Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Juni 2014 - 1 K 13.30393

bei uns veröffentlicht am17.06.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Klägerin, nach eigenen Angaben eine am ... in Zrenjanin geborene serbische Staatsangehörige, dem Volk der Roma zugehörig, beantragte erstmals gemeinsam mit ihrer Mutter sowie vier Geschwistern am 10. November 2011 unter dem Aktenzeichen 5517817-1-170 im Bundesgebiet Asyl. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 1. Dezember 2011 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; die hiergegen erhobene Klage wurde mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 1. März 2012 (Az.: AN 14 K 11.30561 und AN 14 K 11.30564) als offensichtlich unbegründet abgewiesen, der gleichzeitig gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 abgelehnt (AN 14 S 11.30563).

Am 2. September 2013 beantragte die Klägerin die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Zur Begründung des Folgeantrags gab sie im Formblattantrag keine neuen Gründe an. Aus einer gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten verfassten Erklärung (Blatt 25, 29 der BA-Akte) geht hervor, dass sie (im Herkunftsland) aus Müllcontainern „gelebt“ hätten und keinerlei Sozialhilfe erhalten hätten. Sie seien wegen der besseren Lebensbedingungen ins Bundesgebiet gekommen. Sie seien in Not gewesen und hätten nicht gewusst, wohin sie sonst gehen sollten.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Ziffer 1 des Bescheides) und den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 1. Dezember 2011, Az.: 5517817-1-170, bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziffer 2) ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe keine individuelle asyl-

oder flüchtlingsrelevante Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Kräfte ihres Herkunftslandes geltend gemacht. Vielmehr habe sie ihre soziale und wirtschaftliche Lage geltend gemacht. Die Klägerin habe damit eine Änderung der Sachlage zu ihren Gunsten in Form einer politischen Verfolgung mit asylerheblicher Intensität, welche eine Rückkehr in das Heimatland unzumutbar erscheinen lasse, nicht schlüssig darlegen können. Das Bundesamt habe bereits im vorhergehenden Verfahren festgestellt, dass entsprechende Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Auch die jetzt vorgetragenen Gründe rechtfertigten unter Beachtung des § 51 VwVfG nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Abschiebungsverboten. Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege würden nicht vorliegen. Insbesondere ergebe sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation im Herkunftsland keine zu berücksichtigende extreme Gefahrenlage. Auf die Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Am 23. Oktober 2013 ließ die Klägerin bei Gericht Klage erheben. Zur Begründung wurde auf das Vorbringen beim Bundesamt verwiesen und ergänzend geltend gemacht, die Klägerin sei schwanger und eine Rückkehr nach Serbien sei wegen der schwierigen Verhältnisse auch aus diesem Grund nicht möglich.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Oktober 2013, Az.: 5664566-170, wird aufgehoben.

2. Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen;

festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen;

festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben des Amtsvormundes vom 21. Mai 2014 wurde ergänzend vorgetragen, die Klägerin sei im August 2012 zusammen mit ihrem Lebensgefährten und der gemeinsamen Tochter nach Serbien zurückgekehrt. Sie hätten dort keine Unterkunft und kein Einkommen gehabt. Eine staatliche Unterstützung hätten sie nicht erhalten. Grundsätzlich hätten auch in Serbien lebende Roma einen Anspruch auf Unterstützung vom Staat, es sei aber bekannt, dass diese oft nicht ausgezahlt werde. Sie habe auch keine Arbeit gefunden, so dass sie keinerlei Einkommen gehabt habe, um sich und ihre Tochter zu finanzieren. Sie hätten daher oft in Containern nach Verwertbarem suchen müssen. Die Klägerin habe auch von ihren Eltern keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten. Wenn sie wieder nach Serbien abgeschoben werde, erwarte sie dort nichts. Sie habe keine Wohnung, keine Arbeit und erhalte keine finanzielle Unterstützung vom Staat. Es sei ihr nicht möglich, Essen für sich und ihre mittlerweile zwei Kinder zu kaufen. Die Arbeitslosigkeit sei sehr hoch und als Roma seien ihre Chancen, eine Arbeit zu finden, sehr gering. Zudem bräuchte sie eine Tagesmutter, die sich um die beiden minderjährigen Kinder kümmere, während sie arbeite. Diese müsse sie auch bezahlen. Die Eltern der Klägerin lebten zwar in Serbien, hätten aber selbst keine Unterkunft. Sie seien krank und hätten keine Arbeit. Eine Unterstützung von ihrer Seite könne die Klägerin nicht erhalten. Sie und ihre beiden kleinen Kinder müssten auf der Straße leben, eine ärztliche Versorgung wäre zudem nicht gewährleistet.

Mit Beschluss vom 24. April 2014 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Verhandlung und Entscheidung übertragen.

Verschiedene in der Liste für Serbien und Montenegro, Stand Februar 2014, verzeichnete Erkenntnismittel waren Gegenstand des Verfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2014 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens noch auf die begehrten Entscheidungen zu ihren Gunsten, weshalb der Bescheid des Bundesamtes vom 11. Oktober 2013 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 71 AsylVfG und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG. Denn sie hat schon keine Gründe vorgetragen, die eine Änderung der Sach- und Rechtslage i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bzw. einen anderen Wiederaufgreifensgrund i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwVfG darstellen. Mit ihrem Vortrag, sie habe in Serbien aus Müllcontainern gelebt und keinerlei Sozialhilfe erhalten, sie sei wegen der besseren Lebensbedingungen ins Bundesgebiet gekommen und sie habe aufgrund ihrer Not nicht gewusst, wohin sie gehen sollte, hat die Klägerin nicht substantiiert eine individuelle flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a ff. AsylVfG vorgetragen. Insoweit wird auf die Gründe des Bescheides vom 11. Oktober 2013 Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Das Gericht verfügt auch unabhängig vom Vortrag der Klägerin nicht über ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der serbische Staat Übergriffe auf Angehörige der Roma-Minderheit selbst vornehme bzw. solche Übergriffe von privater Seite dulde oder fördere. Die Klägerin hat im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien weder eine individuelle noch eine Gruppenverfolgung als Roma zu erwarten. Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung von Roma in Serbien ergeben sich weder aus dem jüngsten Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 18. Oktober 2013 noch aus den sonstigen Erkenntnismitteln. Diese Einschätzung entspricht der ganz überwiegenden Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. z. B. VG Würzburg, U. v. 28.12.2012 - W 1 K 11.30177 - juris; U. v. 28.10.2011 - W 1 K 11.30099; VGH BW, B. v. 4.2.2010

- A 11 S 331/07 - juris Rn. 26 ff.; Sächs. OVG v. 17.5.2011 - A 4 A 510/10 - juris Rn. 32; v. 21.7.2009 - A 4 B 629/07 - juris Rn. 38 f.; v. 19.5.2009 - A 4 B 229/07 - juris Rn. 30 ff.; VG Saarland, U. v. 13.7.2012 - 10 K 171/12 - juris Rn. 27 ff.; v. 8.10.2010 - 10 K 1849/09 - S. 5 des Urteilsabdrucks; v. 16.7.2010 - 10 K 471/10 - juris Rn. 13, jeweils m. w. N.).

An dieser Einschätzung hält das Gericht auch unter Berücksichtigung der jüngsten Entscheidungen der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart (VG Stuttgart, U. v. 28.5.2014 - A 11 K 1996/14 - juris; U. v. 25.3.2014 - A 11 K 5036/13 - juris) fest. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart und der von diesem Gericht vernommenen sachverständigen Zeugin Dr. Karin Waringo (vgl. Waringo, Serbien, Ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland ?, Pro Asyl 2013) lassen die vorliegenden Erkenntnismittel weder den Schluss zu, dass Beschränkungen der Ausreisefreiheit für serbische Staatsangehörige selektiv Volkszugehörige der Roma betreffen noch dass der Straftatbestand des § 350a des Serbischen StGB selektiv und entgegen dem Gesetzeswortlaut gegen Roma, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, angewendet wird. Das erkennende Gericht sieht derzeit keine Kriminalisierung Ausreisewilliger aus Serbien. Vielmehr garantiert Art. 17 der Serbischen Verfassung sogar ausdrücklich ein Recht auf Bewegungsfreiheit, welches das Recht beinhaltet, das Land zu verlassen und wieder nach Serbien zurückzukehren (Waringo, a. a. O., S. 42). Der vom Verwaltungsgericht Stuttgart als Beleg für eine Kriminalisierung Ausreisewilliger angeführte § 350a Serbisches StGB ändert an dieser Einschätzung nichts, da er sich nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht gegen serbische Staatsangehörige richtet, die im Ausland Asyl beantragen, sondern gegen Personen, die serbischen Staatsangehörigen in Gewinnerzielungsabsicht unter Vorspiegelung falscher Darstellungen über die Lage der Menschenrechte in Serbien Ausreisehilfe leisten (vgl. Waringo, a. a. O., S. 40, Fußnote 252). Im Fokus dieser Regelung stehen somit nicht Ausreisewillige oder Asylsuchende, sondern kommerzielle Fluchthilfeorganisationen. Soweit in diesem Bericht dargestellt wird, dass das auf Fluchthilfe abzielende Gesetz die Möglichkeit einer späteren Kriminalisierung der Asylbewerber biete, weil ihnen vorgeworfen werde, ihre Situation in Serbien unzutreffend darzustellen, vermag das schon deshalb nicht zu überzeugen, weil keine Rechtsgrundlage für ein Vorgehen wegen Asylantragstellung besteht. Auch die Bestimmungen des serbischen Meldegesetzes, nach denen sich Personen, die länger als 90 Tage im Ausland bleiben, vor ihrer Abreise und bei ihrer Rückkehr bei den zuständigen Behörden melden müssen und Verstöße mit Geldstrafen geahndet werden können (vgl. Waringo, a. a. O., S. 41), stellen keinen Beleg für eine Beschränkung der Ausreisefreiheit dar. Vielmehr sind auch in den Meldegesetzen anderer Staaten, beispielsweise in den deutschen Meldegesetzen, ähnliche Meldepflichten enthalten (VG Regensburg, U. v. 7.5.2014 - RO 6 K 14.30326 - juris Rn. 20; VG Sigmaringen, U. v. 28.5.2014 - 1 K 234/14 - juris Rn. 36 ff.; VG Stuttgart, U. v. 28.5.2014 - A 12 K 4301/12 - juris Rn. 36; VG Würzburg, GB v. 12.6.2014 - W 1 K 12.30334, S. 8).

2.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG bzw. im Ermessenswege nach §§ 51 Abs. 5, 48 und 49 VwVfG in Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG, der den früheren Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a. F. inhaltlich entspricht. Tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylVfG sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

3.

Ebenso steht der Klägerin kein Anspruch auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG bzw. im Ermessenswege nach §§ 51 Abs. 5, 48 und 49 VwVfG bezüglich der Feststellung zu, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Die oben genannten Vorschriften des serbischen Meldegesetzes verletzen nach der Überzeugung des Gerichts nicht die Ausreisefreiheit nach Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK (EMRK-ZP IV). Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen gegenüber Volkszugehörigen der Roma diskriminierend angewendet würden, liegen nach den oben genannten Feststellungen nicht vor. Einen Eingriff in den Kernbereich und damit eine Verletzung des Freizügigkeitsrechtes in der Form der Ausreisefreiheit nach Art. 2 Abs. 2 EMRK-ZP IV stellen die genannten Bestimmungen nicht dar, weshalb offen bleiben kann, ob § 60 Abs. 5 AufenthG mit seinem Verweis auf die EMRK auch das ZP IV erfasst (dies verneinend VG München, U. v. 25.3.2013 - M 24 K 12.30893 - juris) und ob und inwieweit etwaige Eingriffe in die Ausreisefreiheit nach Art. 2 Abs. 3 EMRK-ZP IV aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt wären (VG Sigmaringen, U. v. 28.5.2014 - 1 K 234/14 - juris Rn. 44; VG Würzburg, GB v. 12.6.2014 - W 1 K 12.30334, S. 8).

Gründe für die Feststellung eines individuellen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Auch eine Verdichtung der allen serbischen Staatsangehörigen drohenden Allgemeingefahren zu einer Extremgefahr in der Person der Klägerin, die aufgrund des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG in verfassungs- und konventionskonformer Auslegung führen könnte, ist weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die von der Klägerin geschilderten Sicherheitsprobleme und schlechten Lebensbedingungen treffen unstreitig für eine Vielzahl weiterer Personen im Abschiebestaat zu, insbesondere für Volkszugehörige der Roma (Lagebericht a. a. O.).

Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, v. 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 ff.; v. 04.06.1996, NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f.). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse bestehenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 187).

Eine solche extreme Gefahrenlage besteht für die Klägerin im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma in Serbien ungeachtet der für diese Volksgruppe unbestritten nach wie vor in erheblichem Maße bestehenden Schwierigkeiten nicht. Auch bei Zugrundelegung der von der Klägerin geschilderten Situation in Serbien als zutreffend kann nicht von der Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar von einer Todesgefahr bei ihrer Rückkehr ausgegangen werden. Das Gericht geht vielmehr auch aufgrund des Vortrags der Klägerin und ihres Lebensgefährten in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass ihr Existenzminimum in Serbien grundsätzlich gesichert ist. Denn zum einen leben dort die Eltern der Klägerin, an die sie sich gegebenenfalls zur Unterstützung wenden könnte. Dies gilt insbesondere auf ihren Vortrag, sie könne nicht arbeiten, weil sich niemand um ihre Kinder kümmern könne. Dass ihre Eltern zu keinerlei Unterstützung der Klägerin bereit und in der Lage wären, ist nicht substantiiert vorgetragen worden. Abgesehen davon ist davon auszugehen, dass die Klägerin im Falle der zwangsweisen Vollziehung ihrer Ausreisepflicht gemeinsam mit dem Vater ihrer Kinder abgeschoben würde. Daher könnte auch dieser durch Gelegenheitsarbeiten für den Unterhalt der Familie sorgen bzw. sich um die Kinder kümmern könnte. Im Übrigen haben Roma in Serbien, was die Klägerin im Ergebnis auch bestätigt hat, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Grundversorgung (vgl. Lagebericht Serbien, S. 14, 21). Die Klägerin sowie ihr Lebensgefährte haben auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie in Serbien registriert seien. Auch Rückkehrer erhalten nach Abschluss der Registrierung bei den Wohnortbehörden und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Anmeldung als Arbeitsuchende kostenfreien Zugang zur Gesundheits- und Sozialversorgung. Sollte ihre Registrierung aufgrund ihrer Ausreise erloschen sein, hat die Klägerin die Möglichkeit, die erneute Registrierung bereits durch ihre Verwandten vorbereiten zu lassen (vgl. Lagebericht Serbien, S. 19). Hinsichtlich der Registrierung gilt für Rückkehrer der Grundsatz der Rückführung an den letzten Wohnort. Eine Registrierung an einem anderen als dem Herkunftsort eines Rückkehrers ist aufgrund der in Serbien grundsätzlich garantierten Niederlassungsfreiheit theoretisch möglich, in der Praxis jedoch nicht immer problemlos durchsetzbar. Dies gilt insbesondere, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten und es ihnen nicht gelingt, einen Wohnsitz nachzuweisen. Dann ist mit erheblichem Widerstand der zuständigen Kommunalbehörden zu rechnen, der im Einzelfall nur durch Beschreitung des Rechtsweges überwunden werden kann (vgl. Lagebericht Serbien, S. 19). Die Klägerin hat jedoch nichts vorgetragen, was dagegen sprechen könnte, dass sie sich an ihrem letzten Wohnort im Herkunftsland erneut niederlässt. Im Übrigen geht das Gericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Einzelfall die Ausländerbehörde - und nicht das Bundesamt bzw. das Verwaltungsgericht im Asylstreitverfahren - vor einer Abschiebung der Klägerin nach Serbien zu prüfen hat, ob sie dort registriert ist bzw. ob ihre Registrierung dort noch besteht und/oder möglich ist (vgl. z. B. VG Würzburg, GB v. 12.6.2014 - W 1 K 12.30334 - Urteilsabdruck S. 10; VG Augsburg, U. v. 31.5.2012 - AU 6 K 11.30350 - juris).

4.

Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

5.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Juni 2014 - 1 K 13.30393

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2006 - A 2 K 11717/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1, hilfsweise Abs. 7 AufenthG.
Die 1950 geborene Klägerin stammt aus dem Kosovo und ist nach eigenen Angaben Angehörige der Volksgruppe der Roma und muslimischen Glaubens. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, geb. 1990 und 1992 (das Berufungsverfahren des Sohnes G. wurde vom erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen A 11 S 332/07 mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden; das Berufungsverfahren der Tochter wurde nach Klagerücknahme abgetrennt und mit Beschluss vom 17.08.2009 - A 6 S 1815/09 - eingestellt). Im Mai 1992 reiste die Klägerin mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann nach Deutschland ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Nachdem die Ladung zur Anhörung nicht zugestellt werden konnte, wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) vom 12.11.1993 abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und der Klägerin die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien angedroht. Im Rahmen der Begründung wurde davon ausgegangen, die Klägerin sei albanische Volkszugehörige.
Am 18.01.2000 stellte die Klägerin beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag, den sie damit begründete, sie gehöre der Volksgruppe der Roma an, was nach ihrer Erinnerung im früheren Verfahren nicht deutlich gemacht worden sei. Vom serbischen Regime seien sie als Albanerin angesehen worden und deswegen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Seit dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen würden die im Kosovo lebenden Roma zunehmend von der albanischen Bevölkerung verfolgt, misshandelt und zum Teil getötet. Auch im übrigen Jugoslawien sei mit asylerheblicher Verfolgung zu rechnen. Sie spreche sowohl die albanische Sprache als auch Romanes. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung von Herrn N.v.H. sei sie Angehörige der Volksgruppe der Roma. Hinzu komme, dass sie, wie ein Krankenhausbericht belege, an mehreren Erkrankungen - u.a. Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie und posttraumatische Belastungsstörung - leide, deren Behandlung insbesondere im Kosovo nicht gewährleistet sei.
Mit Bescheid vom 15.07.2004 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des Bescheids vom 12.11.1993 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab und drohte der Klägerin die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an: Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Roma habe die Klägerin politische Verfolgung weder im Kosovo noch im übrigen Serbien und Montenegro zu befürchten. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 53 AuslG seien ebenfalls nicht gegeben. Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG lägen nach wie vor nicht vor. Die allgemeine Situation der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo stelle keine extreme konkrete Gefährdung für jeden Einzelnen im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG dar. Abschiebungshindernisse ergäben sich schließlich auch nicht aus den gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin unter mehreren medikamentös behandlungsbedürftigen chronischen Beeinträchtigungen leide und daneben auch im neurologisch-psychiatrischen Bereich Beeinträchtigungen bestünden. Insbesondere das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei allerdings nicht hinreichend belegt worden. Im Kosovo sei nach den vorliegenden Auskünften sowohl eine antidepressive medikamentöse Behandlung als auch eine ärztliche bzw. nervenärztliche Behandlung möglich. Auch die chronischen Erkrankungen (Diabetes mellitus und Hypertonie) seien nach Auskunftslage ausreichend behandelbar; die erforderlichen Medikamente seien verfügbar und erhältlich. Ein Anspruch auf eine bestimmte, den hiesigen Verhältnissen entsprechende Behandlung bestehe grundsätzlich nicht. Auch Roma und Ashkali hätten unbeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.08.2004 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der sie sich darauf beruft, dass sie als Angehörige der Volksgruppe der Roma aus dem Kosovo vertrieben worden sei. Unter den Folgen des Fluchttraumas leide sie noch heute. Es sei davon auszugehen, dass Angehörige der Roma nach wie vor mit Verfolgung und Vertreibung rechnen müssten, ohne dass auch seitens internationaler Organisationen ausreichender Schutz gewährt werden könne. Ausweislich der vorgelegten Atteste und Stellungnahmen leide sie an zahlreichen Erkrankungen und sei deswegen schwerbehindert. Zuletzt habe sie sich einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen müssen. Es seien unter anderem eine Aortenstenose, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus festgestellt worden. Eine adäquate Behandlung der Mehrfacherkrankungen sei im Kosovo nicht möglich. Zum einen existiere im Kosovo keine ausreichende Gesundheitsversorgung, zum anderen sei Angehörigen der Roma der Zugang zur rudimentären medizinischen Versorgung nicht möglich. Die Behandlung von Diabetes mellitus sei im Kosovo nicht finanzierbar. Sie leide außerdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Kosovo nach den vorliegenden Auskünften und Stellungnahmen ebenfalls nicht adäquat behandelbar sei.
Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten.
Mit Urteil vom 21.08.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin keine tatsächlichen Umstände geltend gemacht habe, aus denen sich eine individuelle politische Verfolgung ergeben könnte. Sie unterliege im Kosovo auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit keiner politischen Gruppenverfolgung. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass Angehörige der Minderheiten der Ashkali und „Ägypter“ im allgemeinen aufgrund der von UNMIK und KFOR eingeleiteten Maßnahmen vor Verfolgung effektiv geschützt seien, soweit nicht individuelle tatsächliche Umstände dagegen sprächen. Dabei gehe das Gericht auf der Grundlage der Angaben der Klägerin im Erstverfahren sowie im vorliegenden Verfahren davon aus, dass sie der Volksgruppe der Roma im weiteren Sinne und darunter den Ashkali zuzurechnen sei. Sie sei muslimischen Glaubens, spreche albanisch und besitze einen albanischen Namen. Unter den Roma, die den Albanern nahe stünden, sei sie den sogenannten Ashkali zuzuordnen, weil nicht erkennbar sei, dass sie eine Roma-Identität besitze, denn sie habe sich in den bisherigen Verfahren als Albanerin bezeichnet. Als Ashkali sei sie vor nicht-staatlicher Verfolgung hinreichend geschützt. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor. Aus den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attesten und ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ergebe sich nicht, dass bei ihr zum gegenwärtigen Zeitpunkt krankheitsbedingte Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen. Die Krankheiten seien zum einen - Diabetes mellitus II, arterielle Hypertonie und die aus der Aortenstenose resultierende Herzinsuffizienz - nach den vorliegenden Erkenntnissen im Kosovo behandelbar, zum anderen - cerebrale Durchblutungsstörungen, die zu Kopfschmerzen und Schwindel führten - sei keine erhebliche konkrete Gefahr ersichtlich. Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ashkali führe zu keiner anderen Einschätzung; das öffentliche Gesundheitssystem stehe ausweislich der Auskunftslage allen Ethnien offen. Soweit der Klägerin psychische Erkrankungen attestiert worden seien, entsprächen die vorgelegten Atteste bereits nicht den Mindestanforderungen für den Nachweis psychischer Erkrankungen. Auch diene der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern, vielmehr müsse sich ein Ausländer auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen. Für Angehörige der Ashkali seien auch aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Kosovo die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Eine extreme allgemeine Gefahrenlage, die die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG überwinden könnte, könne auch für die Minderheit der Ashkali nicht angenommen werden.
Auf Antrag der Klägerin hat der 6. Senat des erkennenden Gerichtshofs mit Beschluss vom 22.05.2007 - A 6 S 1051/06 - die Berufung zugelassen, soweit die Verpflichtungsklage auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bzw. 7 AufenthG abgewiesen worden ist. Die Berufung sei zwar nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die in der Antragsbegründung aufgeworfenen Fragen keiner fallübergreifenden Klärung zugänglich seien. Es liege jedoch mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß ein die Berufung eröffnender Verfahrensmangel vor. Das Verwaltungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin in ihrem Asylfolgeantrag, wonach sie der Volksgruppe der (ethnischen) Roma angehöre und sowohl albanisch als auch Romanes spreche sowie die hierzu beigefügte Bestätigung erkennbar nicht oder jedenfalls nur unvollständig in seine Würdigung des Sachverhalts einbezogen. Das übergangene Vorbringen sei auch entscheidungserheblich, weil das Nichtvorliegen der (tatbestandlichen) Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und 7 AufenthG maßgeblich damit begründet worden sei, dass die Klägerin gerade der Roma-Untergruppe der Ashkali angehöre.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen aus, dass sie der Volksgruppe der Roma angehöre und wegen dieser Volkszugehörigkeit bei Rückkehr in den Kosovo mit Übergriffen durch die albanische Mehrheit rechnen müsse, ohne dass ihr durch staatliche oder internationale Organisationen hiergegen Schutz gewährt werden könnte. Sie sei vor ihrer Flucht bereits Angriffen und Misshandlungen durch Albaner und Serben ausgesetzt gewesen, die ihre Ursache in ihrer Volkszugehörigkeit gehabt hätten. Es habe sich um ethnisch motivierte An- und Übergriffe im Jahre 1990 gehandelt. Gegenüber der Minderheit der Roma bestehe seitens der albanischen Bevölkerungsmehrheit weiterhin eine latente Pogromstimmung, gegen die kein Schutz zu erlangen sei. Wegen der Übergriffe der albanischen und serbischen Bevölkerung vor ihrer Flucht leide sie unter anderem an einer posttraumatischen Belastungsstörung, was durch die Vorlage entsprechender Atteste belegt worden sei. Insoweit sei bei einer Rückkehr von einer Retraumatisierung auszugehen. Die Erkrankung sei im Kosovo zudem nicht behandelbar. Hinzu kämen weitere schwerwiegende Erkrankungen, deren adäquate Behandlung im Kosovo auch aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht möglich bzw. nicht finanzierbar sei. Bei einer Rückkehr sei von einer erheblichen, lebensgefährdenden Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes auszugehen, wie insbesondere die ärztliche Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009 belege.
10 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.08.2006 - A 2 K 11717/04 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15.07.2004 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegen.
12 
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Sie führt aus, dass allein wegen der Romazugehörigkeit nicht mit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung zu rechnen sei. Die von der Klägerin vorgelegten Atteste und Arztberichte belegten zahlreiche Erkrankungen, die jedoch keinen konkreten Hinweis auf eine Unbehandelbarkeit im Kosovo ergäben. Dies gelte auch für die vorgetragene PTBS-Erkrankung. Eine asylrechtlich erhebliche Erkrankung sei insoweit nicht ausreichend nachgewiesen. Die in der ärztlichen Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009 aufgeführten erforderlichen Medikamente würden nach Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Pristina vom 26.11.2009 an das VG Minden im Kosovo kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch depressive Störungen seien nach dieser Auskunft im Kosovo in den medizinischen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems uneingeschränkt behandelbar.
15 
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt und ausgeführt, dass er keine inhaltsbezogene Stellungnahme abgeben könne. Er merke aber an, dass UNMIK und KFOR nach weitgehend einhelliger Sichtweise sowohl willens als auch hinreichend in der Lage seien, Roma im Kosovo Schutz zu bieten. Dies habe gerade die Bewältigung der Unruhen vom März 2004 gezeigt. Ein Anspruch auf den Flüchtlingsstatus lasse sich daher nicht bejahen. Ob ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe, könne nach der Berufungsbegründung nicht bewertet werden.
16 
Dem 11. Senat, dem der Rechtsstreit zum 01.01.2010 zugeteilt wurde, liegen die einschlägigen Akten der Beklagten (2 Bände) und des Verwaltungsgerichts (1 Band) vor. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
II.
17 
Der Senat entscheidet gemäß § 130a VwGO über die Berufung durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
18 
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich im Ergebnis als richtig dar. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.07.2004 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Kosovo. Es besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
19 
Entsprechend der Berufungszulassung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die von der Klägerin begehrte Verpflichtung zur Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten vorrangig nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG oder schließlich nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.09.2008 (BGBl. I 1798) sowie § 60 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I 162). Damit sind auch die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I 1970) eingetretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen.
21 
1. Da der erste Asylantrag der Klägerin bereits 1993 bestandskräftig abgelehnt wurde, handelt es sich bei ihrem am 18.01.2000 gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag. Dieser Antrag genügt den Anforderungen des § 71 AsylVfG nicht (hierzu 1.1.). Unabhängig davon scheidet eine Flüchtlingsanerkennung der Klägerin auch deshalb aus, weil Angehörige der Roma im Kosovo keiner Gruppenverfolgung unterliegen (hierzu 1.2.).
22 
1.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Hiernach setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens insbesondere voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder neue Beweismittel vorliegen und dass die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigeren Entscheidung schlüssig dargelegt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1987 - 9 C 285/86 - juris). Der Folgeantrag muss binnen dreier Monate gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund hat ( § 51 Abs. 3 VwVfG).
23 
Diese Voraussetzungen sind für den Folgeantrag der Klägerin vom 18.01.2000 nicht erfüllt. Zur Begründung dieses Antrags hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, sie gehöre (schon immer) der Volksgruppe der Roma an, was im Asylerstverfahren nicht deutlich gemacht worden sei und nun durch ein neues Beweismittel, die Bestätigung des Herrn N.v.H., belegt werden könne. Dieser Vortrag substantiiert ersichtlich keine „geänderte“ Sach- oder Rechtslage. Die Roma-Bestätigung des Herrn N.v.H. ist zudem kein „neues Beweismittel“ i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil dies nur solche Beweismittel sind, die geeignet erscheinen, das bisherige Tatsachenvorbringen eines Asylantragstellers zu stützen; § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG betrifft mithin neue Beweismittel für „alte“ Tatsachen. Die Klägerin hingegen hat sich im Asylerstverfahren 1992 nach Aktenlage mit keinem Wort darauf berufen, der Volksgruppe der Roma anzugehören. Die mit dem Asylfolgeantrag vom 18.01.2000 vorgelegte Krankenhausbescheinigung schließlich datiert vom 29.01.1999; insoweit ist die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG mithin offensichtlich nicht eingehalten worden.
24 
1.2. Selbst wenn von einem hinreichenden Folgeantrag sowie davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Klägerin um eine Angehörige der Volksgruppe der Roma handelt, würde ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung (§ 3 Abs. 4 AsylVfG) ausscheiden. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Einer solchen Bedrohung ist die Klägerin, auch als Zugehörige zur Volksgruppe der Roma, im Kosovo nicht ausgesetzt.
25 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der (Qualifikations-) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
26 
Nach diesem Maßstab droht der Klägerin im Kosovo keine Verfolgung. Eine Verfolgung als Angehörige der Roma durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des kosovarischen Staatsgebiets beherrschen, macht die anwaltlich vertretene Klägerin nicht geltend. Sie verweist ausschließlich auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Roma. Die Annahme einer solchen Verfolgung setzt voraus, dass die Klägerin als Angehörige dieser Minderheit wegen ihrer „Rasse“ bedroht ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), dass der Staat, die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Nicht anders als eine staatliche Gruppenverfolgung setzt die von der Klägerin geltend gemachte Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Dies erfordert Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - InfAuslR 2009, 315). Eine solche Verfolgungsdichte, die die Regelvermutung eigener Verfolgung begründet, lässt sich für Angehörige der Roma auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel im Kosovo nicht feststellen (so schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.2008 - A 6 S 1028/05 - sowie Sächs. OVG, Urteil vom 19.05.2009 - A 4 B 229/07 - juris).
27 
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21.07.2009 – A 4 B 554/07 – (juris) hierzu Folgendes ausgeführt:
28 
„Im Kosovo gibt es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.2.2009 mehr als 30.000 Angehörige der Roma (davon wohl 23.000 Ashkali und Ägypter), wobei der UNHCR Ashkali und Ägypter nicht mehr zur Gruppe der Personen mit einem fortbestehenden Bedürfnis nach internationalem Schutz zählt (Lagebericht S. 16). Eine Volkszählung im Jahr 1991 habe 42.000 Roma auf dem Gebiet des Kosovo ergeben, nach Angaben von Roma-Verbänden habe die Anzahl der Roma mit rund 120.000 deutlich höher gelegen. Nach Amnesty International (Asyl-Info 3/2009, S. 6) wurden im März 2004 ca. 4.100 Angehörige von Minderheiten durch ethnisch motivierte Gewalttaten vertrieben, darunter auch Roma. Im Anschluss an den Einsatz der NATO hätten Albaner zahlreiche Häuser der Roma zerstört. Viele Angehörige der Roma lebten heute in extremer Armut, nahezu alle Roma seien von Arbeitslosigkeit betroffen. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 habe sich die Lage der Roma nicht verbessert; Roma seien von den sozialen Sicherungssystemen faktisch ausgeschlossen und kaum in der Lage, sich eine medizinische Grundversorgung zu leisten. Aktionspläne zur Integration von Roma, Ashkali und Ägyptern seien im Kosovo bislang nicht umgesetzt werden. Auf gewaltsame Repressionen durch nichtstaatliche Akteure - wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird - verweist Amnesty International dagegen nicht mehr. Das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008 führt aus, dass es seit den pogromartigen Ausschreitungen von März 2004 zu keinen größeren Übergriffen gegen Roma-Gemeinschaften gekommen sei. Angehörigen der Roma, Ashkali und Ägypter drohe „in Einzelfällen“ noch asylrelevante Verfolgung, wenn sie im Verdacht der Kollaboration mit der ehemaligen serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Während der vergangenen Jahre habe sich die Sicherheitssituation der Roma-Gemeinschaften allmählich verbessert. Die Sicherheitslage im Kosovo sei insgesamt auch für ethnische Minderheiten stabil. Im Bereich ihrer Siedlungen drohten den Angehörigen der Roma im Allgemeinen keine Gewaltakte. Diese Einschätzung wird durch den Lagebericht des Auswärtigen Amts bestätigt, nach dem die Anzahl ethnisch motivierter Vorfälle von 62 im Jahr 2006 auf 24 im Jahr 2007 gefallen sei (S. 14). Im Rahmen groß angelegter Wiederaufbauprojekte seien umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden, um eine dauerhafte Rückkehr von Roma etwa in der Siedlung Roma Mahala zu ermöglichen (Lagebericht S. 16 f.). Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspaper vom 10.1.2008), die eine Rückkehr von Roma in den Kosovo als unzumutbar ansieht, beschreibt die Lage der abgeschottet von der „Außenwelt“ lebenden Roma-Gemeinschaften als relativ sicher, wobei eine „asylrelevante Verfolgung“ in „Einzelfällen“ nur solchen Angehörigen von Minderheiten drohe, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden.“
29 
Dieses Bild wird durch den in das Verfahren eingeführten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2009 - Kosovo - bestätigt. Auch hier wird die ausgesprochen schwierige Lage der Roma im Kosovo dargestellt, aber zusammenfassend ausgeführt, es gebe keine Anzeichen für eine staatliche Verfolgung (S. 10). Für ethnische Roma, die sich während des Krieges nicht ausdrücklich auf die Seite Serbiens gestellt haben oder in gewalttätige Handlungen gegen Kosovo-Albaner verwickelt waren, würden keine Erkenntnisse über eine Gefährdung seitens der albanischen Bevölkerung vorliegen. Roma-Familien, die z.B. während des Krieges den albanischen Nachbarn halfen, Schutz zu finden, würden respektiert. Ihre Stellung sei die gleiche wie die der albanischen Bevölkerung. Eine individuelle Gefährdungslage könne für Roma allerdings dann bestehen, wenn sie sich vor oder während der kriegerischen Auseinandersetzungen in den Augen der albanischen Bevölkerung auf die Seite der Serben gestellt und sich auf Seiten der Serben an den Auseinandersetzungen gegen ihre albanischen Nachbarn beteiligt haben. Einer solchen regional bestehenden individuellen Gefährdung könnten sie jedoch durch Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil entgehen (S. 15).
30 
Ausgehend von diesem Erkenntnismittel bestehen jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinsichtlich des Kosovo keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma (ebenso für Ashkali VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.2008 - A 6 S 1026/05 - juris), selbst wenn man realistischerweise davon ausgehen muss, dass nicht jeder Übergriff auf einen Angehörigen dieser Volksgruppe zur Anzeige kommt. Da die Klägerin auch nach ihren eigenen Angaben nicht zum Personenkreis derjenigen gehört, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder etwa der Teilnahme an Plünderungen stehen, sie zudem albanisch spricht und sich zum muslimischen Glauben bekennt, fehlen selbst bei Anlegung des sogenannten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach Rückkehr in ihre Heimat dort verfolgt werden könnte. Ein Anspruch der Klägerin auf Flüchtlingsanerkennung im Folgeverfahren scheidet mithin aus.
31 
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Hierüber ist ungeachtet der Frage zu entscheiden, ob der Folgeantrag der Klägerin insoweit die Voraussetzungen des § 71 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 - 9 C 41.99 - BVerwGE 101, 77).
32 
2.1. Ein (europarechtlich begründetes) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist nicht erkennbar. Nach dieser Norm ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Vorschrift setzt die sich aus Art. 18 i.V.m. Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht um. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist dabei unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts i.S.v. Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss jedoch zumindest ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198). Davon kann im Kosovo derzeit nicht ausgegangen werden. Die Situation dort rechtfertigt nicht die Annahme eines Bürgerkriegs oder einer bürgerkriegsähnlichen Situation und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konflikts i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2009 – Kosovo – (S. 5) hat sich die Sicherheitslage seit den Unruhen im März 2004 vielmehr weitgehend beruhigt und ist überwiegend stabil.
33 
2.2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle der Klägerin nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07-, BVerwGE 131, 198 <211 f.> Rn. 31 f.).
34 
Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für die Klägerin im Hinblick auf ihre vorgetragene Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma im Kosovo ungeachtet der für diese Volksgruppe nach wie vor dort in erheblichem Ausmaß bestehenden Schwierigkeiten nicht (vgl. hierzu m.w.N. bereits Urteil des VGH Bad.-Württ. vom 24.04.2008 a.a.O.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes - Kosovo - vom 19.10.2009, S. 10 ff.; s.a. Sächs. OVG, Urteil vom 19.05.2009 a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 08.02.2008 - 2 A 16/07 - juris). Da insbesondere die von der Klägerin befürchtete Verfolgungssituation nicht hinreichend wahrscheinlich ist (s.o.), kann auch nicht von der Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar von Todesgefahr bei einer Rückkehr in den Kosovo ausgegangen werden.
35 
Auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Klägerin vermag der Senat keine erhebliche konkrete Gefahrenlage zu erkennen. Nach den vorliegenden ärztlichen Attesten und den Angaben der Klägerin kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in ihre Heimat ausgegangen werden, insbesondere weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich oder nicht erlangbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - BVerwGE 127, 33). Zwar hat die Klägerin 2001 einen Schlaganfall erlitten und leidet nach den vorliegenden fachärztlichen Attesten insbesondere an einer behandlungsbedürftigen Hypertonie, einem behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus sowie psychovegetativen Störungen mit Depressivität (vgl. die Atteste des Allgemeinmediziners Dr. N. vom 20.06.2005, 11.01.2006, 27.07.2006, 14.10.2009 und 19.11.2009, die weitere, u.a. orthopädische und psychiatrische Diagnosen, aber keine konkret durchgeführte Behandlung nennen, die Anlass zu näherer Überprüfung geben könnte; s.a. das kardiologische Attest des Theresienkrankenhauses M. vom 04.05.2005, das aufgrund des Herzkatheter-Befundes eine konservative, medikamentöse Therapie - lediglich - empfiehlt, den Bericht der UMM vom 24.03.2009 sowie die Atteste des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 13.06.2005, 12.01.2006 und 23.11.2009, die ebenfalls verschiedene Diagnosen, aber keine konkrete Behandlung nennen, sowie die diese Einschätzungen bestätigende ärztliche Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009). Aufgrund der aktuellen Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung im Kosovo ist im Falle der Klägerin jedoch keine beachtlich wahrscheinliche Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar, weil ihre Erkrankungen in ihrer Heimat hinreichend behandelbar sind. Insbesondere nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 02.02.2009 und 19.10.2009 - Kosovo - wird die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung durch ein in der Qualität aus finanziellen Gründen allerdings manchmal eingeschränktes staatlich finanziertes öffentliches dreistufiges Gesundheitssystem gewährleistet, und zwar durch Erstversorgungszentren, Krankenhäuser auf regionaler Ebene und eine spezialisierte Gesundheitsversorgung durch die Universitätsklinik Pristina. Daneben gibt es im Kosovo mittlerweile eine große Anzahl von Privatpraxen und einige privat geführte medizinische Behandlungszentren, die eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten anbieten. Für medizinische Leistungen sowie für bestimmte Basismedikamente hat der Patient Eigenbeteiligungen zu zahlen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben werden. Von der Zuzahlungspflicht befreit sind jedoch Invaliden und Empfänger von Sozialleistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre. Die Medikamentenversorgung im staatlichen Gesundheitssystem wird zentral vom kosovarischen Gesundheitsministerium gesteuert, wobei der Medikamentenbedarf in den letzten Jahren mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht vollständig gedeckt werden konnte. Im Bedarfsfall sind aber nahezu alle Medikamente über Apotheken beziehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass für die attestierten chronischen Erkrankungen der Klägerin, die derzeit allein mit Basismedikamenten behandelt werden, im Kosovo eine erforderliche medizinische Behandlung nicht gewährleistet wäre oder aus finanziellen Gründen scheitern könnte. Als chronisch Kranke ist die Klägerin von den genannten Zuzahlungen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit und wird vorrangig mit den erforderlichen Medikamenten versorgt. Die in der ärztlichen Bescheinigung D. S. vom 27.11.2009 genannten Medikamente, die die Klägerin derzeit einnimmt, sind nach der von der Beklagten vorgelegten Auskunft der Deutschen Botschaft in Pristina vom 26.11.2009 im Kosovo kostenlos erhältlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin ausführt, sie sei alleinerziehend und befürchte, als Angehörige der Volksgruppe der Roma die ggf. (grundsätzlich) vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten nicht zu erhalten. Ungeachtet einer möglicherweise nicht optimalen medizinischen Versorgungslage im Kosovo ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Klägerin als Roma die notwendige Behandlung nicht wird erlangen können. Denn das öffentliche Gesundheitssystem steht grundsätzlich allen Ethnien offen (vgl. hierzu auch die Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo an das VG Sigmaringen vom 07.06.2005).
37 
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin - wie sie andeutet - an einem schwer zu behandelnden, komplexen Krankheitsbild leidet und etwa ein weiterer Schlaganfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte, ergeben sich aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht. Auch eine sonstige beachtlich wahrscheinliche Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist trotz der dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht hinreichend feststellbar. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 02.02.2009 und 19.10.2009 ist die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung des Kosovo zwischenzeitlich gewährleistet. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, deren Höhe sich allerdings selbst gemessen an den Lebensbedingungen im Kosovo auf niedrigem Niveau bewegt. Empfänger von Sozialhilfeleistungen sind jedoch insbesondere von Zuzahlungen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit. Zwar ist es für Angehörige der Volksgruppe der Roma aufgrund von Vorurteilen der übrigen Bevölkerung schwierig, Wohnraum anzumieten. Es stehen aber Übergangsunterkünfte und bezugsfertige Wohnmöglichkeiten im groß angelegten Aufbauprojekt der Siedlung „Roma Mahala“ in Süd-Mitrovica zur Verfügung, wo auch ein „Haus der Gesundheit“ eröffnet worden ist, das eine medizinische Grundversorgung der Bewohner unmittelbar vor Ort sicherstellen kann.
38 
Soweit sich die Klägerin schließlich auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beruft, wurde diese Diagnose zwar in den beim Bundesamt vorgelegten Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 15.07.2002, 08.10.2002, 05.05.2003 und 22.09.2003 neben zahlreichen anderen Diagnosen aufgezählt; es wurden verschiedene Medikamente und eine wöchentliche Psychotherapie genannt, ein konkreter Behandlungsbedarf sowie eine Prognose wurden jedoch - trotz der Aufforderung bereits des Bundesamts, hierzu konkrete Angaben zu machen -, nicht näher beschrieben. Im Attest vom 22.09.2003 wird lediglich der Vortrag der Klägerin zu ihren Ausreisegründen wiedergeben, nicht aber die Diagnose begründet oder eine konkrete Behandlung näher bezeichnet. Der für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung befähigte Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. S., bei dem die Klägerin nach eigenen Angaben seit Jahren in Behandlung ist, deutet die Diagnose einer Traumaerkrankung in seinen später erstellten Attesten noch nicht einmal an (vgl. Atteste vom 13.06.2005 und vom 12.01.2006). Vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung kann vor diesem Hintergrund weder ausgegangen werden noch ergibt sich ergänzender Klärungsbedarf (vgl. zu den an ein fachärztliches Attest zu stellenden Mindestanforderungen auch BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251). Abgesehen davon ist es für den Senat auch in keiner Weise nachzuvollziehen, dass die Erkrankung auf traumatischen Erlebnissen beruhen könnte, die der Klägerin als Roma vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet zugestoßen waren. Zum einen hatte sie sich im Asylerstverfahren mit keinem Wort auf ihre Zugehörigkeit zu den Roma berufen, zum anderen fehlt es auch insoweit bis heute an jedem nachvollziehbaren Vortrag. Wiederum losgelöst hiervon geht der Senat im Übrigen davon aus, dass posttraumatische Belastungsstörungen und andere psychische Erkrankungen im Kosovo - wenn auch nicht optimal - behandelt werden können (Lagebericht des Auswärtigen Amtes - Kosovo - vom 19.10.2009, S. 24). Klärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergeben sich (auch) hieraus nicht. Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt, handelt es sich mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen nicht um einen Beweis-, sondern um einen bloßen Beweisermittlungsantrag, der auf Ausforschung gerichtet ist und dem Senat auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) keinen Anlass gibt, den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - a.a.O.; Beschluss vom 24.05.2006 - 1 B 118.05 - InfAuslR 2006, 485; Beschluss vom 28.03.2006 - 1 B 91.05 u.a. - NVwZ 2007, 346; Beschluss vom 29.06.2005 - 1 B 174.04 - juris).
39 
3. Die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 15.07.2004 ist ungeachtet der heute abweichenden Zielstaatsbezeichnungen nicht zu beanstanden (vgl. zur Abschiebung in den Kosovo auch Senatsbeschluss vom 22.07.2008 - 11 S 1771/08 - InfAuslR 2008, 420).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG und einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.3.2014 wird aufgehoben soweit er dem entgegen steht.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten.
Der am … 1986 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger, der dem Volk der Roma angehört. Er reiste am 19.02.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter.
Er wurde am 17.03.2014 persönlich vom Bundesamt zu seinen Asylgründen angehört. Wegen seiner Angaben wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Den Asylantrag des Klägers lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 28.03.2014 als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Weiterhin erkannte es den subsidiären Schutz nicht zu und verneinte auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AsylVfG. Schließlich wurde der Kläger in diesem Bescheid aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu verlassen und es wurde ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Serbien angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei einer Rückkehr nach Serbien habe der Kläger mit keinen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 3 AsylVfG durch den Staat zu rechnen. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 28.03.2014 Bezug genommen.
Der Bescheid vom 28.03.2014 wurde dem Kläger am 22.04.2014 zugestellt.
Der Kläger hat am 25.04.2014 Klage erhoben und zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt (A 11 K 1997/14).
Wegen der Einzelheiten der Begründung der Klage wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den entgegen stehenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
10 
hilfsweise,
11 
die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
12 
höchst hilfsweise,
13 
die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt
14 
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angegriffene Entscheidung.
17 
Mit Beschluss vom 30.05.2014 - A 11 K 1997/14 - hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 28.03.2014 enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet. In dem Beschluss wird ausgeführt, dass die Lage der Roma in Südosteuropa und insbesondere auch in Serbien als hochgradig problematisch anzusehen sei, wie sich der Auskunftslage entnehmen lasse. Den dadurch begründeten Zweifeln müsse im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.
18 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinen Asylgründen angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die in der Sache angefallenen Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Verfahrens A 11 K 1997/14 sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn die Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
22 
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegen und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Dementsprechend darf der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht nach Serbien abgeschoben werden. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2014 ist daher aufzuheben soweit er dieser Verpflichtung entgegen steht.
23 
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Wenn der Ausländer sich auf dieses Abschiebungsverbot beruft, stellt das Bundesamt in einem Asylverfahren fest, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
24 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3474) ist ein Ausländer dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. II 1953, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
25 
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt somit - wie auch die Anerkennung als Asylberechtigter - die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Serbien voraus. Es kann hierbei dahin stehen, ob der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Serbien einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche unmittelbar gedroht hatte; denn das Gericht ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hat, die an ein asylrelevantes Merkmal, die Rasse, anknüpft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
26 
1. Hierbei kann weiter dahin stehen, ob der Kläger schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma einer politischen Verfolgung in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde. Hierbei verkennt das Gericht nicht die äußerst problematische Lage, in der sich Roma in Serbien befinden. Nach der Auskunftslage und der in dem Verfahren A 11 K 5036/13 durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass Roma in Serbien extrem benachteiligt werden, dass sie gezwungen sind, am Rande der Gesellschaft zu leben und dass sie vielfältige Benachteiligungen hinzunehmen haben. Dies gilt insbesondere für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und der Möglichkeit Sozialleistungen zu erlangen. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Darstellung der sachverständigen Zeugin Dr. W. bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) sowie auf die von PRO ASYL herausgegebenen Schrift der Zeugin Dr. W.: „Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation (April 2013)“.
27 
Die Feststellungen und Einschätzungen der Zeugin Dr. W. werden weitgehend auch im Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013, S. 13 f. geteilt.
28 
Das Gericht folgt ausdrücklich auch der Einschätzung der Zeugin, dass Roma in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter sind und die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz gewähren. Schon dieser Befund stellt die Einschätzung des Bundesamts, dass den gegen Roma gerichteten Diskriminierungen die erforderliche Verfolgungsintensität fehle, in Frage.
29 
2. Im Urteil vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) hat das Gericht weiter ausgeführt:
30 
„Entscheidend kommt für das Gericht aber hinzu, dass Angehörige der Roma in jüngster Zeit durch den serbischen Staat in ihren elementaren Rechten auf Freizügigkeit beschnitten und zudem kriminalisiert werden, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise Gebrauch machen.
31 
Die Ausreisefreiheit ist zum einen durch Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) verbürgt. Danach steht es grundsätzlich jedermann frei, jedes Land, einschließlich des eigenen zu verlassen. Zum anderen wird die Ausreisefreiheit auch durch Art. 17 der serbischen Verfassung geschützt. Die Einschränkungsmöglichkeiten, die die serbische Verfassung vorsieht, strafrechtliche Ermittlungen, Vorbeugung gegen ansteckende Krankheiten oder Beschränkungen zur Verteidigung der Republik Serbien, sind vorliegend nicht einschlägig. Damit stellt die massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG dar.
32 
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen ausdrücklich dazu bestimmt sind und auch dazu eingesetzt werden, Angehörige von Minderheiten - insbesondere die Angehörigen der Roma - die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen. Diese Einschätzung stützt sich auf die aktuelle Auskunftslage und die Erklärungen der Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung und wird durch die Information des Regional Center for Minorities, wonach Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgten, bestätigt. Damit knüpft die Verfolgungshandlung an die „Rasse“ ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an; vgl. insoweit auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG.
33 
Die Verfolgungshandlung weist auch die erforderliche Intensität auf. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als „Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der in Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04.11.1950 genannten Rechte. Das Recht auf freie Ausreise ist ein grundlegendes Menschenrecht, dem - auch wenn es nicht in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist - seit jeher ein großes Gewicht zukommt (vgl. insoweit auch die Entscheidung des EGMR - Fourth Section vom 27.11.2012 - Case of Stamose v. Bulgaria - Appl. no. 29713/05).
34 
Die Ausreisefreiheit ist die Grundlage für jeden Menschen, Herrschaftsverhältnissen zu entgehen, mit denen der Einzelne aufgrund abweichender politischer Überzeugung nicht übereinstimmt (vgl. hierzu z.B.: BVerwG, Urteil vom 13.11.1979 - I C 16/75, Urteil vom 24.04.1979 - I C 49/77 - DÖV 1979, 827, Urteil vom 21.11.1978 - I C 5/73), seine Religion frei leben zu können, wenn dies im Heimatland nicht möglich ist (cuius regio, eius religio und das hieran anknüpfende ius emigrandi) oder sich aus sozial oder wirtschaftlich bedrängter Lage zu befreien und andernorts sein Glück zu suchen.
35 
Dem letzten Gesichtspunkt kommt insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn die Lebensverhältnisse der Betroffenen im Heimatland kaum erträglich und die Möglichkeiten zur Selbsthilfe stark beschränkt sind. So aber liegen die Dinge für Angehörige der Roma in Serbien. Der weitaus überwiegende Teil dieser Minderheit ist wirtschaftlich auf ein Leben verwiesen, das weit unter dem liegt, was in der Bundesrepublik Deutschland als Existenzminimum definiert ist. Es gibt kaum Möglichkeiten der Selbsthilfe, weil für diesen Personenkreis nach übereinstimmender Auskunftslage kaum ein Zugang zur Arbeitswelt und zu Bildungsmöglichkeiten besteht. Aufgrund bürokratischer Anforderungen sind Roma von Sozialleistungen weitgehend ausgeschlossen, aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Lage sind sie oft auch nicht in der Lage von Angeboten des Gesundheitssystems Gebrauch zu machen, wie eine extrem hohe Kindersterblichkeit und eine deutlich niedrigere Lebenserwartung belegt.
36 
Wie die Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, werden den Roma aktuell durch neue staatliche Maßnahmen auch noch die wenigen Möglichkeiten, ihr Leben zu fristen, genommen. So führt das neu eingeführte Abfallbeseitigungskonzept dazu, dass Roma, die zu einem großen Teil aus diesem Müll direkt - oder indirekt durch Verwertung - leben, auch dieser Existenzgrundlage beraubt werden. Je weniger ein Staat bereit oder in der Lage ist, Lebensbedingungen zu schaffen, die für die Einwohner zumindest erträglich sind und je weniger die einzelnen sich aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst helfen können, umso bedeutsamer ist das Menschenrecht auf Ausreise, so dass deren Verhinderung in solchen Fällen nur als „schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte“ im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG betrachtet werden kann.
37 
Jedenfalls aber erfüllt die Beschränkung der Ausreisefreiheit für Roma in Verbindung mit allen anderen Beeinträchtigungen, denen Angehörige der Roma in Serbien unstreitig ausgesetzt sind (siehe oben), die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Angehörige der Roma haben deshalb zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine begründete Furcht vor künftigen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wenn sie nach Serbien zurückkehren müssten.
38 
Erschwerend hinzu kommen die neu geschaffenen Sanktionen durch das Meldegesetz und § 350a des serbischen StGB. Hierbei geht das Gericht zunächst davon aus, dass Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgen (siehe oben). Entscheidend stellt das Gericht aber auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB ab, der vor dem Hintergrund der Debatte über die Visumsfreiheit zu sehen und zu würdigen ist. Nach Absatz 1 dieser Regelung haben Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen.
39 
Diese Strafandrohung stellt eine unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind nach deren Wortlaut so weit gefasst, dass nicht lediglich Dritte (Fluchthelfer) davon betroffen sind, sondern ausdrücklich auch der Asylbewerber selbst. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Verhältnis von § 350a Abs. 1 serbisches StGB zu dessen Absätzen 2 und 3. Anknüpfungspunkt der Bestrafung nach § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist u.a. lediglich die „falsche“ Darstellung der Gefährdungslage in Serbien durch einen Asylbewerber in einem Asylantrag. Das Strafmaß beträgt für Erfüllung diesen Tatbestands Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
40 
Nicht zu übersehen ist aber auch, dass die Strafschärfungen in den dortigen Absätzen 2 und 3 ihrem Wortlaut nach nicht auf gewerbsmäßige Fluchthelfer beschränkt sind, sondern jeden erfassen, der die in Absatz 1 genannte Tat in einer Gruppe verübt (Absatz 2) bzw. wenn die in Absatz 2 genannte Tat als „Organisator“ begangen wird. Dann drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren bzw. bis zu acht Jahren, selbst wenn nur bei der Asylantragstellung von Verwandten oder Freunden geholfen worden ist.
41 
§ 350a des serbischen StGB stellt schon mit der Strafandrohung im Falle dessen Absatzes 1 eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte dar. Diese Verletzung knüpft auch an ein Merkmal von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, die Rasse, an. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich § 350a des serbischen StGB speziell gegen Roma richtet und diskriminierend ist. Dies gilt erst recht für die Strafandrohungen von § 350a Absätze 2 und 3 des serbischen StGB.
42 
Dass die Asylantragstellung den serbischen Behörden im Falle einer Rückkehr bekannt wird, ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern folgt ohne weiteres auch aus dem Schreiben vom 29.05.2013 (EU - Delegation to the Republic of Serbia, Political Section, The Head of Section an die Zeugin Dr. W.).“
II.
43 
An dieser Einschätzung hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Beklagten im Berufungszulassungsantrag vom 28.04.2014 fest. Die Beklagte macht hier im Wesentlichen geltend, dass es gute Gründe dafür gebe, die Verhinderung oder die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Ausreise nicht als relevante Rechtsverfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylVfG einzustufen. Jedenfalls sei die Ausreisefreiheit nicht den in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten grundlegenden Menschenrechten gleich zu erachten. Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Verstößen gegen das neue serbische Meldegesetz selektiv gegen Roma vorgegangen würde, würde es sich bei den hier verhängten Geldstrafen nicht um hinreichend schwerwiegende Eingriffe handeln. Schließlich könne die Relevanz einer Strafnorm (hier § 350a serbisches StGB) nicht allein anhand ihres Normtextes bestimmt werden. Maßgeblich sei hingegen, wie diese Strafvorschrift tatsächlich in der Rechtspraxis der Gerichte angewendet werde.
44 
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten nimmt das Recht auf freie Ausreise eine zentrale Stellung unter den Menschenrechten ein.
45 
a) In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kommt ihr - angesichts der damaligen deutschen Teilung und der Teilung Europas - eine überragende, ja konstitutive Bedeutung zu. In allen Regierungserklärungen der damaligen Bundeskanzler Adenauer, Erhard und Brandt „wurde die Tragweite der Freizügigkeit für das innerdeutsche Verhältnis hervorgehoben. Sie forderten das Recht auf Verlassen der DDR und Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht nur wegen der allen Deutschen zustehenden Freizügigkeit, sondern auch als elementares Menschenrecht“ (vgl. Eichenhofer, Einreisefreiheit und Ausreisefreiheit, ZAR 2013, 135 <136>). Und weiter: „Die Bundesrepublik bezog ihre Legitimation als ein den Menschenrechten verpflichteter Staat primär daraus, dass sie sich in der Ausreisefreiheit von der DDR unterschied.“ (ebenda).
46 
b) Die Ausreisefreiheit wird durch Artikel 13 Ziffer 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 geschützt, der bestimmt, dass jeder Mensch das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren. Vergleichbar schützt Artikel 12 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl 1973 II, S. 1553) die Ausreisefreiheit („Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“). Im Abschlussdokument des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15.01.1989 haben die Signatarstaaten unter Punkt 20, 2. Spiegelstrich beschlossen: „Die Teilnehmerstaaten werden das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter auch seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt achten.“ Im Grundgesetz wird die Ausreisefreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 6, 32), wobei diese Gewährleistung keinen Randbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung betrifft, sondern eine zentrale Verbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG darstellt (vgl. insoweit z.B. die abweichende Meinung von Grimm: BVerfGE 80, 137 <165 und 166>).
47 
c) Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Verurteilung der Mauerschützen durch den Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 1) voraussetzte, dass die Grenzsoldaten der DDR gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen hatten. Eine Rechtfertigung des Grenzregimes durch das Grenzgesetz der DDR lehnte der BGH ab, weil in ihm ein „offensichtlich grober Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Ausdruck kommt“. Hierbei stellt der BGH zentral auf Art. 12 Abs. 2 IPbürgR ab, der die Ausreisefreiheit gewährleistet, die durch den Staat nicht generell beseitigt, sondern nur punktuell eingeschränkt werden dürfe. Eine Verletzung des Menschrechts auf freie Ausreise hat der BGH bejaht, „weil den Bewohnern der DDR das Recht auf freie Ausreise nicht nur in Ausnahmefällen, sondern in aller Regel vorenthalten wurde.“ Nichts anderes kann gelten, wenn ein Staat einer bestimmten Gruppe die Ausreisefreiheit in vergleichbarer Weise verweigert. Denn Einschränkungen der Ausreisefreiheit dürfen jedenfalls nicht missbräuchlich oder willkürlich angewendet werden.
48 
2. Soweit die Beklagte § 350 a des serbischen StGB die Relevanz abspricht, weil es auf die tatsächliche Rechtsanwendungspraxis ankomme, folgt dem das Gericht ebenfalls nicht. Entscheidend ist die im Gesetz erfolgte Strafandrohung. Die Annahme, dass diese Norm nicht oder nicht in relevanter Weise in der Rechtspraxis angewandt werde, ist zum momentanen Zeitpunkt spekulativ. Erst nach einem längerem Zeitraum der Nichtanwendung der Norm oder nach Entstehung einer konkreten Rechtspraxis der Gerichte mag anderes gelten.
49 
3. Unabhängig von der Beantwortung der durch die Beklagte aufgeworfenen Fragen zur Ausreisefreiheit und der Strafbarkeit der Asylantragstellung ist jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar, wie angesichts eines massiven Eingriffs in die Ausreisefreiheit von Angehörigen der Roma und der erfolgten Strafverschärfungen der Antrag des Antragstellers als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden konnte.
50 
Da die Klage mit dem Hauptantrag erfolgreich ist, kommt es auf die gestellten Hilfsanträgen nicht mehr an.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
20 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn die Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
22 
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegen und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Dementsprechend darf der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht nach Serbien abgeschoben werden. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2014 ist daher aufzuheben soweit er dieser Verpflichtung entgegen steht.
23 
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Wenn der Ausländer sich auf dieses Abschiebungsverbot beruft, stellt das Bundesamt in einem Asylverfahren fest, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
24 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3474) ist ein Ausländer dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. II 1953, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
25 
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt somit - wie auch die Anerkennung als Asylberechtigter - die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Serbien voraus. Es kann hierbei dahin stehen, ob der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Serbien einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche unmittelbar gedroht hatte; denn das Gericht ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hat, die an ein asylrelevantes Merkmal, die Rasse, anknüpft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
26 
1. Hierbei kann weiter dahin stehen, ob der Kläger schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma einer politischen Verfolgung in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde. Hierbei verkennt das Gericht nicht die äußerst problematische Lage, in der sich Roma in Serbien befinden. Nach der Auskunftslage und der in dem Verfahren A 11 K 5036/13 durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass Roma in Serbien extrem benachteiligt werden, dass sie gezwungen sind, am Rande der Gesellschaft zu leben und dass sie vielfältige Benachteiligungen hinzunehmen haben. Dies gilt insbesondere für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und der Möglichkeit Sozialleistungen zu erlangen. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Darstellung der sachverständigen Zeugin Dr. W. bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) sowie auf die von PRO ASYL herausgegebenen Schrift der Zeugin Dr. W.: „Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation (April 2013)“.
27 
Die Feststellungen und Einschätzungen der Zeugin Dr. W. werden weitgehend auch im Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013, S. 13 f. geteilt.
28 
Das Gericht folgt ausdrücklich auch der Einschätzung der Zeugin, dass Roma in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter sind und die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz gewähren. Schon dieser Befund stellt die Einschätzung des Bundesamts, dass den gegen Roma gerichteten Diskriminierungen die erforderliche Verfolgungsintensität fehle, in Frage.
29 
2. Im Urteil vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) hat das Gericht weiter ausgeführt:
30 
„Entscheidend kommt für das Gericht aber hinzu, dass Angehörige der Roma in jüngster Zeit durch den serbischen Staat in ihren elementaren Rechten auf Freizügigkeit beschnitten und zudem kriminalisiert werden, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise Gebrauch machen.
31 
Die Ausreisefreiheit ist zum einen durch Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) verbürgt. Danach steht es grundsätzlich jedermann frei, jedes Land, einschließlich des eigenen zu verlassen. Zum anderen wird die Ausreisefreiheit auch durch Art. 17 der serbischen Verfassung geschützt. Die Einschränkungsmöglichkeiten, die die serbische Verfassung vorsieht, strafrechtliche Ermittlungen, Vorbeugung gegen ansteckende Krankheiten oder Beschränkungen zur Verteidigung der Republik Serbien, sind vorliegend nicht einschlägig. Damit stellt die massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG dar.
32 
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen ausdrücklich dazu bestimmt sind und auch dazu eingesetzt werden, Angehörige von Minderheiten - insbesondere die Angehörigen der Roma - die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen. Diese Einschätzung stützt sich auf die aktuelle Auskunftslage und die Erklärungen der Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung und wird durch die Information des Regional Center for Minorities, wonach Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgten, bestätigt. Damit knüpft die Verfolgungshandlung an die „Rasse“ ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an; vgl. insoweit auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG.
33 
Die Verfolgungshandlung weist auch die erforderliche Intensität auf. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als „Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der in Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04.11.1950 genannten Rechte. Das Recht auf freie Ausreise ist ein grundlegendes Menschenrecht, dem - auch wenn es nicht in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist - seit jeher ein großes Gewicht zukommt (vgl. insoweit auch die Entscheidung des EGMR - Fourth Section vom 27.11.2012 - Case of Stamose v. Bulgaria - Appl. no. 29713/05).
34 
Die Ausreisefreiheit ist die Grundlage für jeden Menschen, Herrschaftsverhältnissen zu entgehen, mit denen der Einzelne aufgrund abweichender politischer Überzeugung nicht übereinstimmt (vgl. hierzu z.B.: BVerwG, Urteil vom 13.11.1979 - I C 16/75, Urteil vom 24.04.1979 - I C 49/77 - DÖV 1979, 827, Urteil vom 21.11.1978 - I C 5/73), seine Religion frei leben zu können, wenn dies im Heimatland nicht möglich ist (cuius regio, eius religio und das hieran anknüpfende ius emigrandi) oder sich aus sozial oder wirtschaftlich bedrängter Lage zu befreien und andernorts sein Glück zu suchen.
35 
Dem letzten Gesichtspunkt kommt insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn die Lebensverhältnisse der Betroffenen im Heimatland kaum erträglich und die Möglichkeiten zur Selbsthilfe stark beschränkt sind. So aber liegen die Dinge für Angehörige der Roma in Serbien. Der weitaus überwiegende Teil dieser Minderheit ist wirtschaftlich auf ein Leben verwiesen, das weit unter dem liegt, was in der Bundesrepublik Deutschland als Existenzminimum definiert ist. Es gibt kaum Möglichkeiten der Selbsthilfe, weil für diesen Personenkreis nach übereinstimmender Auskunftslage kaum ein Zugang zur Arbeitswelt und zu Bildungsmöglichkeiten besteht. Aufgrund bürokratischer Anforderungen sind Roma von Sozialleistungen weitgehend ausgeschlossen, aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Lage sind sie oft auch nicht in der Lage von Angeboten des Gesundheitssystems Gebrauch zu machen, wie eine extrem hohe Kindersterblichkeit und eine deutlich niedrigere Lebenserwartung belegt.
36 
Wie die Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, werden den Roma aktuell durch neue staatliche Maßnahmen auch noch die wenigen Möglichkeiten, ihr Leben zu fristen, genommen. So führt das neu eingeführte Abfallbeseitigungskonzept dazu, dass Roma, die zu einem großen Teil aus diesem Müll direkt - oder indirekt durch Verwertung - leben, auch dieser Existenzgrundlage beraubt werden. Je weniger ein Staat bereit oder in der Lage ist, Lebensbedingungen zu schaffen, die für die Einwohner zumindest erträglich sind und je weniger die einzelnen sich aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst helfen können, umso bedeutsamer ist das Menschenrecht auf Ausreise, so dass deren Verhinderung in solchen Fällen nur als „schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte“ im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG betrachtet werden kann.
37 
Jedenfalls aber erfüllt die Beschränkung der Ausreisefreiheit für Roma in Verbindung mit allen anderen Beeinträchtigungen, denen Angehörige der Roma in Serbien unstreitig ausgesetzt sind (siehe oben), die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Angehörige der Roma haben deshalb zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine begründete Furcht vor künftigen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wenn sie nach Serbien zurückkehren müssten.
38 
Erschwerend hinzu kommen die neu geschaffenen Sanktionen durch das Meldegesetz und § 350a des serbischen StGB. Hierbei geht das Gericht zunächst davon aus, dass Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgen (siehe oben). Entscheidend stellt das Gericht aber auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB ab, der vor dem Hintergrund der Debatte über die Visumsfreiheit zu sehen und zu würdigen ist. Nach Absatz 1 dieser Regelung haben Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen.
39 
Diese Strafandrohung stellt eine unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind nach deren Wortlaut so weit gefasst, dass nicht lediglich Dritte (Fluchthelfer) davon betroffen sind, sondern ausdrücklich auch der Asylbewerber selbst. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Verhältnis von § 350a Abs. 1 serbisches StGB zu dessen Absätzen 2 und 3. Anknüpfungspunkt der Bestrafung nach § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist u.a. lediglich die „falsche“ Darstellung der Gefährdungslage in Serbien durch einen Asylbewerber in einem Asylantrag. Das Strafmaß beträgt für Erfüllung diesen Tatbestands Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
40 
Nicht zu übersehen ist aber auch, dass die Strafschärfungen in den dortigen Absätzen 2 und 3 ihrem Wortlaut nach nicht auf gewerbsmäßige Fluchthelfer beschränkt sind, sondern jeden erfassen, der die in Absatz 1 genannte Tat in einer Gruppe verübt (Absatz 2) bzw. wenn die in Absatz 2 genannte Tat als „Organisator“ begangen wird. Dann drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren bzw. bis zu acht Jahren, selbst wenn nur bei der Asylantragstellung von Verwandten oder Freunden geholfen worden ist.
41 
§ 350a des serbischen StGB stellt schon mit der Strafandrohung im Falle dessen Absatzes 1 eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte dar. Diese Verletzung knüpft auch an ein Merkmal von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, die Rasse, an. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich § 350a des serbischen StGB speziell gegen Roma richtet und diskriminierend ist. Dies gilt erst recht für die Strafandrohungen von § 350a Absätze 2 und 3 des serbischen StGB.
42 
Dass die Asylantragstellung den serbischen Behörden im Falle einer Rückkehr bekannt wird, ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern folgt ohne weiteres auch aus dem Schreiben vom 29.05.2013 (EU - Delegation to the Republic of Serbia, Political Section, The Head of Section an die Zeugin Dr. W.).“
II.
43 
An dieser Einschätzung hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Beklagten im Berufungszulassungsantrag vom 28.04.2014 fest. Die Beklagte macht hier im Wesentlichen geltend, dass es gute Gründe dafür gebe, die Verhinderung oder die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Ausreise nicht als relevante Rechtsverfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylVfG einzustufen. Jedenfalls sei die Ausreisefreiheit nicht den in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten grundlegenden Menschenrechten gleich zu erachten. Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Verstößen gegen das neue serbische Meldegesetz selektiv gegen Roma vorgegangen würde, würde es sich bei den hier verhängten Geldstrafen nicht um hinreichend schwerwiegende Eingriffe handeln. Schließlich könne die Relevanz einer Strafnorm (hier § 350a serbisches StGB) nicht allein anhand ihres Normtextes bestimmt werden. Maßgeblich sei hingegen, wie diese Strafvorschrift tatsächlich in der Rechtspraxis der Gerichte angewendet werde.
44 
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten nimmt das Recht auf freie Ausreise eine zentrale Stellung unter den Menschenrechten ein.
45 
a) In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kommt ihr - angesichts der damaligen deutschen Teilung und der Teilung Europas - eine überragende, ja konstitutive Bedeutung zu. In allen Regierungserklärungen der damaligen Bundeskanzler Adenauer, Erhard und Brandt „wurde die Tragweite der Freizügigkeit für das innerdeutsche Verhältnis hervorgehoben. Sie forderten das Recht auf Verlassen der DDR und Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht nur wegen der allen Deutschen zustehenden Freizügigkeit, sondern auch als elementares Menschenrecht“ (vgl. Eichenhofer, Einreisefreiheit und Ausreisefreiheit, ZAR 2013, 135 <136>). Und weiter: „Die Bundesrepublik bezog ihre Legitimation als ein den Menschenrechten verpflichteter Staat primär daraus, dass sie sich in der Ausreisefreiheit von der DDR unterschied.“ (ebenda).
46 
b) Die Ausreisefreiheit wird durch Artikel 13 Ziffer 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 geschützt, der bestimmt, dass jeder Mensch das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren. Vergleichbar schützt Artikel 12 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl 1973 II, S. 1553) die Ausreisefreiheit („Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“). Im Abschlussdokument des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15.01.1989 haben die Signatarstaaten unter Punkt 20, 2. Spiegelstrich beschlossen: „Die Teilnehmerstaaten werden das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter auch seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt achten.“ Im Grundgesetz wird die Ausreisefreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 6, 32), wobei diese Gewährleistung keinen Randbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung betrifft, sondern eine zentrale Verbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG darstellt (vgl. insoweit z.B. die abweichende Meinung von Grimm: BVerfGE 80, 137 <165 und 166>).
47 
c) Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Verurteilung der Mauerschützen durch den Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 1) voraussetzte, dass die Grenzsoldaten der DDR gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen hatten. Eine Rechtfertigung des Grenzregimes durch das Grenzgesetz der DDR lehnte der BGH ab, weil in ihm ein „offensichtlich grober Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Ausdruck kommt“. Hierbei stellt der BGH zentral auf Art. 12 Abs. 2 IPbürgR ab, der die Ausreisefreiheit gewährleistet, die durch den Staat nicht generell beseitigt, sondern nur punktuell eingeschränkt werden dürfe. Eine Verletzung des Menschrechts auf freie Ausreise hat der BGH bejaht, „weil den Bewohnern der DDR das Recht auf freie Ausreise nicht nur in Ausnahmefällen, sondern in aller Regel vorenthalten wurde.“ Nichts anderes kann gelten, wenn ein Staat einer bestimmten Gruppe die Ausreisefreiheit in vergleichbarer Weise verweigert. Denn Einschränkungen der Ausreisefreiheit dürfen jedenfalls nicht missbräuchlich oder willkürlich angewendet werden.
48 
2. Soweit die Beklagte § 350 a des serbischen StGB die Relevanz abspricht, weil es auf die tatsächliche Rechtsanwendungspraxis ankomme, folgt dem das Gericht ebenfalls nicht. Entscheidend ist die im Gesetz erfolgte Strafandrohung. Die Annahme, dass diese Norm nicht oder nicht in relevanter Weise in der Rechtspraxis angewandt werde, ist zum momentanen Zeitpunkt spekulativ. Erst nach einem längerem Zeitraum der Nichtanwendung der Norm oder nach Entstehung einer konkreten Rechtspraxis der Gerichte mag anderes gelten.
49 
3. Unabhängig von der Beantwortung der durch die Beklagte aufgeworfenen Fragen zur Ausreisefreiheit und der Strafbarkeit der Asylantragstellung ist jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar, wie angesichts eines massiven Eingriffs in die Ausreisefreiheit von Angehörigen der Roma und der erfolgten Strafverschärfungen der Antrag des Antragstellers als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden konnte.
50 
Da die Klage mit dem Hauptantrag erfolgreich ist, kommt es auf die gestellten Hilfsanträgen nicht mehr an.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Kläger zu 1 bezüglich Serbien vorliegt.

Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 wird aufgehoben, soweit sie dem entgegensteht. Nr. 4 dieses Bescheids wird aufgehoben, soweit sie den Kläger zu 1 betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.

Tatbestand

 
Die Kläger sind Staatsangehörige von Serbien. Der Kläger zu 1 gehört zur Volksgruppe der Roma, die Klägerin zu 2 zu der der Kroaten. Sie kamen nach ihren Angaben etwa im September 2012 aus Österreich in die Bundesrepublik Deutschland und stellten hier Asylanträge. Zur Begründung beriefen sie sich insbesondere auf Folgendes: Es habe Drohungen und Mordversuche gegen den Kläger zu 1 gegeben. Er habe dagegen keinen Schutz erhalten. Hierzu legten die Kläger verschiedene Unterlagen vor, insbesondere vom Klinikzentrum V. eine undatierte Bestätigung und einen Arztbericht vom 24.05.2012, Befund und Stellungnahme des Psychologen F. J. vom 23.07.2012 und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (- Bundesamt -) lehnte mit Bescheid vom 09.11.2012 - zugestellt am 14.11.2012 - die Asylanträge und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung nach Serbien an.
Am 14.12.2012 haben die Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und am 19.12.2012 Antrag auf Wiedereinsetzung für die Versäumung der Klagefrist gestellt. Sie berufen sich auf Folgendes: Bei der Anhörung beim Bundesamt seien sie von der Dolmetscherin arrogant behandelt und massiv beschimpft worden. Der vom Kläger zu 1 geschilderte Mordversuch sei nur ausgeführt worden, weil er Roma sei. Eine Strafanzeige sei ebenso ergebnislos geblieben wie das von ihm angestrengte zivilgerichtliche Verfahren. In der Firma, in der er gearbeitet habe, sei man im Laufe der letzten Jahre alle Roma "losgeworden". Die Kläger haben weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 - insbesondere auch auf Fragen des Gerichts - zusätzliche Ausführungen gemacht:
Er habe in Serbien bei einer Staatsfirma im Bereich Reinigung gearbeitet. Es habe sich um eine Fabrik gehandelt, in der Rohstoffe getrennt worden seien; er sei als Staplerfahrer beschäftigt gewesen. Er habe dort ca. zwei Monate, bevor sie nach Deutschland gekommen seien, gekündigt. Grund für die Kündigung sei gewesen, dass er bedroht worden sei. Er meine damit den Vorfall vom 15.01.2009. Nach dem Vorfall habe er nicht mehr zur Arbeit gehen dürfen. Er sei auch andauernd krankgeschrieben gewesen. Der Mann, der ihn habe umbringen wollen, habe ihn schon vorher bedroht und u. a. gesagt, er - der Kläger zu 1 - solle nach Indien gehen. Auf Nachfrage, ob er überhaupt zwischen dem 15.01.2009 und der Ausreise gearbeitet habe, hat er angegeben, er habe immer wieder zeitweise gearbeitet. Zwei bis drei Monate sei er krankgeschrieben gewesen, dann habe er wieder gearbeitet, so wie er es eben gekonnt habe.
Dann hat der Kläger zu 1 den Vorfall vom 15.01.2009 geschildert: Er habe in der Frühschicht gearbeitet. Er sei um 5.55 Uhr gekommen, da die Frühschicht um 6.00 Uhr begonnen habe. Er habe seine Maschine gecheckt. Dann sei der Mann, der ihn habe erstechen wollen, in ziviler Kleidung von hinten an ihn herangetreten und ihn gefragt: Wo bist du, Junge? Dieser Mann habe dann ein langes Messer gezogen, es sei ein Bajonett gewesen, und es in Richtung seines - des Klägers zu 1 - Bauch gestoßen. Er - der Kläger zu 1 - habe ihn am Unterarm gepackt und den Unterarm nach unten gedrückt. Der Mann habe dann das Bajonett gepackt und sei davongelaufen.
Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Als der Mann weggelaufen sei, habe dieser gesagt, er werde Frau und Kinder des Klägers zu 1 umbringen. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
Nach der Tat habe er von der Firma den Videoclip verlangt, auf dem der Angriff aufgezeichnet gewesen sei, damit man die Tat sehen könne. Der Herr von der Security habe ihm erlaubt, das Video anzuschauen. Danach sei der Videoclip bei der Rechtsabteilung der Firma bzw. dem Anwalt der Firma gelandet. Er habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und am 03.08.2010 einen Selbstmordversuch gemacht. Die Chefs der Firma hätten sich nicht engagiert. Er habe bei der Rechtsabteilung der Firma gefragt, ob die Firma Klage gegen den Täter erheben werde. Sie hätten aber gesagt, sie könnten nichts machen, weil das die Polizei machen würde. Er sei dann zur Polizei gegangen und habe das Protokoll verlangt, das die Polizei am 15.01.2009 erstellt habe. Die Polizei habe aber gesagt, es gebe kein Protokoll, obwohl ein Protokoll angefertigt worden sei.
Er habe bei der Polizei eine Anzeige gemacht. Er sei neunmal vor Gericht vorgeladen worden; der Mann, der ebenfalls geladen worden sei, sei aber nicht gekommen. Die Richterin habe immer wieder einen neuen Termin bestimmt. Er selbst sei immer reingegangen und sei nach fünf Minuten wieder draußen gewesen. Er habe dann einen zivilrechtlichen Prozess eingeleitet, der aber auch zu nichts geführt habe.
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Auf die Frage, warum sie erst im September 2012 Serbien verlassen hätten, obwohl der Vorfall schon im Januar 2009 geschehen sei, hat der Kläger zu 1 angegeben: Sie hätten zuerst abgewartet, ob der Mann bestraft werde. Nachdem er aber neunmal nicht zur Verhandlung gekommen sei und auch das zivilgerichtliche Verfahren nicht weitergeführt habe, seien sie ausgereist.
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Auf Fragen und Vorhalte der Prozessbevollmächtigten der Kläger hat der Kläger zu 1 weiter angegeben: Es habe eine ganze Anzahl Roma-Mitarbeiter in der Firma gegeben. Die Anzahl sei schon zurückgegangen gewesen, als der Vorfall vom 15.01.2009 stattgefunden habe. Früher hätten überwiegend Roma in der Firma gearbeitet. Bei jedem Regierungswechsel seien die Leute der neuen Regierung angestellt und es sei den Roma gekündigt worden. Es sei richtig, dass der Betrieb systematisch von Roma "gesäubert" worden sei. Dies habe aber nicht nur Roma betroffen, sondern auch Angehörige anderer Ethnien, außer den Serben.
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Die Klägerin zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung zusätzlich vorgetragen: Am 15.01.2009 sei der Kläger zu 1 zur Arbeit gegangen. Er habe gegen 06.15 Uhr oder 06.20 Uhr angerufen und gesagt: "S." habe ihn mit einem Bajonett umbringen wollen. Es sei für sie alles so blitzschnell gegangen, Details habe sie erst später erfahren. Zum Grund des Angriffs habe sie später erfahren, der Mann habe gesagt, er mache das, weil er Roma hasse. Sie könne sich aber nicht wortwörtlich erinnern. Es sei jedenfalls darum gegangen, dass der Kläger zu 1 Roma sei.
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Auf Frage, warum sie erst im September 2012 aus Serbien weg seien, hat die Klägerin zu 2 angegeben: Sie hätten zuerst abgewartet, ob die Polizei oder das Gericht reagieren würden. Sie hätten mehrere Male das Gericht, die Polizei oder die Firma kontaktiert. Der Leiter der Rechtsabteilung der Firma habe gesagt, dass die Firma sich darum kümmern würde, weil der Vorfall bei der Arbeit passiert sei. Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt,
und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 in Nr. 2 bis 4 aufzuheben.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Das Gericht hat Stellungnahmen des Landratsamts O. vom 20.03.2013 und 12.06.2013 sowie des Klinikums S. W. vom 19.02.2014 und eine Auskunft der Deutschen Botschaft Belgrad vom 19.03.2014 eingeholt. Weiter hat es Übersetzungen von den Klägern vorgelegter ärztlicher und anderer Unterlagen fertigen lassen.
19 
Mit Beschluss vom 04.07.2013 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig.
23 
Die Klagefrist begann nicht mit der Zustellung des Bescheids am 14.11.2012 zu laufen. Denn die Zustellung war unwirksam. Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, wie sie vorliegend gewählt wurde, gelten die §§ 177 bis 182 ZPO3 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Bei der Zustellung mit Zustellungsurkunde wird die Zustellung im Regelfall durch die Übergabe des Schriftstücks bewirkt (§§ 176 Abs. 2, 177 ZPO). Eine Ersatzzustellung ist zulässig durch Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Empfängers an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder in Gemeinschaftseinrichtungen an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Möglichkeit einer Ersatzzustellung in einem Geschäftsraum an eine dort beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) entfiel vorliegend von vornherein. Eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO wurde vorliegend auch nicht durchgeführt.
24 
Eine Ersatzzustellung ist weiter möglich, indem das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wird (§ 180 Satz 1 ZPO). Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzzustellung aber nur zulässig, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, nicht dagegen, wenn sie nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ausführbar ist (§ 180 ZPO).
25 
Vorliegend gab es keinen "zu der Wohnung… gehörenden" Briefkasten. Denn der an der Unterkunft K. angebrachte Briefkasten ist nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 nicht mit Namen der Bewohner versehen. Darüber hinaus ist eine Ersatzzustellung durch Einwurf in einen Gemeinschaftsbriefkasten nur dann wirksam, wenn er von dem Adressaten bereitgestellt wird und der Adressat eine solche Einrichtung gewöhnlich für den Erhalt von Postsendungen verwendet (vgl. näheres bei BGH, Urt. v. 16.06.2011, BGHZ 190, 99). Dies war vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Denn die Kläger hatten keinen Einfluss auf die Beschriftung und Verwendung des Briefkastens. So war nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 mit den zuständigen Postzustellern vereinbart worden, dass die Post für alle Bewohner der K. im Büro der Verwaltung der Gemeinschaftsunterkunft U. abgegeben wird.
26 
Die auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft K. war auch nicht als Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 180 ZPO zulässig.
27 
Dieser Zustellungsmangel wurde nach § 8 VwZG in dem Zeitpunkt geheilt, als das Schriftstück den Empfängern tatsächlich zuging. Das war nach den glaubhaft gemachten und auch glaubhaften Angaben der Kläger am Ende der 49. Woche des Jahres 2012, damit also spätestens am 09.12.2012. Die einwöchige Klagefrist lief damit am 17.12.2012 ab. Die Klage wurde am 14.12.2012 und damit innerhalb der Klagefrist erhoben.
28 
Die Klage ist auch im Umfang des Tenors begründet. Der Kläger zu 1 hat Anspruch auf Feststellung, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-enthG in Bezug auf Serbien vorliegt. Damit ist Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtswidrig, soweit sie dem entgegensteht, und Nr. 4 dieses Bescheids in Bezug auf den Kläger zu 1 insgesamt. Im Übrigen ist der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
29 
Kläger zu 1
30 
Es besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
31 
Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32 
Nach § 3 a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3 a Abs. 3 AsylVfG muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann nach § 3 c AsylVfG ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) - QRL - zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 - und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - jew. juris). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdullah -). Es gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008, ZAR 2008, 192).
34 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -). Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010, InfAusR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
35 
Insgesamt liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor.
36 
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma, also wegen seiner "Rasse" (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), einer Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylVfG in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde.
37 
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehende Verfolgung (§ 3 c Nr. 1 und 2 AsylVfG) der Roma in Serbien stattfindet. Zwar berichtet amnesty international im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien über Diskriminierungsmaßnahmen Belgrader Behörden, als rund 1000 Roma aus der Siedlung Belvil vertrieben wurden. Es handelte sich dabei aber - soweit ersichtlich - um einen Einzelfall, bei dem schon fraglich ist, ob es sich überhaupt um Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3 a AsylVfG handelte. Im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien wird auch schon darauf hingewiesen, dass im September 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet wurden, die die Rechtsstellung von Roma verbessern sollten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 06.08.2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind jedenfalls (staatliche) Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, auch gegenüber den Roma, nicht bekannt. Dem entsprechen die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013. Danach gibt es keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma. Die Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Allerdings sollen Roma weiterhin von Übergriffen auf Personen in Polizeigewahrsam überproportional betroffen sein, ohne dass hierzu konkrete Erkenntnisse vorliegen. Die serbische Regierung hat am 10.06.2013 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma u. a. in den Bereichen Bildung, Krankenschutz, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und sozialen Schutz verabschiedet. Auch Dr. W. gab bei der Vernehmung als Zeugin beim erkennenden Gericht am 25.03.2014 im Verfahren A 11 K 5036/13 an, es sei nicht verbürgt, dass Rückkehrern in Serbien die Pässe abgenommen würden; sonstige Schikanen gegen Roma-Rückkehrer seien nicht bekannt. Dies gelte auch angesichts der allgemeinen Probleme, die Roma in Serbien beim Umgang mit staatlichen oder anderen Behörden weiterhin im Einzelfall haben könnten.
38 
Allerdings finden nach Auskunftslage gewisse Diskriminierungen seitens nichtstaatlicher Akteure (§ 3 c Nr. 3 AsylVfG) statt. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass diese Diskriminierungen Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG darstellen, d.h. dass sie schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellen (vgl. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG). Weiter ist nicht festzustellen, dass eine hinreichende Verfolgungsdichte vorliegt, dass also Verfolgungshandlungen allen Roma in Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. zum Maßstab VGH Bad.-Württ., Urt. vom 12.06.2013 - A 11 S 757/13 - juris; BVerwG, Urt. vom 20.02.2013, BVerwGE 146, 67).
39 
Hierzu hat Dr. W. als Zeugin ausgeführt, die allgemeine Lage der Roma in Serbien habe sich verschlechtert. Insbesondere habe die Gewalt gegen Roma zugenommen. Dies sei aktuell nur schwer greifbar, weil Zwischenfälle und Übergriffe nicht mehr dokumentiert würden, so dass man auf Medienberichte angewiesen sei. Eine gesteigerte Aggressivität gegen Roma gebe es insbesondere seit der Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Visumspflicht für Reisen in die EU. In diesem Zusammenhang werde massiv Stimmung gegen die Roma gemacht. 2003 seien elf Fälle von Übergriffen Dritter auf Roma dokumentiert. Nach dieser Zahl ist allerdings schon eine maßgebliche Verfolgungsdichte durch Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht feststellbar. Nähere Erkenntnisse hierzu ergeben sich auch nicht aus den sonst verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. auch VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014 - 4 K 1005/12.A -; VG Augsburg, Urt. vom 05.11.2013 - Au 6 K 13.30331 - juris).
40 
Auch die in der Schrift "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?" von Dr. W. aufgeführten gewalttätigen und anderen Maßnahmen, die selbstverständlich außerordentlich bedauerlich sind, erreichen bei weitem nicht den Umfang einer maßgeblichen Verfolgungsdichte. Im Übrigen besteht in der gesamten Europäischen Union weitreichender Konsens, dass die sicherlich zu beklagenden Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Roma in Serbien „nicht mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrechtlichen Sinne gleichzusetzen“ sind (vgl. BRat-Drs. 183/14 vom 02.05.2014, S. 14 ff. <18>).
41 
Offen bleiben kann danach, ob der vom Staat durchaus in die Wege geleitete Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18.10.2013) ausreichend im Sinne von § 3 d AsylVfG ist.
42 
Schließlich liegt nach Auffassung des Gerichts keine maßgebliche Verfolgung durch "massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung" vor (a. A. das Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.03.2014 - A 11 K 5036/13 -).
43 
So gehört die Ausreisefreiheit schon nicht zu den grundlegenden Menschenrechten im Sinne von § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Sie wird insbesondere nicht in den Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genannt, die nach Art. 15 Abs. 2 EMRK notstandsfest sind. Die Ausreisefreiheit ist vielmehr überhaupt nicht durch die Europäische Menschenrechtskonvention erfasst. Das ergibt sich aus Protokoll Nr. 4 zur EMRK. Dadurch werden "gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet…, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind". Die Ausreisefreiheit wird erst in Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK normiert. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EGMR vom 27.11.2012 (Bsw. 29713/05).
44 
Im Übrigen ist die damit geschützte Freizügigkeit jedenfalls nicht im Kern bedroht, wenn man sich - wie in Serbien - innerhalb des Landes grundsätzlich frei bewegen kann und eine Ein- und Ausreise zwar schwierig, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 26.01.2012, InfAuslR 2012, 149).
45 
Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass eine Ausreise für Roma tatsächlich unmöglich oder nur unter erschwerten Umständen möglich wäre. So behauptete die Zeugin Dr. W. zwar, in den Jahren 2012 und 2013 sei einer großen Zahl Roma die Ausreise verweigert worden. Nachvollziehbare Tatsachen oder Grundlagen nennt sie aber nicht. An näheren Erkenntnissen hierzu fehlt es auch im Übrigen. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 ergibt sich jedenfalls, dass eine Rückkehr ausgereister Roma nach Serbien problemlos möglich ist.
46 
Etwas anderes lässt sich nicht aus der Änderung des serbischen Strafrechts zum 01.01.2013 herleiten. Insbesondere betrifft § 350 a Serbisches StGB seinem Wortlaut nach nicht Asylbewerber selbst, sondern deren (Flucht-)Helfer. Allerdings kommt es grundsätzlich nicht auf den Wortlaut einer Vorschrift an, sondern darauf, wie sie in der Rechtspraxis der Gerichte oder sonstiger Verfolgungsbehörden tatsächlich gehandhabt wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.10.1993, NVwZ 1994, 500). Nach der von Dr. W. genannten Anzahl von sieben Strafverfahren gegen acht Personen, bei denen im Übrigen noch kein Urteil vorliege, lässt sich eine solche Praxis mangels Masse schon nicht ermitteln. Hierzu gehört eine ersichtlich größere Anzahl von Verfahren oder Maßnahmen, für die es nach den vorliegenden Erkenntnisquellen jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch im deutschen Asylrecht Strafvorschriften finden lassen, die sich gegen Unterstützung missbräuchlicher Asylantragstellung richten (vgl. §§ 84 f. AsylVfG).
47 
Der Kläger zu 1 hat auch nicht aus individuellen Gründen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
48 
Das Gericht ist allerdings nun - unter Auswertung der vorhandenen Äußerungen und Unterlagen und nach seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung - davon überzeugt, dass ein Kollege des Klägers zu 1 am 15.01.2009 versuchte, ihn mit einem Bajonette zu erstechen. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass der Angriff deshalb erfolgte, weil der Kläger zu 1 zur Volksgruppe der Roma gehört. Der Kläger zu 1 hat sich insoweit im Wesentlichen auf Vermutungen gestützt. Auch auf mehrfache Nachfragen des Gerichts haben sich hierzu keine konkreten Tatsachen ergeben. Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
49 
Insbesondere genügt hierfür nicht, dass der Kläger zu 1 den Angreifer als Nationalisten ansah. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Kläger zu 1 im Juli 2012 beim Gesundheitshaus N. angab, der Angreifer sei in einem alkoholisiertem Zustand auf ihn losgestürmt. Danach kommt als Auslöser des Angriffs ohne weiteres auch eine alkoholbedingte Enthemmung in Frage.
50 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Anlass und Grund des Angriffs die Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zu den Roma war, kann derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Serbien eine konkrete Gefahr drohte. Dies gilt auch unter Beachtung von Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger zu 1 erneut von solcher Verfolgung bedroht würde. Hierfür spricht zum einen, dass es im Zeitraum vom 15.01.2009 bis zu seiner Ausreise im September 2012 keinen weiteren vergleichbaren Vorfall gab, obwohl der Kläger zu 1 nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung immer wieder, wenn auch nur zeitweise, (an seiner Arbeitsstelle) gearbeitet hat. Weiter spricht gegen diese Vermutung, dass sich der Vorfall in der Arbeitsstelle des Klägers zu 1 und im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit dort abspielte. Es erscheint aber völlig ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 nach seiner Kündigung und auch nach seinem psychischen Zustand dort je wieder arbeiten wird.
51 
Danach kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm bei einer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1, Abs. 3 AsylVfG). Es liegen weiter auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 AufenthG vorliegen.
52 
Der Kläger zu 1 hat aber Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
53 
Gesundheitlich bedingte Gefahren können unter bestimmten Umständen diese Voraussetzungen erfüllen. Bei einer bereits im Bundesgebiet vorhandenen Krankheit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führte; dies ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, BVerwGE 127, 33; Beschl. v. 24.05.2006, InfAuslR 2006, 485; Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383). Diese Gefahr muss alsbald nach der Rückkehr drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.), d. h. ungefähr innerhalb eines Jahres nach Rückkehr (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.02.2009, AuAS 2009, 160). Erforderlich ist dabei die Erstellung einer Gefahrenprognose (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris).Hierzu sind alle vorhandenen Erkenntnisse und der dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG innewohnende Grundsatz der Zumutbarkeit zu würdigen und es ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraus eine richterliche Überzeugung zu bilden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O.; Urteil der erkennenden Kammer vom 06.07.2005 - A 17 K 10181/05 -). Als Maßstab kann darauf abgestellt werden, ob die Gesundheitsgefahren aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Menschen ernstlich zu befürchten und damit überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A -; Beschlüsse vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - und - 13 A 1140/04.A -; Beschl. v. 26.04.2007 - 13 A 4611/04.A). Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.).
54 
Der Kläger zu 1 leidet an einer psychischen Erkrankung und zwar an einer rezidivierenden depressiven Störung. Sie hatte sich nach dem oben dargestellten Vorfall vom 15.01.2009 entwickelt. Der Kläger zu 1 befand sich deswegen schon in Serbien in ärztlicher Behandlung und befindet sich seit Anfang 2012 in Deutschland in psychiatrischer Behandlung. Als Diagnosen wurden hier festgestellt: Rezidivierende depressive Störung, ggf. schwere Episode sowie posttraumatische Belastungsstörung. Dabei hat der Kläger zu 1 dreimal Selbsttötungsversuche unternommen. Für den Kläger zu 1 ist als Behandlung erforderlich: Regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und Behandlung mit Antidepressiva und neuroleptischer Therapie. Um eine seelische Stabilität zu erreichen, ist ein sicheres soziales Umfeld notwendig. Sollte der Kläger zu 1 keine regelmäßigen psychotherapeutischen Gespräche bzw. keine medikamentöse Therapie erhalten, und im Falle von Veränderungen im sozialen Umfeld, vor allem bei Abschiebung in sein Heimatland, ist zu befürchten, dass die depressiven Symptome zunehmen und es im schlimmsten Fall im Rahmen dieser zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt. Dies ergibt sich überzeugend aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme von A. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 19.02.2014.
55 
Danach ist aus der Sicht eines vernünftigen und besonderen Menschen ernstlich zu befürchten und damit wahrscheinlich, dass schon bei einer Abschiebung nach Serbien dort die depressiven Symptome zunehmen und es dabei zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.2007, InfAuslR 2008, 94). Dies liegt schon deshalb nicht fern, weil der Kläger zu 1 schon aufgrund der verfahrensrelevanten Umstände drei Selbsttötungsversuche gemacht hat. Hierfür sprechen auch die Angaben, die die Klägerin zu 2 hierzu in der mündlichen Verhandlung gemacht hat: Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
56 
Weiter führt - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - zu einer Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass die nach der ärztlichen Einschätzung zwingend erforderliche medikamentöse Therapie in Serbien nicht gewährleistet wäre. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 ist zwar davon auszugehen, dass in Serbien die für den Kläger zu 1 notwendigen Behandlungen, die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und auch die medikamentösen Behandlungen, grundsätzlich vorhanden wären; die beim Kläger zu 1 diagnostizierten Erkrankungen wären damit behandelbar. Dabei wären die psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen auch für den Kläger zu 1 kostenlos erreichbar. Im konkreten Falle des Klägers zu 1 wäre aber nicht sichergestellt, dass er die notwendigen Medikamente auch tatsächlich bekommen würde.
57 
Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 können Patienten Medikamente - auch in staatlichen Apotheken - nur mit einer bestimmten Kostenbeteiligung erhalten (vgl. auch SFH vom 04.10.2012). Danach ist unbestritten, dass die Roma weiterhin einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Zwar haben die Angehörigen der Volksgruppe der Roma die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger Serbiens, somit auch das Recht auf Gesundheitsschutz. Sie müssen wie alle krankenversicherten Bürger aber auch die vorgeschriebene Kostenbeteiligung für Medikamente bezahlen. Sie können nur versuchen, die notwendigen Medikamente über humanitäre und kirchliche Organisationen zu bekommen (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 07.06.2013 an VG Bremen).
58 
Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass die Zuzahlungen keine hohen Beträge beinhalten und die Kläger Anspruch auf Kindergeld haben (vgl. näher VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014, a.a.O.). Denn es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 in Serbien wieder Arbeit findet. Dagegen spricht der Gesundheitszustand des Klägers zu 1, der schon in Serbien dazu führte, dass er nur noch zeitweise arbeiten konnte, im Übrigen aber krankgeschrieben war. Weiter ist dabei zu berücksichtigten, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Roma schon ohne diese zusätzlichen Erschwernisse grundsätzlich schwierig ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013).
59 
Danach ist auch die gegen den Kläger zu 1 gerichtete Abschiebungsandrohung rechtswidrig. Denn Serbien wurde nicht als Staat bezeichnet, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung in einen anderen Staat in Betracht kommen könnte, bestehen nicht.
60 
Klägerin zu 2
61 
Die Klägerin zu 2 hat die geltend gemachten Ansprüche nicht. Sie ist Kroatin und hat sich nicht darauf berufen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit in Serbien verfolgt zu werden. Darüber hinaus hat sie auch keine individuelle Verfolgung geltend gemacht. Schließlich ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für sie aus gesundheitlichen Gründen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
62 
Die Androhung der Abschiebung gegenüber ihr ist rechtmäßig.
63 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
65 
Kläger zu 3 und 4
66 
Die Kläger zu 3 und 4 haben die geltend gemachten Ansprüche nicht. Nach den obigen Ausführungen besteht auch für die Kläger zu 3 und 4 keine Verfolgungsgefahr aufgrund der Volkszugehörigkeit, unabhängig davon, ob man sie der Gruppe der Roma oder der Gruppe der Kroaten zurechnet.
67 
Für die Kläger zu 3 und 4 sind auch keine individuellen Verfolgungsgründe ersichtlich. Die Angaben des Klägers zu 1 bei der Anhörung, die Tochter sei in der Schule diskriminiert worden wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, und die Angaben der Klägerin zu 2 bei ihrer Anhörung, für die Kinder gebe es keine speziellen weiteren Asylgründe lassen keine konkrete Verfolgungssituation erkennen. Dabei beriefen sich die Kläger zu 1 und 2 bei der Anhörung gar nicht darauf, die Tochter sei von einer Gruppe Mitschüler aufgrund ihrer Herkunft verprügelt worden, wie es im ärztlichen Attest des Klinikums S. W. vom 11.02.2013 steht. Die Angaben sind jedenfalls insgesamt zu vage, um daraus irgendeine Vorverfolgung herzuleiten.
68 
Auch für die Kläger zu 3 und 4 gilt: Die Androhung der Abschiebung ist rechtmäßig.
69 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
70 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
71 
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag muss nicht stattgegeben werden. Denn das Gericht ist bei seiner Entscheidung vom Vorliegen der zum Beweis gestellten Tatsachen ausgegangen.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
21 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig.
23 
Die Klagefrist begann nicht mit der Zustellung des Bescheids am 14.11.2012 zu laufen. Denn die Zustellung war unwirksam. Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, wie sie vorliegend gewählt wurde, gelten die §§ 177 bis 182 ZPO3 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Bei der Zustellung mit Zustellungsurkunde wird die Zustellung im Regelfall durch die Übergabe des Schriftstücks bewirkt (§§ 176 Abs. 2, 177 ZPO). Eine Ersatzzustellung ist zulässig durch Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Empfängers an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder in Gemeinschaftseinrichtungen an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Möglichkeit einer Ersatzzustellung in einem Geschäftsraum an eine dort beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) entfiel vorliegend von vornherein. Eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO wurde vorliegend auch nicht durchgeführt.
24 
Eine Ersatzzustellung ist weiter möglich, indem das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wird (§ 180 Satz 1 ZPO). Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzzustellung aber nur zulässig, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, nicht dagegen, wenn sie nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ausführbar ist (§ 180 ZPO).
25 
Vorliegend gab es keinen "zu der Wohnung… gehörenden" Briefkasten. Denn der an der Unterkunft K. angebrachte Briefkasten ist nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 nicht mit Namen der Bewohner versehen. Darüber hinaus ist eine Ersatzzustellung durch Einwurf in einen Gemeinschaftsbriefkasten nur dann wirksam, wenn er von dem Adressaten bereitgestellt wird und der Adressat eine solche Einrichtung gewöhnlich für den Erhalt von Postsendungen verwendet (vgl. näheres bei BGH, Urt. v. 16.06.2011, BGHZ 190, 99). Dies war vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Denn die Kläger hatten keinen Einfluss auf die Beschriftung und Verwendung des Briefkastens. So war nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 mit den zuständigen Postzustellern vereinbart worden, dass die Post für alle Bewohner der K. im Büro der Verwaltung der Gemeinschaftsunterkunft U. abgegeben wird.
26 
Die auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft K. war auch nicht als Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 180 ZPO zulässig.
27 
Dieser Zustellungsmangel wurde nach § 8 VwZG in dem Zeitpunkt geheilt, als das Schriftstück den Empfängern tatsächlich zuging. Das war nach den glaubhaft gemachten und auch glaubhaften Angaben der Kläger am Ende der 49. Woche des Jahres 2012, damit also spätestens am 09.12.2012. Die einwöchige Klagefrist lief damit am 17.12.2012 ab. Die Klage wurde am 14.12.2012 und damit innerhalb der Klagefrist erhoben.
28 
Die Klage ist auch im Umfang des Tenors begründet. Der Kläger zu 1 hat Anspruch auf Feststellung, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-enthG in Bezug auf Serbien vorliegt. Damit ist Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtswidrig, soweit sie dem entgegensteht, und Nr. 4 dieses Bescheids in Bezug auf den Kläger zu 1 insgesamt. Im Übrigen ist der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
29 
Kläger zu 1
30 
Es besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
31 
Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32 
Nach § 3 a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3 a Abs. 3 AsylVfG muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann nach § 3 c AsylVfG ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) - QRL - zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 - und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - jew. juris). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdullah -). Es gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008, ZAR 2008, 192).
34 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -). Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010, InfAusR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
35 
Insgesamt liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor.
36 
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma, also wegen seiner "Rasse" (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), einer Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylVfG in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde.
37 
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehende Verfolgung (§ 3 c Nr. 1 und 2 AsylVfG) der Roma in Serbien stattfindet. Zwar berichtet amnesty international im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien über Diskriminierungsmaßnahmen Belgrader Behörden, als rund 1000 Roma aus der Siedlung Belvil vertrieben wurden. Es handelte sich dabei aber - soweit ersichtlich - um einen Einzelfall, bei dem schon fraglich ist, ob es sich überhaupt um Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3 a AsylVfG handelte. Im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien wird auch schon darauf hingewiesen, dass im September 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet wurden, die die Rechtsstellung von Roma verbessern sollten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 06.08.2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind jedenfalls (staatliche) Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, auch gegenüber den Roma, nicht bekannt. Dem entsprechen die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013. Danach gibt es keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma. Die Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Allerdings sollen Roma weiterhin von Übergriffen auf Personen in Polizeigewahrsam überproportional betroffen sein, ohne dass hierzu konkrete Erkenntnisse vorliegen. Die serbische Regierung hat am 10.06.2013 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma u. a. in den Bereichen Bildung, Krankenschutz, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und sozialen Schutz verabschiedet. Auch Dr. W. gab bei der Vernehmung als Zeugin beim erkennenden Gericht am 25.03.2014 im Verfahren A 11 K 5036/13 an, es sei nicht verbürgt, dass Rückkehrern in Serbien die Pässe abgenommen würden; sonstige Schikanen gegen Roma-Rückkehrer seien nicht bekannt. Dies gelte auch angesichts der allgemeinen Probleme, die Roma in Serbien beim Umgang mit staatlichen oder anderen Behörden weiterhin im Einzelfall haben könnten.
38 
Allerdings finden nach Auskunftslage gewisse Diskriminierungen seitens nichtstaatlicher Akteure (§ 3 c Nr. 3 AsylVfG) statt. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass diese Diskriminierungen Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG darstellen, d.h. dass sie schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellen (vgl. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG). Weiter ist nicht festzustellen, dass eine hinreichende Verfolgungsdichte vorliegt, dass also Verfolgungshandlungen allen Roma in Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. zum Maßstab VGH Bad.-Württ., Urt. vom 12.06.2013 - A 11 S 757/13 - juris; BVerwG, Urt. vom 20.02.2013, BVerwGE 146, 67).
39 
Hierzu hat Dr. W. als Zeugin ausgeführt, die allgemeine Lage der Roma in Serbien habe sich verschlechtert. Insbesondere habe die Gewalt gegen Roma zugenommen. Dies sei aktuell nur schwer greifbar, weil Zwischenfälle und Übergriffe nicht mehr dokumentiert würden, so dass man auf Medienberichte angewiesen sei. Eine gesteigerte Aggressivität gegen Roma gebe es insbesondere seit der Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Visumspflicht für Reisen in die EU. In diesem Zusammenhang werde massiv Stimmung gegen die Roma gemacht. 2003 seien elf Fälle von Übergriffen Dritter auf Roma dokumentiert. Nach dieser Zahl ist allerdings schon eine maßgebliche Verfolgungsdichte durch Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht feststellbar. Nähere Erkenntnisse hierzu ergeben sich auch nicht aus den sonst verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. auch VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014 - 4 K 1005/12.A -; VG Augsburg, Urt. vom 05.11.2013 - Au 6 K 13.30331 - juris).
40 
Auch die in der Schrift "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?" von Dr. W. aufgeführten gewalttätigen und anderen Maßnahmen, die selbstverständlich außerordentlich bedauerlich sind, erreichen bei weitem nicht den Umfang einer maßgeblichen Verfolgungsdichte. Im Übrigen besteht in der gesamten Europäischen Union weitreichender Konsens, dass die sicherlich zu beklagenden Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Roma in Serbien „nicht mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrechtlichen Sinne gleichzusetzen“ sind (vgl. BRat-Drs. 183/14 vom 02.05.2014, S. 14 ff. <18>).
41 
Offen bleiben kann danach, ob der vom Staat durchaus in die Wege geleitete Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18.10.2013) ausreichend im Sinne von § 3 d AsylVfG ist.
42 
Schließlich liegt nach Auffassung des Gerichts keine maßgebliche Verfolgung durch "massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung" vor (a. A. das Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.03.2014 - A 11 K 5036/13 -).
43 
So gehört die Ausreisefreiheit schon nicht zu den grundlegenden Menschenrechten im Sinne von § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Sie wird insbesondere nicht in den Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genannt, die nach Art. 15 Abs. 2 EMRK notstandsfest sind. Die Ausreisefreiheit ist vielmehr überhaupt nicht durch die Europäische Menschenrechtskonvention erfasst. Das ergibt sich aus Protokoll Nr. 4 zur EMRK. Dadurch werden "gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet…, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind". Die Ausreisefreiheit wird erst in Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK normiert. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EGMR vom 27.11.2012 (Bsw. 29713/05).
44 
Im Übrigen ist die damit geschützte Freizügigkeit jedenfalls nicht im Kern bedroht, wenn man sich - wie in Serbien - innerhalb des Landes grundsätzlich frei bewegen kann und eine Ein- und Ausreise zwar schwierig, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 26.01.2012, InfAuslR 2012, 149).
45 
Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass eine Ausreise für Roma tatsächlich unmöglich oder nur unter erschwerten Umständen möglich wäre. So behauptete die Zeugin Dr. W. zwar, in den Jahren 2012 und 2013 sei einer großen Zahl Roma die Ausreise verweigert worden. Nachvollziehbare Tatsachen oder Grundlagen nennt sie aber nicht. An näheren Erkenntnissen hierzu fehlt es auch im Übrigen. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 ergibt sich jedenfalls, dass eine Rückkehr ausgereister Roma nach Serbien problemlos möglich ist.
46 
Etwas anderes lässt sich nicht aus der Änderung des serbischen Strafrechts zum 01.01.2013 herleiten. Insbesondere betrifft § 350 a Serbisches StGB seinem Wortlaut nach nicht Asylbewerber selbst, sondern deren (Flucht-)Helfer. Allerdings kommt es grundsätzlich nicht auf den Wortlaut einer Vorschrift an, sondern darauf, wie sie in der Rechtspraxis der Gerichte oder sonstiger Verfolgungsbehörden tatsächlich gehandhabt wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.10.1993, NVwZ 1994, 500). Nach der von Dr. W. genannten Anzahl von sieben Strafverfahren gegen acht Personen, bei denen im Übrigen noch kein Urteil vorliege, lässt sich eine solche Praxis mangels Masse schon nicht ermitteln. Hierzu gehört eine ersichtlich größere Anzahl von Verfahren oder Maßnahmen, für die es nach den vorliegenden Erkenntnisquellen jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch im deutschen Asylrecht Strafvorschriften finden lassen, die sich gegen Unterstützung missbräuchlicher Asylantragstellung richten (vgl. §§ 84 f. AsylVfG).
47 
Der Kläger zu 1 hat auch nicht aus individuellen Gründen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
48 
Das Gericht ist allerdings nun - unter Auswertung der vorhandenen Äußerungen und Unterlagen und nach seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung - davon überzeugt, dass ein Kollege des Klägers zu 1 am 15.01.2009 versuchte, ihn mit einem Bajonette zu erstechen. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass der Angriff deshalb erfolgte, weil der Kläger zu 1 zur Volksgruppe der Roma gehört. Der Kläger zu 1 hat sich insoweit im Wesentlichen auf Vermutungen gestützt. Auch auf mehrfache Nachfragen des Gerichts haben sich hierzu keine konkreten Tatsachen ergeben. Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
49 
Insbesondere genügt hierfür nicht, dass der Kläger zu 1 den Angreifer als Nationalisten ansah. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Kläger zu 1 im Juli 2012 beim Gesundheitshaus N. angab, der Angreifer sei in einem alkoholisiertem Zustand auf ihn losgestürmt. Danach kommt als Auslöser des Angriffs ohne weiteres auch eine alkoholbedingte Enthemmung in Frage.
50 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Anlass und Grund des Angriffs die Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zu den Roma war, kann derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Serbien eine konkrete Gefahr drohte. Dies gilt auch unter Beachtung von Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger zu 1 erneut von solcher Verfolgung bedroht würde. Hierfür spricht zum einen, dass es im Zeitraum vom 15.01.2009 bis zu seiner Ausreise im September 2012 keinen weiteren vergleichbaren Vorfall gab, obwohl der Kläger zu 1 nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung immer wieder, wenn auch nur zeitweise, (an seiner Arbeitsstelle) gearbeitet hat. Weiter spricht gegen diese Vermutung, dass sich der Vorfall in der Arbeitsstelle des Klägers zu 1 und im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit dort abspielte. Es erscheint aber völlig ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 nach seiner Kündigung und auch nach seinem psychischen Zustand dort je wieder arbeiten wird.
51 
Danach kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm bei einer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1, Abs. 3 AsylVfG). Es liegen weiter auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 AufenthG vorliegen.
52 
Der Kläger zu 1 hat aber Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
53 
Gesundheitlich bedingte Gefahren können unter bestimmten Umständen diese Voraussetzungen erfüllen. Bei einer bereits im Bundesgebiet vorhandenen Krankheit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führte; dies ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, BVerwGE 127, 33; Beschl. v. 24.05.2006, InfAuslR 2006, 485; Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383). Diese Gefahr muss alsbald nach der Rückkehr drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.), d. h. ungefähr innerhalb eines Jahres nach Rückkehr (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.02.2009, AuAS 2009, 160). Erforderlich ist dabei die Erstellung einer Gefahrenprognose (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris).Hierzu sind alle vorhandenen Erkenntnisse und der dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG innewohnende Grundsatz der Zumutbarkeit zu würdigen und es ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraus eine richterliche Überzeugung zu bilden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O.; Urteil der erkennenden Kammer vom 06.07.2005 - A 17 K 10181/05 -). Als Maßstab kann darauf abgestellt werden, ob die Gesundheitsgefahren aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Menschen ernstlich zu befürchten und damit überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A -; Beschlüsse vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - und - 13 A 1140/04.A -; Beschl. v. 26.04.2007 - 13 A 4611/04.A). Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.).
54 
Der Kläger zu 1 leidet an einer psychischen Erkrankung und zwar an einer rezidivierenden depressiven Störung. Sie hatte sich nach dem oben dargestellten Vorfall vom 15.01.2009 entwickelt. Der Kläger zu 1 befand sich deswegen schon in Serbien in ärztlicher Behandlung und befindet sich seit Anfang 2012 in Deutschland in psychiatrischer Behandlung. Als Diagnosen wurden hier festgestellt: Rezidivierende depressive Störung, ggf. schwere Episode sowie posttraumatische Belastungsstörung. Dabei hat der Kläger zu 1 dreimal Selbsttötungsversuche unternommen. Für den Kläger zu 1 ist als Behandlung erforderlich: Regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und Behandlung mit Antidepressiva und neuroleptischer Therapie. Um eine seelische Stabilität zu erreichen, ist ein sicheres soziales Umfeld notwendig. Sollte der Kläger zu 1 keine regelmäßigen psychotherapeutischen Gespräche bzw. keine medikamentöse Therapie erhalten, und im Falle von Veränderungen im sozialen Umfeld, vor allem bei Abschiebung in sein Heimatland, ist zu befürchten, dass die depressiven Symptome zunehmen und es im schlimmsten Fall im Rahmen dieser zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt. Dies ergibt sich überzeugend aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme von A. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 19.02.2014.
55 
Danach ist aus der Sicht eines vernünftigen und besonderen Menschen ernstlich zu befürchten und damit wahrscheinlich, dass schon bei einer Abschiebung nach Serbien dort die depressiven Symptome zunehmen und es dabei zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.2007, InfAuslR 2008, 94). Dies liegt schon deshalb nicht fern, weil der Kläger zu 1 schon aufgrund der verfahrensrelevanten Umstände drei Selbsttötungsversuche gemacht hat. Hierfür sprechen auch die Angaben, die die Klägerin zu 2 hierzu in der mündlichen Verhandlung gemacht hat: Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
56 
Weiter führt - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - zu einer Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass die nach der ärztlichen Einschätzung zwingend erforderliche medikamentöse Therapie in Serbien nicht gewährleistet wäre. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 ist zwar davon auszugehen, dass in Serbien die für den Kläger zu 1 notwendigen Behandlungen, die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und auch die medikamentösen Behandlungen, grundsätzlich vorhanden wären; die beim Kläger zu 1 diagnostizierten Erkrankungen wären damit behandelbar. Dabei wären die psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen auch für den Kläger zu 1 kostenlos erreichbar. Im konkreten Falle des Klägers zu 1 wäre aber nicht sichergestellt, dass er die notwendigen Medikamente auch tatsächlich bekommen würde.
57 
Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 können Patienten Medikamente - auch in staatlichen Apotheken - nur mit einer bestimmten Kostenbeteiligung erhalten (vgl. auch SFH vom 04.10.2012). Danach ist unbestritten, dass die Roma weiterhin einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Zwar haben die Angehörigen der Volksgruppe der Roma die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger Serbiens, somit auch das Recht auf Gesundheitsschutz. Sie müssen wie alle krankenversicherten Bürger aber auch die vorgeschriebene Kostenbeteiligung für Medikamente bezahlen. Sie können nur versuchen, die notwendigen Medikamente über humanitäre und kirchliche Organisationen zu bekommen (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 07.06.2013 an VG Bremen).
58 
Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass die Zuzahlungen keine hohen Beträge beinhalten und die Kläger Anspruch auf Kindergeld haben (vgl. näher VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014, a.a.O.). Denn es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 in Serbien wieder Arbeit findet. Dagegen spricht der Gesundheitszustand des Klägers zu 1, der schon in Serbien dazu führte, dass er nur noch zeitweise arbeiten konnte, im Übrigen aber krankgeschrieben war. Weiter ist dabei zu berücksichtigten, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Roma schon ohne diese zusätzlichen Erschwernisse grundsätzlich schwierig ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013).
59 
Danach ist auch die gegen den Kläger zu 1 gerichtete Abschiebungsandrohung rechtswidrig. Denn Serbien wurde nicht als Staat bezeichnet, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung in einen anderen Staat in Betracht kommen könnte, bestehen nicht.
60 
Klägerin zu 2
61 
Die Klägerin zu 2 hat die geltend gemachten Ansprüche nicht. Sie ist Kroatin und hat sich nicht darauf berufen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit in Serbien verfolgt zu werden. Darüber hinaus hat sie auch keine individuelle Verfolgung geltend gemacht. Schließlich ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für sie aus gesundheitlichen Gründen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
62 
Die Androhung der Abschiebung gegenüber ihr ist rechtmäßig.
63 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
65 
Kläger zu 3 und 4
66 
Die Kläger zu 3 und 4 haben die geltend gemachten Ansprüche nicht. Nach den obigen Ausführungen besteht auch für die Kläger zu 3 und 4 keine Verfolgungsgefahr aufgrund der Volkszugehörigkeit, unabhängig davon, ob man sie der Gruppe der Roma oder der Gruppe der Kroaten zurechnet.
67 
Für die Kläger zu 3 und 4 sind auch keine individuellen Verfolgungsgründe ersichtlich. Die Angaben des Klägers zu 1 bei der Anhörung, die Tochter sei in der Schule diskriminiert worden wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, und die Angaben der Klägerin zu 2 bei ihrer Anhörung, für die Kinder gebe es keine speziellen weiteren Asylgründe lassen keine konkrete Verfolgungssituation erkennen. Dabei beriefen sich die Kläger zu 1 und 2 bei der Anhörung gar nicht darauf, die Tochter sei von einer Gruppe Mitschüler aufgrund ihrer Herkunft verprügelt worden, wie es im ärztlichen Attest des Klinikums S. W. vom 11.02.2013 steht. Die Angaben sind jedenfalls insgesamt zu vage, um daraus irgendeine Vorverfolgung herzuleiten.
68 
Auch für die Kläger zu 3 und 4 gilt: Die Androhung der Abschiebung ist rechtmäßig.
69 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
70 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
71 
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag muss nicht stattgegeben werden. Denn das Gericht ist bei seiner Entscheidung vom Vorliegen der zum Beweis gestellten Tatsachen ausgegangen.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.