Wand des Sitzungssaals in Augenschein genommen worden.
17 
Den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Leiter des Polizeieinsatzes vom 25.01.2011 als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass Personen mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auch auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit, hat das Gericht abgelehnt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten der Landespolizeidirektion und der Staatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises.
Am 10.01.2011 wurden am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs die Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 nach einer Baupause fortgesetzt. Nach den Feststellungen der Polizei kam es dabei nahezu jeden Morgen ab 7.00 Uhr zu Blockaden der Baustellenzufahrt durch Gegner des Projekts, die stets Megafone und anlassbezogene Transparente mit sich geführt hätten. Auf Grund der Blockaden sei es zu Verzögerungen des Arbeitsbeginns einer Baufirma um jeweils 1 bis 2,5 Stunden gekommen. Dabei hätten die Projektgegner ihr Vorgehen an die polizeiliche Taktik angepasst. So hätten sie die Blockaden ab dem 17.01.2011 jeweils erst beendet, nachdem sie hierzu von der Polizei drei Mal durch Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden seien. Da sich bei den Projektgegnern die Vorstellung verfestigt gehabt habe, dass ihr Verhalten bis zur polizeilichen Ansage nicht zu beanstanden sei, seien die blockierenden Projektgegner am 18. und 24.01.2011 jeweils nur einmal zur Beendigung ihres Tuns aufgefordert worden. Da dies nicht zu einer Beendigung der täglichen Blockaden geführt habe, habe die Polizei ihre Strategie insoweit geändert, als strafbare Handlungen künftig ohne vorherige Aufforderung zum Unterlassen unterbunden und verfolgt werden sollten. Bei dem Polizeieinsatz am 24.01.2011 sei dies den an diesem Tag die Baustellenzufahrt blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden.
Am Morgen des 25.01.2011, einem Dienstag, kamen auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der Baustelle am Nordflügel des Hauptbahnhofs zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr ca. 50 Projektgegner zu einem auch schon in der Vergangenheit so beworbenen Blockadefrühstück am Bauzaun zusammen, darunter auch der Kläger. Die Projektgegner hielten sich im Zufahrtsbereich der Baustelle auf der Fahrbahn, der Fußgängerfurt, dem Fahrbahnteiler, am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg auf. Sie führten zwei Transparente mit sich, eines mit dem Text Kriminalisierung? Einschüchterung? IHR KRIEGT UNS NICHT KLEIN! Unser Protest geht weiter!, das andere mit dem Text Baustopp selber machen! - Wir wi(e)der-setzen uns!. Von einigen Projektgegnern wurde das einem straßenverkehrsrechtlichen Ortsendeschild nachempfundene Schild Stuttgart 21 in die Höhe gehalten. Mindestens eine Person führte ein Megafon mit sich.
Nach den Feststellungen der Polizei wurden von den Projektgegnern kurz vor 7.00 Uhr zunächst drei Fahrzeuge einer Baufirma von der Heilbronner Straße in die Zufahrt zum Baustellenbereich durchgelassen. Dem dritten dieser Fahrzeuge, einem LKW, stellten sich mehrere Projektgegner vor der Einfahrt des Parkplatzes auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sodann jedoch in den Weg, so dass dieser nicht weiterfahren konnte. Ebenso wurde ein Transporter einer Baufirma, der von der Heilbronner Straße auf den Kurt-Georg-Kiesinger Platz einfahren wollte, vor der Fußgängerfurt durch auf der Fahrbahn stehende Projektgegner blockiert. Aufgrund der Blockade des Transporters konnte ein hinter diesem auf der Abbiegespur auf der Heilbronner Straße fahrender LKW ebenfalls nicht auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz einfahren. In der Folge stellten sich mindestens drei Projektgegner auch vor dieses Fahrzeug auf die Fahrbahn. Um 7.20 Uhr wurden die sich auf der Fahrbahn vor den blockierten Fahrzeugen aufhaltenden Projektgegner, unter denen sich auch der Kläger befand und deren Anzahl in den Behördenakten zwischen 30 und 32 schwankt, von Polizeikräften umstellt. Während der Beklagte angibt, dass dabei nur Personen erfasst worden seien, die auf der Fahrbahn gestanden hätten, gibt der Kläger an, dass auch Personen, die gar nicht auf der Straße gestanden hätten, sondern auf dem Gehweg oder auf Verkehrsinseln abseits jeder Blockademöglichkeit, teilweise mit körperlicher Gewalt in den von der Polizei umstellten Bereich gezwungen worden seien. Den von Polizeibeamten umstellten Projektgegnern wurde von der Polizei um 7.37 Uhr über Megafon Folgendes erklärt:
Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Sie haben sich einer Nötigung strafbar gemacht. Wir werden jetzt von ihnen einzeln die Personalien feststellen. Im Anschluss erhalten sie einen Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und für die Straße „Am Schlossgarten“ bis 24.00 Uhr heute Abend. Kommen sie diesem Platzverweis nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ferner behalten wir uns vor, Sie dann im Anschluss in Gewahrsam zu nehmen.
Die von der Polizei umstellten Projektgegner wurden sodann einzeln zu Bearbeitungsmodulen der Polizei geführt, wo gegen sie nach der Identitätsfeststellung jeweils ein Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und die Straße „Am Schloßgarten“ am 25.01.2011 bis 24.00 Uhr ausgesprochen wurde. Lichtbilder wurden nach den Angaben der Polizei nur mit Einverständnis der betroffenen Personen gefertigt. Der Kläger wurde nach der Identitätsfeststellung, der Anfertigung eines Lichtbilds und der Anordnung eines Platzverweises um 8.25 Uhr entlassen. Insgesamt waren die polizeilichen Maßnahmen um ca. 9.15 Uhr abgeschlossen.
Am 04.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass seine Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung sowie der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig waren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Zusammentreffen der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie eine Ingewahrsamnahme oder ein Platzverweis - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 Versammlungsgesetz aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen eine Versammlung richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine Auflösung der Versammlung habe nicht stattgefunden. Weder er noch andere Projektgegner seien vor der Ingewahrsamnahme zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien bereits deshalb rechtswidrig gewesen. Auch habe weder eine Nötigung noch eine versuchte Nötigung vorgelegen. Es habe nämlich keine Sitzblockade stattgefunden. Außerdem komme nach der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Nötigung bei der Blockade von Straßen nur dann in Betracht, wenn über die bloße Anwesenheit einzelner Personen auf der Fahrbahn hinaus ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen werde, welches eine Weiterfahrt verhindere. Es müssten daher durch die Sitzblockade Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert und dadurch der nachfolgende Verkehr blockiert werden. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da vor der Umstellung der Projektgegner durch Polizeikräfte nur noch ein Fahrzeug - und dieses sogar noch ohne Fahrer - auf der Heilbronner Straße gestanden habe. Da damit auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe, hätten die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nicht vorgelegen. Selbst bei Vorliegen einer Sitzblockade sei die Ingewahrsamnahme zudem unverhältnismäßig gewesen. Nach alledem hätten auch weder die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 26 PolG noch für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Form der Anfertigung von Lichtbildern nach
§ 36 PolG noch für die Anordnung eines Platzverweises nach § 27a PolG vorgelegen.
Da die vom Kläger für rechtswidrig gehaltenen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und der Identitätsfeststellung von der Polizei zu Zwecken der Strafverfolgung getroffen wurden, hat das Gericht das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2013 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren (5 K 137/13) mit Beschluss vom 17.01.2013 an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 04.03.2013 - 1 S 314/13 - zurückgewiesen.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist deshalb nur noch die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der am 25.01.2011 ihm gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Aufgrund der Blockade habe gegen die sich auf der Fahrbahn aufhaltenden Projektgegner und damit auch gegen den Kläger der Anfangsverdacht der Nötigung bestanden, da ein hinter einem von Projektgegnern blockierten Transporter fahrender LKW, der ebenfalls auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz habe einfahren wollen, wegen des blockierten Trans-porters ebenfalls habe anhalten müssen. Die Blockierer seien deshalb für Zwecke der Strafverfolgung zur Identitätsfeststellung festgehalten worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien ohne Ankündigung erfolgt, was am Tag zuvor den damals blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden sei. Da es sich bei der Zusammenkunft der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 um eine reine Verhinderungsblockade gehandelt habe, könne sich der Kläger auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG umfasse nämlich nicht auch Ansammlungen, deren Hauptzweck es sei, selbsthilfeähnlich das eigene Vorhaben zu erzwingen bzw. das Missbilligte zu verhindern. Selbst wenn die Blockade als Versammlung einzustufen wäre, würde dies den Anfangsverdacht der Nötigung nicht beseitigen, so dass die Polizei nach § 163 StPO zum Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Die Strafverfolgung sei gegenüber dem Versammlungsrecht auch nicht subsidiär. Der nach § 27a Abs. 1 PolG ausgesprochene Platzverweis sei ebenfalls rechtmäßig, insbesondere entfalte das Versammlungsrecht keine Sperrwirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der vorangegangenen Aktion um eine Versammlung gehandelt habe, so habe diese jedenfalls nicht mehr bestanden, als nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen gegen den Kläger der Platzverweis angeordnet worden sei. Nachdem sich der Kläger an der Blockade am Nordflügel beteiligt gehabt habe, habe auch die konkrete Gefahr bestanden, dass er sich weiteren Nötigungshandlungen anschließt. Der Platzverweis sei auch hinreichend bestimmt gewesen, nachdem er dem Kläger - wie über Lautsprecher angekündigt und auf einem individuellen Festnahmeformular dokumentiert - für den Kurt-Georg-Kiesinger Platz und die Straße „Am Schlossgarten“ bekanntgegeben worden sei.
15 
Am 04.12.2013 hat der Kläger die Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit der Begründung beantragt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Nötigung am 25.01.2011 noch nicht abgeschlossen sei. Im Einverständnis mit dem Beklagten hat das Gericht sodann mit Beschluss vom 04.12.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangt hatte, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 04.10.2013 nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, hat er das Verfahren am 25.03.2014 wiederangerufen.
16 
In der mündlichen Verhandlung sind zwei vom Beklagten vorgelegte DVD mit am 25.01.2011 von der Polizei gefertigten Video-Aufnahmen durch Projektion an die Wand des Sitzungssaals in Augenschein genommen worden.
17 
Den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Leiter des Polizeieinsatzes vom 25.01.2011 als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass Personen mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auch auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit, hat das Gericht abgelehnt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten der Landespolizeidirektion und der Staatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen Polizeikosten in Höhe von 180,00 EUR sowie gegen eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR.
Am 12./13.12.2013 fand der Schwertransport der Tunnelvortriebsmaschine zum Bau des Fildertunnels im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 zur Baustelle im Bereich der Schelmenwasenstraße, 70567 Stuttgart, statt. In diesem Zusammenhang wurde am 11.12.2013 beim Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart eine Versammlung zum Thema „Demonstration gegen S 21“ angezeigt. Als Ort der Versammlung wurde „U-Bahn Haltestelle Schelmenwasen, am Waldrand, an Schelmenwasenstraße bei Abzweigung Zettachring“ angegeben, als Zeit wurde genannt: 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr. Am 11.12.2013 erließ die Landeshauptstadt Stuttgart hierfür einen versammlungsrechtlichen Bescheid; als Zeitraum der Versammlung ist in dem Bescheid 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr festgelegt. Die Art der Versammlung ist mit „Kundgebung mit Transparenten, einem Informationstisch und einem Megaphon (bei mehr als 30 Teilnehmern) auf dem Gehweg an der Kreuzung Schelmenwasenstraße/Zettachring in Stuttgart-Möhringen“ beschrieben.
Der Hauptantrieb der Tunnelvortriebsmaschine (Durchmesser 6 m, Höhe 3,6 m, Gewicht ca. 170 t) wurde zunächst auf dem Wasserweg zum Stuttgarter Hafen (Stuttgart-Wangen) transportiert. Von dort aus begann am 12.12.2013, 20:00 Uhr, der Straßentransport über die B 10 in Richtung Esslingen, weiter über Ostfildern (Scharnhausen) zur BAB 8, dann über die B 27 bis zur Ausfahrt Fasanenhof und von dort aus bis zum Baugelände des Fildertunnels im Bereich der Schelmenwasenstraße. Die angezeigte Versammlung auf dem Gehweg des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch wurde von der Versammlungsleiterin am 12.12.2013 um 21:40 Uhr für beendet erklärt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schwertransport noch nicht auf der BAB 8. Nach dem Ende der angezeigten Versammlung bildete sich an derselben Örtlichkeit nach polizeilichen Feststellungen eine Spontandemonstration mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger. In der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Schwertransport ist zum Zeitpunkt 22:33 Uhr vermerkt: „Blockade Schelmenwasen S: Die Blockade steht - es wurde ein Farbeimer ausgeleert - Die Blockieren [richtig wohl: die Blockierer] gehen davon aus, dass sie 150 Personen sind!“ In der Dokumentation ist zum Zeitpunkt 22:57 Uhr vermerkt: „Straßentransport - Neuberechnung Zeitplan S: Nach RS mit dem Disponent des Transports ergeben sich folgende neue Zeiten: 23:30 Uhr Auffahrt BAB 8; 00:00 Uhr B 27/Ausfahrt Fasanenhof; 01:00 bis max. 02:00 Uhr, Eintreffen BE-Fläche Filderportal“.
Von 23:34 Uhr bis 23:54 Uhr erfolgten insgesamt sechs Lautsprecherdurchsagen des Einsatzleiters des Polizeipräsidiums Stuttgart im Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt zur Baustelle in Richtung der vor dem Baustellentor versammelten Personen mit folgendem Inhalt:
Achtung, Achtung!
Es folgt eine wichtige Durchsage der Polizei an alle Personen, die sich auf der Straße Schelmenwasen, sowie auf der Zufahrt zur Baustelle befinden!
Der von Ihnen belegte Verkehrsraum wird für einen Schwertransport benötigt.
Aufgrund der Ausmaße des Schwertransporters besteht im Nahbereich Lebensgefahr!
Bitte verlassen Sie umgehend die Fahrbahn und halten Sie größtmöglichen Abstand zum Schwertransport.
10 
Befolgen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Anweisungen der Polizei.
11 
Die um 23:47 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 4 enthielt den Zusatz:
12 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zum Zettachring.
13 
Die um 23:50 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 5 sowie die um 23:54 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 6 enthielt jeweils folgenden Zusatz:
14 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zur Straße Schelmenwasen in auswärtiger Richtung Höhe EnBW.
15 
Danach erfolgten am 13.12.2013 drei weitere Durchsagen des Einsatzleiters (Nr. 7: 00:14 Uhr, Nr. 8: 00:20 Uhr, Nr. 9: 00:26 Uhr). Die Durchsagen Nrn. 7 und 8 erfolgten mit dem Wortlaut:
16 
Achtung, Achtung!
17 
Es folgt eine wichtige Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
18 
[Die Durchsage umfasst den verfügenden Teil der schriftlichen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013, die nach telefonischer Rücksprache des Polizeivollzugsdienstes mit einem Mitarbeiter der Landeshauptstadt mündlich bekanntzugeben war.]
19 
Verfügung:
20 
An alle Personen, die sich am 12./13.12.2013 an Versammlungen gegen den Straßenschwertransport des Hauptlagers der Tunnelbohrmaschine vom Stuttgarter Hafen zur Tunnelbaustelle auf den Fildern - Baumaßnahmen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 - beteiligen: Allgemeinverfügung - Sehr geehrte Damen und Herren, es ergeht folgende Allgemeinverfügung:
21 
Die Versammlung Schelmenwasen/Zufahrt Baustelle in Stuttgart wird aufgelöst, das heißt, sie genießt nicht länger den Schutz des Versammlungsrechts.
22 
Der Versammlungsort ist unverzüglich zu verlassen.
23 
Als alternativer Versammlungsort wird Ihnen der Bereich Schelmenwasen 43 zugewiesen. Der Polizeivollzugsdienst ist angewiesen, Sie in die genaue Örtlichkeit einzuweisen.
24 
Der Polizeivollzugsdienst löst die Versammlung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs auf, wenn Sie den Versammlungsort nach entsprechender Aufforderung durch den Polizeivollzugsdienst nicht räumen.
25 
Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 3 dieser Verfügung wird angeordnet.
26 
[Ende der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung; die Durchsage setzt sich wie folgt fort:]
27 
Allen Personen, die nicht bereit sind, den Bereich Schelmenwasen West/Zufahrt Baustelle zu verlassen, wird hiermit ein Platzverweis erteilt.
28 
Kommen Sie in Ihrem eigenen Interesse dieser Anordnung der Stadt Stuttgart nach.
29 
Ansonsten muß die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen.
30 
Ihre Personalien werden dabei festgestellt und Sie erhalten einen Kostenbescheid.
31 
Weitere rechtliche Maßnahmen bleiben uns vorbehalten.
32 
Wir bitten Sie, sich jetzt unverzüglich zum zugewiesenen Versammlungsort Schelmenwasen 43 zu entfernen.
33 
Die neunte, um 00:26 Uhr erfolgte letzte Durchsage lautete zu Anfang wie folgt:
34 
Achtung, Achtung!
35 
Es folgt die 3. und letzte Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
36 
Die neunte Durchsage endete wie folgt:
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Die Polizei beginnt jetzt mit der Räumung!
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Hierauf wurden am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00:50 Uhr außer dem Kläger acht weitere Personen von insgesamt 28 Polizeivollzugskräften durch Anwendung unmittelbaren Zwangs vom Blockadeort weggetragen. Vier dieser neun Personen, darunter der Kläger, wurden von vier Polizeivollzugskräften weggetragen, zwei Personen von drei und drei Personen von zwei Polizeivollzugskräften. Die Dauer des Wegtragens betrug zwischen einer Minute und fünf Minuten. Der Kläger wurde bis zum Parkplatz der Firma GTÜ, Vor dem Lauch 25, getragen. Er wurde durch einen Polizeibeamten nach § 163 b Abs. 1 und § 163 c StPO belehrt, verweigerte jedoch auf beiden Formularen die Unterschrift. Des Weiteren verweigerte er ein Sofortbild, weswegen sein Reisepass abfotografiert wurde. Um 01:15 Uhr wurde ihm durch einen Polizeibeamten ein Platzverweis für den Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt Baufeld bis zum 13.12.2013, 04:00 Uhr, erteilt.
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Am 09.01.2014 fertigte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger eine an das Amt für öffentliche Ordnung - Bußgeldstelle - der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Ordnungswidrigkeitenanzeige an mit dem Tatvorwurf eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
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Mit Bescheid vom 20.01.2014 setzte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger wegen der am 13.12.2013, 00:34 Uhr, erfolgten Anwendung unmittelbaren Zwangs eine Gebühr in Höhe von 180,00 EUR nach § 7 der Vollstreckungskostenordnung des Landes Baden-Württemberg (LVwVGKO) fest. Zur Berechnung der Gebühr führte das Polizeipräsidium aus, es seien vier Beamte eingesetzt worden. Je angefangene Stunde und je eingesetztem Beamten betrage die Gebühr 45,00 EUR.
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Mit Schreiben vom 18.02.2014, beim Polizeipräsidium Stuttgart eingegangen am selben Tag, erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 20.01.2014 Widerspruch und führte zur Begründung aus, für die Auflösung der unangemeldeten Versammlung im Bereich der Baustellenzufahrt am Ende der Schelmenwasenstraße habe am 13.12.2013 um 00:26 Uhr keinerlei Veranlassung bestanden. Hierfür gebe es auch keine rechtliche Grundlage. Für die Auflösung der Versammlung habe kein öffentliches Interesse bestanden. Im genannten Zeitpunkt und lange Zeit darüber hinaus seien weder Baustellenfahrzeuge oder Bautätigkeiten behindert worden. Es habe solche Fahrzeuge und Tätigkeiten damals nicht gegeben. Da die Auflösung der Versammlung nicht rechtmäßig gewesen sei, könnten ihm auch keine Kosten in Rechnung gestellt werden. Abgesehen davon sei die Berechnung der Kosten auch nicht nachvollziehbar, da nicht - wie verlangt - die Anzahl der zur Entfernung der Demonstrationsteilnehmer insgesamt eingesetzten Beamten und die Anzahl der zwangsweise entfernten Personen angegeben seien, sondern lediglich die vier auf ihn „entfallenden“ Beamten. Der Einsatz von vier Beamten sei nicht erforderlich gewesen. Er hätte auch sitzend von zwei Beamten weggetragen werden können.
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Während des Widerspruchsverfahrens führte Polizeikommissar G, einer der vier Polizeikräfte, die den Kläger wegtrugen, in einer schriftlichen zeugenschaftlichen Erklärung vom 14.05.2014 im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Kläger aus, der Kläger habe zur Tatzeit augenscheinlich ein großes, kräftiges und adipöses Erscheinungsbild an den Tag gelegt. Deshalb habe er zwei weitere Polizeikräfte aufgefordert, zusammen mit ihm, Polizeikommissar G und Polizeimeister S, den Kläger wegzutragen. Der Kläger habe sich anstandslos wegtragen lassen und keinen Widerstand geleistet. Als sie - die vier Polizeikräfte zusammen mit dem Kläger - aus dem Blickfeld der S 21-Gegner im Bereich der Baustellenzufahrt gelangt seien, habe sich der Kläger entschlossen, von nun an selbst weiter zu gehen.
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Das Polizeipräsidium Stuttgart wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 zurück und setzte eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR fest. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium aus, die nicht angemeldete Versammlung sei aufgrund einer sofort vollziehbaren, bestandskräftigen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart wirksam aufgelöst und als alternativer Versammlungsort der Bereich Schelmenwasenstraße 43 zugewiesen worden. Mit der Allgemeinverfügung sei den Teilnehmern der aufgelösten Versammlung außerdem aufgegeben worden, den Versammlungsort unverzüglich zu verlassen. Die Wahl des Versammlungsorts im Bereich der Baustellenzufahrt habe, wenn überhaupt, jedenfalls nicht vorrangig auf eine öffentliche Meinungsbildung abgezielt, sondern darauf, den Schwertransport zu blockieren bzw. zumindest erheblich zu behindern oder zu erschweren und damit in einem nicht mehr verhältnismäßigen Maß die Grundrechte Dritter, nämlich des Auftraggebers des Schwertransportes und der sonstigen am Schwertransport beteiligten Personen sowie anderer Verkehrsteilnehmer, einzuschränken. Nach Abwägung der verschiedenen Grundrechts- und Rechtspositionen habe das Versammlungsrecht in Bezug auf die Wahl des Versammlungsortes in der Schelmenwasenstraße im Bereich der Baustellenzufahrt zurückzutreten gehabt. Mit der alternativ zugewiesenen Örtlichkeit im Bereich der Schelmenwasenstraße 43 (mit Sicht und Beschallungsmöglichkeit auf die Baustellenzufahrt) hätten die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung in unmittelbarer Nähe die Möglichkeit erhalten, ihr Anliegen mit dem Ziel der öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen einer Versammlung ohne zeitliche und inhaltliche Einschränkung weiterhin zu vertreten. Die festgesetzte Gebühr in Höhe von 180,00 EUR sei nach Grund und Höhe rechtmäßig erfolgt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 16.10.2014 zugestellt.
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Am 14.11.2014 hat der Kläger gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 Klage erhoben, mit der er sich auch ausdrücklich gegen die festgesetzte Widerspruchsgebühr wendet. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, er sei 1,86 m groß und wiege 90 kg. Die angefochtenen Bescheide verstießen gegen verschiedene Grundrechte (allgemeine Handlungsfreiheit, Versammlungs- und Meinungsfreiheit). Bei der Festsetzung der Gebühr sei § 9 Abs. 2 LVwVGKO nicht beachtet worden. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei unverhältnismäßig und unangemessen. Sie stehe im Widerspruch zu Art. 3 GG und behindere ihn in seinem Recht, gegen Verwaltungsakte Widerspruch einzulegen. Die Möglichkeit der Erhebung von Widersprüchen dürfe faktisch nicht von der Finanzkraft des Staatsbürgers abhängen. Vor der Polizeireform 2013 habe das Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde über einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt des Polizeipräsidiums entschieden. Das jetzt angewandte Verfahren, wonach die bescheidende Stelle (Polizeipräsidium) selbst über den Widerspruch entscheide, sei rechtswidrig.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus, die Versammlung sei zu Recht aufgelöst worden. Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart mit der Auflösung so lange gewartet, bis der Schwertransport unmittelbar vor Ort gewesen sei, hätte sich die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was gerade Zweck der nicht angemeldeten Versammlung gewesen sei, realisiert und zu nicht akzeptablen Be- und Verhinderungen geführt. Schon hieraus sei ersichtlich, dass die Auflösung der Versammlung frühzeitig habe erfolgen müssen. Hinzu komme, dass - zum einen - nie genau gesagt werden könne, wann ein Schwertransport an einem bestimmten Ort ankommt, was von vielen Faktoren abhänge, etwa Hindernissen auf dem Fahrweg, der Verkehrslage sowie des Wetters. Zudem nehme die zu erwartende - und später auch notwendig gewordene - Räumung der Straße von etlichen Personen einige Zeit in Anspruch. Die Auflösung der Versammlung sei daher zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Sie sei auch nicht unverhältnismäßig im weiteren Sinne und ferner nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Auflösung sei unumgänglich gewesen. § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO finde auf den Kläger keine Anwendung. Der Platzverweis und das hierauf erfolgte erforderliche Wegtragen habe sich allein auf den Kläger bezogen und nicht auf eine Mehrheit von Pflichtigen. Die Teilnehmer an der Blockade seien jeweils höchstpersönlich verpflichtet gewesen, dem Platzverweis Folge zu leisten. Dieser Pflicht habe der Kläger nur für sich selbst Folge leisten können, nicht für andere Blockadeteilnehmer. Die Ordnungspflichten der anderen Blockierer hätten - zur gleichen Zeit und am selben Ort - daneben bestanden. Trotz mehrerer Pflichtiger habe kein Fall der Gesamtschuldnerschaft bezüglich der Ordnungspflichten vorgelegen. Die Regelung in § 9 LVwVGKO solle gewährleisten, dass die Kosten für den Einzelnen nicht eine unverhältnismäßige Höhe erreichen und schließe daher im Rahmen einer Vollstreckung bei derselben Gelegenheit die Gesamtschuld aus. Für den Fall sogenannter Sitzblockaden sei bei der Bestimmung der Kostenlast für das Wegtragen zu berücksichtigen, dass die situativ erforderliche, individuelle Willensbeugung unterschiedlichen Aufwand erfordern könne. So könne die wegzutragende Person durch Handlungen wie Strampeln, Schlagen, Festhalten oder auch durch ihre bloße physische Konstitution (Gewicht) den notwendigen polizeilichen Aufwand erhöhen. Die Polizei müsse daher in der Regel den Aufwand der jeweiligen Zwangsanwendung durch Wegtragen konkret - Einsatzzeit und Anzahl der Beamten - und für den einzelnen Pflichtigen feststellen. Die vom Kläger intendierte Verteilung der auf seine Person bezogenen (höheren) Wegtragekosten - aufgrund des erforderlichen Einsatzes von vier Beamten - scheitere auch daran, dass diese „Mehrkosten“ nicht auf andere Teilnehmer der Blockadeaktion, für die zwei oder drei Beamte zum Wegtragen ausgereicht hätten, umgelegt werden können. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur individuellen Willensbeugung sei anerkannt, dass ein Pflichtiger höchstens nur die durch ihn verursachten Kosten tragen müsse, nicht aber die Kosten anderer Vollstreckungsschuldner. Für § 9 LVwVGKO verbleibe bei der Anwendung des unmittelbaren Zwangs durch die Polizei nur ein beschränkter Anwendungsbereich. Lediglich dann, wenn keine Gesamtschuldnerschaft der Pflichtigen bestehe und Kosten dennoch nicht unmittelbar individuell zugerechnet werden könnten, könne eine Verteilung nur dieser Kosten auf alle Pflichtigen erfolgen. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart sei nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO selbst Widerspruchsbehörde.
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Die einschlägigen Akten des Polizeipräsidiums Stuttgart sowie die versammlungsrechtlichen Akten der Landeshauptstadt Stuttgart liegen vor.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
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I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
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II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
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III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
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a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
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b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
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c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
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aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
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bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
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(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
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(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
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Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
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Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
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Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
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bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
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cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
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2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
72 
IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
73 
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74 
VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Gründe

 
51 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
52 
I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
53 
II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
56 
III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
58 
a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
59 
b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
60 
c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
62 
aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
63 
bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
64 
(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
65 
(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
66 
Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
67 
Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
68 
Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
69 
bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
70 
cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
71 
2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
72 
IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
73 
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74 
VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises.
Am 10.01.2011 wurden am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs die Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 nach einer Baupause fortgesetzt. Nach den Feststellungen der Polizei kam es dabei nahezu jeden Morgen ab 7.00 Uhr zu Blockaden der Baustellenzufahrt durch Gegner des Projekts, die stets Megafone und anlassbezogene Transparente mit sich geführt hätten. Auf Grund der Blockaden sei es zu Verzögerungen des Arbeitsbeginns einer Baufirma um jeweils 1 bis 2,5 Stunden gekommen. Dabei hätten die Projektgegner ihr Vorgehen an die polizeiliche Taktik angepasst. So hätten sie die Blockaden ab dem 17.01.2011 jeweils erst beendet, nachdem sie hierzu von der Polizei drei Mal durch Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden seien. Da sich bei den Projektgegnern die Vorstellung verfestigt gehabt habe, dass ihr Verhalten bis zur polizeilichen Ansage nicht zu beanstanden sei, seien die blockierenden Projektgegner am 18. und 24.01.2011 jeweils nur einmal zur Beendigung ihres Tuns aufgefordert worden. Da dies nicht zu einer Beendigung der täglichen Blockaden geführt habe, habe die Polizei ihre Strategie insoweit geändert, als strafbare Handlungen künftig ohne vorherige Aufforderung zum Unterlassen unterbunden und verfolgt werden sollten. Bei dem Polizeieinsatz am 24.01.2011 sei dies den an diesem Tag die Baustellenzufahrt blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden.
Am Morgen des 25.01.2011, einem Dienstag, kamen auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der Baustelle am Nordflügel des Hauptbahnhofs zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr ca. 50 Projektgegner zu einem auch schon in der Vergangenheit so beworbenen Blockadefrühstück am Bauzaun zusammen, darunter auch der Kläger. Die Projektgegner hielten sich im Zufahrtsbereich der Baustelle auf der Fahrbahn, der Fußgängerfurt, dem Fahrbahnteiler, am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg auf. Sie führten zwei Transparente mit sich, eines mit dem Text Kriminalisierung? Einschüchterung? IHR KRIEGT UNS NICHT KLEIN! Unser Protest geht weiter!, das andere mit dem Text Baustopp selber machen! - Wir wi(e)der-setzen uns!. Von einigen Projektgegnern wurde das einem straßenverkehrsrechtlichen Ortsendeschild nachempfundene Schild Stuttgart 21 in die Höhe gehalten. Mindestens eine Person führte ein Megafon mit sich.
Nach den Feststellungen der Polizei wurden von den Projektgegnern kurz vor 7.00 Uhr zunächst drei Fahrzeuge einer Baufirma von der Heilbronner Straße in die Zufahrt zum Baustellenbereich durchgelassen. Dem dritten dieser Fahrzeuge, einem LKW, stellten sich mehrere Projektgegner vor der Einfahrt des Parkplatzes auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sodann jedoch in den Weg, so dass dieser nicht weiterfahren konnte. Ebenso wurde ein Transporter einer Baufirma, der von der Heilbronner Straße auf den Kurt-Georg-Kiesinger Platz einfahren wollte, vor der Fußgängerfurt durch auf der Fahrbahn stehende Projektgegner blockiert. Aufgrund der Blockade des Transporters konnte ein hinter diesem auf der Abbiegespur auf der Heilbronner Straße fahrender LKW ebenfalls nicht auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz einfahren. In der Folge stellten sich mindestens drei Projektgegner auch vor dieses Fahrzeug auf die Fahrbahn. Um 7.20 Uhr wurden die sich auf der Fahrbahn vor den blockierten Fahrzeugen aufhaltenden Projektgegner, unter denen sich auch der Kläger befand und deren Anzahl in den Behördenakten zwischen 30 und 32 schwankt, von Polizeikräften umstellt. Während der Beklagte angibt, dass dabei nur Personen erfasst worden seien, die auf der Fahrbahn gestanden hätten, gibt der Kläger an, dass auch Personen, die gar nicht auf der Straße gestanden hätten, sondern auf dem Gehweg oder auf Verkehrsinseln abseits jeder Blockademöglichkeit, teilweise mit körperlicher Gewalt in den von der Polizei umstellten Bereich gezwungen worden seien. Den von Polizeibeamten umstellten Projektgegnern wurde von der Polizei um 7.37 Uhr über Megafon Folgendes erklärt:
Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Sie haben sich einer Nötigung strafbar gemacht. Wir werden jetzt von ihnen einzeln die Personalien feststellen. Im Anschluss erhalten sie einen Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und für die Straße „Am Schlossgarten“ bis 24.00 Uhr heute Abend. Kommen sie diesem Platzverweis nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ferner behalten wir uns vor, Sie dann im Anschluss in Gewahrsam zu nehmen.
Die von der Polizei umstellten Projektgegner wurden sodann einzeln zu Bearbeitungsmodulen der Polizei geführt, wo gegen sie nach der Identitätsfeststellung jeweils ein Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und die Straße „Am Schloßgarten“ am 25.01.2011 bis 24.00 Uhr ausgesprochen wurde. Lichtbilder wurden nach den Angaben der Polizei nur mit Einverständnis der betroffenen Personen gefertigt. Der Kläger wurde nach der Identitätsfeststellung, der Anfertigung eines Lichtbilds und der Anordnung eines Platzverweises um 8.25 Uhr entlassen. Insgesamt waren die polizeilichen Maßnahmen um ca. 9.15 Uhr abgeschlossen.
Am 04.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass seine Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung sowie der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig waren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Zusammentreffen der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie eine Ingewahrsamnahme oder ein Platzverweis - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 Versammlungsgesetz aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen eine Versammlung richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine Auflösung der Versammlung habe nicht stattgefunden. Weder er noch andere Projektgegner seien vor der Ingewahrsamnahme zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien bereits deshalb rechtswidrig gewesen. Auch habe weder eine Nötigung noch eine versuchte Nötigung vorgelegen. Es habe nämlich keine Sitzblockade stattgefunden. Außerdem komme nach der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Nötigung bei der Blockade von Straßen nur dann in Betracht, wenn über die bloße Anwesenheit einzelner Personen auf der Fahrbahn hinaus ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen werde, welches eine Weiterfahrt verhindere. Es müssten daher durch die Sitzblockade Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert und dadurch der nachfolgende Verkehr blockiert werden. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da vor der Umstellung der Projektgegner durch Polizeikräfte nur noch ein Fahrzeug - und dieses sogar noch ohne Fahrer - auf der Heilbronner Straße gestanden habe. Da damit auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe, hätten die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nicht vorgelegen. Selbst bei Vorliegen einer Sitzblockade sei die Ingewahrsamnahme zudem unverhältnismäßig gewesen. Nach alledem hätten auch weder die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 26 PolG noch für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Form der Anfertigung von Lichtbildern nach
§ 36 PolG noch für die Anordnung eines Platzverweises nach § 27a PolG vorgelegen.
Da die vom Kläger für rechtswidrig gehaltenen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und der Identitätsfeststellung von der Polizei zu Zwecken der Strafverfolgung getroffen wurden, hat das Gericht das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2013 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren (5 K 137/13) mit Beschluss vom 17.01.2013 an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 04.03.2013 - 1 S 314/13 - zurückgewiesen.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist deshalb nur noch die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der am 25.01.2011 ihm gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Aufgrund der Blockade habe gegen die sich auf der Fahrbahn aufhaltenden Projektgegner und damit auch gegen den Kläger der Anfangsverdacht der Nötigung bestanden, da ein hinter einem von Projektgegnern blockierten Transporter fahrender LKW, der ebenfalls auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz habe einfahren wollen, wegen des blockierten Trans-porters ebenfalls habe anhalten müssen. Die Blockierer seien deshalb für Zwecke der Strafverfolgung zur Identitätsfeststellung festgehalten worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien ohne Ankündigung erfolgt, was am Tag zuvor den damals blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden sei. Da es sich bei der Zusammenkunft der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 um eine reine Verhinderungsblockade gehandelt habe, könne sich der Kläger auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG umfasse nämlich nicht auch Ansammlungen, deren Hauptzweck es sei, selbsthilfeähnlich das eigene Vorhaben zu erzwingen bzw. das Missbilligte zu verhindern. Selbst wenn die Blockade als Versammlung einzustufen wäre, würde dies den Anfangsverdacht der Nötigung nicht beseitigen, so dass die Polizei nach § 163 StPO zum Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Die Strafverfolgung sei gegenüber dem Versammlungsrecht auch nicht subsidiär. Der nach § 27a Abs. 1 PolG ausgesprochene Platzverweis sei ebenfalls rechtmäßig, insbesondere entfalte das Versammlungsrecht keine Sperrwirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der vorangegangenen Aktion um eine Versammlung gehandelt habe, so habe diese jedenfalls nicht mehr bestanden, als nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen gegen den Kläger der Platzverweis angeordnet worden sei. Nachdem sich der Kläger an der Blockade am Nordflügel beteiligt gehabt habe, habe auch die konkrete Gefahr bestanden, dass er sich weiteren Nötigungshandlungen anschließt. Der Platzverweis sei auch hinreichend bestimmt gewesen, nachdem er dem Kläger - wie über Lautsprecher angekündigt und auf einem individuellen Festnahmeformular dokumentiert - für den Kurt-Georg-Kiesinger Platz und die Straße „Am Schlossgarten“ bekanntgegeben worden sei.
15 
Am 04.12.2013 hat der Kläger die Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit der Begründung beantragt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Nötigung am 25.01.2011 noch nicht abgeschlossen sei. Im Einverständnis mit dem Beklagten hat das Gericht sodann mit Beschluss vom 04.12.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangt hatte, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 04.10.2013 nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, hat er das Verfahren am 25.03.2014 wiederangerufen.
16 
In der mündlichen Verhandlung sind zwei vom Beklagten vorgelegte DVD mit am 25.01.2011 von der Polizei gefertigten Video-Aufnahmen durch Projektion an die Wand des Sitzungssaals in Augenschein genommen worden.
17 
Den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Leiter des Polizeieinsatzes vom 25.01.2011 als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass Personen mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auch auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit, hat das Gericht abgelehnt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten der Landespolizeidirektion und der Staatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises.
Am 10.01.2011 wurden am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs die Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 nach einer Baupause fortgesetzt. Nach den Feststellungen der Polizei kam es dabei nahezu jeden Morgen ab 7.00 Uhr zu Blockaden der Baustellenzufahrt durch Gegner des Projekts, die stets Megafone und anlassbezogene Transparente mit sich geführt hätten. Auf Grund der Blockaden sei es zu Verzögerungen des Arbeitsbeginns einer Baufirma um jeweils 1 bis 2,5 Stunden gekommen. Dabei hätten die Projektgegner ihr Vorgehen an die polizeiliche Taktik angepasst. So hätten sie die Blockaden ab dem 17.01.2011 jeweils erst beendet, nachdem sie hierzu von der Polizei drei Mal durch Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden seien. Da sich bei den Projektgegnern die Vorstellung verfestigt gehabt habe, dass ihr Verhalten bis zur polizeilichen Ansage nicht zu beanstanden sei, seien die blockierenden Projektgegner am 18. und 24.01.2011 jeweils nur einmal zur Beendigung ihres Tuns aufgefordert worden. Da dies nicht zu einer Beendigung der täglichen Blockaden geführt habe, habe die Polizei ihre Strategie insoweit geändert, als strafbare Handlungen künftig ohne vorherige Aufforderung zum Unterlassen unterbunden und verfolgt werden sollten. Bei dem Polizeieinsatz am 24.01.2011 sei dies den an diesem Tag die Baustellenzufahrt blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden.
Am Morgen des 25.01.2011, einem Dienstag, kamen auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der Baustelle am Nordflügel des Hauptbahnhofs zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr ca. 50 Projektgegner zu einem auch schon in der Vergangenheit so beworbenen Blockadefrühstück am Bauzaun zusammen, darunter auch der Kläger. Die Projektgegner hielten sich im Zufahrtsbereich der Baustelle auf der Fahrbahn, der Fußgängerfurt, dem Fahrbahnteiler, am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg auf. Sie führten zwei Transparente mit sich, eines mit dem Text Kriminalisierung? Einschüchterung? IHR KRIEGT UNS NICHT KLEIN! Unser Protest geht weiter!, das andere mit dem Text Baustopp selber machen! - Wir wi(e)der-setzen uns!. Von einigen Projektgegnern wurde das einem straßenverkehrsrechtlichen Ortsendeschild nachempfundene Schild Stuttgart 21 in die Höhe gehalten. Mindestens eine Person führte ein Megafon mit sich.
Nach den Feststellungen der Polizei wurden von den Projektgegnern kurz vor 7.00 Uhr zunächst drei Fahrzeuge einer Baufirma von der Heilbronner Straße in die Zufahrt zum Baustellenbereich durchgelassen. Dem dritten dieser Fahrzeuge, einem LKW, stellten sich mehrere Projektgegner vor der Einfahrt des Parkplatzes auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sodann jedoch in den Weg, so dass dieser nicht weiterfahren konnte. Ebenso wurde ein Transporter einer Baufirma, der von der Heilbronner Straße auf den Kurt-Georg-Kiesinger Platz einfahren wollte, vor der Fußgängerfurt durch auf der Fahrbahn stehende Projektgegner blockiert. Aufgrund der Blockade des Transporters konnte ein hinter diesem auf der Abbiegespur auf der Heilbronner Straße fahrender LKW ebenfalls nicht auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz einfahren. In der Folge stellten sich mindestens drei Projektgegner auch vor dieses Fahrzeug auf die Fahrbahn. Um 7.20 Uhr wurden die sich auf der Fahrbahn vor den blockierten Fahrzeugen aufhaltenden Projektgegner, unter denen sich auch der Kläger befand und deren Anzahl in den Behördenakten zwischen 30 und 32 schwankt, von Polizeikräften umstellt. Während der Beklagte angibt, dass dabei nur Personen erfasst worden seien, die auf der Fahrbahn gestanden hätten, gibt der Kläger an, dass auch Personen, die gar nicht auf der Straße gestanden hätten, sondern auf dem Gehweg oder auf Verkehrsinseln abseits jeder Blockademöglichkeit, teilweise mit körperlicher Gewalt in den von der Polizei umstellten Bereich gezwungen worden seien. Den von Polizeibeamten umstellten Projektgegnern wurde von der Polizei um 7.37 Uhr über Megafon Folgendes erklärt:
Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Sie haben sich einer Nötigung strafbar gemacht. Wir werden jetzt von ihnen einzeln die Personalien feststellen. Im Anschluss erhalten sie einen Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und für die Straße „Am Schlossgarten“ bis 24.00 Uhr heute Abend. Kommen sie diesem Platzverweis nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ferner behalten wir uns vor, Sie dann im Anschluss in Gewahrsam zu nehmen.
Die von der Polizei umstellten Projektgegner wurden sodann einzeln zu Bearbeitungsmodulen der Polizei geführt, wo gegen sie nach der Identitätsfeststellung jeweils ein Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und die Straße „Am Schloßgarten“ am 25.01.2011 bis 24.00 Uhr ausgesprochen wurde. Lichtbilder wurden nach den Angaben der Polizei nur mit Einverständnis der betroffenen Personen gefertigt. Der Kläger wurde nach der Identitätsfeststellung, der Anfertigung eines Lichtbilds und der Anordnung eines Platzverweises um 8.25 Uhr entlassen. Insgesamt waren die polizeilichen Maßnahmen um ca. 9.15 Uhr abgeschlossen.
Am 04.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass seine Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung sowie der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig waren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Zusammentreffen der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie eine Ingewahrsamnahme oder ein Platzverweis - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 Versammlungsgesetz aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen eine Versammlung richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine Auflösung der Versammlung habe nicht stattgefunden. Weder er noch andere Projektgegner seien vor der Ingewahrsamnahme zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien bereits deshalb rechtswidrig gewesen. Auch habe weder eine Nötigung noch eine versuchte Nötigung vorgelegen. Es habe nämlich keine Sitzblockade stattgefunden. Außerdem komme nach der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Nötigung bei der Blockade von Straßen nur dann in Betracht, wenn über die bloße Anwesenheit einzelner Personen auf der Fahrbahn hinaus ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen werde, welches eine Weiterfahrt verhindere. Es müssten daher durch die Sitzblockade Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert und dadurch der nachfolgende Verkehr blockiert werden. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da vor der Umstellung der Projektgegner durch Polizeikräfte nur noch ein Fahrzeug - und dieses sogar noch ohne Fahrer - auf der Heilbronner Straße gestanden habe. Da damit auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe, hätten die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nicht vorgelegen. Selbst bei Vorliegen einer Sitzblockade sei die Ingewahrsamnahme zudem unverhältnismäßig gewesen. Nach alledem hätten auch weder die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 26 PolG noch für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Form der Anfertigung von Lichtbildern nach
§ 36 PolG noch für die Anordnung eines Platzverweises nach § 27a PolG vorgelegen.
Da die vom Kläger für rechtswidrig gehaltenen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und der Identitätsfeststellung von der Polizei zu Zwecken der Strafverfolgung getroffen wurden, hat das Gericht das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2013 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren (5 K 137/13) mit Beschluss vom 17.01.2013 an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 04.03.2013 - 1 S 314/13 - zurückgewiesen.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist deshalb nur noch die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der am 25.01.2011 ihm gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Aufgrund der Blockade habe gegen die sich auf der Fahrbahn aufhaltenden Projektgegner und damit auch gegen den Kläger der Anfangsverdacht der Nötigung bestanden, da ein hinter einem von Projektgegnern blockierten Transporter fahrender LKW, der ebenfalls auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz habe einfahren wollen, wegen des blockierten Trans-porters ebenfalls habe anhalten müssen. Die Blockierer seien deshalb für Zwecke der Strafverfolgung zur Identitätsfeststellung festgehalten worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien ohne Ankündigung erfolgt, was am Tag zuvor den damals blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden sei. Da es sich bei der Zusammenkunft der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 um eine reine Verhinderungsblockade gehandelt habe, könne sich der Kläger auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG umfasse nämlich nicht auch Ansammlungen, deren Hauptzweck es sei, selbsthilfeähnlich das eigene Vorhaben zu erzwingen bzw. das Missbilligte zu verhindern. Selbst wenn die Blockade als Versammlung einzustufen wäre, würde dies den Anfangsverdacht der Nötigung nicht beseitigen, so dass die Polizei nach § 163 StPO zum Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Die Strafverfolgung sei gegenüber dem Versammlungsrecht auch nicht subsidiär. Der nach § 27a Abs. 1 PolG ausgesprochene Platzverweis sei ebenfalls rechtmäßig, insbesondere entfalte das Versammlungsrecht keine Sperrwirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der vorangegangenen Aktion um eine Versammlung gehandelt habe, so habe diese jedenfalls nicht mehr bestanden, als nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen gegen den Kläger der Platzverweis angeordnet worden sei. Nachdem sich der Kläger an der Blockade am Nordflügel beteiligt gehabt habe, habe auch die konkrete Gefahr bestanden, dass er sich weiteren Nötigungshandlungen anschließt. Der Platzverweis sei auch hinreichend bestimmt gewesen, nachdem er dem Kläger - wie über Lautsprecher angekündigt und auf einem individuellen Festnahmeformular dokumentiert - für den Kurt-Georg-Kiesinger Platz und die Straße „Am Schlossgarten“ bekanntgegeben worden sei.
15 
Am 04.12.2013 hat der Kläger die Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit der Begründung beantragt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Nötigung am 25.01.2011 noch nicht abgeschlossen sei. Im Einverständnis mit dem Beklagten hat das Gericht sodann mit Beschluss vom 04.12.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangt hatte, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 04.10.2013 nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, hat er das Verfahren am 25.03.2014 wiederangerufen.
16 
In der mündlichen Verhandlung sind zwei vom Beklagten vorgelegte DVD mit am 25.01.2011 von der Polizei gefertigten Video-Aufnahmen durch Projektion an die Wand des Sitzungssaals in Augenschein genommen worden.
17 
Den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Leiter des Polizeieinsatzes vom 25.01.2011 als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass Personen mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auch auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit, hat das Gericht abgelehnt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten der Landespolizeidirektion und der Staatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der dem Kläger gegenüber am 25.01.2011 durch Polizeibeamte angeordnete Platzverweis war rechtswidrig und verletzte den Kläger auch in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
20 
Nachdem sich der zumindest einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG darstellende Platzverweis durch Zeitablauf am 25.01.2011 um 24.00 Uhr und damit vor Klageerhebung erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, BVerwGE 138, 186; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155, und vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 -, VBlBW 2012, 61, jeweils m.w.N.) und auch sonst zulässig. Die so genannte nachgezogene Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht an die Klagefristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden und in zeitlicher Hinsicht nur durch eine Verwirkung - wofür hier nichts spricht - begrenzt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 14.12.2010 - 1 S 338/10 -, VBlBW 2011, 155). Die Klage wurde fünfeinhalb Wochen nach Anordnung des Platzverweises am 25.01.2011 erhoben. Das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 129 ff.) liegt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung spezifischer Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1 GG) als auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Da sich die Problematik in Anbetracht der Stuttgart 21-Baustellenblockaden auch immer wieder neu stellen kann, ergibt sich das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Platzverweises auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 - 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288; Urteile des VGH Baden-Württemberg vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 -, juris, und 12.07.2010 - 1 S 349/10 -, VBlBW 2010, 468).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der am 25.01.2011 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis war rechtswidrig und verletzte diesen auch in seinen Rechten. Der Platzverweis stellte einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Klägers dar, der nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gedeckt war.
22 
Als Ermächtigungsgrundlage für den deutlich weniger als 24 Stunden andauernden Platzverweis kommt allein § 27a Abs. 1 PolG in Betracht (zur Abgrenzung des Platzverweises nach § 27a Abs. 1 PolG zum Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 PolG vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 132). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG scheitert jedoch an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts.
23 
Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1978 (BGBl. I S 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366), - VersG - eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. die §§ 17a Abs. 4, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG gebiete diese für den Schutz des Grundrechtsträgers wesentlichen Förmlichkeiten. Denn es handele sich um Anforderungen der Erkennbarkeit und damit der Rechtssicherheit, deren Beachtung für die Möglichkeit einer Nutzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit wesentlich sei. In Versammlungen entstünden häufig Situationen rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit. Versammlungsteilnehmer müssten wissen, wann der Schutz der Versammlungsfreiheit ende, denn Unsicherheiten könnten sie einschüchtern und von der Ausübung des Grundrechts abhalten. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt werde, scheide aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen aus.
24 
Dieser rechtlichen Voraussetzungen war sich die Polizeiführung im vorliegenden Fall zwar bewusst, sie ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei den Blockademaßnahmen um eine nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckte Verhinderungsblockade gehandelt habe. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts, so dass auch das Verhalten des Klägers in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fiel.
25 
Art. 8 Abs. 1 GG und das Versammlungsgesetz definieren den Begriff der Versammlung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -, juris, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass dazu auch solche Zusammenkünfte gehörten, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen werde. Der Schutz sei nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten werde, sondern umfasse vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden. Bei einer Versammlung gehe es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vom Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG seien deshalb grundsätzlich auch der öffentlichen Meinungsbildung dienende Blockadeaktionen, sog. demonstrative Blockaden, umfasst. Diene eine Blockade dagegen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, der Kundgebung einer Meinung oder der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen, sondern der zwangsweisen oder sonst wie selbsthilfeähnlichen Durchsetzung eigener Forderungen vor Ort, falle dies nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - und 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, jeweils juris). In Anlehnung an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sowohl in der juristischen Praxis als auch in der politischen Auseinandersetzung der Topos der nicht unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden „Verhinderungsblockade“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese soll daran zu erkennen sein, dass sie im Gegensatz zu bloß demonstrativen Blockaden nicht nur Protest ausdrücke, sondern dasjenige verhindern wolle, was missbilligt wird (vgl. z.B. Rusteberg, Die Verhinderungsblockade, NJW 2011, 2999).
26 
Nach diesen Grundsätzen handelte es sich bei der fraglichen Aktion am 25.01.2011 entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um eine sog. Verhinderungsblockade, sondern um eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade. Zwar hat die Blockade der Durchfahrt zum Kurt-Georg-Kiesinger-Platz gerade darauf abgezielt, die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 zu verhindern, weshalb der Beklagte von einer reinen Verhinderungsblockade ausging. Bei der Verhinderung der Bauarbeiten handelte es sich nach Ansicht des Gerichts jedoch lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Projekts Stuttgart 21 bzw. des Kernstücks dieses Projekts, dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Davon, dass die mit deutlich weniger als 50 Personen relativ klein angelegte Aktion durch die kurzfristige schlichte Blockade der Baustellenzufahrt durch auf der Fahrbahn stehende Personen eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Forderungen darstellte, die von sich aus eine endgültige Zielerreichung, nämlich den Ausstieg von Politik und Wirtschaft aus dem Großprojekt und damit dessen endgültige Verhinderung wahrscheinlich macht, kann nicht ausgegangen werden. Dass den Teilnehmern an der Aktion auch nicht die Erwartung unterstellt werden kann, das Projekt Stuttgart 21 durch die Blockade der Baustellenzufahrt am Morgen des 25.01.2011 selbst zu verhindern, bedarf angesichts des Großprojekts keiner weiteren Begründung. Ein derartiger Erfolg kann vielmehr nur in Aussicht stehen, wenn die Blockade so auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, dass in dem durch sie initiierten oder verstärkten politischen Diskurs das zu verhindernde Projekt Stuttgart 21 aufgegeben wird. Zur Erreichung dieses Fernziels haben die Teilnehmer der Aktion nach außen vielmehr durch die bloße Anwesenheit vor dem abgerissenen Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wo die Bauvorbereitungen für das unterirdische Technikgebäude für Stuttgart 21 liefen, und die Art des Auftretens mit anlassbezogenen Plakaten, auf welchen der Protest gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck kam, entsprechende Megafondurchsagen und das Skandieren entsprechender Sprüche - wie bei zahlreichen anderen Aktionen von Projektgegnern - in erster Linie ersichtlich ihren Widerstand gegen das Vorhaben Stuttgart 21 zum Ausdruck bringen, auf die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Baumaßnahmen aufmerksam machen und in diesem Rahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten am 25.01.2011 symbolisch unterbrechen wollen. Dabei ist als auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtetes Element der Aktion auch der Internetauftritt der Parkschützer anzusehen, in dem zu den Blockadefrühstücken am Bauzaun eingeladen wurde. Im Vordergrund der so beworbenen und wiederholt durchgeführten Aktion stand damit der öffentliche Protest mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die beabsichtigte Unterbrechung der Bauarbeiten durch die Blockadeteilnehmer war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit.
27 
Die aus Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 initiierte Veranstaltung am 25.01.2011 war nach alledem eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und damit eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung, zu der auch der Kläger gehörte.
28 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit der Blockadeaktion. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe bis zur Grenze der Unfriedlichkeit. Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt (vgl. Art. 8 Abs. 1 GG). Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 - juris, m.w.N.). Für entsprechende Ausschreitungen durch den Kläger oder einen insgesamt unfriedlichen Verlauf der Versammlung in diesem Sinne war vorliegend nichts ersichtlich. Auch der weitere Verlauf hielt sich im Rahmen eines passiven Protestes und die Versammlungsteilnehmer nahmen sowohl die strafprozessualen Maßnahmen (Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung) als auch den streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweis widerstandslos hin. Das Verhalten der Blockadeteilnehmer kann daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung der Blockade von Baustellenfahrzeugen als Gewalt im Sinne des § 240 StGB. Denn für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere Gewaltbegriff des § 240 StGB (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, juris).
29 
Der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG besteht auch unabhängig davon, dass die Versammlung am 25.01.2011 nicht angemeldet war. Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung (Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis) der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). In der Anmeldung ist anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll (§ 14 Abs. 2 VersG). Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung nach § 14 VersG durchführt, wird nach § 26 Nr. 2 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anmeldepflicht gilt jedoch nicht für eine sich ungeplant aus aktuellem Anlass grundsätzlich ohne Einladung und Versammlungsleiter bildende Spontanversammlung (z.B. spontane Trauerkundgebungen und Feiern), soweit der mit ihr verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldepflicht nicht erreicht werden könnte. Denn auch diese Art von Versammlung steht unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris).
30 
Bei der am 25.01.2011 durchgeführten Versammlung handelte es sich um eine anmeldepflichtige Versammlung und nicht um eine Spontanversammlung. Mit dem bereits vor dem 25.01.2011 beworbenen und auch mehrfach durchgeführten Blockadefrühstück am Bauzaun sollte gegen das Projekt Stuttgart 21 protestiert werden. Von einer sich ungeplant aus aktuellem Anlass gebildeten Spontanversammlung kann deshalb keine Rede sein. Für die Versammlung am 25.01.2011 bestand deshalb die gesetzliche Anmeldepflicht, so dass sie spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Versammlungsbehörde hätte angemeldet werden müssen. Da der Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch unabhängig davon besteht, dass die Versammlung nach § 14 VersG hätte angemeldet werden müssen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris), folgt aus dem Verstoß gegen die gesetzliche Anmeldepflicht unabhängig davon, dass durch ihn der Straftatbestand des § 26 Nr. 2 VersG erfüllt war, lediglich, dass die im Ermessen der Versammlungsbehörde stehende Auflösung der Versammlung nach § 15 Abs. 2 VersG in Betracht kam (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2011, § 15 Rdnr. 121 f. m.w.N.).
31 
Handelte es sich bei der Blockadeaktion am 25.01.2011 nach alledem um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG, waren Maßnahmen aufgrund des allgemeinen Polizeirechts erst nach Auflösung der Versammlung bzw. dem Ausschluss des Klägers von der Versammlung zulässig. Jedoch ist weder die Versammlung von der Polizei aufgelöst noch ist der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen worden.
32 
Auflösung ist die Beendigung einer bereits durchgeführten Versammlung mit dem Ziel, die Personenansammlung zu zerstreuen. Durch einen Ausschluss aus der Versammlung wird einem Versammlungsteilnehmer die weitere Teilnahme an der Versammlung untersagt. Der Schutz des Versammlungsrechts erfordert, dass die Auflösungsverfügung eindeutig und nicht missverständlich formuliert ist und für die Betroffenen erkennbar zum Ausdruck bringt, dass die Versammlung aufgelöst ist (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris). Für einen Ausschluss aus einer Versammlung gilt dies entsprechend. Die Auflösung einer öffentlichen Versammlung und der Ausschluss aus einer Versammlung kann danach nicht konkludent, etwa durch Bildung einer Polizeikette, Einschließung, Aufstellung von Absperrgittern oder den Einsatz von polizeilichen Schlagwerkzeugen, verfügt werden. Dies ist den einschneidenden Folgen der Versammlungsauflösung und des Versammlungsausschlusses geschuldet. Sowohl die Auflösungsverfügung als auch die Ausschlussverfügung nehmen der Versammlung bzw. dem ausgeschlossenen Versammlungsteilnehmer den im Versammlungsgesetz konkretisierten Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und eröffnen die Möglichkeit, gegen die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung bzw. den von der Versammlung ausgeschlossenen Teilnehmer mit polizeilichen Maßnahmen vorzugehen.
33 
Im vorliegenden Fall wurde die Versammlung von der Polizei weder ausdrücklich aufgelöst noch wurde der Kläger von der Versammlung ausgeschlossen. Nachdem die Polizei davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Zusammenkunft von Projektgegnern am 25.01.2011 nicht um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG gehandelt hat, wird dies von dem Beklagten auch nicht behauptet. An dieser Stelle lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob eine Auflösung der Versammlung oder ein Ausschluss des Klägers aus der Versammlung zulässig gewesen wäre, wenn sie von der Polizei erklärt worden wäre.
34 
Da die Versammlung am 25.01.2011 nicht aufgelöst und der Kläger auch nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, durften gegen ihn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen nach dem Polizeigesetz nicht getroffen werden, so dass der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis rechtswidrig war. Die Sperrwirkung des Versammlungsrechts war auch nicht etwa deshalb aufgehoben, weil vor der Anordnung des Platzverweises gegenüber dem Kläger wegen des Verdachts der Nötigung die strafprozessualen Maßnahmen des Sicherungsgewahrsams und der Identitätsfeststellung erfolgt sind und sich die Versammlung zum Zeitpunkt des im Anschluss an die strafprozessualen Maßnahmen angeordneten Platzverweises schon aufgelöst hatte.
35 
Dies dürfte sich nach Ansicht des Gerichts bereits daraus ergeben, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Kläger nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung mit dem streitgegenständlichen Platzverweis aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, sondern auf den Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer. Dies folgt daraus, dass die Anordnung des Platzverweises an das Verhalten des Klägers vor den strafprozessualen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung und damit an einen Zeitpunkt anknüpfte, in dem die Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht bestand, und die Anordnung des Platzverweises - wie sich aus der Megafon-Durchsage der Polizei ergibt - bereits im Zeitpunkt der Einschließung der Versammlungsteilnehmer von der Polizei entschieden war, was den eingeschlossenen Versammlungsteilnehmern auch bei der Megafon-Durchsage mitgeteilt wurde. Ansonsten wäre es bei einem von der Polizei ergriffenen Maßnahmepaket - strafprozessuale Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung sowie polizeirechtlicher Platzverweis - in das Belieben der Polizei gestellt, durch eine entsprechende Reihenfolge der Maßnahmen die vor deren Ergreifung bestehende Sperrwirkung des Versammlungsrechts durch den Beginn mit die Versammlung faktisch auflösenden strafprozessualen Maßnahmen zu umgehen, was nach Ansicht des Gerichts mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, die StPO darf aber nicht zu einem Instrument zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts „umfunktioniert“ werden.
36 
Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Platzverweises auf den Zeitpunkt nach der Ingewahrsamnahme und Identitätsfeststellung abzustellen ist, war der Platzverweis als Folgemaßnahme der strafprozessualen Maßnahmen rechtswidrig. Denn auch dem repressiven Vorgehen auf der Grundlage der StPO und damit auch dem polizeirechtlichen Platzverweis als Folgemaßnahme stand die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen.
37 
Maßnahmen der Gefahrenabwehr richten sich - wie bereits ausgeführt - nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgeht. Eine auf allgemeines Polizeirecht gegründete Maßnahme, durch welche das Recht zur Teilnahme an der Versammlung beschränkt wird, ist deshalb aufgrund der Sperrwirkung der versammlungsrechtlichen Regelungen rechtswidrig. Fraglich erscheint, ob die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes auch für Maßnahmen der Polizei zur Strafverfolgung nach der StPO gilt, die gegenüber Versammlungsteilnehmern getroffen werden. Da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vor Strafverfolgung schützt geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes dann nicht greift, wenn die Polizei Aufgaben nach den §§ 163 ff. StPO wahrnimmt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 -, juris; Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 4. Auflage 2011, S. 362, m.w.N.). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die Frage offen gelassen, aber sodann ausgeführt, dass die Einkesselung einer Versammlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung gemäß § 163b StPO mit Blick auf die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, juris, im Anschluss daran so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, juris; vgl. auch Trurnit, Aktuelle Entwicklungen im Versammlungsrecht, Die Polizei 2010, 341; Kniesel/Poscher, Die Entwicklung des Versammlungsrechts 2000 bis 2003, NJW 2004, 422).
38 
Das Gericht geht davon aus, dass die im vorliegenden Fall von der Polizei getroffene strafprozessuale Maßnahme des Festhaltens der Versammlungsteilnehmer zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung bzw. ohne vorherigen Ausschluss der die Baustellenzufahrt blockierenden Versammlungsteilnehmer von der Versammlung unzulässig war. Das Versammlungsgrundrecht schützt zwar nicht vor Strafverfolgung, so dass Maßnahmen nach der StPO grundsätzlich zulässig sind. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gehörenden Versammlungsfreiheit (zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer repräsentativen Demokratie vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985
- 1 BvR 2334/81, 1 BvR 341/81 -, juris) gilt dies jedoch nur für Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Handlungen, die nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Kommt es innerhalb einer Versammlung etwa zu Körperverletzungen, so sind Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO ohne vorherige Auflösung der Versammlung (bei gemeinschaftlicher Körperverletzung aller Versammlungsteilnehmer) bzw. ohne vorherigen Ausschluss der Straftäter von der Versammlung ohne Weiteres zulässig, da Körperverletzungen egal in welcher Form nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das von der Polizei als strafbare Handlung angesehene Verhalten wie im vorliegenden Fall, in dem die von der Polizei als strafbare Nötigung angesehene kurzfristige schlichte Zufahrtsblockade durch auf der Fahrbahn der Baustellenzufahrt stehende Personen eine unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallende demonstrative Blockade darstellte, selbst den Schutz des Versammlungsgrundrechts genießt. Nach Ansicht des Gerichts besteht in einem solchen Fall jedenfalls dann eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber strafprozessualen Maßnahmen der Polizei, wenn die Versammlung durch die von der Polizei getroffenen Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wie im vorliegenden Fall faktisch aufgelöst und damit die Versammlung als solche beeinträchtigt wird. Demonstrative Blockaden stehen einerseits im Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG, andererseits war und ist auch heute noch speziell die Frage deren Strafbarkeit als Nötigung im Sinne des § 240 StGB Gegenstand höchst streitig geführter juristischer Auseinandersetzungen. Mit der vom Gericht angenommenen Sperrwirkung des Versammlungsrechts kann die StPO bei solchen Blockaden jedenfalls nicht zu einem Instrument zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit „umfunktioniert“ werden.
39 
Nach alledem bestand im vorliegenden Fall eine Sperrwirkung des Versammlungsrechts auch gegenüber den von der Polizei ergriffenen strafprozessualen Maßnahmen. War das von vornherein auch auf die Ermöglichung der Anordnung des streitgegenständlichen polizeilichen Platzverweises gerichtete Festhalten des Klägers zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 StPO deshalb ohne die vorherige Auflösung der Versammlung bzw. den vorherigen Ausschluss des Klägers von der Versammlung unzulässig, gilt dies auch für den angeordneten polizeilichen Platzverweis als Folgemaßnahme. Eine Aufspaltung dahingehend, dass die Einschließung der Versammlungsteilnehmer als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG rechtswidrig war, die zwar später getroffene, aber an die Einschließung anknüpfende, durch sie erst ermöglichte Maßnahme dagegen nicht mehr an Art. 8 Abs. 1 GG zu messen ist, würde der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht. Die Versammlungsfreiheit schützt das freie Zusammenkommen, die eigentliche Versammlung und das freie Auseinandergehen der Teilnehmer gleichermaßen.
40 
Da der streitgegenständliche polizeiliche Platzverweis mangels Anwendbarkeit des § 27a Abs. 1 PolG nach alledem rechtswidrig war und den Kläger auch in seinen Rechten verletzte, war der Klage stattzugeben.
41 
Dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gestellten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache vorliegend nicht ankommt und sie also als wahr unterstellt werden kann. Rechtliche Folgen zu Gunsten des Klägers sind aus der unter Beweis gestellten Tatsache - dass Personen von der Polizei mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit - nicht herzuleiten.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Berufung war nach den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, ob das Versammlungsrecht bei unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallenden demonstrativen Blockaden Sperrwirkung auch gegenüber Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der StPO wegen des Verdachts der Nötigung hat, hat über den Fall des Klägers hinaus Bedeutung und ist in der höhergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen Polizeikosten in Höhe von 180,00 EUR sowie gegen eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR.
Am 12./13.12.2013 fand der Schwertransport der Tunnelvortriebsmaschine zum Bau des Fildertunnels im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 zur Baustelle im Bereich der Schelmenwasenstraße, 70567 Stuttgart, statt. In diesem Zusammenhang wurde am 11.12.2013 beim Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart eine Versammlung zum Thema „Demonstration gegen S 21“ angezeigt. Als Ort der Versammlung wurde „U-Bahn Haltestelle Schelmenwasen, am Waldrand, an Schelmenwasenstraße bei Abzweigung Zettachring“ angegeben, als Zeit wurde genannt: 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr. Am 11.12.2013 erließ die Landeshauptstadt Stuttgart hierfür einen versammlungsrechtlichen Bescheid; als Zeitraum der Versammlung ist in dem Bescheid 12.12.2013, 21:30 Uhr bis 13.12.2013, 07:00 Uhr festgelegt. Die Art der Versammlung ist mit „Kundgebung mit Transparenten, einem Informationstisch und einem Megaphon (bei mehr als 30 Teilnehmern) auf dem Gehweg an der Kreuzung Schelmenwasenstraße/Zettachring in Stuttgart-Möhringen“ beschrieben.
Der Hauptantrieb der Tunnelvortriebsmaschine (Durchmesser 6 m, Höhe 3,6 m, Gewicht ca. 170 t) wurde zunächst auf dem Wasserweg zum Stuttgarter Hafen (Stuttgart-Wangen) transportiert. Von dort aus begann am 12.12.2013, 20:00 Uhr, der Straßentransport über die B 10 in Richtung Esslingen, weiter über Ostfildern (Scharnhausen) zur BAB 8, dann über die B 27 bis zur Ausfahrt Fasanenhof und von dort aus bis zum Baugelände des Fildertunnels im Bereich der Schelmenwasenstraße. Die angezeigte Versammlung auf dem Gehweg des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch wurde von der Versammlungsleiterin am 12.12.2013 um 21:40 Uhr für beendet erklärt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schwertransport noch nicht auf der BAB 8. Nach dem Ende der angezeigten Versammlung bildete sich an derselben Örtlichkeit nach polizeilichen Feststellungen eine Spontandemonstration mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger. In der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Schwertransport ist zum Zeitpunkt 22:33 Uhr vermerkt: „Blockade Schelmenwasen S: Die Blockade steht - es wurde ein Farbeimer ausgeleert - Die Blockieren [richtig wohl: die Blockierer] gehen davon aus, dass sie 150 Personen sind!“ In der Dokumentation ist zum Zeitpunkt 22:57 Uhr vermerkt: „Straßentransport - Neuberechnung Zeitplan S: Nach RS mit dem Disponent des Transports ergeben sich folgende neue Zeiten: 23:30 Uhr Auffahrt BAB 8; 00:00 Uhr B 27/Ausfahrt Fasanenhof; 01:00 bis max. 02:00 Uhr, Eintreffen BE-Fläche Filderportal“.
Von 23:34 Uhr bis 23:54 Uhr erfolgten insgesamt sechs Lautsprecherdurchsagen des Einsatzleiters des Polizeipräsidiums Stuttgart im Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt zur Baustelle in Richtung der vor dem Baustellentor versammelten Personen mit folgendem Inhalt:
Achtung, Achtung!
Es folgt eine wichtige Durchsage der Polizei an alle Personen, die sich auf der Straße Schelmenwasen, sowie auf der Zufahrt zur Baustelle befinden!
Der von Ihnen belegte Verkehrsraum wird für einen Schwertransport benötigt.
Aufgrund der Ausmaße des Schwertransporters besteht im Nahbereich Lebensgefahr!
Bitte verlassen Sie umgehend die Fahrbahn und halten Sie größtmöglichen Abstand zum Schwertransport.
10 
Befolgen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Anweisungen der Polizei.
11 
Die um 23:47 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 4 enthielt den Zusatz:
12 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zum Zettachring.
13 
Die um 23:50 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 5 sowie die um 23:54 Uhr erfolgte Durchsage Nr. 6 enthielt jeweils folgenden Zusatz:
14 
Sofern Sie eine Versammlung durchführen möchten, begeben Sie sich zur Straße Schelmenwasen in auswärtiger Richtung Höhe EnBW.
15 
Danach erfolgten am 13.12.2013 drei weitere Durchsagen des Einsatzleiters (Nr. 7: 00:14 Uhr, Nr. 8: 00:20 Uhr, Nr. 9: 00:26 Uhr). Die Durchsagen Nrn. 7 und 8 erfolgten mit dem Wortlaut:
16 
Achtung, Achtung!
17 
Es folgt eine wichtige Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
18 
[Die Durchsage umfasst den verfügenden Teil der schriftlichen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013, die nach telefonischer Rücksprache des Polizeivollzugsdienstes mit einem Mitarbeiter der Landeshauptstadt mündlich bekanntzugeben war.]
19 
Verfügung:
20 
An alle Personen, die sich am 12./13.12.2013 an Versammlungen gegen den Straßenschwertransport des Hauptlagers der Tunnelbohrmaschine vom Stuttgarter Hafen zur Tunnelbaustelle auf den Fildern - Baumaßnahmen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 - beteiligen: Allgemeinverfügung - Sehr geehrte Damen und Herren, es ergeht folgende Allgemeinverfügung:
21 
Die Versammlung Schelmenwasen/Zufahrt Baustelle in Stuttgart wird aufgelöst, das heißt, sie genießt nicht länger den Schutz des Versammlungsrechts.
22 
Der Versammlungsort ist unverzüglich zu verlassen.
23 
Als alternativer Versammlungsort wird Ihnen der Bereich Schelmenwasen 43 zugewiesen. Der Polizeivollzugsdienst ist angewiesen, Sie in die genaue Örtlichkeit einzuweisen.
24 
Der Polizeivollzugsdienst löst die Versammlung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs auf, wenn Sie den Versammlungsort nach entsprechender Aufforderung durch den Polizeivollzugsdienst nicht räumen.
25 
Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2 und 3 dieser Verfügung wird angeordnet.
26 
[Ende der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung; die Durchsage setzt sich wie folgt fort:]
27 
Allen Personen, die nicht bereit sind, den Bereich Schelmenwasen West/Zufahrt Baustelle zu verlassen, wird hiermit ein Platzverweis erteilt.
28 
Kommen Sie in Ihrem eigenen Interesse dieser Anordnung der Stadt Stuttgart nach.
29 
Ansonsten muß die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen.
30 
Ihre Personalien werden dabei festgestellt und Sie erhalten einen Kostenbescheid.
31 
Weitere rechtliche Maßnahmen bleiben uns vorbehalten.
32 
Wir bitten Sie, sich jetzt unverzüglich zum zugewiesenen Versammlungsort Schelmenwasen 43 zu entfernen.
33 
Die neunte, um 00:26 Uhr erfolgte letzte Durchsage lautete zu Anfang wie folgt:
34 
Achtung, Achtung!
35 
Es folgt die 3. und letzte Durchsage im Namen der Stadt Stuttgart an alle Versammlungsteilnehmer, die sich auf der Straße Schelmenwasen und der Zufahrt zur Baustelle befinden!
36 
Die neunte Durchsage endete wie folgt:
37 
Die Polizei beginnt jetzt mit der Räumung!
38 
Hierauf wurden am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00:50 Uhr außer dem Kläger acht weitere Personen von insgesamt 28 Polizeivollzugskräften durch Anwendung unmittelbaren Zwangs vom Blockadeort weggetragen. Vier dieser neun Personen, darunter der Kläger, wurden von vier Polizeivollzugskräften weggetragen, zwei Personen von drei und drei Personen von zwei Polizeivollzugskräften. Die Dauer des Wegtragens betrug zwischen einer Minute und fünf Minuten. Der Kläger wurde bis zum Parkplatz der Firma GTÜ, Vor dem Lauch 25, getragen. Er wurde durch einen Polizeibeamten nach § 163 b Abs. 1 und § 163 c StPO belehrt, verweigerte jedoch auf beiden Formularen die Unterschrift. Des Weiteren verweigerte er ein Sofortbild, weswegen sein Reisepass abfotografiert wurde. Um 01:15 Uhr wurde ihm durch einen Polizeibeamten ein Platzverweis für den Bereich Schelmenwasenstraße/Zufahrt Baufeld bis zum 13.12.2013, 04:00 Uhr, erteilt.
39 
Am 09.01.2014 fertigte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger eine an das Amt für öffentliche Ordnung - Bußgeldstelle - der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Ordnungswidrigkeitenanzeige an mit dem Tatvorwurf eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
40 
Mit Bescheid vom 20.01.2014 setzte das Polizeipräsidium Stuttgart gegen den Kläger wegen der am 13.12.2013, 00:34 Uhr, erfolgten Anwendung unmittelbaren Zwangs eine Gebühr in Höhe von 180,00 EUR nach § 7 der Vollstreckungskostenordnung des Landes Baden-Württemberg (LVwVGKO) fest. Zur Berechnung der Gebühr führte das Polizeipräsidium aus, es seien vier Beamte eingesetzt worden. Je angefangene Stunde und je eingesetztem Beamten betrage die Gebühr 45,00 EUR.
41 
Mit Schreiben vom 18.02.2014, beim Polizeipräsidium Stuttgart eingegangen am selben Tag, erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 20.01.2014 Widerspruch und führte zur Begründung aus, für die Auflösung der unangemeldeten Versammlung im Bereich der Baustellenzufahrt am Ende der Schelmenwasenstraße habe am 13.12.2013 um 00:26 Uhr keinerlei Veranlassung bestanden. Hierfür gebe es auch keine rechtliche Grundlage. Für die Auflösung der Versammlung habe kein öffentliches Interesse bestanden. Im genannten Zeitpunkt und lange Zeit darüber hinaus seien weder Baustellenfahrzeuge oder Bautätigkeiten behindert worden. Es habe solche Fahrzeuge und Tätigkeiten damals nicht gegeben. Da die Auflösung der Versammlung nicht rechtmäßig gewesen sei, könnten ihm auch keine Kosten in Rechnung gestellt werden. Abgesehen davon sei die Berechnung der Kosten auch nicht nachvollziehbar, da nicht - wie verlangt - die Anzahl der zur Entfernung der Demonstrationsteilnehmer insgesamt eingesetzten Beamten und die Anzahl der zwangsweise entfernten Personen angegeben seien, sondern lediglich die vier auf ihn „entfallenden“ Beamten. Der Einsatz von vier Beamten sei nicht erforderlich gewesen. Er hätte auch sitzend von zwei Beamten weggetragen werden können.
42 
Während des Widerspruchsverfahrens führte Polizeikommissar G, einer der vier Polizeikräfte, die den Kläger wegtrugen, in einer schriftlichen zeugenschaftlichen Erklärung vom 14.05.2014 im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Kläger aus, der Kläger habe zur Tatzeit augenscheinlich ein großes, kräftiges und adipöses Erscheinungsbild an den Tag gelegt. Deshalb habe er zwei weitere Polizeikräfte aufgefordert, zusammen mit ihm, Polizeikommissar G und Polizeimeister S, den Kläger wegzutragen. Der Kläger habe sich anstandslos wegtragen lassen und keinen Widerstand geleistet. Als sie - die vier Polizeikräfte zusammen mit dem Kläger - aus dem Blickfeld der S 21-Gegner im Bereich der Baustellenzufahrt gelangt seien, habe sich der Kläger entschlossen, von nun an selbst weiter zu gehen.
43 
Das Polizeipräsidium Stuttgart wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 zurück und setzte eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR fest. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium aus, die nicht angemeldete Versammlung sei aufgrund einer sofort vollziehbaren, bestandskräftigen Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart wirksam aufgelöst und als alternativer Versammlungsort der Bereich Schelmenwasenstraße 43 zugewiesen worden. Mit der Allgemeinverfügung sei den Teilnehmern der aufgelösten Versammlung außerdem aufgegeben worden, den Versammlungsort unverzüglich zu verlassen. Die Wahl des Versammlungsorts im Bereich der Baustellenzufahrt habe, wenn überhaupt, jedenfalls nicht vorrangig auf eine öffentliche Meinungsbildung abgezielt, sondern darauf, den Schwertransport zu blockieren bzw. zumindest erheblich zu behindern oder zu erschweren und damit in einem nicht mehr verhältnismäßigen Maß die Grundrechte Dritter, nämlich des Auftraggebers des Schwertransportes und der sonstigen am Schwertransport beteiligten Personen sowie anderer Verkehrsteilnehmer, einzuschränken. Nach Abwägung der verschiedenen Grundrechts- und Rechtspositionen habe das Versammlungsrecht in Bezug auf die Wahl des Versammlungsortes in der Schelmenwasenstraße im Bereich der Baustellenzufahrt zurückzutreten gehabt. Mit der alternativ zugewiesenen Örtlichkeit im Bereich der Schelmenwasenstraße 43 (mit Sicht und Beschallungsmöglichkeit auf die Baustellenzufahrt) hätten die Teilnehmer der aufgelösten Versammlung in unmittelbarer Nähe die Möglichkeit erhalten, ihr Anliegen mit dem Ziel der öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen einer Versammlung ohne zeitliche und inhaltliche Einschränkung weiterhin zu vertreten. Die festgesetzte Gebühr in Höhe von 180,00 EUR sei nach Grund und Höhe rechtmäßig erfolgt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 16.10.2014 zugestellt.
44 
Am 14.11.2014 hat der Kläger gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 Klage erhoben, mit der er sich auch ausdrücklich gegen die festgesetzte Widerspruchsgebühr wendet. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, er sei 1,86 m groß und wiege 90 kg. Die angefochtenen Bescheide verstießen gegen verschiedene Grundrechte (allgemeine Handlungsfreiheit, Versammlungs- und Meinungsfreiheit). Bei der Festsetzung der Gebühr sei § 9 Abs. 2 LVwVGKO nicht beachtet worden. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei unverhältnismäßig und unangemessen. Sie stehe im Widerspruch zu Art. 3 GG und behindere ihn in seinem Recht, gegen Verwaltungsakte Widerspruch einzulegen. Die Möglichkeit der Erhebung von Widersprüchen dürfe faktisch nicht von der Finanzkraft des Staatsbürgers abhängen. Vor der Polizeireform 2013 habe das Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde über einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt des Polizeipräsidiums entschieden. Das jetzt angewandte Verfahren, wonach die bescheidende Stelle (Polizeipräsidium) selbst über den Widerspruch entscheide, sei rechtswidrig.
45 
Der Kläger beantragt,
46 
den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 aufzuheben.
47 
Der Beklagte beantragt,
48 
die Klage abzuweisen.
49 
Zur Begründung führt er aus, die Versammlung sei zu Recht aufgelöst worden. Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart mit der Auflösung so lange gewartet, bis der Schwertransport unmittelbar vor Ort gewesen sei, hätte sich die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was gerade Zweck der nicht angemeldeten Versammlung gewesen sei, realisiert und zu nicht akzeptablen Be- und Verhinderungen geführt. Schon hieraus sei ersichtlich, dass die Auflösung der Versammlung frühzeitig habe erfolgen müssen. Hinzu komme, dass - zum einen - nie genau gesagt werden könne, wann ein Schwertransport an einem bestimmten Ort ankommt, was von vielen Faktoren abhänge, etwa Hindernissen auf dem Fahrweg, der Verkehrslage sowie des Wetters. Zudem nehme die zu erwartende - und später auch notwendig gewordene - Räumung der Straße von etlichen Personen einige Zeit in Anspruch. Die Auflösung der Versammlung sei daher zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Sie sei auch nicht unverhältnismäßig im weiteren Sinne und ferner nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Auflösung sei unumgänglich gewesen. § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO finde auf den Kläger keine Anwendung. Der Platzverweis und das hierauf erfolgte erforderliche Wegtragen habe sich allein auf den Kläger bezogen und nicht auf eine Mehrheit von Pflichtigen. Die Teilnehmer an der Blockade seien jeweils höchstpersönlich verpflichtet gewesen, dem Platzverweis Folge zu leisten. Dieser Pflicht habe der Kläger nur für sich selbst Folge leisten können, nicht für andere Blockadeteilnehmer. Die Ordnungspflichten der anderen Blockierer hätten - zur gleichen Zeit und am selben Ort - daneben bestanden. Trotz mehrerer Pflichtiger habe kein Fall der Gesamtschuldnerschaft bezüglich der Ordnungspflichten vorgelegen. Die Regelung in § 9 LVwVGKO solle gewährleisten, dass die Kosten für den Einzelnen nicht eine unverhältnismäßige Höhe erreichen und schließe daher im Rahmen einer Vollstreckung bei derselben Gelegenheit die Gesamtschuld aus. Für den Fall sogenannter Sitzblockaden sei bei der Bestimmung der Kostenlast für das Wegtragen zu berücksichtigen, dass die situativ erforderliche, individuelle Willensbeugung unterschiedlichen Aufwand erfordern könne. So könne die wegzutragende Person durch Handlungen wie Strampeln, Schlagen, Festhalten oder auch durch ihre bloße physische Konstitution (Gewicht) den notwendigen polizeilichen Aufwand erhöhen. Die Polizei müsse daher in der Regel den Aufwand der jeweiligen Zwangsanwendung durch Wegtragen konkret - Einsatzzeit und Anzahl der Beamten - und für den einzelnen Pflichtigen feststellen. Die vom Kläger intendierte Verteilung der auf seine Person bezogenen (höheren) Wegtragekosten - aufgrund des erforderlichen Einsatzes von vier Beamten - scheitere auch daran, dass diese „Mehrkosten“ nicht auf andere Teilnehmer der Blockadeaktion, für die zwei oder drei Beamte zum Wegtragen ausgereicht hätten, umgelegt werden können. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur individuellen Willensbeugung sei anerkannt, dass ein Pflichtiger höchstens nur die durch ihn verursachten Kosten tragen müsse, nicht aber die Kosten anderer Vollstreckungsschuldner. Für § 9 LVwVGKO verbleibe bei der Anwendung des unmittelbaren Zwangs durch die Polizei nur ein beschränkter Anwendungsbereich. Lediglich dann, wenn keine Gesamtschuldnerschaft der Pflichtigen bestehe und Kosten dennoch nicht unmittelbar individuell zugerechnet werden könnten, könne eine Verteilung nur dieser Kosten auf alle Pflichtigen erfolgen. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR sei rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart sei nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO selbst Widerspruchsbehörde.
50 
Die einschlägigen Akten des Polizeipräsidiums Stuttgart sowie die versammlungsrechtlichen Akten der Landeshauptstadt Stuttgart liegen vor.

Entscheidungsgründe

 
51 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
52 
I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
53 
II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
56 
III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
58 
a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
59 
b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
60 
c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
62 
aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
63 
bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
64 
(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
65 
(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
66 
Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
67 
Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
68 
Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
69 
bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
70 
cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
71 
2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
72 
IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
73 
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74 
VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

Gründe

 
51 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 20.01.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (I.), er ist formell (II.) und materiell (III.) rechtmäßig. Auch die Widerspruchsgebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (IV.).
52 
I. Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 52 Abs. 4 PolG in Verbindung mit § 31 LVwVG und § 7 LVwVGKO. Nach § 52 Abs. 4 PolG gelten für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei zusätzlich zu den Regelungen in § 52 Abs. 1 bis 3 PolG die §§ 2 bis 6, 9, 10, 12, 21, 27, 28 und § 31 Abs. 1, 2, 4 und 6 LVwVG. Für Amtshandlungen nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben (§ 31 Abs. 1 LVwVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und der Umfang der zu erstattenden Auslagen sind aufgrund der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 LVwVG in der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (Vollstreckungskostenordnung - LVwVGKO) vom 29.07.2004 (GBl. S. 670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2012 (GBl. S. 572), geregelt. Diese polizeilichen Kostennormen sind hier anwendbar. Die Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger stehen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehrmaßnahme des Beklagten (Platzverweis nach § 27 a Abs. 1 PolG). Die Kostennormen sind nur dann nicht anwendbar, wenn die Polizei ausschließlich strafprozessual einschreitet (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2006, Rnrn. 921 ff.), was hier nicht zutrifft.
53 
II. Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Das Polizeipräsidium Stuttgart war für den Erlass des Bescheids zuständig (1.). Form- und Verfahrensvorschriften wurden gewahrt (2.).
54 
1. Für den Erlass des Kostenbescheids ist die Behörde zuständig, die die Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat (§ 31 Abs. 6 LVwVG i.V.m. § 4 Abs. 1 LGebG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte durch Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Stuttgart (§§ 70 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 10 PolG). Daher war das Polizeipräsidium Stuttgart für den Erlass des Kostenbescheids zuständig.
55 
2. Der Kostenbescheid wurde schriftlich erlassen und erfüllt daher die Formvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Vor Erlass des Bescheids wurde der Kläger indessen nicht angehört, was erforderlich gewesen wäre (§ 28 Abs. 1 LVwVfG). Der Kläger hatte jedoch Gelegenheit, sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu äußern, weswegen die unterbliebene Anhörung unbeachtlich ist (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG).
56 
III. Der Kostenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahme - Anwendung unmittelbaren Zwangs - war rechtmäßig (1.); die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung wurden beachtet (2.).
57 
1. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage (a)), die Vollstreckungsmaßnahme war formell (b)) und materiell (c)) rechtmäßig.
58 
a) Nach § 49 Abs. 2 PolG wendet die Polizei das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an. Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch (§ 50 Abs. 1 PolG).
59 
b) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs erfolgte formell rechtmäßig. Zuständig für diese Vollstreckungsmaßnahme sind Beamte des Polizeivollzugsdienstes (§ 51 PolG). Wie bereits ausgeführt (II. 1.) wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart und daher durch den Polizeivollzugsdienst durchgeführt.
60 
c) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor (aa)), die Vollstreckung wurde ordnungsgemäß durchgeführt (bb)) und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (cc)).
61 
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Es bestand eine vollstreckbare Grundverfügung (aaa)), die in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war (bbb)).
62 
aaa) Nach § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer Handlung, ausgenommen einer Geldleistung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt. Eine vollstreckbare Grundverfügung lag hier in Gestalt des vom Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Stuttgart am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mündlich verfügten Platzverweises (§ 27 a Abs. 1 PolG) bezüglich des Bereichs Schelmenwasenstraße West/Zufahrt Baustelle vor. Der Platzverweis wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils mündlich wiederholt. Er war nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO als Maßnahme eines Polizeivollzugsbeamten sofort vollziehbar, so dass die allgemeine Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 2 Nr. 2 LVwVG vorlag, wonach Verwaltungsakte vollstreckt werden können, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.
63 
bbb) Der mündlich verfügte Platzverweis war formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
64 
(1.). Die sachliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes lag vor. Er ist nach § 60 Abs. 3 PolG neben den Polizeibehörden (§ 61 PolG) unter anderem zuständig für eine Maßnahme nach § 27 a Abs. 1 PolG. Einer Anhörung der Adressaten des Platzverweises bedurfte es vor Erlass dieser Maßnahme nicht. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG). Dies traf hier im Hinblick auf den alsbald an der Baustelle erwarteten Schwertransport zu. Der Platzverweis konnte in mündlicher Form erlassen werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) und bedurfte als mündlicher Verwaltungsakt von vornherein keiner Begründung. Nur ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit einer Begründung zu versehen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
65 
(2.). Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 27 a Abs. 1 PolG. Hiernach kann die Polizei (Polizeibehörden oder Polizeivollzugsdienst, vgl. § 59 PolG) zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Die Anwendbarkeit des § 27 a Abs. 1 PolG scheiterte nicht an der Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Dem verfügten Platzverweis ging die am 12.12.2013 um ca. 21:40 Uhr begonnene Blockade der Baustellenzufahrt mit ca. 100 Teilnehmern, darunter auch der Kläger, im Bereich des Zettachrings auf Höhe der Einmündung in die Schelmenwasenstraße im Kreuzungsbereich mit der Straße Vor dem Lauch voraus. Blockaden von Baustellenzufahrten anlässlich des Projekts Stuttgart 21 zielen darauf ab, öffentlichen Protest gegen das Projekt zum Ausdruck zu bringen mit der Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Solche demonstrativen Blockaden fallen unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Urte. der erkennenden Kammer v. 12.06.2014 - 5 K 808/11 u. 5 K 810/11 - zu einem sog. Blockadefrühstück am 25.01.2011 im Bereich des ehemaligen Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs). Unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts sind unzulässig. Eingriffsermächtigungen ergeben sich insoweit ausschließlich aus dem Versammlungsgesetz, das als Spezialgesetz (lex specialis) die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts ausschließt (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 30.04.2007 - 1 BvR 1090/06 -, juris) sind deshalb auf allgemeines Polizeirecht gestützte Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - etwa ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme - sowie daran anschließende polizeirechtliche Folgemaßnahmen rechtswidrig, solange die (nicht verbotene) Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 VersammlG eindeutig aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4 VersammlG) von der Versammlung eindeutig ausgeschlossen wurde.
66 
Die demonstrative Blockade der Baustellenzufahrt wurde durch die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13.12.2013 rechtsfehlerfrei aufgelöst. Die Landeshauptstadt war als Versammlungsbehörde sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - v. 25.05.1977, GBl. S. 196, i. d. F. der Verordnung v. 17.12.2008, GBl. 2009, S. 5). Die mündliche Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgte auf telefonische Weisung eines Mitarbeiters der Landeshauptstadt durch den Einsatzleiter. Als Ortspolizeibehörde ist die Landeshauptstadt gegenüber dem Polizeipräsidium Stuttgart weisungsbefugt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 PolG). Die zulässige mündliche Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG) der Allgemeinverfügung am 13.12.2013 um 00:14 Uhr mittels Lautsprecher an die Teilnehmer der Blockade erfolgte nach den der Kammer vorliegenden DVDs in akustisch wahrnehmbarer Weise.
67 
Die Auflösung der Versammlung war auch materiell rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 3 VersammlG kann eine Versammlung unter anderem aufgelöst werden, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 15 Abs. 1 VersammlG vorliegen. Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Hiervon war im maßgebenden Zeitpunkt am 13.12.2013 um 00:14 Uhr auszugehen. Ausweislich der Dokumentation des Polizeipräsidiums Stuttgart zum Verlauf des Schwertransports war das Eintreffen des Transports an der Baustelle wegen dessen Größe - der Bewegungsradius des ca. 40 m langen Transports war derart eingeschränkt, dass ein Umfahren von Hindernissen oder andere Manöver, wie sie herkömmlich bei Lastkraftwagen üblich sind, nicht möglich war - und aufgrund von Unwägbarkeiten in Folge von Protesten entlang des Transportwegs nicht genau vorhersehbar. Nach der Lagemeldung Nr. 2 (Stand: 12.12.2013, 23:00 Uhr) des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde mit dem Eintreffen des Transports zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr gerechnet. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Leichtigkeit des Straßenverkehrs (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 15. Aufl. 2008, § 15 Rn. 32). Dieses Schutzgut war um 00:14 Uhr unmittelbar gefährdet. Aufgrund der größeren, in die Dutzende gehende Anzahl von Personen, die zu dieser Zeit sich noch an der Blockade beteiligt hatten, sowie wegen den zeitlichen Unwägbarkeiten, die sich aus einer etwaigen Räumung der Baustellenzufahrt ergeben konnten, kann nicht von einer verfrühten Auflösung der Versammlung ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers musste mit der Auflösung nicht bis zum Eintreffen des Schwertransports an der Baustellenzufahrt zugewartet werden. Des Weiteren war auch von einer unmittelbaren Gefährdung des Baustellenbetriebs auszugehen. Durch die Blockade konnten andere Baustellenfahrzeuge daran gehindert werden, zur Baustelle zu gelangen und sie zu verlassen. Nach den Angaben von Polizeidirektor Weinstock in der mündlichen Verhandlung herrschte auch in der Nacht vom 12.12. auf den 13.12.2013 Betrieb auf der Baustelle. Die Polizei habe veranlasst, dass während der Blockade ab 21:40 Uhr keine Fahrzeuge die Baustelle verlassen. Folglich lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Auflösung der Versammlung vor. Die im Wege einer Ermessensentscheidung verfügte Auflösung erging rechtsfehlerfrei. Ein im Vergleich mit der Auflösung milderes Mittel zur Abwehr der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist nicht ersichtlich.
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Aufgrund der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügten Auflösung der Versammlung stand dem mündlich verfügten Platzverweis nicht die Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen. Nach § 27 a Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). Der Platzverweis erfolgte hier zur Beseitigung einer Störung. Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 VersammlG). Ordnungswidrig handelt, wer sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 VersammlG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 PolG sind folglich erfüllt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
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bb) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die grundsätzlich erforderliche Androhung dieses Zwangsmittels (§ 52 Abs. 2 PolG) erfolgte durch die Lautsprecherdurchsage des Einsatzleiters um 00:14 Uhr und wurde um 00:20 Uhr und 00:26 Uhr jeweils wiederholt. Zwar enthält der Wortlaut der Durchsage nicht ausdrücklich die Bezeichnung „unmittelbarer Zwang durch Einwirkung auf Personen“. Der Sache nach wurde aber mit den bekanntgegebenen Worten „Ansonsten muss die Polizei zwangsweise gegen Sie vorgehen“ dieses Zwangsmittel für einen nicht rechtskundigen Betroffenen ausreichend klar zum Ausdruck gebracht. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger erfolgte auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 bis 3 PolG in rechtmäßiger Art und Weise. Der polizeiliche Zweck - Durchsetzung des Platzverweises - erscheint nicht auf andere Weise als durch unmittelbaren Zwang erreichbar gewesen zu sein (Satz 1). Gegenüber dem im Bereich der Baustellenzufahrt auf der Straße sitzenden Kläger war der polizeiliche Zweck nicht durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen erreichbar (Satz 2). Das angewandte Mittel muss schließlich nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein (Satz 3). Auch hiergegen hat der Beklagte nicht verstoßen. Das Wegtragen einer Person kann nur durch einfache körperliche Gewalt in Form von Festhalten von Körperteilen und Anheben des Körpers des Wegzutragenden von der Stelle, an der er steht, sitzt oder liegt, erfolgen. Der Einsatz von vier Polizeikräften gegenüber dem Kläger war entgegen seiner Ansicht unter Berücksichtigung seiner Körpergröße von 1,86 m und eines Körpergewichts von 90 kg angemessen. In Fällen des Wegtragens von Personen durch die Polizei muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich diese zur Wehr setzen und strampeln, um sich schlagen oder ihrerseits versuchen, Polizeibeamte festzuhalten. Diesen potentiellen Gefahren, denen sich die Einsatzkräfte ausgesetzt sehen können, ist zulässigerweise dadurch zu begegnen, dass im Zweifel eher ein Polizeibeamter zu viel als zu wenig eingesetzt wird. Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass es auch für die wegzutragende Person im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit generell schonender ist, wenn vier statt lediglich drei oder gar nur zwei Polizeikräfte das Wegtragen durchführen. Bei einer Gesamtschau der im Einzelnen zu berücksichtigenden Kriterien sind daher hier die gesetzlichen Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 3 PolG gewahrt worden.
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cc) Schließlich wurde auch das Ermessen bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtsfehlerfrei ausgeübt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes effizienter Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind sowohl bezüglich des Entschließungsermessens zur Zwangsausübung als auch des Auswahlermessens im Hinblick auf das gewählte Zwangsmittel Ermessensfehler nicht ersichtlich.
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2. Der Kostenbescheid wahrt auch die Vorschriften über Grund und Höhe der Kostenforderung. Nach § 7 Abs. 1 LVwVGKO wird für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in den Fällen des § 52 Abs. 4 PolG eine Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt 45,00 EUR für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO). Den Vorgaben in § 31 Abs. 4 LVwVG, der Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckungskostenordnung, trägt § 7 Abs. 2 LVwVGKO im Hinblick auf das Zeitmaß „je angefangene Stunde“ Rechnung. § 31 Abs. 4 Satz 2 LVwVG schreibt für die Gebühren feste Sätze oder Rahmensätze vor. Der Gebührensatz nach § 7 Abs. 2 LVwVGKO ist ein „fester Satz“ (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 -, VBlBW 1985, 385; Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299). Bezüglich des Klägers kamen vier Polizeibeamte zum Einsatz; deren Einsatzzeit betrug jeweils weniger als eine Stunde. Folglich ergibt sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ein Betrag von 4 x 45,00 EUR = 180,00 EUR. Dieser Betrag ist nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO zu reduzieren. Nach dieser Vorschrift werden für den Fall, dass gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird, in den Fällen der §§ 6 und 7 LVwVGKO die Gebühren auf die beteiligten Pflichtigen angemessen verteilt. Es kann offen bleiben, ob die hier am 13.12.2013 zwischen 00:34 Uhr und 00.50 Uhr erfolgte Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen insgesamt neun Personen einschließlich dem Kläger die Tatbestandsmerkmale „mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind“ und „bei derselben Gelegenheit“ erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von zwei bis vier Polizeikräften je weggetragenem Pflichtigen sowie unter Berücksichtigung, dass jeder der insgesamt 28 eingesetzten Polizisten nur bezüglich jeweils einer weggetragenen Person eingesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine „angemessene“ Verteilung der sich auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 LVwVGKO ergebenden Gesamtkosten (28 x 45,00 EUR = 1.260,00 EUR) nicht vor. Die Regelungen über Umfang (§ 7 Abs. 2 LVwVGKO) und angemessene Verteilung der Kosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 LVwVGKO) sollen sicherstellen, dass die Kosten keine unverhältnismäßige Höhe erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.03.1986 - 1 S 2654/85 -, VBlBW 1986, 299, 301). Diesen Vorschriften ist daher eine die Kostenhöhe begrenzende Bedeutung beizumessen. „Angemessene“ Verteilung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, die Gesamtkosten einer Vollstreckung durch Anwendung unmittelbaren Zwangs bei derselben Gelegenheit durch die Anzahl der Pflichtigen zu teilen (hier: 1.260,00 EUR : 9 = 140,00 EUR). Dies hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger statt 180,00 EUR nur 140,00 EUR zu tragen hätte, während die Personen, die lediglich von zwei Polizeikräften weggetragen wurden, statt 90,00 EUR (2 x 45,00 EUR) 50,00 EUR mehr zahlen müssten. Ein solches Ergebnis wäre unbillig und daher nicht angemessen.
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IV. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist gleichfalls rechtmäßig. Die Widerspruchsgebühr ist aufgrund des Anfechtungsverbundes nach § 24 Satz 2 LGebG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens. Hiernach erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers war das Polizeipräsidium Stuttgart die zuständige Widerspruchsbehörde. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen auch zuständige Widerspruchsbehörde, in denen die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies trifft hier zu. Das Innenministerium Baden-Württemberg führt nach § 72 PolG die Dienstaufsicht und nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PolG die Fachaufsicht über das Polizeipräsidium Stuttgart und ist folglich die nächsthöhere Behörde. Nach Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zur Verordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragen für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (Gebührenverordnung Innenministerium - GebVO IM - v. 12.07.2011, GBl. S. 404) beträgt die Gebühr für die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs 20,00 bis 5.000,00 EUR. Die Widerspruchsgebühr in Höhe von 100,00 EUR liegt deutlich im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens. Die Gebühr soll die mit der öffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung Beteiligten decken (§ 7 Abs. 1 LGebG). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung stehen (§ 7 Abs. 3 LGebG). Die festgesetzte Widerspruchsgebühr verstößt nicht gegen diese Kriterien der Gebührenbemessung. Sie liegt auch deutlich unterhalb der festgesetzten Kosten für die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Höhe von 180,00 EUR und steht daher in keinem Missverhältnis zu diesem Betrag. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Widerspruchsgebühr höher wäre als der mit dem Ausgangsbescheid festgesetzte Geldbetrag. Den vom Kläger gerügten, aber nicht dargelegten Verstoß der Widerspruchsgebühr gegen Art. 3 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Erhebung von Widerspruchsgebühren behindert auch nicht von vornherein den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in unzulässiger Weise.
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V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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VI. Es besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.