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Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Das Landratsamt ... hat nicht über den am 17.05.2009 bei ihm eingegangenen Bauantrag der Klägerin entschieden (§ 75 Satz 2 VwGO). Dass die Entscheidung über den Bauantrag zunächst aufgrund des Beschlusses der Beigeladenen vom 23.07.2009 zurückgestellt war, ändert daran nichts. Denn am 10.06.2010 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen eine am 17.06.2010 öffentlich bekanntgemachte Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB. Während die Zurückstellung eines Baugesuchs rein verfahrensrechtliche Rechtsfolgen in dem Sinne hat, dass während ihres Geltungszeitraums die Pflicht der Baurechtsbehörde zur sachlichen Entscheidung über den Bauantrag entfällt, hat die Veränderungssperre ein Verbot der Maßnahme zur Folge. Die Baurechtsbehörde war dementsprechend - die Gültigkeit der Veränderungssperre unterstellt - zur Versagung der beantragten Baugenehmigung verpflichtet und hätte mithin in der Sache entscheiden können (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.03.2010 - 8 S 3293/08 -, DVBl. 2010, 717, zit. nach juris).
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Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Nutzungsänderung des Lagerraums 2 in einen Backvorbereitungsraum (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bebauungsplan steht entgegen.
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Der Bebauungsplan ist zwar entgegen seiner missverständlichen Bezeichnung als vorhabenbezogen kein solcher i.S. des § 12 BauGB, sondern ein herkömmlicher Bebauungsplan. Die fehlerhafte Bezeichnung führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Bebauungsplan auch sonst nicht zu beanstanden.
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Nach § 12 Abs. 1 BauGB wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan durch drei Elemente gekennzeichnet, den Durchführungsvertrag, den Bebauungsplan sowie den Vorhaben- und Erschließungsplan. Alle drei Elemente müssen vorhanden und inhaltlich aufeinander abgestimmt sein. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan regelt die Zulässigkeit einzelner baulicher Vorhaben i.S. des § 29 BauGB. Der Vorhabenträger muss auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung des Vorhabens und der Erschließungsmaßnahmen bereit und in der Lage sein. In Abstimmung mit der Gemeinde bestimmt er allein, welches Vorhaben er zu verwirklichen bereit und in der Lage ist. Dementsprechend ist ein vorhabenbezogener Bebauungsplan auch nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB bzw. nach der Baunutzungsverordnung gebunden (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Der vom Vorhabenträger aufzustellende und von ihm - nach Abstimmung mit der Gemeinde - zu verantwortende Vorhaben- und Erschließungsplan ist damit unabdingbare Voraussetzung für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (OVG Münster, Urt. v. 23.01.2006 - 7 D 60/04. NE -, BauR 2006, 1275).
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An einem Vorhaben- und Erschließungsplan fehlt es vorliegend aber. Er wird zwar in § 1 Abs. 2 des Durchführungsvertrages erwähnt, ist aber weder in den Akten vorhanden, noch wie in § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgeschrieben zum (ausdrücklich erkennbaren) Bestandteil des Bebauungsplans geworden. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in der zitierten Entscheidung daraus die Nichtigkeit abgeleitet.
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Teilweise wird vertreten, es genüge eine Klarstellung, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan zugleich die Funktion des Vorhaben- und Erschließungsplans habe, denn er entspreche ihm ohnehin (so Köster, Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB, ZfBR 2005, 147, zit. nach juris).
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Auch nach der letztgenannten Auffassung liegt indessen kein vorhabenbezogener Bebauungsplan vor. Denn der Bebauungsplan ist im Hinblick auf die dem Willen der Klägerin als Vorhabenträgerin widersprechende Regelung in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen nicht mehr mit der Klägerin als Vorhabenträgerin abgestimmt. Der Vorhaben- und Erschließungsplan und damit der vorhabenbezogene Bebauungsplan muss aber der Plan des Vorhabenträgers und ihm erkennbar zuzurechnen sein (Bay.VGH, Urt. v. 27.09.2005 - 8 N 03.2750 -, DÖV 2006, 479).
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Auch aus § 12 Abs. 4 BauGB ergibt sich kein anderes Ergebnis. Diese Norm berechtigt die Gemeinde, Flächen außerhalb des Vorhaben- und Erschließungsplans in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einzubeziehen, diesen also über den vom Vorhabenträger vorgesehenen Planbereich hinaus zu erweitern. Hier geht es indessen um Änderungen, die das Vorhaben selbst betreffen, also den Bereich, auf den sich der Vorhaben- und Erschließungsplan erstrecken sollte.
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Die (fälschliche) Bezeichnung des Bebauungsplans als vorhabenbezogen führt indessen nicht zu seiner Unwirksamkeit. Es handelt sich vielmehr um einen herkömmlichen Bebauungsplan i.S. des § 30 Abs. 1 BauGB.
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In der Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der die Anforderungen aus § 12 BauGB nicht erfülle, könne nicht als herkömmlicher Bebauungsplan aufrechterhalten werden, denn weder sei eine entsprechende Auslegung noch eine dahingehende Umdeutung möglich. Maßgebliches Argument ist dabei, der Wille des Gemeinderats sei auf den Beschluss eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gerichtet gewesen. Auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Planerhaltung aus §§ 214 ff. BauGB sei eine Auslegung/Umdeutung entgegen dem erklärten Willen des Gemeinderats nicht möglich (vgl. dazu OVG Münster, Urt. v. 23.01.2006 - 7 D 60.04.NE -, BauR 2006,1275 und Bay.VGH, Urt. v. 27.09.2005 - 8 N 03.2750 -, DÖV 2006, 479).
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Der Wille des Gemeinderats der Beigeladenen war aber auf den Beschluss eines herkömmlichen Bebauungsplans gerichtet. So ist der Gemeinderat bewusst von den planerischen Vorstellungen der Klägerin abgewichen. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan ist indessen zwischen Vorhabenträger und Gemeinde abgestimmt. Die Beigeladene hat auch sowohl die Zurückstellung des Baugesuchs der Klägerin gemäß § 15 BauGB beantragt als auch eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB beschlossen, obwohl ihr bekannt sein musste, dass beide Rechtsinstitute bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht anwendbar sind (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB) und wegen des abgestimmten Vorgehens von Vorhabenträger und Gemeinde auch nicht benötigt werden. Wenn die Beigeladene gleichwohl von einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan spricht, so handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beigeladene sei nicht berechtigt, in einem mit ihr zunächst inhaltlich abgestimmten vorhabenbezogenen Bebauungsplan 6 Jahre nach dem erstmaligen Satzungsbeschluss durch Einfügung von Nr. 1.1.3 in die textlichen Festsetzungen eine Änderung vorzunehmen, mit der sie nicht einverstanden sei. Dem folgt die Kammer nicht.
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Wie eben ausgeführt ist der Bebauungsplan entgegen dem missverständlichen Wortlaut vom Gemeinderat der Beigeladenen zwar nicht als vorhabenbezogener beschlossen worden. Im Zeitpunkt der Einleitung dürfte das Planaufstellungsverfahren allerdings auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gerichtet gewesen sein, wie der Abschluss eines Durchführungsvertrages i.S. des § 12 Abs. 1 BauGB im März 2003 vor dem erstmaligen Satzungsbeschluss verdeutlicht. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Gemeinde ist auch berechtigt, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Planaufstellungsverfahren jeder Zeit zu ändern bzw. zu einem herkömmlichen Bebauungsplan überzugehen. Einen gegenteiligen Rechtssatz gibt es nicht.
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Das von der Klägerin der Sache nach behauptete „Planentwurfsänderungsverbot“ folgt zunächst nicht aus § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Nach dieser Bestimmung hat die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob diese Bestimmung dem Vorhabenträger lediglich das Recht einräumt, dass die Gemeinde ihn nach den Vorarbeiten nicht über das weitere Vorgehen im Unklaren lässt, sondern entscheidet, ob sie das Planaufstellungsverfahren einleiten will (so VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.03.2000 - 5 S 444/00 -, VBlBW 2000, 365) oder ob sie weitergehend auch verpflichtet ist, zu prüfen, ob sich der Vorhaben- und Erschließungsplan in ihr städtebauliches Konzept einfügt oder ggf. doch so verändert werden kann, dass er ihren städtebaulichen Vorstellungen entspricht (vgl. Krautzberger in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Komm. - EZB -, RN 109 und 111 zu § 12 BauGB, Stand: Mai 2007).
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Auch nach der letztgenannten, dem Vorhabenträger prinzipiell günstigeren Auffassung kann er aus § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB keinen Anspruch auf Erlass eines Bebauungsplans ableiten, erst recht ergibt sich daraus kein Anspruch auf Beschluss eines Bebauungsplans, der dem Vorhaben- und Erschließungsplan (so die Klägerin einen solchen überhaupt vorgelegt hatte) und damit seinen planerischen Vorstellungen entspricht. Die Gemeinde kann vielmehr in Ausübung ihrer Planungshoheit ein eingeleitetes Verfahren wieder einstellen oder zu einem herkömmlichen Bebauungsplan übergehen. Dafür spricht auch § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach auf die Aufstellung von Bebauungsplänen kein Anspruch besteht und auch nicht durch Vertrag begründet werden kann (vgl. dazu erneut VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.03.2000 - 5 S 444/00 -, VBlBW 2000, 365 und Krautzberger in EZB, RN 111 zu § 12 BauGB, Stand: Mai 2007).
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Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan jederzeit aufgehoben, geändert oder ergänzt werden kann (vgl. Krautzberger in EZB, RN 163 zu § 12 BauGB, Stand: Mai 2007). Eine Bindung der Beigeladenen bereits im Planaufstellungsverfahren ist damit erst recht nicht vereinbar.
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Das im Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags nach § 36 BauGB erforderliche Einvernehmen (ursprünglich war über den Bauantrag entweder nach § 33 BauGB oder nach § 35 BauGB zu entscheiden) gilt zwar nach § 36 Abs. 2 Satz 2 zweite Alter. BauGB als erteilt. Die Beigeladene hat das Einvernehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung des Bauantrags am 07.05.2009, die gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 LBO und damit nach Landesrecht bei ihr zu erfolgen hatte, verweigert. Denn erst die Stellung des am 23.07.2009 beschlossenen Antrags auf Zurückstellung des Bauvorhabens kann als Verweigerung des Einvernehmens ausgelegt werden. Die Beigeladene wird dadurch jedoch nicht gehindert, nachträglich einen Bebauungsplan zu beschließen, der dazu führen soll, dem Bauantrag eine vorher (eventuell bestehende) Genehmigungsfähigkeit zu nehmen. Die Beigeladene hat durch das Einvernehmen ihr Planungsrecht nicht verloren (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 4 CN 16.03 -, BVerwGE 120, 138).
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Die Klägerin macht weiter geltend, für die Bestimmung unter Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans fehle es an der Planrechtfertigung. Es handele sich um eine reine Negativplanung, die ohne städtebaulich plausible Gründe darauf abziele, allein ihr den Verkauf der frisch aufgebackenen Backwaren zu untersagen, während in anderen Einzelhandelsgeschäften nicht nur eine Fisch- und Fleischtheke, an der die Waren ebenfalls erst verkaufsfertig vor- und zubereitet würden, sondern sogar eine Verkaufsstelle für Backwaren mit Backautomaten toleriert würde. Auch dieser Argumentation ist nicht zu folgen.
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Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden allerdings Bebauungspläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Es müssen hinreichend gewichtige städtebauliche Belange bestehen, wobei sich das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit nicht nur auf den Anlass der Planaufstellung bezieht, sondern auch für den Inhalt des Plans, d.h. für jede seiner Festsetzungen gilt. § 1 Abs. 3 BauGB besagt aber nicht, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder sogar zwingend geboten sind. Die Gemeinde ist zur Planung vielmehr schon dann befugt, wenn sie auf der Grundlage ihrer planerischen Konzeption hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann. Grundsätzlich ist die Gemeinde berechtigt, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Dazu gehört auch die Entscheidung, welche Art der baulichen Nutzung auf dem Gemeindegebiet zulässig sein soll bzw. konkret, in welchem Umfang sie Teile ihres Gemeindegebiets für die Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellen will (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.2009 - 4 C 21.07 -, BVerwGE 133, 310 und Beschl. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338 sowie Krautzberger in EZB, RN 26 zu § 1).
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Der planerische Wille der Beigeladenen, ihre städtebauliche Zielsetzung im oben beschriebenen Sinne, ging von Anfang an dahin, im Plangebiet einen ...-Markt zuzulassen. Dementsprechend hieß es bereits in der Gemeinderatssitzung vom 13.05.2003, die Festsetzung eines Gewerbegebiets scheide aus, da ausschließlich eine ...-Verkaufsstätte angesiedelt werden solle. Dieser Wille fand auch Ausdruck im Bebauungsplan. Unter Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen wird als Art der baulichen Nutzung ein Sondergebiet „...-Einzelhandel“ (§ 11 Abs. 1 BauNVO) bestimmt. Nach Nr. 1.1.2 der textlichen Festsetzungen ist dementsprechend ein Einzelhandelsgeschäft (SB-Lebensmit-telmarkt einschl. Aktionsartikel) zulässig. Dieser planerische Wille ging auch in die Begründung des Bebauungsplans ein. Als städtebauliche Zielsetzung der Planung wird die Eröffnung eines Einzelhandelsgeschäfts der Klägerin (SB-Lebensmittelmarkt einschl. Aktionsartikel) genannt. Unter Nr. 2 der Begründung heißt es weiter, ein Sondergebiet nach § 11 BauNVO sei festgesetzt worden, um den planerischen Willen zu verdeutlichen, nur diesen Einzelhandelsbetrieb zuzulassen. Vor dem Hintergrund der Regelung in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen ist dies dahin zu verstehen, dass ein ...-Markt zugelassen werden soll, wie er noch vor wenigen Jahren allein anzutreffen war und in dem Produkte, die erst an Ort und Stelle verkaufsfertig zubereitet werden, nicht zum Sortiment gehören.
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Der Bebauungsplan entbehrt mithin nicht einer positiven Planungskonzeption. Er dient auch nicht der Förderung von Zielen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Dass in anderen Teilen des Gemeindegebiets der Beigeladenen Einzelhandelsgeschäfte mit Verkaufstheke bzw. sogar einem Backautomaten zulässig sind, weil diese sich - so der unwidersprochene Vortrag der Beigeladenen -, in einem als Kerngebiet zu qualifizierenden unbeplanten Innenbereich befinden, wo nicht störende gewerbliche Nutzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO grundsätzlich erlaubt sind, ist unter diesen Umständen Ausdruck des bereits oben näher dargestellten Rechts der Beigeladenen, darüber zu entscheiden, welche Teile des Gemeindegebiets sie für welche Art der baulichen Nutzung zur Verfügung stellen will.
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Die Festsetzung des Sondergebiets ist weder als solche noch mit dem konkreten Inhalt in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen zu beanstanden.
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Nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BauNVO i.V.m § 11 BauNVO können zur Bestimmung der Art der baulichen Nutzung sonstige Sondergebiete festgesetzt werden, die sich von den Baugebieten nach §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Da die Sondergebietsfestsetzung nicht zu einer Umgehung des Typenzwangs der Baunutzungsverordnung als einer sachgerechten Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums führen darf, erweitert § 11 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO die Festsetzungsmöglichkeiten des Katalogs der Baugebiete nicht beliebig. Diese Bestimmung ist kein Auffangtatbestand für die Fälle, in denen Festsetzungen nach §§ 2 bis 10 und Differenzierungen im Nutzungskatalog eines Baugebiets nach § 1 Abs. 4 bis Abs. 10 BauNVO unzulässig wären, weil sie die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets sprengen würden. Das Sondergebiet muss daher nach seiner Zweckbestimmung einen Gebietscharakter aufweisen, der sich von den Gebietscharakteren der Baugebiete nach den §§ 2 bis 10 BauNV0 wesentlich unterscheidet. Allerdings kann die festgesetzte Nutzung auch in einem Baugebiet nach §§ 2 bis 9 BauNVO zulässig sein. Es kommt dann darauf an, ob sie wegen ihrer prägenden Wirkung die Festsetzung eines Sondergebiets rechtfertigt (vgl. dazu Söfker in EZB, RN 19 bis 21 zu 11 BauNVO, Stand: Januar 2009 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.).
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So liegen die Dinge hier. Die Festsetzung eines Sondergebiets für den Einzelhandel erstreckt sich auf das gesamte bis zu 100 m lange und ca. 30 m breite Plangebiet. Als einzige zulässige Art der baulichen Nutzung prägt der Einzelhandelsbetrieb auch das Gebiet (vgl. zur Zulässigkeit der Ausweisung eines Sondergebiets für den Einzelhandel auch OVG Münster, Urt. v. 04.10.2010 - 10 D 30/08.NE -, juris).
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Die Klägerin trägt außerdem vor, Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen diene nicht der Klarstellung der Zweckbestimmung des Sondergebiets für den Einzelhandel, sondern dem Ausschluss einer bestimmten Nutzungsart, obwohl die Voraussetzungen aus § 1 Abs. 9 BauNVO nicht gegeben seien. Zutreffend weist die Beigeladene darauf hin, dass sie bei der Festsetzung eines Sondergebiets nicht an die Möglichkeiten der planerischen Differenzierung gemäß § 1 Abs. 4 bis Abs. 10 BauNVO gebunden ist (§ 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO). Findet § 1 Abs. 9 BauNVO aber überhaupt keine Anwendung, so scheidet eine Umgehung dieser Bestimmung schon deshalb aus.
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Auch an bestimmte Nutzungsarten ist die Beigeladene bei der Festsetzung eines Sondergebiets nicht gebunden. Vielmehr kann sie bei der Festsetzung eines Sondergebiets nach § 11 BauNVO die Art der baulichen Nutzung konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen. Ihr steht insoweit ein weiter Ermessensspielraum zu, der allein durch die Zweckbestimmung des Baugebiets begrenzt wird (vgl. Söfker in EZB, RN 30 zu § 11 BauNVO). Vor diesem Hintergrund ist der Beigeladenen auch darin zuzustimmen, dass es sich bei der streitigen Regelung unter Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen nicht um den Ausschluss einer Nebenanlage gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO handelt, sondern um die Konkretisierung des Nutzungszwecks. Wie bereits ausgeführt, soll das Gebiet zur Unterbringung eines „typischen“ - im Sinne eines herkömmlichen - ...-Markts dienen, in dem Produkte, die erst an Ort und Stelle verkaufsfertig zubereitet werden sollen, nicht zum Sortiment gehören.
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Auch auf die Frage, ob das verkaufsfertige Aufbacken von bereits zu 80 % vorgebackenen Waren noch unter den Begriff „Einzelhandel“ (vgl. Nr. 1.1.1 der textlichen Festsetzungen) im Sinne der Baunutzungsverordnung fällt, kommt es dabei nicht an. Unter Einzelhandel ist danach allerdings die Anschaffung und das Feilhalten von Waren zum Verkauf an Jedermann zu verstehen, sei es unverändert oder nach einer im Einzelhandel üblichen Be- und Verarbeitung (Fickert/Fieseler, BauNVO, Komm., 11. Aufl. 2008, Rn. 15.1 zu § 5). Die vollumfängliche Herstellung von Backwaren ist nach dieser Definition sicher kein Einzelhandel im Sinne der Baunutzungsverordnung mehr. Bei dem hier in Rede stehenden bloßen Aufbacken könnte es nach der Verkehrsauffassung jedoch anders sein, denn dieses ist - darauf weist die Klägerin zu Recht hin - heute auch in allgemein als Einzelhandel angesehenen Geschäften weit verbreitet.
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Auch soweit der Satzungsgeber einen Begriff aus dem Nutzungsartenkatalog der Baunutzungsverordnung verwendet (hier: Einzelhandelsbetrieb), ist er aber nicht gehindert, ihn entsprechend der besonderen Zweckbestimmung des Sondergebiets zur Konkretisierung der von ihr verfolgten Planungsabsichten einzusetzen und abzuwandeln. Der Bedeutungsgehalt ist dabei durch Auslegung des örtlichen Rechts, d.h. des Bebauungsplans zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.09.1998 - 4 B 60.98 -, BauR 1999, 146 ebenso Söfker in EZB, RN 30 zu § 11 BauNVO). Die Gemeinde kann mit der Festsetzung eines Sondergebiets nach § 11 BauNVO die Art der baulichen Nutzung konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen; Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 BauNVO selbst (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.02.2002 - 4 CN 5.01 -, DVBl. 2002, 313). Von dieser Möglichkeit hat die Beigeladene Gebrauch gemacht, indem sie mit Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen klargestellt hat, dass die dort genannten Anlagen nicht mehr vom Einzelhandel umfasst und damit bauplanungsrechtlich unzulässig sind.
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Die Rüge der Klägerin, Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen sei nicht hinreichend bestimmt, greift gleichfalls nicht durch. Zu Recht hat die Beigeladene darauf hingewiesen, dass die dort verwendeten Begriffe nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern im Gesamtzusammenhang gesehen werden müssen. Daraus folgt, dass mit der Regelung in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen alle Anlagen bauplanungsrechtlich untersagt werden sollen, die dazu dienen, Artikel des Warensortiments einer Be- oder Verarbeitung zu unterziehen, um sie erst verkaufsfertig zu machen. Zulässig sein soll mit anderen Worten nur ein ... Einzelhandelsmarkt im Sinne eines SB-Lebensmittelmarkts einschließlich Aktionsartikel in der Form, wie er zu Beginn des Planaufstellungsverfahrens im Jahre 2002 allein üblich war. Es ist gerichtsbekannt und wurde auch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass damals in ...-Märkten keine Lebensmittel angeboten wurden, die erst an Ort und Stelle noch verkaufsfertig zubereitet werden mussten.
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Nicht nachvollziehen konnte die Kammer die letztlich auch nicht näher konkretisierten Bedenken der Klägerin bezüglich des Begriffs „Klarstellung“ im Normsetzungsverfahren. Die Klägerin dürfte verkennen, dass vor der öffentlichen Bekanntmachung des Bebauungsplans am 02.12.2010 noch überhaupt keine Rechtsnorm existent war, die durch den Bebauungsplan hätte klargestellt werden können.
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Die Klägerin macht weiter geltend, der Bebauungsplan leide an einem Abwägungsfehler in Form eines Abwägungsdefizits, weil der Gemeinderat der Beigeladenen geglaubt habe, er entscheide mit der Einfügung von Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen lediglich über eine Klarstellung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, während er der Klägerin tatsächlich ein wesentliches Nutzungsrecht genommen habe, wie es sich aus § 33 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplanentwurf in der ursprünglichen Fassung ergeben habe.
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Ob dies zutrifft oder ob auch ohne die Regelung in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen von Anfang an nur ein „typischer“ ...-Markt zulässig war, in dem nur verkaufsfertig angelieferte Waren zum Verkauf kommen, mag zweifelhaft erscheinen. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, denn der Gemeinderat hat in die Abwägung vorsichtshalber eingestellt, dass die Einfügung der Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen in den Bebauungsplan zu einer Beeinträchtigung der bislang danach (nicht nach einer erteilten Baugenehmigung) bestehenden Nutzungsmöglichkeiten führt.
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Der Gemeinderat hätte im Rahmen der Abwägung berücksichtigen müssen, dass die Beigeladene gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB das vor Inkrafttreten erforderliche Einvernehmen zum Bauantrag der Klägerin erteilt hatte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 4 CN 16.03 - BVerwGE 120, 138). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der Gemeinderat dessen bewusst war und diesen Gesichtspunkt in die Abwägung eingestellt hat. Dieser Fehler ist jedoch unbeachtlich (§ 214 Abs. 3 Satz 2 letzter Hs. BauGB), denn es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass ohne einen solchen Mangel im Planungsvorgang der Bebauungsplan anders ausgefallen wäre (vgl. dazu Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm., 11. Aufl. 2009, RN 22 zu § 214).
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Aus den vorstehenden Ausführungen (insbesondere zur Bestimmtheit von Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen) folgt zwanglos, dass die beantragte Nutzungsänderung bauplanungsrechtlich unzulässig ist, denn es handelt sich bei dem ...-Backofen mit Backvorbereitungsraum um eine produktions- oder handwerksähnliche Herstellungs- oder Produktaufbereitungsanlage.
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