Amtsgericht Bremen Urteil, 29. März 2012 - 9 C 306/11

ECLI:ag-bremen
erstmalig veröffentlicht: 17.06.2022, letzte Fassung: 24.06.2022

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Bremen

Beteiligte Anwälte

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Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Zusammenfassung des Autors

Das Amtsgericht Bremen entschied zu Gunsten einer jungen Frau und sprach dieser ein Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 Euro zu, nachdem diese im Straßenverkehr als "Schlampe" und "Hure" bezeichnet wurde.

IM NAMEN DES VOLKES

AG Bremen

 

Urteil vom 29.03.2012

Az: 9 C 306/11

Tatbestand

Am 20.09.2010 befuhr die Klägerin als Beifahrerin in ihrem von dem Fahrzeugführer B… gesteuerten PKW VW-Golf, …, die ……in Bremen.

Auf der Höhe des LIDL-Supermarktes betätigte der Zeuge … gegenüber dem vom Beklagten gesteuerten PKW, …, die Hupe. Das klägerische Fahrzeug fuhr danach geradeaus weiter, das Beklagtenfahrzeug, in dem sich außer dem Beklagten der Zeuge K… als Beifahrer befand, folgte.

Als das klägerische Fahrzeug kurze Zeit später parkte, hielt der Beklagte vor dem Golf und stieg aus. Die Klägerin und der Zeuge B… blieben im Wagen sitzen, kurbelten jedoch auf der Fahrerseite das Fenster herab, als der Beklagte auf das Fahrzeug zukam. Der weitere Verlauf der Auseinandersetzung ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin holte am 25.11.2010 im Hinblick auf eine Beschädigung des Kotflügels im Bereich der Fahrertür einen Kostenvoranschlag ein; von der Firma … wurden Reparaturkosten in Höhe von 1.658,07 Euro veranschlagt (Bl. 5 ff. d.A.).

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Am 20.07.2011 stellte eine Werkstatt in Mazedonien eine Rechnung über 1149,48 Euro für die Reparaturen am Wagen aus.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte den Zeugen … durch das geöffnete Fenster geschlagen und diesen und die Klägerin beleidigt habe; unter anderem habe er die Klägerin als „Schlampe” und „Hure” bezeichnet. Zudem habe er ihr gedroht, er würde sie fertigmachen, wenn sie nicht die Klappe hielte. Danach habe er mehrmals gegen das Auto getreten; hierdurch seien die Beulen am Kotflügel entstanden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr im Hinblick auf die die geäußerten Beleidigungen ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von wenigstens 600 Euro zustünde.

Die Klägerin beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1658,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, sowie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, dass ihm der Zeuge … den „Stinkefinger” gezeigt habe.

Das Gericht hat die Strafakte der Staatsanwaltschaft Bremen, Aktenzeichen… beigezogen und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.02.2012, Bl.41- 46 der Akte, Bezug genommen.

Die Klage ist dem Beklagten am 24.08.2011 zugestellt worden.

 
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.

Die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß den §§ 823 I, 249 BGB Schadensersatz in Höhe von 1.658,07 Euro fordern; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte das Klägerfahrzeug durch vorsätzlich ausgeführte Tritte beschädigte:

Der Zeuge … berichtete, dass es einen Schaden am Kotflügel gegeben habe. Der Beklagte habe mehrmals auf den Wagen getreten. Die Klägerin habe den Schaden sogleich nach dem Vorfall auf dem Polizeirevier …feststellen lassen. Der Wagen habe vorher keine Schäden an der Fahrerseite aufgewiesen. Im Bereich des Lidl-Marktes habe der Zeuge zuvor eine Bewegung mit der Hand gemacht: Wo fährst Du hin?, weil das Beklagtenfahrzeug plötzlich vor das Klägerfahrzeug gefahren sei.

Der Zeuge … sagte aus, dass der Zeuge … den Stinkefinger gezeigt habe und der Beklagte daraufhin dem Klägerfahrzeug hinterher gefahren sei. Der Beklagte sei dann ausgestiegen. Dann hätten sich der Beklagte und der Zeuge B… laut angeschrien. Der Zeuge … habe den Beklagten dann beiseite genommen und wieder zu seinem Fahrzeug geschickt. Mehr habe der Zeuge nicht in Erinnerung. Dass der Beklagte gegen das Klägerfahrzeug getreten habe, habe der Zeuge nicht wahrgenommen, er habe das Geschehen jedoch nicht die ganze Zeit im Blick gehabt, sondern telefoniert. Er habe den Beklagten dann weggeführt, damit es nicht schlimmer werde.

Das Gericht erachtet die Aussage des Zeugen … für glaubhaft. Der Beklagte war – wie die Verfolgung des Klägerfahrzeugs zeigt – offenbar emotional aufgebracht, weil er sich durch die vorangegangene Handbewegung des Zeugen B… beleidigt fühlte. Dies konnte auch der Zeuge … bestätigen. Unstreitig verfolgte der Beklagte das Klägerfahrzeug, um den Zeugen … wegen der ausgeführten Handbewegung zur Rede zu stellen. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass insofern keine sachliche Diskussion geführt werden sollte. Der Zeuge K… konnte gerade nicht ausschließen, dass es zu den vom Zeugen B… geschilderten Tritten kam, weil er das Geschehen nicht die ganze Zeit im Blick hatte. Der Beklagte war über den nicht aus dem Auto aussteigenden Zeugen B… aber offenbar so aufgebracht, dass er von seinem Freund weggeführt werden musste, um Schlimmeres zu verhindern. Die geschilderten Wut-Tritte erscheinen daher absolut schlüssig.

Das Gericht hat auch keinen Zweifel, dass die Beulen am Klägerfahrzeug – wie vom Zeugen B… geschildert – vorab nicht vorhanden waren und also erst durch die Tritte verursacht wurden. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Klägerin die Beschädigung unmittelbar nach dem Vorfall polizeilich in Augenschein nehmen ließ (Ermittlungsbericht PK D… vom 20.09.2010, Bl. 4 der beigezogenen Ermittlungsakte).

Der Kostenvoranschlag der Firma S… belief sich auf 1658,07 Euro netto.

Der Geschädigte darf die erforderlichen Reparaturkosten fiktiv auf Gutachtenbasis berechnen lassen. Die nach den Preisen einer Fachwerkstatt geschätzten Kosten sind auch dann zu ersetzen, wenn die Reparatur von einer „freien Werkstatt”, vom Geschädigten selbst oder überhaupt nicht ausgeführt worden sind (BGH NJW 1975, 160; 2003, 2086; Palandt 71.A., § 249 Rn. 14).

Der „Kostenvoranschlag” der gerichtsbekannten Firma S… entspricht den Anforderungen, die an ein Kostengutachten zu stellen sind. Die einzelnen Schadenspositionen („V.L.”) werden konkret aufgeführt und erscheinen plausibel. Zwar wurde der Kostenvoranschlag erst 2 Monate nach dem Vorfall gefertigt. Im Tathergangsbericht (Bl. 4 der Ermittlungsakte) heißt es jedoch korrespondierend: Kotflügel vorne links und die Fahrertür weisen starke Beschädigungen auf.

Der Schaden ist mithin auf einen Betrag von 1.658,07 € zu schätzen (§ 287 ZPO); ob der Wagen in Mazedonien tatsächlich kostengünstiger repariert wurde, ist unerheblich.

Ein Abzug neu für alt ist bei Beseitigung eines Blechschadens nicht angezeigt.

II.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 €.

Die Bezeichnungen „Schlampe” und „Hure” begründen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG einen Schmerzensgeldanspruch der geschädigten Klägerin.

Das Rechtsgut der Ehre, bzw. das Rechtsgut des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wird in dem seit dem 01.08.2002 in Kraft getretenen § 253 II BGB nicht genannt, obgleich bereits vor der Schuldrechtsreform § 847 BGB a.F. in analoger Anwendung als Anspruchsgrundlage für einen Schmerzensgeldanspruch im Fall der Beleidigung bemüht wurde. Eine analoge Anwendung des § 253 II BGB scheidet mangels planwidriger Regelungslücke mithin aus.

Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG soll ein Schmerzensgeldanspruch im Fall der Beleidigung jedoch unmittelbar aus Art. 1, 2 GG folgen (BVerfG, NJW 2004, 2371). Zu fordern sei eine schwer wiegende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hierbei sind insbesondere Anlass und Beweggrund des Handelnden zu würdigen.

Die obergerichtliche Rechtsprechung der Zivilgerichte, die Art. 1, 2 GG als Anspruchsgrundlage für Schmerzensgeldansprüche im Fall der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts heranzieht (BGH NJW 1996, 985; vgl. Palandt, 71. A., § 253, Rn. 10 m.w.N.) und die das BVerfG in seiner o.g. Entscheidung zitiert, bezieht sich nicht auf alltägliche Beleidigungen. Vielmehr handelt es sich um die sogenannte Caroline von Monaco Rechtsprechung und deren Weiterentwicklung bzw. um Sachverhalte presserechtlicher Art. Die BGH-Rechtsprechung diente seinerzeit der Disziplinierung der sog. Regenbogenpresse, da Unterlassungs- und Widerrufsansprüche der Geschädigten in der Praxis keine Wirkung zeigten und eine gewinnorientierte Verbreitung privater Inhalte nicht unterbinden konnten.

Die Notwendigkeit einer zusätzlichen zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeit (Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes) ist im Fall der Beleidigung dagegen nicht in vergleichbarer Weise gegeben. Denn die Bezeichnung Hure und Schlampe stellt eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar, die auf Antrag der Geschädigten strafrechtlich verfolgt und gegebenenfalls bestraft würde.

Unter Juris findet sich lediglich eine einschlägige Entscheidung des Amtsgericht Böblingen, welches in einem Fall extremer Beleidigung Schmerzensgeld zusprach (Urteil vom 16.11.2006, 3 C 1899/06).

Ansonsten wird Schmerzensgeld im Fall strafbarer Beleidigungen nur ausgeurteilt, sofern der Geschädigte aufgrund der Beleidigung psychische Störungen erleidet (vgl. z.B. Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.10.2005, 6 Sa 2132/03-Juris, AE 2006, 258).

Eine Ausnahme bildet die neuere Entscheidung des OLG Frankfurt, NJW.RR 2010, 403. Das Gericht sprach Schmerzensgeld aufgrund wiederholter Beleidigungen zu, führte jedoch aus: „[…] Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich nicht um eine einmalige, aus dem Affekt heraus begangene Beleidigung handelt. […] Auch wenn eine einzelne Beleidigung innerhalb einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung noch nicht geeignet sein dürfte, eine Geldentschädigung nach sich zu führen, so kann sich doch eine wiederholte Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung kumulieren […]”.

Die Klägerin hat nicht darlegt, dass sie durch die behaupteten Beleidigungen in psychischer oder psychisch-somatischer Weise beeinträchtigt wurde und insofern das in § 253 II BGB genannte Rechtsgut der Gesundheit betroffen wurde.

In Fällen, in denen das Wohlbefinden des Verletzten nur kurzfristig und unerheblich beeinträchtigt wird, entfällt unter Umständen ein Schmerzensgeldanspruch (BGH NJW 1992,1043; Palandt, 71. A., § 253 Rn. 14). Dies soll selbst bei Verursachung einer geringfügigen Platz- oder Schürfwunde gelten (BGH NJW 1993, 2173). Dass im Straßenverkehr bedauerlicherweise häufig geäußerten Schmähbezeichnungen bei den Betroffenen einen darüber hinaus gehenden Schmerz bewirken, kann ohne Weiteres nicht angenommen werden.

Das BVerfG hat in seiner o.g. Entscheidung jedoch ausgeführt, dass die Gerichte bei der Anwendung der Tatbestandsmerkmale die Fundierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Würde des Menschen zu beachten haben.

Nach Auffassung des Gerichts führt aus den o.g. Gründen jedoch nicht jede Beleidigung im Sinne des § 185 StGB automatisch zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Da die Grundrechte gegen den Staat gerichtete Abwehrrechte sind, kann ein Schmerzensgeld mangels einfach gesetzlicher Anspruchsgrundlage nur in den Ausnahmefällen in Betracht kommen, in denen dies die Menschenwürdegarantie und der entsprechende Schutzauftrag des Staates ausnahmsweise gebieten.

Im vorliegenden Fall ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung des APR infolge einer Beleidigung im Straßenverkehr jedoch ausnahmsweise gegeben:

Der Zeuge B… räumte ein, dass er das Beklagtenfahrzeug zuvor angehupt und jedenfalls eine Handbewegung gemacht habe. Der Zeuge K… sagte aus, dass der Zeuge B… tatsächlich den sog. Stinkefinger gezeigt habe. Nachdem der Beklagte aus dem Wagen ausgestiegen sei, hätten sich der Zeuge B… und der Beklagte gegenseitig angeschrien. Der Zeuge B… sagte aus, dass der Beklagte ihn selbst als Hurensohn und auch die Klägerin als Hure und Schlampe bezeichnet habe.

Das Gericht erachtet es demnach für erwiesen, dass der Beklagte die Klägerin tatsächlich als „Hure” und „Schlampe” beschimpfte. Die Aussage des Zeugen B… ist auch deshalb glaubhaft, weil der Beklagte offenbar emotional hochgradig erregt war und die streitgegenständliche Wortwahl insofern plausibel erscheint. Der Zeuge K… sagte zwar aus, dass er keine Beleidigungen wahrgenommen habe. Er räumte aber ein, dass er nicht verstanden habe, was die Männer gesagt hätten.

Gleichzeitig erachtet das Gericht es als erwiesen, dass dem Beklagten zuvor der sogenannte Stinkefinger (gestreckter Mittelfinger) gezeigt wurde. Der Zeuge B… räumte eine vage Handbewegung selbst ein. Die Verfolgung des Klägerfahrzeugs und anschließende Gestellung des Zeugen B… wird so auch erst nachvollziehbar.

Die Beleidigungen des Beklagten sind zwar aus Anlass einer eskalierenden Auseinandersetzung im Straßenverkehr begangen worden. Auch sind die Beleidigungen des Beklagten im Affekt und nicht vor einer Öffentlichkeit geäußert worden.

Die Beklagte war an dieser Auseinandersetzung als Beifahrerin jedoch gänzlich unbeteiligt. Sie wurde durch die diffamierenden Äußerungen als Frau herabgewürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt (so: BVerfG a.a.O. für Bezeichnung „Hure” auf Anrufbeantworter).

Aus den o.g. Gründen erachtet das Gericht die Zubilligung eines maßvollen Schmerzensgeldes in Höhe von 100,00 € für angemessen aber auch ausreichend.

III.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 291, 288 I BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709, 711 ZPO.

Die Berufung war zugunsten der Klägerin ausnahmsweise zuzulassen. Die Frage, ob und in welchem Umfang aus Art. 1, 2 GG im Fall der Beleidigung ein Schmerzensgeldanspruch folgt, hat angesichts der dogmatischen und verfassungsrechtlichen Problematik grundsätzliche Bedeutung.

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Bremen Urteil, 29. März 2012 - 9 C 306/11

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Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 26,39 EUR freizustellen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des schriftlichen Sachverständigengutachtens trägt die Klägerin. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 1.000 EUR

Tatbestand

 
Die klagende Polizeimeisterin verlangt vom Beklagten Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Am 19.07.2005 widersetzte sich der damals 20-jährige Beklagte in angetrunkenem Zustand einer polizeilichen Kontrolle wegen vorausgegangenen Randalierens. Im Verlauf der Festnahme und danach auf dem Polizeirevier S. bedachte der Beklagte die insoweit tätige Klägerin, eine damals 25-jährige Polizeimeisterin, teilweise zusammen mit ihren Kollegen, mit den folgenden und weiteren, sinngleichen Äußerungen, die er durch entsprechende Hüftbewegungen unterstützte:
- „Hure, Nutte, Schlampe“
- „Ich fick euch alle, ich mach euch kalt, ihr Drecksbullen, ich fick eure Mutter, ihr dreckigen Bullen.“
- „Ich kenne dein Gesicht, du Schlampe, ich mach dich draußen kalt.“
- „ Votze , Schlampe, Hure, ich fick dich schön tief in den Arsch.“
- „Bevor ich dich kalt mache, sollst du mir zuschauen, wie ich dich langsam und tief in den Arsch ficke.“
- „Ich fick dich dann tot.“
Die Klägerin behauptet, sie sei durch diese massiven Beleidigungen und Bedrohungen als Polizistin, aber auch als Privatperson zutiefst in ihrer Ehre verletzt worden. Die Äußerungen hätten bei ihr Ekel und Übelkeit hervorgerufen. Sie sei deswegen bis heute verängstigt.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 sowie weitere 76,91 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 zu bezahlen.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Er behauptet, er habe alkoholbedingt so gut wie keine Erinnerung mehr an den Vorgang, weil er vor dem Vorfall zusammen mit anderen Jugendlichen bzw. Heranwachsenden eine Flasche Wodka konsumiert habe. Er verweist auf die schriftliche Entschuldigung, die während des Ermittlungsverfahrens gegen ihn abgegeben wurde, und ist der Meinung, es fehle an der nötigen Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung; derartige Beleidigungen müssten Polizisten eben hinnehmen können. Er trägt weiter vor, er sei bei der Festnahme u.a. durch die Klägerin geschlagen worden, was ihm in Verbindung mit einer bestehenden Schulterverletzung erhebliche Schmerzen bereitet und ihn daher zu solchen Reaktionen gebracht habe.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2006 (Bl. 23/24 d.A.) und 13.03.2007 (Bl. 82/83 d.A.) verwiesen. Der Beklagte ist wegen der streitgegenständlichen Vorfälle vom Amtsgericht Böblingen - Jugendschöffengericht - unter Aktenzeichen 5 Ls 45 Js 80764/05 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Bedrohung und Sachbeschädigung HW inzwischen rechtskräftig zu einer 6-monatigen Jugendstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafakten waren zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Klägerin hat nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 185 StGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG Anspruch auf Geldentschädigung wegen der vom Beklagten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der vom Beklagten letztlich unstreitig gestellte äußere Sachverhalt nach Darstellung der Klägerseite rechtfertigt die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin unter Berücksichtigung des objektiven Angriffs und des subjektiven Verschuldens auf Seiten des Beklagten.
17 
1. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine „einfache“, aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizistenbeleidigung handelt wie z.B. die Betitelung als „ Scheissbulle “, die nicht notwendigerweise zu einem Geldentschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen muss, zeigt sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär sind. Es zeigt sich weiter an der Wiederholung und Dauer der Äußerungen, die der Beklagte nicht nur bei der Festnahme in der Öffentlichkeit, sondern auch nach der Zäsur durch die Verbringung aufs Polizeirevier und die dadurch zwangsläufig eintretende „Denkpause“ begangen hat. Daraus wird deutlich, dass es dem Beklagten darum ging, der gegen ihn angewendete Polizeigewalt das entgegenzusetzen, was ihm alleine blieb, nämlich die diensttuenden Polizeibeamten wenn schon nicht körperlich, dann wenigstens in der Ehre zu treffen. Dabei hatte sich der Beklagte unter den Anwesenden die junge Polizeimeisterin, eine Frau, als am leichtesten zu treffendes Opfer herausgesucht. Die Äußerungen lassen eindeutig erkennen, dass der Beklagte die Klägerin nicht allein in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin treffen wollte, sondern in ihrer Ehre als Frau, indem er sie gleichsam verbal auszog, um sie vor den Augen der Zuschauer und Zuhörer am Ort der Festnahme und auf dem Polizeirevier durch fiktive sexuelle Handlungen so weit wie möglich zu erniedrigen, zum bloßen Objekt seiner Befriedigung zu machen und sie sogar fiktiv zu vernichten, wie er mehrmals deutlich machte.
18 
In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn in ihnen manifestiert sich der Ausdruck abgrundtiefer Verachtung. Die anzunehmende alkoholbedingte Enthemmung, die vorgelegen haben dürfte, schließt die Annahme einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung keinesfalls aus. Maßgeblich ist, ob der Beklagte erkennen konnte, was er mit seinen Taten anrichtete, und davon geht das Gericht aus, da es dem Beklagten ja gerade um die Erniedrigung der Klägerin ging.
19 
Zu einer solchen Vorgehensweise gehört auch eine besondere Rohheit und Gefühllosigkeit, die die Annahme schweren Verschuldens rechtfertigt. Ein Fall des Ausschlusses oder der Minderung der Verantwortlichkeit nach § 827 BGB liegt nicht vor, weil zivilrechtlich insofern nur Zustände eine Rolle spielen würden, die einer die freie Willensbildung ausschließenden krankhaften Störung vergleichbar sind. Der gemeinsame Konsum einer Falsch Wodka mit mehreren anderen Jugendlichen rechtfertigt eine solche Annahme jedenfalls nicht, und ein Schuldausschluss ist auch bei der Verurteilung des Beklagten durch das Jugendschöffengericht nicht angenommen worden. Eine zunächst vorliegende Alkoholisierung mag die Vorgänge im direkten Zusammenhang mit der Festnahme als weniger gravierend und irgendwie erklärlich erscheinen lassen. Dass der Beklagte aber auch danach, bereits auf der Polizeiwache und sogar noch in der Zelle die Klägerin immer wieder verbal attackiert hat, hat nach Überzeugung des Gerichts nichts mit einer rauschhaften Fehlreaktion zu tun, sondern mit gezielten, von niedrigen Beweggründen wie Ärger und Rache geleiteten „Tiefschlägen“ zum Nachteil der Klägerin.
20 
Andere Abwehrmöglichkeiten, die eine Geldentschädigung überflüssig machen würden, bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht.
21 
2. Die Taten bewirkten bei der Klägerin eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu. Das Gericht glaubt der Klägerin aufgrund ihrer ruhigen und sachlichen Schilderung in der mündlichen Verhandlung, dass sie als Person tief getroffen und verletzt war. Aus ihren Angaben ist auch glaubhaft, dass sie bis heute immer wieder unfreiwillig an die Vorgänge mit dem Beklagten zurückdenken muss. Die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben hat auch die psychologische Sachverständige bestätigt.
22 
Mehr ist aber auch nicht passiert. Nach dem Ergebnis des überaus sorgfältig erstellten Gutachtens der Sachverständigen Reichwald ist der 19.07.2005 für die Klägerin ohne eine bleibende psychische Folgestörung geblieben. Vielmehr hat die eingehende Untersuchung ergeben, dass die Klägerin durch ihre stabile seelische und emotionale Verfassung - die sie für ihren Beruf sehr geeignet macht - in der Lage war, die Vorgänge angemessen zu verarbeiten, so dass auch in Zukunft keine langfristigen Störungen zu erwarten sind.
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3. Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung berücksichtigt das Gericht zu Gunsten der Klägerin die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Klägerin seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprechen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermittlungsverfahren bei der Klägerin entschuldigt hat und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwicklungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugendstrafrecht bewogen hat und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung, schließlich auch, dass die Herabsetzungen im Wesentlichen von Kollegen der Klägerin wahrgenommen werden konnten, deren Achtung vor der Klägerin nicht schon durch Obszönitäten eines betrunkenen Randalierers in Frage gestellt werden konnte. Insofern erscheint eine Geldentschädigung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizistenbeleidigungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. z.B. LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Denn das Gericht ist der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, „greifbaren“ Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar sind und keine mildere Behandlung rechtfertigen. Andererseits muss die Geldentschädigung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.
24 
4. Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann nur Freistellung verlangt werden, weil die Bezahlung dieser Kosten an den Klägervertreter nicht vorgetragen sind, was als (kostenmäßig nicht ins Gewicht fallendes ) Minus gegenüber dem Zahlungsantrag anzusehen und insoweit zuzusprechen war.
25 
5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO unter besonderer Berücksichtigung von Abs. 2 Nr. 2 (Ermessenspielraum). Das Gericht hat von der Möglichkeit der Kostentrennung nach § 96 ZPO Gebrauch gemacht, weil das allein wegen der behaupteten langfristigen Folgen der Angriffe eingeholte, teure Gutachten die Behauptungen der Klägerin nicht bestätigt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe

 
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Die Klägerin hat nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 185 StGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG Anspruch auf Geldentschädigung wegen der vom Beklagten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der vom Beklagten letztlich unstreitig gestellte äußere Sachverhalt nach Darstellung der Klägerseite rechtfertigt die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin unter Berücksichtigung des objektiven Angriffs und des subjektiven Verschuldens auf Seiten des Beklagten.
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1. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine „einfache“, aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizistenbeleidigung handelt wie z.B. die Betitelung als „ Scheissbulle “, die nicht notwendigerweise zu einem Geldentschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen muss, zeigt sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär sind. Es zeigt sich weiter an der Wiederholung und Dauer der Äußerungen, die der Beklagte nicht nur bei der Festnahme in der Öffentlichkeit, sondern auch nach der Zäsur durch die Verbringung aufs Polizeirevier und die dadurch zwangsläufig eintretende „Denkpause“ begangen hat. Daraus wird deutlich, dass es dem Beklagten darum ging, der gegen ihn angewendete Polizeigewalt das entgegenzusetzen, was ihm alleine blieb, nämlich die diensttuenden Polizeibeamten wenn schon nicht körperlich, dann wenigstens in der Ehre zu treffen. Dabei hatte sich der Beklagte unter den Anwesenden die junge Polizeimeisterin, eine Frau, als am leichtesten zu treffendes Opfer herausgesucht. Die Äußerungen lassen eindeutig erkennen, dass der Beklagte die Klägerin nicht allein in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin treffen wollte, sondern in ihrer Ehre als Frau, indem er sie gleichsam verbal auszog, um sie vor den Augen der Zuschauer und Zuhörer am Ort der Festnahme und auf dem Polizeirevier durch fiktive sexuelle Handlungen so weit wie möglich zu erniedrigen, zum bloßen Objekt seiner Befriedigung zu machen und sie sogar fiktiv zu vernichten, wie er mehrmals deutlich machte.
18 
In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn in ihnen manifestiert sich der Ausdruck abgrundtiefer Verachtung. Die anzunehmende alkoholbedingte Enthemmung, die vorgelegen haben dürfte, schließt die Annahme einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung keinesfalls aus. Maßgeblich ist, ob der Beklagte erkennen konnte, was er mit seinen Taten anrichtete, und davon geht das Gericht aus, da es dem Beklagten ja gerade um die Erniedrigung der Klägerin ging.
19 
Zu einer solchen Vorgehensweise gehört auch eine besondere Rohheit und Gefühllosigkeit, die die Annahme schweren Verschuldens rechtfertigt. Ein Fall des Ausschlusses oder der Minderung der Verantwortlichkeit nach § 827 BGB liegt nicht vor, weil zivilrechtlich insofern nur Zustände eine Rolle spielen würden, die einer die freie Willensbildung ausschließenden krankhaften Störung vergleichbar sind. Der gemeinsame Konsum einer Falsch Wodka mit mehreren anderen Jugendlichen rechtfertigt eine solche Annahme jedenfalls nicht, und ein Schuldausschluss ist auch bei der Verurteilung des Beklagten durch das Jugendschöffengericht nicht angenommen worden. Eine zunächst vorliegende Alkoholisierung mag die Vorgänge im direkten Zusammenhang mit der Festnahme als weniger gravierend und irgendwie erklärlich erscheinen lassen. Dass der Beklagte aber auch danach, bereits auf der Polizeiwache und sogar noch in der Zelle die Klägerin immer wieder verbal attackiert hat, hat nach Überzeugung des Gerichts nichts mit einer rauschhaften Fehlreaktion zu tun, sondern mit gezielten, von niedrigen Beweggründen wie Ärger und Rache geleiteten „Tiefschlägen“ zum Nachteil der Klägerin.
20 
Andere Abwehrmöglichkeiten, die eine Geldentschädigung überflüssig machen würden, bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht.
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2. Die Taten bewirkten bei der Klägerin eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu. Das Gericht glaubt der Klägerin aufgrund ihrer ruhigen und sachlichen Schilderung in der mündlichen Verhandlung, dass sie als Person tief getroffen und verletzt war. Aus ihren Angaben ist auch glaubhaft, dass sie bis heute immer wieder unfreiwillig an die Vorgänge mit dem Beklagten zurückdenken muss. Die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben hat auch die psychologische Sachverständige bestätigt.
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Mehr ist aber auch nicht passiert. Nach dem Ergebnis des überaus sorgfältig erstellten Gutachtens der Sachverständigen Reichwald ist der 19.07.2005 für die Klägerin ohne eine bleibende psychische Folgestörung geblieben. Vielmehr hat die eingehende Untersuchung ergeben, dass die Klägerin durch ihre stabile seelische und emotionale Verfassung - die sie für ihren Beruf sehr geeignet macht - in der Lage war, die Vorgänge angemessen zu verarbeiten, so dass auch in Zukunft keine langfristigen Störungen zu erwarten sind.
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3. Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung berücksichtigt das Gericht zu Gunsten der Klägerin die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Klägerin seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprechen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermittlungsverfahren bei der Klägerin entschuldigt hat und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwicklungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugendstrafrecht bewogen hat und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung, schließlich auch, dass die Herabsetzungen im Wesentlichen von Kollegen der Klägerin wahrgenommen werden konnten, deren Achtung vor der Klägerin nicht schon durch Obszönitäten eines betrunkenen Randalierers in Frage gestellt werden konnte. Insofern erscheint eine Geldentschädigung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizistenbeleidigungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. z.B. LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Denn das Gericht ist der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, „greifbaren“ Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar sind und keine mildere Behandlung rechtfertigen. Andererseits muss die Geldentschädigung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.
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4. Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann nur Freistellung verlangt werden, weil die Bezahlung dieser Kosten an den Klägervertreter nicht vorgetragen sind, was als (kostenmäßig nicht ins Gewicht fallendes ) Minus gegenüber dem Zahlungsantrag anzusehen und insoweit zuzusprechen war.
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5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO unter besonderer Berücksichtigung von Abs. 2 Nr. 2 (Ermessenspielraum). Das Gericht hat von der Möglichkeit der Kostentrennung nach § 96 ZPO Gebrauch gemacht, weil das allein wegen der behaupteten langfristigen Folgen der Angriffe eingeholte, teure Gutachten die Behauptungen der Klägerin nicht bestätigt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.