Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Sept. 2016 - 4 AZR 1006/13

ECLI:ECLI:DE:BAG:2016:140916.U.4AZR1006.13.0
bei uns veröffentlicht am14.09.2016

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. November 2013 - 17 Sa 344/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach dem Endwert ihrer Vergütungsgruppe und sich daraus ergebende Vergütungsdifferenzansprüche.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 2003 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 12. November 2002 bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als Fachkraft Fluggastdienste tätig. Nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils gültigen Tarifverträge Anwendung.

3

Bis zum 28. Februar 2011 war die Klägerin im Bereich der Fluggastdienste als Professional Service 1 tätig und erhielt zuletzt eine Vergütung gemäß Vergütungsgruppe C Endwert des Vergütungstarifvertrags Nr. 3 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 3). Aufgrund einer Vereinbarung mit der Beklagten war im Jahr 2011 die Arbeitszeit der Klägerin befristet reduziert. Auf ihre Bewerbung wurde sie mit Wirkung ab dem 1. März 2011 auf eine Position als Basic Operations 2 unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe B Endwert versetzt. Aufgrund einer weiteren Bewerbung erfolgte mit Wirkung ab dem 22. August 2011 eine weitere Versetzung auf die Position Professional Operations 1 und eine Umgruppierung in die Vergütungsgruppe C. Nach Protest der Klägerin verzichtete die Beklagte auf die Einarbeitungszeit von sechs Monaten. Die Klägerin erhielt ab dem 22. August 2011 eine monatliche Vergütung iHv. 1.757,96 Euro brutto, was - unter Berücksichtigung des Teilzeitfaktors - dem um den Umgruppierungsbetrag der Vergütungsgruppe C erhöhten Endwert der Vergütungsgruppe B entsprach. Nachdem die Klägerin ab dem 1. Januar 2012 wieder in Vollzeit tätig war, erhielt sie eine monatliche Grundvergütung iHv. 2.261,57 Euro.

4

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Wesentlichen für den Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2012 - einschließlich des Weihnachtsgelds 2012 - die Zahlung der Differenz zwischen der von der Beklagten gezahlten monatlichen Vergütung und einer Vergütung nach der Endstufe der Vergütungsgruppe C. Sie hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag honoriere die tatsächlichen Beschäftigungszeiten und nicht die Berufserfahrung auf einer bestimmten Stelle. Er sei im Übrigen lückenhaft und regele nur die Fälle, in denen Arbeitnehmer in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert seien. Unberücksichtigt blieben die Arbeitnehmer, die bereits einen Besitzstand in Form von Stufensteigerungen in einer höheren Vergütungsgruppe erworben hätten und nach zwischenzeitlicher Tätigkeit in einer niedrigeren Vergütungsgruppe wieder in diese Vergütungsgruppe zurückkehrten. Insoweit sei der Tarifvertrag unter Rückgriff auf die Regelung für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ergänzend auszulegen.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.117,04 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmtem Umfang und zeitlicher Staffelung zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Vergütungsabrechnung über die für die Monate August 2011 bis Dezember 2012 nachzuzahlende Vergütung zu erteilen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 3 zu vergüten, sowie ab dem 1. Januar 2012 bis zum 31. Januar 2013 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 4.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe keine Vergütung nach der Endstufe der Vergütungsgruppe C zu. Die tariflichen Regelungen enthielten keine unbewusste Regelungslücke. Den Tarifvertragsparteien sei der Fall einer Rückkehr in eine höhere Vergütungsgruppe bekannt gewesen. Im Übrigen könnte sie auch nicht von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für deren Schließung vorlägen. Im Übrigen seien die Tätigkeiten Professional Service 1 und Professional Operations 1 grundverschieden.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sowohl die Vergütungsansprüche der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum einschließlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2012 vollständig erfüllt sind, als auch kein Anspruch auf Abrechnung besteht.

9

I. Der (Zwischen-)Feststellungsantrag zu 3. ist, soweit er den Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2012 betrifft, unzulässig, da er nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 2 ZPO genügt.

10

Die Klägerin hat für den ausdrücklich auf § 256 Abs. 2 ZPO gestützten Antrag kein Rechtsschutzinteresse dargetan. Insbesondere hat sie nicht aufgezeigt, für welche möglichen, denkbaren Folgerechtsstreitigkeiten die begehrte Feststellung von Bedeutung sein könnte (zu den Anforderungen an einen Antrag nach § 256 Abs. 2 ZPO, vgl. BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 17 mwN; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 20, BAGE 124, 240). Solche sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere würde aus der begehrten Feststellung nicht folgen, dass der Vergütungsanspruch auch über den Zeitraum hinaus besteht, auf den sich die Zwischenfeststellungsklage bezieht (vgl. zur Rechtskraftwirkung der Zwischenfeststellungsklage BAG 21. Oktober 2015 - 4 AZR 663/14 - Rn. 19 mwN). Gegenstand der Feststellung ist nur die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin vom 22. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 3, sowie ab dem 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 4 zu vergüten.

11

II. Im Übrigen sind die zulässigen Anträge unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 3 bzw. Nr. 4 nebst Abrechnung.

12

1. Die aufgrund vertraglicher Bezugnahme zur Anwendung kommenden Tarifverträge der Beklagten enthalten folgende Regelungen.

13

a) In dem Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal idF vom 1. Januar 2007 (MTV Nr. 14) war ua. vereinbart:

        

§ 13 Anspruch auf Vergütung

        

(1)     

Der Mitarbeiter hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung.

        

(2)     

Als Vergütung werden eine Grundvergütung und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, folgende Aufschläge gezahlt:

        

…       

        

(3)     

Der Mitarbeiter, dessen Beschäftigungsverhältnis nicht den ganzen Monat hindurch bestand, erhält eine nach Kalendertagen bemessene Vergütung, wobei für jeden Kalendertag des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses der 30. Teil der monatlichen Vergütung zugrunde zu legen ist, höchstens 30/30 der Vergütung.

        

…       

        

§ 14 Grundvergütung

        

(1)     

Die Grundvergütung wird, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, nach dem Wert der Leistung bemessen. Zu diesem Zweck ist jeder vom Tarifvertrag erfasste Mitarbeiter in eine Vergütungsgruppe einzuordnen.

        

(2)     

Grundlage für die Eingruppierung des Mitarbeiters sind die Vorgaben des TV VS, die in der Bewertung des einzelnen Arbeitsplatzes ihren Niederschlag finden. Dabei geben für die Bewertung diejenigen Einzelaufgaben den Ausschlag, die im Rahmen der Gesamtaufgabenstellung des Arbeitsplatzes überwiegen.

        

…       

        

§ 30 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

        

(1)     

Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages eventuell zustehender Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung (Grundvergütung zzgl. eventueller Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen).

        

…       

        

(4)     

Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das Weihnachtsgeld mit der Novembervergütung gezahlt.“

14

b) Der Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH (TV VS), gültig ab dem 1. Dezember 2005, beinhaltet ua. folgende Regelungen:

        

§ 2   

Eingruppierung

        

Die Eingruppierung erfolgt tätigkeitsbezogen über die Tätigkeitsmerkmale in die zutreffende Vergütungsgruppe gem. § 4. Maßgebend ist dabei das konkrete Tätigkeitsprofil des Arbeitsplatzes, wobei die Erfüllung der Qualifikationsanforderungen des Arbeitsplatzes Voraussetzung ist. Die jeweilige Vergütung ergibt sich aus dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

                 
                 
        

§ 3     

Einarbeitungszeitraum

        

(1) Bei Einstellung wird der Mitarbeiter in die zutreffende Vergütungsgruppe eingruppiert und absolviert zunächst eine sechsmonatige Einarbeitungszeit (bzw. eine aufgrund gesetzlicher Vorgaben ggf. längere Einarbeitungszeit). In besonderen Fällen kann eine längere individuelle Einarbeitungszeit vereinbart werden. Bei Einstellung ohne anrechnungsfähige Berufserfahrung wird der Eingangsbetrag der zutreffenden Vergütungsgruppe, abzüglich des für diese Gruppe geltenden Umgruppierungsbetrages gewährt. Nach Ablauf der Einarbeitungszeit erhält der Mitarbeiter den Eingangsbetrag dieser Vergütungsgruppe.

        

(2) Absatz 1 gilt nicht für Mitarbeiter der Gruppe A. Für Mitarbeiter der Vergütungsgruppe B gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die Einarbeitungszeit drei Monate beträgt.

        

(3) Bei einem Arbeitsplatzwechsel in eine höherwertige Tätigkeit wird der Mitarbeiter in die neue zutreffende Vergütungsgruppe mit der Maßgabe eingruppiert, dass der Umgruppierungsbetrag erst nach einer Einarbeitungszeit entsprechend Abs. (1) und (2) gewährt wird; mindestens jedoch wird der um den Umgruppierungsbetrag gekürzte Eingangsbetrag gewährt.“

15

c) Der Vergütungstarifvertrag Nr. 3 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 3), gültig ab dem 1. Juni 2008, idF vom 7. Juli 2010 enthielt ua. folgende Regelungen:

        

§ 2   

Grundvergütung

        

(1)     

Bei ihrer Einstellung erhalten die Mitarbeiter mit einer durchschnittlichen Grundarbeitszeit gemäß § 5 Abs. (1) MTV bzw. § 5 Abs. (1) MTV NBL - nach Ablauf der vorgesehenen Einarbeitungszeit (§ 3 TV VS) - eine Grundvergütung entsprechend der Vergütungsgruppe der nachfolgenden Tabelle:

        

…       

        
        

(2)     

Die Grundvergütung steigt mit Vollendung von jeweils zwei Beschäftigungsjahren um einen Steigerungsbetrag (siehe Protokollnotiz I), höchstens jedoch bis zum Endwert der jeweiligen Vergütungsgruppe. Das Beschäftigungsjahr gilt als vollendet mit dem Ersten des Einstellungsmonats im Folgejahr, in den der festgesetzte Beginn der Beschäftigung fällt.

        

(3)     

Beschäftigungszeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ununterbrochen länger als drei Monate ruht (unbezahlter Urlaub, Familienzeit gemäß Betriebsvereinbarung, gesetzliche Elternzeit), bleiben bei den Stufensteigerungen unberücksichtigt.

                 

Bei unbezahltem Sonderurlaub ab 365 Tagen gilt die gesamte Zeit des Sonderurlaubs nicht als Beschäftigungszeit.

                 

Die vorstehende Regelung findet keine Anwendung sofern und soweit das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund der gesetzlich geregelten Elternzeit bereits zum Stichtag 1. Dezember 2005 eingetreten ist.

        

(4)     

Wird der Mitarbeiter in eine höhere Vergütungsgruppe umgruppiert, erhöht sich die bisherige Grundvergütung nach Maßgabe der §§ 2 und 3 des Tarifvertrag Vergütungssystem Boden (TV VS) um den Umgruppierungsbetrag der neuen Vergütungsgruppe, mindestens auf den Eingangswert der neuen Vergütungsgruppe.

        

…“    

        
16

d) Der Vergütungstarifvertrag Nr. 4 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 4) löste den VTV Nr. 3 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 ab und galt bis zum 31. Januar 2013. Mit Ausnahme der Tabellenwerte in § 2 Abs. 1 enthielt der VTV Nr. 4 die wortgleichen Regelungen wie der VTV Nr. 3. Die Protokollnotiz I bestimmte in beiden Tarifverträgen:

        

„…    

        
        

(2)     

Im Falle einer Rückgruppierung vermindert sich die bisherige Grundvergütung um den Umgruppierungsbetrag der bisherigen Vergütungsgruppe bzw., soweit der daraus errechnete Betrag über dem Endwert der neuen Vergütungsgruppe liegt auf den Endwert dieser Vergütungsgruppe.“

17

2. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren Zahlungsansprüche. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Vergütungsansprüche der Klägerin nach §§ 13, 14 MTV Nr. 14 einschließlich des Anspruchs auf Weihnachtsgeld nach § 30 MTV Nr. 14 vollständig erfüllt sind 362 BGB).

18

Die Klägerin hatte mit der Aufnahme der Tätigkeit als Professional Operations 1 gemäß § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3 nur einen Anspruch auf Zahlung des um den Umgruppierungsbetrag der Vergütungsgruppe C erhöhten Endwerts der Vergütungsgruppe B und keinen Anspruch auf Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C VTV Nr. 3. Entgegen der Ansicht der Revision ist eine ergänzende Auslegung des VTV Nr. 3 ausgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der VTV Nr. 3 im Hinblick auf die Bemessung der Grundvergütung bei Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe nicht lückenhaft war.

19

a) Die Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe war in § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3 geregelt. Danach erhöhte sich die bisherige Grundvergütung nach Maßgabe der §§ 2 und 3 des TV VS um den Umgruppierungsbetrag der neuen Vergütungsgruppe, mindestens auf den Eingangswert der neuen Vergütungsgruppe. Die Beklagte hat diese tarifliche Regelung zur Anwendung gebracht. Aufgrund ihrer Tätigkeit in Basic Operations 2 erhielt die Klägerin bis zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in Professional Operations 1 am 22. August 2011 eine Vergütung nach Vergütungsgruppe B Endwert. Nach dem Verzicht auf eine Einarbeitungszeit iSd. § 3 Abs. 3 TV VS zahlte die Beklagte ab dem 22. August 2011 eine Vergütung entsprechend dem um den Umgruppierungsbetrag erhöhten Endwert der Vergütungsgruppe B.

20

b) Eine ergänzende Auslegung des VTV Nr. 3 mit der Folge, dass der Klägerin ab dem 22. August 2011 aufgrund ihrer früheren Tätigkeit in Professional Service 1 bis zum 1. März 2011 eine Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C zustand, kommt nicht in Betracht.

21

aa) Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden ( BAG 18. November 2015 - 4 ABR 24/14 - Rn. 30 ff.; 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/1 3 - Rn.  26 jew. mwN; vgl. auch BVerfG 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08  - Rn. 29 , BVerfGK 17, 203 ).

22

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend das Vorliegen einer Tariflücke im Entscheidungsfall verneint. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Sachverhalt abschließend tariflich geregelt.

23

(1) Mit § 2 Abs. 4 haben die Tarifvertragsparteien des VTV Nr. 3 eine Regelung für die Berücksichtigung der in der Vergangenheit erworbenen Steigerungsbeträge bei Höhergruppierungen getroffen. Schon aus der systematischen Stellung in Absatz 4 des § 2 VTV folgt, dass es sich um die gegenüber der allgemeinen Steigerungsregelung in Absatz 1 speziellere Vorschrift handelt. Weder dem Wortlaut noch der Systematik des VTV lässt sich ein Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, diese Regelung in den Fällen der erneuten Höhergruppierung - nach einer berechtigten Herabgruppierung - nicht zur Anwendung zu bringen.

24

(2) Soweit die Revision in der Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts einen Widerspruch zur tariflichen Systematik sieht, macht sie in der Sache lediglich geltend, die Tarifvertragsparteien hätten für die Fälle einer erneuten Höhergruppierung eine Ausnahmeregelung zu § 2 Abs. 4 VTV treffen müssen. Zwar kann eine Regelungslücke auch vorliegen, wenn nur eine teleologische Lücke und keine Textlücke gegeben ist. Eine solche kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn der Normgeber bei der Formulierung einer Vorschrift Sachverhalte unberücksichtigt gelassen hat, die nach dem verfolgten Normzweck und der dem negativen Gleichheitssatz zugrunde liegenden Erwägung, dass Ungleiches ungleich zu behandeln ist, eine Ausnahmeklausel erfordert hätten (sog. Ausnahmelücke; Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie 8. Aufl. Rn. 848; Kramer Juristische Methodenlehre 4. Aufl. S. 199 ff.). Selbst wenn man dies auf die ergänzende Auslegung von Tarifverträgen übertragen würde (dafür etwa Däubler/Däubler TVG 3. Aufl. Einleitung Rn. 527), ist eine solche Lücke in § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3 nicht erkennbar. Auch unter Berücksichtigung des Normzwecks bedurfte es keiner explizierten Ausnahme von der allgemeinen Regelung zur Berücksichtigung von Steigerungsbeträgen bei Höhergruppierungen.

25

(a) Die Tarifvertragsparteien waren nach dem Gleichheitssatz nicht gehalten, für die Fälle der erneuten Höhergruppierung eine Ausnahme in § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3 dahingehend zu regeln, dass - entsprechend der Regelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses - die vor der Rückgruppierung erfolgten Steigerungen nach der erneuten Höhergruppierung wieder Berücksichtigung finden müssten. Schon wegen der zunächst erfolgten Rückgruppierung sind unterschiedliche Sachverhalte gegeben. Die Herabgruppierung stellt einen vergütungsrechtlichen Einschnitt dar (vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 43, BAGE 148, 323). Er bringt nach der Systematik des VTV Nr. 3 das Erfordernis einer erneuten Zuordnung zwischen Eingangswert und Endwert der Vergütungsgruppe mit sich. In diesem Zusammenhang ist es grundsätzlich Aufgabe der Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob der mit einer Herabgruppierung zwangsläufig zu verzeichnende Einkommensverlust durch die Zuordnung teilweise kompensiert oder verstärkt wird. Eine Berücksichtigung der in der höheren Vergütungsgruppe eingetretenen Steigerungen erfolgt nach dem VTV insoweit, als der rückgruppierte Mitarbeiter nach Abs. 2 der Protokollnotiz I eine sich um den Umgruppierungsbetrag der bisherigen Vergütungsgruppe verringerte Grundvergütung - höchstens jedoch den Endwert der niedrigeren Vergütungsgruppe - erhält. Die in der höheren Vergütungsgruppe erzielten Steigerungen sind damit im Rahmen der Herabgruppierung abschließend berücksichtigt.

26

(b) Dagegen spricht auch nicht die unterschiedliche Behandlung zu den Arbeitnehmern in Eltern- und Familienzeit, deren Arbeitsverhältnis ruht (vgl. § 2 Abs. 3 VTV). Die Differenzierung ist durch das Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, grundsätzlich gerechtfertigt. Das Institut der Elternzeit soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern. Es dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern und der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf. Mit der Schaffung dieses Instituts hat der Gesetzgeber der aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsenen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, Rechnung getragen. Die Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, es Eltern gleichermaßen zu ermöglichen, teilweise und/oder zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten, wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Darüber hinaus muss der Staat dafür Sorge tragen, dass die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt sowie dafür, dass eine Rückkehr in die Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach den Zeiten der Kindererziehung ermöglicht wird (BAG 12. April 2016 - 6 AZR 731/13 - Rn. 25 mwN). Auch wenn die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind, steht es ihnen jedenfalls frei, diese grundsätzlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes bei ihrer tariflichen Normsetzung zu berücksichtigen. Soweit § 2 Abs. 3 VTV Nr. 3 bzw. Nr. 4 neben Eltern- und Familienzeit auch Fälle des unbezahlten Urlaubs einschließt, ist dies von der Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Pauschalisierung schon deshalb umfasst, weil der Anlass für ein solches Ruhen häufig ebenfalls anerkennenswerte Gründe haben wird (zB Pflege naher Angehöriger, § 3 PflegeZG).

27

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 108 GewO auf Erteilung der Abrechnung. Es besteht kein Anspruch auf nachzuzahlende Vergütung. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zudem hinsichtlich des Klageantrags zu 2. darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Abrechnung - unabhängig vom Vorliegen einer Tariflücke - gemäß § 108 Abs. 1 GewO vor Zahlung nicht klagbar ist(vgl. BAG 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 - Rn. 32 mwN). Der Anspruch auf Abrechnung besteht erst „bei“ Zahlung des Arbeitsentgelts.

28

4. Soweit der Antrag zu 3. hinsichtlich der begehrten Feststellung für den Monat Januar 2013 zulässig ist, ist er unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin vom 1. bis zum 31. Januar 2013 nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C des VTV Nr. 4 zu vergüten.

29

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Klose    

        

        

        

    Kiefer    

        

    G. Kleinke    

                 

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(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

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(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit). Der Anspruch nach Satz 1 besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten.

(2) Die Beschäftigten haben die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.

(3) Wer Pflegezeit beanspruchen will, muss dies dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Enthält die Ankündigung keine eindeutige Festlegung, ob die oder der Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit nach § 2 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen will, und liegen die Voraussetzungen beider Freistellungsansprüche vor, gilt die Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit. Beansprucht die oder der Beschäftigte nach der Pflegezeit Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes zur Pflege oder Betreuung desselben pflegebedürftigen Angehörigen, muss sich die Familienpflegezeit oder die Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes unmittelbar an die Pflegezeit anschließen. In diesem Fall soll die oder der Beschäftigte möglichst frühzeitig erklären, ob sie oder er Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen wird; abweichend von § 2a Absatz 1 Satz 1 des Familienpflegezeitgesetzes muss die Ankündigung spätestens drei Monate vor Beginn der Familienpflegezeit erfolgen. Wird Pflegezeit nach einer Familienpflegezeit oder einer Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch genommen, ist die Pflegezeit in unmittelbarem Anschluss an die Familienpflegezeit oder die Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes zu beanspruchen; sie ist abweichend von Satz 1 dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn schriftlich anzukündigen.

(4) Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, haben Arbeitgeber und Beschäftigte über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgeber den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

(5) Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung betreuen. Die Inanspruchnahme dieser Freistellung ist jederzeit im Wechsel mit der Freistellung nach Absatz 1 im Rahmen der Gesamtdauer nach § 4 Absatz 1 Satz 4 möglich. Absatz 1 Satz 2 und die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend. Beschäftigte können diesen Anspruch wahlweise statt des Anspruchs auf Pflegezeit nach Absatz 1 geltend machen.

(6) Beschäftigte sind zur Begleitung eines nahen Angehörigen von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn dieser an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt. Beschäftigte haben diese gegenüber dem Arbeitgeber durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen. Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 Satz 1 und 2 und Absatz 4 gelten entsprechend. § 45 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt.

(6a) Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten können bei ihrem Arbeitgeber den Abschluss einer Vereinbarung über eine Pflegezeit nach Absatz 1 Satz 1 oder eine sonstige Freistellung nach Absatz 5 Satz 1 oder Absatz 6 Satz 1 beantragen. Der Arbeitgeber hat den Antrag innerhalb von vier Wochen nach Zugang zu beantworten. Eine Ablehnung des Antrags ist zu begründen. Wird eine Pflegezeit oder sonstige Freistellung nach Satz 1 vereinbart, gelten die Absätze 2, 3 Satz 4 und 6 erster Halbsatz, Absatz 4 Satz 1 sowie Absatz 6 Satz 2 und 4 entsprechend.

(7) Ein Anspruch auf Förderung richtet sich nach den §§ 3, 4, 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie den §§ 6 bis 10 des Familienpflegezeitgesetzes.

(1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.

(2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, das Nähere zum Inhalt und Verfahren einer Entgeltbescheinigung, die zu Zwecken nach dem Sozialgesetzbuch sowie zur Vorlage bei den Sozial- und Familiengerichten verwendet werden kann, durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Besoldungsmitteilungen für Beamte, Richter oder Soldaten, die inhaltlich der Entgeltbescheinigung nach Satz 1 entsprechen, können für die in Satz 1 genannten Zwecke verwendet werden. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber zu anderen Zwecken eine weitere Entgeltbescheinigung verlangen, die sich auf die Angaben nach Absatz 1 beschränkt.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 2013 - 6 Sa 357/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der Kläger war vom 5. März 1998 bis zum 29. November 2013 bei der Beklagten, die neben einem eigenen Produktionsbetrieb auch Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Putzer von Gussteilen beschäftigt. In dem in die Revisionsinstanz gelangten Streitzeitraum - die Jahre 2008 und 2009 - war der Kläger mehrfach der F GmbH & Co. KG (fortan Entleiherin) überlassen und erhielt dabei einen Bruttostundenlohn von 10,00 Euro nebst Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit. Von März bis September 2009 sowie im Dezember 2009 war der Kläger von Kurzarbeit betroffen.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein Formulararbeitsvertrag vom 1. Januar 1999 (im Folgenden AV 1999) zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

„§ 11 Ausschlußfrist

        

(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen wie folgt geltend gemacht werden: Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Abrechnung des Zeitraums, bei dem sie hätten abgerechnet werden müssen; alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

        

(2) Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziffer 1 festgesetzten Frist ist ausgeschlossen.

        

(3) Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so hat der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

        

§ 12 Ergänzende Vorschriften

        

Soweit in diesem Vertrag einzelne Bestimmungen des Manteltarifvertrages einbezogen sind, handelt es sich hierbei um den Manteltarifvertrag für das Metallbauer-Handwerk, das Maschinenbaumechaniker-Handwerk, das Werkzeugmacher-Handwerk, das Dreher-Handwerk, das Feinmechaniker-Handwerk, das Metallformer- und das Metallgießer-Handwerk in Hessen in der jeweils gültigen Fassung. Über die ausdrücklich in diesem Vertrag bezeichneten Bestimmungen hinaus findet der Manteltarifvertrag aber keine Anwendung.“

4

Am 29. Januar 2010 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag (im Folgenden AV 2010), der auszugsweise lautet:

        

㤠2 Anwendung eines Tarifvertrages

        

1. Für diesen Arbeitsvertrag kommen der Manteltarifvertrag, der Entgeltrahmentarifvertrag, der Entgelttarifvertrag und der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen in ihrer jeweiligen gültigen Fassung zur Anwendung. Eine Tarifbindung besteht nicht.

        

…       

        

§ 4 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

        

Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund des zwischen den Vertragsschließenden vereinbarten Arbeitsvertrages vom 05.03.1998 bereits zum 05.03.1998 begonnen. Es ist unbefristet. Zwischen den Vertragsschließenden besteht Einigkeit darüber, dass der vorgenannte Arbeitsvertrag durch die Regelungen dieses Vertrages ersetzt wird.

        

…       

        

§ 23 Besondere Vereinbarungen

        

Zwischen den Vertragsschließenden besteht Einigkeit darüber, dass die vorstehend vereinbarten arbeitsvertraglichen Regelungen sämtliche Regelungen des bisherigen Arbeitsvertrages ersetzen und aus dem bisherigen Arbeitsvertrag sämtliche Ansprüche, gleich welcher Art, bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt sind; die bisherige Dauer der Betriebszugehörigkeit (zeitliche Faktor) bleibt hiervon unberührt. Im Übrigen besteht zwischen den Vertragsschließenden Einigkeit darüber, dass die Bestimmungen der vorstehend bezeichneten tariflichen Regelungen bereits im Rahmen des bisherigen Vertragsverhältnisses Anwendung gefunden haben.“

5

Mit Schreiben vom 20. August 2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm beginnend ab Januar 2007 für die Zeiten der Überlassung an die Entleiherin „ordnungsgemäße“ Abrechnungen unter Berücksichtigung des Lohnrahmentarifvertrags für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen zu erteilen und „sich daraus ergebende Lohnansprüche“ auszugleichen. Dem kam die Beklagte nicht nach.

6

Mit der am 2. März 2011 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst dieses Begehr für die Zeit ab Januar 2008 weiterverfolgt. Nachdem er von der Entleiherin eine Auskunft nach § 13 AÜG eingeholt hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. August 2011 auf eine bezifferte Leistungsklage umgestellt und unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG für die Zeiträume der Überlassungen an die Entleiherin die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll, verlangt. Außerdem stehe ihm ein jährliches Urlaubsgeld in der von vergleichbaren Stammarbeitnehmern bezogenen Höhe sowie eine auf der Grundlage des Vergleichsentgelts berechnete „Kurzarbeitervergütung“ zu.

7

Der Kläger hat - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.540,33 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. März 2011 zu zahlen und über die Zahlungsbeträge neue Abrechnungen zu erteilen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, möglichen Ansprüchen des Klägers stehe die Abgeltungsklausel in § 23 AV 2010 entgegen. Jedenfalls sei Verfall nach der in § 11 AV 1999 vereinbarten Ausschlussfristenreglung eingetreten.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten dem Kläger nur (Differenz-)Zuschläge iHv. 904,89 Euro brutto nebst Zinsen zuerkannt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat - unter nicht tenorierter, aber sich aus den Gründen ergebender und rechtskräftig gewordener Zurückweisung der Berufung im Übrigen - der Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht in dem ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Die Klage ist hinsichtlich der noch anhängigen Ansprüche unbegründet.

11

I. Der Kläger hat für jede Überlassung für deren jeweilige Dauer Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG(vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 294/12 - Rn. 24; 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12 - Rn. 27, BAGE 146, 217). Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien im AV 1999 nicht getroffen.

12

II. Den Ansprüchen des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt steht § 23 AV 2010 nicht entgegen.

13

1. Unabhängig von der Frage, ob die „Erledigungsklausel“ in § 23 Satz 1 AV 2010 überhaupt rechtsgeschäftliche Erklärungen enthalten soll, hätte ein - zugunsten der Beklagten unterstellter - rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dieses Verbrauchervertrags(§ 310 Abs. 3 BGB) allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses. Entsprechend ihrem Wortlaut hält die Klausel die übereinstimmende Auffassung der Parteien fest, dass mit der Ersetzung des AV 1999 durch den AV 2010 alle Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsvertrag „abgegolten und erledigt“ sind. Damit fixieren die Vertragsparteien typischerweise die von ihnen angenommene Rechtslage und dokumentieren das, wovon sie ausgingen: Es bestehen nach diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus dem „alten“ Arbeitsverhältnis mehr (vgl. BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12 - Rn. 16 ff., BAGE 146, 217; 28. Januar 2015 - 5 AZR 122/13 - Rn. 21).

14

2. Soweit § 23 Satz 2 AV 2010 die erst im neuen Arbeitsvertrag in Bezug genommenen tariflichen Regelungen aus der Leiharbeitsbranche rückwirkend zur Anwendung bringen soll, benachteiligt die Klausel den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG entsteht als ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch mit jeder Überlassung(BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 42, BAGE 144, 306). Die rückwirkende Vereinbarung tariflicher Regelungen iSd. § 9 Nr. 2 AÜG zielt auf den Ausschluss der während der Geltung des AV 1999 bereits entstandenen Ansprüche des Klägers auf equal pay und damit auf einen Anspruchsverzicht. Ein solcher einseitig und kompensationslos den Leiharbeitnehmer treffender Entzug von erworbenen Ansprüchen auf gleiches Arbeitsentgelt widerspricht einer ausgewogenen Vertragsgestaltung und ist sachlich nicht zu begründen (vgl. BAG 19. Februar 2014 - 5 AZR 920/12 - Rn. 20 ff.).

15

III. Die Ansprüche des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt sind jedoch nach § 11 AV 1999 wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.

16

1. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet zudem das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 17 mwN), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

17

Unter Zugrundelegung des für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden Maßstabs (dazu zB BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12 mwN, st. Rspr.), erfasst die Klausel den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt. Denn zu den „beiderseitigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankäme (vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 39, BAGE 144, 306).

18

2. Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden.

19

Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 115, 19; 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 46, BAGE 144, 306). Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Ausschlussfrist“ überschriebenen eigenen Paragraphen enthalten.

20

3. Die Regelung zur Geltendmachung von Ansprüchen auf „Zuschläge aller Art“ ist unwirksam, im Übrigen hält § 11 Abs. 1 AV 1999 der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.

21

a) Die erste Stufe der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen ist unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie wegen ihrer Kürze den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ihm verbleibt zur Geltendmachung nicht eine Mindestfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66; 19. Februar 2014 - 5 AZR 920/12 - Rn. 25).

22

b) Die Unwirksamkeit der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen bedingt nicht die Unwirksamkeit der - den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB genügenden - Frist zur Geltendmachung aller übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Klausel ist teilbar.

23

aa) Ohne Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist bei einer teilbaren Klausel die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36; 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 23, BAGE 129, 121). Maßgeblich ist dabei die inhaltliche Teilbarkeit (BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 27, BAGE 146, 284; BGH 10. Oktober 2013 - III ZR 325/12 - Rn. 14 mwN; ErfK/Preis 16. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 103; HWK/Gotthardt 6. Aufl. § 306 BGB Rn. 3; Bonin in Däubler/Bonin/Deinert 4. Aufl. § 306 BGB Rn. 12a). Deshalb können inhaltlich trennbare Regelungen in einer Verfallklausel nach Anwendung des sog. blue-pencil-Test wirksam sein (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 37, BAGE 141, 340).

24

bb) Gemessen daran ist § 11 Abs. 1 AV 1999 inhaltlich teilbar. Er enthält - sprachlich verschränkt und in einer Klausel zusammengefasst - für die erste Stufe der Geltendmachung zwei Ausschlussfristenregelungen, nämlich eine für Zuschläge, eine weitere für alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine solche Aufspaltung mag bei arbeitsvertraglichen Verfallfristen ungewöhnlich sein, in tariflichen Ausschlussfristenregelungen ist eine unterschiedliche Länge der Geltendmachungsfrist für verschiedene Arten von Ansprüchen nicht unüblich. So enthält der in § 12 AV 1999 erwähnte Manteltarifvertrag für das Metallbauer-, Maschinenbaumechaniker-, Werkzeugmacher-, Dreher-, Feinmechaniker-, Metallformer- und Metallgießerhandwerk für das Land Hessen in § 26 eine wortgleiche Ausschlussfristenregelung(zwischen Ansprüchen auf Zuschläge und „alle übrigen Ansprüche“ differenzierend zB auch § 22 MTV für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie). Bei einer Ausschlussfristenregelung müssen nicht zwingend alle Ansprüche einer Ausschlussfrist - noch dazu einer gleich langen - unterworfen werden. Auch ohne Ausschlussfristenregelung für Zuschläge enthält § 11 AV 1999 für alle Ansprüche, die nicht auf Zuschläge gerichtet sind, ein sinnvolles, in sich geschlossenes Ganzes.

25

Der Teilbarkeit der Klausel steht nicht entgegen, dass der verbleibende Teil - Ausschlussfristenregelung für „alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ - wegen der Auflösung der sprachlichen Verschränkung auslegungsbedürftig wird. Dies lässt nicht die inhaltliche Eigenständigkeit der verbleibenden Regelung entfallen, sondern betrifft deren Transparenz.

26

4. Die in § 11 Abs. 1 AV 1999 verbleibende Regelung ist hinreichend transparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

27

a) Bei einer die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs - und damit zugleich dessen Untergang - regelnden Klausel ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen kann, was „auf ihn zukommt“: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge der Arbeitnehmer zu gewärtigen und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 48, BAGE 144, 306). Dabei führt die Auslegungsbedürftigkeit der Klausel nicht automatisch zu deren Intransparenz (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 16 mwN, BAGE 139, 44).

28

b) Diesen Anforderungen genügt die verbleibende Ausschlussfristenregelung.

29

Die gedankliche Prüfung der Teilbarkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt nicht dazu, dass der unwirksame Teil einer Klausel „unter dem blauen Stift verschwindet“. Vielmehr kann der Vertragstext weiterhin zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer ist unbeschadet des späteren blue-pencil-Test erkennbar, dass mit der Formulierung „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ all diejenigen gemeint sind, die nicht „Zuschläge aller Art“ zum Inhalt haben. Auch über den Rechtsbegriff der „Zuschläge“ ist der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht im Unklaren und weiß, dass es sich dabei um über das Grundentgelt hinausgehende Vergütungen etwa für Arbeit zu besonderer Zeit oder unter besonderen Bedingungen handelt. Dementsprechend hatte der Kläger keine Schwierigkeiten, die vergleichbaren Stammarbeitnehmern von der Entleiherin gewährten (tariflichen) Zuschläge in seine Vergleichsberechnung einzubeziehen.

30

Des Weiteren kann der Arbeitnehmer aus der Klausel ersehen, dass diese Ansprüche „ausgeschlossen“ sind (also - untechnisch - in Wegfall geraten), wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden.

31

IV. Der Kläger hat keinen Anspruch auf neue Abrechnungen.

32

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer „bei Zahlung“ des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Der Abrechnungsanspruch entsteht danach erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird und ist vorher nicht klagbar (BAG 13. Oktober 2015 - 1 AZR 130/14 - Rn. 29; 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 34 ff. mwN).

33

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Kremser    

        

    Pollert    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)