Haftungsrecht: Versicherungspflicht eines Juweliers für Kundenschmuck

published on 30/06/2016 20:38
Haftungsrecht: Versicherungspflicht eines Juweliers für Kundenschmuck
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Author’s summaryEin Juwelier ist generell nicht verpflichtet, zur Reparatur oder zum Ankauf entgegengenommenen Kundenschmuck gegen das Risiko des Verlusts durch Diebstahl oder Raub zu versichern.
Besteht kein Versicherungsschutz, muss er den Kunden aber möglicherweise hierüber aufklären. 

Diese Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Juweliers, der von einem Kunden Schmuck im Wert von maximal 2.930 EUR zur Reparatur erhalten hatte. Diese Schmuckstücke wurden bei einem Raubüberfall auf das Geschäft des Juweliers entwendet. Gegen dieses Risiko war der Juwelier nicht versichert. Er hatte auch den Kunden nicht darauf hingewiesen, als er die Schmuckstücke entgegennahm. Der Kunde verlangt nun Wertersatz für die geraubten Schmuckstücke. Das Amtsgericht hat dem Kunden den Ersatzbetrag zugesprochen. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Anders als das Gericht erster Instanz sah es keine Aufklärungspflicht über den mangelnden Versicherungsschutz.

Auf die Revision des Kunden hat der BGH das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen. Sie muss dort neu verhandelt und entschieden werden. Nach Ansicht der Richter am BGH ist ein Juwelier zwar generell nicht verpflichtet, zur Reparatur oder Abgabe eines Ankaufsangebots entgegengenommenen Kundenschmuck gegen das Risiko des Verlusts durch Diebstahl oder Raub zu versichern.

Der Juwelier muss aber über den nicht bestehenden Versicherungsschutz aufklären, wenn es sich um Kundenschmuck von außergewöhnlich hohem Wert handelt. Gleiches gilt, wenn der Kunde erwarten darf, aufgeklärt zu werden, weil der Versicherungsschutz branchenüblich ist.

Einen außergewöhnlich hohen Wert hat der BGH vorliegend verneint. Für die Beurteilung der zwischen den Parteien streitigen Frage der Branchenüblichkeit einer Diebstahls- oder Raubversicherung bei Juwelieren hat das Landgericht nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen und keinen Beweis erhoben. Das muss es nun nachholen.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

BGH, Urteil vom 02.06.2016 (Az.: VII ZR 107/15).

Ein Juwelier, der Kundenschmuck zur Anbahnung eines Werk- oder Kaufvertrages entgegennimmt, kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung verpflichtet sein, über das Fehlen einer Versicherung gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl und Raub aufzuklären, wenn eine solche Versicherung branchenüblich ist.


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht.

Die Beklagte betreibt ein Juweliergeschäft. Im Februar 2012 übergab die Ehefrau des Klägers der Beklagten in deren Geschäftsräumen diverse im Eigentum des Klägers stehende Schmuckstücke mit der Intention, diese reparieren zu lassen beziehungsweise der Beklagten zu verkaufen.

Anlässlich eines Raubüberfalls am 23. Februar 2012 auf das Geschäft der Beklagten wurden unter anderem die Schmuckstücke des Klägers entwendet. Die Beklagte war insoweit nicht versichert, worauf sie in dem Gespräch mit der Ehefrau des Klägers vor Überlassung der Schmuckstücke nicht hingewiesen hatte.

Der Wert der übergebenen Schmuckstücke ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte erachtet den vom Kläger angesetzten Betrag von 2.930 € für übersetzt und geht von einem Wert in Höhe von 200 bis 300 € aus. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die geraubten Schmuckstücke unter Berufung darauf, dass er die Schmuckstücke nicht bei der Beklagten belassen hätte, wenn er von dem fehlenden Versicherungsschutz gewusst hätte.

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.930 € nebst Zinsen zu zahlen und ihn von Rechtsverfolgungskosten freizustellen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht führt, soweit für die Revision von Bedeutung, aus, ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht bestehe nicht. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie hinsichtlich der ihr übergebenen Schmuckstücke das Verlustrisiko durch Diebstahl oder Raub nicht durch Versicherungen abgedeckt habe. Zwar treffe es zu, dass eine Rechtspflicht zur Aufklärung über bestimmte Umstände auch ohne Nachfrage bestehe, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten darf, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Vorliegend seien jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es für die Willensbildung des Klägers offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung war, dass die Beklagte die ihr übergebenen Schmuckstücke gegen das Verlustrisiko durch Diebstahl oder Raub versichert hat. Etwas anderes möge gelten, wenn es sich bei den dem Juwelier übergebenen Schmuckstücken um solche von besonders hohem Wert handele. Angesichts dessen, dass auch der Kläger den Gesamtwert des übergebenen Schmuckes auf lediglich knapp 3.000 € beziffere, sei dies vorliegend nicht der Fall.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Aufklärungspflicht der Beklagten über den mangelnden Versicherungsschutz nicht verneint werden.

Richtig sieht das Berufungsgericht allerdings, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten sich nicht bereits daraus ergibt, dass sie den von der Klägerin entgegengenommen Schmuck nicht gegen das von keiner Vertragspartei zu vertretende Risiko des Verlusts durch Diebstahl oder Raub versichert hat. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob zwischen den Parteien betreffend das zur Reparatur übergebene Goldarmband bereits ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB zustande gekommen ist. Denn eine generelle Versicherungspflicht besteht für den Juwelier weder für Kundenschmuck, der zur Durchführung eines Werkvertrages , noch für solchen, der zur Abgabe eines Ankaufs- oder Reparaturangebotes entgegengenommen wird.

Eine Pflicht der Beklagten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub nicht oder nicht in voller Höhe durch Versicherungen gedeckt war, kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht allerdings dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze kann ein Juwelier verpflichtet sein, einen Kunden auf den fehlenden Versicherungsschutz dann hinzuweisen, wenn es sich um Schmuckstücke von außergewöhnlich hohem Wert handelt.

Ein solcher Fall liegt hier auch unter Zugrundelegung der Vorstellung des Klägers vom Wert der übergebenen Schmuckstücke nicht vor.

Ferner kann der Kunde gegebenenfalls nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dann eine Aufklärung über das Fehlen einer Versicherung gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl und Raub erwarten, wenn diese Versicherung branchenüblich ist.

Branchenüblichkeit liegt vor, wenn sich innerhalb einer Gruppe von Unternehmen, die ähnliche Leistungen auf dem Markt anbieten, eine Gepflogenheit oder ein Brauch innerhalb einer bestimmten Tätigkeit entwickelt hat, der nicht nur vorübergehend besteht, sondern eine gewisse Kontinuität erkennen lässt. Dies ist für die hier in Rede stehende Versicherung für die Revision mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten des Klägers zu unterstellen.

Die Branchenüblichkeit kann eine berechtigte Erwartung des Kunden begründen, dass ein solcher Versicherungsschutz besteht. Dies ist für den Juwelier als Mitglied der Branche auch erkennbar. Wenn der Juwelier die deshalb möglicherweise gebotene Aufklärung unterlässt, begeht er eine Pflichtverletzung.

Soweit die Revisionserwiderung die Aufklärung durch den Juwelier für unzumutbar hält, weil dies seine wirtschaftliche Tätigkeit wegen des damit verbundenen Zeitaufwands lähmen würde, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Bei den hier in Rede stehenden Vertragsanbahnungen handelt es sich nicht um Massengeschäfte, die eine derartige zeitliche Inanspruchnahme nicht zuließen.

Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage des Parteivorbringens Feststellungen zur Branchenüblichkeit und der daraus folgenden Verkehrsanschauung zu treffen haben.

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 107/15 Verkündet am:
2. Juni 2016
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Juwelier, der Kundenschmuck zur Anbahnung eines Werk- oder Kaufvertrages
entgegennimmt, kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Verkehrsanschauung verpflichtet sein, über das Fehlen einer Versicherung gegen
das Risiko des Verlustes durch Diebstahl und Raub aufzuklären, wenn eine solche
Versicherung branchenüblich ist.
BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - VII ZR 107/15 - LG Lüneburg
AG Winsen (Luhe)
ECLI:DE:BGH:2016:020616UVIIZR107.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke, Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Sacher und Wimmer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 7. April 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht.
2
Die Beklagte betreibt ein Juweliergeschäft. Im Februar 2012 übergab die Ehefrau des Klägers der Beklagten in deren Geschäftsräumen diverse im Eigentum des Klägers stehende Schmuckstücke mit der Intention, diese reparieren zu lassen (ein Goldarmband) beziehungsweise der Beklagten zu verkaufen (zwei Ohrringe, zwei Armbänder, zwei Halsketten sowie eine Brosche).
3
Anlässlich eines Raubüberfalls am 23. Februar 2012 auf das Geschäft der Beklagten wurden unter anderem die Schmuckstücke des Klägers entwendet. Die Beklagte war insoweit nicht versichert, worauf sie in dem Gespräch mit der Ehefrau des Klägers vor Überlassung der Schmuckstücke nicht hingewiesen hatte.
4
Der Wert der übergebenen Schmuckstücke ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte erachtet den vom Kläger angesetzten Betrag von 2.930 € für übersetzt und geht von einem Wert in Höhe von 200 bis 300 € aus. Der Klä- ger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für die geraubten Schmuckstücke unter Berufung darauf, dass er die Schmuckstücke nicht bei der Beklagten belassen hätte, wenn er von dem fehlenden Versicherungsschutz gewusst hätte.
5
Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.930 € nebst Zinsen zu zahlen und ihn von Rechtsverfolgungskosten freizustellen.
6
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht führt, soweit für die Revision von Bedeutung, aus, ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht bestehe nicht. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie hinsichtlich der ihr übergebenen Schmuckstücke das Verlustrisiko durch Diebstahl oder Raub nicht durch Versicherungen abgedeckt habe. Zwar treffe es zu, dass eine Rechtspflicht zur Aufklärung über bestimmte Umstände auch ohne Nachfrage bestehe, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten darf, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Vorliegend seien jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es für die Willensbildung des Klägers offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung war, dass die Beklagte die ihr übergebenen Schmuckstücke gegen das Verlustrisiko durch Diebstahl oder Raub versichert hat. Etwas anderes möge gelten, wenn es sich bei den dem Juwelier übergebenen Schmuckstücken um solche von besonders hohem Wert handele. Angesichts dessen, dass auch der Kläger den Gesamtwert des übergebenen Schmuckes auf lediglich knapp 3.000 €beziffere, sei dies vorliegend nicht der Fall.

II.

9
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Aufklärungspflicht der Beklagten über den mangelnden Versicherungsschutz nicht verneint werden.
10
1. Richtig sieht das Berufungsgericht allerdings, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten sich nicht bereits daraus ergibt, dass sie den von der Klägerin entgegengenommen Schmuck nicht gegen das von keiner Vertragspartei zu vertretende Risiko des Verlusts durch Diebstahl oder Raub versichert hat. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob zwischen den Parteien betreffend das zur Reparatur übergebene Goldarmband bereits ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB zustande gekommen ist. Denn eine generelle Versicherungspflicht besteht für den Juwelier weder für Kundenschmuck, der zur Durchführung eines Werkvertrages (§ 631 BGB), noch für solchen, der zur Abgabe eines Ankaufs- oder Reparaturangebotes (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) entgegengenommen wird (für das Werkvertragsrecht ebenso: OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, 107; Palandt/ Sprau, BGB, 75. Aufl., § 631 Rn. 15; Staudinger/Peters/Jakoby, 2014, BGB, § 644 Rn. 14; Messerschmidt/Voit/Merkens, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 644 Rn. 7; BeckOGK/Merkle, BGB, Stand: 1. Februar 2016, § 631 Rn. 469, 469.1; vgl. auch RG, HRR 1928, Nr. 413 zur Versicherungspflicht des Betreibers einer KfZ-Werkstatt gegen Feuergefahr; eine Versicherungspflicht bei Entgegennahme besonders wertvoller Gegenstände bejahend: Schwenker in Erman, BGB, 14. Aufl., § 644 Rn. 5; MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 644 Rn. 13; ähnlich auch: BeckOK BGB/Voit, Stand: 1. Februar 2015, § 631 Rn. 62, § 644 Rn. 8).
11
2. Eine Pflicht der Beklagten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass das Risiko des Verlustes durch Diebstahl oder Raub nicht oder nicht in voller Höhe durch Versicherungen gedeckt war, kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
12
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331, 3332, juris Rn. 15; vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn. 21; jeweils m.w.N.) besteht bei Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht allerdings dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (BGH, Urteile vom 2. März 1979 - V ZR 157/77, BauR 1979, 447, juris Rn. 8; vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 335/89, NJW 1991, 1223, 1224, juris Rn. 14; vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00, aaO Rn. 15; vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08, aaO Rn. 22; jeweils m.w.N.). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08, aaO Rn. 22).
13
b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze kann ein Juwelier verpflichtet sein, einen Kunden auf den fehlenden Versicherungsschutz dann hinzuweisen, wenn es sich um Schmuckstücke von außergewöhnlich hohem Wert handelt.
14
Ein solcher Fall liegt hier auch unter Zugrundelegung der Vorstellung des Klägers vom Wert der übergebenen Schmuckstücke (2.930 €) nicht vor.
15
c) Ferner kann der Kunde gegebenenfalls nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dann eine Aufklärung über das Fehlen einer Versicherung gegen das Risiko des Verlustes durch Diebstahl und Raub erwarten, wenn diese Versicherung branchenüblich ist.
16
Branchenüblichkeit liegt vor, wenn sich innerhalb einer Gruppe von Unternehmen , die ähnliche Leistungen auf dem Markt anbieten, eine Gepflogenheit oder ein Brauch innerhalb einer bestimmten Tätigkeit entwickelt hat, der nicht nur vorübergehend besteht, sondern eine gewisse Kontinuität erkennen lässt. Dies ist für die hier in Rede stehende Versicherung für die Revision mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten des Klägers zu unterstellen.
17
Die Branchenüblichkeit kann eine berechtigte Erwartung des Kunden begründen , dass ein solcher Versicherungsschutz besteht. Dies ist für den Juwelier als Mitglied der Branche auch erkennbar. Wenn der Juwelier die deshalb möglicherweise gebotene Aufklärung unterlässt, begeht er eine Pflichtverletzung.
18
Soweit die Revisionserwiderung die Aufklärung durch den Juwelier für unzumutbar hält, weil dies seine wirtschaftliche Tätigkeit wegen des damit verbundenen Zeitaufwands lähmen würde, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Bei den hier in Rede stehenden Vertragsanbahnungen handelt es sich nicht um Massengeschäfte, die eine derartige zeitliche Inanspruchnahme nicht zuließen.
19
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage des Parteivorbringens Feststellungen zur Branchenüblichkeit und der daraus folgenden Verkehrsanschauung zu treffen haben.
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Vorinstanzen:
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 30.09.2014 - 20 C 1350/13 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 07.04.2015 - 5 S 71/14 -

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.