Fahrerlaubnisrecht: EuGH: Zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine

bei uns veröffentlicht am27.08.2009

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für Öffentliches Recht

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Zusammenfassung des Autors
Anwalt für Verkehrsrecht - EU-Führerschein - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Der EuGH hat mit dem Beschluss vom 29.01.2004 (Az.: C/253/01) folgendes entschieden: Die Arrondissementsrechtbank Rotterdam hat mit Beschluss vom 27. 6. 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 2. 7. 2001, gem. Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. 7. 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Richtlinie 96/47/EG des Rates vom 23. 7. 1996 (ABl. L 235, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439) und der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Krüger und der Directie van de rechtspersoonlijkheid bezittende Dienst Wegverkeer (Direktion des Rechtspersönlichkeit besitzenden Dienst Wegverkeer [Straßenverkehrsamt]) über die Verpflichtung zur Registrierung und zum Umtausch eines Führerscheins, dessen Inhaberin die Betroffene ist, in den Niederlanden.


Rechtlicher Rahmen
Die gemeinschaftsrechtliche Regelung


Die erste Begründungserwägung der Richtlinie 91/439 hat folgenden Wortlaut:
Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.

Die neunte Begründungserwägung dieser Richtlinie sieht vor:
Artikel 8 der Richtlinie 80/1263/EWG, insbesondere die Verpflichtung, den Führerschein bei einem Wechsel des Staates des ordentlichen Wohnsitzes innerhalb eines Jahres umzutauschen, ist angesichts der Fortschritte beim Zusammenwachsen Europas ein inakzeptables Hindernis für die Freizügigkeit.

Artikel 1 der Richtlinie 91/439 bestimmt:

(1) Die Mitgliedstaaten stellen den einzelstaatlichen Führerschein gem. den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem EG-Muster in Anhang I oder Ia aus.
(2) Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.
(3) Begründet der Inhaber eines gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der den Führerschein ausgestellt hat, so kann der Aufnahmemitgliedstaat seine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Führerscheins, der ärztlichen Kontrolle und der steuerlichen Bestimmungen auf den Führerscheininhaber anwenden und auf dem Führerschein die für die Verwaltung unerlässlichen Angaben eintragen.

Artikel 2 II der Richtlinie 91/439 lautet:
Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Vorkehrungen, um der Fälschung von Führerscheinen vorzubeugen.

Nach Artikel 7 Absatz 5 dieser Richtlinie kann jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein.

Artikel 8 der Richtlinie 91/439 sieht vor:

(1) Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen; es ist Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, gegebenenfalls zu prüfen, ob der vorgelegte Führerschein tatsächlich gültig ist.
(2) Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.
(3) Der umtauschende Mitgliedstaat leitet den abgegebenen Führerschein an die zuständige Stelle des Mitgliedstaats, der ihn ausgestellt hat, zurück und begründet dieses Verfahren im Einzelnen.
(4) Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in II genannten Maßnahmen angewendet wurde.

Ein Mitgliedstaat kann es außerdem ablehnen, einem Bewerber, auf den eine solche Maßnahme in einem anderen Mitgliedstaat angewendet wurde, einen Führerschein auszustellen.
...


Die nationale Regelung


In den Niederlanden sind die Bestimmungen über den Führerschein in erster Linie in der allgemeinen Regelung über den Straßenverkehr enthalten, zu der auch die Wegenverkeerswet (Gesetz über den Straßenverkehr) vom 21. 4. 1994 (Stbl. 1994, Nr. 475) in der jeweils geltenden Fassung (Stbl. 1996, Nr. 276, im Folgenden: WVW 1994) gehört.

Nach Artikel 107 I WVW 1994 muss eine Person, die ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt, einen von der zuständigen Behörde - gemeint ist die in den Niederlanden zuständige Behörde - ausgestellten Führerschein besitzen, der sie zum Führen dieses Fahrzeugs berechtigt. Artikel 107 II legt die einzelnen Merkmale fest, denen dieser Führerschein entsprechen muss, und bestimmt insbesondere, dass er noch gültig sein muss.

Artikel 108 I Buchstabe h WVW 1994 bestimmt:

Artikel 107 gilt nicht für Führer von:
... h) Kraftfahrzeugen, wenn sie ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben und ihnen von der dafür zuständigen Behörde in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder in einem Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ein gültiger Führerschein ausgestellt wurde, der zum Führen eines Kraftfahrzeugs der von ihnen geführten Art berechtigt, für die bei der Registrierung dieses Führerscheins im Führerscheinregister festgesetzte Dauer der Gültigkeit in den Niederlanden oder, wenn dieser Führerschein nicht im Führerscheinregister eingetragen ist oder die bei der Registrierung festgesetzte Gültigkeitsdauer in den Niederlanden kürzer ist als ein Jahr, solange noch kein Jahr seit dem Tag ihrer Niederlassung in den Niederlanden verstrichen ist.

Artikel 109 WVW 1994 hat folgenden Wortlaut:
1. Die bei der Registrierung gem. Artikel 108 I Buchstabe h festgesetzte Gültigkeitsdauer in den Niederlanden beträgt a) zehn Jahre seit dem Tag der Ausstellung, wenn der Führerschein einem Inhaber ausgestellt wurde, der zum Zeitpunkt der Ausstellung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte;
...

Nach Artikel 122 I WVW 1994 hat ein Führerschein, der einem Ast. ausgestellt wird, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren vom Tag seiner Ausstellung an. Hat der Ast. das 60., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet, so ist der Führerschein vom Tag seiner Ausstellung bis zu dem Tag gültig, an dem der Ast. das 70. Lebensjahr vollendet. Hat der Ast. das 65. Lebensjahr vollendet, so hat der Führerschein eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren von seiner Ausstellung an.

Nach Artikel 177 I WVW 1994 ist das Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Führerschein, mit einem abgelaufenen Führerschein oder mit einem Führerschein, der nicht den in oder auf Grund der WVW 1994 festgelegten einschlägigen Anforderungen genügt, mit Strafe, und zwar mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Monaten oder Geldstrafe, bedroht.

Artikel 2 I der Wet administratiefrechtelijke handhaving verkeersvoorschriften (Gesetz über die verwaltungsrechtliche Durchführung von Verkehrsvorschriften) vom 3. 7. 1989 (Stbl. 1989, Nr. 300) in der zuletzt durch das Gesetz vom 28. 10. 1999 (Stbl. 1999, Nr. 469) geänderten Fassung (im Folgenden: WAHV) sieht in Bezug auf bestimmte Verhaltensweisen, die gegen in oder auf Grund der WVW 1994 erlassene Bestimmungen verstoßen, anstelle der dort vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen die Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen vor.


Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass Frau Krüger, eine deutsche Staatsangehörige, seit Januar 1996 ihren Wohnsitz in den Niederlanden hat und dort arbeitet. Sie ist Inhaberin eines am 2. 9. 1983 von den deutschen Behörden ausgestellten Führerscheins. Dieser hat gem. deutschem Recht eine unbegrenzte Gültigkeitsdauer. Um Artikel 108 I Buchstabe h WVW 1994 nachzukommen, beantragte Frau Krüger mit Schreiben vom 14. 6. 1996 bei der Direktion des Dienst Wegverkeer die Registrierung ihres Führerscheins. Dieser Antrag wurde von der genannten Behörde durch Entscheidung vom 1. 10. 1996 mit der Begründung abgelehnt, dass der Führerschein vor mehr als zehn Jahren ausgestellt worden sei. Nach niederländischem Recht könne ein solcher Führerschein nicht registriert werden, sondern müsse gegen einen niederländischen Führerschein umgetauscht werden.

Gegen diese Entscheidung erhob Frau Krüger Klage bei der Arrondissementsrechtbank Rotterdam mit der Begründung, dass die Ablehnung des Antrags auf Eintragung des Führerscheins zum einen ein Hindernis für die Freizügigkeit darstelle, das nur durch objektive Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt werden könne, und zum anderen dem in Artikel 1 II der Richtlinie 91/439 festgelegten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine zuwiderlaufe, wie er vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 29. 2. 1996 in der Rechtssache C-193/94 ausgelegt worden sei.

Vor dem genannten Gericht machte die Direktion des Dienst Wegverkeer geltend, dass die Unmöglichkeit, einen vor mehr als zehn Jahren ausgestellten Führerschein zu registrieren, kein Hindernis für die Freizügigkeit darstelle, da sie unterschiedslos für Inhaber eines niederländischen Führerscheins und für Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins gelte. Selbst wenn jedoch die niederländische Regelung ein solches Hindernis darstellen sollte, sei dieses jedenfalls im Hinblick auf das verfolgte Ziel, die Neuerteilung des Führerscheins alle zehn Jahre, gerechtfertigt. Die Richtlinie 91/439 schließe es nicht aus, dass der Inhaber eines deutschen Führerscheins, der sich in den Niederlanden niederlasse, seinen Führerschein gegen einen niederländischen Führerschein umtauschen müsse.

In ihrem Vorlagebeschluss stellt die Arrondissementsrechtbank Rotterdam fest, dass auf Grund der Bestimmungen der WVW 1994 für eine Person, die sich in einer Situation wie derjenigen von Frau Krüger befinde, in der Praxis die Pflicht bestehe oder doch wenigstens entstehe, ihren Führerschein binnen einer Frist von einem Jahr umzutauschen, wenn sie nicht gegen das Gesetz verstoßen wolle. Sowohl aus der neunten Begründungserwägung der Richtlinie 91/439 als auch aus Randnummer 42 des Urteils des Gerichtshofes vom 29. 10. 1998 in der Rechtssache C-230/97 scheine sich jedoch zu ergeben, dass diese Richtlinie den Mitgliedstaaten vorschreibe, zu vermeiden, dass der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins verpflichtet sei, diesen Führerschein gegen einen vom Aufnahmemitgliedstaat ausgestellten Führerschein umzutauschen.

Da die Arrondissementsrechtbank Rotterdam der Ansicht war, dass für die Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts erforderlich sei, hat sie das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist die Richtlinie 91/439 - insbesondere Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie - dahin auszulegen, dass damit eine innerstaatliche Regelung zur Durchführung der Richtlinie im Einklang steht, auf Grund deren für den Inhaber eines in der Bundesrepublik Deutschland durch die zuständige Behörde ausgestellten Führerscheins, der eine lebenslange Gültigkeitsdauer hat, binnen eines Jahres nach Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes in die Niederlande eine Umtauschpflicht besteht - oder jedenfalls entsteht -, da ein Führerschein, der in einem anderen Mitgliedstaat vor mehr als zehn Jahren ausgestellt worden ist, in den Niederlanden nicht registriert werden kann und der Inhaber, falls der Führerschein nicht registriert ist, durch das Führen eines Kraftfahrzeugs in den Niederlanden eine strafbare Handlung begeht? 2. Stellt eine innerstaatliche Regelung wie die in der ersten Frage genannte mit den darin beschriebenen Folgen ein Hindernis für die Freizügigkeit dar, und, wenn ja, kann dieses Hindernis dann durch Erwägungen gerechtfertigt werden, die darin bestehen, dass eine Aktualisierung der Angaben in dem Dokument in regelmäßigen Abständen und eine Anpassung des Dokuments an die fortschreitenden technischen Erkenntnisse in Bezug auf die Anforderungen ermöglicht werden sollen, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und der Bekämpfung von Fälschungen an das Dokument zu stellen sind?


Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das Vorlagegericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die zu Lasten der Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, die sich in diesem Staat niedergelassen haben, die Verpflichtung vorsieht, diesen Führerschein gegen einen nationalen Führerschein umzutauschen, weil der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein, der den im Aufnahmestaat anwendbaren Vorschriften über die Gültigkeitsdauer nicht entspricht, nicht in das Führerscheinregister dieses Staates eingetragen werden kann.

Da die Antwort auf die Vorabentscheidungsfrage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, hat der Gerichtshof nach Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung das vorlegende Gericht von seiner Absicht unterrichtet, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes genannten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben keine Einwände gegen die Absicht des Gerichtshofes erhoben, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. Frau Krüger und die niederländische, die spanische und die finnische Regierung haben dieser Absicht widersprochen.

Zur Beantwortung der so umformulierten Frage ist erstens festzustellen, dass aus den Randnummern 60 bis 63 und 67 bis 70 des Urteils des Gerichtshofes vom 10. 7. 2003 in der Rechtssache C-246/00 hervorgeht, dass die Richtlinie 91/439 einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die obligatorische Registrierung von Führerscheinen, die von den anderen Mitgliedstaaten ausgestellt wurden, für den Fall vorsieht, dass deren Inhaber sich in seinem Staatsgebiet niederlassen.

So hat der Gerichtshof in den Randnummern 60 und 61 des Urteils Kommission/Niederlande daran erinnert, dass nach der Rechtsprechung zum einen die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen nach Artikel 1 II der Richtlinie 91/439 ohne jede Formalität erfolgen muss und es sich zum anderen bei der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine um eine klare und unbedingte Verpflichtung handelt, die den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen. In Randnummer 63 desselben Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass die obligatorische Registrierung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, die das niederländische Recht vorsieht, als Formalität i.S. der oben zitierten Rechtsprechung anzusehen ist und demnach gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen nach Artikel 1 II der Richtlinie 91/439 verstößt.

Er hat in den Randnummern 67 bis 70 des Urteils Kommission/Niederlande ferner festgestellt, dass die obligatorische Registrierung der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine nicht unerlässlich ist, um es einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, von der in Artikel 1 III der Richtlinie 91/439 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, der sich in den Niederlanden niedergelassen hat, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Gültigkeitsdauer des Führerscheins, die ärztlichen Kontrollen und die Besteuerung anzuwenden und in den Führerschein Angaben aufzunehmen, die für die Verwaltung unerlässlich sind.

Hierzu hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass der Umstand, dass ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein nicht in den Niederlanden registriert ist, die niederländischen Behörden nicht daran hindert, bei Straßenverkehrskontrollen die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Gültigkeitsdauer der Führerscheine korrekt anzuwenden, indem sie zehn Jahre zu dem auf diesem Führerschein genannten Ausstellungsdatum hinzurechnen.

Ferner hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die streitige Registrierung offenbar auch nicht unerlässlich ist, um den zuständigen Behörden die Prüfung zu ermöglichen, ob die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Erneuerung des Führerscheins und die ärztlichen Kontrollen eingehalten worden sind, denn der Inhaber eines Führerscheins hat den Nachweis dafür zu erbringen, dass er die betreffenden Bestimmungen eingehalten hat. Es würde daher genügen, die Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheinen über ihre sich aus dem nationalen Recht ergebenden Verpflichtungen in Kenntnis zu setzen, wenn sie die erforderlichen Schritte unternehmen, um sich in den Niederlanden niederzulassen, und die im Fall der Nichtbeachtung der betreffenden Bestimmungen vorgesehenen Sanktionen anzuwenden.

Schließlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass auch die Verwendung von Führerscheinen aus Polykarbonat in einigen Mitgliedstaaten eine obligatorische Registrierung dieser Führerscheine nicht unerlässlich macht, da sie entgegen dem Vorbringen der niederländischen Regierung - wie aus Anhang Ia Nummer 2 der Richtlinie 91/439 hervorgeht - ein Feld aufweisen müssen, in das der Aufnahmemitgliedstaat Angaben aufnehmen kann, die für die Verwaltung unerlässlich sind.

Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof auch festgestellt hat, dass die Artikel 1 II und 8 I der Richtlinie 91/439 in Verbindung mit der neunten Begründungserwägung dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Inhabers insbesondere verbieten, den Umtausch der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine zu verlangen.

Diese Auslegung ist kürzlich vom Gerichtshof in seinem Urteil Kommission/Niederlande bestätigt worden. In Randnummer 72 dieses Urteils hat er festgestellt, dass nach der neunten Begründungserwägung der Richtlinie 91/439 die Systeme für den Umtausch von Führerscheinen ausdrücklich beseitigt werden sollten.

Somit geht klar aus der Rechtsprechung hervor, dass die Richtlinie 91/439 es ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Registrierung oder den Umtausch von Führerscheinen, die nicht von ihren eigenen Behörden ausgestellt worden sind, für den Fall verlangt, dass sich die Inhaber dieser Führerscheine in seinem Staatsgebiet niederlassen.

Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie 91/439 einer einzelstaatlichen Regelung entgegensteht, die wie die des Ausgangsverfahrens zu Lasten des Inhabers eines von einem anderen Mitgliedstaat als dem Aufnahmestaat ausgestellten Führerscheins eine Verpflichtung zur Registrierung und gegebenenfalls zum Umtausch dieses Führerscheins gegen einen nationalen Führerschein vorsieht.

Es ist hinzuzufügen, dass, wie sich bereits aus Randnummer 28 des vorliegenden Beschlusses ergibt, dem Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begründet, der von der Möglichkeit des Artikels 1 III der Richtlinie 91/439 Gebrauch gemacht hat, der Beweis dafür obliegt, dass er die in den Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats für die Erneuerung des Führerscheins aufgestellten Bedingungen erfüllt. Sobald dieser Beweis jedoch erbracht ist, müssen die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats daraus die Konsequenzen ziehen und es diesem Führerscheininhaber erlauben, ein Fahrzeug mit seinem ursprünglichen Führerschein zu führen.

Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Argument der niederländischen Regierung in Frage gestellt, wonach die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats diskriminiert werden, wenn dieser von einem in seinem Staatsgebiet wohnenden Gemeinschaftsangehörigen nicht verlangen kann, seinen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein gegen einen nationalen Führerschein umzutauschen, während die Inhaber eines nationalen Führerscheins, von denen die meisten Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, diesen Führerschein gegen einen neuen Führerschein umtauschen müssen.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht nämlich hervor, dass etwaige Benachteiligungen, denen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats aus der Sicht des Rechts dieses Staates ausgesetzt sein könnten, in den Anwendungsbereich dieses Rechts fallen, so dass über sie im Rahmen des internen Rechtssystems dieses Staates zu entscheiden ist.

Aufgrund dieser Überlegungen ist auf die erste Frage in der umformulierten Fassung zu antworten, dass Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, die sich in diesem Staat niedergelassen haben, unter bestimmten Umständen die Verpflichtung vorsieht, diesen Führerschein gegen einen nationalen Führerschein umzutauschen, weil der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein, der den im Aufnahmemitgliedstaat anwendbaren Vorschriften über die Gültigkeitsdauer nicht entspricht, nicht in das Führerscheinregister dieses Staates eingetragen werden kann.

Dem Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begründet, der von der Möglichkeit des Artikels 1 III der Richtlinie 91/439 Gebrauch gemacht hat, obliegt der Beweis dafür, dass er die in den Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats für die Erneuerung des Führerscheins aufgestellten Bedingungen erfüllt. Sobald dieser Beweis jedoch erbracht ist, müssen die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats daraus die Konsequenzen ziehen und es diesem Führerscheininhaber erlauben, sein Fahrzeug mit seinem ursprünglichen Führerschein zu führen.


Zur zweiten Frage

Angesichts der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Beantwortung der zweiten Frage.


Kosten

Die Auslagen der spanischen, der italienischen, der niederländischen und der finnischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.


Aus diesen Gründen hat DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)


auf die ihm von der Arrondissementsrechtbank Rotterdam mit Beschluss vom 27. 6. 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt: Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. 7. 1991 über den Führerschein in der durch die Richtlinie 96/47/EG des Rates vom 23. 7. 1996 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, die sich in diesem Staat niedergelassen haben, unter bestimmten Umständen die Verpflichtung vorsieht, diesen Führerschein gegen einen nationalen Führerschein umzutauschen, weil der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein, der den im Aufnahmemitgliedstaat anwendbaren Vorschriften über die Gültigkeitsdauer nicht entspricht, nicht in das Führerscheinregister dieses Staates eingetragen werden kann. Dem Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begründet, der von der Möglichkeit des Artikels 1 III der Richtlinie 91/439 Gebrauch gemacht hat, obliegt der Beweis dafür, dass er die in den Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats für die Erneuerung des Führerscheins aufgestellten Bedingungen erfüllt. Sobald dieser Beweis jedoch erbracht ist, müssen die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats daraus die Konsequenzen ziehen und es diesem Führerscheininhaber erlauben, sein Fahrzeug mit seinem ursprünglichen Führerschein zu führen.

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