Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - III ZB 55/09

bei uns veröffentlicht am17.12.2009
vorgehend
Landgericht Berlin, 13 O 187/08, 12.02.2009
Kammergericht, 9 U 63/09, 03.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 55/09
vom
17. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Allein der Umstand, dass sich ein Richter zur Erprobung bei einem Oberlandesgericht
befindet, rechtfertigt noch nicht die Besorgnis seiner Befangenheit
in einem gegen seinen Dienstherrn gerichteten Amtshaftungsprozess.
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - III ZB 55/09 - KG Berlin
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2009 durch
den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und
Tombrink

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. Juli 2009 - 9 U 63/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Wert des Beschwerdegegenstands: 4.796,53 €

Gründe:


I.


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen einer nach seiner Auffassung unrichtigen Entscheidung des Landgerichts Berlin in einem zivilrechtlichen Berufungsverfahren gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage unter Hinweis auf § 839 Abs. 2 BGB (Spruchrichterprivileg) abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 28. Mai 2009 hat das Kammergericht darauf hingewiesen , dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2009 hat der Kläger die am Hinweisbeschluss beteiligte Richterin am Amtsgericht K. als befangen abgelehnt. Die Richterin, die sich wohl zur Erprobung beim Kammergericht befinde, strebe offensichtlich ein Beförderungsamt an. Dabei sei sie auf das Wohlwollen der Senatorin für Justiz angewiesen, die im vorliegenden Rechtsstreit das beklagte Land vertrete. Deshalb müsse er besorgen , dass die Richterin versucht sein werde, nicht zu Ungunsten des Beklagten zu entscheiden. Es liege daher ein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen.
2
Mit Beschluss vom 3. Juli 2009 hat das Kammergericht das Ablehnungsersuchen als unbegründet zurückgewiesen. Die Tatsache, dass ein Richter über eine gegen seinen Dienstherrn gerichtete Klage zu entscheiden habe, stelle keinen Umstand dar, der geeignet sei, seine Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Hierbei könne nicht danach differenziert werden, ob es sich um einen noch nicht planmäßig ernannten Richter oder einen Richter auf Lebenszeit handele; beide genössen die volle sachliche Unabhängigkeit. Hieran ändere nichts, dass die persönliche Unabhängigkeit bei einem zur obergerichtlichen Erprobung abgeordneten Richter ähnlich wie bei einem Proberichter nicht uneingeschränkt gewährleistet sei. Denn im Rahmen seiner Erprobung solle der Richter gerade unter Beweis stellen, dass er nicht nur fachlich, sondern auch charakterlich in der Lage sei, ein Beförderungsamt auszuüben. Dies gelinge ihm nicht durch ein angepasstes Verhalten, sondern durch die allein dem Recht und dem Gesetz verpflichtete Streitentscheidung. Im Übrigen sei die Annahme des Klägers auch keineswegs zutreffend, wonach eine zukünftige Beförderung der abgelehnten Richterin allein vom Wohlwollen der Senatorin für Justiz abhänge, welche die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit vertrete. Das Verfahren für die Wahl, Berufung und Beförderung von Richtern in Berlin stelle sicher, dass Beförderungsentscheidungen allein aufgrund der fachlichen und persönlichen Eignung eines Richters getroffen würden und nicht davon abhingen, ob er in einem Einzelfall zugunsten oder zu Ungunsten seines Dienstherrn entschieden habe.
3
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
4
Die Richterin am Amtsgericht K. hat ihre Erprobung am 31. Juli 2009 beendet. An ihre Stelle ist im 9. Zivilsenat des Kammergerichts als neuer Erprobungsrichter Richter am Landgericht Dr. S. getreten. Diesen hat der Kläger zwischenzeitlich ebenfalls mit gleich lautender Begründung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
6
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist insoweit, ob eine Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung eines Richters zu zweifeln (BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2002 - XI ZR 388/01 - NJW 2002, 2396; vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03 - NJW 2004, 164; vom 6. April 2006 - V ZB 194/05 - NJW 2006, 2492, 2494, Rn. 26; vom 14. Juni 2006 - IV ZR 219/04 - FamRZ 2006, 1440; BVerfGE 98, 134, 137; BVerfG, NJW 2000, 2808).

7
Die Tatsache, dass sich die abgelehnte Richterin zur Erprobung beim Kammergericht befunden hat, ist nicht geeignet, aus der Sicht einer vernünftigen Partei Misstrauen an ihrer Unparteilichkeit zu wecken.
8
a) Allerdings hat das Landgericht Berlin (NJW 1956, 1492) die Ablehnung von Gerichtsassessoren in einem Fall für begründet erachtet, in dem der obersten Dienstbehörde sowie dem mitverklagten Senator für Justiz persönlich der Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung gemacht wurde. Zur Begründung hat die Kammer darauf verwiesen, dass Gerichtsassessoren (heute: Richter auf Probe gemäß § 12 Abs. 1 DRiG) nicht in gleicher Weise gegenüber ihrer obersten Dienstbehörde persönlich unabhängig seien wie die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter. Ihre Laufbahn sowie ihre Übernahme als Richter auf Lebenszeit hingen wesentlich von den Entscheidungen des Senators für Justiz ab. Wenn ein Kläger bei dieser Rechtsstellung der beiden abgelehnten Gerichtsassessoren besorge, dass sie ihrer obersten Dienstbehörde in einem Rechtsstreit nicht unbefangen gegenüberstehen könnten, in dem dieser der persönliche Vorwurf vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemacht werde, sei dies von seinem Standpunkt aus richtig.
9
b) Ob dieser Entscheidung, die überwiegend auf Ablehnung gestoßen ist (KG, MDR 1995, 1164; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 42, Rn. 12; Musielak /Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 42, Rn. 16; Prütting/Gehrlein/Mannebeck, ZPO, § 42, Rn. 14; Schneider, DRiZ 1978, 42, 45; kritisch auch Stein/Jonas/Bork, 22. Aufl., § 42 Rn. 5; zustimmend aber unter Bezugnahme auf die besonderen Umstände des Falles: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 42, Rn. 20, Stichwort "Dienstherr"; verallgemeinernd Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42, Rn. 11, 12a), gefolgt werden könnte, bedarf hier keiner Ent- scheidung. Abgesehen davon, dass es - anders als im oben angesprochenen Fall - nicht um den Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens des Dienstherrn geht, unterscheidet sich die Situation eines zur Erprobung bei einem Obergericht abgeordneten Richters grundlegend von der Stellung eines Richters auf Probe. Ersterer ist - im Unterschied zum Richter auf Probe (siehe dazu BGHZ 130, 304, 308) - bereits hauptamtlich und planmäßig endgültig als Richter angestellt und untersteht damit uneingeschränkt dem Schutz des Art. 97 Abs. 2 GG. Seine sachliche und persönliche Unabhängigkeit wird durch die Erprobung nicht beeinträchtigt (BGHZ 162, 333, 339 f). Zwar mag der Erfolg der Erprobung beim Obergericht Einfluss auf die weitere richterliche Laufbahn haben. Die diesbezügliche Beurteilung der Erprobungsleistung erfolgt allerdings durch die Behördenleitung des Obergerichts, nicht unmittelbar durch den Dienstherrn. Die hinter dem klägerischen Ablehnungsantrag stehende Annahme, eine Berufsrichterin würde sich bei ihrer Entscheidung in Amtshaftungsprozessen von der Erwägung leiten lassen, dass eine klageabweisende Entscheidung ihrem Dienstherrn besser gefalle und sich insoweit dann auf ihren weiteren beruflichen Lebensweg positiv auswirken könne, erscheint dem Senat abwegig. Eine vernünftige Partei darf darauf vertrauen, dass ein Berufsrichter willens, in der Lage und stets bereit ist, dem Recht zu dienen und seine Entscheidung danach auszurichten. Hieran ändert die Tatsache der Erprobung, auch wenn diese notwendige Voraussetzung für eine Beförderung ist, nichts. Die Erprobung ist mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar; vom Erprobungsrichter wird erwartet , dass er seine Entscheidung nicht vom angestrebten Ziel der Beförderung abhängig macht (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2006 - 2 BvR 957/05 - juris, Rn. 7).
10
Die gegenteilige Annahme ließe sich im Übrigen nicht auf die zur Erprobung bei einem Obergericht tätigen Richter beschränken, sondern müsste im Falle ihrer Berechtigung auf jeden Berufsrichter übertragen werden, dessen Laufbahn noch nicht abgeschlossen ist und der deshalb noch befördert werden kann. Damit wären Amtshaftungsprozesse gegen die Anstellungskörperschaften (Land oder Bund) der jeweils zur Entscheidung berufenen Richter nicht mehr justiziabel. Würde der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt als ein vernünftiger und verständiger Umstand gewürdigt werden, der geeignet ist, die Unparteilichkeit eines Richters in Zweifel zu ziehen, hieße dies letztlich, die rechtsethischen Wurzeln des richterlichen Berufs zu leugnen und die verfassungsrechtliche Institution der dritten Staatsgewalt schlechthin in Frage zu stellen. Dass in einem Fall, in dem der Staat Partei ist, letzten Endes kein Dritter, sondern der Staat über sich selbst zu Gericht sitzt, da Gerichte Organe dieses Staates sind, ist im gewaltengeteilten Staatsaufbau des Grundgesetzes mit seiner unabhängigen Justiz kein Grund, die gerichtliche Tätigkeit in Frage zu stellen (BVerfGE 4, 331, 346). Aus dem Dienstverhältnis allein kann eine Befangenheit der mit Amtshaftungsansprüchen befassten Richter daher nicht abge- leitet werden (Senat, Beschluss vom 16. Februar 1959 - III ARZ 4/59 - DRiZ 1959, 153).
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 12.02.2009 - 13 O 187/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.07.2009 - 9 U 63/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - III ZB 55/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - III ZB 55/09

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2009 - III ZB 55/09 zitiert 9 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

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Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 12 Ernennung auf Probe


(1) Wer später als Richter auf Lebenszeit oder als Staatsanwalt verwendet werden soll, kann zum Richter auf Probe ernannt werden. (2) Spätestens fünf Jahre nach seiner Ernennung ist der Richter auf Probe zum Richter auf Lebenszeit oder unter Beru

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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 388/01
vom
14. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen
am 14. Mai 2002

beschlossen:
Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. werden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:


1. Der Kläger macht gegen die beklagte Bank im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs einer im Strukturvertrieb angebotenen Eigentumswohnung Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche geltend. Seine Klage, mit der er in erster Instanz teilweise Erfolg hatte, ist vom Berufungsgericht in vollem Umfang abgewiesen worden.
Im Revisionsverfahren, in dem er seine Klageforderungen weiterverfolgt , hat er mit Schriftsatz vom 4. April 2002 und ergänzend mit Schriftsätzen vom 24. April und 13. Mai 2002 den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er im
wesentlichen geltend gemacht: Die abgelehnten Richter verschlössen die Augen vor dem zu beurteilenden Fall. Dies zeige die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu "drückervermittelten Wohnungsfinanzierungen", die dem vorliegenden Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbare Fälle betreffe. Diese Rechtsprechung begünstige einseitig die kreditgewährenden Banken. Das Verhalten der abgelehnten Richter lege eine Bestechlichkeit nahe. Die Richter hätten an einer ganzen Serie von bankfinanzierten Seminaren zur Frage der Haftung der Banken für "drückervermittelte Wohnungsfinanzierungen" gemeinsam mit dem "Cheflobbyisten" der Beklagten Dr. Br. teilgenommen. Hierfür hätten sie von den Veranstaltern, darunter der Zeitschrift "W.", die von der "Interessengemeinschaft ... Kreditinstitute" kontrolliert werde, Honorare erhalten. Richter Dr. S. sei zudem Mitglied des Redaktionsbeirates der "W.". Auf einem Seminar dieser Zeitschrift am 18. Mai 2001 habe Dr. Br. erklärt, warum der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die gegen die Beklagte ergangen seien, aufzuheben habe. Richter Dr. S. habe dem zugestimmt und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, "diesem Spuk" müsse "ein Ende bereitet werden". Später habe der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile tatsächlich aufgehoben. Vorsitzender Richter N. habe im Winter 2000 in einem Festvortrag vor der Universität L. über seine Aufgabe als Richter gesprochen und ausgeführt, es gelte, insbesondere gegenüber der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, die Wettbewerbssituation der betroffenen deutschen Wirtschaftsbranche im Auge zu behalten. Die abgelehnten Richter weigerten sich, die zu beurteilenden
Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden, derer sich die Banken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Dies sei Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Die abgelehnten Richter haben sich am 8. und 29. April 2002 dienstlich geäußert.
2. Die Ablehnungsgesuche sind nicht begründet.

a) Ablehnungsgesuch gegen Vorsitzenden Richter N.
aa) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.Nachw.). Davon kann hier keine Rede sein.
bb) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften. Die für einen Prozeßbeteiligten ungünstige Rechtsauffassung eines Richters in einem früheren Rechtsstreit zwischen anderen Parteien ist kein Ablehnungsgrund. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, sich gegen eine für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung des Richters zu wehren, es sei denn, die Rechtsauffassung beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Rich-
ters oder auf Willkür. Die Mitwirkung eines Richters an früheren Entscheidungen kann seine Ablehnung deshalb nur rechtfertigen, wenn zusätzliche konkrete Umstände vorliegen, die ergeben, daû der Richter nicht bereit ist, seine frühere Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozeûbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen (BAG NJW 1993, 879). Derartige Umstände liegen nicht vor.
(1) Die Teilnahme eines Richters an Seminaren zu aktuellen Rechtsfragen stellt keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt auch dann, wenn zugleich Vertreter von Banken oder andere Interessenvertreter teilnehmen. Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof und anderen Gerichten an wissenschaftlichen Veranstaltungen ist seit Jahrzehnten üblich und in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt. Sie dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Austausch von Meinungen, auch in bezug auf sich in der Bankpraxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher , daû die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangenheit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äuûerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen (vgl. BVerfG NJW 1997, 1500).
Auch das Verhältnis, in dem die Veranstalter der Seminare zur Beklagten stehen, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Hinsichtlich des Veranstalters des Seminars am 27. Oktober 2000, des
R-Verlages, zeigt der Kläger keine Beziehung oder wirtschaftliche Abhängigkeit zur Beklagten oder anderen Banken auf. Hinsichtlich des Seminars am 18. Mai 2001 macht er ohne Erfolg geltend, dieses sei von der Zeitschrift "W.", die von der "Interessengemeinschaft ... Kreditinstitute" kontrolliert werde, veranstaltet worden. Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, daû die unterstellte Abhängigkeit der Zeitschrift "W." von der Kreditwirtschaft den wissenschaftlichen Charakter des Seminars am 18. Mai 2001 in Frage gestellt und die Rechtsauffassung des Richters zu den im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Rechtsfragen beeinfluût haben könnte.
Das Honorar, das die Veranstalter dem Richter gezahlt haben, ist ein Entgelt für den Arbeits- und Zeitaufwand zur Vorbereitung und Durchführung der Seminare. Derartige Honorare sind allgemein üblich und werden aus den Einnahmen geleistet, die die Seminarveranstalter in Form der Teilnehmergebühren erzielen. Vor diesem Hintergrund fehlt jeder vernünftige Grund zu der Besorgnis, daû mit dem Honorar Einfluû auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genommen werden könnte. Der vom Kläger geäuûerte Verdacht der Bestechlichkeit ist daher nicht nachvollziehbar.
(2) Der Festvortrag, den Vorsitzender Richter N. im Winter 2000 vor der Universität L. gehalten hat, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht. Derartige Vorträge rechtfertigen die Besorgnis der Voreingenommenheit ebensowenig wie die Teilnahme an wissenschaftlichen Seminaren. Zudem räumt der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. April 2002 selbst ein, daû der Richter sich hier nicht zu kreditfi-
nanzierten Immobiliengeschäften oder anderen im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Fragen geäuûert hat.
(3) Die pauschale Behauptung des Klägers, der Richter weigere sich, die zu beurteilenden Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden , derer sich die Banken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen, reicht zur Darlegung eines Ablehnungsgrundes ebenfalls nicht aus. Der Kläger hat weder schlüssig vorgetragen, daû der Richter in einem anderen Rechtsstreit den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör durch Übergehung eines bestimmten Tatsachenvortrages verletzt haben könnte, noch, daû ein solches Verhalten die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren begründen könnte. Soweit der Kläger geltend macht, der Richter sei in zwei Nichtannahmebeschlüssen auf entscheidungserheblichen Vortrag nicht eingegangen, verkennt er, daû einer dieser Beschlüsse von einem anderen Senat des Bundesgerichtshofs und daher ohne Mitwirkung des Richters gefaût worden ist, sowie daû das Gesetz eine nähere Begründung für Nichtannahmebeschlüsse nicht vorsieht. Der Vorwurf der Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entbehrt jeder Grundlage.

b) Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S.
aa) Soweit das Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S. auf dieselben Gründe wie das Gesuch gegen Vorsitzenden Richter N. gestützt wird, ist es aus den bereits dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.
bb) Auch die darüber hinaus geltend gemachten Gründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.
(1) Die Mitgliedschaft des abgelehnten Richters im Redaktionsbeirat der Zeitschrift "W." reicht hierfür nicht aus. Selbst die Mitgliedschaft eines Richters in einem prozeûbeteiligten Verein mit einer gröûeren Mitgliederzahl ist kein Ablehnungsgrund (BGH, Beschluû vom 5. März 2001 - I ZR 58/00, BGH-Report 2001, 432, 433).
(2) Soweit der Kläger behauptet, Richter Dr. S. habe auf dem Seminar am 18. Mai 2001 dem stellvertretenden Chefsyndikus der Beklagten darin zugestimmt, daû drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die zum Nachteil der Beklagten ergangen waren, aufzuheben seien, und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, "diesem Spuk" müsse "ein Ende bereitet werden" , vermag auch dies dem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Es unterliegt bereits erheblichen Zweifeln, ob die behaupteten Äuûerungen des Richters zu drei bestimmten, inzwischen abgeschlossenen Revisionsverfahren überhaupt geeignet sein könnten, für Parteien anderer Verfahren wie den Kläger die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Jedenfalls ist ein Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Richter hat in seiner dienstlichen Äuûerung vom 8. April 2002 erklärt, er habe sich in keinem einzigen Fall zu einem
schwebenden Verfahren geäuûert. Rechtsanwalt Prof. Dr. K. hat diese Darstellung in seinem Schriftsatz vom 25. April 2002 "voll und ganz" bestätigt. Gegenüber diesen Äuûerungen reichen die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau A. La. vom 24. April 2002 und die anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. Sc., die die Darstellung des Klägers im wesentlichen bestätigen, zur Glaubhaftmachung nicht aus.

c) Die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Umstände rechtfertigen auch bei zusammenfassender Würdigung die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das Verhalten der Richter begründet nicht die Annahme , die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des Senats zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften beruhe auf unsachlichen Erwägungen und hindere sie daran, das Vorbringen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.
Bungeroth Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 22/03
vom
2. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Weist der Richter nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid den Beklagten mit
der Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift darauf hin, daß der Anspruch verjährt
sei, besteht Grund, ihn abzulehnen; dasselbe gilt, wenn der Hinweis zwar an
den Kläger gerichtet, aber auch dem Beklagten zuzustellen ist.
BGH, Beschl. v. 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03 - LG Dessau
AG Zerbst
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Oktober 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 24. Februar 2003 und des Amtsgerichts Zerbst vom 24. Januar 2003 aufgehoben.
Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Amtsgericht S. wird für begründet erklärt.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 800

Gründe:


I.


Mit einem dem Beklagten am 26. Oktober 2002 zugestellten Mahnbescheid hat die Klägerin Herausgabe von Nutzungsentgelt nach den Vorschriften über das Sachenrechtsmoratorium (Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 4 und Satz 8 EGBGB) geltend gemacht. Nach Widerspruch hat das Amtsgericht im schriftlichen Vorverfahren dem Beklagten die Anspruchsbegründungsschrift und eine beglaubigte Abschrift folgenden, an den Kläger ergangenen Hinweises zugestellt :
"Der Anspruch nach Satz 4 dürfte gemäß Satz 7 verjährt sein, wenn der Beklagte die Einrede der Verjährung erhebt." Der Beklagte, der zunächst nur Einwendungen gegen das Bestehen der Ansprüche erhoben hatte, berief sich in der Folge auch auf Verjährung. Die Klägerin hat den Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch weiter.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat sie Erfolg.
1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr. BGHZ 77, 70, 72; BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994, I ZR 121/92, NJW 1995, 1677, 1679; zu § 19 BVerfGG: BVerfGE 20, 1, 5; 102, 122, 125). Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Aequidistanz zu den Parteien aufgibt und sich zum Berater einer Seite macht. Bei der materiellen Prozeßleitung, zu der die in § 139 ZPO vorgesehenen Erörterungen, Fragen und Hinweise zäh-
len (vgl. auch §§ 136 Abs. 3, 141, 279 Abs. 3 ZPO), hat er, soweit für besondere Verfahrensarten nichts Abweichendes bestimmt ist (für Familiensachen vgl. §§ 616, 617 ZPO), das Verfügungsrecht der Parteien über das Streitverhältnis und deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozeßstoffes zu respektieren. Es ist ihm deshalb verwehrt, auf die Einführung selbständiger, einen gesetzlichen Tatbestand eigenständig ausfüllender Angriffs- und Verteidigungsmittel (vgl. § 146 ZPO) in den Prozeß hinzuwirken. Dies gilt für weitere Klagegründe (BGHZ 7, 208, 211; Senatsurteil vom 16. Juli 1999, V ZR 56/98, WM 1999, 1891, 1893, jeweils für die Klageerweiterung), für die Ausübung von Gestaltungsrechten (Senat aaO), aber auch für Leistungsverweigerungsrechte (BGH, Urteil vom 18. November 1968, II ZR 152/67, NJW 1969, 691, 693 für das Zurückbehaltungsrecht).
2. Die Verjährung berührt nach der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs den anspruchsbegründenden Tatbestand und mithin das Bestehen des Rechts des Gläubigers nicht. Ihr Eintritt verschafft dem Schuldner vielmehr ein Gegenrecht, nämlich die Befugnis, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Geltendmachung des Gegenrechts, die Erhebung der Einrede der Verjährung, ist eine geschäftsähnliche Handlung des sachlichen Rechts (allg. M., vgl. statt aller MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl. § 222 Rdn. 3). Sie setzt die Bekundung des Willens des Schuldners voraus, die Leistung endgültig zu verweigern und dies - jedenfalls dem Sinne nach - mit dem Ablauf der Verjährungsfrist zu begründen. Bevor dies geschehen ist, steht dem Verlangen des Gläubigers auf Erbringung der Leistung nichts entgegen. Im Rechtsstreit hat deshalb, auch wenn die verjährungsbegründenden Umstände vom Kläger selbst vorgetragen werden, auf Antrag Versäumnisurteil gegen den ausgebliebenen Beklagten zu ergehen (§ 331 Abs. 2 ZPO). An dieser Konzeption (bisher
§ 222 BGB) hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz festgehalten. Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der Einredelösung (Nachweise bei Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 139 Rdn. 24a; aus der Sicht des § 42 Abs. 2 ZPO vgl. auch Feiber, Anm. zu BGH, Urteil vom 12. November 1997, IV ZR 214/96, LM ZPO § 42 Nr. 7 und Deubner, JuS 1998, 249, 250) erübrigen sich daher. Zu Unrecht meint mithin das Beschwerdegericht, der Amtsrichter habe sich mit seinem Hinweis auf die Wiedergabe der materiellen Rechtslage beschränkt. Seine prozeßleitende Verfügung führte dem Beklagten vielmehr die Möglichkeit vor Augen, durch eine geschäftsähnliche Handlung die bestehende, für das Gericht verbindliche Rechtslage zum Nachteil des Klägers und zu seinen eigenen Gunsten zu verändern. Ein solcher Hinweis wirkt wie eine Aufforderung, die Einrede auch zu erheben.
3. Für den Hinweis bietet § 139 ZPO keine Grundlage. Der Bundesgerichtshof hat zwar bisher die Frage, ob das Gericht nach dieser Vorschrift den Anspruchsgegner auf die Möglichkeit hinweisen darf, sich mit der Einrede der Verjährung zu verteidigen (zum Streitstand in Rechtsprechung und Literatur vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 3. Aufl. §139 Rdn. 9 mit Fn. 64), noch nicht ausdrücklich entschieden. Die Verneinung des Rechts, auf ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht (Zurückbehaltungsrecht) aufmerksam zu machen (oben zu 1.), nimmt die Entscheidung aber im Grundsatz vorweg. Der Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung des § 139 ZPO durch das Zivilprozeßreformgesetz diesen Standpunkt zu eigen gemacht. Die neuen Regeln der materiellen Prozeßleitung sehen nach Wortlaut und Gesetzesbegründung (BTDrucks. 14/4722, S. 77) davon ab, den Gerichten inhaltlich engere oder detailliertere Vorgaben zu machen als das bisherige Recht. § 139 Abs. 1 ZPO hebt
danach zwar insgesamt hervor, daß das Gericht im offenen Gespräch mit den Parteien die entscheidungserheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte erörtern und auf eine allseits sachdienliche Verfahrensführung hinwirken soll. Er beläßt es jedoch bei dem Grundsatz, daß es nicht Aufgabe des Gerichts ist, durch Fragen oder Hinweise neue Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge einzuführen, die in dem streitigen Vortrag der Parteien nicht zumindest andeutungsweise bereits eine Grundlage haben. Das Ausbleiben von Hinweisen, für die danach kein Raum besteht, macht eine Entscheidung auch nicht überraschend im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO (ausdrücklich zu § 139 Abs. 2 der Referentenentwurf des BMJ, Stand 23. Dezember 1999, Entwurfsbegründung S. 109). Hiermit weicht der Senat nicht von der vom IV. Zivilsenat in der Entscheidung vom 12. November 1997 (oben zu 2.) zu § 278 Abs. 3 ZPO a.F. vertretenen Meinung ab. Der IV. Zivilsenat hat aus der in den Grundzügen § 139 Abs. 2 ZPO entsprechenden Vorschrift nicht die allgemeine Befugnis des Richters hergeleitet, den Anspruchsgegner auf die Möglichkeit hinzuweisen, er könne sich mit dem Eintritt der Verjährung verteidigen. Bei dem vom IV. Zivilsenat zu beurteilenden Sachverhalt war es vielmehr geboten, die Revisionsparteien auf eine bestimmte Rechtsprechung hinzuweisen, aus der unübersehbar die Anwendung einer bestimmten Verjährungsvorschrift folgte. Daß der abgelehnte Richter bei den Vergleichsgesprächen in der Revisionsinstanz auf diese Rechtsfolge hingewiesen hatte, machte ihn nicht befangen.
4. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob andere Vorschriften, etwa die Pflicht, auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht zu sein (§ 278 ZPO), überhaupt, unter welchen Voraussetzungen und wenn ja, in welcher Weise, den Hinweis auf die Einrede erlauben. Er hat sich deshalb auch nicht mit der Gesamtheit der in Rechtsprechung und Literatur geführten Dis-
kussion über das Ablehnungsrecht der Parteien im Falle des Hinweises auf die Verjährung zu befassen (zum Streitstand vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. § 42 Rdn. 27). Im Streitfalle entbehrte der Hinweis jeder in Frage kommenden Rechtsgrundlage. Der Richter hat, noch bevor der Beklagte überhaupt Gelegenheit hatte, sich zu äußern, diesem einen Weg aufgezeigt, der nach seiner Auffassung zum Erfolg der Rechtsverteidigung und zum Mißerfolg der Klage führte. Damit hat er sich aus der verständlichen Sicht der Klägerin parteilich gezeigt. Daß der Hinweis unmittelbar gegenüber der Klägerin erfolgte, ändert hieran angesichts des Umstandes, daß er nach der Anordnung des Richters dem Beklagten bekanntzugeben war, entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts , nichts. Ohne Einfluß auf den Erfolg des Ablehnungsgesuches ist auch der Umstand, daß der Hinweis inhaltlich unzutreffend war (die Zustellung des Mahnbescheides hatte die am 8. November 2000 begonnene, zweijährige Verjährungsfrist des Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 7 gehemmt; § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB).
5. Der Ablehnungsgrund entfällt nicht deshalb, weil das Verhalten des Richters jedenfalls vertretbar gewesen wäre (zu diesem Gesichtspunkt statt aller Zöller/Vollkommer aaO, Rdn. 27 m.w.N.). Das war nicht der Fall. Im übrigen ist, wenn man bei der Beurteilung der Befangenheit des Richters auf diesen Gesichtspunkt abstellen will (dazu auch BGH, Urteil vom 12. November 1997, oben zu 2; Beschluß vom 29. November 1995, XII ZR 140/94, BGHR ZPO § 42 Abs. 2, Rechtsauffassung 1), zwischen Äußerungen über Rechtsund tatsächliche Fragen im allgemeinen und einem Hinweis darauf, daß ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel in den Prozeß eingeführt werden könne, zu unterscheiden. Im letzteren Fall müssen, wegen der eklatanten
Gefahr, von einer Gleichbehandlung der Parteien abzuweichen, an die Vertretbarkeit des Hinweises strenge Anforderungen gestellt werden. Anderenfalls wäre es dem Richter an die Hand gegeben, über die Grenzen seiner Neutralitätspflicht selbst zu entscheiden. Die danach zu stellenden Anforderungen wären im Streitfall unter keinem Gesichtspunkt erfüllt gewesen.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch
26
(b) Der protokollierte Hinweis des abgelehnten Richters auf strafrechtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Verfahren ist kein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr., BGHZ 77, 70, 72; Senat, BGHZ 156, 269, 270). Dies ist hier nicht der Fall.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 219/04
vom
14. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Felsch
und Dr. Franke
am 14. Juni 2006

beschlossen:
Richterin … ist nicht gehindert am Verfahren mitzuwirken.

Gründe:


1
I. Die Parteien streiten um die Berechtigung der beklagten Landeshauptstadt , als Trägerin einer Zusatzversorgungseinrichtung vom Kläger als Mitglied dieser Einrichtung ein so genanntes Sanierungsgeld zu erheben.
2
Die nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Entscheidung in diesem Rechtsstreit berufene Richterin hat mit dienstlicher Erklärung vom 25. April 2006 gemäß § 48 ZPO angezeigt, bei dem im Kanzlei-Briefkopf der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in erster und zweiter Instanz aufgeführten Rechtsanwalt handele es sich um ihren Vater. Er sei in dieser Kanzlei als freier Mitarbeiter tätig.

3
Die Parteien haben von der Anzeige der Richterin Kenntnis erhalten und hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie sei von der Unbefangenheit der Richterin überzeugt, zumal Rechtsanwalt mit der Sache nicht befasst gewesen sei. Der Kläger hält die Voraussetzungen des § 41 ZPO für nicht gegeben. Er ist indessen der Ansicht, allein der Umstand, dass der Vater der Richterin auf dem Briefkopf der Prozessbevollmächtigten der Beklagten aufgeführt sei, begründe objektiv die Besorgnis der Befangenheit.
4
II. 1. Ein Ausschlussgrund im Sinne des § 41 ZPO in der Person der Richterin liegt nicht vor.
5
2. Die von der Richterin angezeigten Umstände sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht geeignet, Misstrauen gegen ihre unparteiliche Amtsausübung bei der Mitwirkung an Entscheidungen im vorliegenden Rechtsstreit zu rechtfertigen.
6
BesorgnisderBefangen heit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO besteht dann, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten , der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 42 Rdn. 9 m.w.N.). Ob solche Gründe stets dann gegeben sind, wenn der Richter mit dem früheren Prozessbevollmächtigten einer Partei verwandt ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu OLG Celle OLG-Report Celle 1995, 272 m.w.N.). Denn der Vater der Richterin ist zwar im Briefkopf des früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Mitglied der Kanzlei am Standort Burgwedel aufgeführt, war aber mit der Bearbeitung des hier rechtshängigen Verfahrens - was auch der Kläger nicht in Zweifel zieht - zu keinem Zeitpunkt befasst. Allein die Namensnennung des Vaters der Richterin im Briefkopf der früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten begründet die Besorgnis der Befangenheit nicht (im Ergebnis ebenso OLG Celle aaO; vgl. auch BFH/NV 2002, 40, 41; 2005, 234, 235).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 09.01.2004 - 8 O 76/03 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.09.2004 - 5 U 70/04 -

(1) Wer später als Richter auf Lebenszeit oder als Staatsanwalt verwendet werden soll, kann zum Richter auf Probe ernannt werden.

(2) Spätestens fünf Jahre nach seiner Ernennung ist der Richter auf Probe zum Richter auf Lebenszeit oder unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt zu ernennen. Die Frist verlängert sich um die Zeit einer Beurlaubung ohne Bezüge.

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.